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Full text of "Beiträge zur Chirurgie : Festschrift gewidmet Theodor Billroth von seinen dankbaren Schülern zur Feier des vollendeten fünfzigsten Semesters seines akademischen Wirkens in Wien"

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in  2016 


https://archive.org/details/b28106714 


BEITRÄGE 

ZUR, 

C H 1 R ü K (I  l E. 


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1867. 


Hsliogravure  J.Lowy,  '/Äen. 


1892 


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lleliogravuTe  J.Löwy  .Wien. 


FESTSCHRIFT 

GEWIDMET 

THEODOR  BILLROTH 


VON 


SEINEM  I)A^KBAREN  SCHÜLERN 


ZUR  FEIER  DES 


VOLLENDETEN  EINEZIOSTEN  SEMESTERS 


SEINES  AKADEMISCHEN  WIRKENS  IN  WIEN. 


-MIT  2 I'OllTRAITS,  !)  I.ITHOOI’.APH.  TAl'KLN  UNI)  51  IIOUZ.SCIINITTEN. 


STUTTCtART 

VERLAG  VON  FERDINAND  ENKE 

1892. 


WEaCOME  INSTITUTE 
UBRARY 

Coli. 

welMOmec 

Call 

No. 

Druck  der  Iloffmannschen  Buchdruckerei  in  Stuttgart. 


Hochgeehrter  Meister! 


h tiufundzwanzig  Jahre  sind  verflossen,  seit  Sie  das  Lehramt 
für  Chirurgie  an  der  Wiener  Universität  übernommen.  — In  jugend- 
lichem Drängen  nach  Vorwärts,  in  stürmischem  Ringen  nach  der 
liöchsten  Vollendung  führten  Sie  es  damals  und  heute  führen  Sie 
es  noch,  in  reifster  Kraft,  in  reichstem  Wissen  und  Können,  trotz 
allen  grossen  Erfolgen  immer  nach  Vorwärts  schreitend,  um  den 
Kreis  unseres  Wissens  zu  erweitern. 

Sie  widmeten  uns  jenen  Abschnitt  Ihres  Leloens,  in  welchem 
die  Persönlichkeit  zur  vollsten  Entfaltung  gelangt;  an  allen  wichtigen 
Fragen  der  ärztlichen,  insbesondere  der  chirurgischen  Wissenschaft 
und  Kunst  haben  Sie  in  diesem  Zeiträume  mitgearbeitet , immer 
fördernd,  oft  entscheidend. 

Sie  haben  der  Forschung  neue  Wege  gezeigt,  neue  Wege 
gebahnt. 

Als  ein  bleibendes  Denkmal  Ihrer  Menschenliebe  haben  Sie 
unserer  Stadt  im  Rudolfinerhause  eine  Heilstätte  geschaffen,  die 
weniire  ilires2leichen  hat. 


Noch  Vieles  möge  Ilinen  in  Zukunft  zu  scliaffen  vergönnt 
sein,  vor  allem  der  Neubau  einer  chirurgischen  Klinik  in  Wien, 
wofür  Sie  ja  seit  Jahren  eintreten,  damit  — der  Wissenschaft  und 
Humanität  zum  Frommen  — auch  die  Einrichtung  der  Anstalt 
jenem  Geiste  des  Fortschrittes  entspreche,  der  den  Leiter  der 
Klinik  beseelt. 

In  den  fünfzig  Semestern  Ihres  akademischen  Wirkens  in  Wien 
schaarten  sich  zahlreiche  Schüler  um  Ihre  Lehrkanzel.  — Wie 
viel  verdanken  wir  Ihnen  an  Rat  und  Lehre,  an  Anregung 
und  Förderung!  Allein  das  Beste  lehrten  Sie  Ihre  Schüler  stets 
durch  Ihr  eigenes  Beispiel,  in  liebevoller  Hilfsbereitschaft  für  die 
Leidenden,  in  rastloser  Arl)eit  für  Fortschritt  und  Wissenschaft, 
in  voller  Hingebung  für  das  als  recht  Erkannte,  mit  Hintansetzung 
aller  persönlichen  Interessen,  in  rücksichtsloser  Wahrheitsliebe.  — 
Jeder  Ihrer  Schüler,  der  von  Ihnen  geht,  nimmt  es  als  bleibenden 
Gewinn  mit  sich,  die  Verschmelzung  solcher  Eigenschaften  mit  den 
reichsten  Gaben  der  Natur  zu  harmonischer  Einheit  verkörj)ert 
gesehen  zu  haben. 

Und  so  bringen  denn  Schüler  von  Einst  und  Jetzt  Beiträge 
zu  diesem  Buche  in  der  Empfindung,  als  pflückte  Jeder  eine  Blume 
aus  seinem  Garten  zu  einem  Kranze,  den  wir  Ihnen  heute  dar- 
bieten, als  Zeichen  unserer  aufrichtigen  Freude,  dass  wir  vor 
Allen  Sie  den  Unseren  nennen  dürfen,  als  einen  Beweis  unserer 
unwandelbaren  Verehrung,  Dankbarkeit  und  Liebe. 


Wien,  im  Oktober  1892. 


Inhalts- Verzeichnis. 


Seite 

Ueber  Hernia  ventralis  lateralis  coiiyenita  und  ihre  Bezielinngen  zu  Ileruia 
luuibalis  von  Dr.  Oscar  Wyss,  Professor  in  Zürich.  Mitteilung  aus 
dem  Züricher  Kindersjtitale  Eleonorenstiftung.  Mit  Tafel  I u.  II  . . 1 

Ein  Beitrag  zur  Uterus-Chirurgie  von  I)r.  Bichard  Lumpe,  Docent  für 

Cfehurtshilfe  und  Gynäkologie,  an  der  MTener  luiiversität  ....  22 

Zur  chirurgischen  Behandlung  tuberkulöser  Ellhogenerkrankungen  im  Kindes- 
alter. Vom  einer.  Primarärzte  des  Erzherzogin  i\Iaria-Theresia-8ee- 
hospizes  in  8.  Pelagio  hei  Bovigno:  Dr.  iMax  Scheimpflug  . . . 3h 

Die  Zimgencarcinomoperationen  der  Klinik  Prof.  IMllroth’s  von  ISSl — 1892 

von  Dr.  K.  Büdinger,  Assistent  der  Klinik 54 

Weitere  Erfahrungen  und  neue  Versuche  über  die  Narkose  mit  messbaren 

Chloroformluftmischungen  von  Dr.  Otto  Kapiieler  in  Münsterlingen  (17 
Zur  Frage  der  Schädeloperationen  hei  Epilepsie  von  Dr.  Alexander  F r än  kel, 

Privatdocent  für  Chirurgie  in  Wien 103 

Zur  Statistik  und  l’rognose  der  Verätzungen  des  Oesophagus  und  der  im 
Gefolge  derselben  entstehenden  Strikturen  von  Doc.  Dr.  V.  Kitter 
von  Hacker,  Abteilungsvorstand  des  Erzh.  Sophienspitals  und  der 

allgem.  Poliklinik  in  'Wien 123 

Colica  processus  vermiformis  (Breuer''  von  Dr.  Arth.  F.  v.  Hochstetter 

(4Vr.  NeustadD 138 

Feber  primäre  Tuberkulose  der  Thränendrüse  von  Dr.  Leopold  IMüller, 

Assistenten  an  Prof.  Fuchs’s  Augenklinik.  iMit  zwei  Holzschnitten  . 144 

Beitrag  zur  Erklärung  des  Herztodes  nach  Exstirpation  des  Larynx.  Expe- 
rimentelle Untersuchungen,  von  Dr.  Michael  Grossmann,  Docent 

an  der  "Wiener  Universität.  Mit  (5  Holzschnitten 150 

Laryngotomia  transvei'sa  von  Primararzt  Dr.  Bohert  Gersuny  in  AVien. 

Mit  4 Holzschnitten 168 

Die  gesundheitliche  Bedeutung  der  Zündholzfahrikation  von  Dr.  F.  Bis  aus 

Kloten  hei  Zürich 174 

Ueber  Erysipel  der  Harnblase  von  Dr.  Anton  B.  v.  Frisch,  a.  ö.  Prf)fessor 

<ler  Chirurgie  an  der  Universität  zu  M’ien 194 

Ein  Fall  von  Oesojihagus-Tracbealfistel  und  Stenose  des  Oi'sopbagus  von 
Dr.  A.  Brenner,  Primararzt  des  allg.  Krankenhauses  in  hinz  a.  d. 
Donau.  3Iit  1 Abbildung  im  Text 206 


■)  Die  Reihenfolge  der  Arbeiten  ergab  sieh  ans  der  Zeit  der  Ablieferung  derselben  zum  Drucke. 


Seite 


Vni  Inhalts- Verzeiflinis. 

Bericht  über  die  an  der  Klinik  des  Prof.  Billroth  in  Wien  im  Laufe  der 
letzten  25  Jahre  ans^efnhrten  Laparotomien  von  Dr.  Franz  llansy 

und  I)r.  Emil  Knauer,  Operateure  der  Klinik 212 

lieber  die  Komplikation  von  Sclnvangerschaft,  Gehurt  und  AVochenhett  mit 
Ovarialtumoren  von  Dr.  Otto  von  AVeiss,  Assistent  an  Hofrat  Prof. 

J)r.  Gustav  Braun’s  Klinik  in  AMen 235 

Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  hranchiogenen  Geschvülste  von  Dr.  Carl 

Gussenhaner , Professor  der  Chirurgie  in  Prag.  Mit  Tafel  III — AH  250 
Beiträge  zur  Lehre  vom  Schilddrüsenkrehs  von  Dr.  Hermann  Hinter- 

stoisser,  Primararzt  in  Teschen,  Schlesien 287 

Heber  die  eigentlichen  Sehnerventumoren  und  ihre  chirurgische  Behandlung 

von  Prof.  H.  Sattler  in  Leipzig.  Alit  Tafel  ATI 314 

Die  Therapie  der  Coxitis  tuberculosa  an  der  Klinik  des  Herrn  Hofrates 
Billroth  von  Dr.  Heinrich  Thausing,  Operateur  der  Klijiik  Billroth. 

Alit  3 Holzschnitten  im  Texte 352 

Heber  den  Verschluss  des  Schenkelkanales  hei  Operationen  von  Schenkel- 
hernien. Eine  Studie.  A"on  Dr.  Josef  Fahr ic ins,  Opei’ateur  der 

Klinik  Billroth.  Mit  4 Holzschnitten 3G0 

Weitere  Beiträge  zur  Lehre  von  den  Folgezuständen  der  Kropfoperationen 
von  Docent  Dr.  Anton  Freiherr  von  Eiselsherg,  Assistent  der 

Klinik  Billroth 371 

Beiträge  zur  Kenntnis  der  Tuho-Ovarial-Cysten  von  Prof.  Dr.  Alfons  von 

Eosthorn  in  Prag.  Alit  Tafel  AHII  und  15  Holzschnitten  ....  394 

Heber  die  an  der  Heidelberger  chirurgischen  Klinik  ausgeführten  Operationen 
am  Alagen  und  Darm  von  Prof.  Dr.  A".  Czerny  und  Dr,  AValter 

Kindfleisch  422 

Zur  Chirurgie  der  Gallenwege  von  Dr.  A.  von  AViniwartei^  Professor  der 

Chirurgie  an  der  Universität  Lüttich  (Belgien) 479 

Heber  Darmausschaltung  von  Dr.  Fritz  A.  Salzer,  Professor  der  Chirurgie 

in  LHrecht 530 

Das  neue  Billroth’sche  Verfahren  zur  Behandlung  intraperitonealer  Echino- 
coccen  von  Dr.  Ferdinand  Schüssler,  ehemaligen  Assistenten  der 

Klinik  Billroth 542 

Zur  Radikaloj^eration  des  freien  Leistejihruches  von  Prof.  Dr.  A.  AVölfler 

in  Graz.  Alit  11  Holzschnitten 552 

Bericht  über  die  an  der  Klinik  Billroth  seit  dem  Jahre  1884  operierten 

Hydrocelen  von  Dr.  Alfred  Gleich,  Operateiir  der  Klinik  . . . (504 

Heber  eine  eigenartige  symmetrische  Erkrankung  der  Thränen-  und  Mund- 
speicheldrüsen von  Prof.  Dr.  Johann  Alikulicz  in  Breslau.  Alit 

Tafel  IX  und  5 Holzschnitten (510 

Die  Arbeiten  der  Klinik  Billroth  in  den  Jahren  1807 — 1892.  Zusammen- 
gestellt von  Dr.  G uido  von  Török (531 

Erklärung  der  Abbildungen (509 

Druckfehler (570 


Ueber  Hernia  ventralis  lateralis  congenita 

und  ihre  Beziehungen  zur  Hernia  Innibalis 

von  I)r.  Oscar  >Vyss,  Professor  in  Zürich. 

Mitteilung  aus  dem  Züricher  Kinderspitale  Eleonorenstiftung, 

Tafel  I u.  II. 

Am  5.  Oktober  1891  wurde  ein  zehn  Monate  alter  Knabe 
in  das  Zürcher  Kinderspital  aufgenominen,  der  ausser  einer  Reihe 
anderer  Missbildungen,  resp,  Defekten,  wie  Hemiatropliia  facialis, 
Mikrophthalmie,  Mikrotie,  Mikrognathie  auf  der  rechten  Seite, 
ferner  Atresia  ani  mit  anus  praeternaturahs , sowie  einer  Heimia 
scrotalis  dextra  auch  noch  eine  Hernie  in  der  rechten  seitlichen 
Bauchgegend,  zwischen  den  Rippen  und  dem  Darmbeinkamm, 
hatte,  wie  ich  eine  solche  an  dieser  Stelle  bis  dahin  noch  nie 
gesehen  habe.  Da  solche  Fälle  auch  nach  den  Aufzeichnungen 
in  der  Litteratur  in  der  That  selten  sind,  und  mir  in  der  Folge 
eine  genaue  anatomische  Untersuchung  dieses  Falles  möglich 
wurde,  so  scheint  es  mir  nicht  nur  von  Wichtigkeit  für  die  Lehre 
von  den  Defekten  vom  Standpunkte  der  Entwicklungsgeschichte, 
sondern  auch  von  Wert  für  den  praktischen  Arzt,  insbesondere 
für  den  Chirurgen  zu  sein,  wenn  die  dabei  konstatierten  That- 
sachen  zu  allgemeiner  Kenntnis  gelangen. 

Der  kleine  Patient  war  das  Kind  eines  67  jährigen  Weinberg- 
besitzers und  einer  27jährigen  Mutter.  Drei  vor  ihm  geborene 
Geschwister  waren  normal  gebildet;  ein  Brüderchen  ist  im  Alter 
von  2 7a  Jahren  an  Enteritis  gestorben.  Erbliche  Belastung  irgend 
welcher  Art  liess  sich  nicht  konstatieren;  Potatorium  des  \’’aters 
wurde  zwar  in  Abrede  gestellt,  war  aber  doch  wahrscheinlich 
vorhanden.  Schwangerschaft  und  Gel)urt  verliefen  vollkommen 
normal  und  es  wurde  der  Kleine  bis  gegen  Ende  September  1891 
von  der  Mutter  gestillt.  Nachher  bekam  er  Kuhmilch  und  erst 

1 


2 


Oscar  Wyss. 


von  da  an  musste  wegen  Verstopfung  der  Stuhl  durch  Medi- 
kamente befördert  werden.  Krankheiten  hat  Pat.  gar  keine  durch- 
gemacht; die  bestehenden  Anomalien  wurden  alle  schon  bei  der 
Geburt  wahrgenommen.  Der  Ernährungszustand  des  Kleinen  war 
ein  sehr  guter;  sein  Körpergewicht  betrug  7500  Gramm. 

Am  28.  Oktober  stellte  ich,  nachdem  am  6.  Oktober  von 
Herrn  Dr.  W.  von  Muralt  bei  dem  Patienten  die  Operation  der 
Atresia  ani  und  des  anus  praeternaturalis  vorgenommen  worden 
und  diese  völlig  geheilt  waren,  den  Kleinen  in  der  Zürcher  pädia- 
trischen Klinik  vor,  und  nachdem  die  oben  erwähnten  Missbildungen 
im  Gesichte  und  am  Kopfe  besprochen  worden  waren,  beschäftigte 
uns  begreiflicherweise  die  oben  erwähnte  Hernie  in  der  rechten 
Seitengegend  sehr  lebhaft.  Dieselbe  stellte  einen  in  der  rechten 
seitlichen  Bauchgegend  zwischen  Darmbeinkamm  und  unterer 
Brustapertur  sitzenden  Tumor  von  der  Grösse  einer  Mispel  dar. 
Unmittelbar  unter  dem  Rande  der  untersten  Rippe,  genau  zwischen 
der  vordem  und  hintern  Axillarlinie  wölbte  er  sich  beim  Schreien, 
beim  Sitzen,  besonders  stark  und  deutlich  beim  Anfassen  des 
Kindes  unter  beiden  Armen  und  Emporheben  des  Körpers  hervor: 
vgl.  Fig.  I.  In  der  Rückenlage  dagegen  verschwand  er  vollständig, 
sofern  die  Atmung  ruhig  war  und  die  Bauchpresse  nicht  in  Aktion 
trat.  Der  Tumor  fühlte  sich  weich,  elastisch  an;  er  verschwand 
unter  dem  Fingerdruck,  wobei  man  sehr  deutlich  die  Empfindung 
hatte,  dass  ein  lufthaltiges  Organ  (Darm)  in  die  Bauchhöhle  hinein- 
ging. Ueber  dem  Tumor  war  beim  Perkutieren  heller  tympani- 
tischer  Schall  vorhanden.  Der  tastende  Finger  konnte  unter  der 
untersten  Rippe,  genau  seitlich,  zwischen  vorderer  und  hinterer 
Axillarlinie  durch  die  etwas  schlaffe  Haut  in  den  Bauchwandungen 
eine  Lücke,  ein  rundes  Loch,  konstatieren,  in  welches  man  etwa 
mit  der  äusseren  Hälfte  des  Nagelgliedes  eindringen  konnte.  Nach 
oben  wurde  dasselbe  durch  den  Rand  der  untersten  Rippe  und 
unter  dieser  liegende  weiche  nachgiebige  Teile  begrenzt;  nach 
hinten  durch  einen  straffen,  dicken,  kräftigen  Muskelbauch,  der 
senkrecht  von  oben  nach  unten  verlief  und  sich  nach  hinten 
direkt  bis  an  die  Wirbelsäule  als  eine  ununterbrochene  derbe  Muskel- 
masse verfolgen  liess.  Nach  unten  konnte  man  den  Darmbein- 
kamm nicht  durchtasten,  sondern  es  bildeten  hier,  und  in  ganz 
gleicher  Weise  nach  vorne,  schlaffe  weiche  Teile  den  Abschluss 
der  Lücke.  In  der  Tiefe  konnte  man  kein  Organ  durchfühlen. 
Entfernte  man  den  tastenden  Finger,  so  trat  sofort  wieder  deut- 
lich der  Darm  durch  die  Oeffnung  heraus.  — 

Dass  es  sich  um  eine  Hernia  handle,  darüber  konnte  gar 


Ueber  Hernia  ventralis  lateralis  congenita. 

kein  Zweifel  sein,  da  sich  die  Geschwulst  und  di 
Bauch  Wandungen  genau  so  verhielten,  wie  etwa  eine  entsprechend 
grosse  Nabelhernie  und  ihr  Bruchring  oder  wie  eine  Hernia  lineae 
albae;  nur  mit  dem  Unterschied,  dass  die  Ränder  des  Bruchringes 
nicht  überall  so  gleichmässig,  derb  und  fest  anzufühlen  waren 
wie  bei  jenen  Hernien,  sondern  nach  vorn  und  unten  weich,  nach 
hinten  und  nach  oben  derb.  Im  übrigen  zeigte  das  Abdomen, 
abgesehen  von  einer  stark  apfelgrossen  Skrotalhernie,  sowie  sein 
Inhalt  nichts  Abnormes.  Seine  Grösse  war  eher  unter  dem  Mittel. 
In  der  linken  seitlichen  Bauchgegend  liess  sich  nichts  Aehnliches, 
überhaupt  nichts  Abnormes  auffinden.  — Die  Leber  und  die 
Milz  waren  normal  gelagert,  normal  gross  und  ebenso  ergab  die 
Perkussion  und  Auskultation  der  Brusteingeweide  durchaus  nor- 
malen Befund. 

Bei  der  klinischen  Besprechung  stellte  ich  die  Diagnose 
auf  Hernia  lumbalis  congenita,  betonte  die  sehr  grosse 
Seltenheit  dieser  Affektion:  Prof.  PI.  Braun hat  bis  zum  Jahre  1879 
bloss  29  Fälle  dieser  Art  gesammelt,  während  Dr.  E.  Graser^) 
anno  1891  schreibt  p.  127:  es  seien  bisher  im  ganzen  etwa  40  Fälle 
beschrieben.  Ich  besprach  an  Hand  der  Darstellung  von  Dr. 
Graser,  die  sich  auf  Prof.  H.  Brauns  und  Lesshaft s^)  All- 
heiten stützt,  die  anatomischen  Verhältnisse  dieser  Hernien.  Dass 
in  unserem  Falle  die  Hernie  nicht,  wie  die  typische  Hernia  lum- 
balis, durch  das  trigonum  Petiti  herausgetreten  sei,  war  ganz  un- 
zweifelhaft; denn  da  das  trigonum  Petiti  gebildet  wird : nach  innen 
durch  den  Muse,  latissimus  dorsi,  nach  aussen  durch  den  Muse, 
obliquus  abdomin.  externus,  nach  unten  durch  den  Darmbein- 
kamm, man  aber  bei  unserem  Patienten  entschieden  den  Darm- 
beinkamm als  Begrenzung  des  Bruchringes  nach  unten  nicht 
fühlen  konnte,  wohl  aber  nach  oben  deutlich  die  unterste  Rippe, 
so  supponierte  ich  als  Durchtrittsstelle  für  die  Hernie  das  »obere 
Lendendreieck«,  auf  das  Lesshaft  im  Jahre  1870  als  auf  eine 
»dünne  Stelle  in  der  Wand  der  Lendengegend«  aufmerksam  ge- 
macht hat.  Dieses  Trigonum  lumbale  superius  s.  Rombus  lum- 
balis liegt  gerade  nach  oben  vom  Trigonum  lumbale  inferius  sive 
Trigonum  I’etiti  und  stellt  einen  dreieckigen  oder  unregelmässig 
viereckigen  Raum  dar,  der  nach  Lesshaft  begrenzt  wird  durch 

9 Die  Hernia  lumbalis  von  Dr.  H.  Braun,  Professor  in  Heidelberg.  Archiv 
für  klinisch.  Chirurgie  von  Langenbeck,  Billroth  und  Gurlt.  Bd.  XXIV.  201. 

9 Die  Unterleibsbrüche  von  Dr.  E.  Graser.  Wiesbaden  bei  Bergmann  1891. 

9 Die  Lumbalgegend  in  anatomisch-chirurgischer  Hinsicht  von  Dr.  Lesshaft. 
Reichert  und  Du  Bois  Raymond  Archiv.  1870,  p.  264. 


4 


Oscar  Wyss. 


folgende  Muskeln  und  Teile : nach  hinten  durch  den  untern  Rand 
des  musc.  serratus  posticus  inferior  und  die  Spitze  der  12.  Rippe 
oder  den  vorderen  Rand  des  liganientum-luinbo-costale;  nach 
unten  durch  den  Musc.  ohliquus  internus;  nach  vorn  durch  den 
hintern  Rand  des  Musc.  ohliquus  externus  und  die  SjDitze  der 
12.  Rippe  und  nach  innen  durch  den  äusseren  Rand  der  Scheide 
des  Musc.  Extensor  dorsi  s.  erector  trunci.  Graser  beschreibt  dieses 
Dreieck  p.  126  folgendermassen : Seine  Basis  wird  nach  oben  be- 
grenzt durch  die  12.  Rippe;  sein  innerer  (hinterer)  Rand  durch 
den  Musc.  sacrolumbalis , resp.  den  darunter  liegenden  Musc. 
quadratus  lumborum;  der  äussere  Rand  von  der  hinteren  Grenze 
des  Musc.  ohliquus  abdominis  internus;  die  Spitze  des  Dreiecks 
liegt  am  Darmbeinkamme.  »Nach  hinten  wird  diese  muskelfreie 
Stelle  zum  grössten  Teile  vom  Musc.  latissimus  dorsi  bedeckt.« 

Da  man  bei  unserem  Patientchen  nach  oben  ausserordentlich 
deutlich  die  unterste  Rippe,  nach  hinten  einen  festen,  derben  in 
senkrechter  Richtung  verlaufenden  Muskelbauch  fühlte,  den  jeder 
andere  Untersucher  gleich  mir  als  Musc.  erector  trunci  (s.  sacro- 
spinalis)  mit  Musc.  quadratus  lumborum  diagnosticierte,  so  schien 
mir  die  Annahme,  es  sei  die  Hernie  durch  das  trigonum  lumbale 
superius  Lesshafts  herausgetreten,  die  wahrscheinlichste  und  ich 
stellte  die  Diagnose  auf  Hernialumbalis  superior.  — Aller- 
dings habe  ich  mir  und  meinen  Schülern  nicht  verhehlt,  dass 
diese  Diagnose  mich  nicht  ganz  befriedige.  Namentlich  machte 
ich  mir  den  Einwand,  und  hob  denselben  auch  in  der  Klinik 
hervor,  dass  eine  durch  die  »schwache  Stelle  Lesshafts«  hindurch 
tretende  Hernie  weiter  nach  hinten,  mehr  gegen  den  Rücken  hin 
sitzen  sollte.  Aber  da  die  Hernie  dicht  vor  der  nun  einmal  nicht 
anders  denn  als  Muscul.  erector  trunci  cum  musc.  quadrat. 
abdom.  diagnosticierten  Muskelmasse  hervortrat,  fand  ich  keine 
andere  Erklärung  dieser  Sjunptome  und  deshalb  blieb  ich  bei 
jener  Diagnose  stehen. 

In  der  Folge  machte  Herr  Dr.  W.  von  Muralt  (am  3.  Nov.) 
bei  dem  Patienten  die  Radikaloperation  der  Hernia  scrotalis  und 
zwar  mit  bestem  Erfolg.  Sie  heilte  per  primam.  Leider  bekam 
aber  Pat.  dann  in  der  Folge  eine  Pneumonie  mit  Herpes  labialis  und 
zweifelsohne  von  letzterem  ausgehend  noch  ein  Erysipelas  faciei 
und  starb  am  18.  November  1891. 

Bei  der  am  18.  November  8 Stdn.  p.  m.  vorgenommenen 
Sektion  konstatierte  ich: 

Assymmetrie  des  S chäd  eis ; die  rechte  Hälfte  kleiner  als  die  linke. 
Die  rechte  Hälfte  des  Gehirns  kleiner  als  die  linke ; das  linke 


Ueber  Heniia  ventralis  lateralis  congenita. 


5 


Cerebellum  kleiner  als  das  rechte;  Pons  und  medulla  oblongata 
etwas  assymmetrisch ; der  rechte  Nerv,  opticus  kleiner  als  der  linke. 
An  der  Lunge  fiel  die  abnorme  Kleinheit  des  rechten  Lungen- 
lappens auf;  es  fehlte  der  ganze  Mittellappen.  Links  waren  die 
obern  zwei  Drittel  des  Unterlappens  pneumonisch  infiltiert.  Die 
Leber  zeigte  im  rechten  Lappen  eine  senkrecht  verlaufende  Rippen- 
furche. Unterleibsorgane  sonst  unverändert ; die  Hernia  ing.  dext. 
operata  geheilt;  keine  Spur  von  peritonitischen  Veränderungen.  In 
der  rechten  Bauchgegend  dicht  unter  dem  Rippenbogen  fühlte 
man  auch  von  innen  her  deutlich  die  Bruchpforte  in  ganz  analoger 
Weise  wie  von  aussen:  eine  rundliche  Lücke  in  der  Muskulatur 
der  seitlichen  Bauchwand  nach  oben.  Ihre  Breite  (von  rechts  nach 
links)  betrug  17  mm;  ihre  Höhe  30  mm.  Entsprechend  dieser 
Lücke  zeigte  das  Peritoneum  eine  schlaffe,  flache  Ausstülpung 
ohne  sonstige  Veränderung.  Hinter  dieser  Stelle  lag  und  hatte 
unzweifelhaft  den,  Inhalt  der  Hernie  intra  vitam  gebildet  ein  luft- 
haltiges nach  vorn  umgebogenes  Stück  des  Colon  ascendens ; sonstige 
Veränderungen  waren  am  Darm  nicht  nachweisbar,  namentlich 
keine  Erweiterung  und  keine  Veränderung  des  peritonealen  Ueber- 
zuges.  Weiter  nach  unten  lagen  Dünndarmschlingen.  Die  Lagerung 
der  Baucheingeweide  war  durchaus  normal. 

Nachdem  die  Rückenhaut  abpräpariert,  und  die  Muskeln 
blossgelegt  worden  cf.  Fig.  II,  fällt  eine  intra  vitam  nicht  konstatierte, 
winklige  Scoliose  der  Wirbelsäule  resp.  Abweichen  einiger  processus 
spinosi  nach  rechts  von  der  Medianlinie  auf.  Während  sowohl 
die  processus  spinosi  der  Lendenwirbel  als  auch  diejenigen  der 
obern  Hälfte  der  Rückenwirbelsäule  normal  und  gerade  über- 
einanderstehen,  weichen  die  proc.  spinosi  der  3 untern  Brustwirbel 
stark  nach  rechts  ab  und  am  obersten  Lendenwirbeldornfortsatz 
findet  sich  ein  nach  links  oben  aussen  gerichteter  Anhängsel  fast 
wie  ein  anderer  damit  verwachsener  processus  spinosus.  Die  rechte 
Hälfte  des  Thorax  erscheint  bei  der  Betrachtung  von  hinten 
bedeutend  kleiner  als  die  linke,  namentlich  kürzer,  doch  auch 
etwas  schmaler.  Während  links  13  Rippen  gezählt  werden,  zähle 
ich  rechts  deren  nur  12.  Allem  Anschein  nach  aber  fehlt  rechts 
die  unterste  Rippe;  denn  die  letzte  Rippe  links  ist  kürzer  als  die 
letzte  rechts,  welch  letztere  sich  überhaupt  sonst  wie  die  zweit- 
letzte Rippe  linkerseits,  in  Berücksichtigung  ihrer  Lage,  Länge, 
Dicke  und  in  ihrer  ganzen  übrigen  Beschaffenheit  verhält.  Die 
oberflächliche  Fascie  über  dem  rechten  Musculus  erector  trunci 
(s.  Opisthotenar  s.  sacrospinalis)  ist  dicker  und  nach  oben  breiter 
als  über  dem  linken  Muskel  gleichen  Namens.  Sie  geht  nach 


6 


Oscar  Wyss. 


oben  in  eine  in  der  Höhe  des  proc.  spinös,  des  ersten  Lenden- 
wirbels liegende,  sichelförmige  nach  oben  concave,  nach  unten 
convexe,  den  Raum  zwischen  obersten  Lendenwirbel  und  rechter 
unterer  Apertur  des  Thorax  überbrückende  derbe  weisse  Sehne  über 
(Fig.  II  s.).  L etztere  entspricht  in  ihrer  Lage  der  letzten  Rippe 
der  linken  Seite.  Diese  Sehne  ist  nach  oben  weniger,  nach  unten 
stärker  ausgezackt  und  es  setzen  sich  an  dieselbe  an:  nach  oben 
und  innen  die  Fascie,  die  von  den  process.  spinös,  der  untersten 
Brustwirbel  und  dem  Muse,  cucullaris  herkommt ; nach  unten  und 
innen  die  bereits  erwähnte  Fascie  des  Muse,  erector  trunci  resp. 
letzterer  selbst;  nach  aussen  und  oben  der  Muscul.  latissimus  dorsi; 
nach  aussen  und  unten  der  Muscul.  obliquus  abdominis  externus. 
Der  Muse,  erector  trunci  ist  rechterseits  etwas  schmaler  als  links ; 
unmittelbar  an  ihn  schliesst  sich,  wie  in  der  Norm  der  Muse, 
quadratus  lumborum  an.  Nach  aussen  von  letzterem  ist  rechts 
ein  deutliches  trigonum  Petiti  von  5 mm  Breite,  18  mm  Höhe 
vorhanden.  Dasselbe  ist  aber  dadurch  abnorm,  dass  seine  hintere 
Begrenzung  nicht  durch  den  Muse,  latissismus  dorsi,  sondern  durch 
den  Muse,  quadratus  lumborum  gebildet  wird.  Die  normaler  Weise 
von  der  crista  ossis  ilei  entspringende  Portion  des  Muse,  latissimus 
dorsi  dext.  fehlt  vollständig;  ebenso  wenig  gehen  Muskelfasern 
vom  untern  Teile  der  fascia  lumbodorsalis  zum  Muse,  latissimus 
dors.  hinauf;  nur  von  der  erwähnten  sichelförmigen  Fascie  oder 
Sehne  (s) , sowie  von  den  Rippen  entspringende  Muskelbündel 
stellen  den  rechtsseitigen  Muse,  latissimus  dorsi  dar.  Links  ist  kein 
Trigonum  Petiti  vorhanden,  indem  der  Müsc.  obliquus  abdom.  ext. 
bis  an  den  Muse,  latissimus  dorsi  sin.  heranrückt,  ja  sogar  die 
vom  Darmbeinkamm  entspringende  Portion  ein  klein  wenig  über- 
deckt. Dagegen  ist  die  Verbindung  des  M.  latissim.  dorsi  sin.  mit 
dem  Muse,  erector  trunci  resp.  der  fascia  superfic.  sacrospinalis 
nicht  so  intim,  wie  unter  normalen  Verhältnissen;  durch  die 
schmale  Lücke  sieht  man  den  Muse,  quadrat.  lumbor  sin.  durch 
(Fig.  2.  q.  1.  s.).  Die  Portion  des  Muse,  latissim.  dorsi  sin.,  die  vom 
Darmbeinkamm  entspringt,  ist  ziemlich  dünn,  15  mm  breit  (von 
r.  nach  li.).  — Der  Muse,  obliquus  abdomin.  extern,  sinist. 
beginnt  18  mm  nach  aussen  vom  Rande  des  linken  erector  trunci 
am  Darmbeinkamm  und  geht  als  8 cm  breiter,  in  normaler  Weise 
die  Bauchwand  abschliessend  nach  aussen  und  vorn  und  nach 
oben,  Darmbeinkanmi  und  untere  Thoraxapertur  resp.  Brustkorb 
verbindend.  Sein  innerer  Rand  ist  an  der  Insertionsstelle  an  der 
untersten  Rippe  5,5  cm  von  den  proc.  spinös,  lumb.  entfernt.  Rechts 
entspringt  der  Muse,  obliquus  abdomin.  ext.  am  Darmbeinkamm 


lieber  Hernia  ventralis  lateralis  congenita.  ^ 

in  einer  Entfernung  von  15  mm  vom  mu-scul.  erector  trunci;  sein 
weiterer  Ursprung  vom  genannten  Knochen  erstreckt  sich  in  gewohnter 
Weise  nach  vorn.  Aber  sein  Muskelbauch  ist  durch  die  irii  Bereiche 
dieses  Muskels  hervortretende  Hernie  resj).  Vorstülpung  des  Perito- 
neum parietale  förmlich  in  zwei  Portionen,  nämlich  eine  hintere  und 
eine  vordere,  getrennt,  deren  Grenzen  anfänglich  schwer  bemerkbar 
waren,  weil  eine  reichliche  Menge  Fettgewebes  in  der  Muskellücke 
angehäuft  war,  resp.  die  Lücke  verdeckte.  Nach  Wegpräparation 
des  letzteren  ergiebt  es  sich,  dass  die  hintere  Portion  des  Muse, 
abdom.  obliq.  extern,  einen  25  mm  breiten  Muskelbauch  darstellt, 
der  in  der  Richtung  von  unten  und  vorn  vom  Darmbeinkamm 
schräg  nach  hinten  und  oben  nach  der  früher  beschriebenen 
sichelförmigen  Sehne  (s)  ansteigt,  um  dort  2,5  cm  von  der  Mittel- 
linie der  proc.  spinös,  entfernt  sich  zu  inserieren.  Die  vordere 
Portion  des  Muse,  obliq.  ext.  dagegen  geht  in  der  Richtung  von 
unten  nach  oben  nahezu  parallel  der  Körperaxe  und  setzt  sich  an 
eine  Verlängerung  jener  Sehne  Fig.  II.  s.  nach  vorne  an,  welche 
nach  aussen  als  derbe  Fascie  die  Mitte  der  untersten  Rippe 
kreuzend  nach  oben  und  vorne  sich  hinzieht,  sowie  auch  an  die 
vordem  Partien  der  untern  Rippen.  Die  Breite  dieser  vordem 
Portion  des  Muse,  obliq.  abdom.  ext.  beträgt  17  mm  und  sie  er- 
scheint dünner  und  schwächer  als  die  hintere.  Die  grosse  schlitz- 
förmige Lücke  zwischen  diesen  beiden  Muskelportionen  wird 
nach  unten  durch  eine  dreieckige  Muskelmasse  im  Grunde  der 
Lücke  abgeschlossen,  nämlich  durch  den  Muscul.  trans versus 
abdom.,  der  hier  in  einer  Ausdehnung  von  20  mm  Breite  und 
22  mm  Höhe  sichtbar  ist.  (Vor  der  Beseitigung  des  Fettgewebes 
war  er  durch  dieses  verdeckt.)  Oberhalb  dieses  Dreiecks  findet 
sich  ein  von  jeder  Muskelschicht  freies  Loch,  das  in  der  Richtung 
von  vorn  nach  hinten  35  mm,  in  vertikaler  Richtung  25  mm 
misst.  Die  Begrenzung  dieses  Loches,  der  Bruchpforte,  findet 
somit  statt:  nach  hinten  durch  die  portio  posterior  des  musc. 
obliq.  abd.  ext.;  nach  unten  direkt  durch  den  musc.  transversus 
abdominis,  nach  vorn  durch  die  portio  anterior  des  musc.  obliq. 
abd.  ext. ; nach  oben  direkt  durch  den  sich  umbiegenden  eben 
genannten  Muskel,  indirekt  durch  die  unterste  Rippe.  Der  Musc. 
transversus  abdom.  begrenzt  unten  die  Lücke  durch  eine  nach  oben 
concave  Linie ; er  verdünnt  sich  allmählich  gegen  seinen  obern  Rand 
hin  so,  dass  da  und  dort  infolge  Auseinanderweichens  von  Muskel- 
bündeln mehrere  Lücken  bemerkbar  sind  (vgl.  Fig.  HI).  Weiter 
nach  vorn  ist  die  etwas  weiter  nach  unten  liegende  fächerförmio-e 
Ausbreitung  des  Musc.  abdomin.  internus  zwischen  vorderem  Rande 


8 


Oscar  Wyss. 


des  Muse,  abdom.  extern,  und  äusserem  Kande  des  Muse,  rectus 
abdominis  deutlicli  wahrnehmbar  und  es  wurde  selbstverständlich 
dm-ch  genauere  Präparation  das  Verhalten  dieses  Muskels  gegen 
den  Muse.  abd.  intern,  untersucht.  Letzterer  Muskel  ist  im  Ver- 
hältnis zum  Muse,  abdom.  ext.  dünn  und  schwach  entwickelt. 
Die  obere  und  hintere  Partie,  die  von  der  fascia  lumbodorsalis 
entspringt  und  gegen  die  Spitze  der  12.,  sowie  den  untern  Rand 
der  11.  Rippe  hingehen  sollte,  und  die  auf  der  linken  Seite  gut 
entwickelt  ist,  fehlt  rechterseits  vollständig.  Eine  kleine  dreieckige 
Inscriptio  tendinea  trennt  nach  vorn  den  Musculus  abd.  internus 
vom  musc.  transversus ; während  weiter  nach  hinten  unter  der  vordem 
Portion  des  Musc.  abdomin.  extern,  die  beiden  Muskeln  einander 
seitlich  direkt  berühren. 

Alle  Zweifel  über  das  Verhalten  des  Muscul.  abdomin.  trans- 
versus dext.  werden  gehoben  durch  die  Betrachtung  der  Muskulatur 
von  innen,  d.  h.  von  der  Bauchhöhle  aus.  Fig.  IV  giebt  hievon 
eine  Skizze.  Hier  sieht  man  deutlich  nach  unten  von  der  Lücke 
in  der  Bauchwand  den  Musculus  transversus  abdominis  mit  der 
verdünnten  und  rareficierten  Muskelschicht.  Nach  oben  von  der 
Hernie  sowohl  dünne  rareficierte  Muskulatur  als  auch  eine  etwas 
dickere  resistentere  Partie,  die  dem  M.  transversus  angehört.  Die 
Insertionsstelle  des  Musc.  transv.  abdom.  dext.  reicht  nach  hinten 
bis  hart  an  den  Muscul.  quadratus  lumborum  heran,  während 
links  ein  1,5  cm  breites  Interstitium  vorhanden  ist,  in  dem,  wie 
unter  normalen  Verhältnissen,  der  Musculus  latissimus  dorsi 
bemerkbar  ist.  Dass  der  Faserverlauf  des  Musc.  transv.  abdomin. 
rechts  nicht  ein  so  gerader  ist  wie  links,  sondern  durch  die  Hernie 
nach  unten  (resp.  nach  oben)  gebogen  erscheint,  ist  begreiflich. 
Dass  auch  von  innen  her  am  Präparate  der  Musc.  abdom.  intern, 
besonders  bei  durchfallendem  Lichte  wahrnehmbar  ist  (in  der 
Zeichnung  aber  nicht  skizziert  wurde),  sei  ausdrücklich  erwähnt 
und  ausserdem  ist  nach  vorn  und  oben  eine  Muskelplatte  sichtbar, 
die  zweifelsohne  dem  Musc.  abdom.  ext.  zukommt.  Der  Muscul. 
quadratus  lumborum  erscheint  rechts  etwas  schmaler,  aber  dicker 
als  links ; während  er  links  seine  beiden  Insertionsstellen  an  der 
Wirbelsäule  und  an  der  letzten  Rippe  deutlich  zeigt,  fehlt  rechter- 
seits die  portio  costalis  und  ist  nur  die  an  den  Seitenflächen 
der  Wirbel  und  dem  processus  transv.  sich  inserierende  Portion 
vorhanden. 

An  dieser  Zeichnung  Fig.  IV  ist  ferner,  wie  übrigens  auch  in 
Fig.  HI  und  II  der  Durchtritt  von  Blutgefässen  durch  die  Hernie 
wahrzunehmen : es  sind  die  unterste  Art.  und  V.  intercostalis ; ebenso 


Ueber  Hernia  ventraliH  lateralis  congentia. 


9 


die  früher  erwähnte  Anomalie  des  Brustkorbes  und  eine  Difiormität 
der  Wirbelsäule,  die  darin  besteht,  dass  ein  abnorm  gebildeter 
Wirbel  auf  der  rechten  Seite  eine,  auf  der  linken  Seite  zwei  Rippen 
trägt.  — Ferner  sieht  man  auch  von  der  Innenseite  der  Bauch- 
wandungen her  die  nach  hinten  und  etwas  nach  oben  von  der 
Bruchpforte  befindliche  Sehne,  über  der  auch  hier  keine  Muskel - 
Schicht  hegt  (Fig.  IV  S.). 

Obwohl  in  keiner  Beziehung  zu  der  Hernie  stehend,  ist  doch  das 
Verhalten  des  Muse,  serratus  posticus  infer.  noch  erwähnenswert. 
Links  ist  derselbe  in  normaler  Weise  vorhanden;  er  entspringt  von 
der  fascia  lumbodorsahs  und  inseriert  sich  in  Form  zweier  breiter 
Zacken  an  die  beiden  untersten  Rippen.  Die  Breite  der  letztem 
beträgt,  senkrecht  zum  Faserveiiauf  gemessen,  für  die  äussere 
Portion  18  mm,  für  die  innere  Portion  26  mm,  in  Summa  also 
43  mm.  Rechts  ist  der  Muse,  serratus  postic.  infer.  nur  einzackig, 
und  diese  Zacke  entspringt  zum  Teil  von  der  Fascie  über  dem 
musc.  erector  trunci  z.  T.  von  der  sichelförmigen  sehnigen  Fascie 
und  geht  nach  aussen  und  oben  schräg  ansteigend  zur  untersten 
Rippe.  Die  Breite  dieses  Muskels  beträgt  bloss  13  mm,  die  Länge 
entsprechend  der  innern,  sich  an  die  zweitunterste  Rippe  inserierende 
Zacke  dieses  Muskels  auf  der  andern  Seite.  Nach  aussen  und 
unten  von  diesem  defekten  Muskel  der  rechten  Seite  liegt  der 
Fascie  eine  sehr  dünne,  blasse,  schwache  unzusammenhängende 
Schicht  Muskulatur  auf : ohne  Zweifel  ein  ganz  schwaches  Rudiment 
der  äussern  untern  Zacke. 

Aus  dem  Mitgeteilten  geht  klar  hervor,  dass  in  unserem  Falle 
die  Hernie  zwischen  Brustkorb  und 'Darmbeinkamm  dadurch  zu- 
stande gekommen  ist,  dass  Defekte  in  verschiedenen  Bauch- 
muskeln vorhanden  sind,  welche  zusammenwirkend  eine 
Lücke  in  der  Bauchwand  bedingen  und  so  die  Genese  der 
Hernie  begreiflich  machen.  Es  beteiligen  sich  an  dieser  Lücken- 
bildung folgende  drei  Muskeln : 

1.  der  Muscul.  obliquus  abdominis  externus  s.  descendens. 

2.  der  Muscul.  obliquus  abdominis  internus  s.  ascendens. 

3.  der  Muscul.  transversus  abdominis. 

Der  Musc.  obliquus  ab  domin.  ext.  entspringt  normaler 
Weise,  wie  Lesshaft  1.  c.  angiebt:  a)  vom  untern  Rand  der  11.  bis 
5.  Rippe;  b)  von  der  Spitze  oder  zuweilen  von  der  fibrösen  Ver- 
längerung der  12.  Rippe,  gewöhnlich  mit  einer  kleinen  Sehne; 
c)  einige  schräge  Fasern  von  der  fascia  lumbodorsahs.  Er  inseriert 
sich  an  die  äussere  Fläche  der  crista  ossis  ilei.  In  unserem  Falle 
sind  die  Ursprünge  sub  a.  normal;  die  sub  b.  genannten  offenbar 


10 


Oscar  Wyss. 


vorhanden,  aber  anstatt  »von  der  12.  Rippe  oder  deren  fibrösen 
Verlängerung«  auszugehen,  entspringen  sie  nur  von  einer  fibrösen 
Haut  von  sehniger  Beschaffenheit,  sichelförmiger  Gestalt  etc.,  wie 
oben  beschrieben  Fig.  II,  s.  Fig.  III,  s.  Fig.  IV  S.  Der  Zusammen- 
hang dieser  Portion  des  Muse.  obl.  abd.  ext.  mit  dem  vorderen 
Teil  ist  nach  oben  diskontinuierlich,  nur  unten  an  der  crista  ossis 
ilei  kontinuierlich.  Ein  Ursprung,  der  vom  untern  Teil  der  fascia 
lumbodorsal.  superfic.  ausgeht,  ist  nicht  nachweisbar;  es  könnte 
aber  der  eben  erwähnte  Teil  auch  als  solcher  betrachtet  werden, 
da  wie  früher  erwähnt  worden  (p.  6)  die  sichelförmige  Sehne  (Fig. 
II.  s.)  direkt  in  die  fase,  lumbodors.  übergeht,  resp.  eine  seitliche 
Verlängerung  der  letztem  darstellt.  Aber  diese  Portion  kann  wie 
aus  Lesshafts  Schilderung  hervorgeht,  nur  eine  schmale  und  un- 
bedeutende sein,  da  andere  Autoren  wie  Ilyrtl,  Gegenbauer 
ihrer  gar  nicht  gedenken,  und  Henle  p.  55  Handbuch  der  Muskel- 
lehre, davon  sagt:  »zu  welchen  sich  nicht  selten  noch  eine  schmälste 
Zacke  . . . unten  von  dem  lig.  lumbodorsale  in  der  Verlängerung 
des  Querfortsatzes  des  ersten  Bauchwirbels  gesellt«  und  als  solches 
p.  56  Fig.  23  abbildet.  Es  muss  aber  wohl  angenommen  werden, 
dass  vom  Muse,  obliquus  abdomin.  ext.  jene  Partie  fehlt,  welche 
normalerweise  sich  an  die  sehnige  Verlängerung  der  zwölften  Rippe 
inseriert;  dass  aber  die  Partie  vorhanden  ist,  welche  sich  an  die 
fascia  lumbodorsahs  und  an  die  zwölfte  Rippe  inseriert.  Weil 
aber  diese  letzte  Rippe  fehlt,  und  an  ihrer  Stelle  nur  eine 
Sehnenplatte,  die  sichelförmige  Fascie,  s.  Fig.  II,  vorhanden  ist, 
welche  gegen  die  Wirbelsäule  hin  mehr  retrahiert  blieb , weil 
das  Längenwachstum  der  Rippe  die  daselbst  fixierten  Weichteile 
nicht  nach  aussen  fortbewegte,  wurde  die  Insertionsstelle  des  ge- 
dachten hintern  Abschnittes  des  Muse,  obliq.  abd.  ext.  in  abnormer 
Weise  näher  gegen  die  Wirbelsäule  hin  fixiert,  während  die  vordere 
Portion  des  Muskels  normal  gelagert  blieb:  und  so  kam  die  Lücke 
in  dem  Muskel  zu  Stande. 

Der  Muscul.  obliquus  abdominis  internus  entspringt 
normaler  Weise  a.  von  der  crista  ossis  ilei;  b.  vom  oberflächlichen 
und  tiefen  Blatt  der  fascia  lumbodorsahs  und  geht  hinten  steil 
aufsteigend  zum  knorpeligen  Ende  der  letzten  Rippe,  dann  zum 
Knorpel  der  11.  Rippe  oder  auch  der  10.  Rippe  und  so  fort  bis 
zum  lig.  Poupartii.  Nur  die  hintern  Partien  interessieren  uns.  Bei 
unserem  Patientchen  ist  auf  der  linken,  normalen  Seite  der  Muse, 
obl.  abd.  int.  ganz  normal,  und  er  erstreckt  sich  in  seinem  Ur- 
sprung von  der  Crista  ossi  silei  so  weit  nach  hinten  als  nur  möglich; 
vide  Fig.  V.  Seine  hintern  Faserbündel  inserieren  sich  etwa 


lieber  llernia  veutralis  lateralis  congenita. 


11 


senkrecht  aufsteigend  in  der  Mitte  der  letzten  Rippe.  Ganz  anders 
recht erseits.  Hier  sind  die  hintersten  Ursprungsfasern  des  Muse, 
obliquus  abdominis  int.  unter  der  hintern  Portion  des  M.  obliq. 
abd.  ext.  etwa  in  der  Mitte  des  Darmbeinkammes  vorhanden  ; sie 
gehen  nach  vorne;  keine  Spur  der  von  der  hintern  Hälfte  der 
crista  ossis  ilei  sowie  der  von  der  fascia  lumbodorsalis  entspringenden 
und  der  an  die  Rippen  sich  inserierenden  Partie  des  Muskels  ist 
vorhanden.  Man  kann  sagen,  dass  etwa  die  hintere  Hälfte 
dieses  Muskels  gänzlich  fehlt. 

Der  dritte  in  Betracht  kommende  Muskel  ist  der  Muse, 
trans versus  abdominis.  Derselbe  entspringt  normaler  Weise 
a.  von  der  7.  bis  10.  Rippe;  sehnig  vom  untern  Rande  der  11.  und 
der  Spitze  der  12.  Rippe;  b.  von  der  facia  lumbodorsalis  und 
zwar  von  deren  oberflächlichem,  mittlern  und  tiefen  Blatt  und 
c.  vom  Innenrande  der  crista  ossis  ilei.  Die  Betrachtung  der 
Fig.  IV,  die  möghehst  genau  das  ausgebreitete  Präparat  reproduciert, 
giebt  Aufschluss  über  das  Verhalten  des  in  Rede  stehenden  Muskels. 
Links  ist  er  als  continuierliche  Schicht  sichtbar;  da  nach  aussen 
vom  Muse,  quadratus  lumbor.  die  tiefe  Schicht  der  Fascie  weg- 
präpariert ist,  sieht  man  hier  den  Muse,  abdoin.  obliq.  int.  in 
seinem  hintersten  Abschnitte,  der  rechterseits  vollständig  fehlt. 
Der  Muse,  transversus  abd.  erscheint  daher  hier  dem  Muse,  qua- 
dratus lumborum  bedeutend  genähert.  Nach  unten  am  Darmbein- 
kamm sird  normale  Verhältnisse.  Nach  oben  sieht  man  von  der 
Inscriptio  tendinea  aus  sowohl  nach  unten  als  auch  nach  oben 
von  der  Bruchpforte  Fasern  des  Muse,  transversus  abd.  nach  vorn 
sich  hinziehen,  so  dass  wohl  auch  in  diesem  Muskel,  direkt 
nach  vorn  an  der  sehnigen  Platte  ein  Defekt  anzunehmen 
ist;  doch  ist  derselbe  verhältnismässig  viel  unbedeutender,  als  an 
den  zwei  vorher  geschilderten  Muskeln. 

Die  Lücke  in  der  Bauchwand,  welche  den  Durch- 
schnitt der  Hernie  gestattet,  ist  demnach  bedingt  durch 
einen  Defekt  im  Muscul.  obliq.  abd.  ext.  in  dessen  äussern 
(lateralen)  Partie;  durch  Defekt  der  hintern  Hälfte  des 

M.  obliq.  abd.  int.  und  einen  kleinen  Defekt  im  Muse- 

« 

transvers.  abd. 

Dass  diese  Defekte  das  primäre,  die  Bruchbildung  das  se- 
kundäre ist,  und  nicht  etwa  umgekehrt,  darf  mit  Bestimmtheit  aus 
der  Anwesenheit  anderer  Muskeldefekte  erschlossen  werden,  die 
wir  in  dem  beschriebenen  Präparate  nachgewiesen  lialien  und  die 
an  der  Bildung  der  Hernie  keinen  Anteil  genommen  haben.  Diese 
Defekte  sind: 


12 


Oscar  Wyss. 


a.  der  Mangel  der  Portion  des  Muse,  latissimus  dorsi,  die  von 
der  äussern  Fläche  der  crista  ossis  ilei  entspringt  und  wohl  auch 
eines  Teiles  der  Fasern,  die  ihren  Ursprung  von  der  fascia  lumbo- 
dorsalis  nehmen,  sowie  der  Bündel,  die  von  der  Spitze  der  letzten 
Rippe  und  ihrem  fibrösen  Fortsatz  ausgehen. 

b.  der  Mangel  der  untersten  Zacke  des  Muse,  serratus  posticus 
inferior. 

c.  der  Mangel  der  (normal)  an  den  innersten  Teil  des  untern 
Randes  der  12.  Rippe  sich  inserierenden  Muskelbündel  des  Muscul. 
quadratus  lumborum. 

Endlich  könnten  noch  die  Mm.  intercostales  zwischen  den 
untersten  Rippen  angeführt  werden;  so  dass  also  als  mehr  oder 
weniger  defekt  zu  bezeichnen  sind  8 Muskeln ; und  zwar  der  Muse, 
latissim.  dorsi;  der  M.  serratus  postic.  infer.,  der  Muse,  quadratus 
lumbor.,  der  Muse,  obliq.  abdom.  ext.,  der  Muse,  abdom.  int.,  der 
Muse,  transversus  abdom.,  der  Muse,  intereost.  intern,  und  Muse, 
intercost.  extern. 

Somit  sind  sämtliche  Muskeln,  welche  sich  normaler 
Weise  an  die  unterste  Rippe  inserieren,  mehr  oder  we- 
niger defekt;  so  dass  gewiss  der  Schluss  erlaubt  ist,  es  sei 
dieser  Defekt  der  Muskeln  abhängig  von  dem  Defekt  der 
untersten  Rippe.  An  der  Stelle  der  untersten  Rippe  ist  nur  eine 
fibröse  Haut,  an  der  sich  ein  Teil  der  Muskelbündel  inseriert,  die 
sich  sonst  an  die  letzte  Rippe  ansetzen , während  die  übrigen 
Muskelbündel  fehlen.  Da,  wie  früher  bereits  angegeben,  rechts 
die  unterste  Rippe  in  jeder  Beziehung  sich  ganz  analog  wie  die 
zweitunterste  Rippe  auf  der  linken  Seite  verhält,  diese  aber  trotz- 
dem sie  als  die  12.  gezählt  wurde,  sich  in  jeder  Hinsicht  genau 
so  wie  die  normale  11.  Rippe  verhält,  so  wird  man  annehmen 
müssen,  dass  rechterseits  die  unterste  (12.)  Rippe  fehle  und,  trotz- 
dem sie  der  Zahl  nach  die  12.  ist,  doch  ein  Defekt  der  untersten 
Rippe  vorliegen  müsse.  Dieser  Defekt  ist  offenbar  abhängig  von 
einer  Anomalie  der  Wirbelsäule,  die  wir,  wenn  sie  genauer  unter- 
sucht sein  wird,  beschreiben  werden. 

Epicrise. 

Die  Sektion  und  die  genauere  anatomische  Untersuchung 
haben  im  vorliegenden  Falle  also  ergeben,  dass  in  der  That  eine 
Hernie  in  der  rechten  Seitengegend  des  Körpers  vorliegt,  und  dass 
diese  Hernie  durch  eine  Lücke  dicht  unterhalb  der  untersten  Rippe 
herausgetreten  ist.  Die  auffallende  Erscheinung,  dass  die  Hernie 


lieber  Hernia  ventralis  lateralis  congenita. 


13 


so  weit  nach  aussen  ihren  Sitz  hatte,  erklärt  sich  vollkommen  da- 
durch, dass  die  Bruchpforte  nicht  wie  ich  angenommen  hatte,  am 
trigonum  (s.  rhombus)  lumbale  superius  Lesshafts,  sondern  weiter 
nach  aussen  sitzt.  Dass  wir  von  der  Bruchpforte  aus  nach  oben 
die  letzte  Bippe  fühlen  konnten,  wär  richtig;  dagegen  war  die 
Annahme,  der  nach  hinten  abtastbare,  straff  gespannte,  dicke 
Muskelbauch  sei  Muse,  erector  trunci  s.  Opisthotenar  mit  Quadratus 
lumborum  nicht  richtig.  Es  war  die  hintere  Portion  des  Muse, 
obliquus  abdoniin.  ext.,  die  sich  direkt  an  die  eben  genannte  Mus- 
kelmasse anschloss  und  mit  ihr  ein  Ganzes  bildete.  Die  Lücke 
befand  sich  weiter  nach  vorn  als  die  »vorschriftsgemässen«  Lumbal- 
hernien. Die  in  neuerer  Zeit  beschriebenen  Fälle  von  Braun  und 
J.  Wolff*  waren  wenig  geeignet  unsern  Fall  aufzuklären,  weil  der 
von  ersterem  beschriebene  Fall  in  eine  Kategorie  gehört,  zu  der 
unser  Fall  nicht  hingehörte,  indem  in  beiden  Fällen  die  Bruch- 
pforte dicht  über  dem  Darmbeinkamm  lag,  in  unserem  Falle  da- 
gegen dicht  unter  der  untersten  Rippe.  So  viel  ist  unzweifel- 
haft, dass  unser  Fall,  wie  er  sich  klinisch  als  eigenartig 
repräsentierte,  dies  in  ebenso  hohem  Grade  in  anato- 
mischer Hinsicht  thut. 

Es  hat  Braun  in  seiner  oben  citierten  Ai'beit  pag.  223  die 
Ansicht  ausgesprochen,  dass  bei  den  congenitalen  Fällen  von  Hernia 
lumbalis  Defektbildungen  der  Bauch  wand  Vorgelegen  haben;  eine 
Ansicht,  die  in  J.  Wolff  einen  Widersacher  gefunden  hat,  der  1.  c.  sagt: 
»für  die  congenitalen  Hernien  andere  anatomische  \^erhältnisse  an- 
zunehmen, als  füi-  später  erworbene  . . . liegt  keine  Veranlassung 
vor.  Braun’s  Vermutung,  es  liegen  Defekte  der  Bauchwand  vor, 
entbehrt  der  thatsächlichen  Basis.«  Dass  Braun  richtig  vermutet 
hat,  beweist  unsere  Beobachtung,  die  allerdings,  wie  wir  gleich 
erörtern  werden,  nicht  wirklich  eine  Lumbalhernie  darstellt,  aber 
allenfalls  doch  noch  zu  der  Gruppe  von  Hernien,  die  Braun  als 
solche  zusammengestellt  hat,  gezählt  werden  dürfte.  Unter  diesen 
Fällen  finden  sich  auch  solche,  die  unter  der  Bezeichnung  Hernie 
inter  costo-ihaque  (Larrey)  unter  Hernie  sus-iliaque  (Hugnier)  pu- 
bliciert  worden  sind  und  von  denen  wenigstens  erstere  wahrschein- 
lich nicht  zu  den  Lendenhernien  zu  zählen  sind. 

Als  Lendenhernien  dürften  nur  solche  Brüche  bezeichnet 
werden,  die  in  der  Lendengegend  hervortreten.  Nun  liat  sich  in 
den  letzten  20  Jahren  der  Begriff  der  »Lendengegend«  wie  uns 
scheint  bei  den  Anatomen  etwas  geändert  oder,  wenn  es  gestattet 
ist  zu  sagen,  verfeinert;  diese  Gegend  wird  heute  schärfer  begrenzt 
als  früher. 


14 


Oscar  Wyss. 


Lesshaft  1.  c.  p.  267  schreibt  anno  1870:  Die  Lmnbal- 

gegenden  sind  nach  innen  durch  die  Dornfortsätze  (»Darm«fort- 
sätze  ist  offenbar  ein  Druckfehler)  des  2.-5.  Lumbalwirbels  begrenzt. 
Nach  oben  werden  sie  durch  eine  vom  Dornfortsatze  des  2.  Lenden- 
wirbels, nach  aussen  über  däs  äussere  Ende  der  12.  Rippe  bis  zur 

11.  Rippe  gehende  Linie  begrenzt;  diese  Linie  kreuzt  sich  mit  der 
letztgenannten  Rippe  auf  der  Stelle,  wo  das  äussere  Dritteil  dieser 
Rippe  sich  mit  dem  nach  innen  und  oben  gewandten  mittlern 
Drittel  verbindet.  Nach  aussen  reichen  diese  Regionen  bis  zu 
einer  Linie,  die  man  vom  Ende  der  11.  Rippe  vertikal  nach  unten 
zur  Crista  ossis  ilei  führt.  Die  untere  Grenze  endlich  wird  von 
dieser  crista  gebildet,  von  dem  Punkte  angefangen,  wo  sie  sich 
mit  der  eben  genannten  Linie  verbindet,  nach  hinten  bis  zur  spina 
posterior  superior  ilei.  Jede  dieser  Regionen  kann  man  noch  in 
eine  äussere  und  innere  Hälfte  teilen  (Regio  lumbalis  lateralis  et 
medialis)  und  die  Grenze  zwischen  diesen  beiden  Teilen  wird  vom 
äussern  Rande  des  Muse,  extensor  dorsi  trunci  communis  gebildet. 
Diese  Teile  unterscheiden  sich  dadurch , dass  sich  bei  magern 
Subjekten  in  der  äussern  Hälfte  dieser  Region  (Regio  lumbalis 
laterahs)  eine  Vertiefung  oder  sogar  längliche  Grube  vorfindet, 
während  deren  innere  Hälfte  (Reg.  lumb.  mediahs)  von  aussen  nach 
innen  convex  hervorsteht. 

Neuerdings  aber  bezeichnen  die  Anatomen  z.  B.  Stöhr^),  Rü- 
dinger^),  Heitzmann^)  nur  die  Gegend,  welche  zwischen  der 

12.  Rippe  und  Darmbeinkamm  und  zwischen  den  proc.  spin.  der 
Lendenwirbel  und  einer  senkrechten , die  von  der  Spitze  der 
12.  Rippe  vertikal  nach  dem  Darmbeinkamm  hingezogen  wird,  als 
regio  lumbalis ; was  nach  aussen  davon  ist  und  früher  regio  lum- 
balis lateralis  hiess,  wird  als  regio  iliaca  oder  als  regio  hypochon- 
driaca  (Heitzmann)  bezeichnet.  Diese  erstreckt  sich  nach  vorn  bis 
zur  verlängerten  Mamillarlinie  oder  etwas  nach  aussen  von  dieser. 
Acceptieren  wir  diese  jetzt  von  den  Anatomen  allgemein  ange- 
nommene Begrenzung  der  Regio  lumbalis,  so  können  wir  unsere 
oben  beschriebene  Hernie  unmöglich  dem  Begriff  der  Hernia  lum- 
balis subsumieren,  sondern  wir  werden  sie  als  Hernie  der  Regio 
iliaca  s.  hypochondriaca  bezeichnen;  oder  was  uns  behufs  Ver- 
meidung von  Irrtümern  zweckmässiger  erscheint,  als  Hernia 
ventralis  lateralis;  und  da  es  sich  um  einen  angebornen 
Bruch  handelt,  als  Hernia  ventralis  lateralis  congenita. 

*)  Mündl.  Mitteilung. 

2)  Cursus  der  topogr.  Anatomie.  München.  1891.  Tab.  I. 

”)  Descriptive  u.  topogr.  Anat.  Atlas.  VI.  Aiifl.  Tab.  20  u.  S.  148. 


lieber  Hernia  ventralis  lateralis  congenita. 


15 


Auch  der  Name  Hernia  liypochondriaca  congenita  wäre  nach  der 
angedeuteten  Topographie  denkbar.  Aber  er  scheint  uns  deshalb 
weniger  passend,  weil  die  regio  hypochondriaca  sowohl  früher 
allgemein  als  auch  in  neuester  Zeit  von  einigen  weiter  nach  vorn 
verlegt  wurde,  nämlich  nur  in  die  Gegend  dicht  unter  dem  Rippeiu 
bogen  oder  auch  über  denselben,  so  neuestens  von  Rüdinger 
1.  c.  und  hier  durchaus  nicht  identificiert  wird  mit  der  regio  iliaca, 
wie  das  von  Heitzmann  geschieht.  Wie  viele  von  den  bisher  pu- 
blicierten  Hernien  der  Lendengegend  nun  von  dei'  »Hernia  lum- 
balis  im  engem  Sinne«  abzutrennen  wären,  scheint  mir  eine  Frage, 
die  bei  der  meistenteils  zu  wenig  genauen  Beschreibung  des 
Sitzes  etc.  der  Geschwulst  nicht  entschieden  werden  kann.  Nur  so 
viel  scheint  mir  wahrscheinlich,  dass  der  von  Braun  sub  Nr.  8 in 
seine  Casuistik  auf  genommene  Fall,  und  der  von  A.  Coli  es  im  Mai 
1829  beobachtet  worden  ist,  sehr  ähnlich  unserem  Falle,  ja  mög- 
licherweise identisch  mit  dem  unsrigen  sein  dürfte. 

»Colles  beobachtete  ein  3 Jahre  altes  Mädchen,  welches  in 
der  linken  Seite  eine  Lendenhernie  von  der  Grösse  einer  Taschen- 
uhr hatte,  die  leicht  reponiert  werden  konnte.  Die  Geschwulst 
war  gleich  bei  der  Geburt  des  Kindes  beobachtet  worden,  aber 
seit  damals  gewachsen.  In  der  letzten  Zeit  hatte  sich  eine  Diffor- 
niität  ausgebildet,  indem  die  rechte  Seite  an  Völle  zunahm,  die 
linke  in  der  Höhe  des  Tumors  concav  wurde.  Der  Gebrauch  der 
Beine  war  ein  vollkommener.« 

Es  ist  in  diesem  Falle  zwar  der  Sitz  der  Geschwulst  auch 
nicht  genau  angegeben;  nur  der  Umstand,  dass  in  einem  Alter 
(3  Jahre)  in  dem  gewöhnlich  Scoliose  in  auffallenderem  Grade  noch 
nicht  beobachtet  wird,  hier  anscheinend  konstatiert  wurde;  die 
Concavität  auf  der  Seite  der  Hernie  lag  und  vielleicht  auch  die 
rechte  Seite  des  Thorax  grösser  war,  als  die  linke:  ganz  analog 
wie  in  unserm  Falle,  wo  nur  umgekehrt  die  Hernie  auf  der  rechten 
Seite  sass,  da  die  Concavität  aber  auch  nach  derselben  Seite  hin 
gerichtet  war  und  die  linke  Thoraxhälfte  voller,  umfangreicher, 
die  rechte  dagegen  kleiner,  weil  defekt  war : legt  uns  die  Annahme 
nahe,  es  möchten  die  beiden  Pdille  gleichartig  in  der  Art  und 
Weise  der  Entstehung  der  Hernie  sein. 

Wir  finden  beim  Durchlesen  der  schönen  Kasuistik,  die 
Braun  gesammelt  hat,  noch  einige  Fälle,  die  möglicherweise  ana- 
loger Natur  waren.  Braun  selbst  sagt  p.  223:  es  dürfte  ausser  in 
dem  eben  angeführten  Colles’schen  PMlle  auch  in  demjenigen 
von  Monro  Defektbildung  in  der  Bauch wandung  Vorgelegen  haben. 
Das  ist  in  der  That  auch  wahrscheinlich.  Aber  dieser  Fall  bot 


16 


Oscar  AVyss. 


einmal  beiderseits  Hernien:  weite  Oeff  nungen  in  den  Lendenmuskeln, 
durch  welche  beide  Nieren  hindurchgegangen  waren ; jene  wurden 
nur  durch  die  gemeinschaftlichen  Bedeckungen  überzogen  und  waren 
so  weit,  dass  die  Nieren  mit  Leichtigkeit  rej)oniert,  aber  schwer  in 
dem  Unterleib  zurückgehalten  werden  konnten.  Wo  aber  in  diesem 
Falle  die  Lücken  sassen,  ob  in  der  regio  lumbaris  im  engeren  Sinne 
des  Wortes,  oder  weiter  nach  aussen,  ist  nicht  angegeben. 

Dagegen  interessiert  uns  in  hohem  Grade  die  Notiz  Brauns 
p.  202,  dass  Reneaulme  de  Lagarenne,  essai  d’un  traite  des 
hernies  nomees  descentes  1726,  angebe:  ,,Dolee  (Dolaeus)  spricht 
von  einem  Bruche,  den  er  Lumbalbruch  nennt,  der  zwischen  den 
falschen  Hippen  und  der  crista  ilei  liegt,  entstanden  durch  Tren- 
nung der  Fasern  der  Musculi  obliqui  und  des  musc.  transversus. 
Er  erscheint  so  sonderbar,  dass  man  zweifeln  kann,  ob  er  ohne 
vorhergehende  Wunde  entstehen  kann.“  Fast  möchte  man  glauben, 
Dolaeus  hätte  unser  Präparat  in  seinen  groben  Umrissen  vor  Augen 
gehabt;  aber  es  fehlt  leider  nicht  nur  jede  genauere  klinische, 
sondern  jede  anatomische  Beschreibung  als  Begründung  der  ge- 
äusserten  Vermutung.  Dass  es  aber  auch  früher  schon  Aerzte 
gab,  die  den  Begriff  der  Hernia  lumbalis  mehr  einschränkten,  als 
wie  Braun,  J.  Wolff  und  andere  gethan,  beweist  die  Notiz  bei 
Braun  p.  211  Anmerkung,  dass  Huguier  gelegentlich  der  Mit- 
teilung des  Falles  von  Lumbalhernie  von  Hardy  bei  der  Diskus- 
sion erklärte : er  halte  diesen  Bruch  nicht  für  eine  hernia  lum- 
balis, sondern  »pom’  une  hernie,  qui  s’est  faite  par  une  echancrure 
congenitale  ou  acquise  du  bord  superieur  de  l’os  iliaque«.  Huguier 
würde  also  wohl  auch  den  Fall  von  J.  Wolff  nicht  als  hernia 
lumbahs  aufgefasst  haben,  indem  auch  hier  ein  Defekt  am  Becken- 
knochen vorlag,  der  mit  zur  Bildung  der  Hernie  beigetragen  hatte. 

Wir  hoffen  also  nach  all  dem  Mitgeteilten,  wir  werden  nicht 
eines  zu  weit  gehenden  Dogmatismus  bezichtigt  werden,  wenn  wir 
Vorschlägen,  die  Hernien,  die  analog,  wie  die  von  uns  beschriebene, 
zwischen  crista  ossis  ilei  und  unterer  Apertur  des  Brustkorbes  gerade 
nach  aussen  sitzen,  in  Zukunft  nicht  zu  den  Lendenhernien  zu 
rechnen,  sondern  als  seitliche  Ventralhernien  aufzufassen.  Wir 
sind  nicht  der  Ansicht,  dass  man  die  Diagnose  der  Hernia  lumbalis 
einfach  so  fixieren  könne,  dass  man  sagt : die  in  der  regio  lumbalis 
im  engeren  Sinne,  vide  pag.  14,  sitzenden  Hernien  sind  als  Lumbal- 
hernien, die  weiter  nach  vorn  befindlichen  als  seitliche  Ventral- 
hernien aufzufassen.  Wir  haben  vielmehr  die  Ueberzeugung,  dass 
die  meisten  Lumbalhernien  gegen  die  äussere  Grenze  der  regio 
lumbalis  der  neuern  Autoren  hin  ihren  Sitz  haben  werden;  ja  wahr- 


Ueber  Hernia  ventralis  lateralis  congenita. 


17 


scheinlich  das  Maximum  ihrer  Vorwölbung  nach  aussen  von  einer 
senkrechten  Linie,  welche  von  der  Spitze  der  12.  Rippe  nach  der 
crista  ossis  ilei  gezogen  wird,  zeigen,  und  zwar  um  so  mehr,  je 
grösser  sie  werden.  Auch  die  verlängerte  Skapularlinie,  eine  senk- 
recht vom  angulus  inferior  scap.  nach  unten  gezogene  Linie  wird 
nicht  dem  gedachten  Zwecke  einer  Grenze  zwischen  Lumbal-  und 
seitlicher  Ventralhernie  dienen  können.  Wohl  aber  dürfte  die 
hintere  Axillarlinie  bis  auf  die  crista  ossis  ilei  verlängert,  von  der 
hintern  Begrenzung  der  Achselgrube  aus  parallel  der  Medianebene 
des  Körpers  nach  unten  gezogen,  diesem  Zwecke  dienen  und  in 
ganz  analoger  Weise  möchten  wir  die  Begrenzung  nach  vorn  Vor- 
schlägen, so  dass  wir  also  sagen  möchten : die  Hernien,  die  zwischen 
Rippenbogen  und  Darmbeinkamm  sitzen  und  rückwärts  von  der 
verlängerten  vorderen  Axillarlinie  liegen  (sowie  also  vor  der  linea 
axillar,  post.)  würden  einzig  als  typische  laterale  Ventralhernien 
aufzufassen  sein.  Weiter  nach  vorn  gelegene  wären  als  Hernia 
hypochondriaca,  wenn  sie  unterm  Rippenbogen  sitzen,  oder  als  H. 
ventralis  lateralis  anterior,  wenn  sie  an  der  vorderen  innern  Grenze* 
der  regio  iliaca  sitzen  etc.,  zu  bezeichnen.  Die  Zukunft  muss  lehren, 
inwieweit  man  aus  der  ganz  genauen  Fixierung  des  Sitzes  und 
der  Art  und  Weise  der  Entstehung  auch  Schlüsse  wird  ziehen 
dürfen  auf  die  Durchtrittsstelle.  Wir  möchten  hier  nur  betonen, 
dass  eine  sehr  genaue  Beschreibung  der  in  Zukunft  beobachteten 
Fälle  von  Hernien  in  diesen  Gegenden,  womöglich  mit  Abbildung, 
das  fernere  Studium  am  meisten  fördern  wird. 

Eine  durch  einen  spondylitischen  Kongestionsabscess  entstandene 
Lücke  in  der  Lendenmuskulatur  haben  wir  momentan  in  Beobach- 
tung. Pat.  ist  ein  am  18. /3.  1892  ins  Kinderspital  aufgenommenes 
Mädchen  von  4 Jahren.  Es  ist  mangelhaft  entwickelt,  leidet 
an  Kyphosis  der  Lendenwirbelsäule  infolge  Spondylitis  und  bot 
zwischen  proc.  spinös,  und  verlängerter  hinterer  Axillarlinie  einen 
bis  in  die  Gegend  der  Höhe  der  Mitte  des  os  sacrum  hinab  reichen- 
den, bis  etwa  zur  9.  Rippe  hinaufreichenden  grossen  Kongestions- 
Abscess,  mit  durchschimmernden  Wnen  und  verdünnter  Haut.  Nach 
der  Punktion  desselben  und  Entleerung  des  Eiters  konnte  man 
zwischen  letzter  Rippe  und  crista  oss.  ilei,  dicht  unter  der  Rippe 
einen  Schlitz  fühlen,  der  nach  unten  langsamer  sich  verengt,  nach 
oben  rundlich  sich  begi’enzt,  nach  hinten  und  vorn  Muskelränder  zu 
tasten  gestattet  und  der  etwas  nach  vorn  von  der  spina  post.  siip. 
liegt.  Denkt  man  sich  den  direkten  Abstand  der  spina  ant.  sup. 
von  der  spina  post.  sup.  in  vier  gleiche  Teile  geteilt,  so  würde  die 
Lücke  etwas  nach  hinten  von  einer  Linie  liegen,  die  senkrecht 

2 


18 


Oscar  AVyss. 


durch  den  Greiizpiiiikt  zwischen  hinterstem  und  zweithinterstem 
Viertel  gezogen  würde.  Diese  Lücke  scheint  mir  somit  weiter 
hinten  zu  liegen  als  diejenige,  die  Braun  (s.  o.)  bei  seinem  Patien- 
ten mit  Hernia  lunib.  fühlte  und  post  mortem  im  Muse,  latiss.  dorsi 
fand.  Ich  würde  sie  am  liebsten  in  das  trigonum  lumbale  suj)erius 
verlegen.  Da  der  Eiter  sich  rasch  wieder  ansammelte,  wm’de  der 
Kongestionsabcess  drainiert,  ein  Drainrohr  in  jene  Lücke  eingelegt, 
und  da  dieses  s,  Z.  noch  liegt,  so  kam  es  in  diesem  Falle  bis 
dato,  nicht  zur  Bildung  einer  Hernie  ^).  Lesshafts  weiche  Stelle  scheint 
somit  Kongestionsabscessen  den  Durchtritt  zu  gestatten. 

Als  für  die  Diagnose  der  Hernia  ventralis  lateralis 
congenita  bedeutsame  Momente  heben  wir  hervor: 

1.  den  Sitz  der  Hernie  zwischen  crista  ossis  ilei  und  Rippen- 
bogen einerseits ; der  hintern  und  vordem  Axillarlinie  andererseits ; 

2.  die  feste  derbe  Muskelmasse  nach  hinten  (Partie  des  musc. 
obliq.  abd.  ext.),  die  kontinuierlich  in  die  Rückenmuskeln,  quadrat. 
lumborum  und  erector  trunci  übergeht; 

3.  die  Möglichkeit,  die  unterste  (resp.  zweitunterste)  Rippe 
von  der  Bruchpforte  aus  fühlen  zu  können.  Begreiflicherweise 
können  diese  Symptome  auch  variieren;  vielleicht  giebt  es  auch 
Fälle,  welche  ähnlich  wie  bei  gewissen  Lumbalhernien  den  Darm- 
beinkamm von  der  Bruchpforte  aus  abzutasten  gestatten.  Von 
grosser  Bedeutung  für  die  Diagnose  congenitaler  durch  Defekt- 
bildung entstandener  Hernien  scheinen  uns  ferner  folgende  Punkte 
zu  sein: 

4.  angeborene  Anomalien  der  Wirbelsäule,  z.  B.  Scoliose  und 
Lordose,  wie  in  unserem  Falle; 

5.  angeborene  Difiormitäten  des  Brustkorbes : Stärkere  Ent- 
wicklung der  Thoraxhälfte,  auf  der,  der  Hernie  entgegengesetzten 
Körperseite , Kleinerbleiben  der  Hälfte  auf  der  Seite  der  Hernie ; 

6.  Defekt  einer  Rippe,  mangelhafte  Entwicklung  von  Muskeln 
auf  der  Seite,  auf  der  die  Hernie  sich  befindet; 

7.  anderweitige  Missbildungen  bezw.  Defekte  auf  demselben 
Individuum.  — 

Ob  es  andere  Modi  der  Genese  der  Hernia  ventr.  lateral. 
CO  Tg-  giebt,  als  Defekte  der  beschriebenen  Art,  wird  die  Zukunft 
lehren.  Dass  durch  Traumen  Hern,  ventr.  lat.  entstehen  kann, 
ist  unzweifelhaft;  schon  die  Analogie  mit  Hern.  lumb.  traumatic. 
spricht  dafür. 

t 

’)  Ist  auch  noch  am  17.  7.  1892  so. 


Ueber  Hernia  ventralis  lateralis  congenita. 


19 


Inwiefern  hieran  Kongestionsabscesse  von  der  Wirbelsäule 
her  oder  vom  Becken  ausgehend  participieren , müssen  wir  der 
Zukunft  überlassen;  aber  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  auch  diese 
eine  ätiologische  Rolle  spielen  können,  ist  zuzugeben.  — 

Noch  weniger  lässt  sich  über  eine  Therapie  der  seitlichen 
congenitalen  Bauchbrüche  sagen.  Dass  in  einem  Falle,  wie  der 
von  uns  beschriebene,  in  erster  Linie  die  Behandlung  durch  einen 
Verschluss  durch  eine  geeignete  Pelotte  in  Betracht  gekommen 
wäre,  vorausgesetzt  Patient  hätte  länger  gelebt,  erscheint  wohl 
sehr  nahe  liegend.  Mit  dem  Wachstum  des  Kindes  wäre  freihch 
auch  der  Defekt  gewachsen  und  es  würde  über  kurz  oder  lang 
dieser  gewiss  so  gross  geworden  sein,  dass  ein  Zurückhalten  der 
Eingeweide  durch  die  Pelotte  nicht  mehr  möglich  gewesen  wäre. 
Betrug  doch  jetzt  schon  der  senkrechte  Durchmesser  der  Bruch- 
pforte mehr  als  ja  fast  Vs  der  Distanz  der  Rippen  vom  Darm- 
beinkamm und  es  nahm  die  Hernie  nahezu  den  ganzen  Zwischen- 
raum ein.  Gewiss  würde  in  solchen  Fällen  ein  möglichst  frühzeitig 
versuchter  operativer  Verschluss  der  Bruchpforte  nicht  nur  zu 
entschuldigen,  sondern  geradezu  indiciert  sein;  und  das  um  so 
mehr,  als  ja  bei  den  nahe  verwandten  Lumbalhernien  Einklem- 
mungen keine  Seltenheit  gewesen  sind.  Schon  bei  der  berühmten 
Pe titschen  Hernie  (conf.  Braun  p.  208)  handelte  es  sich  um  eine 
Einklemmung  des  Bruches,  und  auch  von  anderen  wissen  wir, 
dass  die  Taxis  nötig  wurde,  und  mit  Erfolg  ausgeführt  wurde 
z.  B.  von  Triponel  (cf.  Braun  p.  212;  ferner  p.  227)  und  Schraube 
(p.  218).  Einmal  musste  die  Herniotomie  ausgeführt  werden  von 
Ravaton  (cf.  Braun  p.  207).  Derartige  Vorkommnisse  können  selbst- 
verständlich auch  bei  der  von  uns  geschilderten  Form  von  Hernie 
sich  ereignen,  und  um  sie  zu  verhüten,  dürfte  unter  geeigneten 
Verhältnissen  der  operative  Verschluss  der  Bruchpforte  gewiss 
versucht  werden.  Immerhin  dürften  diese  operativen  Verschlüsse 
derartiger  Hernien  zu  beschränken  sein  auf  wohlgenährte  Kinder, 
contraindiciert  sein  bei  solchen  mit  chronischen  Verdauungsstörungen, 
zumal  bei  Atrophie,  bei  starkem  Meteorismus  des  Bauches,  bei 
hereditär  belasteten  Kindern,  zumal  solchen,  die  von  tuberkulösen 
Eltern  abstammen.  Jedenfalls  wären  derartige  Eingriffe  auch  in 
den  ersten  Lebensmonaten  zu  vermeiden,  wo  man  die  Besorgnis, 
es  möchten  nachträglich  schwere  Ernährungsstörungen  nach- 
konimen,  nicht  unterdrücken  kann,  namentlich  bei  ungünstigen 
Familienverhältnissen. 


20 


Oscar  Wyss. 


Nachtrag. 

Beschreibung  der  Wirbelsäule.  — Die  Untersuchung  der 
präparirten.  leicht  macerirten  Wirbelsäule  ergab  Folgendes.  Der 
oberste  Wirbel  des  Präparates,  der  7,  Rückenwirbel,  bietet  leicht 
assymmetrische  Wirbelbügen;  der  linke  steht  etwas  höher,  der 
rechte  etwas  tiefer.  Am  8.  Rückenwirbel  ist  die  linke  Hälfte  des 
Wirbelbogens  schmäler,  kürzer,  die  rechte  etwas  länger  und  breiter. 
Der  processus  spinosus  steht  etwas  nach  links.  Am  9.  u.  10.  un- 
bedeutende Differenzen;  der  11.  dagegen  verhält  sich  ziemlich 
wie  Wirbel  8.  Zwischen  dem  11.  und  12.  Wirbelkörper  liegt  ein 
von  der  linken  Seite  her  eingeschobener,  gegen  die  Mitte  keilförmig 
sich  verjüngender,  rudimentärer  Wirbelkörper,  der  links  eine  normale 
Rippe  und  einen  gut  entwickelten  Wirbelbogen  trägt.  Der  Wirbel- 
körper des  12.  Rückenwirbels  liegt  in  seiner  rechten  Hälfte  höher, 
in  seiner  linken  Hälfte  tiefer,  geht  also  schräg  von  rechts  oben 
nach  links  unten.  Er  trägt  sowohl  rechts  als  auch  links  eine 
Rippe  von  normaler  Beschaffenheit.  Die  linke  Hälfte  des  Wirbel- 
bogens steht  fast  wagrecht;  die  rechte  Hälfte  nahezu  senkrecht. 
Der  proc.  transversus  sin.  steht  mehr  nach  hinten  und  unten. 
Der  processus  spinosus  schaut  nach  rechts. 

Zwischen  den  12.  Rücken-  und  1.  Lendenwirbel  ist  ein  keil- 
förmiges Rudiment  eines  Wirbelkörpers  von  der  rechten  Seite  her 
eingeschoben.  Dasselbe  ist  nur  unvollständig  durch  eine  partielle 
Intervertebralscheibe  mit  dem  Körper  des  12.  Wirbels  verbunden 
(der  weiter  oben  eingeschobene  Wirbelteil  ist  ganz  durch  Inter- 
vertebralplatten abgeschlossen  und  gegen  die  Nachbarwirbel  be- 
weglich), teilweise  knöchern  damit  verwachsen  und  daher  gegen 
den  Wirbel  unbeweglich.  Dieser  Schaltwirbel  trägt  keine  Rippe; 
der  zu  ihm  gehörige  halbe  Wirbelbogen  ist  kurz,  sehr  breit  (hoch). 
Der  weiter  nach  unten  folgende  Wirbel  ist  evident  der  1.  Lenden- 
wirbel. Die  rechte  Hälfte  des  Wirbelkörpers  steht  tiefer,  die 
linke  höher;  er  trägt  beiderseits  eine  etwa  1 cm  lange,  1 mm 
dicke,  rudimentäre  Rippe.  Die  Wirbelbögen  sind  assymmetrisch, 
die  rechte  Hälfte  ist  oben  breit,  unten  schmal;  die  linke  umgekehrt. 
Der  processus  transversus  ist  links  gut  entwickelt,  rechts  rudimentär. 
Der  2.  Lendenwirbel  ist  nur  insofern  abnorm,  als  die  linke  Hälfte 


Ueber  Hernia  ventralis  lateralis  congenita. 


21 


des  Wirbelbogens  höher  und  grösser  ist,  als  die  rechte.  Der  proc. 
transv.  ist  links  stärker  entwickelt  als  rechts;  rechts  ist  er  nur 
etwa  halb  so  gross  wie  links.  — Die  folgenden  Wirbel  normal. 

Es  hat  sonach  unsere  Annahme,  es  fehle  rechterseits 
eine  Rippe,  ohne  Zweifel  ihre  Berechtigung,  da  zwar  alle 
Rückenwirbel  ihre  zugehörigen  Rippen  haben,  das  über  dem 
letzten  Rückenwirbel  links  eingeschaltete  Wirbelrudiment 
eine  Rippe  trägt,  das  unter  dem  untersten  Rückenwirbel 
rechts  eingefügte  aber  keine  solche  hat. 


Ein  Beitrag  zur  Uterus-Chirurgie 


von  Dr.  Richard  Jjiiiiipe 

Docent  für  Geburtshilfe  u.  Gynäkologie  an  der  Wiener  Universität. 

Die  Pathologie  des  Uterus  wird  von  zwei  Krankheitsforinen 
oder  Krankheitsgruppen  geradezu  beherrscht  und  das  sind  einer- 
seits die  entzündlichen  Ernährungsstörungen,  andererseits 
die  Neoplasinen.  In  beiden  Formen  haben  wh'  einen  Syinptomen- 
komplex  von,  ich  möchte  sagen,  beinahe  ermüdender  Monotonie. 
Immer  derselbe  Wechsel  und  dieselbe  Aufeinanderfolge  von:  Blu- 
tungen, Ausfluss,  Schmerzen,  der  Einfluss  dieser  und  der  lokalen 
Störung  auf  Blutbildung  und  Ernährung  (Anämie — Kachexie)  und 
der  weitere  direkte  oder  indirekte  Einfluss  auf  das  Nervensystem. 
Selbstverständhch  kann  in  jedem  einzelnen  Falle  das  eine  oder  das 
andere  mehr  hervortreten  und  im  Krankheitsbilde  dominieren,  im 
grossen  und  ganzen  aber  wird  das  Krankheitsbild  dasselbe  sein. 
Die  Aetiologie  der  Neoplasmen  ist  bis  heute  noch  völlig  dunkel. 
Was  die  Aetiologie  der  Entzündungen  betrifft,  so  stellt  die  Patho- 
logie heute  die  pathogenen  Keime  (Coccen  und  Bakterien)  ver- 
schiedener Art  als  die  eigenthchen  Entzündungserreger  hin.  Ther- 
mische, chemische,  mechanische  Reize  (Trauma)  spielen  dabei  die 
Rolle  des  veranlassenden  prädisponierenden  Momentes.  Was  die 
weibhchen  Geschlechtsorgane  betrifft,  so  nimmt  man  allgemein  an, 
dass  die  Entzündung  erregenden  Keime  direkte  von  aussen  her 
übertragen  und  eingeimpft  oder  doch  von  der  Vagina  und  vom 
Cer\dx  her  weiter  und  tiefer  nach  innen  gebracht  werden.  (Exogene 
und  endogene  Infektion.) 

Der  veranlassenden  Ursachen  sind  genug.  Die  tägliche  Er- 
fahrung lehrt,  wie  leicht  der  Genitalkanal  zu  infizieren,  wie  schwer 
derselbe  zu  desinfizieren  ist.  Der  Fortschritt  in  der  Medizin  be- 


Ein  Beitrag  zur  Uterus-Chirurgie. 


23 


ruht  zum  grossen  Teile  in  der  Sicherheit,  mit  welcher  \\dr  In- 
fektion verhüten,  stattgefundene  Infektion  unschädlich  machen 
können;  andererseits  in  der  weiteren  Ausbildung  der  chirurgischen 
Technik,  wo  es  sich  wieder  grösstenteils  um  die  Sicherheit  in  der 
Antisepsis  und  Asepsis  und  Blutstillung  handelt.  Die  Ausbildung 
und  Erweiterung  der  Untersuchungsmethoden  und  Mittel  setzen 
uns  gegenwärtig  zwar  auch  nicht  in  jedem  Falle  in  den  Stand, 
eine  thatsächlich  richtige  Diagnose  zu  stellen  und  die  Krankheit 
zu  ermitteln,  denn  errare  humanum  est,  aber  man  ist  doch  gegen- 
wärtig mehr  in  der  Lage  die  Empirie  und  Schablone  durch  eine 
rationelle  Therapie  zu  ersetzen,  als  das  früher  der  Fall  war.  Falsche 
Diagnosen  bringen  jede  an  sich  richtige  Therapie  (Operation)  in 
Misskredit.  Das  unbedingte  Vertrauen  in  die  Antisepis  und  chirur- 
gische Technik  soll  aber  keinesfalls  dazu  führen,  es  mit  der  Diagnose 
leicht  zu  nehmen.  Der  Erfolg  der  Therapie  setzt  die  richtige 
Diagnose  voraus.  Ist  die  Diagnose  richtig  gestellt,  so  erfordert 
oft  noch  die  Stellung  der  Indication  für  eine  bestimmte  Therai)ie 
(Operation)  \äel  Wissen  und  Erfahrung,  welche  jeder  Einzelne  nur 
allmählich  und  mühsam  sich  aneignet.  Ich  werde  zum  Schlüsse 
noch  Gelegenheit  haben,  über  dieses  Thema  zu  sj^rechen.  Es 
sollen  diese  einleitenden  Worte  dazu  dienen,  meinen  Standpunkt 
klar  zu  machen  und  nun  zum  eigentlichen  Thema  meiner  Arbeit. 


I.  Das  Evidement  oder  Curettement  der  Uterus-mucosa. 

Die  Mucosa  uteri,  ihre  funktionelle  Bedeutung  und  ihre 
pathologischen  Veränderungen  sind  gerade  in  der  jüngsten  Zeit 
ein  Liebhngsthema  gynäkologischer  Studien  geworden.  Als  fest- 
stehend gilt  nun,  dass  die  Mucosa  corporis  uteri  unter  ova- 
riellem Einfluss  fortwährenden  Veränderungen  unterlegen  ist 
(Evolution— Involution.  Bildung  der  Decidua  menstrualis.)  Mit 
dem  Ausfälle  der  Funktion  der  Ovarien  (Klimax,  Atrophie,  De- 
generation) oder  dieser  Organe  selbst  (Castration)  hören  diese  Ver- 
änderungen auf.  Andererseits  kann  es  durch  pathologische  Vor- 
gänge an  den  Ovarien  (Entzündung — Neoplasmen)  zur  dauernden 
Hypertrophie  der  Schleimhaut  mit  den  consecutiven  Funktions- 
störungen kommen.  (Chronisch  hyperplasierende  Endometritis, 
Endometritis  fungosa  — Olshausen.)  Die  Schleimhaut  des  Uterus 
ist  aber  auch  selbstverständlich  vor  allem  al)hängig  von  den  Er- 
nährungsverhältnissen des  ganzen  Organes  selbst  und  so  wird  es 
verständlich,  dass  der  Uteruskatarrh  oder  die  Endrometritis  wesent- 
lich den  Wert  eines  Symptomes  hat.  Die  Anatomie  des  weiblichen 


24 


Kichard  Lumpe. 


Beckens,  speziell  der  weiblichen  Sexualorgane  lehrt  uns,  in  welcher 
innigen  Verbindung  der  Uterus,  namentlich  was  die  ernährenden 
Gefässe  anbelangt,  mit  seiner  Umgebung  steht.  Diese  Dinge  müssen 
in  Lehrbüchern  über  Gynäkologie  immer  wieder  von  neuem  betont 
werden,  denn  sonst  versteht  man  die  ganze  Pathologie  nicht. 
Man  wird  den  Katarrh  beinahe  niemals  bei  der  Metritis,  beim 
Fibrom,  beim  Carcinom  vermissen.  Es  soll  damit  dm’chaus  nicht 
behauptet  sein,  dass  die  Utrusschleimhaut  nicht  primär  und  selbst- 
ständig erkranken  kann  (Blennorrhoe).  Wird  die  Schleimhaut  in 
toto  ausgeschieden  (Endometritis  exfoliativa)  oder  instrumenteil 
entfernt  (Evidement),  so  wird  sie  von  den  Drüsenfundis  aus  voll- 
kommen regeneriert,  so  dass  die  Möglichkeit  späterer  Conception 
und  Gravidität  erhalten  bleibt.  Tiefgreifende  Aetzmittel  sind  in 
dieser  Beziehung  viel  gefährlicher.  Diese  Regenerationsfähigkeit 
der  Mucosa  ist  besonders  zu  betonen.  Der  Uterus  ist  ein  Muskel, 
ein  plastisches  Organ,  welches  auf  jeden  wie  immer  gearteten 
Reiz  mit  Kontraktion  antwortet,  reagiert.  Diese  Dinge  werden  am 
meisten  bemerkbar  bei  der  Massage.  Das  sogenannte  Cavum 
des  normalen,  nicht  puerperalen  Uterus,  ist  ein  Spalt  in  diesem 
Muskel.  In  frontaler  Ebene  von  umgekehrter  Flaschenform,  in 
sagittaler  Ebene  von  der  Form  einer  gegen  die  Symphyse  zu, 
also  nach  vorne  zu  gebrochenen  Linie,  mit  zwei  Anschwellungen, 
von  welchen  die  obere  dem  Corpus,  die  untere  dem  Collum  oder 
Cervix  uteri  entspricht. 

Diese  normale,  physiologische  Grundform  wird  selbstver- 
ständlich physiologisch  (Gravidität)  und  pathologisch  (Fibrom, 
Hämatom  u.  s.  f.)  mannigfaltig  abgeändert.  Mit  Rücksicht  auf 
diese  anatomischen  und  physiologischen  Thatsachen,  mit  Rück- 
sicht auf  die  pathologische  Dignität  und  Pathogenese  des  Katarrhes, 
mit  Rücksicht  darauf,  dass  wir  die  chirurgischen  Grundsätze  und 
Regeln  ohne  alle  Einschränkung  auf  die  Behandlung  des  Uterus 
übertragen  müssen  (Antisepsis!),  kann  man  die  Behandlung  der 
Uterusmucosa  (Endometritis)  mit  Aetzmittelträgern,  Crayons,  Pinseln, 
Uteruspistolen,  Intrauterinspritzen  u.  s.  f. , besonders  soferne 
starke  Aetzmittel  damit  in  Anwendung  kommen  sollen,  durch- 
aus nicht  mehr  empfehlen.  Die  Anwendung  caustisch 
wirkender  Arzneimittel  bei  starken  Metrorrhagien  darf  nie- 
mals ohne  Antisepsis  und  Dilatation  geschehen.  — Alle  die 
Nachteile,  welche  mit  diesem  Verfahren  verbunden  sind,  sprechen 
sich  schon  am  besten  darin  aus,  dass  sich  die  menschliche  Er- 
findungsgabe in  der  Modifikation  dieser  Instrumente  gewisser- 
massen  aufgerieben  und  erschöpft  hat.  Die  Resultate  dieser  Be- 


Ein  Beitrag  zur  Uterus-Chirurgie. 


25 


handlungsweise  sind  thatsächlich  recht  unbefriedigend  und  traurig. 
Entzündungserscheinungen  am  Uterus  selbst  oder  an  den  Tuben, 
Ovarien,  dem  parametranen  Bindegewebe  bilden  bekanntermassen  eine 
Contraindikation  für  jede  intrauterine  Therapie.  Die  primären,  iso- 
lierten Endometritiden  sind  gegenüber  den  consecutiven,  symptoma- 
tischen ganz  entschieden  seltener,  und  so  erklärt  sich  die  relative 
Häufigkeit  des  Misserfolges.  Dass  man  seiner  Zeit,  ja  auch 
heute  noch,  diesen  Misserfolg  durch  die  Permeabilität  der  Tuben 
gegenüber  flüssigen  Aetzmitteln  erklären  zu  können  meinte,  kann 
ich  nicht  begreifen,  denn  die  Wegsamkeit  der  Eileiter  in  diesem 
Sinne  ist  denn  doch  eme  pathologische  Rarität.  Zur  Erklärung 
dieser  Fälle  genügt  jedoch  Trauma  und  Infektion,  eben  so  gut 
wie  bei  der  puerperalen  Sepsis.  Wh  stehen  eben  auch,  was  die 
Intrauterintherapie  anbelangt,  heute  auf  ganz  anderem  Stand- 
punkte. 

Das  Irrigieren  oder  Ausspülen  des  Uterus  mittelst  der  Boze- 
mannschen  Canule,  das  Evidement,  das  Ausstopfen  des  Uterus 
mit  imprägniertem  Verbandzeug  (Mull  oder  Docht,  mit  Aether, 
Aristol,  Dermatol,  Ichthiol,  Jodoform,  Tannin,  Jodtinktur  u.  s.  f. 
imprägniert),  welche  Dinge  jetzt  so  häufig  kombiniert  werden, 
entsprechen  den  chirurgischen  Regeln  der  antiseptischen  Behand- 
lung und  dem  besseren  Verständnis  der  Uteruspathologie  weit  mehr 
als  die  früheren  Behandlungsweisen.  Es  stehen  natürlich  noch 
andere  unterstützende  und  stets  anzuwendende  therapeutische 
Prozeduren  zu  Gebote,  so  die  verschiedenen  Resorptions-  und 
Stoffwechselkuren  (Klimatotherapie,  Hydrotherapie,  Balneotherapie, 
Weir- & Mitchell-,  Playfair-Kur,  die  Vaginalirrigationen,  die  trockene 
Tampon-Behandlung,  Dry  treatment  der  Amerikaner,  die  allgemeine 
Massage  oder  schwedische  Heilgymnastik,  die  gynäkologische  Mas- 
sage nach  Thure  Brandt,  die  Anwendung  des  konstanten  Stromes 
nach  Apostoli. 

Hierher  gehört  auch  die  Amputation  des  Scheidenteiles.  Selbst- 
verständlich kann  man  nicht  jeden  Fall  heilen.  Scanzoni  hat 
die  chronische  Metritis  für  unheilbar  erklärt.  Die  Beschwerden 
der  an  Metritis  leidenden  Frauen  lassen  sich  mit  den  uns  heute 
zu  Gebote  stehenden  Mitteln  bessern,  lindern  und  beseitigen,  dazu 
gehört  aber  viel  Geduld  und  guter  Wille  und  oft  machen  die 
Kranken  jede  Behandlung  vollkommen  unmöglich.  Nicht  die 
Krankheit  ist  es,  an  welcher  die  Heilkunst  und  alles  ärztliche 
Bemühen  scheitert,  nein,  — die  Kranken  sind  es.  Der  ent- 
schieden und  nachhaltig  schädliche  Einfluss  lange  Zeit,  d.  h. 
Monate  und  Jahre  lang  fortgesetzter  lokaler  gynäkologischer  Mani- 


26 


Kichard  Lumpe. 


pulationen  und  Prozeduren  auf  das  Nervensystem  ist  längst  be- 
kannt und  wiederholt  besprochen  worden,  man  muss  sich  also  in 
dieser  Beziehung  stets  daran  erinnern  und  die  Behandlung  nicht 
zu  lange  ausdehnen. 

Was  nun  die  eigentliche  Technik  des  Curettements  betrifft, 
ist  man  vollkommen  mit  Recht  von  der  präparatorischen 
Dilatation  mit  Quellmitteln  mehr  abgekommen.  Die  Hand- 
habung der  Antisepsis  ist  dabei  im  hohen  Grade  erschwert.  Das 
ATiffahren  ist  sehr  zeitraubend  und  mühsam,  für  die  Patienten 
schmerzhaft  und  aufregend  und  dabei  sehr  oft  durchaus  unnötig. 
Man  erreicht,  falls  es  sich  nicht  um  einen  abnorm  starren  Cervix 
Uteri  handelt,  die  zur  Passage  einer  mittelgrossen  Curette  nötige 
Dilatation  mit  der  konisch  geformten  Bozemann- Canule.  Sie 
wirkt  ebensogut  dilatierend  wie  die  zahlreich  angegebenen  gra- 
duirten  Sonden  von  Hegar,  Fritsch,  Peasle  und  vielen  anderen; 
mit  dem  grossen  Vorteile,  dass  die  bei  der  Dilatation  so  häufig 
unvermeidlichen  Läsionen  des  Collum  sofort  durch  die  Irrigation 
vor  Infektion  geschützt  werden.  Die  Erweiterung  des  Collum  und 
die  Desinfektion  des  Uterus  ist  jedem  Curettement  stets  voraus- 
zuschicken. Für  das  Curettement  eignen  sich  am  besten  die  von 
M.  Sims  angegebenen  biegsamen  Curetten.  Diese  sind  trotz 
ihrer  Biegsamkeit  stark  genug,  um  ganz  energisch  schaben  zu 
können.  Die  Excavateurs  und  Schablöffel  von  Simon  sind  zwar 
sonst,  z.  B.  für  die  Auslöffelung  von  carcinomatösen  Massen  am 
Uterus  sehr  brauchbar,  für  das  Endometrium  aber  eignen  sie  sich 
für  gewöhnliche  Fälle  nicht,  da  sie  vollkommen  starre  Griffe  haben, 
um  ihre  Festigkeit  zu  vermehren,  und  man  damit  recht  unnötige 
und  unerwünschte  Läsionen  machen  kann.  Die  vor  mehreren 
Jahren  angegebenen  Spüllöffel,  welche  die  Irrigation  gleichzeitig 
effektuiren  sollen , sind  aus  dem  Grunde  nicht  empfehlenswert, 
weil  sie  das  feine  Tastgefühl  behindern,  welches  hier  schon  aus 
diagnostischen  Gründen  besonders  wichtig  ist.  Wenn  man  mit  der 
einen  (vorderen  oder  hinteren)  Fläche  fertig  zu  sein  glaubt,  ent- 
fernt man  das  Instrument  und  schiebt  es  mit  entsjDrechender 
Krümmung  von  neuem  ein,  um  die  andere  Fläche  abzuschaben. 
Niemals  soll  die  Curette  in  Utero  umgedreht  werden.  Nach  der 
Curettage  wird  selbstverständhch  von  neuem  irrigiert  und  nun 
teilt  sich  der  Weg.  Das  weitere  Verfahren  ist  natürlich  ein  vollkommen 
von  dem  speziellen  Fall  abhängiges,  verschiedenes.  Ich  habe  mir  zum 
Auswischen  des  Uterus  nach  dem  Curettement,  ganz  aus  Alu- 
minium gearbeitete  biegsame  Stäbchen  anfertigen  lassen,  welche  gut 
zu  desinfizieren  sind  und  ihrem  Zwecke  vollkommen  entsprechen. 


Ein  Beitrag  zur  Uterus-Chirurgie. 


27 


Salpingotomie  und  Oophorectomie. 

Die  operative  Entfernung  der  Tuben  und  Ovarien  im  nor- 
malen, physiologischen  Zustande  bietet  in  technischer  Beziehung 
keine  Schwierigkeiten.  Die  Tube  wird  nahe  der  pars  keratina 
am  Uterus  unterbunden  und  durchgeschnitten,  dasselbe  geschieht 
mit  dem  Ligamentum  proprium  des  Ovariums.  Nunmehr  werden 
die  Vasa  spermatica  (Arterie  und  zwei  Venen)  en  masse  im  Liga- 
mentum infundilmlo  - pelvicum  unterhunden  und  durchtrennt. 
Kleinere  Gefässreiser,  welche  zwischen  diesen  beiden  Gefässgebieten 
ab  und  zu  anzutrelfen  sind  und  die  Ala  vespertilionis  durchziehen, 
M’erden  am  besten  isoliert  mit  feiner  Seide  umstochen,  ligiert  und 
abgetrennt.  Es  ist  dies  viel  besser  als  die  Ketten-  oder  en  masse- 
Ligatur  im  Ligamentum  latum.  Die  Peritonealduplikatur  ist  hier 
ausserordentlich  zart  und  fein.  Bei  den  Kettenligaturen  werden 
die  Stichöffnungen  in  den  Serösen  oft  weit  durchgerissen.  Die  Indi- 
kation zur  Entfernung  normaler  Ovarien  und  Tuben  dürfte  wohl 
sehr  selten  vorhanden  sein.  Und  schon  hier  können  Schwierigkeiten 
auftreten,  welche  bedingt  sind  durch  die  ausserordentlich  wechselnde 
Form  und  Anheftungsweise  des  Ovariums  (z.  B.  bei  den  Myo- 
men). Bleiben  Teile  des  Ovarial-Stromas  zurück,  so  kann  der 
eigentliche  Zweck  der  Operation  (künstlicher  Klimax)  vollkommen 
vereitelt  werden.  Schon  die  Indikationsstellung  kann  dann  sehr 
schwierig  werden,  wenn  Beschwerden  vorhanden  sind,  welche 
sich  nicht  mit  voller  Bestimmtheit  auf  Tuben  und  Ova- 
rien allein  beziehen  lassen.  Die  Diagnose  ist  schon  in  solchen 
komplizierten  Fällen  äusserst  schwierig.  Die  Misserfolge  sind 
hier  sehr  häufig,  die  individuelle  Verantwortung  ist  eine  sehr 
grosse.  Die  Indikation  zur  operativen  Entfernung  erkrankter  Tuben 
und  Ovarien  kann  nicht  im  mindesten  bestritten  werden,  jedoch 
muss  man  sich  in  jedem  Falle  auf  gro.sse  technische  Schwierig- 
keiten gefasst  machen,  muss  sich  der  grossen  Verantwortung 
bewusst  sein  und  muss  sich  auch  in  schweren  komplizierten  Fällen 
auf  vollständigen  Misserfolg  vorbereiten.  Der  Grund  bierfüi' 
ist  leicht  einzusehen.  Die  pathologischen  Veränderungen,  wie  sie 
ja  so  häufig  zu  Beschwerden  und  damit  zur  operativen  Entfernung 
die  Veranlassung  abgeben,  sind  gewöhnlich  entzündlicher  Art.  Die 
klinische  Differenzierung  der  hier  in  Betracht  kommenden  Er- 
krankungen ist  überaus  schwer  und  nur  in  jedem  einzelnen  Falle 
durch  die  peinlichste  Erhebung  der  Anamnese,  lange  Beobachtung 
und  genaueste  Untersuchung  und  zwar  wiederholte  Lhitersuchung 
kann  man  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  über  die  Aetiologie 


28 


Richard  Lumpe. 


und  den  eigentlichen  Krankheitszustand  ein  Urteil  fassen.  Die 
pathologischen  Veränderungen  der  Tuben  und  Ovarien 
der  Beckenserosa  und  des  alle  Organe  des  Beckens  umhüllenden 
und  umgebenden  subserösen  Beckenbindegewebes  ist  schon 
so  oft  und  ausführlich  geschildert,  dass  ich  nicht  im  stände  wäre, 
dem  etwas  Neues  hinzuzufügen. 

Es  handelt  sich  hier  um  die  parenchymatösen  Verände- 
rungen von  Tuben  und  Ovarien,  die  Schwellung  und  Grössen- 
zunalime  derselben  (die  grossen  mit  Blut,  Eiter  und  Serum  gefüllten 
Tuben  Säcke  und  Ovarialcysten);  ferner  die  entweder  beglei- 
tenden oder  consecutiven  Verklebungen  der  Beckenserosa,  (Ad- 
häsionen von  Darm,  Netz,  Blase,  vorderer  Bauchwand,  Adhäsio- 
nen in  der  Tiefe  des  Douglas  u.  A.).  Die  Verziehungen , Verzer- 
rungen, Verlagerungen  der  Bauchfellfalten  und  Duplikaturen.  Cir- 
kulationsstörungen  und  Neuralgien  bedingt  durch  Druck  und 
Kompression  der  Gefässe  und  Nerven  im  Becken  und  diese  wieder 
bedingt  durch  Entzündung  und  Exsudation  im  umgebenden  sub- 
serösen Bindegewebe  sind  ausserordentlich  häufig.  Wenn  man 
einigermassen  mit  der  Anatomie  des  Beckens  vertraut  ist,  so  wird 
man  sich  nicht  darüber  wundern,  dass  eben  alle  diese  Dinge 
miteinander  kombiniert  sind,  man  wird  sich  nicht  darüber 
wundern,  dass  in  solchen  komplizierten  Fällen  der  Erfolg  i.  e. 
definitive  Heilung  so  häufig  ausbleibt.  Man  schneidet  und  unter- 
bindet da  fortwährend  im  entzündeten,  infiltrirten  Gewebe,  es 
wird  nur  ein  Teil  des  ,, krankhaften“  entfernt,  wie  soll  man  da 
Erfolg  haben?  Man  sucht  diese  technischen  Schvfierigkeiten  durch 
verschiedene  Mittel  zu  überwinden.  So  wird,  was  sehr  zu  empfeh- 
len ist,  durch  die  Beckenhochlagerung  nach  Trendelenburg 
die  Evacuation  des  kleinen  Beckens  einfach  nach  dem  Gesetze 
der  Schwere  bewerkstelligt,  indem  der  Dünndarm  gegen  die 
Thoraxbasis  und  das  Zwerchfell  zurück  sinkt.  Durch  diese  Eva- 
cuation wird  nicht  nur  im  Becken  Raum  geschaffen,  sondern  es 
werden  so  erst  die  Verklebungen  und  Adhäsionen  sichtbar.  Kommt 
man  damit  nicht  aus,  so  hat  man  den  Bauchschnitt  verlängert,  den 
Darm  aus  dem  Abdomen  herausgehoben  (in  feuchte,  erwärmte,  asep- 
tische Mullkompressen  gehalten !).  P.  Zweifel  sagt  in  seinen  klinischen 
Vorträgen,  davon  niemals  einen  Schaden  gehabt  zu  haben.  Andere 
vermeiden  die  Eventration  wegen  der  Gefahr  später  eintretender 
Darmparese  (Ileus!).  Selbstverständlich  wird  es  die  technischen 
Schwierigkeiten  einigermassen  erleichtern,  wenn  während  der 
ganzen  Operation  der  Uterus  per  vaginam  in  das  Becken  hinein- 
gehoben wird.  Trotz  alledem  sind  die,  die  Operation  so  ausser- 


Pan  Beitrag  zur  Uterus-Chirurgie. 


29 


ordentlich  erschwerenden  Umstände  nur  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  zu  umgehen  und  gerade  solche  Operationen  erfordern  eine 
sichere,  kräftige,  aber  doch  zarte  leichte  Hand,  alles  Reissen  und 
Zerren  mit  roher  Gewalt  ist  verderblich  und  kann  sich  überhaupt 
bei  allen  Laparotomien  bitter  rächen. 

Es  gehört  zwar  strenge  genommen  nicht  zur  »Uterus- Chirurgie«, 
aber  ich  kann  an  dieser  Stelle,  an  welcher  ich  das  Gebiet  der 
Laparotomie  berühre,  es  nicht  unterlassen,  einige  allgemeine 
Bemerkungen  betreffend  die  Physiologie  und  Pathologie  des 
Peritoneums  einzuflechten.  Ist  es  ja  doch  ein  Gegenstand,  der, 
weit  davon  entfernt  erschöpft  zu  sein,  von  eminenter  Bedeu- 
tung für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie  ist.  Das  Peritoneum 
hat  in  therapeutischer  Beziehung  manche  Wandlungen  durchzu- 
machen gehabt.  Erst  war  es  lange  Zeit  hindurch  ein  Noli  me 
tangere.  Die  Verletzung  des  Bauchfelles  galt  als  absolut  lebens- 
gefährlich. Es  hat  dieser  Umstand  namentlich  lange  dazu  bei- 
getragen, die  Chirurgie  des  Abdomens  aufzuhalten.  Nun  kam  die 
Zeit  des  entgegengesetzten  Extremes,  das  war  die  beginnende 
Aera  der  Laparotomie.  Das  war  eine  schlechte  Zeit  für  das 
Peritoneum.  Was  man  damals  dem  Peritoneum  zumutete,  ist 
geradezu  unglaublich.  Man  kann  solche  Dinge  heute  gar  nicht 
mehr  begreifen.  Der  iVusdruck  »Shok«,  war  lange  Zeit  ein 
Sammelbegriff  für  unerklärbare  Todesfälle  nach  Laparotomien 
geworden.  Man  stellte  sich  darunter  eine  Art  reflektorischer 
Herzlähmung  vor.  Heute  ist  dieser  Sammelbegriff  längst  in 
seine  einzelnen  wahren  Ursachen  aufgelöst.  Unter  dem  Ausdruck 
Shok  waren  eine  Menge  Fälle  von  Chloroformasphyxie  bei  Herz- 
und  Nierenkrankheiten,  septische  Peritonitis  und  ganz  gewiss  eine 
grosse  Reihe  von  ganz  akuten  Vergiftungen  durch  Antiseptica. 
Hat  ja  doch  die  Antisepsis  im  allgemeinen  grosse  LTmwälzungen 
durchgemacht,  das  Peritoneum  hat  bei  Laparotomien  seinen  guten 
Teil  davon  abbekommen.  Heute  sind  wir  von  der  Antisepsis  zur 
Asepsis  übergegangen  und  gerade  die  Unterleibschirurgie 
hat  dazu  den  Anstoss  gegeben.  Man  lernt  eben  niemals  aus. 

Die  Aera  der  Laparotomie  hat  uns  die  Physiologie  und  Patho- 
logie des  Peritoneums  eigentlich  erst  recht  erschlossen.  Wir  kennen 
jetzt  die  ungeheure  Resorptionskraft  dieses  grossen  Lymphraumes, 
des  Peritoneums.  Wir  wissen  heute,  dass  hier  fortwährend  ein 
Lymphstrom  cirkuliert.  Wir  wissen  heute,  dass  die  Fähigkeit  des 
Peritoneums  auf  jeden  Reiz  bin  mit  Adhäsion  zu  reagieren  eine 
grosse  therapeutische  Bedeutung  hat  und  dass  diese  physiolo- 
gische Funktion  niemals  zerstört,  ganz  im  Gegenteil  mit  allen 


30 


Kichard  Lumpe. 


Mitteln  erhalten  werden  muss.  Die  anatomische  Anordnung  des 
Peritoneums  ist  eine  ungeheuer  komplizierte.  Die  Flächenaus- 
dehnung des  Peritoneums  ist  enorm.  An  jeder  Stelle  ist  das 
Peritoneum  physiologischer  Weise  mit  einer  dünnen  Flüssigkeits- 
schichte überzogen  und  bedeckt.  (Lymphe.)  Das  sogenannte 
Cavuin  peritoneale  ist  ein  chirurgisches  Artefact  und  ent- 
stellt erst  in  dem  Momente,  in  welchem  bei  Eröffnung  des  Bauch- 
felles Luft  in  die  Bauchhöhle  dringt,  die  Därme  zurücksinken. 
Sonst  ist  im  Abdomen  nicht  ein  Kubikmillimeter  intra- 
peritonealer Raum.  Die  Organe  berühren  sich  innig,  unmittel- 
bar, und  werden  durch  die  Resj^irationsbewegung,  und  Darm- 
peristaltik aneinander  verschoben.  Lange  Zeit  schon  habe  ich 
die  ausgiebige  Anwendung  der  xintiseptica  auf  das  Peritoneum, 
lange  Zeit  schon  die  überaus  plumpe  Art  und  Weise  der  Peri- 
toneal-Drainage  mit  Misstrauen  betrachtet.  Glücklicherweise  hat 
sich  das  jetzt  geändert. 

Die  Exstirpation  des  Uterus. 

(Hysterectomie.) 

Man  kann  sagen,  es  giebt  ebensoviele  Methoden  der  Hyster- 
ectomie als  Operateure,  die  sie  ausgeführt  haben.  Abgesehen  von 
unwesentlichen  Modifikationen,  die  sich  teils  auf  die  Art  der  Blut- 
stillung (französische  und  amerikanische  Klemmenbehandlung),  teils 
auf  Abweichungen  im  Gange  der  Operation  beziehen,  kann  man 
eigentlich  nur  zwei  wesentliche  Haupttypen  unterscheiden:  Die 
im  .Jahre  1878  von  W.  A.  Freund  vorgeschlagene  abdominale 
und  die  das  .Jahr  darauf  von  V.  Czerny  wieder  eingeführte 
vaginale  Methode.  Die  vaginale  ist  die  ältere,  da  nach  ihr  Langen- 
beck  1813  und  später  Sauter  1822,  Blimdell  1828,  Recamier  1829, 
Delpeche  1830  operierten.  Seitdem  im  .Jahre  1878  Freund  zuerst 
nach  der  abdominalen  Methode  operierte,  wurde  die  Totalexstir- 
pation bald  nach  der  einen,  bald  nacli  der  anderen,  bald  nach 
kombinierter  Methode  von  allen  geübt.  Rydigier,  Kockes  und 
Schröder  haben  später  die  alidominale  Methode  modifiziert,  um 
die  Resultate  zu  bessern.  Was  die  Indikation  zur  Hysterectomie 
betrifft,  so  sind  diese  weitaus  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  von 
Carcinom  und  Sarcoin  l)estimmt  worden.  Einem  solchen  Leiden 
gegenüber  bedarf  es  wold  nicht  der  Rechtfertigung,  die  Technik 
der  Operation  immer  weiter  und  weiter  auszubilden  und  zu  be- 
sprechen. Es  scheint  denn  doch,  dass  bis  jetzt  wenigstens  das 
Messer  und  die  Glühhitze  die  einzige  Aussicht  auf  Erfolg  bieten. 


Ein  Beitrag  zur  üteriis-Chirurgie. 


31 


(Die  Injektionsmethoden  mit  Methylviolett  (Mosetig)  sind  noch  zu 
wenig  beobachtet  und  studiert,  obwohl  davon  von  allen  Seiten  günstige 
Berichte  einlaufen.)  Thatsache  ist,  dass  bisher  so  wohl  mit  Total - 
Exstirpation  als  mit  Partial-Operationen  definitive  Heilungen  erreicht 
wurden.  Es  sind  daher  beide  Operationen  berechtigt  und 
indiziert.  Viel  hängt  hier,  wie  unter  anderen  besonders  Karl 
Schröder  immer  wieder  betont  hat,  von  der  Form  und  Art  von 
dem  Typus  des  Carcinomes  ab.  Das  Carcinom  scheint  thatsäch- 
lich  im  Beginne  ein  rein  lokales  Leiden  zu  sein  und  macht 
wie  jedermann  weiss  (leider  muss  man  sagen)  so  wenig  Beschwerden, 
dass  die  beginnenden  Carcinome  nur  höchst  selten  und  da 
oft  zufällig  entdeckt  werden.  Ist  ja  doch  hier  auch  schon  die 
Diagnose  recht  schwer.  Aber  nicht  bloss  im  Beginne,  auch  später, 
wenn  die  Veränderungen  schon  weit  vorgeschritten  sind,  können 
die  lokalen  Beschwerden  höchst  unbedeutend,  das  Allgemein- 
befinden noch  vollkommen  intakt  sein  und  der  Kontrast 
zwischen  der  äusseren  Erscheinung  des  Patienten  und  dem  lokalen 
Befunde  ist  oft  verblüffend.  Es  wird  jetzt  allgemein  nicht  bloss 
eine  wiederholte  genaue  bimanuelle  Exploration  verlangt,  sondern 
es  wird  mit  Recht  betont,  dass  der  Uterus  stets  mittels  der 
Hakenzange  auf  seine  normale  Beweglichkeit  zu  prüfen  ist.  Ein 
normal  beweglicher  Uterus  lässt  sich  stets  mit  der  Portio 
vaginalis  bis  in  die  Ebene  des  Introitus  vagin ae  herab- 
ziehen. Die  Beweghchkeit  des  Uterus  wird  bekanntermassen 
einerseits  aufgehoben  oder  wenigstens  beschränkt  durch  das  Ueber- 
greifen  der  Neoplasmen  selbst  auf  das  Beckenbindegewebe,  auf  Blase, 
Rectum  u.  s.  f.,  andererseits  durch  recentere  oder  ältere  Infiltra- 
tionen im  Beckenbindegewebe  mit  nachfolgender  Schrumpfung. 
Beides  kann  die  Operation  erschweren  oder  unmöglich  machen. 

Es  hat  keinen  Sinn  mehr,  da  zu  operieren,  wo  die  Recidive 
sicher  ist  und  man  mit  anderer  Behandlung  dasselbe  leisten  kann. 

A.  Gusserow  (Berliner  Klinische  Wochenschrift  XXVIII)  hat 
jüngst  wieder  der  Ueberzeugung  Ausdruck  gegeben,  dass  bei  jeder 
malignen  Erkrankung  des  Uterus  (Sarcom  und  Carcinom)  überhaupt 
in  Anbetracht  der  absolut  schlechten  Prognose  die  Total-Exstir- 
pation  indiciert  sei,  und  dass  bloss  in  jedem  einzelnen  Falle  die 
Frage  zu  beantworten  sein  wird,  ob  die  Operation  überhaupt  noch 
rationell  sei. 

Krukenberg  (Zeitschrift  für  Geburtshilfe  und  Gynäkologie 
Band  XXIII  1.  Heft  1892)  spricht  sich  am  Schlüsse  einer,  be- 
sonders was  die  prognostische  Bedeutung  der  Carcinomformen  an- 
belangt, sehr  interessanten  statistischen  Arbeit  (aus  dem  Materiale 


32 


Richard  Lumpe. 


der  Berliner  Klinik)  folgendermassen  aus:  »Ueberblicken  wir  am 
Schlüsse  das  Resultat  elfjähriger  operativer  Bemühung,  aufge- 
wendet im  Kampfe  mit  der  gefürchtetsten  Krankheit,  welche  die 
Frauen  heimsucht,  so  erscheint  zwar  die  Zahl  der  dauernd 
geheilten  noch  verschwindend  klein  im  Vergleiche  zu  der 
richtigen  Ziffer  der  an  Gebärmutterkrebs  leidenden  überhaupt. 
Dass  nur  auf  dem  Wege  frühen  Erkennens  eine  Besserung  zu 
erhoffen  ist  und  dass  zur  Erreichung  dieses  Zieles  die  Frauen 
selbst,  Aerzte  und  Hebammen  helfend  wirken  müssen,  darin  sind 
alle  Gynäkologen  einig.«  Das  wird  gewiss  jeder  unterschreiben, 
allein  gerade  dies  frühe  Erkennen  ist  aus  den  schon  erwähnten 
Gründen  sehr  erschwert,  und  selbst  wenn  es  möglich  wäre,  dass 
Frauen  namentlich  aus  hereditär  belasteten  Familien  regelmässig 
von  Zeit  zu  Zeit  durch  ihre  Aerzte  untersucht  würden,  so  würden 
immer  noch  manche  Anfangsstadien  von  Carcinomen  übersehen 
oder  diagnostisch  falsch  gedeutet  werden.  Lässt  ja  doch  sogar 
die  h i s 1 0 1 0 g i s c h e U n t e r s u c h u n g oft  verschiedene  Deutungen 
zu.  Die  technische  Schwierigkeit  bei  der  Hysterectomie  liegt  in 
der  Isolierung  des  Collum  uteri,  der  sicheren  Versorgung  und 
Abbindung  des  Plexus  utero-vaginalis  mit  sicherer  Vermeidung 
einer  Abbindung,  Verletzung  oder  Verzerrung  und  Abknickung 
des  Beckenteiles  der  Uretheren. 

Paul  Zweifel  (Vorlesungen  über  klinische  Gynäkologie. 
Berhn  1892)  sagt  pag.  309:  »Die  Verletzungen  der  Uretheren  ist 
ein  Kapitel,  an  dem  sehr  viele  Veröffentlichungen  über  Uterus- 
exstirpationen vorbeihuschen  wie  der  Schatten  an  der  Wand.  Kein 
Sachkundiger  lässt  sich  durch  die  zarte  Behandlung  dieses  Themas 
täuschen  u.  s.  w.«  Mit  sehr  anerkennenswerter  Offenheit,  welche 
immer  sehr  lehrreich  ist,  berichtet  der  Verfasser  von  den  Ver- 
letzungen der  Uretheren,  welche  ihm  selbst  passierten.  Beim 
Durchsehen  der  mich  besonders  interessierenden  Kapitel  des 
hier  citierten  Buches  erfuhr  ich,  dass  Zweifel  schon  wiederholt 
mit  Erfolg  nach  der  kombinierten  Methode  operiert  hat.  Ich  be- 
tone dies  hier  ausdrückhch,  da  es  mir  nicht  im  entferntesten  ein- 
fällt, diese  nun  zu  beschreibende  Methode  als  neu  und  von  mir 
erfundene  hinzustellen. 

Was  nun  die  Lage  des  Beckenanteiles  der  Uretheren  anlangt 
und  ihre  topographische  Beziehung  zum  Uterus,  so  haben  sich 
wie  bekannt  mit  diesem  Thema  schon  viele  Anatomen,  Chirurgen 
und  Gynäkologen  eingehend  beschäftigt. 

Nach  Spiegelberg  liegen  die  Uretheren  »bis  zur  Ebene  der 
Vaginalportion  seitlich  vom  Mutterhalse  in  dem  Scheidengrunde,  in 


Ein  Beitrag  zur  Uterus-Chirurgie. 


33 


der  Höhe  des  inneren  Muttermundes  durchschnittlich  19  mm,  in 
der  Nähe  des  supra vaginalen  Teiles  des  Collum  nur  8 mm  vom 
Uterus,  in  der  Gegend  des  Scheidengewölbes  nur  noch  6 mm  von 
diesem  entfernt«.  Mit  solchen  anatomischen  Durchschnittsziffern 
ist  für  den  Chirurgen  nicht  viel  anzufangen.  Wenn  man  nur  weiss, 
an  welchen  Stellen  man  die  Uretheren  und  wie  man  sie  zu 
vermeiden  hat. 

Die  neueste  anatomisch-topographische  Arbeit  von  W.  Wal- 
deyer  (Beiträge  zur  Kenntnis  der  Lage  der  weiblichen  Beckenorgane 
nebst  Beschreibung  eines  frontalen  Gefrierschnittes  des  Uterus 
gravidus  in  situ,  Bonn  1892)  bringt,  wie  der  Autor  selbst  bekennt, 
in  Beziehung  der  Uretheren  im  Becken  nichts  Neues,  sondern  be- 
stätigt die  Angaben  von  W.  A.  Freund,  Luschka,  L.  Joseph  und  Holl. 

Er  schreibt  Seite  22  unter  9. : 

»Die  Lage  der  Uretheren  finde  ich  im  wesentlichen  so  wie  .sie 
von  W.  A.  Freund,  Luschka  und  Holl  beschrieben  ist.  Ich  betone, 

• dass  dieselben  bei  typischer  Lage  des  Eierstockes  den  unteren 
Band  der  fossa  ovarii  umkreisen,  so  dass  also  der  konvexe  Rand 
des  Eierstockes  den  Urether  berührt.  Bei  dieser  Lage  des  Eier- 
stockes berührt  auch  die  Wandfläche  des  letzteren  den  Harnleiter, 
der  dann  also  lateral  vom  Ovarium  liegt  und  von  diesem  bedeckt 
wird.  Der  Urether  zieht  weiterhin  am  Knickungswinkel  der  Gebär- 
mutter vorbei,  deckt  hier  von  aussen  (lateral)  her  die  Arteria 
uterina  und  liegt  zwischen  zwei  Venengeflechten,  den  Wurzeln 
der  Venae  plexus  vesicalis,  lateral  von  diesem  gedeckt  und  dem 
Plexus  venosus  utero-vaginalis , den  er  an  seiner  medialen  Seite 
hat.  Hier  beginnt  das  an  der  vorderen  Vaginalwand  gelagerte 
Endstück  des  Harnleiters,  welches  bis  zur  Einmündung  in  die 
Blase  hin  von  einer  starken  besonderen  Scheide  (Uretherscheide) 
umgeben  ist. 

Die  Uretheren  liegen  an  der  Stelle,  an  welcher  sie  unter- 
bunden oder  verletzt  werden  können  und  welche  uns  daher  am 
meisten  interessiert,  in  ein  sehr  lockeres,  laxes,  verschiebbares 
Bindegewebe,  das  subseröse  Bindegewebe  eingebettet,  welches  auch 
die  Verbindung  zwischen  Blasenhals,  Blasengrund,  Collum  uteri, 
Peritoneum  und  Scheidengewölbe  vermittelt  und  die  leichte  \"er- 
schiebbarkeit  dieser  Gebilde  aneinander  wesentlich  bedingt.  Die 
Peritonealfalten  (Plicae  vesicales  der  Anatomen)  sind  ja  mit  dem 
darunter  gelegenen  Bindegewebe  gewissermassen  Reserve  Vorrich- 
tungen, um  die  Füllung  der  Blase  und  somit  die  Verschiebbar- 
keit derselben  am  Uterushalse  zu  ermöglichen.  Bei  den  verschie- 
denen Füllungszuständen  der  Harnblase  rückt  die  Furche  zwischen 

8 


34  Kichard  Lumpe. 

Blase  und  Uterus  (Excavatio  vesico-uterina)  höher  hinauf,  bis  zu 
einer  Stelle,  wo  das  Peritoneum  am  Uterus  fest  ist.  Diese  Stelle 
ist  individuell  variabel. 

Bei  vollkommen  kontrahierter,  leerer  Blase  kann  in  manchen 
Fällen  das  Peritoneum  direkt  dem  vorderen  Scheidengrund  auf- 
liegen , eine  grössere  oder  kleinere  Schichte  lockeres  subseröses 
Bindegewebe  dazwischen.  In  anderen  Fällen  liegt  stets  auch  bei 
leerer  und  kontrahierter  Blase  ein  Teil  der  Blasenwand,  durch  sub- 
serösen Zellstoff  vom  Uterus  getrennt,  diesem  an.  Es  ist  also  die 
Ausdehnung  dieses  Bindegewebslagers  und  das  Verhältnis  zwischen 
Uterus  und  Blase,  Peritoneum  und  Scheidengrund  ein  individuell 
wechselndes,  wovon  ich  mich  viele  hunderte  von  Malen  in  meinen 
Operationskursen  überzeugt  habe.  Es  handelt  sich  nun  für  die 
Hysterectomie  wesentlich  um  das  Stück  des  Urethers  zwischen  der 
Stelle,  wo  derselbe  gerade  die  beiden  Venenplexus  passiert  (Wal- 
deyer),  gerade  seitlich  vom  Collum  uteri  und  gerade  über  dem 
Scheidengrunde  und  der  Stelle,  wo  er  in  die  Blase  einmündet. 
Die  Länge  dieses  Stückes  und  seine  Entfernung  vom  Uterusrand 
ist  individuell  so  verschieden  und  ausserdem  durch  Infiltrationen 
und  Schrumpfungen  im  Beckenbindegewebe  so  leicht  und  oft  ab- 
geändert, dass  die  Angabe  von  Durchschnittszahlen  wie  gesagt 
für  den  Chirurgen  völlig  wertlos  ist.  Der  einzige  Weg,  die  Ure- 
theren  sicher  zu  vermeiden,  ist  der,  dass  man  die  Trennung  der 
Blase  vom  Collum  in  ganzer  Ausdehnung  vornimmt,  bevor  man 
die  sämtlichen  parametranen  Ligaturen  macht,  dass  man  dadurch 
die  Blaseninsertion  der  Uretheren  samt  dem  Plexus  venosus  vesi- 
calis  aus  dem  Bereiche  der  Unterbindungsstelle  bringt  und  dass 
man  die  Uretheren  während  der  Anlegung  der  seithchen  Ligaturen 
sieht.  Dies  lässt  sich  nur  erreichen  durch  die  Kombination 
des  vaginalen  und  hypogastrischen  Verfahrens.  Nach  Hegar  und 
Kaltenbach  hat  schon  Delpech  1830  diese  Kombination  vorge- 
schlagen, W.  A.  Freund  hat  dieses  kombinierte  Verfahren  später 
vollkommen  angenommen.  Bardenheuer  soll  es  zuerst  methodisch 
ausgeführt  haben.  Meiner  Ansicht  nach  kommt  es  wesentlich 
darauf  an,  dass  man  bei  dieser  Methode  das  ganze  Ligamentum 
latuni  vom  freien  Rande  her  (Ligament,  infundibulo  pelvicum  und 
Tube)  bis  zur  Basis  hin  im  entfalteten  Zustande  leicht  übersehen 
und  partienweise  abbinden,  die  Uretheren  dabei,  eben  auch, 
weil  man  sie  sieht,  sicher  vermeiden  kann,  während  diese  Abbin- 
dungen bei  sämtlichen  vaginalen  Methoden,  bei  gestrecktem,  tor- 
quiertem  Ligament,  ohne  dass  man  die  Uretheren  sieht,  ge- 
schehen. 


Ein  Beitrajr  zur  Uterus-Chirurgie. 


35 


Die  Frage,  ob  man  vorher  weichere  Carcinommassen  vom 
Cervix  entfernen  und  mit  dem  Thermocauter  verschorfen,  oder 
ob  man  dies  unterlassen  soll,  ist  kontrovers.  Ich  denke,  dass 
dies  wesentlich  davon  abhängen  wird,  ob  man  technische  Schwierig- 
keiten beim  Anfassen  und  Herabziehen  des  Collum  hat  oder  nicht 
(Ausreissen  der  Hakenzangen  und  Blutungen).  Manche  Chirurgen 
raten  dazu  in  jedem  Falle  aus  Gründen  der  Antisepsis. 

Die  Tuben  und  Ovarien  werden  natürlich  beim  kombi- 
nierten Verfahren  immer  mitentfernt  (K.  Schröder).  Die  Liga- 
turen werden  durch  das  Ligament,  infundibulo-pehdcum  gelegt, 
durch  das  Ligament,  rotundum  und  um  die  Basis  des  Ligamentum 
latum  (Plexus  utero- vaginalis). 

Ich  kann  nicht  begreifen,  warum  man  gerade  bei  der  Hyster- 
ectomie  des  Peritoneum  nicht  vollständig  schliessen  will.  Der 
völlige  Abschluss  des  Peritoneum  muss  ja  für  den  Chirurgen 
schliesshch  doch  noch  immer  das  Ideal  sein.  Warum  hier  nicht? 

Ich  würde  die  Operation  folgendermassen  machen : Bei  stark 
herabgezogenem  Collum  uteri  wird  die  invertierte  Vaginalwand  im 
Scheidengrunde  (natürhch  im  gesunden  Gewebe)  ungefähr  finger- 
breit von  der  Insertion  entfernt  cirkulär  eingeschnitten.  Der  Schnitt 
geht  vorne  und  rückwärts  sofort  tiefer  bis  ins  lockere  Binde- 
gewebe, vorne  zwischen  Blase  und  Collum,  hinten  zwischen  Uterus, 
Peritoneum  und  Scheidengrund.  Seitlich  darf  das  Messer  wegen  der 
Gefässe  bloss  die  Vaginalwand  durchtrennen.  Man  löst  nun  rasch  die 
durchschnittene  Vaginalwand  auf  allen  Seiten  vom  Collum  und  vom 
perivaginalen  Bindegewebe  los  und  dringt  sofort,  die  Blase  vom 
Collum  trennend,  vorne  bis  ans  Peritoneum  vor.  Ebenso  rück- 
wärts. Stärkere  Blutung  wird  durch  Umstechungen  gestillt.  Die 
Scheide  und  namentlich  der  Scheidengrund  wird  fest  mit  Jodoform- 
mull ausgestopft.  Dadurch  wird  der  durch  die  Umschneidung  im 
Scheidengewölbe  sehr  mobil  gemachte  Uterus  weit  ins  Becken 
hineingedrängt  und  gegen  die  vordere  Bauchwand  zu  gedrängt, 
welche  nun  eröffnet  wird.  Laparotomie.  Der  Darm  wird  aus  dem 
kleinen  Becken  herausgehoben.  Uterus  (wie  von  Freund  angegeben) 
mittels  Faden  oder  Llakenzange  emporgehoben.  Nun  werden  die 
seithchen  oberen  Ligaturen  (Plexus  spermaticus  internus)  durch 
das  Ligament,  infundibulo  pelvicum,  um  das  Ligamentum  teres 
gelegt,  bis  das  Ligament  dicht  vor  dem  Plexus  utero-vaginalis 
unterbunden  ist.  Nun  wird  vom  Becken  her  das  Peritoneum 
vorne  und  rückwärts  breit  getrennt.  (Man  sieht  den  Jodoformmull 
durch  das  Peritoneum  sehr  genau  durch  und  hat  so  genaue  Kon- 
trolle über  die  Ausdehnung  des  Schnittes.) 


36 


Richard  Lumpe. 


Der  Uterus  hängt  nunmehr  beiderseits  bloss  mittels  des 
eigentlichen  Parametriums  mit  der  Umgebung  zusammen. 
Da  dieser  Teil  der  Operation  d.  h.  die  Trennung  des  Uterus  von 
seiner  Umgebung  an  dieser  Stelle  der  schwierigste,  zugleich  aber 
auch  der  wichtigste  Akt  der  Totalexstirpation  ist,  so  ist  es  selbst- 
verständlich, dass  sich  alle  Vereinfachungen  und  Verbesserungen 
in  der  Technik  auf  diesen  Punkt  richten  werden.  Gerade 
hier  aber  gewährt  die  kombinierte  Methode  ganz  ausserordentliche 
entschiedene  Erleichterung.  Das  Operationsterrain  ist  in  diesem 
Momente  der  Operation  vollständig  gut  und  leicht  zu  übei  blicken. 
Die  Uretheren  können  direkte  gesehen  und  daher  mit  Sicherheit 
vor  Verletzung  und  Abbindung  bewahrt  werden.  (Sie  liegen 
übrigens  bei  richtiger  Ablösung  der  Blase  vom  Collum  weit  vom 
Uterus  entfernt.)  Da  die  beiden  Platten  des  Ligamentum  latum 
ungefähr  der  Höhe  des  Isthmus  uteri  entsprechend  auseinander- 
weichen und  zwischen  sich  und  der  Beckenfascie  (Scheidendach) 
sich  ein  massiges  Bindegewebe  einschaltet,  in  welches  die  Uterinal- 
arterien  und  Venen  eingebettet  sind,  so  kann  es  sich  betreffs  der 
Hämostase  hier  nur  um  en  masse- Unterbindung  handeln,  welche 
allerdings  die  Gefahr  des  Abgleitens  mit  sich  bringt,  oder  man 
unterbindet  nach  provisorischer  Abklemmung  die  einzelnen 
Gefässe  im  Stumpfe  nach  der  Abtragung  des  Uterus,  oder  man 
lässt  die  (Pean - Richelot)  Klemmen  definitiv  so  lange  liegen,  bis 
man  sichere  Thrombosierung  der  Gefässe  erwarten  kann  (nach 
Pean  36  Stunden).  Die  Kritik  dieser  Methoden  inus  er.st  geschrieben 
werden.  Ich  denke  mir  rein  der  anatomischen  Anordnung  nach 
als  das  einfachste  folgendes:  die  Ligaturen  des  oberen  Gefäss- 
gebietes  (Plexus  spermaticus)  können  aus  technischen  Gründen 
nur  über  das  Peritoneum  gelegt  werden  und  werden  einfach  kurz 
abgeschnitten.  Das  untere  Gefässgebiet  aber  (plexus  utero  vagi- 
nalis) ist  infolge  seiner  Anordnung  vom  Peritoneum  vollkommen  zu 
isolieren.  Man  kann  Gefässe  und  Bindegewebe  ganz  leicht  soweit 
vom  Peritoneum  ablösen,  dass  die  Ligaturen  bloss  die  ersteren 
fassen.  Die  hintere  Lamelle  des  Peritoneum,  der  Ligamenta  lata, 
ist  ja  bedeutend  länger  als  die  vordere  und  hier  an  dieser  Lamelle 
muss  stets  ein  Teil  der  Ligaturen  subperitoneal  liegen.  Man 
isoliert  also  das  Bindegewebe  samt  den  Gefässen  eine  Strecke 
weit.  Fasst  das  parametrane  Gewebe  provisorisch  in  Klemmen, 
trägt  den  Uterus  ab,  unterbindet  die  einzelnen  Gefässlumina 
partienweise ; nimmt  die  Klemmen  wieder  ab,  verschliesst  nun  das 
Peiitoneum  über  den  Ligatm’en  vollständig  und  verschliesst 
nun  wenigstens  in  der  Mitte  auch  die  Bindegewebswunde  und  die 


Ein  Beitrag  zur  Uterus-Chirurgie. 


37 


Vagina  mit  fortlaufender  Catgutetagennaht.  Die  Ligaturen  können 
seitlich  in  die  Vagina  herausgeleitet  und  hier  später  entfernt 
werden. 


Die  Amputation  des  infravaginalen  Teiles  des  Collum  uteri. 

Die  Abtragung  und  Entfernung  der  portio  vaginalis 
(bei  Neoplasmen,  Hypertrophie  und  Stenose  des  Cx.)  bekanntlich 
erst  mittels  Ecraseur  und  Glühschlinge,  später  mit  dem  Messer 
ohne  Naht,  dann  von  Sims  und  Hegar  mit  verbesserten  Methoden 
(Umsäumung  und  Bedeckung  des  Amputationsstumpfes  mit  Schleim- 
haut) ausgeführt,  wird  gegenwärtig  mit  Recht  am  häufigsten  nach 
einer  Methode  ausgeführt,  welche  von  Simon  (Heidelberg)  geübt, 
zuerst  von  seinem  Assistenten  Max  Markwald  unter  dem  Namen 
»kegelmantelförmige  Amputation«  beschrieben  worden  ist.  Die 
Nachteile  des  Hegarschen  Verfahrens  liegen  nicht  allein  in  der 
Schwierigkeit,  den  starren  CerHx  zu  falten  und  die  Schleimhaut- 
ränder ohne  Zerrung  zusammenzubringen  (vorzeitiges  Durchschneiden 
der  Nähte),  sondern  es  ist  eben  technisch  unmöglich,  zwei  im 
Umfange  ganz  ungleiche  Kreise  (wie  es  der  Wundrand  der  durch- 
schnittenen Vagina  und  der  Wundrand  der  durchschnittenen 
Cervix  mucosa  darstellen)  ohne  Fältelung  aneinander  zu  bringen 
und  zu  adaptieren  und  deshalb  müssen  hier  stets  wunde  Flächen 
nach  der  Operation  übrig  bleiben.  Diese  schwachen  Seiten  der 
Hegarschen  Operation  haben  auch  schliesslich  zur  Simonschen 
Keilexcision  oder  Lappenamputation  geführt,  um  deren  weitere 
technische  Vervollkommung  sich  besonders  Schröder  und  Martin 
(Berlin)  angenommen  haben.  Die  Schnittführung  am  Cervix  ist 
durch  die  bilaterale  Discission  wesentlich  erleichtert,  und  Varia- 
tionen in  der  Art  dieser  Schnittführung  gestatten  ein  Individuali- 
sieren innerhalb  weiter  Grenzen.  Es  wäre  sicherlich  zu  wünschen, 
dass  die  bilaterale  Discission  des  Cervix  nur  mehr  als  technischer 
Vorakt  für  andere  Operationen  (Keil-Excision,  Entfernung  von 
submucösen  Myomen  u.  dergl.)  ausgeführt  würde.  Die  Discission 
als  solche  allein  angewendet,  wie  das  gewöhnlich  heute  noch  bei 
Stenosis  orificii  (Sekretstauung,  Dysmenorrhoe  und  Sterilität)  geschieht, 
hat  einen  sehr  geringen  vorübergehenden  therapeutischen  Nutzen. 
(Am  ehesten  noch  nach  der  Methode  von  Kehrer  und  Fritsch 
das  Ostium  radiär  zu  spalten  und  die  Ecken  abzutragen).  Es 
kommt  bei  der  Keilexcision  wie  schon  erwähnt  auf  die  Indikation 
und  auf  den  Zweck  an,  den  man  zu  erreichen  strebt.  Im  all- 
gemeinen ist  es  ratsam,  mit  den  Incisionen  nicht  über  den 


38 


Kichard  Ivumpe. 


Scheidenansatz  hinauszugelien  und  den  inneren  Schnitt  bogen- 
förmig über  die  Cervicalmucosa  zu  führen.  Mit  2 — 3 Nähten 
wird  die  Cervicalmucosa  an  die  Vaginahnucosa  geheftet  und  eben- 
soviel Nähte  genügen  links  und  rechts  (wie  bei  Emmet.)  für  die 
Discissionsflächen. 


Schluss. 

Es  war  mir  in  der  vorliegenden  kleinen  Arbeit,  welche  bloss 
einen  Beitrag  zur  Uterus-Chirurgie  bilden  soll,  nur  um  die  rein 
technische  Seite  der  Operationen  zu  thun,  die  Indikationen  sind 
deshalb  kaum  berührt.  Die  Indikationen  sind  ja  bereits  für  die 
meisten  derartigen  Operationen  an  sich  präcisiert  und  geklärt; 
in  jedem  einzelnen  Falle  aber  hängt  doch  die  Indikationsstellung 
immer  wieder  von  dem  individuellen  Urteile  ab.  So  ist  die 
Indikation  für  den  einen  vorhanden,  für  den  anderen  nicht.  Bei 
tüchtiger  naturwissenschaftlicher  Bildung  und  gereifter  Erfahrung 
wird  das  Urteil  begreiflicherweise  anders  geleitet  als  dort,  wo 
Operationslust,  das  Bestreben  sich  auszuzeichnen  und  oft  noch  ganz 
andere  Dinge  mit  Mangel  an  Erfahrung  und  Unkenntnis  sich 
kombinieren. 

Ich  kann,  was  die  Indikationen  betrifft,  nichts  Besseres  thun, 
als  auf  einen  Vortrag  hin  weisen,  den  Sir  Thomas  Spencer 
Wells  September  1890  am  Royal  College  of  Surgeons  in  London 
hielt,  in  welchem  er  in  geradezu  klassischer  Weise  dem  Missbrauche, 
welcher  seiner  Zeit  namentlich  mit  der  Oophorectomie  und  Salpin- 
gotomie  getrieben  worden  ist,  entgegentrat. 


Zur  chirurgischen  Behaudluug 

tuberkulöser  Ellbogenerkrankungen 

im  Kindesalter. 

Vom  einer.  Primarärzte  des  Erzherzogin  Maria-Theresia-Seehospizes 
in  S.  Pelagio  liei  Kovigno 

Dr.  Max  Sehe  impflug. 


Während  meiner  fast  vierjährigen  Thätigkeit  als  Leiter  des 
Erzherzogin  Maria-Theresia-Seehospizes  hatte  ich  Gelegenheit,  eine 
grosse  Anzahl  von  tuberkulösen  Lokal-Affektionen  der  verschie- 
denen Körperregionen  zu  beobachten.  Ich  greife  hier  nur  die  Er- 
ki’ankungen  des  Ellbogens  heraus,  indem  das  Gesamt-Material  den 
Gegenstand  einer  grösseren  Abhandlung  bildet,  in  welcher  auch 
die  allgemeinen,  hygienisch  diätetischen  Vorzüge  des  maritimen 
Aufenthaltes  und  der  Hospizbehandlung  Berücksichtigung  finden 
sollen. 

In  dem  genannten  Zeiträume  gelangten  im  Erzherzogin  IVIaria- 
Theresia-Seehospiz  44  Fälle  von  tuberkulöser  Ellbogengelenks- 
Erkrankung  zur  Behandlung.  Von  diesen  waren  ca.  die  Hälfte  als 
Ausgangsformen  der  Gelenkaffektion  anzusehen  in  Ankylose,  zu- 
weilen mit  restierenden  Fisteln,  zum  Teil  nach  andernorts  vollführten 
operativen  Eingriffen,  zum  Teil  nach  spontaner  Involution ; einige 
derselben  waren  noch  mit  mehr  weniger  floriden  skrofulösen  Er- 
scheinungen und  mit  Lokaltuberkulose  anderer  Körperregionen 
vergesellschaftet.  In  anderen  Fällen  handelte  es  sich  um  schwere 
multiple  Erkrankungsformen,  bei  denen  das  Ellbogengelenksleiden 
nur  eine  von  den  zahlreichen  Manifestationen  tuberkulöser  All- 
gemeinerkrankung darbot  und  in  welchen  bereits  vorgeschrittene 
degenerative  Veränderungen  innerer  Organe  Platz  gegriffen  hatten. 


40 


Max  Sdieiinpflug. 


Neben  der  günstigen  Beeinflussung  des  Allgemeinzustandes 
sowohl,  als  auch  der  mehr  weniger  stationären  Lokalprozesse  durch 
die  klimatischen  und  hygienischen  Vorteile  des  Seeaufenthaltes 
nahmen  jene  Kranken  nur  insoferne  chirurgische  Hilfe  in  Anspruch, 
als  es  sich  um  die  Korrektur  unbrauchbarer  Strecksteilung  oder 
um  die  raschere  Mobilisation  der  Ankylosen  durch  gewaltsame 
oder  allmähliche  Krafteinwirkung  handelte.  Seltener  musste  durch 
Evidements  hartnäckiger  Fistelgänge  oder  durch  Reresection  nach- 
geholfen werden , wenn  die  lokale  Recidive  nicht  rückgängig 
werden  wollte. 

Für  die  vorliegende  Besprechung  kommen  hauptsächlich  die- 
jenigen Ellbogenerkrankungen  in  Betracht,  deren  florider  und 
progressiver  Charakter  einer  abwartenden  Behandlung  keine  gün- 
stigen Chancen  bot,  oder  solche  stationäre  Leiden,  bei  welchen  der 
die  Involution  fördernde  Einfluss  der  Thalassotherapie  erschöpft 
zu  sein  schien.  In  diesen  Fällen  wurde  in  der  Hoffnung,  den 
Krankheitsherd  rasch  zu  beseitigen  und  das  erkrankte  Glied  wieder 
brauchbar  zu  machen,  die  Eröffnung  der  Gelenkskapsel  und  die 
Entfernung  der  erkrankten  Partien  vorgenommen. 

Bevor  ich  auf  die  Besprechung  der  einzelnen  Fälle  eingehe^ 
möchte  ich  vorausschicken,  dass  die  Dignität  der  genannten  Lo- 
kalisation verschieden  erschien,  je  nachdem  wir  es  mit  einer 
isolierten  Erkrankung  zu  thun  hatten , oder  Komplikation  mit 
anderweitigen  Knochen-  und  Gelenkstuberkulosen  vorlag;  ferner 
je  nach  dem  Grade,  in  welchem  der  Gelenksprozess  von  all- 
gemeinen Ernährungsstörungen , von  floriden  rhachitischen  oder 
skrofulösen  Erscheinungen  oder  von  sekundären  phthisischen  oder 
amyloiden  Veränderungen  innerer  Organe  begleitet  war;  endlich 
musste  auch  das  Alter  des  Prozesses,  sein  anatomischer  Charakter 
und  seine  Tendenz  zur  Involution  oder  Progression  die  Indikation 
zur  operativen  Behandlung  beeinflussen. 

Eine  scharfe  Trennung  aller  dieser  Formen  in  einzelne 
Gruppen  ist  nicht  wohl  durchführbar,  da  die  Einteilungsprinzipien 
zu  sehr  durcheinander  greifen,  auch  konnten  nicht  alle  Fälle  durch 
Autopsie  des  Gelenksinneren  auf  ihre  anatomische  Beschaffenheit 
geprüft  werden;  häufig  bleiben  tuberkulöse  Herde  der  Diagnose 
verborgen  und  auch  der  Verlauf  unterliegt  verschiedenen  Intensitäts- 
schwankungen. Doch  mögen  einige  Zahlen  das  annähernde  Ver- 
hältnis charakterisieren.  Es  gelangten  folgende  Fälle  zur  Be- 
ll andlun  2'  ; 


Tuberkulöse  Ellbogenerkrankungen. 


41 


A.  Isolierte  Lokalisation  im  Ellbogen. 

a.  floride  Erkrankung: 

rein  synovialer  Fungus  mit  Fistelbildung  . . 1 

abscedierend 1 

epiphysäre  Caries  mit  Kapselfungus 5 

b.  Totalnecrose  der  Gelenke  mit  Verknöcherung  der 

Kapsel  (Amyloidosis) 1 

o.  Caries  sicca  mit  Streckankylose 1 

d.  Ankylose  nach  Arthrektomie : 

ohne  Fistel  1 

mit  Fistel  4 

mit  ausgedehnter  tuberkulöser  Kecidive  ...  1 

Summe : 15 

B.  Komplikation  der  Ellbogenerkrankung  mit 
multiplen  tuberkulösen  Prozessen. 

I.  Leichte  Fälle. 

a.  floride  Erkrankung: 

Epiphysäre  Herde  mit  Kapsel-Fungus  ....  3 

dto.  mit  periarticul -Fungus 1 

Apophysäre  Nekrose  des  Humerus  mit  sekundärer 
Gelenkschwellung 2 

b.  Caries  sicca  mit  Ankylose 1 

c.  Ankylose  mit  Fisteln  u.  Narben: 

nach  Evidement  (?) 3 

Nach  spontaner  Involution 4 

Summe : 14 

II.  Schwere  inveterierte  Fälle  mit  sekundärer  Degeneration  der 

inneren  Organe. 

a.  Kein  synovialer  Fungus 1 

b.  Ausgedehnte,  in  die  Diaphysen  reichende  Nekrose  2 

c.  Infiltrierende  progressive  Tuberkulose  der  Knochen  2 

d.  Floride  epiphysäre  Herde 3 

e.  Ankylose  (spontan  entstanden)  mit  renitenten  Fisteln 

und  periodischer  Abscedierung 6 

f.  Ankylose  ohne  Fistel  nach  Arthrektomie  ....  1 


Summe : 15 


42 


Max  Scheimpflug. 


Von  44  Ellbogenerkraiikungen  waren  somit  15,  d.  i.  34°/o 
isolierte  Prozesse  und  3,  d.  i.  0,8  ^/o,  durch  Gelenksautopsie  nach- 
gewiesen, rein  synoviale  Fungi. 

Eine  analoge  Zusammenstellung  der  im  Hospize  behandelten 
tuberkulösen  Kniegelenkserkrankungen  ergab  hingegen  55”/o  iso- 
lierte Prozesse  und  10,5  °/o  rein  synoviale  Fungi.  Das  Vorwiegen 
rein  synovialer  Formen  beim  Kniegelenk  mag  damit  Zusammen- 
hängen, dass  auf  die  Kniegelenksflächen  doch  ungleich  schwerere 
physiologische  Traumen  einwirken ; andererseits  macht  sich  für  die 
Häufigkeitsdifferenz  der  isolierten  Prozesse  der  Grössenunterschied 
der  Gelenksflächen  als  ätiologisches  Moment  geltend,  denn  je 
kleiner  ein  Gelenk  ist,  desto  seltener  erscheint  es  isoliert  erkrankt, 
desto  häufiger  finden  wir  Komplikation  mit  skrofulösem  Habitus, 
Drüsentuberkulose  und  Lokaltuberkulose  in  anderweitigen  Knochen 
und  Gelenken.  Auch  die  oben  angeführten  »isolierten«  Ellbogen- 
Prozesse  waren  zum  Teil  mit  Lymphdrüsenschwellungen  und  skro- 
fulösem Habitus  gepaart,  dessen  Erscheinungen  zuweilen  noch  nach 
operativer  Säuberung  des  Ellbogens  zu  Tage  traten. 

Indem  ich  nun  zur  Besprechung  des  operativ  behandelten  Mate- 
riales übergehe,  muss  ich  meine  Uebereinstimmung  mit  Königs 
Ausspruch  betonen,  ,,dass  die  konservative  Behandlung  der  tuber- 
,,kulösen  Ellbogengelenke  durchaus  zweifelhafte  Resultate  schafft, 
,,und  dass  man,  wenn  das  Gelenk  bereits  erhebhch  erkrankt  ist, 
,,sei  es,  dass  es  sich  um  ein  fistulöses  oder  um  ein  abscedierendes 
„Gelenk  ohne  Fisteln,  sei  es,  dass  es  sich  um  einen  blossen  Fungus 
,, handelt,  mit  der  Resektion  nicht  zu  lange  zögern  soll.“  Selbst- 
verständlich ist  dabei  die  schonende  atypsiche  Resektion  gemeint, 
und  sind  jene  Prozesse  unberührt  zu  lassen,  welche  auf  dem  Boden 
eines  sehr  erethischen  Organismus  besonders  bei  sehr  jungen 
Kindern  mit  labilem  Gefässsystem  und  äusserst  reizbarem  Gewebe 
erwachsen  sind  und  sich  durch  mangelhafte  ilbgrenzung  und 
Neigung  zur  entzündlichen  Reaktion  und  Ausbreitung  der  Infektion 
charakterisieren. 

Von  achtzehn  im  Seehospize  arthrotomierten  Ellbogengelenken 
waren  nur  drei  frei  von  kariösen  Knochenherden,  wenn  wir  von 
kleinen,  ca.  linsengrossen  lakunären  Arrosionen  an  den  Rändern 
der  Fossa  sigmoidea,  resp.  in  der  Fossa  intercondyloidea  absehen. 
Der  erste  dieser  Fälle  von  rein  synovialem  Fungus  betraf  ein  Her- 
jähriges Kind  von  leicht  skrofulösem  Habitus  (kleine  Halslymphome 
und  einzelne  Hautulcera)  und  hatte  zur  Fisteleiterung  geführt. 


b r>ie  Tiiljerkulose  der  Knochen-Gelenke.  Berlin  1884  S.  168. 


Tu])erkulö8e  Ellbogenerkrankungen. 


43 


Fixation  in  110*^  und  Schmerzhaftigkeit,  starke  pastöse  Auftreibung. 
Nach  Kapsel-Exstirpation  erfolgte  reaktionslose  Heilung.  — Es 
wurde  30  aktive  und  50^  passive  Beweglichkeit  erzielt.  Sechs 
Monate  nach  der  Entlassung  war  das  Heilungsresultat  ohne  Re- 
cidive  gebheben.  Die  skrofulösen  Symptome  schwanden  während 
des  protrahierten  Hospizaufenthaltes  und  recidi vierten  später  nicht. 

Der  zweite  Fall  war  über  das  Kindesalter  hinaus,  ein  löjähriger 
Bursche.  Bei  ihm  fehlten  skrofulöse  Erscheinungen  ebenso  wie 
anderweitige  Knochenprozesse,  und  durfte  die  rechtsseitige  Ellbogen- 
gelenkserkrankung, da  Patient  als  Buchbinder  und  Meerschaum- 
drechsler beschäftigt  war,  möghcherweise  auf  eine  traumatische 
\"eranlassung  bezogen  werden.  Das  Leiden  hatte  einen  akut-ent- 
zündlichen Charakter,  der  Fungus  war  in  Eiterung  begriffen  und 
dem  Aufbrechen  nahe.  Patient  sah  äusserst  herabgekommen  und 
phthisisch  aus,  litt  an  eitriger  Bronchitis  und  profusen  Diarrhöen, 
die  aber  nach  Entfernung  des  Lokalleidens  im  Ellbogen  bald 
sistierten.  Nach  der  Kapsel-Exstirpation  erholte  sich  Patient  präch- 
tig, der  Arm  heilte  mit  ca.  30°  Beweglichkeit  in  rechtwinkliger 
Stellung  und  Patient  konnte  bald  nach  seiner  Entlassung  wieder 
sein  Gewerbe  aufnehmen. 

Der  dritte  Fall  hingegen  betraf  einen  durch  mehrere  hinter- 
einander aufgetretene  cariös-fungöse  Prozesse  schwer  heimgesuchten 
Knaben  von  acht  Jahren.  Eine  längst  überstandene  Coxitis  war 
spontan  (?)  mit  Luxation  und  Beweglichkeit  ausgeheilt.  Die  Ellbogen- 
Erkrankung  aber  schien  die  Folge  eines  ascendierenden  Prozesses 
zu  sein,  wie  solche  häufiger  an  den  unteren  Extremitäten  lieobachtet 
werden.  Beginn  des  Leidens  mit  Caries  im  Metacarpus,  dann  Ent- 
stehung periartikulärer  Fungi  am  Handgelenke,  dasselbe  partiell 
in  Mitleidenschaft  ziehend,  schliesslich  trotz,  oder  vielleicht  infolge 
der  Exstirpation  letzterer,  unter  gleichzeitiger  Recidive  am  Hand- 
gelenke, Uebergreifen  des  fungösen  Prozesses  auf  das  Ellbogengelenk, 
wie  es  scheint  durch  ^’^ermittlung  von  periartikulärem  Weichteil- 
fungus. Jedenfalls  geschah  das  Weiterschreiten  nach  dem  Centrum 
unter  gleichzeitigem  Abklingen  der  periferen  Herderkrankungen, 
was  immerhin  den  Fall  für  die  endliche  Ausheilung  prädisponierte. 
Nach  der  Kapselexstirpation  im  Ellbogen  recidi  vierte  der  Fungus 
zwar  nicht,  auch  blieb  im  Ellbogen  Beweglichkeit  zwischen  60  und 
150°  erhalten,  aber  es  trat  eine  als  ,, Klauenhand“  zu  bezeichnende 
Kontraktur  auf,  die,  obwohl  der  N.  ulnaris  nicht  verletzt  worden, 
auf  einen  wahrscheinlich  durch  Verbanddruck,  oder  durch  narbige 
Kompression  bedingten  neuritischen  Prozess  bezogen  werden  muss. 

In  allen  übrigen  im  Hospize  arthrotomierten  Fällen  fanden 


44 


Max  Scheimpflug. 


sich  in  den  knöchernen  Gelenksbestandteilen  wahrscheinlich  primäre 
kariöse  Herde ; diese  beschränkten  sich  entweder  auf  die  Ej^iphysen, 
u.  z.  der  Ulna  (Olekranon,  Proc.  coronoideus)  allein  dreimal,  des 
Humerus  (Epicond,  ulnaris,  Epicond,  radialis)  allein  viermal,  beider 
Knochen  dreimal;  oder  sie  reichten  als  nekrotisierende  Prozesse 
weit  über  das  Gelenksgebiet  hinaus  in  die  Apo-  und  Diaphysen, 
u.  z.  des  Humerus  und  der  Ulna  dreimal,  aller  drei  Knochen  des 
Gelenkes  zweimal. 

Von  diesen  primär  ossalen  Ellbogengelenkserkrankungen 
mussten  die  rein  epiphysären  Formen  (Nr.  4 — 12)  als  weniger 
schwerwiegend  oder  als  noch  in  den  Anfangsstadien  befindlich 
angesehen  werden,  und,  wenn  auch  einzelne  skrofulöse  Symptome, 
wie  Drüsenschwellungen,  Hautgeschwüre  und  Schleimhautaffektio- 
nen, namentlich  bei  jüngeren  Kindern,  oder  begleitende  kariöse 
Prozesse  leichteren  Grades  (zweimal  am  Unterkiefer,  einmal  am 
Metatarsus)  Vorlagen,  so  waren  es  doch  im  ganzen  kräftige  und 
ziemlich  gutgenährte  Kinder,  so  dass  wir  hoffen  durften,  durch 
Elimination  des  Lokalprozesses  auch  die  Hauptquelle  der  Allgemein- 
erkrankung zu  verstopfen  und  an  Ort  und  Stelle  befriedigende 
Resultate  quoad  functionem  zu  erlangen.  In  der  That  war  auch 
der  Verlauf  im  allgemeinen  ein  sehr  günstiger,  die  Heilung  eine 
rasche  und  erzielten  wir  in  einigen  Fällen  ausser  brauchbarer 
Stellung  ziemlich  ausgiebige  Beweglichkeit.  In  2 Fällen  (Nr.  5,  12) 
hatten  wir  allerdings  nach  anfänghch  gutem  Wundverlaufe  mit 
chronischer  Eiterung  und  tuberkulöser  Recidive  zu  schaffen;  in 
einem  weiteren  (Nr.  8)  fand  trotz  rascher  Primaheilung  nachträg- 
lich unter  gleichzeitiger  pneumonischer  Erkrankung  und  lokalem 
Erysipel  Abscessbildung  und  Aufbruch  der  bereits  geheilten  Wunde 
statt.  In  einem  Falle  (Nr.  9)  musste  die  Kapselexstirpation  der 
Ausräumung  eines  periartikulären  Infiltrates  folgen,  nachdem  das- 
selbe recidiviert  war  und  bei  der  Nachoperation  als  einem  kariösen 
Gelenksherde  entstammend,  und  mit  synovialem  Fungus  zusammen- 
liängend  erkannt  wurde. 

Auch  in  diesem  Falle  beobachteten  wir  eine  Beuge-Kontraktur 
der  ulnawärts  gelegenen  Finger  (IV  und  V),  welche  aber  schon 
vor  der  Operation  bestanden  hatte,  und  nach  derselben  ebenso 
wie  die  Neigung  des  Ellbogens  zu  spitzwinkeliger  Kontraktur  etwas 
intensiver  wurde.  Die  Ausheilung  der  Operationswunde  erfolgte 
prompt,  die  vorher  bestandene  Beweglichkeit  verminderte  sich  in 
geringem  Grade. 

In  einem  anderen  Falle  (Nr.  10)  von  periartikulärem  Abscess 
im  sulc.  bicip.  int.  wurde  ein  primärer  Herd  im  epicond.  uln.  hum. 


Tuberkulöse  Ellbogenerkrankungen. 


45 


gefunden  und  ausgeräumt,  dabei  auch  das  Gelenk  eröffnet,  jedoch 
die  nicht  erkrankte  Synovialis  intakt  gelassen.  In  den  beiden 
letzten  Fällen  handelt  es  sich  offenbar  um  primäre  Knochenherde, 
welche  entweder  mit  Umgehung  der  Gelenkskapsel  nach  aussen 
perforieren,  oder  in’s  Gelenk  durchbrechend,  dortselbst  bloss 
eine  circumscripte  Infektion  bedingen.  Geringe  Schwellung  und 
Beweglichkeitsbeschränkung , auch  Abscess-  und  Fistelbildung 
ohne  heftige  entzündliche  Erscheinungen  begleiten  in  solchen 
Fällen  den  trägen  Verlauf  bis  zur  Ankylosenbildung,  wenn  nicht 
durch  irgend  ein  Trauma  oder  eine  ähnliche  Gelegenheitsursache 
aus  der  chcumscripten  eine  Panarthritis  wird. 

In  einer  anderen  Reihe  von  ossalen  Erkrankungen  des  Ell- 
bogengelenkes hatten  wir  es  nun  mit  weit  ausgedehnteren  und 
offenbar  auch  älteren  Prozessen  zu  thun,  welche  über  das  Bereich 
des  Gelenkes  hinaus  auf  die  Diaphysen  übergegriffen  und  zu  aus- 
gedehnter Nekrotisierung  geführt  hatten.  Diese  Kranken  waren 
durchgehends  schwerleidend,  einerseits  durch  erschöi^fende  Eiterung 
heruntergebracht,  andererseits  durch  die  putride  Beschaffenheit 
des  Sekretes  in  chronisch  septischem  Zustande.  Ueberdies  litten 
sie  an  vorgeschrittener  amyloider  Degeneration,  phthisischen 
Lungenaffektionen  und  x4.1buminurie  oder  waren  mit  multiplen 
kariösen  Prozessen  schwerster  Art  behaftet.  Ein  Fall  (Nr.  13)  er- 
schien dadurch  merkwürdig,  dass  das  ganze  Ellbogengelenk  in 
eine  starre  neugebildete  Knochenkapsel  umgewandelt  war,  in  der 
die  drei  konstituierenden  Knochen  bis  hoch  in  die  Diaphysen 
hinein  nekrotisiert  eingesargt  lagen.  Nach  Entfernung  der  Sequester, 
die  ziemlich  lose  waren,  musste  die  knöcherne  Kapsel  mit  dem 
Meissei  quer  durchschlagen  werden,  um  eine  neue  artikulierende 
Verbindung  herzustellen,  was  auch  unter  sehr  günstigem  Wund- 
verlaufe gelang.  Es  wurde  ein  widerstandsfähiges  und  ausgiebig 
bewegliches  Gelenk  erzielt,  zu  dessen  vollem  Gebrauch  nur  die 
aufs  äusserste  atrophierte  Oberarnimuskulatur  der  Regeneration 
bedurfte.  — Ein  Fall  (Nr.  14)  von  beiderseitiger  Streckankylose, 
auf  der  linken  Seite  mit  Totalnekrose  der  Ulna  verbunden,  bot 
das  Bild  grösster  Hilflosigkeit,  da  Patientin  ihre  Arme  zu  gar 
nichts  gebrauchen  konnte.  Die  ganze  linke  Ulna  bis  auf  die  car- 
pale Apophyse  wurde  aus  dem  durch  tuberkulöse  Granulationen 
bekleideten  schwieligen  Perioste  ausgelöst.  Eine  Knochenlade 
blieb  nicht  zurück,  da  auch  sie  in  den  nekrotisierenden  Prozess 
einbezogen  war,  so  dass  der  Radius  die  Kontinuität  aufrecht  er- 
halten musste.  Das  Resultat  war  allerdings  ein  Schlottergelenk, 
welches  zur  Gebrauchsfähigkeit  eines  Stützapparates  bedarf;  auf 


46 


Max  Scheimpflug. 


der  rechten  Seite  hingegen  wurde  ein  vollkommen  kräftiges  und 
bewegliches  Gelenk  in  brauchbarer  Beugestellung  erzielt,  trotzdem 
alle  drei  Knochenenden  nekrotische  Zerstörungen  aufgewiesen  hatten. 
Die  Heilung  ging  überraschend  schnell  von  statten  und  erholte  sich 
die  herabgekommene  phthisische  Kranke  sehr  gut.  Leber-  und 
Milzschwellung  gingen  zurück,  die  Albuminurie  verminderte  sich 
erheblich,  Patientin  hatte  in  3 Monaten  um  3 Kilo  an  Gewicht 
zugenommen.  — Ein  anderer  Fall  (Nr.  15)  von  Total-Nekrose  der 
Ulna,  ein  12 jähriger  Knabe,  der  überdies  an  multiplen  nekroti- 
sierenden Ostitiden  litt,  ergab  nach  Resektion  der  Ulna  ein  aus- 
gezeichnetes funktionelles  Resultat,  weil  die  Knochenlade  ein  sehr 
brauchbares  Surrogat  des  resecierten  Knochens  bildete,  und  auch 
das  Olekranon  zum  Teil  erhalten  bleiben  konnte.  Der  jetzt 
14jährige  Bursche  arbeitet  gegenwärtig  wie  ein  Gesunder  an  der 
Drehbank.  — Endlich  habe  ich  in  mehreren  Fällen  von  multipler 
Knochen-  und  Gelenkscaries  schwerster  Art,  teils  um  die  Zahl 
eitriger  Prozesse  zu  vermindern,  teils  um  unbrauchbare  Streck- 
ankylosen mit  Beweglichkeit  zur  Ausheilung  zu  bringen,  die  resectio 
cubiti  partialis  gemacht,  in  anderen  bin  ich  davon  abgestanden, 
weil  sie  zu  aussichtslos  erschienen  und  ich  die  Gefahren  der  Nar- 
kose etc.  bei  ihrem  elenden  Zustande  scheute.  Die  Resultate  am 
Ellbogen  wären  ja  auch  in  diesen  Fällen  sehr  schön  und  erstrebens- 
wert, wenn  nicht  das  Gesamtbefinden  dieser  armen  Wesen  so 
häufig  zum  Niedergange  neigte. 

Doch  giebt  es  ausnahmsweise  solche  Kranke,  deren  Lokal- 
prozesse nach  jahrelanger  abundanter  Eiterung  und  nach  voll- 
endeter Verkrüppelung  durch  Kontraktur  und  Ankylose  in  ein 
Stadium  der  Defervescenz  treten.  Die  Eiterquellen  versiegen  und 
die  früheren  pastösen  Schwellungen  schrumpfen  zusammen.  In 
solchen  Stadien,  denen  auch  die  Bäderbehandlung  und  die  hygie- 
nisch-diätetischen Massnahmen  in  eminenter  Weise  zu  Hilfe  kommen, 
bringt  die  Arthrotomie  und  Resektion  ein  steifgestrecktes  Ellbogen- 
gelenk mit  Fisteln  und  Narben  rasch  zur  Heilung  und  Gebrauchs- 
fähigkeit (Nr.  16).  Leider  ist  zuweilen  die  Freude  kurz,  wenn 
solche  Fälle  rekrudescieren  und  durch  neue  akute  Eruptionen 
ihrem  Untergange  entgegeneilen  (Nr.  17).  Unter  solchen  Um- 
ständen und  wenn  überhaupt  die  tuberkulösen  Lokalprozesse  noch 
in  üppiger  Entfaltung  sich  befinden,  namentlich  bei  jenen  Formen 
von  nicht  abgrenzbarer,  progressiv  sich  ausbreitender  käsiger  In- 
filtration der  Knochen  ist  der  operative  Eingriff  ein  zweischnei- 
diges Mittel:  sehr  leicht  tritt  tuberkulöse  Lokalrecidive  oder  cen- 
trales Fortschreiten  der  Prozesse  z.  B.  vom  Ellbogen-  auf  das 


Tuberkulöse  Ellbogenerkrankungen. 


47 


Schultergelenk  auf,  wie  ich  in  einem  Falle  (Nr.  18)  beobachtete. 
— Im  Seehospize  kam  auch  eine  Reihe  von  Ellbogenerkrankungen 
zur  Behandlung,  bei  denen  die  Multiplizität  anderweitiger  Knochen- 
und  Gelenksleiden,  ihr  destruktiver  Charakter  (besonders  akut 
verlaufende  Spondylitis)  die  unter  unseren  Augen  sich  abspielende 
progressive  Degeneration  der  inneren  Organe,  chronisch  urämische 
Zustände  etc.  so  unüberwindliche  Kontraindikationen  für  jedes 
operative  Vorgehen  darboten,  dass  mr  von  vorneherein  darauf 
verzichteten;  jeder  Versuch,  hier  mit  dem  Messer  der  Natur  zu 
Hilfe  zu  eilen,  hätte  sicli  durch  Schwächung  der  Kranken  gerächt 
und  ihr  Ende  beschleunigt,  während  zuweilen  selbst  in  den  ver- 
zweifeltsten Fällen  noch  eine  Erhaltungs-  und  Regenerations- 
kraft verborgen  liegt,  die  unsere  trübe  Prognose  zu  Schanden 
machen  und  die  gezählten  Tage  in  ungezählte  verwandeln  kann. 
Andererseits  müssen  wir  gestehen,  dass  keine  chirurgische  Lokal- 
tuberkulose grösserer  Gelenke  so  günstige  Chancen  zur  operativen 
Behandlung  (Arthrektomie,  resp.  atypische  partielle  Resektion)  dar- 
bietet, wie  die  Ellbogengelenkscaries.  Handelt  es  sich  um  frische 
unkomplizierte  Fälle,  bei  denen  der  skrofulöse  Habitus  nicht  zu 
sehr  vorwaltet,  so  wird  die  Heilung  des  Lokalleidens  durch  die 
Operation  rasch  herbeigeführt;  das  Allgemeinbefinden  leidet  da- 
durch gar  nicht;  der  Kranke  ist  nur  wenige  Tage  ans  Bett  ge- 
fesselt, er  verliert  nur  wenig  oder  gar  kein  Blut;  unter  fleissiger 
Anwendung  von  Massage  und  passiven  Bewegungen  gestalten  sicli 
die  funktionellen  Resultate  im  allgemeinen  sehr  befriedigend.  Bei 
schonendem  Vorgehen  und  Festhalten  an  dem  Prinzipe,  nie  mehr 
als  das  Kranke  zu  entfernen,  ist  die  operative  Läsion  gewiss 
nicht  verstümmelnder  wie  das  Fortschreiten  des  kariösen  Prozesses. 
Bei  den  veralteten,  meist  in  Streckankylose  ausgegangenen  Formen 
von  Caries  necrotica  des  Ellbogengelenkes  ist  die  Resektion  das 
einzige  und  unumgängliche  Mittel,  um  einen  brauchbaren  Arm  zu 
gewinnen,  und  wird  die  Anzeige  durch  den  chronisch-septischen 
Zustand  erhöht,  der,  wenn  nicht  bereits  deletäre  Veränderungen 
der  inneren  Organe  vorliegen,  durch  Elimination  des  putriden 
Herdes  nur  gewinnen  kann. 

Die  Operationsmethode  anlangend,  wurde  mit  Berücksichtigung 
der  bestehenden  Fisteln  und  narbigen  Adhäsionen  vorzugsweise 
der  dorsale  Längsschnitt  nach  Langenbeck,  seltener  Olli  er ’s 
Bajonettschnitt  angewendet,  der  Streckapparat  geschont,  wobei 
Längsspaltung  desselben,  subpereostale  Loslösung  vom  Olekranon 
oder  temporäre  Resektion  des  letzteren  nicht  ausgeschlossen  war, 
die  fungöse  Kapsel  soweit  möglich  von  aussen  exstirpiert  und  nm^ 


48 


^lax  Scheiini)fliig. 


jene  Knochenteile  entfernt,  welche  in  das  Bereich  kariöser  Erweichung, 
eitriger  oder  käsiger  Infiltration  und  Neki’ose  einbezogen  erschienen. 
Hierauf  sorgfältige  Desinfektion,  Etagennaht,  Drainage  und  Tampo- 
nade der  entstandenen  Höhlen  mit  in  ätherischer  Perubalsam- 
lösung getränkter  Jodoformgaze.  — Kompressionsverband  und 
Eingipsung  in  leicht  spitzwinkeliger  Beugestellung  mit  Einbeziehung 
des  Schultergürtels.  Nur  bei  sehr  starker  Spannung  der  Nähte 
wurde  das  Gelenk  in  Dreiviertelstreckstellung  fixiert,  um  es  beim 
ersten  oder  zweiten  Verbandwechsel  in  Beugung  überzuführen.  Nach 
8 — 10  Tagen  Entfernung  der  Tampons  und  Nähte,  Kürzung  der 
Drains.  — War  der  Wundverlauf  ein  glatter,  so  begannen  die 
passiven  Bewegungen  3 — 4 Wochen  nach  der  Operation.  Bei  der 
Nachbehandlung  wurde  die  Neigung  zur  Strecksteilung  mittels 
elastisch  wirkender  Vorderarm-,  Hand-  und  Schultergürtel  um- 
fassender Halfter  aus  Lederzeug  bekämpft. 

Es  fragt  sich  nun,  welche  Vorteile  von  der  zuwartenden 
Behandlung  am  Meeresstrande  gezogen  wurden.  Eine  spontane 
Ausheilung  von  Fungus  des  Ellbogens  mit  restitutio  ad  integrum 
haben  wir  nicht  gesehen.  Dazu  hätte  es  jahrelanger  Geduld 
bedm’ft,  die  uns  meistens  durch  das  Fortschreiten  der  Prozesse 
geraubt  wurde.  Wohl  aber  kamen  einzelne  Fälle  von  Kontraktur 
und  partieller  oder  totaler  Ankylose  in  Beuge-  und  (häufiger) 
Streekstellung  als  Endstadien  einer  ohne  Eiterung  oder  heftige 
entzündliche  Vorgänge  verlaufenen  Caries  cubiti  sicca  zur  Be- 
obachtung. Desgleichen  sehen  wir  alte,  aus  Tumor  albus  des 
Ellbogens  mit  Nekrose,  ausgedehnter  Ulceration  und  Fisteleiterung 
hervorgegangene  Ankylosen,  bei  denen  die  chronische  Eiterung 
unter  Bädergebrauch,  Lapistouchierung  und  Jodoformverbänden 
sich  verminderte,  selbst  sistierte  und  die  Beweglichkeit,  allerdings 
in  geringem  Grade,  wiederkehrte.  In  ähnlich  günstiger  Weise 
wurden  mehrere  anderwärts  am  Ellbogen  arthrotomierte  Fälle 
beeinflusst,  welche  mit  festen  oder  nur  wenige  Grade  beweglichen 
Ankylosen  und  ohne  Gelenksschwellung  fortbestehenden  mässig 
secernierenden  Fisteln  zur  Aufnahme  gelangten.  Die  Fisteln 
schlossen  sich  unter  Mitwirkung  der  üblichen  Wundbehandlung 
und  Lapistouchierung  spontan,  zuweilen  nur  auf  kurze  Zeit,  um 
wieder  aufzubrechen,  aber  doch  nach  und  nach  solid,  unter  tiefer 
Einziehung  zu  vernarben.  In  einigen  Fällen  musste  mit  dem 
Löffel  nachgeholfen  werden.  Streckankylosen  Hessen  sich  in  Nar-  j 
kose  redressieren  und  allerdings  in  geringem  Grade  mobilisieren. 

In  zwei  auswärts  operierten  Fällen  jedoch  bestand  starke  tuber- 
kulöse Recidive  mit  Schwellung  und  ulcerösem  Zerfall  der  Narben. 


T über k ulöse  Ellbogeiierkiankungeii . 


49 


In  einem  derselben  versuchten  wir  durch  Nach-Resection  die 
Ausheilung  herbeizuführen,  in  dem  anderen  verhielten  wir  uns 
vollkommen  passiv.  Beide  Fälle  sind  trotz  jahrelanger  Pflege  noch 
immer  nicht  zur  Ausheilung  gelangt,  wogegen  ihr  Allgemein- 
befinden unter  zeitweisen  Schwankungen  zum  Bessern  in  allmäh- 
hchem  Niedergange  begriffen  ist.  — Im  Anhänge  an  die  Cubital- 
Gelenks  - Erkrankungen  habe  ich  noch  zweier  Fälle  zu  erwähnen, 
bei  welchen  ziemhch  ausgedehnte  nekrotisierende  ostitische  Herde 
in  der  angrenzenden  Apohpyse  des  Humerus  Vorlagen,  ohne  dass 
das  Ellbogengelenk , abgesehen  von  beträchtlicher  sympathisch 
entzündlicher  Schwellung  und  Beweglichkeitsbeschränkung  fungös 
erkrankt  war.  Diese  Fälle  imponierten  von  vornherein  als  schwere 
Gelenkaffektionen;  die  extraartikulären  Herde  konnten  aber  ohne 
Blosslegung  des  Gelenksinnern  ausgeräumt  werden,  und  blieb  auch 
im  weiteren  Verlauf  das  Gelenk  intakt.  In  einem  dieser  Fälle, 
ein  sehr  zartes  anämisches,  überdies  an  putrider  Otorrhöe  leidendes 
Mädchen  von  7 Jahren  betreffend,  war  der  Humerusschaft  ün 
untersten  Drittel  in  toto  zerstört,  sodass  bei  der  Ausräumung  eine 
Diskontinuität  entstand,  deren  Konsolidation  lange  Zeit  beanspruchte. 
In  dem  anderen  Falle  musste  wegen  hartnäckiger  Recidive  das 
E\idement  öfters  wiederholt  werden,  ehe  Verheilung  ein  trat.  Die 
Funktion  des  Ellbogens  war  in  beiden  Fällen  schliesslich  fast 
vollständig  hergestellt. 


Tabellarische  Zusammenstellung  der  arthrotomierten  Fälle  von 
tuberkulöser  Ellbogenerkrankung  siehe  S.  50  u.  ff. 


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Die  Zungencarcinomoperationen  der 
Klinik  Prof.  Billroth’s 

von  1881  — 1892. 

von  Dr.  K.  Büdiiiger,  Assistent  der  Klinik. 


Es  sind  zehn  Jahre  verstrichen,  seit  zum  letzten  Male  aus  der 
Klinik  Billroth  über  die  Resultate  bei  den  OjDerationen  des  Zungen-  und 
Mundbodenkrebses  berichtet  worden  ist.  Damals  veröff  enthchte  W ölf- 
1er  die  ersten  17  Fälle,  bei  welchen  die  Jodoformbehandlung  an- 
gewendet worden  war  und  welche  die  neue  Aera  der  Wundbehand- 
lung im  Munde  einleiteten.  Endlich  war  der  Beweis  erbracht,  dass 
auch  im  Munde  weder  komplizierte  Operationsmethoden,  noch 
die  Anwendung  ätzender  Substanzen  nötig  sei,  um  einen  asepti- 
schen Verlauf  zu  sichern,  sondern  dass  auch  hier  die  allgemein 
gültigen  Prinzipien  der  modernen  Wundbehandlung  zu  gelten  haben. 
Endlich  war  die  antiseptische  Methode  in  der  Mundhöhle  auf 
annähernd  gleichen  Fuss  mit  dem  V erfahren  bei  den  Hautwunden 
gekommen,  welchem  sie  bis  dahin  immer  ein  beträchtliches  Stück 
nachgehinkt  war.  Denn  während  dieselbe  Methode  bei  den 
Operationen  mit  Hautdurchtrennung  mit  einem  Schlage  eine 
radikale  Umwälzung  bewirkte,  während  mancher  neue  Eingriff  erst 
durch  sie  ermöglicht  oder  berechtigt  wurde,  hat  es  lange  gedauert, 
bis  die  Chirurgie  der  offenen  Körperhöhlen  dazu  gelangte,,  sich  diese 
Errungenschaft  vollkommen  dienstbar  zu  machen.  Erst  geraume 
Zeit,  nachdem  die  Diphtherie  und  fortschreitende  Phlegmone  des 
Zellgewebes  aus  der  Zahl  der  Krankheiten  der  Hautwunden  aus- 
geschieden waren,  ist  es  gelungen,  diese  Gefahren  auch  von  den 
Wunden  der  Mundhöhle  fern  zu  halten.  Der  Grund  davon 
ist  wahrscheinlich  in  der  theoretischen  Anschauung  zu  suchen. 


1)  Zur  Wundbehandlung  im  Munde.  Archiv  für  klinische  Chirurgie  Bd.  XXVII. 


Die  Zungencarcinomoperationen. 


00 


mit  welcher  die  Verhältnisse  in  früherer  Zeit  betrachtet  wurden. 
Der  Entdeckung  der  Streptococcen  und  Staphylococcen  als  Erreger 
der  Eiterung  folgte  die  Suche  nach  diesen  Bakterien  in  und  ausser- 
halb des  menschlichen  Körpers;  bald  hatte  man  gefunden,  dass 
die  mit  der  Aussenwelt  frei  kommunizierenden  Körperhöhlen  von 
pathogenen  und  nicht  pathogenen  Keimen  wimmeln.  Daran 
musste  sich  bei  der  noch  mangelnden  Kenntnis  der  Unterschiede 
in  der  Virulenz  der  pathogenen  Keime  die  Ueberzeugung  schhessen, 
dass  es  nötig  sei,  die  Wunden  in  den  Körperhöhlen  und  speziell 
im  Munde  ganz  besonders  zu  schützen,  wenn  sie  vor  Infektion 
bewahrt  werden  sollten.  Auf  dieser  Ansicht  beruht  auch  die  früher 
an  der  Klinik  Billroth  angewendete  Methode  der  Verätzung  der 
Wunde  mit  Kah  hypermanganicum,  und  die  noch  jetzt  von  White- 
head  “)  geübte  Methode,  bei  welcher  die  Wundflächen  mit  einem 
Jodoformfirnis  überzogen  werden.  Hatte  schon  die  Einführung  der 
Verätzung,  wie  sie  von  Wölf  1er®)  in  dem  Berichte  von  den  Jahren 
1876—1881  geschildert  ist,  einen  bedeutenden  Fortschritt  gegen 
früher  bedeutet,  so  schien  der  Erfolg  der  Eingriffe  im  Munde  in 
Bezug  auf  den  unmittelbaren  Ausgang  gesichert,  seitdem  das  Jodo- 
form in  Gestalt  von  Pulver  und  in  Gaze  imprägniert  zur  Bedeckung 
der  Wunde  angewendet  wurde.  Unterdessen  wurde  die  neue  Be- 
handlungsart in  mancher  Beziehung  weiter  ausgebildet  und  das 
Resultat  ist,  dass  die  Exstirpation  der  Mundboden-  und  Zungen- 
carcinome  kaum  mehr  schlechtere  Erfolge  in  Bezug  auf  die  Wund- 
heilung darbietet,  als  ein  Eingriff  an  anderen  Körperstellen.  Zu- 
dem ist  auch  die  Heilungsdauer  eine  bedeutend  kürzere  geworden, 
was  umsomehr  in  Betracht  zu  ziehen  ist,  als  leider  die  Resultate 
in  Bezug  auf  gänzliche  Heilung  immer  gleich  ungünstig  sind  und 
sich  nicht  so  bald  bessern  zu  wollen  scheinen. 

Die  Aufgabe  des  Nachfolgenden  soll  es  nun  sein,  im  Anschluss 
an  die  Berichte  der  Züricher  und  Wiener  Klinik  *)  und  die  daran 
anknüpfenden  Arbeiten  Wölflers  in  kurzem  einen  weiteren  Beitrag 
zur  Gescliichte  der  Operation  des  Zungenkrebses  zu  liefern  und  die 
Weiterentwicklung  dieses  Eingriffes  zu  beleuchten. 

Wh  sehen  in  dem  letzten  Vierteljahrhundert  drei  Perioden 
mit  vollständig  verschiedenen  Gesichtspunkten.  Die  erste  bildet 
den  Abschluss  jener  langen  Epoche,  welche  sich  damit  beschäftigte, 
die  Operationstechnik  durch  komplizierte  Methoden  zu  bereichern, 

Report  of  104  cases  of  entire  excision  of  the  tongue  for  cancer.  I.anzet  1891 . 

Zur  Geschichte  der  operativen  Behandlung  des  Zungenkrebses.  Archiv 
für  klinische  Chirurgie  1881,  Bd.  XXVI. 

b Chirurgische  Klinik;  Zürich  und  Wien. 


56 


K.  Büdinger. 


respektive  unter  diesen  die  geeignete  zu  finden ; die  zweite  Periode 
steht  bereits  unter  dem  Zeichen  der  eingebürgerten  Antiseptik 
und  legt  das  Hauptgewicht  auf  die  Verhinderung  der  Infektion 
durch  Bedeckung  der  Wunde;  die  dritte,  deren  Resultate  besprochen 
werden  sollen,  sucht  die  Gleichstellung  der  Operationen  im  Munde 
mit  anderen  blutigen  Eingriffen  durch  vereinfachtes  Verfahren 
und  Anwendung  der  allgemein  gültigen  Wundbehandlungsmethoden 
zu  erreichen. 

Die  von  Wölfler  veröfientlichten  17  Fälle  von  Jodoform- 
behandlung müssen  bereits  in  diesen  letzten  Abschnitt  mit  ein- 
bezogen werden.  Was  damals  über  das  neue  Verfahren  gesagt 
wurde,  gilt  noch  heute  in  vielen  Beziehungen  unverändert.  Aller- 
dings sah  man  sich  im  Laufe  der  Zeit  genötigt,  die  grossartigen 
Hoffnungen,  welche  auf  die  Anwendung  des  Jodoforms  gegrün- 
det worden  waren,  etwas  zu  reduzieren.  Das  Mittel  war  gerade 
neu  in  die  Chirurgie  eingeführt  worden  und  man  schrieb  ihm 
eine  fast  wunderthätige  Kraft  gegenüber  den  pathogenen  Mikro- 
organismen zu.  Neuerhch  haben  aber  vielfache  Untersuchungen 
von  Baumgarten  u.  a.  erwiesen,  dass  das  Jodoform  überhaupt 
nicht  im  Stande  ist,  die  bakteriellen  Keime  zu  töten,  sondern 
nur  die  Fähigkeit  zu  haben  scheint,  den  Geweben  eine  erhöhte 
Widerstandskraft  gegen  die  Invasion  der  Bakterien  zu  verleihen. 
Es  ist  daher  erklärlich,  dass  diese  Kraft  das  eine  oder  andere 
Mal  nicht  ausreichen  konnte,  um  die  Wundinfektion  in  der  Mund- 
höhle ganz  hintanzuhalten,  sei  es,  dass  der  Infektionsstofi  bei  der 
Operation  selbst  von  aussen  hinzugetragen  wurde,  oder  dass  sich 
zufällig  besonders  virulente  Keime  in  der  Mundhöhle  befanden. 
Immerhin  hat  das  Jodoform  auch  auf  diesem  Gebiete  der  Chirurgie 
seine  Triumphe  gefeiert  und  wh’d  es  weiter  thun,  bis  es  einmal, 
was  hoffentlich  in  nicht  zu  ferner  Zeit  geschehen  wird,  wenigstens 
in  den  klinischen  Operationsinstituten  verdrängt  sein  wird  und 
die  aseptische  Methode  allein  herrscht. 

Indikation  und  Operation. 

Was  die  Indikation  zur  Ausführung  der  Eingriffe  bei  den 
Mundcarcinomen  betrifft,  ein  Punkt,  der  unter  anderem  auch  bei 
dem  Vergleich  der  Resultate  verschiedener  Operateure  besonders 
wichtig  ist,  so  wird  etwa  die  Mitte  zwischen  den  Prinzipien  ge- 
halten, welche  Whitehead  befolgt  und  denen,  welche  nach  Krause^) 
bis  zum  Jahre  1889  an  der  v.  Volkmann’schen  Klinik  galten. 

“)  lieber  die  Operation  und  Prognose  des  Zungenkrebses.  Deutsche  med. 
Wochenschrift  1889,  Nr.  22. 


Die  Zungencarcinoinoperationen. 


57 


Während  der  erstere  unter  allen  Umständen  und  bei  jedem  Car- 
cinom  im  Munde  einen  Eingriff  vorzunehmen  rät,  wenn  nur  einige 
Erleichterung  für  den  Patienten  davon  zu  hoffen  ist,  also  gelegent- 
lich schon  a priori  von  einer  radikalen  Entfernung  des  Erkrankten 
absieht,  bestand  bei  v.  Volkmann  die  Vorschrift,  die  Operation 
zu  unterlassen,  sobald  die  Zunge  nahe  am  Kehldeckel  hätte  ent- 
fernt werden  müssen.  Wie  aus  den  Krankengeschichten  ersicht- 
lich, war  bei  allen  derartigen  Operationen,  welche  in  der  letzten 
Periode  an  der  Klinik  Billroth  ausgeführt  wurden,  der  Plan  dar- 
auf gerichtet,  eine  radikale  Heilung  zu  erzielen,  und  es  wurden 
selbst  sehr  ausgedehnte  Eingriffe  nicht  gescheut,  so  lange  noch 
die  Hoffnung  bestand,  alles  Krankhafte  zu  entfernen. 

Die  Operation  selbst  wird  in  folgender  Weise  ausgeführt:  Der 
Patient  wird  in  sitzender  Stellung  mit  gestreckten  Beinen  am 
Operationstisch  festgehalten,  bei  starker  Excitation  mit  dem 
V.  Dittel’schen  Gurt  festgeschnallt,  der  besonders  bei  mangelhafter 
Assistenz  vorzügliche  Dienste  leistet.  Die  Narkose  beginnt  in  der 
gewöhnlichen  Weise  mit  der  an  der  Klinik  üblichen  Chloroform- 
mischung und  dem  Esmarch’schen  Korbe.  Erst,  wenn  der  Patient 
ganz  anästhetisch  ist,  respektive  nach  Vollendung  der  Arterien- 
unterbindung und  Drüsenausräumung,  wird  das  Junker’sche  Gebläse 
in  Thätigkeit  gesetzt  ®).  Derselbe  ist  mit  einem  gewöhnlichen  weib- 
lichen Metallkatheter  armiert,  welcher  in  das  cavum  pharyngonasale 
eingeführt  wird,  und  nun  bläst  man  unter  Benützung  der  Inspi- 
ration die  Dämpfe  des  reinen  Chloroforms  ein.  In  früherer  Zeit 
war  regelmässig  zu  Beginn  eine  Morphin ininjektion  gemacht  worden, 
doch  wurde  in  den  letzten  Jahren  hievon  abgesehen,  damit  nicht 
die  protrahierte  Zeit  getrübten  Bewusstseins  das  Aushusten  der 
etwa  aspirierten  Blutmassen  unnötig  verzögert.  Auf  diese  Weise 
pflegt  die  Narkose  nicht  lange  vollständig  tief  zu  bleiben,  da  durch 
den  geöffneten  Mund  zu  viel  frische  Luft  zugeführt  wüxl.  Sie 
wird  in  den  vorgeschrittenen  Stadien  der  Operation  auf  einer 
solchen  Stufe  gehalten,  dass  zwar  keine  Schmerzempfindung  zum 
Bewusstsein  gelangt,  andererseits  aber  der  Reiz  des  Blutes,  welches 
in  die  Luftröhre  eindringt,  genügt,  um  eine  reichliche  Expektoration 
hervorzurufen. 

Der  Eingriff  beginnt  in  der  Regel  mit  der  Unterbindung  einer 
oder,  wenn  die  Erkrankung  die  Mittellinie  überschreitet,  beider 


®)  Die  Anwendung  dieses  Apparates  wurde  von  Salzer  (Prof.  Billroths  iVIodi- 
fikation  der  v.  Langenbeck’schen  Uranostaphyloplastik,  Centralblatt  f.  Chirurgie 
1890)  beschrieben. 


58 


K.  Büdinger. 


arteriae  linguales.  Nur  in  Fällen  von  Exstirpation  kleinerer  Carcinome 
oder  bei  bestimmten  Sitzen  der  Infiltrate  wurde  von  diesem  Vor- 
akte abgesehen.  Die  Unterbindung  wird  nach  wie  vor  in  typischer 
Weise  nach  Pirogoff  ausgeführt,  also  in  dem  Dreieck,  das  von  nerv, 
hypoglossus,  hinterer  Biventersehne  und  dem  Rande  des  m.  mylo- 
hyoideus gebildet  wird.  Dass  man  bei  der  Aufsuchung  dieses  Gefässes 
selten  auf  ernstere  Schwierigkeiten  stösst,.  beweist  der  Umstand,  dass 
nach  den  früheren  Berichten  niemals,  im  letzten  Dezennium  nm’  ein- 
mal eine  Anomalie  gefunden  wurde,  nämlich  eine  doppelte  Arterie. 
Einige  Male  musste  von  der  typischen  Vollendung  der  Operation 
Abstand  genommen  werden,  weil  sich  die  Arterie  in  Carcinom- 
massen  fest  eingebettet  fand.  Von  der  gesetzten  Hautwunde  aus 
wird  nun  mit  der  Ausräumung  der  Unterkiefergrube  begonnen,  die 
erkrankten  Lymphdrüsen,  häufig  auch  die  Unterkieferspeicheldrüse 
und  andere  infiltrierte  Teile  entfernt,  wobei  nicht  selten  grössere 
Gefäss-  und  Nervenstämme,  wie  der  n.  hypoglossus  und  die  v.  jugu- 
laris  hgiert  oder  reseciert  werden  mussten.  Nach  V ollendung  dieses 
Voraktes  wird  der  Mund  mit  dem  Speculum  von  Heister  ad  ma- 
xinium  geöffnet  und  die  Zunge  mittels  einer  Zungenzange  oder 
eines  starken  Fadens,  der  durch  die  Spitze  geführt  wird,  stark 
hervorgezogen.  Nun  folgt  die  Exstirpation  des  Tumors  mit  Messer 
und  Schere.  Gewöhnhch  werden  nach  jedem  ausgiebigen  Scheren- 
schlage die  Wundränder  sofort  durch  Naht  vereinigt. 

Die  Naht  wurde  erst  in  neuerer  Zeit  wieder  in  ihre  vollen 
Rechte  eingeführt  und  hiedurch  die  Heilung  der  Zungen-  und  Mund- 
bodenwunden durch  prima  intentio  ermöglicht,  während  dieselben 
früher  im  besten  Falle  durch  Granulation  heilen  konnten,  wie  es 
auch  jetzt  in  jenen  Fällen  geschieht,  bei  denen  die  vollständige 
Vereinigung  der  Wundränder  nicht  möghch  ist.  Herr  Hofrat 
Billroth  hatte  die  Naht  im  Munde  im  Anfang  der  70  er  Jahre  auf- 
gegeben, weil  ohne  dieselbe  »die  Wunde  weniger  schwillt  und  die 
Speichelsekretion  weniger  lange  andauert«.  Seit  nun  aber  durch 
die  neue  Behandlungsmethode  die  Anschwellung  der  Zunge,  wie 
überhaupt  alle  entzündlichen  Erscheinungen  auf  ein  Minimum 
reduziert  sind,  oder  ganz  fehlen,  konnte  auch  dieser  alte  Operations- 
akt wieder  zu  Recht  erwachsen  und  leistet  nicht  nur  zur  Vereinigung 
der  Wundränder,  sondern  auch  zur  Blutstillung  vorzügliche  Dienste. 
So  ist  auch  die  Heilungsdauer  um  ein  Beträchtliches  reduziert 
worden,  indem  die  Patienten  mit  völlig  verwachsener  Wunde  das 


b Besonders  bewahrt  hat  sich  hiezu  die  Zungenzange  von  Roux  mit  scharfen 
Haken,  da  dieselbe  das  Gewebe  am  wenigsten  quetscht. 


Die  Zungencarcinomoperationen . 


59 


Spital  verlassen,  wälirend  sie  früher  mit  granulierenden  Wunden 
schieden,  welche  noch  eine  Zeit  lang  Beschwerden  und  gewisse 
Gefahren  mit  sich  brachten. 

Nicht  uninteressant  ist  es,  zu  betrachten,  in  welcher  Weise 
man  erst  ganz  allmählich  dazu  kam,  hier  wie  an  anderen  Orten 
die  Naht  in  der  gewöhnlichen  Weise  anzuwenden,  ohne  besondere 
Vorsichtsmassregeln  zu  treffen.  Nachdem  in  einem  Falle  nach  der 
Exstirpation  eines  ganz  kleinen  Knotens  die  blutige  Vereinigung  ge- 
lungen war,  wurde  dieselbe  bald  darauf  bei  der  Entfernung  eines 
grösseren  Tumors  versucht.  Es  wurde  die  Vorsicht  gebraucht,  die 
Nähte  zuerst  im  Gesunden  durchzuziehen  und  dann  nach  der  Ex- 
cision  schnell  zu  knüpfen.  Etwas  später  sehen  wir  die  Naht  in 
mehreren  Fällen  zu  einer  Art  Plastik  angewendet,  indem  die  Zungen- 
spitze nach  der  Seite  umgeschlagen  und  deren  Ränder  an  die  der 
Zungenwunde  angenäht  wurden.  Dann  wurden  unter  die  Schlingen 
der  Seidenfäden  Streifen  von  Jodoformgaze  gebracht,  noch  später 
erst  wurden  diese  Streifen  oberhalb  von  den  Knöpfen  der  Nähte 
verlegt  und  hier  festgebunden.  In  der  letzten  Zeit  wird  auch  dies 
öfters  unterlassen  und  alles  vernäht,  was  sich  vereinigen  lässt, 
die  übrigen  Wundränder  so  weit  wie  möglich  aneinander  gezogen. 
Die  Fäden  werden  nun  zum  Munde  herausgeleitet,  damit  eine  Hand- 
habe zum  schnelleren  Vorziehen  der  Zunge  vorhanden  ist,  falls  noch 
nachträglich  Asphyxie  auftreten  sollte.  • Bleibt  nur  ein  kleinerer 
Stumpf  von  der  Zunge  übrig,  so  wird  dieser  durch  eine  starke 
Naht  an  der  Lippe,  den  Zähnen  oder  der  Wange  fixiert  und  hie- 
durch vor  dem  Zurücksinken  geschützt.  Ein  ungelochtes  Drain 
wird  durch  die  Wunde  geleitet,  welche  zur  Arterienunterbindung 
angelegt  worden  war,  oder  falls  diese  Voroperation  nicht  statt- 
gefunden hatte,  wird  meist  der  Mundboden  vorne  durchgestossen 
und  durch  diese  Oeffnung  drainiert.  Zum  Schlüsse  werden  die 
Wundflächen,  welche  nicht  durch  die  Naht  vereinigt  werden  konnten, 
mit  Jodoformgaze  tamponiert.  In  der  letzten  Zeit  wurde  diese  zu- 
weilen durch  sterilisierte,  weisse  Gaze  ersetzt,  während  mit  Kolo- 
phonium oder  Tannin  imprägnierte  Jodoformgaze,  die  früher 
regelmässig  in  Verwendung  kam,  nur  noch  bei  stärkeren  paren- 
chymatösen Blutungen  aufgelegt  wird. 

Eine  besondere  Berücksichtigung  verlangt  die  Behandlung 
der  Zungenspitze,  da  sie  nach  Unterbindung  der  arteria  linguahs 
am  schwersten  in  ihrer  Cirkulation  gestört  ist.  Wenn  nur  ein 
schmales  Stück  von  der  Zungenspitze  zurückbleibt  und  dieses 
noch  durch  Nähte,  welche  die  Wundränder  vereinigen  sollen, 
stark  zusammengeschnürt  wird,  so  kann  es  leicht  geschehen,  dass 


60 


K.  Büdiuger. 


sich  bald  Cyanose  einstellt,  welche  in  kurzer  Zeit  in  wirkliche 
Gangrän  übergeht.  Besonders  häufig  kommt  dies  den  reaktionslosen 
Verlauf  störende  Ereignis  nach  Auslösung  von  Krebsknoten  vor, 
welche  am  unteren  Rande  der  Zungenspitze  oder  den  benachbarten 
Teilen  des  Mundbodens  sitzen.  Daher  wird  in  solchen  Fällen  die 
gesunde  Zungenspitze  amputiert,  soweit  sie  eben  bedroht  erscheint, 
und  dann  erst  die  Vereinigung  mittels  Naht  vorgenommen. 

Die  älteren  typischen  Methoden  wurden  in  der  letzten  Zeit 
gar  nicht  mehr  angewendet.  So  wurde  z.  B.  die  äussere  Haut- 
wunde 4 mal  zur  Exstirpation  der  Tumoren  verwendet,  ohne  dass 
die  Schnittführung  nach  Kocher  notwendig  geworden  wäre.  Ein- 
mal wurde  die  Zunge  durch  die  äussere  Wunde  herausgezogen 
und  amputiert,  3 mal  weit  hinten  in  der  Tonsillengegend  sitzende 
Carcinome  von  hier  aus  entfernt  und  ferner  einige  mit  den  Drüsen 
verwachsene  Knoten  von  aussen  losgelöst  und  dann  vom  Munde  aus 
exstirpiert.  Bei  den  Operationen  am  Unterkiefer  wurde  ebenfalls 
nach  Bedarf  verfahren  und  nur  2 mal  die  temporäre  Resektion  vor- 
genommen. 

Im  ganzen  wurden  während  der  letzten  10  Jahre  116  Männer 
und  6 Weiber  wegen  Zungen-  und  Mundbodencarcinomen  operiert. 
Ausserdem  befanden  sich  11  Männer  und  2 Weiber  in  klinischer 
Behandlung,  welche  zum  Teil  wegen  zu  weit  vorgeschrittener  Er- 
krankung sich  nicht  mehr  zur  Vornahme  eines  Eingriffs  eigneten, 
zum  anderen  Teil  sich  nicht  zur  Operation  entschliessen  konnten. 
Diesen  wurden  ebenso  wie  den  Patienten  mit  ausgedehnter  Drüsen- 
erkrankung kleine  Morphiumdosen,  erweichende  Umschläge  und  bei 
Vorhandensein  von  Kiefersperre  das  Einlegen  von  Mundkeilen 
verordnet,  um  die  Bewegungen  des  Mundes  wenigstens  zeitweise  zu 
ermöglichen.  Schliesslich  wird  ihnen  eingeschärft,  den  Mund  regel- 
mässig mit  Kali  chloricum  auszuspülen. 

Das  Verhältnis  der  Erkrankung  bei  Weibern  stellt  sich  auf 
6,2  °/o  der  bei  Männern,  erlaubt  aber  natürlich  bei  der  geringen 
Zahl  weiblicher  Kranken  keine  weiteren  Schlüsse. 

An  den  122  operierten  Patienten  wurden  132  Eingriffe  vor- 
genommen, 68mal  die  Unterbindung  einer,  19mal  beider  linguales 
mit  oder  ohne  Drüsenausräumung.  6mal  wurde  die  Tracheotomie 
gemacht,  davon  2mal  präventiv  nach  Trendelenburg  bei  einem 
hinten  am  Zungengrund  sitzenden  nussgrossen  Carcinom  und  dem 
folgenden  lokalen  Recidiv. 

Im  Munde  wurden  folgende  Operationen  ausgeführt: 


Partielle  Entfernung  der  Zunge 40mal 

Halbseitige  Zungenamputation 23  » 


Die  Zungencarcinomoperationen. 

61 

Totale  Zungenamputation 

9mal 

Partielle  Resektion  des  Mundbodens  mit  oder 

ohne  Ein- 

griff  an  der  Zunge 

29 

» 

Temporäre  Unterkieferresektion  . . 

2 

» 

Unterkieferresektion 

8 

» 

Ausmeisselung  erkrankter  Teile  des  Unterkiefers 

ohne  Kon- 

tinuitätsstörung 

16 

» 

Enucleation  einer  Unterkieferhälfte  .... 

1 

» 

Exstirpation  von  aussen  

4 

» 

Hiezu  kommen  die  erwähnten  Fälle  von  Wölfler: 

Halbseitige! 

Totale  Zungenamputation 

Imal 

2 

» 

Partielle  j 

1 

» 

Operation  mit  Eingriff  am  Mundboden  . . . 

• • • » 

11 

» 

» » » » Kiefer 

1 

» 

Zum  Vergleiche  sollen  hier  die  Tabellen  über  die  früher  von 
Herrn  Hofrat  Billroth  ausgeführten  Operationen  zugezogen  werden. 

Von  1870—1881. 


Von  1870—1881. 

Durchsägung  des  Unterkiefers Omal 

Exstirpation  von  aussen 5 » 

Exstirpation  vom  Munde  aus 40  » 

Von  1860—1876. 

Exstirpation  vom  Munde  aus 45mal 

davon  mittels  Galvanokauter 8mal 

mittels  Ecraseur 4 » 

Kieferdurchsägung  und  Resektion 6 » 

Osteoplastische  Methode . . 3 » 

Methode  von  Regnoli-Billroth 15  » 


Wie  hieraus  ersichtlich,  hat  sich  die  Methode  der  Operation 
bedeutend  vereinfacht,  indem  der  grösste  Anteil  der  einfachen 
Exstirpation  vom  Munde  aus  zukommt  und  die  den  Mund  um- 
gebenden Weichteile  nur  insofern  in  die  Operation  einbezogen 
wurden,  als  sie  sich  erkrankt  zeigten. 

Die  Resultate  der  verschiedenen  Perioden  direkt  miteinander 
zu  vergleichen,  erscheint  mir  nicht  zulässig,  da  die  Hauptursache 
der  jetzigen  besseren  Erfolge  gewiss  weniger  in  der  Methode 
selbst  als  in  der  Anwendung  der  vervollkommneten  antiseptischen 
Methode  liegt.  Wurde  doch  z.  B.  von  v.  Langenbeck  in  seinen 
Vorlesungen  über  Akiurgie®)  die  Operation  nach  Regnoli-Billroth 
mit  folgenden  Worten  verurteilt:  »Der  Mylohyoideus  muss  seiner 


VorIesun<;en  über  Akiurgie.  Berlin  1848. 


62 


K.  Büdiiiger. 


ganzen  Länge  nach  durchschnitten  werden  und  alle  Operationen, 
welche  die  Muskeln  trennen,  durch  die  der  Kehlkopf  an  den 
Kiefer  befestigt  wird,  sind  an  sich  nicht  ohne  Bedenken.«  Herr 
Hofrat  Billroth  hat  allerdings  die  nach  ihm  benannte  Methode 
seit  längerer  Zeit  verlassen,  wie  Wölfler  meint,  wegen  der  relativ 
hohen  Sterblichkeit  und  des  unveränderten  Auftretens  der  Recidive. 
Heutzutage  würde  wahrscheinhch  die  Sterbhchkeit  sich  ebenso 
verringert  haben,  wie  bei  den  wegen  übergreifenden  Carcinoms 
ausgeführten  Unterkieferresektionen.  Während  aber  Herr  Hofrat 
Billroth  im  Jahre  1874  in  der  betreffenden  Publikation^)  die  Zahl 
der  nicht  vom  Munde  aus  exstirpierbaren  Zungenkrebse  auf  über 
die  Hälfte  aller  Fälle  schätzte,  haben  sich  in  dieser  Beziehung  die 
Verhältnisse  gänzlich  geändert. 

Damals  waren  »alle  Fälle,  welche  auch  nur  einseitig  bis  zu 
den  papillae  circumvallatae  reichen,  auf  diesem  Wege  nicht  zu  ent- 
fernen«, während  unter  den  neuerhch  Operierten  sich  viele  befinden, 
bei  denen  die  Abtrennung  bis  nahe  an  die  Epiglottis  vom  Munde  aus 
vorgenommen  wurde.  Es  ist  also  die  Indikation  zu  dieser,  wie  zu 
den  meisten  anderen  komplizierten  Methoden  fast  vollständig  ver- 
schwunden. 

Verlauf  und  unmittelbarer  Ausgang. 

Auch  die  Nachbehandlung  ist  eine  sehr  einfache  geworden. 
In  den  ersten  Tagen  wird  die  Wunde  mehrmals  mit  Jodoformpulver 
bestäubt,  im  Anfang  oder  Verlauf  der  zweiten  Woche  werden  Tam- 
pons, Nähte  und  Drain  entfernt  und,  wenn  es  gut  geht,  ist  die 
Mundbodenfistel  in  kurzer  Zeit  geschlossen.  Mehrmals  allerdings 
wurde  dieselbe  eine  Quelle  schwerer  Belästigung  für  den  Patienten, 
indem  ihre  Heilung  sich  lange  verzögerte,  gelegentlich  sogar  ganz 
ausblieb  und  so  das  Verzehren  besonders  flüssiger  Speisen  wesent- 
lich erschwerte. 

Bisher  wurden  die  Operierten  in  der  ersten  Zeit  mit  der  Schlund- 
sonde ernährt,  die  sie  entweder  bald  selbst  einzuführen  lernten,  oder 
welche  in  kurzer  Zeit  durch  ein  »Schiffchen«  mit  angebundenem 
Rohr  ersetzt  wurde.  Nun  bewies  aber  einer  der  letzten  Fälle  wieder 
einmal  die  Gefährlichkeit  dieses  Verfahrens,  das  schon  früher  (vgl. 
Wiener  Klinik)  zweimal  zur  Perforation  des  Oesophagus  resp.  Magens 
geführt  hatte.  Während  die  Operationswunde  tadellos  heilte,  trat 
am  3.  Tage  ohne  nachweisbaren  Grund  eine  eitrige  Mediastinitis, 
Pleuritis  und  Endocarditis  auf,  welche  nach  6 Tagen  zum  Tode 
führte.  Die  Sektion  ergab  eine  Perforation  des  Oesophagus  durch 

lieber  die  Exstirpation  ausgedehnter  Zungencarcinome  von  der  regio 
siiprahyoidea  aus.  Archiv  f.  klin.  Chirurgie  XVI,  2.  Heft. 


i 


Die  Zungencarcinomoperationen. 


65 


das  Schlundrohr,  welche  sich  dadurch  entstanden  zeigte,  dass  die 
dünne  Wand  eines  von  3 Traktionsdivertikeln  der  Speiseröhre 
durchgestossen  war.  Wie  und  wann  diese  Verletzung  zugefügt 
worden  war,  konnte  nicht  aufgeklärt  werden,  da  die  klassischen 
Symptome  ganz  fehlten,  welche  sonst  die  Perforation  begleiten. 
Dies  Ereignis  ist  die  Veranlassung,  warum  in  den  letzten  Fällen 
von  der  künstlichen  Ernährung  abgesehen  wurde,  wenn  nicht 
besondere  Schwäche  die  direkte  Einführung  stärkender  Nahrungs- 
mittel dringend  indizierte. 

Die  lokale  Heilung  im  Munde  war  fast  durchwegs  eine 
günstige.  Hier  und  da  kam  geringe  Eiterung  der  Zungenwunde 
vor,  die  aber  selten  auf  die  Umgebung  des  Operationsgebietes 
Übergriff,  sondern  meist  lokal  blieb.  Eine  eigentliche  Phlegmone 
des  Halses,  von  der  Wunde  im  Munde  ausgehend,  ist  aber  in  der 
ganzen  letzten  Periode  nicht  beobachtet  worden.  Diese  gehört 
glücklicherweise  nicht  mehr  zu  den  Gefahren,  denen  die  Kranken 
mit  Zungen-  und  Mundbodencarcinomen  ausgesetzt  sind.  Während 
die  Wunddiphtherie  schon  von  Wölfler  in  das  Gebiet  der  Ver- 
gangenheit verwiesen  werden  konnte,  blieb  es  erst  der  neuen  Be- 
handlungsmethode Vorbehalten,  den  meist  tödlichen  Hals- 
Phlegmonen  wirksam  entgegenzutreten.  So  ist  von  den  gefürchteten 
Folgekrankheiten  nur  noch  die  lobuläre  Pneumonie  zurückgeblieben, 
die  wir  noch  nicht  sicher  bekämpfen  können. 

Nachblutungen  kamen  8mal  vor,  davon  Imal  am  4.,  Imal  am 
2.,  6mal  am  Tage  der  Operation,  doch  gelang  es  immer  durch  Tam- 
ponade mit  gewöhnlicher  oder  Tanninjodoformgaze,  durch  Anlegung 
einzelner  Ligaturen  oder  Umstechung  leicht,  ihrer  Herr  zu  werden. 
5mal  war  die  Unterbindung  der  Zungenarterie  vorangegangen. 

Was  die  Mortalität  als  direkte  Folge  der  Operation  betrifft, 
so  sind  unter  139  Patienten  (die  17  von  Wölfler  eingerechnet) 
18  gestorben.  9 Kranke  waren  zu  verschiedenen  Zeiten  2mal, 
einer  3mal  operiert  worden,  so  dass  149  selbständige  Emgriffe 
in  Betracht  zu  ziehen  sind.  Von  den  Todesfällen  gehen  3 für 
die  Berechnung  verloren.  Ein  Patient  war  wegen  starker  Blutung 
aus  einem  lokalen  Recidiv  zum  zweitenmal  aufgenommen  worden.  Die 
Blutung  konnte  zwar  gestillt  werden,  der  Kranke  erlag  aber  nach 
wenigen  Tagen  der  Anämie.  Der  2.  Fall  betrifft  ebenfalls  einen 
wegen  Recidivs  aufgenommenen  Patienten.  Er  hatte  die  erste 
Operation  gut  überstanden,  starb  aber  vor  Beginn  der  zweiten  im 
Chloroformcollaps,  nachdem  er  eine  ganz  geringe  Menge  der  üb- 
lichen Mischung  von  Chloroform,  Aether  und  Alkohol  eingeatmet 
hatte.  Eine  Morphiuminjektion  war  nicht  gemacht  worden.  Der 


64 


} 


'•1 


K.  Büdinger. 

3.  Fall  endlich  ist  der  eben  erwähnte  von  Perforation  des  Oeso- 
phagus bei  glatter  Wundheilung. 

Es  kommen  also  auf  148  zeitlich  getrennte  Operationen 
15  Todesfälle  = 10,1  % Mortalität.  Von  1867 — 1876  kamen  auf 
68  Operationen  17  Todesfälle  = 25  7»  Mortalität,  von  1876 — 1881 
auf  51  Operationen  9 Todesfälle  ^ 17,6  ®/o  Mortalität.  Demnach 
hat  die  Sterblichkeit  direkt  in  Folge  der  Operation  um  15  °/o 
abgenommen. 

Allerdings  hatte  man  sich  von  der  Einführung  der  neuen 
Methode  noch  bessere,  ja  beinahe  ideale  Resultate  versprochen 
und  der  Erfolg  der  öfters  erwähnten  17  Fälle  schien  diese  Hoff- 
nungen zu  bestätigen.  Aber  schon  einer  der  nächsten  Operierten 
starb  an  den  nunmehr  für  ausgeschlossen  gehaltenen  Kompli- 
kationen: lobuläre  Pneumonie,  eitrige  Bronchitis,  Eiterung  der 
Zungenwunde.  Ebenso  wie  dieser  Fall  gingen  noch  11  andere 
zu  Grunde,  bei  denen  in  einer  oder  beiden  Lungen  pneumonische 
Herde  gefunden  wurden.  Bei  vielen  von  den  übrigen  Patienten  hatte 
eine  Zeitlang  mehr  oder  weniger  starker  Bronchial-Katarrh  bestanden, 
öfters  konnte  sogar  das  Vorhandensein  pneumonischer  Herde  durch 
Auskultation  und  Perkussion  festgestellt  werden. 

Bei  8 Operierten,  welche  der  lobulären  Pneumonie  erlagen, 
wurde  fettige  Degeneration  des  Herzens,  bei  einem  chronische 
Tuberkulose  der  inneren  Organe  nachgewiesen,  einer  endhch  zeigte 
die  Symptome  hochgradiger  Kachexie.  Es  stellt  sich  also  die 
gewiss  auffallende  Thatsache  heraus,  dass  8 von  den  12  an 
Lungenentzündung  Gestorbenen  anatomisch  nachweisbare  Degene- 
rationserscheinungen des  Gesamtorganismus  zeigten.  Demzufolge 
kann  man  eine  solche  Erkrankung  als  prädisponierendes  Moment 
für  die  Entstehung  lobulärer  Entzündungsherde  in  der  Lunge  und 
als  Contraindikation  gegen  die  Operation  grösserer  Carcinome  des 
Mundes  ansehen,  und  zwar  nicht  nur,  wie  bei  jedem  ausgedehnteren 
Eingriff  wegen  der  überhaupt  schlechteren  Chancen,  sondern  speziell 
wegen  der  grösseren  Gefahr  der  Entwicklung  einer  Pneumonie. 

Von  den  anderen  Todesfällen  war  einer  dm'ch  Verblutung 
verursacht,  welche  infolge  der  durch  Gele  Komplikationen  er- 
schwerten Operation  eintrat;  ein  Patient  ging  durch  Aspiration 
von  Blut  und  dadurch  bedingtem  akuten  Emphysem  zu  Grunde; 
der  letzte  endlich  starb  zwölf  Tage  nach  der  Operation  an  Lungen- 
ödem, ebenfalls  bei  Anwesenheit  von  Fettherz. 

Recidive. 

Zum  Schlüsse  bleibt  die  Besprechung  desjenigen  Momentes, 
welches  in  jeder  Beziehung  das  traurigste  ist,  der  Recidive.  Ich 


Die  Zungencarcinomoperationen. 


65 


konnte  über  64  »geheilt«  Entlassene  weitere  Auskunft  erhalten. 
Von  diesen  sind  recidivfrei  10,  von  denen  einer  drei  Jahre  nach 
der  Operation  laut  Angabe  der  Aerzte  des  Olmützer  Krankenhauses 
ohne  eine  carcinomatöse  Erkrankung  an  croupöser  Pneumonie  ge- 
storben ist.  Von  einem  Manne  konnte  ich  ferner  nur  erfahren, 
dass  er  im  Jahre  1886  völlig  gesund  war,  nachdem  27^  Jahre 
vorher  eine  ausgedehnte  Drüsen-  und  Zungenexstirpation  vorgenom- 
men worden  war.*  Ein  Patient,  der  vor  b'j-i  Monaten  operiert 
wurde,  kann  wegen  der  kurzen  Zeitdauer  für  die  Statistik  nicht 
berücksichtigt  werden. 

Die  seit  der  Operation  verstrichene  Zeit  beträgt  8,  3,  3,  272 
Jahre,  25,  23,  22,  21,  16,  14,  (572)  Monate^®)-.  Ausserdem  leben 
5 Kranke  mit  neuerlich  aufgetretenen  Recidiven,  bei  denen  seit 
der  Operation  37,  17,  7,  6,  4 Monate  verstrichen  sind.  Bei  den 
Gestorbenen  betrug  die  Zeit  von  der  Operation  bis  zum  Tode  3 mal 
über  2 Jahre,  13nial  über  1 Jahr,  oder  wenn  man  die  jetzt  mit  Reci- 
diven behafteten  hinzurechnet,  1 mal  über  3,  3 mal  über  2,  14  mal 
über  1 Jahr.  Die  Recidive  wurden  Imal  nach  35,  Imal  nach  25,  1 mal 
nach  21,  4 mal  nach  über  12  Monaten  entdeckt.  Daraus  ist  deutlich 
ersichtlich,  dass  es  zu  niedrig  gegriffen  ist,  wenn  man  dem  Her- 
kommen nach  eine  Radikalheilung  annimmt,  sobald  nach  einem 
Jahre  keine  neuerliche  Erkrankung  aufgetreten  ist.  Meistens  ist 
ja  auch  die  Zeit  des  Auftretens  der  Recidive  weitaus  schwerer  zu 
erfahren,  als  der  Todestag,  und  zwar  kommt  dies  Moment  oft 
gerade  dann  in  Betracht,  wenn  der  Tod  erst  längere  Zeit  nach 
der  Operation  erfolgte.  Die  Durchschnittszeit  vom  Tage  der  Ope- 
ration bis  zum  Tode  betrug  bei  den  übrigen  Patienten  ziemlich 
genau  ein  Jahr.  Diese  Zahl  resultierte  mit  staunenswerter  Gleichheit 
auch  aus  den  früheren  Erfahrungen  der  Klinik,  ebenso  wie  aus  den 
Zusammenstellungen  von  Steiner  ^ 7 der  Heidelberger  und  von 
Krause  aus  der  v.  Volkmann’schen  Khnik. 

Der  Prozentsatz  stellt  sich  also  bei  den  64  Patienten,  über 
welche  Nachrichten  vorliegen,  folgendermassen : 

recidivfrei  10  = 16,6  ®/o 

Mehr  als  1 Jahr  überlebend 18  = 28,0  ®/o 

Die  Operationen,  die  in  diesen  relativ  günstigen  Fällen  aus- 
geführt wurden,  gruppieren  sich  in  folgender  Weise: 

Ohne  Recidiv: 

Exstirpation  kleinerer  Tumoren 6mal 

Davon  mit  Lingualisunterbindung 2 « 

In  2 Fällen  (3  Jahre,  22  Monate)  fehlt  der  mikroskopische  Befund. 

")  Die  Zungenoarcinome  der  Heidelberger  chirurgischen  Klinik  (Beiträge 
zur  klin.  Chirurgie  Bd.  VH).  5 


66 


K.  Büdinger. 


Halbseitige  1„  Imal 

Totale  1 Z™genamputat.on  ^ ^ 

Exstirpation  von  aussen 1 « 

Resektion  des  Mundbodens  und  Abmeisselung  mehrerer 

Alveolarfortsätze 1 « 

Mehr  als  ein  Jahr  überlebend: 

Exstirpation  kleinerer  Tumoren 8 « 

Davon  mit  Lingualisunterbindung 4 & 

Halbseitige  1 „ ^ 1 « 

Totale  1 3 , 

Exstirpation  von  aussen 1 <c 

Kieferresektion  . 2 « 

Resektionen  am  Mundboden  und  Unterkiefer 3 « 

Drüsenexstirpation  hierunter 7 « 

Im  ganzen  besteht  hienach  im  Gegensatz  zu  den  Ergebnissen 
der  früheren  Periode  ein  entschiedenes  Vorherrschen  der  günstigen 
Resultate  bei  denjenigen  Fällen,  bei  welchen  weniger  eingreifende 
Operationen  vorgenommen  wurden.  Die  einfachen  Exstirpationen 
und  partiellen  Amputationen  stellen  das  grösste  Kontingent,  wäh- 
rend ausgedehnten  lokalen  und  Drüsenentfernungen  nur  in  einer 
geringen  Zahl  eine  längere  recidivfreie  Periode  folgte. 

Nachträgliche  Ausräumung  der  infiltrierten  Drüsen,  wie  über- 
haupt die  Operationen  nicht  zu  ausgedehnter  Recidive,  scheinen 
keine  wesenthch  schlechteren  Erfolge  zu  haben,  als  die  primären 
Eingriffe.  Welchem  Umstande  das  Vorwiegen  eines  günstigen 
Heilungsverlaufes  nach  der  Exstirpation  kleinerer  Carcinome  zu- 
zuschreiben ist,  kann  schwer  entschieden  werden.  Vielleicht  spielt 
der  Zufall  die  Hauptrolle,  vielleicht  aber  auch  die  erleichterte 
Technik,  welche  die  »luxuriösere  Entfernung«,  wie  sie  Wölfler 
verlangt,  ermöghcht.  Die  Recidive  traten  scheinbar  ziemlich  gleich 
oft  in  den  Drüsen  und  lokal  auf,  doch  sind  die  Auskünfte,  welche 
ich  über  diesen  Punkt  erhalten  konnte,  zu  unsicher  und  gering 
an  Zahl,  als  dass  ich  mir  ein  Urteil  darüber  gestatten  möchte. 

Nehmen  wir  ein  Resume  über  die  letzte  Periode  der  Zungen- 
und  Mundbodenoperationen,  so  müssen  wir  sagen,  dass  die  Patien- 
ten die  Möglichkeit  der  Heilung  und  die  Wahrscheinlichkeit  einer 
Verlängerung  des  Lebens  mit  nicht  halb  so  \ielen  Gefahren  er- 
kaufen, wie  vor  wenigen  Jahren,  dass  die  Heilungsdauer  wesenthch 
abgekürzt  ist,  dass  wir  aber  dem  Verlaufe  der  Krankheit  kaum 
anders  gegenüberstehen,  als  es  seit  langem  der  Fall  war. 


Weitere  Erfahrimgeu  und  neue  Versuche 

über  die 

Narkose  mit  messbaren  Ohloroform- 

luftmischungen 

von 

Dr.  Ott(>  Kappeier  in  Münsterlingen. 


Es  sind  nun  zwei  Jalire  her,  als  ich  an  der  Hand  einer  klei- 
nen Versuchsreihe  von  200  Narkosen  den  Beweis  zu  erbringen 
versuchte,  dass  es  möglich  sei,  die  Resultate  der  physiologischen  For- 
schung, wonach  Chloroformluftmischungen,  die  sich  innerhalb  der 
Grenzen  bestimmter  Konzentrationen  halten,  lange  Zeit  ohne  Gefahr 
inhaliert  werden  können,  mit  Hilfe  eines  einfachen  und  leicht 
transportablen  Apparates  der  ärztlichen  Praxis  nutzbar  zu 
machen:  Zahlreiche  Fachgenossen  haben  sich  diese  Art 

Chloroformierung  zu  eigen  gemacht,  ein  Umstand,  der  die  Ver- 
antwortlichkeit des  Vorschlages  erhöht  und  mir  die  Pflicht  über- 
bindet, mit  weiteren  Erfahrungen  in  dieser  Richtung  nicht  hinter 
dem  Berge  zu  halten,  Nachteile  der  Methode  offen  darzulegen, 
Misserfolge  nicht  zu  verschweigen  und  vor  allem  eine  grössere  Ver- 
suchsreihe, in  Bezug  auf  alle  wichtigeren  Symptome  der  Narkose 
gesichtet,  der  öffentlichen  Prüfung  vorzulegen. 

Es  ist  ja  ohne  weiteres  klar,  dass  für  uns  xlerzte  einzig  und 
allein  die  Erfahrungen  am  Krankenbette  und  am  Operationslager 
ausschlaggebend  sind. 

Zu  den  oben  erwähnten  200  Apparatnarkosen  gesellten  sich 
weitere  800,  die  unter  meiner  Leitung  im  hiesigen  Spital  ausgeführt 
wurden,  und  es  stehen  mir  über  jede  einzelne  dieser  Narkosen 
genaue  Aufzeichnungen  zur  Verfügung. 


68 


Otto  Kappeier. 


Vorerst  aber  sollte  noch  einer  Aenderung,  respektive  Vervollkommnung 
des  Apparates  gedacht  werden.  Es  stellte  sich  nämlich  bei  weiteren  Erfahrungen 
heraus,  dass  bei  kräftigen  Männern  und  namentlich  bei  Alkoholikern  die  höchste 
Konzentration  der  Mischung,  die  Anfangsdosis  von  15,7  Gramm  auf  100  Liter 
Luft,  zu  klein  bemessen  sei  und  es  wurde  für  diese  Fälle  ein  grösseres  Gebläse, 
97  ccm  fassend,  mit  dem  Chloroformgefäss  verbunden,  für  welches  die  unten- 
stehende Skala  in  früher  genannter  Weise  genau  berechnet  ist.  ^ 


23,8 

50  ccm 

23,8 

19,4 

45  „ 

15,7 

1G,7 

40  „ 

14,1 

14,2 

35  „ 

11,2 

11,0 

30  „ 

8,3 

8,6 

25  „ 

6,3 

6,3 

20  „ 

5,(i 

4,9 

15  „ 

4,4 

4,1 

10  „ 

3,7 

Mit  dieser  Vervollständigung  des  Apparates  gelang  es  denn 
auch  bei  kräftigen  Männern,  bei  Potatoren  und  anderen  für  Chloro- 
form renitenten  Individuen,  eine  hinreichend  rasche  und  tiefe  Nar- 
kose herzustellen. 

Im  grossen  und  ganzen  — einzelne  Ausnahmen  sind  dem 
individuellen  Ermessen  und  diagnostischen  Scharfblick  über- 
antwortet — wurde  nun  folgendermassen  vorgegangen:  Wenn 
immer  möglich,  wird  der  Kranke  vormittags  narkotisiert,  nachdem 
Tags  vorher,  unter  Umständen  bei  Bauchoperationen  etc.  einige 
Tage  vorher,  der  Darm  gründlich  entleert  worden  war.  Zwei 
Stunden  vor  der  Chloroformierung  bekommt  der  Kranke  zwei 
Tassen  Milch,  Milchkaffee  oder  Thee  mit  Milch  ohne  Zulage.  Die 
Narkose  wird  in  ausgestreckter  Rückenlage  mit  leicht  erhöhtem 
Kopf  und  freier  Brust  begonnen  und  der  Kranke,  wenn  die  Ope- 
ration es  gestattet,  die  ganze  Zeit  in  dieser  Lage  gehalten.  Wich- 
tig ist  absolute  Ruhe  im  Zimmer  und  die  Beruhigung  ängstlicher 
Kranken  durch  Zureden,  Zählenlassen  etc.  Die  Operation  darf 
nicht  begonnen  werden,  bevor  der  Kranke  anästhetisch  ist.  Im 
übrigen  gelten  alle  übrigen,  bei  jeder  Narkose  zu  beobachtenden 
und  hinlänglich  gekannten,  Vorsichtsmassregeln.  Ausdrücklich  aber 
soll  noch  erwähnt  werden,  dass  die  Chloroformierung  mit  dem 
Apparat  im  Gegensatz  zur  Tropfmethode  eine  unterbrochene 
ist  und  sein  soll.  Sobald  der  Cornealreflex  erloschen  ist  und  die 
Pupillen  eng  sind,  wird  die  Maske  entfernt  und  der  Kranke  atmet 
solange  reine  Luft,  bis  das  Erwachen  der  Reflexe  neues  Vorhalten 
benötigt.  Die  Gesichtsmaske  wird  in  den  ersten  2 — 3 IMinuten 
niemals  fest  ans  Gesicht  gedrückt,  sodass  sich  die  Kranken  an 

*)  Die  Apparate  werden  unter  Kontrolle  eines  Chemikers  von  Optiker  Falken- 
stein in  Konstanz  angefertigt. 


Narkose  mit  messbaren  Chloroformluftmischungen.  69 

dieselbe  gewöhnen,  erst  nach  dieser  Zeit,  also  beim  beginnenden 
Schwinden  des  Bewusstseins,  wird  die  Maske  dicht  gehalten.  Es 
ist  damit  auch  gesagt,  dass  die  Anfangskonzentration  des  Chloro- 
formgemisches in  Wirklichkeit  eine  geringere  ist,  als  die  Skala 
anzeigt,  sodass  bei  Benützung  des  grossen  Gebläses  kaum  eine 
Anfangsdosis  von  17  Gramm  auf  100  Liter  Luft  jemals  erreicht 
wird.  Bei  kräftigen  Männern  wurde  dann  stets  das  grosse  Gebläse 
benützt,  d.  h.  die  Narkose  mit  einer  Mischung  von  23,8  (oder 
besser  17  Gramm)  auf  100  Liter  Luft  laut  Skala  (d.  h.  Füllung 
des  Apparates  auf  50  ccm)  begonnen,  bei  Frauen  dagegen  wurde 
ausnahmslos  das  kleine  Gebläse  in  Anwendung  gezogen  und  die 
Narkose  mit  einer  Füllung  auf  50  ccm  (d.  h.  mit  einer  Konzen- 
tration von  15,7  Gramm  auf  100  Liter  laut  Skala)  begonnen,  bei 
Kindern  von  4 — 15  Jahren  wurde  der  Apparat  mit  kleinem  Ge- 
bläse auf  45  ccm  aufgefüllt,  sodass  die  Anfangsdosis  bei  diesen 
nur  10,7  Gramm  auf  100  Liter  Luft  betrug,  und  bei  schwächlichen 
Kindern  des  gleichen  Alters  oder  bei  Kindern  unter  4 Jahren  wurde  der 
Apparat  mit  kleinem  Gebläse  auf  40  ccm  gefüllt,  d.  h.  die  Narkose  mit 
einer  Anfangsdosis  von  10,0  Gramm  auf  100  Liter  Luft  begonnen. 

Bei  dieser  Anordnung  genügte  unter  800  Narkosen  die  erst- 
malige Auffüllung  des  Apparates,  sei  es  auf  50,  45,  40  ccm,  je 
nach  dem  Alter  und  der  Konstitution  der  Kranken  in  579  Fällen, 
es  war  also  bei  72,3 '^/o  aller  Narkosen  eine  Nachfüllung  des  Appa- 
rates nicht  notwendig,  um  eine  hinreichend  tiefe  Narkose  zu  erreichen. 

Bei  159  von  800  Chloroformierungen,  also  bei  19,8%,  war 
eine  einmalige  Nachfüllung  des  Apparates  notwendig,  bei  53, 
also  bei  6,6%,  eine  zweimalige,  bei  8 Narkosen  respektive  1% 
eine  dreimalige  und  nur  ein  einziges  Mal  eine  viermalige. 
Mit  der  Nachfüllung  wurde  es  folgendermassen  gehalten.  Auf  die 
Anfangsfüllung  z.  B.  — Füllung  auf  50  ccm  und  grosser  Ballon 
— griff  man  nur  dann  zurück,  wenn  nach  Verbrauch  von  10  ccm 
Chloroform  noch  alle  Reflexe  erhalten  waren.  War  dagegen  schon 
ein  mässiger  Grad  von  Anästhesie  erreicht,  aber  der  Corneal- 
reflex  noch  nicht  erloschen,  so  wurde  bei  der  Nachfüllung  eine 
kleinere  Dosis  gewählt,  z.  B.  Nachfüllung  von  45  ccm  statt  auf 
50  ccm  etc.  Handelte  es  .sich  nur  um  Festhaltung  der  einmal 
erreichten  completten  Anästhesie,  so  wurde  niemals  wieder  auf 
die  Anfangsdosis  zurückgegangen  und  auch  bei  kräftigen  Männern 
die  Konzentration  von  10 — 12  Gramm  auf  100  Liter  Luft  unter 
keinen  Umständen  mehr  überschritten. 

Es  hat  sich  auf  Grund  dieser  grössern  Versuchsreihe  heraus- 
gestellt, dass  im  grossen  und  ganzen  beim  Menschen  Verdünnungen 


70 


Otto  Kappeier. 


des  Chloroformluftgemisches,  die  unter  6 Gramm  auf  100  Liter 
Luft  heruntergehen,  wirkungslos  sind,  sodass  also  der  Apparat, 
wenn  das  Chloroform  bis  auf  einen  Stand  der  Flüssigheitssäule 
bei  20  ccm  abgedunstet  ist,  auch  zur  Erhaltung  der  bereits  vor- 
handenen Anaesthesie  wieder  nachgefüllt  werden  muss. 

Die  Chloroformersparnis  ist  bei  Anwendung  des  Apparates 
gegenüber  der  freien  Verwendung  desselben  mit  Tuch  und  Es- 
marchscher  Maske  eine  so  erhebliche  und  fällt  so  sehr  ins  Gewicht, 
dass  genau  geprüft  werden  musste,  ob  das  schon  einmal  ange- 
brauchte und  teilweise  durchblasene  Chloroform  zur  Weiterverwen- 
dung tauglich  sei  und  den  nötigen  Grad  der  Reinheit  besitze,  denn 
nur,  wenn  dies  wirklich  der  Fall  ist  und  das  einmal  im  Apparat 
befindliche,  nicht  verbrauchte,  Chloroform  neuerdings  verwendet 
werden  darf,  kann  von  Chloroformersparnis  die  Rede  sein. 

Die  diesbezügliche  Untersuchung,  die  Herr  Viktor  Herose  in 
seinem  Laboratorium  vorzunehmen  die  Güte  hatte,  wurde  folgen- 
dermassen  gemacht: 

Eine  grössere  Flasche  Chloroform  wurde  genau  auf  Siedepunkt, 
spezifisches  Gewicht,  und,  nach  den  bekannten  Methoden,  auf 
Verunreinigungen  geprüft.  Dann  wurde  dieses  geprüfte  Chloro- 
form mit  Hilfe  des  Apparates  verwendet  und  die  bei  den  verschie- 
denen Narkosen  übrig  bleibenden  Reste  wurden  solange  zusammen- 
geschüttet, bis  eine,  zu  einer  neuen  Untersuchung,  hinreichende 
Menge  angebrauchten  Chloroforms  beisammen  war.  Dieses  Chloro- 
form wurde  dann  zweimal  untersucht,  einmal  unmittelbar  nach 
der  Ablieferung  ans  Laboratorium,  ein  zweites  Mal  nach  6 bis  8 
Wochen,  in  welcher  Zeit  das  Chloroform  in  einer  gelbbraunen 
Flasche  ohne  Umhüllung  auf  dem  Laboratoriumstisch  gestanden 
hatte.  Diese  Untersuchungen  wurden  in  ganz  gleicher  Weise  vor- 
genommen, wie  die  Untersuchung  des  frischen  Chloroforms.  Der 
einzige  bemerkenswerte  Unterschied  zwischen  dem  angebrauchten 
und  nicht  gebrauchten  Chloroform  war,  dass  das  angebrauchte  eine 
Zunahme  des  spezifischen  Gewichtes  um  0,007  erfahren  hatte. 
Alle  hier  nicht  näher  zu  erwähnenden  Reaktionen  fielen  gleich 
aus,  ausgenommen  eine:  Konzentrierte  Schwefelsäure,  dem  an- 
gebrauchten Chloroform  beigemischt,  bräunte  dasselbe  leicht.  Die 
Ursache  dieser  Bräunung  lag  in  Verkohlung  und  Schwärzung  von 
Staubteilchen,  die  trotz  sorgfältiger  Reinhaltung  des  Operations- 
lokales infolge  Durchblasens  der  Luft  durch  das  Chloroform  dem- 
selben zugeführt  wurden.  Es  war  also  nur  eine  mechanische, 
keine  chemische  Veränderung  des  Chloroforms  infolge  Durchblasens 
nachzuweisen  und  sie  bestand  lediglich  in  Beimischung  von  Staub- 


Narkose  mit  messbaren  Chloroformluftmischungen. 


71 


teilchen.  Der  Siedepunkt  war  derselbe  vor  wie  nach  dem  Gebrauch, 
nämlich  62  C.,  und  alle  übrigen  Proben,  auch  die  für  den  Er- 

fahrenen sehr  wichtige  Geruchprobe,  ergaben  für  das  angebrauchte 
Chloroform  keine  Aenderung. 

Von  den  800  Chloroformierten  gehören  420  dem  männlichen, 
380  dem  weiblichen  Geschlechte  an. 

Die  Altersgrenzen  erstrecken  sich  von  14  Tagen  Ins  zu  82 
Jahren  und  zwar  wurden  chloroformiert: 


Männer 

Weiber 

Summa 

unter  5 Jahren  .... 

84 

65 

149 

von  5 — 10  Jahren  . . . 

46 

23 

69 

„ 11-20  „ ... 

83 

61 

144 

„ 21-30  „ ... 

43 

64 

107 

„ 31-40  „ ... 

37 

32 

69 

„ 41—50  „ ... 

40 

51 

91 

„ 51—60  „ ... 

47 

50 

97 

„ 61-70  „ ... 

30 

25 

55 

„ 71-80  „ ... 

8 

8 

16 

über  80  Jahre 

2 

1 

3 

420 

380 

800 

Für  die  800  Narkosen  wurden  verbraucht  9881  Kubikcentimeter 
Chloroform,  sodass  durchschnittlich  auf  die  Narkose  kommen 
12,3  ccm.  Das  Verhältnis  ist  somit  ein  günstigeres,  als  bei  der 
Berechnung  auf  eine  kleinere  Anzahl  Narkosen,  denn  während  der 
Verbrauch  nach  dem  Durchschnitt  von  150  Narkosen  noch 
13,49  ccm  oder  bei  einem  spezifischen  Gewicht  von  1,466 — 19,79 
Gramm  betrug,  ist  er  nach  dem  Durchschnitt  von  800  Narkosen 
auf  12,3  ccm  oder  18,03  Gramm  gefallen. 

Diese  9881  Kubikcentimeter  Chloroform  verteilen  sich  auf 
eine  Gesamtnarkosendauer  von  29088  Minuten.  Es  kommen  also 
auf  die  Minute  Narkosendauer  im  Durchschnitt  0,33  ccm  ge- 
brauchtes Chloroform.  Auf  800  Narkosen  kommen  6525  Minuten, 
bis  die  Kranken  operationsbereit  sind,  bei  einem  Durchschnitt  von 
800  Narkosen  ist  somit  der  Kranke  in  8 Minuten  operationsbereit, 
sodass  also  die  Methode  der  Tropfmethode  nach  Baudouin  gegen- 
über den  Vorteil  wesentlicher  Zeitersparnis  hat. 

Mit  einem  Verbrauch  von  6631  ccm  Chloroform  können  800 
Kranke  operationsbereit  gestellt  werden.  Im  Durchschnitt  bedurfte 
es  also  eines  Verbrauchs  von  5,7  ccm,  bis  der  Kranke  operations- 
bereit war. 

Von  den  800  Chloroformierten  haben  698  nicht  gebrochen, 
also  87,2  ®/o,  20,  d.  h.  2,5  ®/o  zeigten  Nausea  und  Brechbewegungen 


72 


Otto  Kappeier. 


ohne  Brechen,  82  Kranke,  10,2 °/o,  brachen  und  zwar  21,  also 
2,8  ®/o,  erst  nach  vollendeter  Operation.  Darunter  fanden  sich  13, 
meist  Schwerverletzte,  die  nicht  zur  Operation  vorbereitet  werden 
konnten  und  kurze  Zeit  vor  der  Operation  gegessen  oder  grössere 
Mengen  Wein  getrunken  hatten.  Lässt  man  diese  13  unvorberei- 
teten Kranken  ausser  Berechnung,  so  reduziert  sich  die  Prozent- 
zahl derer,  die  brachen,  auf  8,7  ®/o. 

Was  nun  den  Gesamtcharakter  der  Narkosen  betrifft,  so  ver- 
dienen von  den  800  Chloroformierungen  667,  d.  h.  83,37«,  ^^s 
Prädikat  gut,  81,  d.  h.  10,1 7«,  das  Prädikat  ziemlich  gut,  es 
machten  sich  mit  andern  Worten  ausser  etwas  stärkerer  Auf- 
regung und  längerem  Nichteintreten  der  Anästhesie  und  Muskel- 
erschlaffung keine  unangenehmen  Erscheinungen  bemerkbar. 
Schlechte  Narkosen,  d.  h.  solche  mit  ungewöhnlicher  und  lange 
anhaltender  Aufregung,  starker  Muskelspannung,  Kiefersperre, 
Cyanose  durch  Unterbrechung  der  Respiration,  beobachteten  wir  im 
ganzen  52,  d.  h.  6,5  °/o  aller  Narkosen.  Als  hauptsächlichste  Ur- 
sache dieser  unangenehmen  und  störenden  Erscheinungen  ist  Pota- 
torium  verzeichnet,  in  einigen  Fällen  auch  hochgradige  H}'’sterie 
und  Angst  vor  der  Operation,  dann  gehören  hierher  einige  Fälle 
von  Gesichts-  und  Rachenoperationen,  die  eine  tiefe  Chlorofor- 
mierung  nicht  gestatteten. 

Unter  diesen  800  Narkosen  finden  sich  solche  von  1 bis 
l72stündiger  Dauer  123,  und  zwar  beträgt  die  durchschnittliche 
Dauer  dieser  123  Narkosen  69,3  Minuten.  Der  Chloroform  verbrauch 
bei  denselben  belief  sich  auf  2480  ccm,  sodass  im  Durchschnitt 
auf  die  Narkose  fallen  20,1  ccm  Chloroform.  Von  diesen  123 
Chloroformierungen  verdienen  nur  drei  das  Prädikat  schlecht,  eine 
derselben  war  eine  ausgesprochene  Säufernarkose  mit  sehr  heftigem 
und  stürmischem  Excitationsstadium  und  die  zwei  übrigen  — die 
einzigen  unter  800  — boten  eigentlich  gefahrdrohende  Erschei- 
nungen. Sie  betrafen 

1.  ein  Mädchen  von  12  Jahren,  bei  dem  die  Enucleation 
mehrerer  Strumaknoten  vorgenommen  werden  musste  und  das, 
überdies  sehr  ängstlich  und  debil,  im  Excitationsstadium  unter 
ausgesprochener  Cyanose  und  Erweiterung  der  Pupillen  zu  atmen 
aufhörte.  Erst  nach  Entfernung  des  im  Larynx  angesammelten 
Schleims  und  nach  Anwendung  künstlicher  Atmung  fing  sie  wie- 
der spontan  zu  respirieren  an.  Diese  aufregende  Scene  wiederholte 
sich  mehrmals,  und 

2.  einen  53jährigen,  durch  mehrmonatlichen  Icterus  sehr 
herabgekommenen  Mann,  bei  dem  die  Cholecystotomie  gemacht 


73 


Narkose  mit  messbaren  Chloroformluftmischungen. 

wurde  und  der  zweimal  unter  asphyctisclien  Erscheinungen  ohne 
Erblassen  und  ohne  Verschwinden  des  Pulses  beunruhigenden 
Respirationsstillstand  zeigte,  der  jeweils  durch  sofort  eingeleitete 
künstliche  Respiration  prompt  gehoben  wurde. 

Unter  diesen  123  Kranken,  die  1 — U/s  Stunden  chloroformiert 
werden  mussten,  fand  sich  auch  eine  57jährige  Frau  (Operation: 
Totalexstirpation  des  Uterus  wegen  Carcinom),  die  alle  Erschei- 
nungen einer  Insuffizienz  der  Mitralklappe  zeigte  und  bei  der  die 
75  Minuten  dauernde  Narkose  ohne  alle  Störung  seitens  der  Respi- 
ration und  der  Herzthätigkeit  ausserordentlich  ruhig  und  gut  ver- 
lief. — 

Narkosen  von  172 — 2 Stunden,  von  90 — 115  Minuten  Dauer, 
sind  14  verzeichnet.  Ihre  durchschnittliche  Dauer  beträgt  103,2 
Minuten.  Verbraucht  wurden  zur  Herstellung  dieser  14  Narkosen 
340  ccm  — grösster  Konsum  43,  geringster  14  — , sodass  auf  die 
Narkose  im  Durchschnitt  24,2  ccm  Chloroform  fallen.  Alle  diese 
Narkosen  waren  mit  Ausnahme  von  einer,  die  vorübergehend  durch 
Brechen  und  Brechreiz  gestört  war,  gute,  zum  Teil  sehr  gute,  ohne 
alle  und  jede  üble  Erscheinung  seitens  der  Respiration  und  Cirku- 
lation.  Einer  dieser  14  Kranken,  dem  der  linke  Lappen  der  Schild- 
drüse ganz  entfernt  werden  musste,  litt  an  Mitralstenose  und  auch 
in  diesem  Fall  war  die  100  Minuten  dauernde  Narkose  eine  in 
jeder  Beziehung  vortreffliche  und  mustergültige. 

Narkosen  von  2 Stunden  und  längerer  Dauer,  von  120  bis 
200  Minuten,  finden  sich  unter  den  800  Narkoseii  13.  Die  durch- 
schnittliche Dauer  derselben  beträgt  138,0  Minuten.  Verbraucht 
wurden  zur  Herstellung  dieser  13  Narkosen  453  ccm.  Grösster 
Verbrauch  46,  geringster  24  ccm.  Im  Durchschnitt  wurden  ver- 
braucht 34,8  ccm  per  Narkose.  Unter  diesen  13  findet  sich  keine 
einzige  schlechte  Narkose  und  speziell  die  5 Narkosen  wegen 
Pylorusresektion  von  zweimal  120,  je  einmal  von  140,  150  und 
160  Minuten  Dauer  waren  ausnahmslos  trotz  des  zum  Teil  sehr 
gesunkenen  Kräftezustandes  der  betreffenden  Patienten  alle  gut, 
ruhig  und  tief  und  von  keinen  nennenswerten  Nachleiden  gefolgt. 
Speziell  mag  noch  Erwähnung  gethan  werden  eines  älteren  Mannes 
mit  Darmresektion  wegen  gangränöser  Hernie,  der,  trotz  hoch- 
gradigsten Atheroms  aller  oberflächlichen  Arterien  und  der  Aorta, 
in  tiefer  Narkose  immer  einen  regelmässigen,  guten  Puls  und  eine 
ruhige  Respiration  zeigte.  Bemerkenswerte  N a c h 1 e i d e n , wie 
tagelanges  Brechen,  vollständiger  Appetitmangel,  heftige  Kopf- 
schmerzen, grosse  Schwäche  und  Collapszustände  sind  nicht  beob- 
achtet worden. 


74 


(Jtto  Kappeier. 


Bei  einem  psychopathischen  Kranken,  der  schon  vor  der 
Operation  in  einem  Zustand  unheimlicher  Aufregung  war  und  der 
nach  20  Minuten  dauernder  Apparatchloroformierung  eine  Art 
Tobsuchtsanfall  bekam,  griffen  wir  — das  einzige  Mal  bei  1000 
Apparatnarkosen  — zur  Esmarchschen  Maske,  konnten  aber  auch 
damit  und  mit  grossen  Dosen  Chloroform  keine  zufriedenstellende 
Narkose  erzielen. 

Im  ganzen  sind  die  Apparatnarkosen  von  Jahr  zu  Jahr  besser 
geworden,  es  gilt  auch  hier  der  Satz,  der  für  jede  chirurgische 
Handlung  gilt,  Uebung  macht  den  Meister.  — 

Kronecker’),  dem  wir  so  ausserordentlich  wichtige  Arbeiten 
über  die  Chloroformwirkung  verdanken,  sagt  von  den  bisher  ver- 
wendeten Apparaten  und  verschiedenartig  konstruierten  Masken, 
dass  weder  diese,  noch  die  genauen  Messungen  der  aufgegossenen 
Betäubungsmittel  auch  nur  entfernt  auf  die  Menge  der  in  die 
Lunge  gelangenden  Dämpfe  schliessen  lasse.  Man  müsste  hierzu 
die  Richtungen  und  Geschwindigkeiten  der  in  Mund  und  Nase 
dringenden  Luft-  und  Dampf  ströme  kennen,  die  wechseln  mit  den 
Widerständen,  welche  der  Inspirations-  und  Exspirationsstrom  an 
dem  Maskenstofie  oder  an  der  Aether-  respektive  Chloroformschicht 
erfährt.  In  unkontrollierbarer  Weise  ändern  sich  die  eingeatmeten 
Dampfmengen  mit  der  Tiefe  und  Geschwindigkeit  der  Atemzüge, 
endlich  mit  der  Verdünnung,  welche  die  narkotisierenden  Flüssig- 
keiten durch  die  Wasserdämpfe  der  Ausatmungsluft  erfahren,  ab- 
gesehen von  andern  Verunreinigungen  durch  SjDeichel  etc.,  und 
auch  meinem  Apparat  macht  er  den  Vorwurf,  dass  die  aufgenom- 
menen Dampfmischungen  von  der  Tiefe  und  Frequenz  der  Atmungs- 
züge abhängig  ist,  ohne  jedoch  näher  darauf  einzugehen,  in  welcher 
Weise  das  geschieht.  Untersucht  man  aber  nun  genauer,  wie  sich 
unser  Apparat  zu  den  Aenderungen  in  Tiefe  und  Frequenz  der 
Atmung  verhält,  so  ergiebt  sich  das  zufriedenstellende  Resultat, 
dass  gerade  bei  diesem  Apparat,  im  Gegensatz  zu  vielen  andern, 
niemals  eine  Ueberdosierung  durch  V eränderungen  in  Schnellig- 
keit und  Ausgiebigkeit  der  Atemzüge  möglich  ist. 

Atmet  der  Kranke  ruhig  und  regelmässig,  wie  in  der  vollen 
Narkose,  so  atmet  der  Kranke  genau  die  Hälfte  des  Chloroforni- 
dampfes  ein,  die  der  continuierliche  Strom  des  Apparates  fördert, 
da,  wie  schon  in  einer  frühem  Publikation  erwähnt  worden,  die 
Hälfte  des  vom  Apparat  gelieferten  Chloroformdampfes  durch  den 
Exspirationsstrom  weggeblasen  wird  und  der  Kranke  atmet  diesen 


b CoiTesi3ondenzl)latt  für  Schweizer  Aerzte  1890,  Nr.  22. 


Narkose  mit  messbaren  Chloroformluftmisclmngen. 


75 


Chloroformdampf  ein  genau  in  der  Verdünnung,  die  die  Skala 
des  Apparates  anzeigt. 

Macht  der  Kranke  ungewöhnlich  tiefe  Atemzüge,  so  strömt 
deshalb  auch  nicht  1 ccm  mehr  Chloroformdampf  in  seine  Lungen, 
denn  er  ist  nicht  im  stände  mehr  Chloroform  einzusaugen , als 
der  Apparat  in  einer  bestimmten  Zeit  giebt  oder,  mit  andern 
Worten,  als  in  die  Maske  geblasen  wird.  Das  Mehr  an  ein- 
geatmeter Mischung  von  Chloroformdampf  und  atmosphärischer 
Luft  bei  ungewöhnlich  tiefen  Atemzügen  fällt  einzig  und  allein 
auf  die  atmosphärische  Luft,  die  der  Kranke  durch  das  grosse 
Luftloch  der  Maske  oder  neben  der  Maske  einsaugt.  Er  atmet 
also  bei  tiefem  Atemzügen  stärker  verdünnte  Chloro- 
form dämpfe  ein. 

Nimmt  die  Frequenz  der  Atemzüge  zu  und  atmet  der  Kranke 
ungewöhnlich  rasch,  so  wird  er  ebensowenig  mehr  CUiloroform 
in  seine  Lungen  einpumpen,  als  bei  tieferer  Atmung,  denn  ob  er 
in  der  Minute  16  oder  32  mal  atmet,  er  kann  nicht  mehr  als  die 
Hälfte  der  in  einer  gegebenen  Zeit  vom  Apparat  gelieferten  kon- 
stanten, respektive  konstant  abnehmenden,  Chloroformmenge  auf- 
saugen. Die  Menge  Chloroform,  die  der  Lunge  zugeführt  wird, 
kann  weder  durch  erhöhte  Frequenz,  noch  durch  ungewöhnliche 
Tiefe  der  Atmung  erhöht  werden. 

Im  Gegensatz  zu  der  Mehrzahl  der  übrigen  Chloroformierungs- 
methoden  besitzt  also  die  Methode  der  Chloroformierung  mit 
messbaren  Chloroformluftmischungen  den  grossen  Vorteil , dass 
in  Perioden  stürmischer  und  tiefer  Atmung,  z.  B.  in 
den  kritischen  Momenten  nach  vollständigem  Atmungs- 
stillstand, ohne  irgend  welche  Vorsichtsmassregeln, 
ohne  die  geringste  A e n d e im n g in  Anwendung  des  Appa- 
rates, die  Konzentration  des  Chloroformluftgemisches 
herabgesetzt  wird. 

Eine  Verdünnung  und  Verunreinigung  des  Chloroformluft- 
gemisches durch  die  Exspirationsluft  ist  ebenfalls  so  ziemlich  aus- 
geschlossen, da  bei  der  Chloroformierung  mit  meinem  Apparat 
nur  ein  sehr  kleiner  Teil  der  Exspirationsluft,  derjenige,  der  dem 
geringen  Kubikinhalt  der  Maske  entspricht,  zur  Verunreinigung 
beitragen  kann.  Dieser  geringe  Grad  spielt  aber  keine  Rolle.  Und 
im  weiteren  ist  noch  folgendes  wohl  zu  berücksichtigen:  Es  findet 
allerdings  auf  den  Tuchmasken,  auf  denen  die  Verdunstung  des 
Chloroforms  direkt  stattfindet,  eine  Verdünnung  und  Verunreini- 
gung desselben  statt  und  zwar  deshalb,  weil  der  Flanell  der  Maske 
sich  durch  die  rasche  Verdunstung  rasch  abkühlt  und  sich  der 


76 


Otto  Kajjpeler. 


Wasserdampf  der  Ausatmungsluft  daran  condensiert,  bei  den 
folgenden  Inspirationen  wieder  teilweise  verdunstet  und  einge- 
atmet wird.  Die  Maske  dagegen  erleidet  keine  Abkühlung  durch 
das  dem  i^pparat  entströmende,  mit  warmer  Zimmerluft  gemischte, 
Chloroform.  Sie  erwärmt  sich  im  Gegenteil  nach  wenigen  Atem- 
zügen und  behält  diese  Temperatur  bei. 

In  einer  Publikation  von  L a n z wird  die  Behauptung  auf- 
gestellt, dass  die  sogenannte  Tropfmethode,  die  auch  in  der  Kocher- 
schen  Klinik  geübt  wird,  ungleich  besser,  als  dies  mit  Apparaten 
(Junker,  Kappeier)  geschieht,  ermögliche,  zu  individualisieren  und 
bei  jedem  Patienten  die  ihm  zukommende  Maximaldose  genau  ein- 
zuhalten. Ich  bin  durchaus  nicht  dieser  Ansicht,  ich  möchte  im 
Gegenteil  für  die  Behauptung,  dass  die  Tropfmethode  in  Bezug 
auf  die  Dosierung,  in  Bezug  auf  die  Konzentration  der  eingeatmeten 
Chloroformdämpfe  sehr  unzuverlässig  ist,  den  Beweis  antreten. 

Bei  meinem  Apparat  ist  eine  Konzentration,  die  über  ein 
bestimmtes  gegebenes  Mass  hinausgeht,  nicht  möglich  und  der  Chloro- 
formierende hat  es  in  der  Hand,  für  jeden  einzelnen  Kranken  eine 
bestimmte  Konzentration  zu  wählen  oder  eine  gegebene  Konzen- 
tration jeden  Augenblick  herabzusetzen. 

Bei  der  gebräuchlichsten  Chloroformierung,  der  mit  Esmarch- 
scher  Maske,  bei  der  die  Maske  bekanntlich  nicht  fortwährend 
dicht  vor  das  Gesicht  gehalten  wird,  strömt  nur  ein  Teil  der  Luft 
durch  das  mit  Chloroform  getränkte  Flanell,  es  wird  sogar  wegen 
des  geringeren  Widerstandes  der  Hauptluftstrom  neben  der  Maske 
eintreten  und  das  durch  die  Maske  eindringende  Chloroformluft- 
gemisch noch  weiter  verdünnen.  Allein  es  ist  bei  dieser  Art  Chloro- 
formierung ganz  unmöglich,  den  Grad  der  Verdünnung  der 
Chloroformdämpfe  zu  regulieren  oder  auch  nur  annähernd  zu 
bestimmen,  es  hängt  dies  von  der  Entfernung  der  Maske  vom 
Gesicht,  von  der  Art  des  Aufgiessens  und  andern  Umständen  ab. 
Die  Konzentration  der  Dämpfe  ist  somit  bei  dieser  Art  Chlorofor- 
mierung eine  sehr  variable,  es  kommen  sehr  hohe  Konzentrationen 
vor,  wie  sie  bei  meinem  Apparat  niemals  Vorkommen  und  nicht 
einmal  beim  ursprünglichen  Junkerschen  Apparat  Vorkommen 
konnten. 

Bei  der  Tropf  m e t h o d e ■),  wo  die  Mund  und  Nase  bedeckende 
Maske  während  der  ganzen  Narkose  nicht  entfernt  wird,  muss 


Centralblatt  für  Chirurgie  1891  Nr.  50. 

2)  Brandt:  Centralblatt  für  Chirurgie  1891  Nr.  47.  — Baudouin:  Gaz.  des 
böp.  1890  Nr.  ()5  u.  68. 


Narkose  mit  messbaren  Chloroformluftmischungen. 


77 


alle  eingeatinete  Luft  durch  das  mit  Chloroform  imprägnierte  Zeug 
(Flanell,  Gaze  etc.)  durchgesogen  werden. 

Nun  ist  wohl  zu  berücksichtigen,  dass  das  Chloroform  leicht 
flüssig  ist  und  sehr  wenig  Kohäsion  besitzt.  Es  dehnt  sich  daher 
mit  ausserordentlicher  Schnelligkeit  über  den  Zeugüberzug  der 
Maske  aus,  auch  ist  sehr  zu  berücksichtigen,  dass  bei  dieser  Aus- 
dehnung nicht  allein  der  Quadratinhalt  des  aufgespannten  Flanells 
in  Betracht  kommt,  sondern  auch  seine  Dicke,  selbst  wenn  sie 
makroskopisch  nicht  erheblich  ist.  Das  Chloroform  wird  sich 
nämlich  nicht  allein  in  der  Fläche,  es  wird  sich  auch  längs  der 
einzelnen  Fäden  des  Gewebes  ausdehnen  und  es  muss  gerade 
deshalb  die  Verdunstung  eine  ausserordentlich  rasche  sein.  Werden 
nun  z.  B.  vor  Beginn  eines  Atemzugs,  2,  4,  6,  10  Tropfen  auf- 
gegossen, so  können  sie  ganz  leicht  in  einem  Atemzug  bis  auf 
einen  kleinen  Rest  aufgebraucht  werden.  Nun  wiegt  der  Tropfen 
Chloroform  0,027  gr.  Berechnet  man  die  Respirationsluft  auf 
500  ccm,  so  erhält  der  zu  Chloroformierende  beim  Aufgiessen  und 
Verbrauch  eines  Tropfens  ein  Chloroformluftgemisch  von  5,4  gr 
Chloroform  auf  100  Liter  Luft,  bei  4 Tropfen  von  21,6  gr  auf 
100,  bei  10  Tropfen  von  54,0  auf  100,  und  bei  15  Tropfen  von 
81  gr  auf  100  Liter  Luft. 

Da  auch  bei  dieser  Art  des  Chloroformierens  kürzere  oder 
längere  Respirationspausen  auftreten  können  und  auftreten,  die 
dann  wiederum  von  ungewöhnlich  langen  und  tiefen  Inspirationen 
gefolgt  sind,  so  ergiebt  sich  ohne  weiteres,  dass  auch  diese  Chloro- 
formierungsmethode  die  Einatmung  von  Chloroformluftmischungen 
hoher  und  unter  Umständen  gefährlicher  Konzentration  nicht  ver- 
hindert. Es  mag  zugegeben  werden , dass  sie  gegenüber  der 
gewöhnlichen  Chloroformierung  einen  kleinen  Fortschritt  nach  der 
Richtung  geringerer  Gefahr  bedeutet,  dann  namentlich,  wenn  das 
Auftropfen  mit  grosser  Vorsicht  und  Berücksichtigung  der  Art  und 
Weise  des  Atmens  geschieht,  aber  auch  diese  Methode  schützt 
nicht  vor  Ueberdosierung  und  sie  verlangt  bei  geringerer  Sicher- 
heit weit  mehr  Aufmerksamkeit  und  Geschick  seitens  des  Chloro- 
formierers,  als  die  Apparatchloroformierung. 

Die  grosse  Sicherheit  der  Chloroformierung  bei  Tieren  mit 
titrierten  Chloroformluftmischungen  und  künstlicher  Atmung  kann 
nach  den  Versuchen  von  P.  Bert  und  Kronecker  als  bewiesen 
gelten,  für  die  Chloroformierung  mit  meinem  Aj)parat  und  ohne 
künstliche  Atmung  war  dieser  Beweis  erst  noch  zu  erbringen. 
Deshalb  und  weil  aus  den  1000  Narkosen  an  Menschen  eine  geringere 
Gefahr  dieser  Art  Chloroformierung  noch  keineswegs  hervor  geht, 


78 


Otto  Kappeier. 


sah  ich  mich  veranlasst,  in  Gemeinschaft  mit  den  Herrn  Dr,  Sulzer 
und  Dr.  Tschudy,  denen  ich  für  die  Sorgfalt  und  Ausdauer,  mit  der 
sie  mich  unterstützten,  zu  bestem  Dank  verpflichtet  bin,  eine  Reihe 
von  Versuchen  anzustellen,  um  die  Apparatchloroformierung  und  die 
gebräuchlicheren  Chloroformierungsmethoden  überhaupt  auf  ihre 
Leistungen  und  Gefahren  an  einem  für  Chloroform  sehr  empfind- 
lichen Tiere,  dem  Kaninchen,  vorurteilslos  zu  prüfen. 

Alle  Beobachter  stimmen  darin  überein,  dass  Kaninchen  den 
inhalierten  Chloroformdämpfen  sehr  leicht  und  rasch  erliegen. 
Nach  Kronecker  vertragen  die  Hunde  viel  länger  die  Chloroform- 
narkose, als  Kaninchen.  Ungar’)  sagt:  Hierbei  (bei  den  Versuchen) 
mussten  wir  freilich  die  Erfahrung  machen,  dass  es  ausserordent- 
lich schwierig  sei,  Kaninchen  nach  eingetretener  Narkose  noch 
einige  Zeit  Chlorofornidämj^fe  einatmen  zu  lassen.  Ehe  wir  daher 
grössere  Erfahrung  gesammelt  hatten,  gingen  uns  die  Tiere  kurze 
Zeit  nach  eingetretener  Narkose  zu  Grunde.  Erst,  als  wir  dazu 
übergingen,  die  Chloroforminhalationen  nach  erreichter  Narkose 
zu  unterbrechen  und  erst  nach  einiger  Zeit,  meist  erst,  als  die 
Tiere  aus  der  Narkose  erwachten,  wieder  aufzunehmen,  gelang  es, 
bei  einigen  Tieren  die  Chloroforminhalationen  über  einen  längern 
Zeitraum  auszudehnen.  Aber  auch  jetzt  noch  verendeten  viele 
Tiere  während  der  Chloroformierung  vor  dem  beabsichtigten  Ende 
des  Experimentes,  und  weiter  bemerkt  er : »Bei  Hunden  giebt  sich 
eine  drohende  Lebensgefahr  meist  noch  rechtzeitig  zu  erkennen 
und  tritt  der  Exitus  lethalis  nicht  so  plötzlich  ein,  wie  bei 
Kaninchen. « 

Es  wurden  nun  bei  Kaninchen  verschiedenen  Alters  und 
Gewichtes,  verschiedenen  Ernährungszustandes  und  verschiedener 
Grösse  drei  Versuchsreihen  gemacht. 

Einmal  wurden  die  Tiere  mit  meinem  Apparat  chloroformiert 
und  zwar  wurde  an  demselben  nur  die  Aenderung  vorgenommen, 
dass  die  beim  Kranken  verwendete  Maske  durch  eine  kleine 
Kupfermaske,  ein  Miniaturabklatsch  der  grossen,  ersetzt  wurde, 
die,  wie  die  grosse,  an  ihrer  Kuppe  neben  dem  Ansatz  für  das, 
das  Chloroform  zuleitende,  Kautschukrohr,  ein  grösseres  Ventilations- 
loch besitzt  und  an  ihrer  Basis  durch  ein  Kautschukdiaphragma 
abgeschlossen  ist,  das  luftdicht  über  die  Schnauze  des  Tieres 
gestülpt  werden  kann. 

In  einer  zweiten  Versuchsweise  wurden  die  Tiere  mit  einer 
kleinen,  zu  diesem  Zweck  aus  Draht  hergestellten  und  mit  dünnem 
Flanell  überzogenen,  Esmarchschen  Maske  chloroformiert.  Die  Form 


*)  Vievteljahrssehnft  f.  gericlitl.  Med.  Nr.  XL VII  1. 


Narkose  mit  messbaren  Chloroformliiftmischimgen. 


79 


derselben  war  so  beschaffen,  dass  sie  Maul  und  Nase  des  Tieres 
in  gleicher  Weise  bedeckte,  wie  die  Esmarchsche  Maske  Mund 
und  Nase  des  zu  chloroformierenden  Menschen.  Das  Chloroform 
wurde  aus  einem  Tropfglas  (s.  deutsche  Chirurgie  Lieferung  20, 
S.  145)  absichtlich  ohne  bestimmtes  Mass  aufgeschüttet,  doch 
immer  so,  dass  nur  ein  sehr  kleiner  Teil  des  Flanellüberzugs  davon 
befeuchtet  wurde.  Das  Aufschütten  wurde  gerade  wie  bei  der 
Chloroformierung  des  Kranken  nur  wiederholt,  wenn  der  Flanell 
ganz  trocken  war  und  die  Festhaltung  der  Anästhesie  frisches 
Chloroform  benötigte. 

Bei  der  dritten  Versuchsweise  wurde  mit  Benutzung  eben 
dieser  modifizierten  Esmarchschen  Maske  die  Tropfmethode  ange- 
wendet und  zwar  in  der  Weise,  dass  zuerst  jede  Minute  2 Tropfen 
aufgegossen  wurden,  bis  complete  Anästhesie  erreicht  war,  dann 
wurde  nur  noch  jede  Minute  1 Tropfen  aufgegossen.  Die  Maske 
wurde  während  der  ganzen  Zeit  der  Narkose  nie  von  der  Schnauze 
des  Tieres  entfernt. 

Im  übrigen  wurde  genau  so  chloroformiert,  wie  der  Chirurg 
seine  Kranken  chloroformiert.  Das  Tier  wurde  nur  so  lange  an 
den  Beinen  gehalten,  bis  es  auf  die  Seite  fiel,  sodass  es  frei  atmen 
und  seine  Extremitäten  frei  bewegen  konnte.  Bei  den  ersten  zwei  Ver- 
suchsreihen wurde  die  Maske  jeweils  nur  so  lange  vor  die  Schnauze 
gehalten,  bis  das  Tier  anästhetisch  war,  dann  entfernt  und  erst 
wieder  vorgehalten,  wenn  leise  Zuckungen  der  Lider  bei  Berührung 
der  Cornea  das  Wiedererwachen  der  Reflexe  anzeigten  oder  das 
Tier  auf  Kneifen  der  Ohren  und  des  Schwanzes  mit  einer  llaken- 
pinzette  auch  nur  leise  zuckte.  Wir  machten  nämlich  wiederholt 
die  Beobachtung,  dass  Kaninchen  mit  völlig  erloschenem  Corneal- 
reflex  auf  starkes  Kneifen  der  Ohren  noch  zuckten.  Es  wurde 
also  mit  einem  Wort,  in  jedem  Fall,  ein  Erwachen  aus  der  Narkose 
mit  peinlichster  Sorgfalt  vermieden  und  Sorge  getragen,  dass  das 
Tier  die  ganze  Zeit  vollkommen  anästhetisch  und  operationsbereit 
war.  Ausser  den  mitgeteilten  ^^ersuchen  verfügen  wir  noch  über 
eine  grössere  Zahl  Kontrollversuche,  l)ei  denen  die  Herzaktion 
mittelst  einer  ins  Herz  gestochenen  Nadel  mit  Federfahne,  die 
Respiration  nach  der  Methode  Snellen,  sichtbar  gemacht  wurden. 
Doch  sind  diese  Versuche  der  komplizierenden  Verletzungen  wegen 
nicht  mitgezählt. 

Ins  Bereich  einer  unausgesetzten  Beobachtung  fielen  haupt- 
sächlich Pupillen,  Respiration  und  Flerzaktion,  letztere  wurde  mit 
dem  Stetoskop  kontrolliert. 

Die  \"ersuche  wurden  in  einem  Raum  mit  Zimmertemperatur 


80 


Otto  Kappeier. 

gemacht,  14 — 16  R,  und  zur  Verwendung  kam  ausschliesslich 
Pictetsches  Chloroform. 

I.  40  Narkosen  mit  Kappelers  Apparat 
und  zwar  10  einstündige,  6 einundeinhalbstündige,  18  zweistündige, 

2 dreistündige,  1 vierstündige,  1 siebenstündige  und  2 zehnstündige 
Narkosen.  Nur  ein  Tier  erlag  vor  dem  beabsichtigten  Ende  des 
Versuchs  und  ging,  wie  weiter  unten  auseinander  gesetzt  werden 
soll,  an  Erstickung  zu  Grunde. 

Zuerst  musste  durch  V orversuche  die  Dosis  gefunden  werden, 
die  eine  hinreichende  und  hinreichend  rasche  Narkose  bewirkte. 
Sie  wurde  gefunden  in  einer  Anfangsdosis  von  2,8  Gramm  auf 
100  Liter  Luft,  d.  h.  einer  Füllung  des  Chloroformgefässes  auf 

3 ccm.  Waren  diese  3 ccm  ganz  oder  grösstenteils  ausgepumpt,  so 
wurde  das  Gefäss  wieder  auf  2 ccm  angefüllt,  so  dass  bei  einmal 
erreichter  Anästhesie  der  Chloroformgehalt  des  inhalierten  Gemisches 
nicht  mehr  über  2,4  Gramm  auf  100  Liter  Luft  hinausging,  bei 
ganz  jungen  schwächlichen  Tieren  von  4 — 5 Wochen  wurde  mit 
2 ccm  Füllung  begonnen  (2,4  gr  auf  100)  und  wieder  auf  das 
gleiche  Niveau  nach  Verbrauch  dieser  2 ccm  aufgefüllt. 

Das  Alter  der  Tiere  schwankte  zwischen  1 — 18  Monaten. 
Der  Chloroformverbrauch  bei  den  stündigen  Narkosen  betrug  durch- 
schnittlich 7,5  ccm,  bei  den  zweistündigen  9 ccm;  die  2 dreistündigen 
Chloroformierungen  (beide  Tiere  10  Wochen  alt)  benötigten  8 und 

9 ccm,  die  vierstündige  Narkose  beanspruchte  (ein  jähriges  Tier) 
17  ccm,  die  siebenstündige  (72  jähriges  Tier)  20  ccm  und  die  2 zehn- 
stündigen Chloroformierungen  (beides  I72  jährige  Tiere)  41  und 
59  ccm  Chloroform. 

Vollständig  anästhetisch  und  operationsbereit  waren  die 
40  Tiere  in  durchschnittlich  4,4  Minuten.  Die  kürzeste  Zeit,  bis 
Anästhesie  eintrat,  betrug  1 Minute  (6  Fälle),  die  längste  Zeit 

10  Minuten  (4  Fälle). 

Die  Reihenfolge  der  Erscheinungen  war  im  allgemeinen 
folgende : 

Beim  ersten  Vorhalten  des  Chloroforms  Abwehrbewegungen  und 
Respirationsstillstand,  der  von  15  Sekunden  bis  1 Minute  und  etwas 
länger  andauert,  zu  gleicher  Zeit  sinkt  die  Frequenz  der  Herzschläge 
von  240 — 300  in  der  Minute  auf  90,  69,  54,  48,  ja  auf  12  Schläge, 
einmal  hörten  wir  10  Sekunden  lang  keine  Herztöne  mehr ; mit  dem 
Wiedererwachen  der  Respiration  schnellt  auch  der  Puls  sofort 
auf  die  frühere  Frequenz  von  2 — 300  Schlägen  in  der  Minute 
zurück.  Kurzdauernde  Verlangsamung  der  Atmung  beim  frischen 
Einblasen  von  Chloroform  beobachtet  man  auch  bei  vollständig 


Narkose  mit  messbaren  Chloroformluftmischungen. 


81 


erloschenem  Cornealreflex,  manchmal  bis  V2  Stunde  nach  Beginn 
der  Narkose.  Später  wird  die  Respiration  durch  frisches  Vorhalten 
von  Chloroform  nicht  weiter  beeinflusst  und  sie  wird  nun  regel- 
mässig, und  bei  langer  Dauer  der  Narkose  nach  und  nach,  langsamer, 
oberflächlicher,  die  Bewegungen  des  Thorax  werden  wellenförmig, 
auch  die  Pulsfrequenz  nimmt  bei  längerem  Chloroformieren  allmählich 
ab,  um  20,  40,  60  Schläge,  der  Puls  wird  allmählich  etwas 
schwächer,  die  Herztöne  werden  leiser,  selten  zeigen  sich  kleine 
Unregelmässigkeiten.  Das  Verhalten  der  Pupillen  zeigt  lange  nicht 
die  Konstanz,  wie  wir  sie  beim  chloroformierten  Menschen  beobachten. 
Das  gewöhnliche  Verhalten  ist  das,  dass  die  schon  vor  der  Nar- 
kose etwas  über  mittel  weiten  Pupillen  im  Verlauf  der  Narkose 
allmählich  weiter  und  reaktionslos  werden,  mitunter  erweitern  sie 
sich  auch  ohne  besondere  Erscheinungen  von  Seiten  des  Herzens 
und  der  Lungen  maximal.  Zuweilen  werden  die  Pupillen  im 
Beginn  der  Narkose  enger,  erweitern  sich  aber  ausnahmslos  in  den 
vorgerückten  Stadien  derselben.  Nur  einmal  sahen  wir  bei  den 
Apparatchloroformierungen  Nystagmus.  Schon  im  Beginn  und  fast 
immer  im  weitern  Verlauf  der  Narkose  treten  weitere  Erscheinungen 
in  grossem  Wechsel  und  ohne  irgend  welche  Regelmässigkeit  auf. 
Viele  der  Tiere  speicheln  und  die  Speichelabsonderung  ist  manch- 
mal eine  excessive.  Nicht  selten  fangen  die  Tiere  plötzlich  einige 
Minuten  zu  quieksen  an.  Kaubewegungen  sieht  man  häufig, 
Krämpfe  der  Extremitäten  beobachtet  man  fast  in  jeder  Narkose 
und  von  verschiedenster  Art:  Reibebewegungen  der  Vorderbeine, 
rhythmische  Krämpfe  der  Vorder-  und  Hinterpfoten,  Lauf,  Galopp- 
bewegungen aller  vier  Beine,  Nackenkrämpfe,  Streckkrämpfe  der 
Hinter-  und  Vorderpfoten,  tetanische  Streckung  des  Rückens,  ja 
förmlicher  Tetanus  mit  tonischen  Krämpfen  aller  willkürlichen 
Muskeln.  Den  eklatante.sten  Fall  dieser  Art  beobachteten  wir  bei 
und  nach  Schluss  der  zweistündigen  Chloroformierung  bei  einem 
vierwöchentlichen  Kaninchen,  bei  dem  durch  blosse  Berührung 
der  Haut  jeweils  ein  förmlicher  Anfall  von  Tetanus  ausgelöst 
werden  konnte. 

Spontane  Urin-  und  Stuhlentleerung  nahmen  wir  nur  bei 
längeren  Narkosen  wahr. 

Bei  den  am  längsten  dauernden  Chloroformierungen,  der 
siebenstündigen  und  den  zwei  10  ständigen,  sind  als  weitere  und  neue 
Symptome  noch  bemerkenswert:  ein  eigentümliches  Zittern  der 
Schultern  und  Vorderläufe  und  ein  deutliches  Schwächerwerden 
des  Pulses  und  der  Herztöne.  Die  Pulsfrequenz  fiel  bei  einem 
IV2  jährigen,  3500  Gramm  schweren,  Kaninchen  von  300,  nach 

6 


82 


Otto  Kappeier. 


1 Stunde,  auf  240,  nach  9 Stunden  auf  192,  nach  972  Stunden 
auf  168  ab  und  die  im  Anus  gemessene  Temperatur  war: 


Zu  Beginn  der  Chloroformierung  . 

. 38,1 

oc 

nach  1 Stunde 

. 36,9 

V 

nach  2 Stunden  

. 35,5 

3 

. 33,8 

V 

)i  4 „ 

. 32,9 

?? 

11  

. 32,1 

r 

»6  „ 

. 31,4 

«7 

. 31,1 

71 

»8  „ 

. 30,5 

77 

V 9 „ 

. 30,1 

77 

„10  „ 

. 29,4 

77 

Was  das  weitere  Schicksal  der  chloroformierten  Tiere  betrifft,  so  ist  das- 
selbe in  Bezug  auf  die  eiustündigen  Narkosen  bei  9 verfolgt.  Sehen  wir  ab  von 
dem  einzigen  Tiere,  das  während  der  Narkose  starb,  so  leben  5 noch  3 Wochen 
nach  der  Chloroformierung  und  sind  gesund.  Ein  7 Wochen  altes  Tier  stirbt 
3 Tage  nach  der  Chloroformierung  und  zeigt  starke  Verfettung  des  Herzmuskels 
und  der  Leber,  ein  zweites,  7 Wochen  altes,  Kaninchen  stirbt  7 Stunden  nach 
Schluss  der  Chloroformierung,  zeigt  Ascites,  Fettstauungsleber,  einen  massigen 
Grad  von  Herzverfettung  und  starke  Trübung  der  Nierenepithelien  nebst  Harn- 
cylindern.  Ein  4 Wochen  altes  Kaninchen  endlich  stirbt  4 Tage  nach  der  Chloro- 
formierung und  zeigt  nur  geringe  Körnung  der  Herzmuskelfibrillen , keine 
Fettleber. 

^'’on  den  6 Kaninchen,  die  IV2  Stunden  den  Cliloroforminhalationen  aus- 
gesetzt waren,  lebt  eines  noch  3 Wochen  nach  der  Chloroformierung,  ein  4 Wochen 
altes  Tier  stirbt  6 Stunden  nach  Schluss  der  Narkose  und  zeigt  nur  geringe 
Herzverfettung,  keinen  besonderen  Fettreichtum  der  Leberzellen,  ein  öVa  Wochen 
altes  Kaninchen  stirbt  10  Tage  später,  die  Leber  steckt  voll  Knoten  mit  Coccydium 
oviforme,  aber  die  mikroskopische  Untersuchung  ergiebt  ausser  geringer  Körnung 
der  Herzfibrillen  sonst  nichts  Abnormes,  ein  weiteres,  5 Wochen  altes,  Tier  stirbt 
in  der  darauffolgenden  Nacht  und  zwar  an  Erstickung.  Auf  der  Teilungsstelle 
der  Trachea  reitet  ein  dicker  Holzspan,  dabei  Tracheitis,  Atelectase  des  grössten 
Teiles  der  1.  Lunge,  geringe  Herzverfettung  und  Fettinfiltration  der  Leberzellen, 
ein  anderes  Tier,  5 Wochen  alt,  stirbt  in  der  darauffolgenden  Nacht  und  zeigt 
nur  geringe  Herzmuskelverfettung,  keine  Fettleber,  ebenso  ein  3 Monate  altes 
Tier,  das  einige  Stunden  nach  der  Narkose  stirht. 

Von  18,  zwei  Stunden  lang,  chloi’oformierten  Tieren  leben  9 noch  14  Tage 
nach  der  Chloroformierung,  die  übrigen  gingen  nach  1 — 4 Tagen  zu  Grunde, 
allein  die  Obduktion  konnte  nicht  gemacht  werden.  Das  eine,  3 Stunden  lang 
chloroformierte,  Tier  stirbt  zweimal  24  Stunden  nach  der  Narkose  und  zeigt  starke 
Körnung  der  Herzfibrillen  ohne  Fettleber  und  starke  Trübung  der  Nieren- 
epithelien, das  zweite,  3 Stunden  lang  chlorofoimierte,  Tier  stirbt  dreimal  24  Stunden 
nach  der  Chloroformierung,  zeigt  starke  Verfettung  des  Herzmuskels  und  hoch- 
gradige Fettstauungsleber.  Das  4 Stunden  lang  chloroformierte  Tier  lebt  noch 
3 Tage  und  geht  dann  zu  Grunde.  Die  Obduktion  konnte  nicht  gemacht  werden. 
Das  7 Stunden  chloroformierte,  V2  jährige,  weibliche  Kaninchen  stirbt  40  Stunden 
nach  der  Chloroformierung,  nachdem  es  mit  hängenden  Ohren,  oberflächlicher. 


Narkose  mit  messbaren  Cliloroformluftmischungen. 


83 


seichter  Respiration  und  schwachen  Herztönen,  ohne  zu  fressen,  immer  an  der 
gleichen  Stelle  gesessen.  Obduktion  12  Stunden  p.  m.  Trachea  leer,  Hypostase 
der  hintern  Partien  des  1.  untern  Lungenlappens,  linker  Herzventrikel  kontrahiert, 
beide  Vorhöfe  und  beide  Ventrikel  mit  locker  geronnenem  Blut  gefüllt,  in  der 
AV’'andung  der  1.  Ventrikels,  der  von  matscher  Konsistenz  ist,  sind  gelbe  Streifen 
auf  Schnitt-  und  Oberfläche  bemerkbar.  Die  Querstreifung  der  Fibrillen  ist  voll- 
ständig verschwunden  und  die  Körnung  ist  eine  so  starke,  dass  die  Fibrillen 
das  Aussehen  von,  mit  zahlreichen  kleinen  Fetttröpfchen  gefüllten,  Schläuchen 
haben.  Die  Leber  ist  von  sehr  mürber  Konsistenz,  auf  der  Oberfläche  stellen- 
weise graugelblich,  stellenweise  mit  deutlich  acinöser  Zeichnung,  die  Peripherie 
der  Acini  graugelb,  im  Zentrum  ein  l)lutroter  l'leck.  Die  Leberzellen  sind 
strotzend  angefüllt  mit  ausschliesslich  grössern  Fetttröpfchen.  Rinde  der  Nieren 
grau  und  graugelblich,  starke  Trübung  der  Epithelien  der  gewundenen  Harn- 
kanälchen. Im  Urin  massenhaft  körnige  Cylinder.  Fettige  Degeneration  des 
Zwerchfells  und  Quadriceps.  In  den  Zellen  der  Milzpulpa  keine  grösseren  Fett- 
tröpfchen. Dagegen  die  Epithelien  der  Lungenalveolen  stellenweise  stark  körnig. 

Ein  l'/2 jähriges , 4000  Gramm  wiegendes,  weibliches  Kaninchen,  das 
10  Stunden  lang  chloroformiert  worden  war,  stirbt  36  Stunden  nach  Schluss  der 
Narkose.  Obduktion  10  Stunden  später.  Starke  Todenstarre,  Trachea  leer, 
beginnende  Hypostase  der  hintern  Partien  der  Unterlappen  beider  Lungen,  die, 
sonst  überall  lufthaltig,  von  fiüsch  zinnoberroter  Färbung  sind.  Der  1.  Herz- 
ventrikel kontrahiert,  beide  Vorhöfe  und  rechter  Ventrikel  prall  gefüllt  mit 
schwarzem,  locker  geronnenem  Blut.  Die  Fibrillen  des  1.  Ventrikels  und  der 
Papillarmuskeln  sind  dicht  besetzt  mit  feinen  Fettmolekülen  und  von  Quer- 
streifung ist  keine  Spur  mehr  zu  finden.  Leber  graugelb,  mürbe,  die  Schnitt- 
fläche fast  durchwegs  von  schön  acinöser  Zeichnung,  die  Leberzellen  ganz  mit 
grössern  Fetttropfen  angefüllt.  Trübe  Schwellung  der  Nierenepithelien  und  im 
Urin  zahlreiche,  meist  körnige,  Cylinder.  Die  im  Uterus  des  Tieres  gefundenen 
Fötus  zeigen  hochgradige  Fettstauungslebern. 

Das  zweite,  10  Stunden  lang  chloroformierte,  IV2  jährige,  35CM)  Gramm 
wiegende  männliche  Kaninchen  stirbt  27  Stunden  nach  Schluss  der  Chlorofor- 
mierung. 

Das  Herz  hat  eine  schmutzig  gi-augelbe  Färbung  und  den  Fibrillen  fehlt 
jede  Andeutung  einer  Querstreifung  bei  sehr  starker  Körnung.  Leber  von 
mürber  Konsistenz  und  schmutzig  graugelber  Färbung,  nur  die  Centra  der  Leber- 
läppchen hellrot,  die  Leberzellen  mit  mittelgrossen  Fetttröpfchen  prall  gefüllt 
Die  Nieren  etw'as  vergrössert,  blutarm,  die  Rindensubstanz  mattgraugelb,  inr 
Urin  vereinzelte  Cylinder. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  ausführlicher  erwähnt  der  einzige 
Todesfall,  der  bei  der  Chloroformierung  mit  dem  Apparat  vor  dem 
Abschluss  des  Versuches  erfolgte: 

Er  betrifft  ein  V2  jähriges,  2750  Gramm  wiegendes,  Kaninchen, 
das  mit  einer  Anfangsfüllung  von  3 ccm  chloroformiert  wurde 
und  in  Vj-z  Minuten  operationsbereit  war.  Ungefähr  10  Minuten 
nach  Beginn  der  Narkose  trat  lautes  Larynx-  und  Trachealrasseln 
auf,  verbunden  mit  inspiratorischen  Einziehungen  der  Zwerchfell- 
gegend, das  Rasseln  wurde  immer  stärker  und  stärker  und  die 
Respiration  mit  20  Minuten  Narkosendauer  äusserst  mühsam  und 


84 


Otto  Kappeier. 


geräuschvoll;  immer  langsamer  werdend,  hörte  sie  mit  23  Minuten 
ganz  auf,  während  die  Herztöne  noch  fast  2 Minuten  nach  Auf- 
hören der  Atmung  hörbar  waren.  Die  sofort  angeschlossene  Ob- 
duktion lässt  nach  Eröffnung  des  Herzbeutels  noch  schwache, 
rhythmische  Zuckungen  der  Ventrikel  und  Herzohren  erkennen. 
Sämtliche  4 Herzhöhlen  sind  prall  mit  schwarzem,  flüssigem  Blut 
gefüllt.  Die  Nase  voll  zähen  Schleims,  Kehlkopf,  Trachea  und 
Bronchien  ganz  angefüllt  mit  äusserst  zähem , fadenziehendem 
Schleim,  der  sich  mit  der  Pincette  in  langen,  zusammenhängenden, 
dicken  Fäden  herausheben  lässt.  Lungen  livid,  mit  Striemen-  und 
fleckenförmigen  Atelektasen  in  beiden  Lungen.  Keine  stärkere 
Herzverfettung.  Wir  werden  auf  diesen  Fall  und  die  eigentüm- 
liche Todesart  später  noch  zurückkommen. 

II.  Dreissig  Narkosen  mit  Esmarchs  Maske. 

Von  den  30,  mit  Esmarchs  Maske  chloroformierten  Tieren 
sind  22  vor  dem  beabsichtigten  Ende  des  Versuchs  verendet,  8 
konnten  am  Leben  erhalten  bleiben  und  zwar  wurden  von  diesen 
8 zwei,  eine  Stunde  lang,  eines  1 V2,  eines  2,  zwei  je  3 und  eines  4 Stun- 
den lang  chloroformiert.  Das  Alter  der  Tiere  schwankte  zwischen 
1 — 18  Monaten,  das  Gewicht  betrug  500 — 3000  Gramm.  Stets 
wurden  bei  den  Parallelversuchen  (es  wurde  gewöhnlich  zu  gleicher 
Zeit  ein  Tier  mit  dem  Apparat  und  ein  anderes  mit  Esmarchs 
Maske  chloroformiert)  das  schwerere  und  kräftigere  Tier  mit  Es- 
marchs Marke  chloroformiert.  Zu  halbstündigen  Narkosen 
wurden  20  ccm,  zu  stündigen  30  ccm,  zu  zweistündigen  40 — 50  ccm, 
zu  dreistündigen  50 — 60  ccm,  zu  vierstündigen  90  ccm  und  zu  der 
siebenstündigen,  später  zu  erwähnenden  Narkose,  1 10  ccm  Chloroform 
verbraucht.  Operationsbereit,  d h.  vollkommen  anästhetisch  waren 
die  26  Tiere  durchschnittlich  in  2,3  Minuten,  die  kürzeste  Zeit, 
bis  Anästhesie  eintrat,  betrug  1 — 1 V2  Minuten  (6  Fälle),  die  längste 
6 Minuten  (1  Fall).  Die  Erscheinungen  waren  im  grossen  und 
ganzen  dieselben,  wie  bei  der  Apparatchloroformierung.  Auch  hier 
beobachteten  wir  einige  Male  Nystagmus  und  eine  allmähliche  Er- 
weiterung der  Pupillen  im  Verlauf  der  Narkose.  (Ueber  ein  eigen- 
tümliches Verhalten  der  Pupillen  bei  den  mit  Tod  abgegangenen 
werden  wir  weiter  unten  berichten.)  Beim  ersten  V erhalten  der 
Maske  stellte  sich  regelmässig  Respirationsstillstand  ein,  der  bald 
nur  10 — 20  Sekunden,  bald  1 Minute  und  länger  dauerte  und  da- 
mit verlangsamte  sich  der  Puls,  der  zuweilen  bis  auf  Vi  Minute 
ganz  verschwand.  Im  ganzen  zeigte  sich  bezüglich  der  Respi- 
ration noch  mehr  Unregelmässigkeit,  als  bei  der  Apparatchloro- 
formierung, und  im  allgemeinen  atmeten  die  Tiere  bei  der  freien 


Narkose  mit  messbaren  Cliloroformluftmischungen. 


85 


Verwendung  des  Chloroforms  schneller.  Bei  ganz  langen  Narkosen 
sanken  auch  hier  Respirations-  und  Pulsfrequenz.  Auch  hier 
stellte  sich  häufig  Quieksen  ein,  es  kamen  fast  regelmässig  die 
rhythmischen  Krämpfe  der  Extremitäten,  der  Nackenmuskeln,  der 
Ohren,  nicht  selten  Streckkrämpfe  der  Beine  und  Opisthotonus, 
zur  Erscheinung. 

Bei  den  während  der  Narkose  gestorbenen  Tieren  trat  der 
Tod  bald  früher,  bald  später,  aber  immer  ganz  unerwartet,  ein. 
Er  erfolgte  einmal  3 Minuten,  dreimal  4 Min.,  einmal  5 Min., 
einmal  8 Min.,  einmal  10  Min.,  viermal  18 — 20  Min.,  dreimal  25 
bis  26  Min.,  einmal  30  Min.,  einmal  38  Min.,  einmal  47  Min., 
zweimal  54 — 56  Min.,  einmal  70  Min.,  einmal  114  Min.  und  ein- 
mal 7 Stunden  nach  Beginn  der  Chloroformierung.  Es  sei  noch- 
mals betont,  der  Eintritt  des  Todes  kommt  bei  Kaninchen  ganz 
unerwartet  und  hat  in  dieser  Beziehung  grosse  Aehnlichkeit  mit 
dem  Chloroformtod  des  Menschen.  Gewöhnlich  — und  es  ist  dies 
das  einzige  ominöse  Symptom  — wird  kurze  Zeit  nach  dem 
frischen  Aufschütten  des  Chloroforms  die  Atmung  etwas  rascher, 
oberflächlicher  und  steht  dann  plötzlich  still,  zuweilen  werden 
auch  die  Pupillen  etwas  enger,  um  sich  dann  beim  Tode  wieder 
zu  erweitern,  regelmässig  — und  es  ist  das  das  sicherste  Zeichen  des 
nahenden  Todes  — stellt  sich  starker  Exophthalmus  ein,  die  Herz- 
töne verschwanden  nur  zweimal  mit  der  Respiration  oder  un- 
mittelbar darauf  und  waren  sonst  immer  7^ — 4 Minuten  — wenn 
auch  immer  langsamer  und  schwächer,  zuweilen  unregelmässig 
werdend  — deutlich  zu  hören.  Die  unmittelbar  angeschlossene 
Obduktion  zeigte  regelmässig  keine  Veränderung  in  den  Lungen 
und  Bronchien,  pralle  Füllung  sämtlicher  Herzhöhlen  mit  schwar- 
zem, flüssigem  Blut,  regelmässige  Zuckungen  der  Ventrikel  und 
Vorhöfe  bis  5 Stunden  p.  m.,  zuletzt  zuckten  immer  die  Herz- 
ohren. Mit  Ausnahme  des  7 Stunden  chloroformierten  Tieres 
sahen  wir  keine  nennenswerte  Erkrankung  des  Herzens,  der  Leber 
und  der  Nieren. 

'S^on  den  8 der  Chloroformierung  nicht  erlegenen  Kaninchen  leben  4 noch 
3 Wochen  später  und  zeigen  keine  Krankheitserscheinungen,  das  Schicksal  des 
3 Stunden  chloroformierten  Tieres  ist  nicht  bekannt,  da  es  nicht  mit  einem 
Kennzeichen  versehen  wurde.  Die  3 übrigen  sind  der  tödlichen  Nachwirkung 
des  Chloroforms  erlegen. 

Ein  4 Stunden  lang  chloroformiertes,  Vi  jähriges,  1750  Gramm  wiegendes, 
Kaninchen  richtet  sich  2 Stunden  nach  der  Chloroformierung  wieder  auf,  bleibt 
aber,  ohne  zu  fressen,  an  derselben  Stelle.  Auch  andern  Tags  bewegt  es  sich,  hei 
einem  Puls  von  160  und  64  Respirationen  in  der  Minute,  nicht  von  der  Stelle, 
sieht  matt  aus,  frisst  nicht  und  stirbt  3(5  Stunden  nach  beendigter  Narkose. 
Neben  Herzverfettung  finden  wir  eine  ausgesprochene  Fettstauungsleher,  starke 


86 


Otto  Kappeier. 

Trübung  der  Nierenepitbelien  und  neben  zahlreichen  körnigen,  einige  hyaline 
Cylinder  iiu  Urin. 

Ein  18  Monate  altes,  braunes,  männliches,  3250  Gramm  wiegendes,  Kanin- 
chen, das  ebenfalls  4 Stunden  chloroformiert  war,  erholt  sich  nicht  mehr  vollstän- 
dig, liegt  mit  hängenden  Ohren  immer  an  einer  Stelle,  frisst  nicht  und  wird  zu- 
sehends schwächer  und  matter.  Tod  nach  24  Stunden.  Obduktion  24  Stunden  später: 
Totenstarre,  Trachea  leer  und  trocken,  Lungen  zinnoberrot,  überall  lufthaltig. 
Sämtliche  4 Herzhöhlen  mit  schwarzem,  lockergeronnenem  Blut  gefüllt.  Wan- 
dung des  linken  Ventrikel  stellenweise  gelb.  Die  Fibrillen  ohne  eine  Andeutung 
von  Querstreifung,  stark  gekörnt.  Die  Körnung  wird  bei  Zusatz  von  Essigsäure 
noch  deutlicher,  die  Leber  zeigt  fast  durchwegs  bei  sehr  mürber  Konsistenz 
acinöse  Zeichnung,  in  Mitte  der  gelbgrauen  Acini  dunkelrote  Punkte.  Die  Leber- 
zellen prall  gefüllt  mit  grösseren  Fetttropfen.  Die  Nieren  blutarm,  blass,  weich 
sich  anfühlend,  Rinden-  und  Marksubstanz  auffallend  blassgelb,  die  geraden  und 
gewundenen  Harnkanälchen  zeigen  eine  ungewöhnlich  starke  Körnung  mit  feinem 
und  gröbern  Fetttröpfchen.  Dem  Zwerchfell  entnommene  Muskelstücke  lassen 
starke,  fettige  Degeneration  erkennen,  während  die  Fibrillen  der  Quadriceps  nur 
vereinzelte  Fetttröpfchen  enthalten. 

Ein  zwei  Stunden  lang  chloroformiertes,  7 Wochen  altes,  männliches,  KHX) 
Gramm  wiegendes,  Kaninchen  verendet  84  Stunden  nach  Schluss  der  Narkose 
und  auch  hier  fanden  wir,  durch  reichlichste  Einlagerung  von  Fetttröpfchen,  die 
Querstreifung  der  Herzmuskelfibrillen  grösstenteils  verwischt,  dabei  ausgesprochene 
Fettstauungsleber,  die  Leber  vollgepropft  mit  meist  grössern  Fetttropfen,  die 
Schnittflächen  der  Nieren  von  graugelber,  matter  Färbung  und  feinkörnige  Trü- 
bung des  Zwerchfells  bei  noch  erhaltener  Querstreifung. 

Zwanzig  Narkosen  mit  der  Tropf  in  et  ho  de. 

Nach  der  Tropfmethode,  und  zwar  in  oben  näher  ausgeführter 
Weise,  wurden  20  Tiere  chloroformiert  und  von  diesen  gingen 
während  der  Chloroformierung,  vor  dem  beabsichtigten  Ende  des 
Versuchs,  14  zu  Grunde,  6 kamen  durch  und  von  diesen  wurde 
eines  1 Stunde,  ein  zweites  1 Stunde  20  Minuten  und  vier  je  2 
Stunden  chloroformiert. 

5 — 7 wöchentliche  Tiere  wurden  5 chloroformiert,  die  alle  zu 
Grund  gingen,  bei  den  übrigen  schwankt  das  Alter  von  3 bis  zu 
15  Monaten,  das  Gewicht  von  1000 — 2500  Gramm.  Der  Chloro- 
formverbrauch war  ein  sehr  geringer,  bei  den  4 zweistündigen 
Narkosen  wurden  jeweils  ziemlich  genau  5 — 6 ccm  Chloroform 
verbraucht,  allein  es  bedurfte  immer  einer  verhältnismässig  langen 
Zeit,  im  Durchschnitt  der  20  Narkosen,  12,4  Minuten,  bis  die  Tiere 
operationsbereit  waren.  Die  kürzeste  Zeit,  in  der  Anästhesie  ein- 
trat, betrug  4 Minuten,  die  längste  22  Minuten,  Auch  war  die 
Narkose  nie  eine  so  tiefe,  wie  bei  den  mit  Apparat  und  Esmarch- 
scher  Maske  chloroformierten  Tieren.  Nur  bei  dieser  Art  Ghloro- 
formierung  beobachteten  wir  einige  Male  während  der  Narkose 
unerwartetes  und  vollständiges  Aufwachen  und  Aufrichten  der 


Narkose  mit  messbaren  Chloroformluftmischungen. 


87 


Tiere  und  es  musste  in  diesen  Fällen  für  einige  Minuten  auf  die 
stärkere  Anfangsdosis  zurückgegriffen  werden. 

Die  Erscheinungen  waren  bis  auf  ein  Symptom  von  seiten 
der  Atmung,  das  dieser  Art  Chloroformierung  ein  besonderes  Ge- 
präge gab  und  sie  ganz  beherrschte,  ungefähr  dieselben,  wie  bei 
den  Chloroformierungen  mit  Apparat  und  Esmarchschei’  Maske. 

Auch  hier  beobachteten  wir  im  Beginn  der  Narkose  Respi- 
rationsstillstand mit  Verlangsamung  des  Pulses,  einmal  verschwin- 
den auch  die  Herztöne  für  20  Sekunden,  auch  hier  beobachteten 
wir  alle  möglichen  Formen  von  Krämpfen  bis  zum  förmlichen 
Tetanus,  Erweiterung  der  Pupillen,  einige  Male  ad  maximum,  und 
regelmässig  Exophthalmus  beim  Eintritt  des  Todes. 

Mit  Ausnahme  eines  einzigen  Falles,  eines  Kanincliens  von 
6 Jahren,  das  nach  kurzer  Zeit  (21  Min.)  wahrscheinlich  einer 
Ueberdosis  erlag,  fielen  bei  dieser  Art  des  Chloroformierens,  bald 
früher  bald  später,  die  Symptome  einei-  heftigen  Tracheitis  und 
Bronchitis  mit  den  Folgen  des  gehinderten  Luftdurchtritts  durch 
die  Luftwege  auf.  Es  stellte  sich,  schon  auf  Distanz  hörbares, 
Rasseln  im  Kehlkopf  und  in  der  Trachea  ein,  beim  Auskultieren 
der  Trachea  und  den  Lungen  waren  ausnahmslos  klingende,  knackende 
Rasselgeräusche  zu  hören,  zu  denen  sich  später  inspiratorische  Ein- 
ziehungen der  Zwerchfellgegend  gesellten.  Diese  Symptome  nahmen 
nun  entweder  bis  zu  dem  Tode  stetig  zu,  und  die  Respiration 
wurde  im  Gegensatz  zum  reinen  Chloroformtod  unmittelbar  vor 
dem  Ende  immer  mühsamer  und  langsamer,  und  waren,  wie  aus 
dem  Obduktionsbefund  zur  Evidenz  hervorging,  Mitursache  des- 
selben, oder  sie  nahmen  nach  längerer  Zeit  an  Intensität  wieder 
ab  und  verloren  sich,  nach  Ablauf  einer  Stunde,  und  mehr,  auch 
wohl  ganz. 

Bei  den  Apparatnarkosen  sahen  wir  diese  Komplikation,  den 
Tod  bedingend  oder  mitbedingend,  nur  einmal,  bei  den  Chloro- 
formierungen mit  Esmarchscher  Maske  dagegen  nie.  Diese 
Komplikation  erklärt  auch  die  grosse  Mortalität  bei  dieser  Methode 
der  Chloroformierung  von  Kaninchen.  Bei  den  während  der  Nar- 
kose gestorbenen  Tieren  waren  die  Herztöne  ausnahmslos  nocli 
1— 372  Minuten  nach  Sistieren  der  Atmung  hörbar,  zuerst  noch 
in  früherer  Frequenz,  dann  langsamer  und  immer  langsamer,  dann 
folgen  noch  vereinzelte  Doppeltöne,  dann  sind  sie  nicht  mehr 
hörbar. 

In  zwei  Fällen  wurde  unmittelbar  nach  dem  Aufhören  der 
Atmung  die  Tracheotomie  gemacht,  allein  der  hi  der  Trachea  und 
den  grossen  Bronchien  befindliche  Schleim  war  so  zähe,  dass  er 


88 


Otto  Kappeler. 


Sich  nicht  mit  dem  Katheter  ansaugen  und,  nur  mit  Mühe  und 
unvollständig,  mit  einem  feinen  Schwämmchen  auswischen  liess. 
Trotz  sofort  angeschlossener  künstlicher  Respiration  konnte  die 
Atmung  nicht  mehr  in  Gang  gebracht  werden. 

Was  nun  den  Obduktionsbefund  dieser  14,  während  der 
Chloroformierung  gestorbenen,  Tiere  betrifft,  so  waren  nur  bei 
dreien,  die  nach  21  Minuten,  nach  1 Stunde  und  50  Minuten  und 
nach  1 Stunde  und  55  Minuten  erlagen,  Trachea  und  Bronchien 
frei  von  Schleim  und  die  Lungen  frei  von  Atelektasen,  obwohl 
die  zwei  letztem  in  der  ersten  Stunde  der  Chloroformierung  starkes 
Trachealrasseln  und  ab  und  zu  inspiratorische  Einziehungen  der 
untern  Thoraxgegend  gezeigt  hatten,  welche  Erscheinungen  sich  dann 
allerdings  im  weitern  Verlauf  der  Narkose  wieder  verloren,  bei 
den  übrigen  11  war  folgender  Befund  konstant:  Meist  schon  Mund 
und  Nase,  sicher  aber  Larynx,  Trachea  und  grosse  Bronchien  mit 
zähem  Schleim  gefüllt,  der  schwer  sprengbare  Luftblasen  einschloss 
und  sich  mit  der  Pincette  in  langen  und  dicken  Fäden  und 
Strängen  herausziehen  liess,  in  den  feinem  Bronchien  teils  zäher, 
teils  eitriger  Schleim.  Ausnahmslos  in  den  Lungen,  die  bezüglich 
der  Farbe  durch  einen  Stich  ins  Bläuliche  auffielen,  makroskopisch 
und  mikroskopisch  nachgewiesene  atelektatische  Herde  in  mehr 
oder  minder  grosser  Ausdehnung,  bald  auf  vereinzelte,  disseminierte, 
kleine  Stellen  beschränkt,  an  den  Lungenrändern,  der  Lungenober- 
fläche, mit  Vorliebe  dem  Zungenfortsatz  des  linken  Oberlappens, 
bald  sich  auf  ganze  Lappen  und,  in  wenigen  Fällen,  auf  die  ganze 
eine  Lunge  ausdehnend.  Daneben  häufig  punktförmige  Ecchymosen. 
Die  Halsvenen  prall  mit  schwarzem  Blut  angefüllt,  ebenso  alle 
vier  Herzkammern,  ausnahmslos  stärkere  Füllung  des  rechten 
Herzens.  Es  handelt  sich  somit  in  allen  diesen  Fällen  um  eine 
Kombination  von  Erstickungstod,  durch  exsudative  Tracheitis  und 
Bronchitis,  mit  Chloroformwirkung. 

A'on  den  Kaninchen,  die  mit  dem  Leben  davonkamen,  leben  4 noch  einige 
Wochen  nach  der  Narkose,  ein  fünftes,  das  2 Stunden  chloroformiert  Avurde, 
starb  36  Stunden  nach  Schluss  der  Narkose  und  wir  fanden  starke  Körnung  der 
Herzmuskelfibrillen  und  schon  makroskopisch  ausgesprochene  Fettstauungsleber, 
das  sechste  der  Tiere,  ebenfalls  2 Stunden  chloroformiert,  starb  40  Stunden 
später.  Auch  hier  starke  fettige  Degeneration  des  Herzmuskels,  massige  Fett- 
inliltration  der  Leberzellen. 

Es  geht  aus  diesen  90  Versuchen  hervor,  dass  man  Kanin- 
chen nach  den  verschiedensten  Chloroformierungsmethoden  stunden- 
lang in  anästhetischem  Zustand  halten  kann,  allein  während  man 
bei  einer  Methode,  die  Chloroformluftmischungen  von  bestimmter, 
nicht  überschreitbarer,  Konzentration  giebt  und  inhalieren  lässt. 


89 


Narkose  mit  messbaren  Chloroformluftmisehiiiigeii. 

ganze  Serien  von  einstündigen,  172stündigen  und  zweistündigen 
Chloroforinierungen  ohne  Todesfall  zu  stände  bringt,  und  während 
diese  Methode  unter  40  Narkosen  nur  einen  Todesfall  zählt,  der  über- 
dies, weil  ein  mechanischer  Erstickungstod,  nur  indirekt  dem  Chloro- 
form zur  Last  fällt,  weist  die  freie  Verwendung  des  Chloroforms  mit 
Esmarchscher  Maske  eine  ganze  Reihe  unerwarteter  Todesfälle  auf. 
Aber  auch  die  eigentliche  Chloroformvergiftung,  die  Sättigung  des 
Organismus  mit  Chloroform,  die  apnee  toxique  der  französischen 
Physiologen,  kommt  bei  der  freien  Anwendung  des  Mittels  viel 
früher  zur  Erscheinung,  denn  während  von  zwei,  7 Stunden  lang 
chloroformierten,  Tieren  das  schwerere  und  kräftigere,  mit  Es- 
marchs  Maske  chloroformierte,  nach  Ablauf  der  siebenten  Stunde 
unter  der  Maske  verendet,  erliegt  das  mit  Apparat  narkotisierte, 
schwächere  Tier,  erst  40  Stunden  nach  Abschluss  der  Narkose,  der 
tödlichen  Nachwirkung  des  Chloroforms,  und  zwei  weitere,  mit 
dem  Apparat  chloroformierte,  Tiere,  volle  10  Stunden  der  Ein- 
wirkung der  Chloroformdämpfe  ausgesetzt,  erholen  sich  wieder 
vorübergehend  und  fallen  erst  später,  nach  27  und  36  Stunden, 
der  tödlichen  Nachwirkung  des  Mittels,  der  Fettdegeneration  und 
Fettinfiltration  innerer  Organe  zum  Opfer. 

Das  alles  spricht  doch  sehr  für  die  ungleich  grössere  Sicher- 
heit der  Chloroformierung  mit  messbar  verdünnten  Chloroform- 
dämpfen gegenüber  der  freien  Anwendung  mit  Tuch  und  Es- 
marchscher Maske. 

Die  Versuche  mit  der  Tropfmethode  können  zu  einer  ver- 
gleichenden Gegenüberstellung  nicht  herbeigezogen  werden,  denn 
während  nur  3 den  eigentlichen  Chloroformtod  gestorben  sind, 
erstickten  11  durch  Obliteration  der  Luftwege  mit  zähem  Schleim. 
Diese  Verstopfung  der  Trachea  und  Bronchien  mit  Schleim  ist 
ohne  Zweifel  Wirkung  der  inhalierten  Chloroformdämpfe  und  sie 
ist  wahrscheinlich  nur  deshalb  tödlich  verlaufen,  weil  die  Atmung 
durch  Chloroform  Wirkung  schwer  beeinflusst  und  geschwächt  war, 
aber  trotz  alledem  können  wir  diese  Todesart  mit  dem  eigent- 
lichen Chloroformtod  nicht  zusammen  werfen,  da  sie  weder  bei 
anderen  Tieren,  noch  beim  Menschen,  in  dieser  Weise  zur  Beobach- 
tung kam. 

Es  scheint,  dass  bei  Kaninchen  die  continuierliche 
Ueberschwemmung  der  Schleimhaut  der  Respirationsorgane  mit 
stark  verdünnten  Chloroformdämpfen  dieselbe  mehr  affiziert,  als 
die  unterbrochene,  mit  konzentrierten  Dämpfen.  Dagegen  findet 
man  weder  in  den  Mitteilungen  von  Zuckerkandl  und  Brandt, 
noch  in  denen  von  Lanz  und  Baudouin  Andeutungen  darüber, 


90 


Otto  Kappeier. 


dass  die  Tropfmethode  die  Schleimhaut  der  Trachea  und  Bronchien 
mehr  angreife,  als  jede  andere  Art  von  Chloroformierung. 

Sehen  wir  von  diesem,  indirekt  durch  das  Chloroform  be- 
wirkten Erstickungstod  ab  und  beschäftigen  wir  uns  nur  mit  dem 
eigentlichen  Chloroformtod  der  Versuchstiere,  so  muss  in  erster 
Linie  hervorgehoben  werden,  dass  derselbe  niemals  bei  den  ersten 
Chloroforminhalationen  erfolgte.  Der  primäre  Herzstillstand,  der 
zuweilen  ganz  im  Beginn  der  Narkose  hervorgebracht  wird  durch 
Reizung  der  sensiblen  Trigeminusfasern  und  der  Ausbreitungen 
der  Endäste  des  Laryngeus  superior,  mit  Uebertragung  dieses  Reizes 
auf  die  herzhemmenden  Vagusfasern,  ist  niemals  ein  bleibender, 
ebensowenig  war  der  primäre  Respirationsstillstand  jemals  ein 
dauernder. 

Es  giebt  also  bei  den  Versuchstieren  keine  tödliche  primäre 
Respirations-  oder  Herzsynkope.  Der  Tod  erfolgte  allerdings  oft 
kurze  Zeit  nach  Beginn  der  Inhalationen,  aber  niemals  im  un- 
mittelbaren Anschluss  an  die  primäre  Respirations-  oder  Herz- 
synkope. Stels  folgte  dem  Respirationsstillstand  wenigstens  eine 
kurze  Periode  rascher,  angestrengter  Atmung  und  die  stillstehende 
oder  veilangsamte  Herzaktion  fiel  ohne  Ausnahme  auf  das  frühere, 
oder  ein  rascheres,  Tempo  zurück.  Erst  später,  allerdings  oft  sehr 
bald,  erfolgte  der  bleibende  Respirationsstillstand  und,  gewöhnlich 
wenige  Minuten  später,  das  Erlöschen  der  Herzaktion. 

In  voller  Uebereinstimmung  mit  allen  früheren  Experimen- 
tatoren ging  nie  der  Herztod  dem  Respirationstod  voraus,  einige 
wenige  Male  erlosch  die  Herzaktion  fast  zu  gleicher  Zeit  mit  der 
Respiration,  gewöhnlich  aber  waren  die  Herztöne  noch  einige 
Minuten  nach  dem  Aufhören  der  Respirationsbewegungen  deutlich 
zu  hören. 

Der  Tod  erfolgte  meist  in  der  ersten  Stunde  der  Chlorofor- 
mierung. Nach  1 '/s  Stunden  Chloroformierungsdauer  nahm  die 
Gefahr  des  plötzlichen  Todes  entschieden  ab  und  wir  konnten 
ziemlich  sicher  darauf  rechnen,  ein  2 Stunden  lang  chloroformiertes 
Tier  auch  3 und  4 Stunden  in  guter  und  ruhiger  Narkose  erhalten 
zu  können.  Besondere  Symptome  gingen  dem  Respirationsstill- 
stand entweder  nicht  voraus  oder  es  wurde  die  Atmung  kurze 
Zeit  vorher  rascher  und  seichter,  auch  stellten  sich  zuweilen  kurz 
vor  dem  Tode  heftigere,  allgemeine  Krämpfe  ein.  Der  Tod  selbst 
hatte,  wie  schon  oben  erwälmt,  den  Charakter  des  Unerwarteten, 
Plötzlichen.  Aber  auch  der  späte  Chloroformtod,  dem  eine  deut- 
liche Abnahme  aller  Funktionen,  Erkalten  des  Körpers,  Verlang- 
samung der  Herzaktion  und  Respiration  vorausgeht,  erfolgte  schliess- 


Narkose  mit  messbaren  Chloroformluftmiscliungen. 


91 


lieh  immer  durch  rasch  auftretenden  Respirationsstillstand,  dem 
der  Herzstillstand  in  kurzer  Zeit  naclifolgte. 

Kaninchen,  die  mehrere  Stunden  chloroformiert  wurden,  er- 
lagen sehr  oft,  kürzere  oder  längere  Zeit  nach  der  Chloroformierung, 
der  tödlichen  Nachwirkung  des  Chloroforms  mit  den  bekannten,  von 
Ungar^),  Ostertag-)  und  Strassmann  näher  studierten,  Verände- 
rungen innerer  Organe.  Am  hochgradigsten  fanden  wir  sie  bei 
den  7 und  lOstündigen  Chloroformierungen. 

Da  bei  Kaninchen  ein  geringer  und  mässiger  Grad  von  Kör- 
nung der  Herzmuskelfibrillen  auch  ohne  Chloroformierung  keine 
Seltenheit. ist,  so  sind  die  postnarkotischen,  pathologisch-anatomi- 
schen Veränderungen  mit  grosser  Vorsicht  aufzufassen  und  zu 
deuten.  Fettige  Degeneration  des  Herzmuskels  nahmen  wir  nur 
dann  an,  wenn  die  Körnung  der  Fribrillen  eine  ungewöhnlich 
starke  war  und  die  Querstreifung  ganz  oder  fast  ganz  verdeckte, 
Fettleber  nur  dann,  wenn  neben  den  makroskopisch  sichtbaren 
Veränderungen  wie  Brüchigkeit,  gelbe  Färbung,  acinöse  Zeichnung, 
die  Leberzellen  mit  meist  grösseren  Fetttropfen  strotzend  gefüllt 
waren.  Bezüglich  der  Nierenerkrankung  erschien  uns  von  be- 
sonderer Bedeutung  und  Wichtigkeit  das  Vorkommen  vonCylindern 
im  Urin. 

Eine  4.  Versuchsreihe 

beschäftigte  sich  damit,  die  Symptome  der  Chlorofomierimg  bei 
anfänglich  grossen  tödlichen  Dosen  festzustellen. 

Es  wurden  je  nach  dem  Gewicht  und  Alter  der  Kaninchen 
2 — 5 ccm  Chloroform  auf  die  Esmarchsche  Kaninchenmaske  geleert 
und  dieselbe  dicht  vor  Mund  und  Nase  gehalten. 

Bei  den  11  diesbezüglichen  Versuchen  erfolgte  das  töd- 
liche Ende 

nach  1 Min.  30  Sekunden  Imal 

» 1 » 45  » 2 » 

» 2 — 3 » 7 » 

» 472  » 1 » 

Die  Erscheinungen  waren  folgende:  Im  Gegensatz  zur  Chloro- 
formierung mit  schwachen  Dosen  zeigen  die  Pupillen  bei  dieser 
Art  Chloroformierung  insofern  ein  konstantes  Verhalten,  als  sie 
kurze  Zeit  nach  dem  Vorhalten  des  Chloroforms  enger  werden, 
kürzere  Zeit  eng  bleiben,  beim  Tode  oder  ganz  kurz  vor  demselben 


’)  Vierteljahrsschi’ift  f.  gerichtl.  !Med.  XLVU  p.  f)8  1887. 
0 Virchows  Archiv,  YVni  2.  Heft  1890. 

®)  Virchows  Archiv,  XV  p.  1 1889. 


92 


Otto  Kappeier. 


sich  wieder,  oft  bis  ad  maximuni,  erweitern  und  dann  gemeinig- 
lich p.  m.  wieder  etwas  enger  werden. 

Der  Atem  wird  regelmässig  unmittelbar,  nachdem  die  Maske 
aufs  Gesicht  gestülpt  ist,  angehalten  und  der  absolute  Respirations- 
stillstand  dauert  Minuten,  dann  folgen  vereinzelte  Re- 

spirationsbewegungen, kurze  Zeit  nachher  wird  das  Atmen  wieder 
regelmässig,  dann  immer  rascher,  so  dass  die  Respirationszahl  oft 
das  Doppelte  der  früheren  erreicht,  immer  oberflächlicher  und 
steht  dann  plötzlich  still. 

Mit  dem  Anhalten  des  Atems  verschwinden  auch  die  Herz- 
töne für  einen  Moment  ganz,  oder  man  hört  nur  seltene,  unregel- 
mässig wiederkelirende  Töne,  die  Zahl  der  Herzkontraktionen 
sinkt  auf  90,  60,  54,  48,  32  in  der  Minute.  Mit  der  Wiederkehr 
der  Respirationsbewegungen  fällt  auch  die  Herzaktion  in  das 
frühere,  rasche  Tempo  zurück,  wird  immer  rascher  und  jagender 
und  geht  mitunter  in  ein  förmliches  delirium  cordis  über.  Mit 
dem  endgültigen  Respirationsstillstand  nimmt  auch  die  Zahl  der 
Herzkontraktionen  wieder  ab,  die  Töne  werden  schwächer  und 
schwächer  und  verschwinden  gewöhnlich  30 — 50  Sekunden  nach 
dem  Aufhören  der  Atmung,  zuweilen  sind  sie  noch  4 — 5 Minuten, 
allerdings  sehr  schwach,  zu  hören.  Zweimal  verschwanden  die  Herz- 
töne zu  gleicher  Zeit  mit  der  Respiration.  Rhythmische  Bewe- 
gungen der  Federfahne  der  Herznadel  aber  überdauern  die  Herz- 
töne um  3 — 6 Minuten  und  auch  in  den  Fällen,  wo  die  Herztöne  mit 
der  Respiration  verschwanden,  waren  noch  einige  Minuten  zählbare 
Ausschläge  der  Herznadel  wahrzunehmen.  Die  Zuckungen  des 
freigelegten  Herzens  aber  dauerten  noch  20  Sekunden  bis  2 7s  Stun- 
den p.  m.,  zuletzt  zuckten  immer  die  Herzohren. 

Ein  ziemlich  regelmässiges  Symptom  bei  dieser  Art  Chloro- 
formierung  sind  Krämpfe  aller  4 Extremitäten  und  des  Rumpfes. 

Eine  5.  Versuchsreihe 

suchte  die  Wirkung  der  Ueberdosen  in  den  verschiedenen  Stadien 
der  Chloroformierung  festzustellen. 

Als  nämlich  zufällig  bei  einem  nach  der  Tropfmethode 
H/a  Stunden  chloroformierten  Tiere  eine  grössere  Menge  Chloro- 
form auf  die  Maske  geschüttet  worden  war,  zeigten  sich  weder 
erhebliche  Aenderungen  der  Respiration,  noch  des  Pulses,  ja  der 
erstere,  vorher  ziemlich  oberflächlich,  schien  an  Tiefe  und  Regel- 
mässigkeit zuzunehmen. 

Es  sollte  daher  festgestellt  werden,  ob  dies  Regel  oder  Zu- 
fall sei,  und  es  wurden  nun  im  ganzen  12  Versuche  angestellt 
und  fünfmal  die  Wirkung  einer  grösseren  Dosis  Chloroform  unter- 


Narkose  mit  messbaren  Chloroformluftmischungen. 


93 


sucht,  nachdem  die  Tiere  längere  Zeit,  mindestens  IV2  Stunden, 
unter  der  Wirkung  des  Chloroforms  gestanden,  siebenmal  dagegen, 
nachdem  die  Chloroformierung  nur  kurze  Zeit  gedauert  hatte  und 
die  Tiere  eben  ins  Stadium  der  vollständigen  Anästhesie  einge- 
treten waren. 

Bei  den  länger  dauernden  Narkosen  waren  die  Tiere  zweimal 
IV2  Stunden  und  zweimal  Stunden  mit  meinem  Apparat  auf 
früher  beschriebene  Weise,  und  einmal  2 Stunden  nach  der  Tropf- 
methode, chloroformiert  worden,  als  dann  zunächst  eine  Dosis  von 
10  Tropfen  auf  die  Esmarchsche  Kaninchenmaske  aufgetropft  und 
dicht  vor  Mund  und  Nase  gehalten  wurde,  nach  weiteren  5 Mi- 
nuten wurde  nochmals  eine  Dosis  von  20 — 30  Tropfen  aufgegossen 
und  vorgehalten. 

Folgende  Erscheinungen  stellten  sich  ein: 

Die  Pupillen  blieben  viermal  unverändert,  einmal  wurden  sie 
kurze  Zeit  etwas  enger. 

Die  Respirationszahl,  die  vorher  genau  bestimmt  und  nach 
dem  Aufgiessen  der  grossen  Dosen  von  Minute  zu  Minute  gezählt 
wurde,  blieb  nach  einer  Dosis  von  10 — 15  Tropfen  zweimal  sich 
ganz  gleich,  dreimal  wurde  sie  vorübergehend,  für  2 Minuten,  etwas 
schneller,  stieg  von  70  auf  96,  von  70  auf  112,  von  70  auf  80 
und  fiel  dann  wieder  auf  das  frühere  Tempo.  Die  Ilerzaktion 
zeigte  keine  nennenswerte  Veränderung. 

Nach  einer  zweiten  grösseren  Dosis  von  20 — 30  Tropfen  blieb 
in  einem  Fall,  bei  einem  IV2  Stunden  mit  dem  Apparat  chloro- 
formierten, einjährigen,  2000  Gramm  wiegenden,  Kaninchen  die  Re- 
spirationszahl ganz  gleich,  in  den  übrigen  Fällen  stieg  sie  vorüber- 
gehend um  16,  24,  30,  50  Resphationen  in  der  Minute,  die  Herz- 
aktion zeigte  weder  in  Bezug  auf  Stärke,  noch  Frequenz,  eine 
nachweisbare  Aenderung. 

Keines  der  Tiere  erlag  der  Ueberdosis. 

Bei  den  7 Tieren,  die  sämtlich  mit  Tropfmethode,  einmal  8 Mi- 
nuten, viermal  12  Minuten,  einmal  17  Minuten,  und  einmal  27  Minuten, 
chloroformiert  worden  waren,  zeigten  sich  folgende  Erscheinungen: 

Bei  dem  10  Wochen  alten,  1500  Gramm  wiegenden,  Kanin- 
chen, das  8 Minuten  chloroformiert  war,  zeigt  sich  nach  einer 
Dosis  von  10  Tropfen  zuerst  kurzes  Anhalten  der  Respiration, 
dann  steigt  die  Respirationszahl,  von  80  vor  der  Dosis,  auf  104, 
nach  20  Tropfen,  5 Minuten  später,  wird  die  Respiration  wieder 
km’z  angehalten  und  steigt  dann  auf  120,  und  bei  einer  Dosis  von 
30  Tropfen  wird  nochmals  die  Respiration  angehalten,  um  dann 
schnell  auf  152  und  160  hinaufzuschnellen  und  langsam  wieder 


94 


Otto  Kappeier. 


ZU  fallen.  Der  Puls  wird  bei  20  Tropfen  vorübergehend  lang- 
samer, behält  aber  sonst  seine  frühere  Frequenz  bei.  Das  Tier 
bleibt  am  Leben. 

Ein  achtwöchiges,  2000  Gram  wiegendes,  Tier  wird  1 1 Minuten 
mit  Tropfmethode  chloroformiert  und  erhält  dann  zuerst  eine 
Dosis  von  10,  dann  von  20,  und  schliesslich  von  30  Tropfen,  jedes<r 
mal  folgt  kurzer  Respirationsstillstand,  dann  schnellt  die  Respira- 
tionszahl, die  vorher  104  war,  bei  10  Tropfen  auf  124,  und  bei 
20  und  30  Tropfen  auf  140  hinauf,  um  dann  langsam  wieder  zu 
fallen  und  auch  der  Puls  wird  vorübergehend  etwas  rascher.  Das 
Tier  bleibt  am  Leben. 

Bei  den  übrigen  Tieren  zeigen  sich  übereinstimmend  folgende 
Symptome  : 

Sowohl  nach  der  Dosis  von  10  Tropfen,  als  nach  der  stärkeren 
Dosis  von  20  und  30  Tropfen,  nimmt  die  Respirationsfrequenz 
sofort  und  erheblich  zu  (von  60  auf  100  oder  116,  von  132  auf 
160  und  172,  von  100  auf  156  und  176,  von  112  auf  160  und  200, 
von  100  auf  120  und  160),  und  kurze  Zeit  nach  der  zweiten,  stärkeren 
Dosis  steht  die  Respiration  plötzlich  und  bleibend  still.  Die  Puls- 
zahl bleibt  sich  gleich  oder  nimmt  ebenfalls  an  Frequenz  etwas  zu 
und  die  Herznadel  zuckt  noch  2 — 5 Minuten  nach  Erlöschen  der 
Respiration. 

Von  den  7,  in  einem  frühen  Stadium  der  Narkose  einer  Ueber- 
dosis  ausgesetzten,  Tieren  sind  nur  zwei  mit  dem  Leben  davon 
gekommen  und  zwar  die  zwei,  die  beim  Vorhalten  der  grossen 
Dosis  Respirationsstillstand  zeigten,  bei  denen  also  der  Trigeniinus- 
vagusreflex  erhalten  war,  durch  welchen  ein  Teil  des  Chloroforms 
ausser  Wirkung  gesetzt  wurde,  alle  übrigen  sind  unter  raschem 
Hinaufschnellen  der  Respirationsfrequenz  mit  folgendem  Stillstand 
den  Ueberdosen  erlegen. 

In  den  spätem  Stadien  der  Narkose  dagegen  bedingte  die  Ueber- 
dosis  teils  keine  Aenderung  der  Respiration,  teils  nur  eine  vorüber- 
gehende und  lange  nicht  so  erhebliche  Frequenzzunahme  derselben. 

Es  scheint  aus  diesen  Versuchen  mit  grosser  Wahrschein- 
lichkeit hervorzugehen , dass  bei  den  lange  dauernden  Chloro- 
formierungen eine  Art  Angewöhnung  an  die  Giftwirkung,  speziell 
eine  Abstumpfung  der  Reizempfänglichkeit  des  Respirationscentrums, 
zu  stände  kommt.  Dafür  spricht  auch  die  relative  Seltenheit 
schlimmer  Zufälle  gerade  bei  langedauernden,  mehrstündigen 
Chloroformierungen,  dafür  spricht  der  Umstand,  dass  auch  mit 
Esmarchscher  Maske,  wo  Ueberdosen  nur  bei  peinlicher  Sorgfalt 
zu  vermeiden  sind,  lange  dauernde  Narkosen  möglich  sind,  wenn 


Narkose  mit  messbaren  Chloroformluftmiscliungen. 


95 


in  der  ersten  Zeit  der  Narkose  sehr  vorsichtig  chloroformiert  wird, 
später  nach  der  Angewöhnung  sind  grosse  Dosen  lange  nicht  so 
verhängnisvoll. 

Auch  geht  aus  diesen  Versuchen  deutlich  hervor,  in 
welcher  Periode  die  Ueberdosierung  besonders  gefährlich 
ist.  Im  Beginn  der  Chloroformierung,  so  lange  der  Trigeminus- 
vagusreflex noch  wirksam  ist,  bietet  er  einen  Schutz  gegen  Ueber- 
dosierung durch  Respirationsstillstand  und  Verdunsten  eines  Teils 
Chloroform  in  die  Luft,  in  den  spätem  Stadien  der  Narkose  durch 
Abstumpfung  der  Reizempfindlichkeit  der  nervösen  Centren. 
Zwischen  diesen  zwei  Perioden  aber  ist  eine  dritte,  gefährliche  Zeit, 
in  der  auch  die  häufigsten  Todesfälle  Vorkommen,  die  nicht  zum 
kleinsten  Teil  auf  Ueberdosierung  zurückzuführen  sind. 

Es  sei  mir  gestattet,  diesen  Versuchsresultaten  noch  einige 
fragmentarische  Bemerkungen  über  den  Chloroformtod  beim  Men- 
schen anzufügen.  Eine  erschöpfende  Behandlung  dieses  Themas 
würde  hier  viel  zu  weit  führen  und  ein  Bedürfnis  hierzu  liegt  bei 
dem  Ueberreichtum  der  gerade  diesen  Gegenstand  behandelnden 
Publikationen  nicht  vor. 

Noch  immer  nicht  genügend  aufgeklärt  sind  jene  seltenen 
Fälle  von  primärer  Synkope,  wo  bei  den  ersten  Inhalationen 
Chloroform  — kaum  ist  die  Maske  dem  Gesicht  genähert  — der 
Kranke  tot  zusammenbricht. 

Es  lag  immer  und  es  liegt  heute  noch  nahe,  diese  Synkope 
in  Verbindung  zu  bringen  mit  jenem  primären  Stillstand  der  Re- 
spiration und  dem  Stillstand  oder  der  Verlangsamung  der  Herz- 
aktion, der  wir  sozusagen  bei  jeder  Chloroformierung  des  \"ersuchs- 
tieres  begegnen  und  deren  Mechanismus  hinlänglich  l^ekannt  ist. 
Die  reizende  Wirkung  der  Chloroformdämpfe  auf  die  Endaus- 
breitungen des  Trigeminus  in  der  Nasenschleimhaut  und  der  Ver- 
ästelungen des  Laryng.  sup.  im  Kehlkopf  pflanzen  sich  centripetal 
fort  und  lösen  Reflexe  aus,  deren  motorische  Bahn  für  die  At- 
mung in  den  die  Atemmuskeln  versorgenden  Nerven,  und  für  das 
Herz  im  Vagus  liegen.  Nun  ist  aber  zweierlei  wohl  zu  berück- 
sichtigen. Einmal  ist  dieser  reflektorische  Stillstand  der  Atmung, 
der  Herzbewegung,  oder  beider  zugleich,  keine  spezifische  Wirkung 
der  Chloroformdämpfe,  sie  tritt  auch  ein  bei  Reizung  der  Nasen- 
schleimhaut mit  Ammoniak,  Alkohol,  Essigsäure,  auch  durch 
mechanische  Reize,  wie  schon  Kratschmer  dargethan  hat,  sie  hat 
also  mit  der  eigentlichen  Chloroformwirkung  nichts  zu  thun.  So- 
dann geht  sowohl  aus  frühem,  als  aus  unseren.  Versuchen  hervor. 


96 


Otto  Kajjpeler. 


dass,  weder  bei  der  Anwendung  verdünnter,  noch  bei  Einatmung' 
konzentrierter,  Chloroforindämpfe,  der  Respirations-  oder  Herzstill- 
stand ein  bleibender,  tödlicher  ist.  Immer  folgt  der  Respirations- 
pause oder  dem  Aussetzen  der  Herzbewegung  eine  kurze  Periode 
rascher,  forcierter  Atmung  und  schneller  Herzschläge,  die  eine  rasche 
Aufnahme  des  Chloroforms  ins  Blut  vermittelt  und  erst  nachher 
folgt  der  definitive  Respirations-  und  Herzstillstand.  Es  giebt  also 
mit  einem  Wort  beim  gesunden  Tier  keine  primäre  tötliche  Chloro- 
formsynkope. Beim  chloroformierten  Kranken  kommt  sie  aller- 
dings vor.  Der  Tod  bei  oder  nach  den  ersten  Inhalationen  ist 
sicher  beobachtet,  wenn  auch  selten.  Bei  einer  Zusammenstellung 
von  101  Chloroformtodesfällen,  die  ich  seiner  Zeit  machte  '),  finden 
sich  nur  2 Fälle  (Nr.  4 und  Nr.  7),  wo  der  Tod  bei  den  ersten 
Atemzügen  erfolgte.  So  lieisst  es  in  Fall  4:  »Kaum  hatte  die 
Kranke  einige  Male  eingeatmet,  als  sie  plötzlich  an  Herzlähmung 
starb«,  und  in  Fall  7:  »Nach  wenigen  Inhalationen  von  reinem 
Chloroform  machte  Patient  Abwehrbewegungen,  gleichzeitig  wurde 
der  Puls  unfühlbar  und  Respiration,  wie  Herzbewegung,  hörten 
auf.«  Da  wir  nun  aber  bei  der  Chloroformierung  unserer  Kranken 
— die  nötige  Erfahrung  und  die  allergewöhnlichste  Vorsicht  vor- 
ausgesetzt — stets  nur  verdünnte  Dämpfe  anwenden  und  da  wir 
beim  chirurgischen  Chloroformieren  ziemlich  häufig  vorübergehen- 
den Respirationsstillstand,  aber  niemals  erhebliche  Pulsverlang- 
samung oder  vorübergehenden  Herzstillstand,  beobachten,  so  ist 
doch  wohl  ohne  weiteres  klar,  dass  beim  gesunden  Menschen 
ein  bleibender  Respirations-  oder  Herzstillstand,  eine  primäre  töd- 
liche Reflexsynkope  kaum  denkbar  ist.  Es  muss  zum  Zustande- 
kommen einer  solchen  ein  zweites  Moment  hinzukommen,  sei  es, 
ein  zweites  reflexhemmendes  Agens,  wie  z.  B.  ein  traumatischer 
Shock,  eine  Hypererethesie  der  Nervencentren,  eine  Erkrankung 
des  Herzens  und  seiner  Ganglien.  Das  Chloroform  spielt  also  bei 
diesen  plötzlichen  Todesfällen  entweder  gar  keine  oder  nur  eine 
nebensächliche  Rolle  und  wir  haben  kaum  die  Berechtigung,  hier 
von  Chloroformtod  zu  sprechen.  Jedenfalls  nähert  sich  diese  Todes- 
art weit  eher  dem  Tode  durch  Schreck,  durch  Furcht,  durch  Shock, 
als  dem  wirklichen  Chloroformtod.  Diese  Auffassung  wird  nament- 
lich sehr  plausibel  durch  Vergleich  dieser  Fälle  mit  jenen  plötz- 
lichen und  gänzlich  unerwarteten  Todesfällen,  die  zuweilen  auf 
unbedeutende  chirurgische  Eingriffe,  ohne  Anwendung  von  Chloro- 
form oder  eines  andern  Anästheticum,  erfolgen.  Fast  jeder  Chirurg 


b Kappeier;  Anaesthetica  p.  68. 


Narkose  mit  mess])aven  Chlorot'onnluftinischungeii. 


97 


von  grösserer  Erfahrung  ist  ihnen  schon  begegnet  und  ich  bin 
selbst  im  Fall,  die  diesbezügliche  Casuistik  um  eine  solch’  unheim- 
liche Beobachtung  zu  bereichern; 

Ein  44  jähriger  Mahlknecht  hatte  Januar  1890  eine  schwere 
Influenza  durchgemacht  mit  einer  Pleuropneumonie,  die  langsam 
ablief  und  ein  pleuritisches  Exsudat  zurückliess.  Später  sollen 
sich  dann  Erscheinungen  von  Perforation  des  Exsudates  in  die  Bron- 
chien eingestellt  haben,  es  wurden  wiederholt  massenhaft  eitrige 
Sputa  expektoriert , doch  ohne  wesentliche  Erleichterung.  Das 
Fieber  dauerte  an  und  Patient  kam  immer  mehr  von  Kräften. 
Beim  Spitaleintritt  fanden  wir  ein,  die  rechte,  untere  Thoraxhälfte 
einnehmendes,  hinten  bis  zum  Prozess,  spinös,  des  5.  Brustwirbels 
reichendes,  Exsudat  ohne  nachweisbare  Erkrankung  der  Lungen- 
spitzen und  des  Herzens  bei  dem  durch  das  lange  Krankenlager 
sehr  geschwächten,  abgemagerten  und  anämischen  Kranken.  In 
dem  spärlich  expektorierten,  eitrigen  Schleim  fanden  sich  keine 
Tuberkelbazillen.  Der  Kranke  litt  sehr  durch  fortwährenden, 
äusserst  quälenden  Hustenreiz,  Dyspnoe,  absolute  Schlaflosigkeit, 
und  die  Entleerung  des  Exsudates  schien  eine  indicatio  vitalis. 
Nachdem  der  Kranke  sich  durch  einige  Nächte  künstlichen 
Schlafes  einigermassen  erholt  hatte,  wurde  er  am  vierten  Tage  ins 
Operationszimmer  gebracht.  Wir  beabsichtigten  zunächst  durch 
eine  Probepunktion  ohne  Chloroform  die  Diagnose  des  Empyems 
festzustellen  und,  an  dieselbe  anschliessend,  in  Chloroformnarkose 
die  Operation  durch  Schnitt  mit  Rippenresektion  zu  machen. 

Kaum  jedoch  ist  der  Probetroikart  eingeführt,  kaum  fliessen 
einige  Tropfen  Eiter,  so  wird  der  Kranke  eigentümlich  rigid,  streckt 
Arme  und  Beine,  dreht  den  Kopf  langsam  nach  der  rechten  Seite, 
das  blassbläuliche  Gesicht  bedeckt  sich  mit  kaltem  Schweiss,  die 
Pupillen  sind  maximal  erweitert,  der  Radialpuls  ist  nicht  mehr  zu 
fühlen,  Herztöne  sind  nicht  mehr  zu  hören,  noch  einige  schnappende 
Atemzüge,  und  der  Kranke  ist  eine  Leiche. 

Alle  Wiederbelebungsversuche,  die  7-*  Stunden  fortgesetzt 
werden,  sind  umsonst,  der  Kranke  ist  und  bleibt  tot.  Die  Obduk- 
tion lässt  neben  einem  grössern  eitrigen  Exsudat  keine  anderweitige 
Erkrankung  erkennen.  In  den  Fibrillen  des  linken  Ventrikels  und 
der  Papillarmuskeln  nur  spärliche  Fetttröpfchen. 

Bei  der  Seltenheit  der  primären  Synkope  unter  Einwirkung 
der  Chloroformdämpfe  kann  man  sich  von  den  Wrsuchen  der  Ab- 
schwächung und  Beseitigung  der  respiratorischen  und  zirkulato- 
rischen  Reflexhemmung  für  die  Prophylaxis  des  Chloroformtodes 
nicht  viel  versprechen  und  man  wird  niemals  vergessen  düi'fen, 


98 


Otto  Kappeier. 


dass  man  mit  Beseitigung  dieser  Reflexe  ein  natürliciies  Sicher- 
heitsventil gegen  Ueberdosierung  ausser  Funktion  setzt.  Denn  es 
steht  ja  ausser  Zweifel,  dass  gerade  in  der  ersten  Periode  der 
Narkose  durch  die  reflektorischen  Atempausen  ein  Teil  des  vor- 
gehaltenen Chloroforms  von  der  Aufnahme  in  die  Lungen  und  von 
der  Resorption  ausgeschlossen  wird.  Man  hat  schon  alle  Faktoren 
des  hier  in  Betracht  kommenden  Reflexbogens  in  Angriff  ge- 
nommen. 

1.  Die  zentripetalleitende  Faser  durch  Herabsetzung  der  Reiz- 
enipfindlichkeit  der  Nasenschleimliaut  mittels  Bepinselung  der- 
selben mit  2 ^/o  Cocainlösung,  der  Larynxschleimhaut  durch  Be- 
stäubung des  Pharynx  und  Larynx  mit  eben  dieser  Lösung.  Bei 
allzu  grosser  Reizbarkeit  der  Schleimhäute  mag  dieses  Verfahren 
vielleicht  einigen  Nutzen  bringen. 

2.  Die  zentrifugalleitende  Faser,  insofern  man  den  Vagus 
durch  Atropin  zu  paralysieren  suchte,  doch  ist  dieser  Versuch 
daran  gescheitert,  dass  beim  Menschen  die  Dosen  Atropin,  die  er 
ohne  toxische  Wirkung  verträgt,  vollständig  ungenügend  sind  zur 
Beseitigung  der  herzhemmenden  Wirkung  des  ^’’agus. 

3.  Das  Zentrum,  durch  Herabsetzung  seiner  Erregbarkeit  mit 
Morphiuminjektionen.  Damit  hat  man  neben  dem  gefürchteten 
Reflex  auch  die  ganze  Periode  der  Excitation  abzuschwächen  oder 
ganz  zu  beseitigen  versucht.  Leider  besitzen  auch  die  Morphium- 
injektionen eine  nachteilige  Wirkung.  Sie  sollen  nach  den  Unter- 
suchungen von  Fran9ois  Franck^)  die  respiratorische  Synkope  der 
spätem  Stadien  der  Narkose  begünstigen.  Mir  selbst  ist  auf- 
gefallen, dass  bei  der  Morphiumchloroformnarkose,  auch  im  spätem 
Verlauf  derselben,  unerklärliche  und  beunruhigende  Respirations- 
pausen aufgetreten  sind.  Die  Narkosen,  denen  Morphiuminjektionen 
vorausgeschickt  wurden,  um  über  die  Schwierigkeiten  des  ersten 
Studiums  der  Chloroformierung  bei  ängstlichen  und  nervösen 
Kranken  hinüber  zu  kommen  und  über  die  excessive  Aufregung 
bei  Potatoren , verlangen  also  eine  ganz  besonders  sorgfältige 
Ueb  erwachung . 

Die  meisten  Anhaltspunkte  füi’  ein  wirksames  Einschreiten 
bieten  wohl  die  üblen  Zufälle  der  Excitationsperiode,  da  ein 
grosser  Teil  derselben  nicht  sowohl  von  der  toxischen  Wirkung  des 
Chloroforms,  als  von  mechanischen,  bei  ruhigen  Narkosen  aus- 
bleibenden, Störungen  der  Respiration  ausgeht.  Man  denke  nur 
an  jene  nicht  seltenen  Fälle,  wo  bei  brettartig  gespannten  Bauch- 


Bulletin  de  rAead^inie  de  Med.  1890  p.  654. 


Narkose  mit  messbaren  Chloroformluftmiscliungen. 


99 


decken,  bei  schwer  lösbarem  Trismus,  Retraktion  der  Zunge,  und 
vielleicht  auch  krampfhaftem  Schluss  der  Glottis,  unter  tief  cyano- 
tischer  Färbung  des  Gesichts  und  der  Schleimhäute,  Respirations- 
stillstand eingetreten  ist.  Solche  Zufälle  können,  nicht  richtig 
behandelt,  im  Verein  mit  der  schon  durch  Chloroform  Wirkung 
gesunkenen  Reizempfindlichkeit  des  Atmungszentrums,  oder  ver- 
bunden mit  andern  die  Atmung  hemmenden  Momenten,  wie 
unrichtige  Lage,  Schleimabsonderung  etc.,  zum  Tode  führen 
(s.  den  Fall  77  meiner  Tabelle),  aber  sie  sind  sehr  dankbar  füi‘ 
eine  energische  Behandlung  und  deshalb  vom  Chirurgen  von 
Fach  nicht  allzu  sehr  gefürchtet.  Es  kann  hier  nicht  der  Ort 
sein,  auf  diese  Behandlung  näher  einzutreten,  ich  möchte  nur 
bei  dieser  Gelegenheit  nochmals  auf  das  von  mir  früher  em- 
pfohlene, rasche  und  kräftige  Vorziehen  des  mit  einem  scharfen 
Haken  angehakten  Zungenbeins  aufmerksam  machen , das 
mir  schon  wiederholt  ausgezeichnete  Dienste  leistete,  und  durch 
Freilegung  des  Kehlkopf  eingangs  und  Wiederingangsetzung  der 
stockenden  Respiration  mit  einem  Schlag  alle  gefahrdrohenden 
Erscheinungen  beseitigte. 

Am  meisten  gefürchtet  und  am  wenigsten  zugänglich  einer 
wirksamen  Behandlung  und  Restitution  sind  und  bleiben  für  alle 
Zeiten  die  üblen  und  meist  mit  dem  Tod  endenden  Zufälle,  die 
eintreten,  nachdem  der  chloroformierte  Kranke  kürzere  oder  längere 
Zeit  unter  der  Wirkung  des  Mittels  stand  und  die  sich  nicht  an 
ein  bestimmtes  Stadium  der  Narkose  halten.  Sie  fallen  ausschliesslich 
oder  fast  ausschliesslich  der  Chloroformaufnahme  ins  Blut,  der 
Chloroformintoxikation,  zur  Last  und  bestehen  in  plötzlichem,  nicht 
selten  irreparablem  Stillstand  der  Respiration  und  Herzaktion. 

Wir  beobachten  diese  sogenannte  Syncope  automatique 
Dastre’s  bei  unseren  Versuchstieren  sowohl,  als  bei  cliloroformierten 
Kranken  und  zwar  hat  sie  bei  beiden  den  Charakter  des  Uner- 
warteten und  Plötzlichen.  Nur  in  einem  Punkte  besteht  ein  we- 
sentlicher Unterschied.  Während  bei  den  Versuchstieren  der  Re- 
spirationsstillstand fast  immer , nach  den  Untersuchungen  der 
Hyderabadkommission  immer,  das  primäre,  der  Herzstillstand  das 
sekundäre  ist,  beobachten  wir  beim  Menschen  eben  so  oft,  wenn 
nicht  öfter , den  Herzstillstand  dem  Resphationsstillstand  vor- 
ausgehen. Es  hat  sich  bekanntlich  an  diesen  Widerspruch 
zwischen  Tierexperiment  und  Beobachtung  am  chloroformierten 


b Nicht  der  Zunge,  wie  es  in  Ilankels  Handbuch  der  Inhalationsanaestetica 
S.  31  heisst. 


100 


Otto  Kappeier. 


Menschen  der  Streit  angeknüpft , ob  der  Chloroformtod  beim 
Menschen  ein  Herztod  oder  ein  sogenannter  asphyktischer  Tod  sei. 
Nachdem  aber  einerseits  die  direkte  Wirkung  der  Chloroform- 
dämpfe auf  das  Atmungszentrum  physiologischerseits  dargethan 
ist  und  andrerseits  eine  direkte  Wirkung  des  Chloroforms  auf 
das  Herz  ausser  Zweifel  steht,  hat  dieser  Streit  alles  Interesse 
und  alle  Bedeutung  verloren.  Dagegen  kann  nicht  genug  betont 
werden,  dass  weder  beim  Menschen,  noch  beim  Tier,  derjenige 
Chloroformtod,  der  seinen  Ausgang  von  der  Respiration  nimmt, 
ein  wirklicher  asphyktischer  Tod  ist.  Sehr  geschickt  umgehen  die 
französischen  Physiologen  diese  Klippe,  indem  sie  nicht  von  As- 
phyxie, sondern  von  Syncope  respiratoire  und  Syncope  cardiale 
sprechen  und  damit  sagen , dass  der  Respirationsstillstand  ein 
plötzlicher  ist,  dass  demselben  keine  Respirationsstörungen  vor- 
ausgehen, dass  mit  andern  Worten  diese  respiratorische  Synkope 
mit  der  eigentlichen  Asphyxie  im  Sinne  Bichats  (Ueberladung 
des  Blutes  mit  Kohlensäure)  nichts  zu  thun  hat , sondern  zu- 
sammenfällt mit  der  durch  das  Chloroform  bewirkten  Lähmung,  oder 
Ueberreizung  mit  konsekutiver  Lähmung,  des  Respirationszentrums. 

Bei  der  immer  grösseren  Erfahrung  über  den  Chloroformtod 
beim  Menschen  stellte  sich  auch  immer  mehr  und  mehr  heraus, 
dass  hier  der  gleichzeitige  Herz-  und  Respirationsstillstand,  oder 
der  primäre  Herzstillstand  mit  bald  früher,  bald  später  folgendem 
Respirationsstillstand,  den  primären  Respirationsstillstand  bei  weitem 
überwiegt.  Und  warum  sollte  dies  nicht  der  Fall  sein! 

Die  Lähmung  des  vasomotorischen  Zentrums  in  der  Chloro- 
formnarkose ist  klar  erwiesen,  das  Herz  wird  schon  dadurch  zu 
ungewöhnlichen  Leistungen  und  endlicher  Ermüdung  angetrieben, 
eine  lähmende  Wirkung  des  Chloroforms  auf  das  im  Herzen 
liegende  Koordinationssystem  für  die  Herzkammerbewegungen  ist 
durch  die  Untersuchungen  Kroneckers  und  Schmeys  festgestellt, 
eine  toxische  Wirkung  des  Chloroforms  auf  den  Herzmuskel  selbst 
ist  durch  Fr  an  CO  is  Franck  einwandsfrei  bewiesen  und  neuerdings 
ist  beim  Cliloroformtod  eine  Erkrankung  der  Herzganglien  durch 
Winogradoff  (s.  Koch,  Deutsche  med.  Wochenschrift  1890  Nr.  14) 
gefunden  worden.  Die  erstaunlichen  Wirkungen  der  Herzmassage 
in  der  Chloroformsynkope,  über  die  Maas  berichtet,  scheinen  auch 
dafür  zu  sprechen,  dass  beim  Menschen  die  Hauptgefahr  vom 
Herzen  ausgeht.  Wir  brauchen  uns  daher  nicht  darüber  zu  wundern, 
dass  auch  ein  gesundes  Herz  der  Wirkung  der  Chloroformdämpfe 
erliegt,  ein  schon  vorher  krankes  Herz  wird  aber  noch  Hel  sicherer 
den  erwähnten,  durch  die  Chloroformnarkose  gegebenen,  über- 


Narkose  mit  messbaren  Chloroformluftmischungen. 


101 


anstrengenden  und  schwächenden  Faktoren  erliegen  und  bei  einem 
solchen  wird  schon  eine  geringe  Dosis  des  Mittels  genügen,  den 
meist  irreparablen  Herzstillstand  herbeizuführen.  Ob  der  letzte 
tödliche  Streich  vom  Herzen  selbst  ausgeht  oder  ob  noch  eine 
Reizung  des  bulbären  Kerns  des  Vagus  durch  das  im  Blute  zir 
kulierende  Chloroform  als  letztes  hinzukommt,  das  mögen  die 
Physiologen  entscheiden.  Uns  genügt  die  Thatsache  eines  primären 
Herztodes, 

Dieser  ohne  Vorboten  auftretenden  und  fast  immer  tödlichen 
Herz-  und  Respirationssynkope  standen  wir  bis  vor  kurzem  fast 
hilflos  gegenüber  und  alle  die  Mittel  und  Wege,  die  angegeben 
wurden  und  ihr  begegnen  sollten ; die  sorgfältigste  Beobachtung 
des  Chloroformierten,  all  die  vielen  Vorsichtsmassregeln  vor  und 
während  der  Chloroformierung,  Hessen  uns  mehr  weniger  im  Stiche. 
Selbst  die  neuesten  Regeln,  die  die  verdiente  Hyderabadkommission 
für  die  Chloroformierung  aufstellt,  enthalten  ausser  der  bemerkens- 
werten Warnung,  dass  man  bei  den  nach  Anhalten  der  Respiration 
folgenden,  tiefen  Atemzügen  in  der  Verabreichung  des  Mittels  be- 
sonders vorsichtig  sein  müsse,  nichts  wesentlich  Neues. 

Es  ist  nach  diesen  Regeln  schon  seit  langen  Jahren  nicht  nur 
in  England,  auch  in  Deutschland  und  anderswo  in  Kliniken  und 
Spitälern,  auch  in  der  Privatpraxis,  chloroformiert  worden  und  die 
Zahl  der  Chloroformtodesfälle  hat  trotzdem  nicht  abgenommen, 
sie  hat  zugenommen.  Die  Behauptung,  dass  alle  Gefahren  der 
Chloroformierung  von  der  Respiration  und  nur  von  dieser  aus- 
gehen, ist  offenbar  einseitig  und  durch  die  physiologische  Forschung 
und  die  Erfahrung  am  Operationstisch  schon  längst  widerlegt. 
Damit  fällt  auch  die  präsumierte,  absolute  Sicherheit  der  mo- 
difizierten, freien  Anwendung  des  Chloroforms  dahin. 

Es  war  daher  sehr  zu  begrüssen,  dass  uns  die  Physiologen 
Bert  und  Krön  ecke  r neuerdings  einen  Weg  zeigten,  der  uns  die 
Gefahren  des  Chloroforms  auf  ein  Minimum  beschränken  lehrte, 
der  uns  lehrte,  dass  Chloroformdämpfe  von  verschiedenen  Tieren 
lange  und  ohne  gefährhche  Zufälle  vertragen  werden,  wenn  sie 
eine  gewisse  Konzentration  nicht  überschreiten.  Die  von  mir  ausge- 
führten Versuche  sind  eine  Bestätigung  dieses  Axioms  und  sie  be- 
weisen zu  gleicher  Zeit,  dass  man  in  einer  bestimmten  Periode 
der  Chloroformierung  mit  einer  Ueberdosis  die  tödliche  Respirations- 
synkope herbeiführen  kann.  Diese  Ueberdosierung  des  mächtigen 
Mittels  zu  verhindern  ist  in  erster  Linie  die  Aufgabe  aller  derer, 
die  Chloroform  anwenden.  Das  vielleicht  beste  Mittel  hiezu,  die 
abgestufte  Chloroformierung  mit  künstlicher  Respiration,  ist  leider 


102 


Otto  Kappeier. 


für  die  Anwendung  am  Krankenbette  zu  kompliziert  und  es  wird  ihr 
wohl  das  Schicksal  der  Apparate  A.  Martins  und  Raphael  Dubois’ 
zu  teil  werden.  Die  bis  heutigentags  gebräuchlichste  Anwendung  des 
Chloroforms  mit  Tuch  undEsmarchs  Maske  schützt  in  keiner  Weise 
vor  der  Inhalation  sehr  konzentrierter  Dämpfe.  Die  Tropfmethode 
bildet  eine  erste  Etappe  auf  dem  Wege  zur  möglichst  ungefähr- 
lichen Anwendung  des  Mittels,  inwiefern  sie  aber  noch  in  sehr 
vielen  Beziehungen  der  Chloroformierung  mit  meinem  sehr  einfachen 
Apparate  nachsteht,  ist  weiter  oben  ausführlich  erörtert  worden. 

Und  so  kann  und  muss  ich  denn  auch  heute  noch,  gestützt 
auf  eine  experimentelle  Prüfung  des  Apparates  und  eine  grössere 
Erfahrung  am  Operationstisch,  der  Apparatchloroformierung  das 
Wort  reden. 


] Zur  Frage  der  Schädeloperationen  bei 

Epilepsie 

von 

l)r.  Alexander  Fraenkel, 

Privatdocent  für  Cliirurgie  in  Wien. 


Vor  nunmehr  zwei  Jahren  habe  ich  zum  ersten  Male  über 
Versuche  berichtet,  die  sich  auf  die  Heilung  von  Schädeldefekten 
auf  heteroplastischem  Wege  bezogen.  Es  gelang  in  diesen  Ver- 
suchen, die  durch  Trepanation  mittels  des  gewöhnlichen  Trepans 
an  Hundeschädeln  erzeugten  Lücken  im  Schädel  durch  Ausfüllung 
mit  einer  Celluloidplatte  dauernd  und  fest  zu  verschliessen.  Einer 
meiner  damaligen  Versuchshunde  wurde  9 Monate  nach  dem  er- 
suche getötet  und  die  Celluloidplatte  zeigte  sich  ebenso  sicher  und 
fest  eingelagert  wie  unmittelbar  nach  der  Operation  und,  was  be- 
sonders bemerkenswert  schien,  ohne  jedwede  von  ihr  gegen  die 
Umgebung  hin  ausgegangene  nennenswerte  Reaktion,  weder  gegen 
den  benachbarten  Knochen  noch,  worauf  namentlich  Gewicht  zu 
legen  war,  gegen  die  dura  mater  hin,  welche  keinerlei  adhäsive 
Verbindung  mit  der  eingelagerten  Platte  zeigte. 

Ich  konnte  denn  auch  bald  nach  Veröffentlichung  dieses  be- 
scheidenen therapeuthischen  Vorschlages  die  Genugthuung  erfahren, 
eine  Reihe  von  Erfolg  begleiteter  Versuche  auch  am  Menschen 
durchgeführt  zu  sehen,  die  es  erwarten  lassen,  dass  diese  hetero- 
plastische Methode  in  ihrem  begrenzten  Indikationsgebiete  auch 
fernerhin  Anw^endung  finden  wird. 

Schon  gelegentlich  meiner  ersten  Mitteilung  über  diesen 
Gegenstand  glaubte  ich  aber  diese  engen  Grenzen,  die  dem  Ver- 


I 

r 


104 


Alexander  Fraenkel. 


fahren  für  die  chirurgische  Praxis  gezogen  sind,  besonders  hervor- 
heben zu  müssen,  namentlich  aber,  dass  es  sich  bei  dieser  Art  von 
Heteroplastik  keineswegs  um  eine  Einheilung  im  physiologischen 
Sinne  handle,  sondern  lediglich  um  eine  mechanische  Ausfüllung 
einer  Lücke  im  Knochen  durch  Fixation  des  eingelagerten  Fremd- 
körpers durch  eine  starre  Umgehung,  um  eine  Fixation,  welche 
etwa  jener  gleicht,  durch  welche  ein  Uhrglas  im  metallischen  Keifen 
festgehalten  wird. 

Eine  unbewegliche,  feste  Umgebung,  die  eine  solche  dauernde 
Einklemmung  leisten  konnte,  war  somit  eine  der  Grundbedingungen 
für  das  Gelingen  des  Verfahrens,  eine  weitere:  der  Mangel  jedweder 
Sekretion  unterhalb  und  oberhalb  der  Platte.  Zunächst  also  eine 
absolut  sichere  Asepsis  bei  möglichst  vollkommener  Blutstillung; 
weiterhin  aber  anatomische  Verhältnisse,  welche  für  das  Aus- 
bleiben einer  derartigen  Sekretion  von  vorne  herein  Gewähr  leisten. 

Es  ist  nun  im  Anschluss  an  meine  Exi^erimente  über  Ver- 
suche berichtet  worden,  das  Implantationsverfahren  auch  über  die 
Grenzen  der  ursprünglichen  Indikationen  hinaus  in  Anwendung 
zu  ziehen  und  ausser  den  Schädellücken  auch  anderweitige  Lücken, 
sei  es  durch  operative  Eingriffe  geschaffene,  sei  es  durch  patho- 
logische Prozesse  entstandene,  durch  Celluloideinlagerung  zur  Hei- 
lung zu  bringen:  Weichteillücken  der  verschiedensten  Art,  Ab- 
schluss von  Höhlen  im  Röhrenknochen  — wie  vorauszusehen, 
ohne  Erfolg. 

Es  dürfte  vielleicht  nicht  ganz  ohne  Interesse  sein,  über  einen 
dieser  misslungenen  Versuche  kurz  zu  berichten.  Es  handelte  sich 
darum,  einen  Trepanationsdefekt  der  Stirnhöhle,  die  wegen  Em- 
pyem eröffnet  worden,  auf  diese  Weise  zum  dauernden  Verschluss 
zu  bringen.  Nach  Ablauf  der  ersten  drei  Wochen  schien  ein  voll- 
kommener Erfolg  erreicht  zu  sein.  In  der  vierten  Woche  eiterte 
die  Platte  aus.  Wie  bei  den  Weichteillücken  durch  die  nach- 
giebige und  bewegliche  Umgebung,  so  wurde  bei  der  Empyem- 
höhle, wie  bei  jeder  Knochenhöhle,  durch  das  von  dem  granu- 
lierenden Grund  der  Höhle  gelieferte  Sekret,  das  nach  und  nach 
bis  zum  Niveau  der  Platte  anstieg,  der  zur  dauernden  Einverleibung 
unerlässliche  innige  mechanische  Kontakt  der  Platte  mit  der  Um- 
gebung gelockert  und  diese  musste  schliesslich  ausfallen. 

Ausser  den  unmittelbaren  Zwecken  einen  gegebenen  Schädel- 
defekt auszufüllen,  schien  die  heteroplastische  Methode  noch  für 
jene  Fälle  von  Schädellücken  von  spezieller  Bedeutung,  die  nach 
Trepanation  wegen  Rindenepilepsie  zurückblieben.  Man  durfte 
hoffen  durch  Ausfüllung  des  durch  die  Operation  geschaffenen 


Zur  Frage  der  Sehädeloperationeu  bei  Epilejisie. 


105 


Schädeldefektes  mit  einem  so  glatten  und  dichten  Materiale,  wie 
es  das  Celluloid  ist,  möglicherweise  jene  eine  Quelle  der  Recidiven 
nach  diesen  Operationen  auszuschalten,  welche  durch  die  adhäsiven 
Prozesse  gegeben  ist,  die  sich  nachträglich  von  der  Hirnrinde,  be- 
ziehungsweise der  dura  mater  gegen  die  Operations wunde  ausbilden. 
Dass  dies  thatsächlich  zu  erreichen  ist,  bewiesen  ja  die  Tier- 
versuche, deren  Ergebnisse  in  dieser  Beziehung  wohl  ohne  weiteres 
auf  ähnliche  Verhältnisse  beim  Menschen  zu  übertragen  sind. 

Wenn  nun  nach  hirnchirurgischen  Eingriffen,  welche  wegen 
traumatischer  Epilepsie  ausgeführt  wurden,  trotz  gelungenen  Ver- 
schlusses der  Knochenlücke  durch  die  Celluloidplatte  dennoch 
Recidiven  eingetreten  sind,  so  kann  wohl  damit  nicht  gesagt  sein, 
dass  in  diesen  Fällen  die  Methode  ihre  Schuldigkeit  nicht  gethan, 
es  muss  vielmehr  angenommen  werden,  dass  trotz  Eliminierung 
dieser  einen  Quelle  der  Recidiven  nach  derartigen  Eingriffen  noch 
andere  Ursachen  fortwirkten,  welche  das  AViederauf treten  der 
Krämpfe  verschuldeten. 

Seitdem  wir  durch  unser  heutiges  Wundbehandlungs verfahren 
in  die  Lage  gesetzt  sind,  ohne  unmittelbare  Lebensgefahr  chirur- 
gisch auch  bis  zu  jenen  Organen  vorzudringen,  die  vordem  durch 
die  tödlichen  Folgen  einer  eventuellen  Infektion  für  uns  unzugäng- 
lich waren,  hat  für  manche  Eingriffe  das  ehedem  gebotene  so 
genaue  Abwägen  ihrer  strengen  Indikation  an  unbedingter  Geltung 
verloren  und  schon  die  Erwägung,  möglicherweise  nützen  zu  können, 
bietet  in  unseren  Tagen  häufig  genug  den  Anlass,  zum  Messer  zu 
greifen.  So  lassen  wir  uns  denn  auch  durch  die  so  zahlreichen 
Misserfolge,  die  bei  genauer  und  vorurteilsloser  Prüfung  der  ein- 
schlägigen Statistik  die  hirnchirurgischen  Operationen  darbieten, 
immer  wieder  nicht  abschrecken,  es  neuerdings  zu  versuchen,  im 
gegebenen  Falle  durch  einen  Eingriff  zu  nützen. 

Allerdings  darf  nicht  geleugnet  werden,  dass  auch  auf  diesem 
Gebiete  eine  Reaktion  sich  geltend  macht,  welche  daran  erinnert, 
dass  es  schon  wiederholt  in  der  Chirurgie  Zeiten  gegeben  hat,  wo 
die  Indikationen  für  die  Trepanation  sehr  weitgehende  waren.  Es 
ist  ja  bekannt,  mit  welchem  Eifer  Dieffenbach  und  Stromeyer  sich 
gegen  die  namentlich  seit  Percival  Pott  so  überhäufig  angewandte 
Trepanation  zumal  bei  Schädelverletzungen  wandten.  Bezeichnete 
doch  Dieffenbach  die  Trepanation  als  ein  sicheres  Mittel,  um  die 
Kranken  umzubringen,  und  Stromeyer  that  den  drastischen  Aus- 
spruch: »Wer  heutzutage  noch  trepaniert,  ist  selbst  auf  den  Kopf 
gefallen.« 

Für  unsere  Tage  scheint  übrigens  auch  in  der  Trepanations- 


4 


106 


Alexander  Fraenkel. 


frage  eine  nüchternere  Erwägung  jetzt  schon  Eingang  gefunden,  und 
die  Ueberzeugung  allmählich  sich  eingelebt  zu  haben,  dass  nament- 
lich jene  weitgehenden  Indikationen,  wie  sie  von  dem  hochver- 
dienten Führer  und  Pfadfinder  in  der  Gehirnchirurgie,  Horsley, 
noch  auf  dem  internationalen  medizinischen  Kongress  in  Berlin 
aufgestellt  wurden  und  die  schliesslich  jeden  hartnäckigen  Kopf- 
schmerz, der  anderen  Mitteln  nicht  weicht,  der  Trepanation  zu- 
führen sollen,  nicht  annehmbar  sind.  Nicht  zu  gedenken  der  von 
Burkhardt  (Prefargier)  ausgehenden  Bestrebungen  auch  bei  ge- 
wissen Geisteskrankheiten  zu  trepanieren,  Bestrebungen  die  schon 
in  ihren  wissenschaftlichen  Voraussetzungen  von  Sahli  als  höchst 
anfechtbar  hingestellt  werden. 

Was  sich  aber  als  sicherer  Bestand  der  Chirurgie  erwiesen 
hat  und  auch  für  die  Zukunft  stets  erhalten  wird,  das  sind  die 
operativen  Eingriffe  bei  komplizierten  Schädelfrakturen,  resp. 
Schusswunden  des  Schädels.  Seitdem  man  gelernt  hat,  die  hier- 
bei notwendigen  Encheiresen  zunächst  als  Hilfsmittel  zur  Ermög- 
lichung einer  aseptischen  Wundbehandlung  in  Anwendung  zu 
ziehen,  haben  sich  auch  dementsj3rechend  die  Erfolge  der  Be- 
handlung dieser  Verletzungen  in  erfreulichster  Weise  gebessert. 
Es  ist  besonders  ermutigend,  dass  den  hiebei  gebotenen  operativen 
Eingriffen  nicht  nur  als  primären  Operationen  ihr  bedeutender 
therapeutischer  Wert  zukommt,  sondern  dass  sie  sich  auch  als 
intermediäre  noch  in  hohem  Masse  wirksam  erweisen  können. 

Als  Beleg  hiefür  möge  eines  hierher  gehörigen  F alles  eigener 
Erfahrung  in  wenigen  Worten  gedacht  sein. 

Unter  den  Verwundeten  meines  Spitales  in  Belgrad  im  ser- 
bisch-bulgarischen Kriege  1885/86  fand  sich  auch  ein  Schädel- 
verletzter, in  vollständig  komatösem  Zustande,  mit  retardiertem 
Pulse,  und  wie  eine  genauere  Untersuchung  ergab,  aphasisch  und 
komplett  rechtsseitig  hemiplegisch.  Am  behaarten  Kopfe  fand  sich 
bei  genauer  Untersuchung  wenige  Centimeter  nach  links  vom  vor- 
deren Diittel  der  Sagittalnaht  eine  4 cm  lange,  longitudinale  Narbe, 
in  deren  Mitte  sich  eine  von  Granulationen  umgebene,  kleine  Fistel 
zeigte,  aus  der  synchronisch  mit  dem  Pulsschlage  kleine  Eitermengen 
sich  entleerten.  Unterhalb  dieser  Narbe  eine  Einsenkung  des  Knochens 
im  Umfange  eines  Silberguldenstückes.  Die  Depression  des  Kno- 
chens und  die  aus  der  Fistel  noch  nachweisbare  eitrige  Sekretion, 
zusammengehalten  mit  der  contralateralen  Hemiplegie,  der  Um- 
stand ferner,  dass  der  Mann  nicht  unerheblich  fieberte,  waren 
Gründe  genug,  zur  Trepanation  zu  schreiten.  Nachdem  nun  im 
Bereiche  der  Knochendepression  die  Haut  freipräpariert  war,  zeigte 


Zur  Frage  der  Schädeloperationen  bei  Epilepsie. 


107 


sich  die  Einschussöffnung  im  Knochen  durch  einige  kleine  Knochen- 
splitter verlegt.  Nach  Entfernung  derselben  entleerte  sich  auch 
mehr  Eiter  und  war  in  der  Tiefe  der  Wunde  ein  schwarzer  Gegen- 
stand sichtbar.  Der  Versuch,  jetzt  schon  diesen  Körper  zu  extra- 
hieren, der  sich  bei  der  Sonderuntersuchung  als  Projektil  heraus- 
stellte, wurde  bald  aufgegeben  und  zunächst  der  Knochen  im  Be- 
reiche von  3 cm  cirkulär  abgemeisselt,  dann  konnte  bequem  aus 
der  Tiefe,  etwa  5 cm,  das  umfängliche  Projektil,  eine  bulgarische 
Scharfschützenkugel  von  ungewöhnlicher  Grösse,  entfernt  werden. 
Unterhalb  des  Projektils  war  ein  grösserer  loser  Knochensplitter, 
der  Fremdkörper  selbst  war  in  einen  granulierenden  Trichter  ein- 
gebettet, der  mitten  in  die  Gehirnsubstanz  ging  und  reichlich  Eiter 
enthielt.  Das  Projektil  war  in  seinem  unteren  Teile  gabelig  ge- 
spalten, zwischen  der  Gabel  sass  der  früher  erwähnte  grössere 
Knochensplitter. 

Der  Verlauf  nach  der  Operation  war  vollständig  reaktionslos; 
Fieber  und  Kopfschmerzen  schwanden,  die  Sekretion  aus  der 
Kopfwunde  war  minimal.  Die  ersten  Zeichen  der  funktionellen 
Wiederherstellung  zeigten  sich  erst  am  zehnten  Tage  nach  der 
Operation  in  Form  kleinster  aktiver  Bewegungen  der  Finger  der 
rechten  Hand.  Im  Verlaufe  von  6 Wochen  erfolgte  die  volle 
Wiederherstellung  des  Verwundeten. 

Die  Verletzung  war  in  diesem  Falle  mindestens  14  Tage 
alt,  trotzdem  konnte  noch  durch  den  intermediären  Eingriff  die 
vollständige  Heilung  erzielt  werden. 

Ein  weiteres  Gebiet  für  erfolgreiche  hirnchirurgische  Thätig- 
keit  giebt  uns  die  Trepanation  zum  Zwecke  der  Unterbindung  der 
Ai'teria  meningea  inedia,  wie  sie  durch  Krönlein  methodisch  aus- 
gebildet wurde,  und  endlich  — jedoch  nicht  ohne  eine  gewisse 
Einschränkung  — die  reinen  Fälle  Jacksonscher  Epilepsie. 

Die  bisherigen  Operationen  bei  akutem  und  chronischem 
Hydrocephalus,  bei  Tumoren  des  Gehirns  weisen  eine  so  traurige 
Statistik  nach,  aus  der  wohl  jetzt  schon  hervorgeht,  dass  wir  hier 
von  chirurgischen  Eingriffen  kaum  etwas  zu  erwarten  haben. 
Sehr  fraglich  scheint  es  auch,  ob  die  Chirurgen  dem  Rate  Sahlis 
folgen  werden,  die  Trepanation  bei  Gehirntumoren  lediglich  zur 
Herbeiführung  eines  Gehirnprolapses  auszuführen,  in  der  Erwägung, 
hiermit  einen  Weg  zu  betreten,  der  in  manchen  Fällen  von  der 
Natur  eingeschlagen  wurde,  in  Form  von  spontaner  Usur  des 
Schädeldaches  durch  die  wachsende  Gehirngeschwulst  und  daran 
anschliessender  Prolaps,  wobei  erfahrungsgemäss  die  Erscheinungen 
der  intrakraniellen  Drucksteigerung,  namentlich  aber  die  quälenden 


108 


Alexander  Fraenkel. 


Kopfschmerzen  in  ihrer  Intensität  nachlassen.  Es  wird  wohl  vor- 
derhand für  derlei  Fälle  bei  den  Morphineinspritzungen  sein  Be- 
wenden haben. 

Was  nun  speziell  die  hirnchirurgischen  Eingriffe  bei  den 
verschiedenen  Formen  der  Epilepsie  anlangt,  so  wird  leider  das 
Urteil  über  deren  Wert  und  Erfolg  noch  immer  sehr  erschwert 
durch  die  Mängel  der  einschlägigen  Statistik,  vnlche  v.  Bergmann 
mit  Recht  als  die  trügerischeste  und  bedeutungsloseste  von  allen 
chirurgischen  Statistiken  bezeichnen  konnte. 

Es  ist  von  vielen  Autoren,  um  nicht  zu  sagen  von  den  meisten, 
noch  nicht  jener  strenge  Massstab  an  die  Beurteilung  ihrer  Fälle 
angelegt  worden,  der  für  eine  nutzbringende  Schlussfolgerung  aus 
den  mitgeteilten  Erfahrungen  unerlässlich  erscheint.  Ganz  ab- 
gesehen von  den  Täuschungen  über  den  Erfolg  der  hirnchirur- 
gischen Eingriffe,  die  sich  aus  der  zumeist  viel  zu  frühen  Publi- 
kation der  Fälle  ergiebt,  findet  man  in  den  einschlägigen  Fällen 
noch  immer  nicht  mit  der  absolut  erforderlichen  Strenge  die 
Unterscheidung  der  einzelnen  Formen  der  Epilepsie  durchgeführt. 
Denn  das  eine  steht  doch  heute  schon  über  jedem  Zweifel:  dass 
die  gemeine  Epilepsie  absolut  kein  Gegenstand  chirurgischen  Ein- 
greifens ist  und  dass  Erfolge,  welche  in  solchen  Fällen  verzeichnet 
werden,  nur  scheinbare,  mithin  ganz  bedeutungslose  sind.  Es 
muss  mit  aller  Klarheit  ausgesprochen  und  ersichtlich  sein,  ob  es 
sich  in  den  meisten  Fällen  um  jene  einzige  Form  der  Epilepsie 
handelt,  welche  als  in  bestimmten  Partien  der  Hirnrinde  lokahsiert, 
nach  unseren  bisherigen  Erfahrungen  überhaupt  in  operativer 
Hinsicht  in  Betracht  kommt,  nämlich  um  die  reine  Form  der 
Jacksonschen  Epilepsie.  Wo  dies  nicht  über  jeden  Zweifel  erhaben 
ist,  werden  wir  weder  die  scheinbaren  Erfolge  anerkennen,  noch 
aus  etwaigen  Misserfolgen  Schlüsse  ziehen  dürfen.  Es  muss  immer 
wieder  an  die  ja  genugsam  benannten  Beobachtungen  erinnert 
werden,  dass  Leute,  die  an  gemeiner  Epilepsie  leiden,  oft  jahre- 
lange Intermissionen  ihrer  Erkrankung  zeigen,  und  es  ist  nicht 
immer  nur  Zufall,  wenn  derartige  Pausen  in  den  Anfällen  im  An- 
schluss an  eine  Operation  eintreten.  Wissen  wir  doch  aus  der  in 
dieser  Frage  höchst  wertvollen  Publikation  Maclaren,  dass  Epi- 
leptiker, an  denen  wegen  irgend  eines  mit  ihrer  Epilepsie  in  gar 
keinem  Zusammenhang  stehenden  Leidens  eine  Operation  vor- 
genommen wurde,  für  kürzere  oder  längere  Zeit,  ja  sogar  dauernd 
von  ihren  Anfällen  im  unmittelbaren  Anschluss  an  die  Operation 
befreit  blieben,  ja  es  ist  nicht  minder  bekannt,  dass  selbst  zufällige 
Verletzungen  oft  den  Beginn  krampffreier  Zeiten  darstellten.  Als 


Zur  Frage  der  Schädeloperationen  bei  Epilepsie. 


109 


besonders  lehrreich  sei  hier  die  alte  Beobachtung  Donats  citiert, 
derzufolge  ein  junger  Epileptiker  behufs  Konsultation  wegen  dieses 
seines  Leidens  eine  Reise  nach  Italien  unternahm.  Unterwegs 
.überfielen  ihn  Briganten  und  brachten  ihm  eine  Schädelwunde  bei. 
Seitdem  blieb  er  von  seiner  Epilepsie  dauernd  geheilt. 

Einen  für  die  Therapie  der  Epilep.sie  brauchbaren  Schluss 
können  wir  leider  aus  diesen  und  ähnlichen  Beobachtungen  nicht 
ziehen,  höchstens  den  einen,  dass  die  hirnchirurgischen  Operatio- 
nen, welche  zum  Zwecke  der  Heilung  der  Epilepsie  vorgenommen 
wurden,  nicht  als  solche  in  Betracht  kommen,  sondern  als  eine 
jener  verschiedenen  äusseren  Einwirkungen,  von  denen  seit  alters 
her  bekannt  ist,  dass  sie  gelegentlich  für  kürzere  oder  längere  Zeit 
die  Krämpfe  sistieren.  Eine  Methode  wird  und  kann  daraus 
ebenso  wenig  werden,  wie  aus  einer  zufälligen  Beobachtung,  dass 
ein  Epileptiker  nach  einer  ünterschenkelfraktur  sich  anfallsfreier 
Zeiten  zu  erfreuen  hatte. 

Die  Erfolge  also  nicht  minder  wie  die  Misserfolge,  welche 
nach  hirnchirurgischen  Eingriffen  bei  gemeiner  Epilepsie , be- 
ziehungsweise bei  jenen  Krampf  formen  verzeichnet  werden,  die 
nicht  zweifellos  als  nicht  in  den  Bereich  der  gemeinen  Epilepsie 
gehörig  betrachtet  werden  können , sind  weder  praktisch  noch 
wissenschaftlich  in  irgend  einer  Weise  zu  verwerten,  die  einschlä- 
gigen Fälle  mithin  aus  der  Statistik  zu  eliminieren. 

Anders  steht  die  Sachlage  bei  jenen  Krampfformen,  die  das 
Bild  der  Jacksonschen  Epilepsie  aufweisen  und  in  jenen  Teil  der 
Hirnrinde  lokalisiert  werden,  die  wir  als  motorische  Zone  kennen. 
Diese  Krampfformen  sind  bekanntlich  dadurcli  charakterisiert,  das  ^ 
der  Anfall  in  einer  bestimmten  Rindenpartie,  in  einem  räumlich 
abgegrenzten  Centrum  einer  Muskelgruppe,  sei-  es  des  Eacialis- 
gebietes,  sei  es  einer  Extremitätenmuskelgruppe,  die  wir  als  die 
primär  gereizte  ansehen  müssen,  seinen  xA.nfang  nimmt,  und  dann 
nach  und  nach  entsprechend  der  topischen  Anordnung  der  be- 
nachbarten motorischen  Centren  weitere  Muskelgruppen  ergreift. 
Zu  diesem  typisch  sich  immer  wiederholenden  x-Vblauf  der  Krämpfe, 
wie  wir  sie  bei  isolierten  pathologischen  Zuständen  der  motorischen 
Centren  der  Hirnrinde  kennen,  finden  wir  die  vollständige  Ana- 
logie der  von  Hitzig  und  Frisch,  Luciani,  Ferrier  u.  a.  experi- 
mentell festgestellten  Erfahrung,  dass  bei  elektrischer  Reizung  der 
motorischen  Zone  der  Hirnrinde  gleichfalls  die  hierdurch  hervor- 
gerufenen Krämpfe  stets  von  einem  primär  gereizten  Centrum  aus- 
gehen, resp.  der  diesem  zugehörigen  Muskelgruppe,  und  dann  auf 
die  anatomisch  benachbarten  Centren  übergreifen.  Wie  also  im 


110 


Alexander  Fraenkel. 


Experimente  von  einem  bestimmten  Herde  aus,  dem  primär  ge- 
reizten, die  Entladungen  auf  die  Nachbarschaft  erfolgen,  so  muss 
auch  bei  den  durch  j^athologische  Prozesse  hervorgerufenen  Rinden- 
krämpfen in  dem  zuerst  krampfenden  Gebiete,  resp.  dem  moto- 
rischen Centrum,  von  dem  diese  Krämpfe  ausgelöst  werden,  an- 
genommen werden,  dass  es  das  zunächst  und  stärkst  gereizte  ist 
und  den  nächsten  Anlass  zum  Auftreten  der  weiteren  Krampf- 
formen bietet.  Mit  anderen  Worten:  Dasjenige  Centrum,  auf  dessen 
Ergriffensein  das  im  Ablaufe  des  Anfalls  zuerst  ki’ampfende  Muskel- 
gebiet hindeutet,  ist  auch  gleichzeitig  dasjenige,  welches  den  cor- 
tical  epileptischen  Anfall  als  solchen  verursacht. 

Es  ist  bekannt,  dass  diese  durch  experimentale  Forschung 
und  klinische,  nekroskopisch  wohl  gestützte  Erkenntnis  unter  der 
Aegide  Horsleys  die  neue  Aera  der  operativen  Behandlung  jener 
Form  der  Rindenepilepsie  inauguriert  hat,  welche  in  jüngster  Zeit 
von  Sahli  in  bezeichnender  Weise  als  dissociierte  bekannt  wurde. 
Vor  Horsley  beschränkte  man  sich  in  derlei  Fällen  nur  in  der 
Art  vorzugehen,  dass  man  die  augenfälligen  Veränderungen,  die 
sich  an  den  Schädeldecken  bei  traumatischer  Rindenepilepsie  dar- 
boten, wie  Depression  des  Knochens,  und  eventuell  nach  Ent- 
fernung dieser  Stelle,  lose  Knochensplitter,  Narben  an  der  Dura 
etc.  amovierte  und  das  Gehirn  selbst  nur  dann  operativ  anging, 
wenn  an  demselben  ebenfalls  sichtbare  pathologische  Verände- 
rungen, wie  eine  Quetschungscyste  und  dergleichen  Residuen  trau- 
matischer Einwirkungen  bemerkbar  waren.  Die  Erfolge  dieser 
Operationen  waren  anerkannterweise  nicht  den  Erwartungen  ent- 
^ sprechend.  Es  sind  zwar  in  der  einschlägigen  Litteratur  Fälle 
genug  verzeichnet,  die  nach  derartigen  Eingriffen  als  geheilt  be- 
schrieben wurden,  nach  und  nach  hat  sich  aber  doch  die  Er- 
kenntnis Bahn  gebrochen,  dass  es  sich  hiebei  nicht  um  wirkliche 
Heilung  handle,  sondern  vielmehr  um  eine  nur  zeitweise  Inter- 
mission der  Krankheitserscheinungen,  Der  Verlauf  nach  derartigen 
Operationen,  die  ja  gegenwärtig  unter  dem  Schutze  der  Aseptik 
ganz  gefahrlos  sind,  ist  gewöhnlich  derart,  dass  unmittelbar  nach 
dem  Eingriffe  die  Anfälle  durch  einige  Tage  hindurch  eine  Steige- 
rung an  Häufigkeit  und  oft  auch  an  Intensität  aufweisen,  um  all- 
mählich für  kürzere  oder  längere  Zeit  ganz  zu  sistieren,  leider  aber 
nicht  immer.  Schon  einige  Monate  nach  der  Operation  stellt  sich 
gewöhnlich  der  Status  quo  wieder  ein. 

Die  Misserfolge  dieser  Eingriffe  haben  nun  weiterhin  den 
therapeutischen  Grundsatz  gezeitigt,  sich  mit  diesen  extracerebralen 
Operationen  nicht  zu  begnügen,  sondern  direkt  auf  jene  Stelle  der 


Zur  Frage  der  Schädeloperationen  bei  Epilepsie. 


111 


Hirnrinde  selbst  einzugehen,  welche  nach  der  Natur  der  Krämpfe 
resp.  nach  der  Aufeinanderfolge  derselben  als  die  primär  er- 
krankte und  den  epileptischen  Anfall  auslösende  zu  betrachten  ist. 
Als  Wegweiser  für  diese  hirnchirurgischen  Eingriffe  sollten  nicht 
nur  die  Spuren  des  vorausgegangenen  Traumas  dienen,  denen  man 
ja  leicht  nachgehen  könnte,  sondern  Horsley  empfahl,  abgesehen 
von  diesen  sichtbaren  Veränderungen,  und  so  whd  es  ja  in  unseren 
Tagen  geübt,  durch  faradische  Reizung  der  Hirnrinde  jene  Stellen 
aufzusuchen  und  zu  bestimmen,  welche  als  primär  epileptogene 
Zone  zu  betrachten  ist,  und  dieselbe  zu  exstirpieren  und  zwar 
auch  dann  zu  exstirpieren,  wenn  sie  anscheinend  normal  und  un- 
verändert ist. 

Schon  im  Experimente  hat  man  die  Erfahrung  gemacht,  dass 
man  bei  dieser  Aufsuchung  der  Rindencentren  nur  mit  ganz  schwachen 
Strömen  einwirken  darf,  weil  durch  halbwegs  stärkere  faradische 
Reizung  fast  von  jeder  Stelle  der  Hirnrinde  aus  man  allgemeine 
Krämpfe  hervorrufen  kann,  aus  denen  die  Tiere  oft  durch  längere 
Zeit  nicht  herauskommen  können. 

Mit  der  Exstirpation  derjenigen  Rindenpartie,  deren  zuge- 
höriges Muskelgebiet  in  der  Reilienfolge  der  Krampferscheinungen 
das  erste  ist,  hoffte  man  gleichzeitig  den  supponierten  primären 
Krankheitherd  zu  entfernen,  diejenige  Partie  der  Hirnrinde,  welche 
in  irgend  einer  Weise  krankhaft  verändert,  auch  auf  die  anatomisch 
benachbarte  Partie  des  Cortex  einen  Reiz  ausübt,  der  mit  jenem 
gleichzustellen  wäre,  der  im  Tierexperimente  durch  die  faradische 
Reizung  einer  motorischen  Zone  und  der  an  diese  sich  anschlies- 
senden Miterregung  der  anatomisch  benachbarten  Partien  der 
Hirnrinde  erzeugt  ward. 

Fragen  wir  uns  nun,  ob  die  aus  dieser  supponierten  Analogie 
hervorgegangene  chirurgische  Therapie  und  die  an  diese  geknüpften 
Hoffnungen  sich  entsprechend  erfüllt  haben,  so  dürfen  wir  aller- 
dings mit  der  Anerkennung  nicht  zurückhalten,  dass  im  allgemeinen 
die  Resultate  der  hirnchirurgischen  Eingriffe  bei  traumatischen 
Epilepsien,  die  unter  diesem  neuen  Gesichtspunkte  durchgeführt 
wurden,  bessere  sind  als  ehedem,  keineswegs  aber  in  dem  Masse, 
als  man  dies  gewünscht  und  vorausgesetzt  hat.  Als  sprechendster 
Beweis  hiefür  dient  die  von  Horsley  selbst  am  internationalen 
Kongress  in  Berlin  vorgebrachte  Statistik.  Auch  die  Statistik  des 
erfahrensten  französischen  Gehirnchirurgen , Lucas  Championieres, 
weist  unter  10  operierten  Fällen  keinen  einzigen  mit  dauernder 
Heilung  nach. 

Worin  sind  nun  die  Gründe  für  diese  Misserfolge  zu  suchen? 


112 


Alexander  Fraenkel. 


Es  sei  nochmals  hervorgehoben,  dass  aus  den  bereits  Eingangs 
erwähnten  Gründen  nur  jene  Fälle  für  uns  bei  der  Aufstellung  und 
Beurteilung  einer  Statistik  der  Epilepsie-Operationen  Wert  haben, 
die  1)  reine  Fälle  traumatischer  Jacksonscher  Epilepsie  darstellen, 
2)  bei  denen  vor  Exstirpation  der  Hirnrinde  durch  schwache  elektrische 
Reizung  es  als  zweifellos  festgestellt  werden  konnte,  dass  die  exci- 
dierte  Partie  das  primär  epileptogene  motorische  Centrum  darstellte. 

Man  muss  sich  vor  allem  bei  der  Beurteilung  der  einschlägigen 
Fragen  darüber  Rechenschaft  geben,  was  man  zunächst  als 
unmittelbaren  Effekt  einer  derartigen  hirnchirurgischen  Operation 
zu  erwarten  hat. 

Wir  sind  berechtigt,  nach  den  experimentellen  Untersuchungen 
und  nach  den  Sektionsergebnissen  einer  grossen  Reihe  von  klinisch 
genau  beobachteten  Fällen,  die  Hirnrinde  als  den  Ausgangspunkt 
verschiedener  motorischer  und  sensibler  Funktionen  des  Organismus 
zu  betrachten.  Allerdings  ist  unsere  Erkenntnis  noch  nicht  so 
weit  gediehen,  um  mit  jedem  Punkte  der  Hirnrinde  auch  eine  ihm 
zukommende  funktionelle  Rolle  in  Verbindung  zu  bringen:  neben 
Stellen  von  zweifelloser  Dignität,  deren  Läsion  stets  mit  entsprechenden 
Ausfallserscheinungen  einhergeht,  giebt  es  solche  von  uns  bisher 
unerkanntem  physiologischem  Werte,  Stellen  mit  latenter  Läsion, 
um  mich  eines  Ausdruckes  Exners  zu  bedienen.  Zu  den  funk- 
tionell sichergestellten  Gebieten  gehören  die  vordere  und  hintere 
Centralwindung  mit  ihren  für  den  Hyperglossus,  Facialis,  den  Arm 
und  das  Bein  charakteristischen  Beziehungen,  die  je  nach  der  Aus- 
breitung einer  entsprechenden  Läsion  in  der  motorischen  Gegend 
der  Hirnrinde,  je  nachdem  dieselbe  das  Gebiet  der  einen  oder 
anderen  Muskelgruppe  in  grösserer  oder  geringerer  Ausdehnung 
trifft,  auch  in  entsprechender  Intensität  in  Mittleidenschaft  gezogen 
werden.  Gerade  in  diesem  durch  die  anatomische  Anordnung 
erklärten  ungleichmässigen  Befallenwerden  von  Reizungen  und 
Lähmungen  von  Facialis,  Arm  und  Bein  liegt,  wie  dies  Sahli 
besonders  betont,  der  Charakter  des  corticalen  Sitzes  einer  cerebralen 
Läsion  und  gerade  darin  hat  Sahli  wieder  Veranlassung  gefunden, 
die  vom  Cortex  ausgehenden  Krämpfe  und  Lähmungen  mit  dem 
Beinamen  der  dissociierten  zu  versehen. 

Die  Reizung  einer  Zone  der  motorischen  Region  ergiebt  nun 
bekanntlich  Kampf  in  dem  von  ihr  innervierten  Muskelgebieten, 
eine  tiefere  Läsion  derselben,  Lähmung  oder  aber,  wie  wir  dies 
durch  klinische  Beobachtung  kennen , Krampf  und  Lähmung, 
die  sogenannte  postepileptische  Lähmung,  welch  letztere  ja  ein 
ganz  besonderes  Merkmal  corticaler  Läsionen  darstellt. 


Zur  Frage  der  Schädeloperationen  bei  Epilepsie. 


113 


^'"enii  wir  nun  aus  der  motorischen  Region  ein  Stück  exci- 
dieren,  so  ist  dies  von  funktionellen  Folgen  begleitet,  die  sich  bei 
verschiedenen  Tieren  verschieden  gestalten,  je  nach  der  verschie- 
denen Stellung,  die  dieselben  in  der  Descendenzreihe  annehmen. 
Bei  Tieren  niedrer  Ordnung  kann  selbst  nach  vollständiger  Abtragung 
der  Hirnhemisphäre  ein  relativ  normales  Verhalten  ihrer  organischen 
Funktionen,  das  statische  undlocomotorische  Coordinationsvermögen, 
der  Ausdruck  der  Gemütsbewegungen  und  das  specifische  reaktive 
Verhalten  ilmer  Sinnesorgane  auf  Reizimpulse  gewahrt  bleiben. 
Es  ist  dies  durch  vielfache  Experimente  erwiesen,  von  denen  ja 
namentlich  jene  von  Goltz  mit  Recht  zu  besonderer  Berühmtheit 
gelangt  sind. 

Das  Erhaltenbleiben  dieser  funktionellen  Aeusserungen  bei 
niederen  Tieren,  denen  beide  Hemisphären  abgetragen  wurden, 
spricht  eben  dafür,  dass  Fische,  Frösche  und  Tauben  gewisse 
Centren  in  relativ  hohem  Grade  im  Mesencephalon  und  im  Rücken- 
mark entwickelt  haben. 

Noch  beim  Hunde  kann  nach  vollständiger  Zerstörung 
wenigstens  der  motorischen  Centren  einer  Hemisphäre  nach  einiger 
Zeit  ein  vollständiger  Rückgang  allenfalls  beobachteter  Ausfalls- 
erscheinungen konstatiert  werden.  Die  von  Horsley  und  Schäfer 
entdeckten  bilateralen  Beziehungen  einer  jeden  Hemisphäre,  die 
in  gewisser  Ausdehnung  auch  bei  Affen  und  beim  Menschen  und 
zwar  bei  diesen  für  die  Rumpf bewegungen,  die  obere  Facialis- 
gegend  und  die  Kehlkopfmuskulatur  bestehen,  bei  Hunden  aber 
noch  mehr  ausgeprägt  sind,  können  zur  Erklärung  dieses  Rück- 
gangs der  Ausfallserscheinungen  beitragen.  So  können  also  Hunde, 
wenn  die  motorischen  Centra  einer  Hemisphäre  sogar  vollständig 
zerstört  sind,  eine  gewisse  Besserung  der  Ausfallssymptome  nach- 
weisen  und  zwar  bezieht  sich  diese  Besserung  namentlich  auf  jene 
Bewegungsart  der  Extremitäten,  welche  mehr  oder  weniger  mit  den- 
jenigen der  anderen  Seite  associiert  sind,  am  wenigsten  aber  lässt 
sich  diese  Besserung  an  denjenigen  Bewegungsarten  beobachten, 
welche  unabhängig  und  mehr  willkürlich  zustande  kommen 

Fül'  den  Affen  und  den  Menschen  ist  es  aber  unzweifelhaft 
festgestellt,  dass , wo  eine  vollständige  Zerstörung  der  motorischen 
Centren  vorliegt,  diese  auch  von  einer  vollständigen  und  dauern- 
den Lähmung,  und  im  Anschluss  an  diese  in  bestimmter  Zeit  von 
absteigender  Degeneration  der  Pyramidenbahnen  des  Rückenmarkes 
und  sekundärer  Kontraktur  der  gelähmten  Glieder  gefolgt  wird. 
Es  ist  dies  durch  Ferriers  Versuche  am  Affen  und  die  durch  seinen 
Schüler  Ewens  gesammelten  einschlägigen  klinischen  Fälle  mit 

8 


114 


Alexander  Fraenkel. 


aller  Klarheit  festgestellt.  Von  483  Fällen  corticaler  (einschliess- 
lich subcorticaler)  Affektion,  die  unter  Ferriers  Leitung  von  Ewens 
gesammelt  worden  sind,  wobei  regelmässig  Fälle  von  Tumoren 
und  jene  Läsionen,  die  Fern  Wirkungen  hervorrufen,  ausgeschlossen 
wurden,  gab  es  über  110  Fälle  mit  Hemiplegie  der  entgegen- 
gesetzten Seite  infolge  allgemeiner  Läsion  der  Rolando 'sehen  Zone, 
und  über  90  Fälle  mit  Monoplegie  nach  umschriebener  Läsion  in 
dieser  Zone.  Unter  diesen  Fällen  sind  auch  eine  Reihe  von  Be- 
obachtungen nach  chirurgischen  Eingriffen,  ferner  von  Atrophie 
der  Rinde  in  der  Rolando 'sehen  Zone  im  Zusammenhang  mit  con- 
genitalen oder  infantilen  Hemiplegien  oder  als  die  Folge  congeni- 
taler Defekte  oder  einer  vor  langer  Zeit  vorgenommenen  Amputation 
einer  Extremität,  verzeichnet. 

So  müssen  wir  denn  nach  dem  übereinstimmenden  Ergebnisse 
klinisch-nekroskopischer  und  experimenteller  Erfahrung  daran  fest- 
halten,  dass  mit  der  Exstirpation  eines  Teiles  oder  der  gesamten 
psychomotorischen  Centren  auch  ein  dem  entsprechender  Ausfall 
in  den  funktionellen  Beziehungen  d.  h.  dauernde  Lähmungen  der 
von  diesen  Centren  innervierten  Muskelgruppen  entstehen.  Anderer- 
seits müssen  wir  allen  Fällen  gegenüber,  wo  nach  Operationen  an 
der  motorischen  Zone  dieser  dauernde  Ausfall  nicht  eintritt,  an- 
nehmen, dass  die  Operation  nicht  mit  der  erforderlichen  Gründ- 
lichkeit ausgeführt  wurde,  dass  das  entsprechende  motorische 
Centrum  nicht  vollständig  exstirpiert  wurde.  Für  die  Möglichkeit 
der  Erhaltung  der  Funktion  teilweise  zerstörter  Gehirnpartien  be- 
darf es  keiner  weit  hergeholten  hypothetischen  Annahmen,  da 
wir  ja  aus  den  einschlägigen  Versuchen  von  Flourens  gelernt  haben, 
dass  die  entsprechenden  Funktionen  auch  von  nur  ganz  kleinen 
Resten  der  Gehirnteile  verrichtet  werden  können. 

Wo  aber  die  Exstirpationen  der  kranken  motorischen  Centren 
der  Hirnrinde  nicht  von  dauerndem  Ausfall  der  diesen  entsprechen- 
den Funktionen  begleitet  waren,  wo  mithin  die  Entfernung  des 
Krankheitsherdes  keine  vollständige  war,  darf  es  uns  auch  nicht 
Wunder  nehmen,  wenn  unter  solchen  Verhältnissen  auch  mit  der 
Wiederkehr  der  funktionellen  Beziehungen  auch  die  pathologischen 
sich  wieder  einstellen. 

In  der  unvollständigen  Exstirpation  des  die  epi- 
leptischen Krämpfe  erzeugenden  Centrums  liegt  also 
einer  der  Gründe  für  die  Wiederkehr  derartiger  krank- 
hafter Zustände. 

Gehen  wh  den  Verhältnissen,  wie  sie  sich  nach  den  wegen 
dissociierter  Rindenepilepsie  ausgeführten  hirnchirurgischen  Opera- 


Zur  Frage  der  Schädelo2)erationen  bei  Eiiilepsie. 


115 


tioneii  ergeben,  weiter  nach  und  nehmen  wir  nun  die  Operation 
als  allen  Anforderungen  entsprechend  dm’chgeführt  an. 

Ich  habe  es  mir  zur  Aufgabe  gemacht,  an  Tierversuchen  die 
Folge  derartiger  Eingriffe  vom  chirurgischen  Standpunkte  zu 
studieren.  Was  sonst  an  Tierversuchen  über  diese  Frage  vorliegt, 
galt  meist  Zwecken  physiologischer  Forschung,  lieber  jene  Ver- 
hältnisse aber,  wie  sich  nach  derartigen  Eingriffen  die  anatomi- 
schen Beziehungen  gestalten,  wie  sie  zwischen  der  Schädelwunde 
und  jener  des  Gehirnes  und  der  harten  Hirnhaut  sich  ergeben, 
verlautet  bisher  so  gut  wie  nichts.  Und  doch  sind  gerade  diese 
Punkte  von  ganz  besonderer  praktischer  Bedeutung  für  die  Be- 
urteilung hirnchirurgischer  Eingriffe. 

Wenn  auch  meine  einschlägigen  Versuche  nicht  zahlreich  sind, 
so  glaube  ich  doch  schon  aus  diesen  weniger  für  die  uns  interessieren- 
den Fragen  einige  bescheidene  Beiträge  liefern  zu  können. 

Das  Raisonnement,  von  dem  ich  beim  Studium  der  lokalen 
Folgezustände  hirnchirurgischer  Eingriffe  ausging,  war  namentlich 
von  dem  Gedanken  geleitet,  dem  ja  schon  häufig  genug  Ausdruck 
gegeben  wurde,  und  der  .sich  wohl  schon  jedem  Chirurgen  aufge- 
drängt  hat,  ob  nicht  überhaupt  beziehungsweise  unter  welchen 
Verhältnissen  unsere  wegen  corticaler  Epilepsie  ausgeführten 
Operationen  und  die  an  dieselben  sich  am  Cortex  anschliessenden 
anatomischen  Veränderungen  an  und  für  sich  zur  Quelle  von 
gleichen  oder  ähnlichen  pathologischen  Zuständen  werden  könnten, 
wie  diejenigen  waren,  in  denen  wir  den  Anlass  zum  chirurgischen 
Eingriffe  gefunden  haben. 

Um  nun  auf  diese  Versuche  wieder  zurüzukommen,  so  be- 
standen dieselben  darin,  dass  ich  an  Hunden  mehr  weniger  ausge- 
dehnte Exstirpationen  voff  Hirnrinde  vornahm,  und  zwar  war  ich  be- 
strebt zunächst  die  motorische  Zone  zu  entfernen.  In  den  ersten 
Versuchen  suchte  ich  die  Orientierung  nach  rein  anatomischen 
Anhaltspunkten,  in  den  übrigen  erleichterte  ich  mir  dieselben  sehr 
wesentlich  durch  Zuhilfenahme  der  elektrischen  Reizung.  Ich 
trepanierte  mit  Meissei  und  Hammer  und  vereinigte  nach  erfolgter 
Rindenexstirpation  die  Dura  durch  einige  Seidennähte,  replantierte 
in  allen  Fällen  das  ausgemeisselte  Knochenstück  und  vernähte  die 
Operationswunde  der  weichen  Schädeldecke  möglichst  exakt.  Für 
strenge  Asepis  war  gesorgt. 

Von  sechs  derartig  operierten  Hunden  haben  zwei 
nach  Ablauf  der  Ausfallserscheinungen,  die  der  Ex- 
stirpation der  entsprechenden  Centre n folgten,  das 
ausgesprochene  Bild  der  corticalen  Epilepsie  darge- 


116 


Alexander  Fraenkel. 


boten,  ja  eines  der  Versuchstiere  ist  an  der  Erschöpfung,  die 
sich  im  Gefolge  der  fast  ununterbrochen  aufgetretenen  Krämpfe 
einstellte,  gestorben.  Es  sei  mir  gestattet,  auf  diese  beiden  Ver- 
suche, deren  Ergebnisse  von  besonderem  Interesse  scheinen,  etwas 
näher  einzugehen. 

Im  ersten  Versuche  handelte  es  sich  um  einen  mittelgrossen 
Hund.  Es  wurde  an  ihm  die  Exstirpation  der  hinteren  Central- 
windung vorgenommen  und  ein  Teil  der  unmittelbar  an  diese  nach 
hinten  angrenzenden  Hirnwindung. 

In  der  ersten  Woche  bot  der  Hund  das  Bild  äusserster  Schwäche 
und  Niedergeschlagenheit,  beim  Versuche  sich  zu  erheben  und 
umherzugehen,  fällt  er  sehr  bald  auf  die  der  Gehirnwunde  ent- 
gegengesetzte Körperhälfte,  die  Hinterpfote  dieser  Seite  erscheint 
vollständig  gelähmt,  zeigt  krampfhafte  fibrilläre  Zuckungen.  Nach 
und  nach,  im  Verlaufe  der  zweiten  und  dritten  Woche,  scheint 
die  gelähmte  Pfote  wieder  kräftiger,  der  Hund  befindet  sich  an- 
scheinend wohl,  geht  umher,  zeigt  Fresslust.  In  der  siebenten  Woche 
nach  der  Operation  verfällt  das  Versuchstier  in  schwere  epileptische 
Krämpfe,  die  durch  drei  Tage  hindurch  fast  ununterbrochen  an- 
dauern, das  Tier  aufs  äusserste  herunterbringen  und  im  Gefolge 
deren  in  einem  Zustande  höchsten  Marasmus  der  Tod  erfolgt. 

Die  Krämpfe,,  die  anfangs  nur  die  contralateralen  Extremitäten 
befielen,  werden  schliesslich  allgemein  und  sind  namentlich  von 
einem  äusserst  heftigen  Opistotonus  begleitet. 

Die  Obduktion  des  Hundes  ergab  nun  Folgendes:  Nach  Durch- 
sägung  des  Schädeldaches  und  Herausnahme  des  Gehirnes  aus 
der  Schädeldecke  zeigte  sich  die  Dura  an  der  Operationsstelle 
sowohl  mit  dem  Gehirne  als  auch  mit  dem  Schädeldach  aufs 
innigste  verwachsen.  Nach  vorsichtiger  recht  mühsamer  Loslösung 
der  Dura  zeigt  sich  an  Stelle  der  hinteren  Centralwindung  eine 
tief  eingezogene  pigmentierte  Narbe,  welch  letztere  sich  beim  Durch- 
schneiden als  tief  trichterförmig  eingezogen  und  bis  an  das  Dach 
des  Seitenventrikels  reichend  erweist.  Die  Hirnwindungen  um  die 
Narbe  herum  konzentrisch  gestellt,  durch  den  Zug  der  Narbe  sehr 
stark  herangezogen.  Nirgend  ein  Tropfen  Eiter  oder  Spuren  vor- 
angegangener eitriger  Entzündung. 

Der  zweite  der  hier  näher  zu  erwähnenden  Versuche  betraf 
ebenfalls  einen  mittelgrossen  Hund.  Drei  Wochen  hindurch  bot 
das  Versuchstier  nach  der  Operation  eine  deutliche  Parese  der 
contralateralen  Hinterpfote,  die  sich  allmählich  zu  kräftigen  scheint. 

In  der  fünften  Woche  verfällt  der  Hund  in  einen  comatösen  Zustand,  l 
der  acht  Tage  andauert,  und  mit  deutlichen  Zuckungen  in  den  i 


Zur  Frage  der  Schädeloperationen  bei  Epilepsie. 


117 


•contralateralen  Pfoten  einhergeht.  Währenddem  vollständige 
Nahrungsverweigerung,  sehr  starkes  Herabkommen.  Nach  Ablauf 
dieser  Zeit  erholt  sich  der  Hund  wieder  vollkommen  und  bleibt 
im  weiteren  Verlaufe  als  einzige  merkliche  Störung  nach  der 
seinerzeitigen  Operation  eine  ausgesprochene  Kontraktur  der  con- 
tralateralen Hinterpfote. 

Nach  sechs  Monaten  wird  der  Hund  durch  Chloroform  ge- 
tötet und  hiebei  folgender  Befund  konstatiert:  Entsprechend  den 
beiden  Centralwindungen  der  1.  Hirnrinde  eine  eingezogene  Höhle 
mit  bräunlich  pigmentiertem  körnigen  Inhalt,  darüber  sehr  ver- 
dickte Dura,  die  auch  allenthalben  mit  der  Wunde  des  Schädel- 
daches adhäriert.  Die  angrenzenden  Hirnwindungen , wie  im 
früheren  Falle  konzentrisch  zur  Narbe  herangezogen. 

Bei  den  übrigen  Versuchstieren,  die  ganz  gleichen  Eingriffen 
unterzogen  wurden,  haben  sich  nach  längerer  oder  kürzerer  Zeit 
die  im  Gefolge  der  Operation  aufgetretenen  Ausfallserscheinungen 
wieder  rückgebildet,  die  augenscheinlichen  Lähmungen  wenigstens. 
Ob  nicht  weniger  deutliche  paretische  Erscheinungen,  leichtere 
Grade  von  Kontrakturen  zurückgeblieben  waren,  lässt  sich  ja  bei 
den  wenig  komplizierten  Bewegungen  der  Hunde  nur  schwer 
konstatieren.  Lokal  fand  sich  an  der  Operationsstelle  immer 
starke  narbige  Einziehung,  Verdickung  der  Dura,  in  einem  Falle 
mit  deutlicher  Knocheneinlagerung,  Adhäsion  der  Dura  im  ganzen 
Umfange  des  replantierten  Trepanationsstückes.  Die  Obduktion 
fand  in  allen  Fällen  erst  nach  monatelanger  Beobachtung  statt, 
nicht  unter  einem  halben  Jahre. 

Soll  ich  das  Ergebnis  dieser  wenigen  Versuche  zusammen- 
fassen, so  erhellt  zunächst,  dass  infolge  der,  unter  allen  gebotenen 
Kautelen  der  Antiseptik  durchgeführten  Exstirpation  normaler 
Rindenpartien  des  Gehirnes  sich  an  der  Operationsstelle  anatomi- 
sche Veränderungen  entwickeln,  welche  wohl  als  Heilungsvorgänge 
zu  betrachten  sind,  aber  als  solche  doch  schwere  Alterationen  der 
normalen  Beschaffenheit  der  Hirnrinde  und  der  Hirnhäute  dar- 
stellen. Die  in  der  Hirnrinde  gesetzten  Wunden  haben  in  manchen 
Fällen  die  Tendenz  zur  Ausheilung  mit  tiefer  narbiger  Einziehung, 
wodurch  andrerseits  wieder  die  angrenzenden  Rindenpartien  ge- 
zerrt, herangezogen  und  überhaupt  eine  Verschiebung,  Verlage- 
rung und  Zerrung  der  Windungen  der  Gehirnoberfläche  hervor- 
gerufen werden.  Ein  regelmässiger  Folgenzustand  nach  Operationen 
an  der  Gehirnoberfläche  sind  ferner  Adhäsivprozesse  zwischen 
Rindenwunde  und  der  harten  Hirnhaut,  welch  letztere  ausserdem 
erhebliche  Verdickung  mitunter  auch  als  osteogenes  Gewebe  Ver- 


118 


Alexander  Fraenkel. 


kalkung  und  Verknöcherung  aufweist.  Eine  weitere  regelmässige 
Konsequenz  dieser  Eingriffe  ist  endlich  in  den  Fällen,  wo  es  sich 
um  Trepanation  mit  Rücklagerung  des  resecierten  Schädelstückes 
handelt,  die  im  ganzen  Bereiche  des  Operationsfeldes  auftretende 
Verwachsung  der  harten  Hirnhaut  mit  dem  Schädel. 

Alle  diese  im  Anschluss  an  die  Exstirpation  von  normalen 
Hirnrindenstücken  auftretenden  Veränderungen,  wie  sie  sich  aus 
dem  Befunde  der  einschlägigen  Tierversuche  ergeben,  stellten  aber 
gerade  jene  Prozesse  dar,  die  ihrerseits  die  gewöhnliche  Anzeige 
ergeben  zur  chirurgischen  Behandlung  der  Jacksonschen  Epilepsie, 
mit  anderen  Worte  die  lokalen  anatomischen  Konsequenzen  der 
hirnschirurgischen  Eingriffe  an  der  normalen  Hirnrinde  sind  voll- 
kommen indentisch  mit  jenen  pathologischen  Veränderungen,  die 
zumeist  der  dissociierten  Epilepsie  zu  Grunde  liegen,  ja  noch  über- 
dies kann  durch  den  Tierversuch  erwiesen  werden,  dass  auch  die 
funktionellen  Störungen,  resp.  klinisch  - pathologischen  Erschei- 
nungen, die  nach  derlei  Eingriffen  beobachtet  werden,  in  allen 
Punkten  sich  mit  dem  typischen  Bilde  cortical-epileptischer  Er- 
krankungen decken. 

Die  Ergebnisse  dieser  Versuche  haben  also  dasjenige  dargethan, 
wozu  eine  vorurteilslose  Ueberlegung  von  vornherein  führen  musste 
und  was  schon  wiederholt  als  Quelle  und  Ursache  der  Recidive 
nach  chirurgischer  Behandlung  der  corticalen  Epilepsie  vermutet 
wurde.  Sie  geben  fernerhin  eine  Erklärung  für  jene  Recidiven 
dieser  Erkrankung,  bei  denen  man  auf  den  supponierten  Krank- 
heitsstand selbst  losging  und  durch  die  Entfernung  des  spasmo- 
genen  Centrums,  auch  dann,  wenn  dasselbe  keine  sichtbaren  patho- 
logischen Veränderungen  darbot,  eine  bleibende  Abhilfe  des  krank- 
haften Zustandes  erhoffte.  Wir  wissen  nun  aus  dem  Tierversuche, 
dass  die  Konsequenzen,  die  sich  an  derlei  Eingriffe  knüpfen,  entweder 
in  dem  vollkommenen  und  daunernden  Ausfall  der  dem  exstirpierten 
Centrum  zukommenden  Funktion,  d.  i.  Lähmung  oder  weiterhin 
Kontraktur,  ihren  Ausdruck  finden  oder  aber,  wenn  die  Narben- 
bildung am  Cortex  mit  starker  konzentrischer  Einziehung  einher- 
geht, diese  wieder  durch  Zerrung  und  Verschiebung  der  normalen 
Lagerungsverhältnisse  der  Windungen  geradezu  das  ganze  Symp- 
tomenbild  des  epileptischen  Krampfes  hervorrufen  kann. 

Es  wird  dem  wohl  abwägenden  Ermessen  des  Chhurgen 
Vorbehalten  bleiben,  im  einzelnen  gegebenen  Falle  abzuschätzen, 
ob  er  dem  Patienten  einen  Dienst  erweist,  wenn  er  an  Stelle  den 
paroxismalen  Monospasmen,  wegen  derer  dieser  Hilfe  sucht,  ihm 
durch  die  Horsleysche  Operation  eventuell  eine  dauernde  Mono- 


Zur  Frage  der  8chädeloperationen  bei  Epilepsie. 


119 


plegie  schafft.  Für  manche  Fälle,  ich  brauche  beispielsweise  nur 
auf  den  berühmten  ersten  Fall  Horsleys  hinzuweisen,  wird  dieser 
Zustand  gegenüber  den  oft  qualvollen  Beschwerden  der  Krämpfe 
gewiss  der  erwünschtere  sein,  von  zwei  Uebeln  das  geringere.  Die 
Intensität  und  Häufigkeit  der  Spasmen,  deren  Ausbreitungsgebiet, 
nicht  zum  mindesten  die  soziale  Stellung  des  Kranken,  werden  für 
die  Indikation  des  einzuschlagenden  therapeutischen  Verfahrens 
von  massgebendster  Bedeutung  sein.  Die  Erwägung  darf  uns 
aber  hiebei  nicht  verlassen,  dass  wir  dem  chirurgischen  Eingriffe, 
wenn  er  als  vollkommen  durchgeführt  gelten  soll,  nicht  immer  nur 
die  entsprechenden  Ausfallserscheinungen  und  zwar  als  dauernde 
Konsequenz  zu  betrachten  haben,  Lähmung  und,  als  Folge  der 
absteigenden  sekundären  Degeneration,  Kontraktur.  Wir  dürfen 
vielmehr,  ehe  wir  uns  zu  derlei  Eingriffen  entschliessen,  nicht  ausser 
acht  lassen,  dass  wir  derzeit  wenigstens  nicht  in  der  Lage  sind, 
auf  die  Konfiguration  der  durch  die  Operation  geschaffenen  Narbe 
einen  Einfluss  zu  nehmen,  und  dass  diese  sich  in  manchen  Fällen 
derart  gestalten  kann  — es  wird  sich  dies  beim  Menschen  kaum 
anders  verhalten,  als  man  dies  im  Tierexperiment  vorfindet ; — dass 
sie  durch  konzentrische  Schrumpfung  einen  Zug  auf  die  gesamte 
benachbarte  Hirnrinde  ausübeii  kann,  wodurch  eine  schwere  Alte- 
ration in  den  Beziehungen  der  Rindenpartien  zu  einander  und 
ein  permanenter  Reizzustand  geschaffen  wird,  der  selbst  wieder 
zur  Quelle  schwerer  corticaler  epileptischer  Erkrankung  werden 
kann. 

Ich  kann  es  wenigstens  nicht  als  Zufall  betrachten,  dass 
gerade  bei  jenen  Versuchstieren,  die  eine  derartige  Gestaltung 
der  Narbe  aufwiesen,  auch  die  epileptischen  Krämpfe  nicht 
fehlten. 

Es  darf  mithin  diese  Art  von  Narbenschrumpfung  als 
eine  weitere  Quelle  der  Recidiven  mancher  Fälle  disso- 
ciierter  Epilepsie  nach  der  Horsleysclien  Operation  an- 
geschuldigt werden. 

Es  wäre  eine  mehr  als  dankbare  Aufgabe,  durch  weitere  ex- 
perimentelle Forschung  auf  Mittel  und  Wege  zu  sinnen,  um  diesen 
lokalen  Folgezuständen  nach  Rindenexstirpation  wirksam  zu  be- 
gegnen. Vielleicht  gelingt  es  einst  durch  ein  indifferentes  An- 
füllungsmaterial die  Verhältnisse,  wie  sie  sich  unmittelbar  nach 
der  Operation  ergeben,  zu  stabilisieren , vielleicht  wäre  auch  der 
Gedanke,  der  ja  vor  seiner  experimentellen  Prüfung  recht  aben- 
teuerlich erscheinen  mag,  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  durch 
Epidermistransplantation  auf  die  frische  Cortex wunde  der  Narben- 


120 


Alexander  Fraenkel. 


Schrumpfung  vorzubeugen.  Möge  das  Ziel,  gegen  die  nachträg- 
lichen Narbenschruinpfungen  vorzukehren,  auf  welchem  Wege 
immer  erreicht  werden,  es  erscheint  jedenfalls  eine  der  Haupt- 
aufgaben, die  vorerst  zu  lösen  sind,  ehe  wir  unserer  Operationen 
wegen  traumatischer,  dissociierter  Epilepsie  ganz  froh  werden 
können. 

Diese  angeschuldigten  Zerrungen  und  Verlagerungen  der  ein- 
zelnen Teile  werden  nicht  nur  durch  die  Narbe  der  Cortexwunde 
als  solcher  bewirkt,  sie  werden  gewiss  nicht  minder  häufig  genug  durch 
die  Adhäsivprozesse  hervorgerufen,  die  sich  in  all  jenen  Fällen 
ergeben,  wo  der  Trepanationsdefekt  im  Schädel  entweder  gar  nicht 
gedeckt  und  der  Vernarbung  überlassen  wurde  oder  wo  der  Ver- 
schluss der  Schädellücke  in  einer  Weise  erfolgte,  welche  nicht  von 
vorne  herein  die  Möglichkeit  derartiger  Vernarbungen  zwischen 
Schädelwunde  und  Dura  resp.  Cortex  ausschliessen.  Auch  hiefür 
scheinen  mir  meine  Versuche  nicht  ganz  unbrauchbare  Belege 
zu  geben. 

Wie  erwähnt,  wurde  der  Verschluss  der  Schädellücken  in  den 
angeführten  Tierversuchen  in  der  Art  bewirkt , dass  das  aus- 
gemeisselte  Schädelstück  einfach  wieder  replantiert  wurde.  Das 
schon  von  einer  grösseren  Anzahl  von  Experimentatoren  und  schon 
seit  geraumer  Zeit  festgestellte  Ergebnis,  dass  derlei  replantierte 
Knochenstücke,  auch  wenn  sie  schon  aus  allen  Verbindungen  mit 
dem  Organismus  getrennt  waren , wieder  einheilen  können  und 
dass,  je  inniger  der  Kontakt  mit  der  früheren  Umgebung  nach 
der  Replantation  wieder  hergestellt  wird,  und  je  mehr  auch  sonst 
Verhältnisse  bestehen,  die  einer  prima  intentio  förderlich  sind, 
auch  die  Einteilung  um  so  vollkommener  wird,  wurde  durch  meine 
Versuche  bestätigt.  Es  zeigte  sich  ferner,  dass,  wo  anderer- 
seits dieser  Kontakt  kein  sehr  inniger  war  und  wo  es  dem- 
gemäss zur  Granulationsbildung  kommt , sich  auch  in  grösserer 
oder  geringerer  Ausdehnung  eine  Resorption  des  eingelagerten 
Knochens  einstellt,  die  bis  zur  fast  vollständigen  Usur  führen  kann, 
oder  aber  es  bleiben  noch  Reste  des  eingelagerten  Knochens  er- 
halten, die  der  Knochenproduktion  aus  der  umgebenden  Knochen- 
wunde als  Stütze  dienen  und  wodurch  schliesslich  doch  noch  ein 
knöcherner  Verschluss  der  Lücke  bewirkt  werden  kann.  In  allen 
Fällen  aber  fand  sich  unterhalb  des  eingelagerten  Knochenstückes 
eine  dichte  Verwachsung  im  ganzen  Bereiche  derselben  mit  der 
harten  Hirnhaut.  Aus  diesem  regelmässigen  Befunde  scheint  wohl 
folgerichtig  der  praktische  Schluss  erlaubt,  dass  die  Replantation 
eines  vollkommenen  oder  temporär  resecierten  Knochenstückes 


Zur  Frage  der  Schädeloperationen  l>ei  JCpilepsie. 


121 


nach  der  Trepanation  wegen  corticaler  Epilepsie  durch  die  un- 
vermeidlich an  dieselbe  sich  anschliessenden  Verwachsungen  des 
Knochens  an  die  harte  Hirnhaut  und  die  mit  dieser  möglicherweise 
einhergehende  Zerrung  der  Hirnrinde  mit  dazu  beitragen  könnte, 
das  Entstehen  von  Recidiven  nach  der  Horsleyschen  Operation 
zu  fördern.  Von  diesem  Standpunkte  aus  und  in  Anbetracht  der 
grossen  Einfachheit  des  Verfahrens,  in  Berücksichtigung  des  Vor- 
teiles, sich  nachträgliche  im  Verlaufe  der  Operation  notwendig 
gewordene  Vergrösserungen  des  Operationsfeldes  im  Knochen  auf 
leichtere  Weise  accomodieren  zu  können,  halte  ich  die  Deckung 
der  Trepanationsdefekte  nach  derlei  Eingriffen  durch  Heteroplastik 
mittels  des  glatten  Celluloids,  das,  wie  schon  Eingangs  erwähnt, 
erwiesenermassen  keinerlei  adhäsive  Prozesse  mit  der  Unterlage 
eingeht  und  bei  entsprechender  Aseptik  auch  dauernd  dem 
Organismus  einverleibt  bleiben  kann,  für  das  empfehlenswerteste 
Verfahren. 

Haben  wir  in  der  unvollständigen  Exstirpation  des  primär 
kranipf enden  Centrums,  in  der  Narbenschrumpfung,  die  mit  Zerrung 
des  Cortex  einhergeht,  in  den  Adhäsionsprozessen,  die  sicli  gegen 
die  Schädelwunde  hin  im  Anschluss  an  die  Operation  entwickeln, 
die  häufigsten  und  wichtigsten  Ursachen  der  Recidiven  nach 
Epilepsie-Operationen  kennen  gelernt,  so  dürfen  wir  uns  nicht  ver- 
hehlen, dass  die  Quellen  unserer  Misserfolge  hiemit  noch  nicht  er- 
schöpft sind. 

Wenn  auch  die  Spasmen  der  dissociierten  Epilepsie  ihren 
legalen  Ablauf  aufweisen  und  wir  alle  Ursache  haben,  in  diesem 
Nacheinander  einen  von  einem  Krankheitsherde  aus  mitgeteilten 
Reizzustand  zu  sehen,  so  ist  damit  durchaus  nicht  immer  aus- 
gesprochen, dass  zur  Zeit  der  Operation  die  Beschränkung  der  Er- 
krankung auf  das  ursprüngliche  spasmogene  Centrum  noch  fort- 
bestehe. Oft  genug  wird  es  uns  begegnen , dass  die  sekundär 
krampfenden  benachbarten  Centren  zu  dieser  Zeit  schon  durch  die 
äusserste  funktionelle  Erregung,  der  sie  wiederholt  ausgesetzt  w^aren, 
in  einen  pathologischen  Zustand  versetzt  erscheinen,  der  für  die 
Folge  als  selbständige  Erkrankung  vorhält.  Wir  werden  es  hier 
mit  Zuständen  und  Verhältnissen  zu  thun  haben,  die  uns  auch 
manche  Misserfolge  der  Operation  wegen  hysteroepileptischen  Er- 
krankungen erklärlich  machen.  Auch  hier  kennen  wir  in  den 
Genitalien  den  ursprünghchen  Sitz  der  Erkrankung  und  gleichsam 
die  Batterie,  von  der  aus  die  Entladungen  in  das  Nervensystem 
erfolgen.  Eine  frühe  Elimination  dieses  Krankheitsherdes,  ehe  er 
durch  funktionelle  Erschöpfung  das  übrige  Nervensystem  dauernd 


122 


Alexander  Fraenkel. 


geschädigt,  kann  auch  hier  zur  Heilung  führen.  Einem  abgenützten 
Nervensystem  gegenüber  ist  aber  die  Entfernung  des  primären 
Herdes  wirkungslos.  So  verhält  es  sich  wohl  auch  bei  der  disso- 
ciierten  Epilepsie  und  so  deuten  denn  auch  die  Verhältnisse  darauf 
hin,  dass  — wenn  überhaupt  — nur  Frühoperationen  dauernden 
Erfolg  versprechen  können. 


Zur  Statistik  und  Prognose  der  Ver- 
ätzungen des  Oesophagus 

lind  der  im  Gefolge  derselben  entstehenden  Strikturen. 

Von  Doc.  Dr.  Y.  Ritter  von  Hacker, 

Abteilungsvorstand  des  Er/di.  Sophienspitales  u.  der  allgein.  Poliklinik  in  Wien. 

Aus  der  klinischen  Beobachtung  gewinnt  der  Chirurg  den 
Eindruck,  dass,  was  die  Häufigkeit  der  Strikturen  des  Oesophagus 
betrifft,  obenan  die  durch  Carcinom  bedingten  stehen,  dass  da- 
nach die  nächst  häufigsten  Verengerungen  die  nach  Verätzungen 
der  Speiseröhre  auftretenden  sind,  während  alle  andern  dazu  füh- 
renden Ursachen  relativ  selten  sind. 

Ich  will  zunächst  die  im  Ambulatorium  der  Klinik  Billroth 
in  10  Jahren  in  Wien  beobachteten  Erkrankungen  des  Oesophagus 
hier  kurz  nach  der  Diagnose  anführen.  Obwohl  die  Zahlen  nur 
einen  relativen  Wert  haben,  da  ja  in  vielen  nur  ambulatorisch 
behandelten  Fällen  keine  sichere  Diagnose  gestellt  werden  konnte, 
hat  doch  die  Zahl  der  eingestandenermassen  durch  Verätzungen 
entstandenen  Strikturen  als  Minimalzahl  einige  Bedeutung.  (Siehe 
Tabelle  S.  124.) 

In  den  10  Jahren  wurden  also  im  ganzen  41,366  Kranke  im 
Ambulatorium  behandelt;  darunter  waren  270  Oesophaguskranke. 
Von  diesen  sind  131  Fälle  und  zwar  114  Männer,  17  Weiber  als 
Carcinom,  47  Fälle  und  zwar  18  Männer,  29  Weiber  als  Verätzungs- 
strikturen  (fast  alle  durch  Lauge)  eingetragen.  Es  handelte  sich 
also  in  etwa  48,5 ‘’/o  der  in  Behandlung  gekommenen  Oesophagus- 
krankheiten  wahrscheinlich  um  Carcinom  und  in  mindestens  17,7^  o 
um  Verätzungsstrikturen , so  dass  auf  1000  chirurgische  Kranke 
etwa  3 Fälle  von  Oesophaguscarcinom  (3,1  pro  mille)  und  1 Fall 


124 


Dr.  V.  Ritter  von  Hacker. 


Erkrankungen  des  Oesophagus  im  Ambulatorium  der 
Klinik  Billroth  1877-1886. 


Jahr. 

Ainbulaiit 

behänd. 

Kranke. 

Snnnne 

aller 

Oeso- 

phagus- 

Kranken. 

Carci- 

noin. 

Yer- 
ätznngs- 
striktnren 
fast  alle 
durch 
Lauge. 

Fremd- 

körper 

im 

Oesoph. 

Fremd- 
körper 
in  Aetz- 
striktur. 

Striktur 

zweifelh. 

Ursache. 

Dis- 

phagie 

oder 

ohne 

Dia- 

gnose. 

1877  1406 

i 

13 

9 

1 

1 

1 

1 1 

1 

1 

1878 

1939 

5 

2 

1 

2 

1879 

2681 

7 

3 

3 

1 

1880 

3852 

23 

9 

2 

7 

5 

1881 

4147 

20 

9 

3 

3 

5 

1882 

4115 

34 

12 

7 

5 

10 

1883 

5394 

57 

26 

9 

7 

15 

1884 

5571 

41 

27 

4 

6 

3 

1885 

6599 

38 

20 

9 

6 

3 

1886 

5162 

32 

14 

9 

6 

6 

Summe 

40866 

270 

131 

114 

Männer 

17 

Weiber. 

47 

18  Alänner 
2i)  Weiber. 

42 

1 

50 

1 

von  Aetzstriktur  (1,1  pro  mille)  kamen.  Die  Verhältniszahlen  dürften 
noch  etwas  grösser  sein,  da  ja  unter  den  51  Fällen  mit  zweifelhafter 
Diagnose  wohl  die  beiden  Kategorien  noch  vertreten  sein  werden. 

Auch  unter  den  in  dem  Zeitraum  1877  — 1886  stationär  an 
der  Klinik  behandelten  Oesophaguskranken,  im  ganzen  76,  bildet 
das  Carcinom  mit  42  Fällen  (37  Männer,  5 Weiber)  = 55,2  °/o  und 
die  Aetzstriktur  mit  21  Fällen  27,6"/o  (2  durch  Schwefelsäure, 
19  durch  Lauge)  das  Hauptkontingent,  zusammen  82,8 ®/o  aller 
Oesophaguskranken. 


i 


Verätzungen  des  Oesophagus. 


125 


Nach  dem  Carcinom  bildet  also  bei  uns  die  Verätzungs- 
striktur  die  häufigste  chirurgische  Erkrankung  der  Speise- 
röhre. Die  Häufigkeit  derselben  ist  lokal  verschieden  und  richtet 
sich  nach  der  Häufigkeit  des  Vorkommens  absichtlicher  oder  un- 
absichtlicher Vergiftungen  mit  ätzenden  Substanzen.  In  Wien 
kommt  unter  diesen  Substanzen  noch  immer  die  Natronlauge  (in 
Form  der  käuflichen  Laugenessenz)  in  erster  Linie  in  Betracht, 
demnächst  die  Schwefelsäure;  alle  andern  ätzenden  Substanzen, 
wie  Salzsäure,  Salpetersäure,  Ammoniak,  Essigsäure,  Chromsäure, 
Karbolsäure,  Sublimat,  Kupfervitriol  etc.,  kommen  nicht  nur  bei 
den  zufälligen,  sondern  auch  bei  den  absichtlichen  Vergiftungen 
nur  ganz  vereinzelt  vor. 

Es  ist  jedenfalls  eine  ganz  lokale  Erscheinung,  dass  in  Wien 
die  Vergiftung  mit  Alkalien,  speziell  mit  Aetzlauge,  diejenigen  mit 
Säuren  weitaus  überwiegen. 

Unter  den  in  den  10  .Jahren  1876 — 1885  in  den  3 grössten 
Wiener  Krankenhäusern  behandelten  zufälligen  und  absichtlichen 
Vergiftungen  mit  ätzenden  Substanzen  (im  ganzen  477)  handelte 
es  sich  in  69,81  l”/o  (in  333  Fällen)  um  Vergiftungen  durch  Aetz- 
lauge, demnächst  am  häufigsten  um  solche  durch  Schwefelsäure, 
nämlich  in  17,605^o  (in  84  Fällen).  Da  diese  Zahlen  aus  dem 
Krankenmaterial  geschöpft  sind,  eignen  sie  sich  besonders,  die 
Häufigkeit  der  Verwendung  von  Aetzlauge  und  Schwefelsäure  bei 
den  nicht  sofort  tödlich  wdrkenden  Verätzungen  zu  zeigen,  die 
uns  im  Hinblick  auf  danach  zu  stände  kommende  Oesophagus- 
strikturen  besonders  interessieren. 

Es  fragt  sich  nun  noch,  ob  nicht  bei  Helen  Vergiftungen  mit 
starken  Säuren,  besonders  mit  Schwefelsäure,  namentlich  bei  Selbst- 
morden, diese  Substanzen  so  rasch  tödlich  wirkten,  dass  solche 
Individuen  vor  ihrem  Tode  gar  nicht  mehr  in  eine  Krankenabtei- 
lung gebracht  wurden.  Ich  habe  deshalb  die  in  den  10  Jahren 
1877 — 1886  im  Institut  für  gerichtliche  Medizin  in  Wien  vorgekom- 
menen Obduktionen  bei  frischen  Verätzungen  und  bei  Strikturen 
durch  Verätzung  mit  gütiger  Erlaubnis  des  Vorstandes  desselben 
Herrn  Hof  rat  E.  von  Hof  mann  zusammengestellt. 

Es  zeigt  sich  hiebei,  dass  unter  52  frischen  Verätzungen,  die 
28  männliche,  24  weibliche  Individuen,  21  Erwachsene,  28  Kinder 
(davon  23  unter  zwei  Jahren)  betrafen,  30  durch  Aetzlauge,  15  durch 
Schwefelsäure,  2 durch  Salzsäure  veranlasst  waren.  In  den  übrigen 
Fällen  war  Karbolsäure,  Scheidewasser,  Es.sigessenz,  Ammoniak  je 
einmal  vertreten;  in  einem  Fall  war  die  ätzende  Substanz  un- 
bekannt. 


126 


Dr.  Y.  Ritter  von  Hacker. 


Unter  13  zur  Sektion  gekommenen  Strikturen  nach  Verätzung, 
die  10  männliche,  3 weibliche  Individuen  betrafen,  waren  10  durch 
Aetzlauge,  je  eine  durch  Salzsäure  und  Arnica  bedingt,  in  einem 
Fall  war  die  Substanz  unbekannt. 

Auch  bei  den  Verätzungen,  welche  rasch  zum  Tode  führten, 
hatten  die  durch  Aetzlauge  das  Uebergewicht,  wohl  hauptsächhch 
durch  die  zahlreichen  zufälligen  Vergiftungen  mit  derselben,  die 
bei  kleinen  Kindern  vorkamen. 

Da  uns  bei  alleiniger  Beachtung  der  in  den  Krankenhäusern 
behandelten  Verätzungen,  welche  die  nicht  letal  endenden  oder 
die  nicht  im  weitern  Verlauf  letal  endenden  Fälle  betreffen,  die 
sehr  rasch  zum  Tode  führenden  derartigen  Vergiftungen  zum  Teil 
entgehen  würden , über  welche  die  Sektionen  des  gerichtlichen 
Institutes  Aufschluss  geben,  habe  ich  hier  beide  Kategorien  neben- 
einandergestellt. 

Ich  glaube  aus  dem  Vergleiche  der  beiden  Zusammenstellungen 
den  Schluss  ziehen  zu  dürfen,  dass  nicht  nur  bei  den  zufälligen, 
sondern  auch  bei  den  absichtlichen  Vergiftungen  diejenigen  durch 
Aetzlauge  weitaus  überwiegen,  dagegen  dürften  wegen  der  viel 
energischeren  Wirkung  der  Schwefelsäure  wohl  fast  ebensoUele 
gelungene  Selbstmorde  durch  diese  als  durch  Aetzlauge  zur  Beob- 
achtung kommen. 

In  den  später  folgenden  Berechnungen  werden  hauptsächlich 
die  unendlich  viel  grösseren  Zahlen  der  in  einem  Dezennium  in 
den  drei  grössten  Krankenhäusern  Wiens  behandelten  Verätzungen 
berücksichtigt  werden,  da  die  in  dem  Institute  für  gerichtliche 
Medizin  vorgenommenen  Obduktionen  sich  auch  auf  in  den  Kranken- 
häusern Verstorbene  beziehen. 

Es  ist  interessant,  in  Bezug  auf  das  Vorkommen  von  Ver- 
ätzungen eine  andere  Gressstadt,  z.  B.  Berlin,  mit  Wien  zu  ver- 
gleichen. In  Berlin  war  früher  zmschen  Schwefelsäure  und 
Lauge  fast  das  umgekehrte  Verhältnis  wie  in  Wien.  So  sind 
dort  nach  A.  Besser^)  in  den  Jahren  1876 — 1878  etwa  432  wohl- 
konstatierte Vergiftungen  vorgekommen,  davon  sind  etwa  32 
(134)  durch  Aetzgifte  veranlasst  worden,  und  85  % (U'i)  von  diesen 
Letzteren  durch  Säuren.  In  78  von  diesen  Fällen  wurde  Schwefel- 
säure verwendet,  nur  in  8 Fällen  Natronlauge. 

In  neuerer  Zeit  ist  in  Berlin  die  Schwefelsäure,  die  früher 
als  Selbstmordmittel  den  ersten  Platz  einnahm,  zum  Teil  durch 


*)  Yirchows  Archiv  für  pathologische  Anatomie  und  Physiologie  u.  klin. 
Medicin.  83.  Band,  p.  193. 


Verützungen  des  Oesophagus. 


127 


Cyankalium  und  Blausäure,  anderseits  durch  die  Oxalsäure  und 
das  Oxalsäure  Kali  (Kleesalz)  verdrängt  worden,  so  dass  unter  den 
in  den  Jahren  1878 — 1882  dem  Institut  für  Staatsarzneikunde 
zugeführten  Intoxikationen  (in  Summe  431)  auf  24  durch  Schwefel- 
säure und  3 durch  Natronlauge,  74  durch  Cyankalium  und  39  dm’ch 
Oxalsäure  erzeugte  kamen. 

Um  über  die  in  Wien  vor  kommenden  ^"erätzungen  genauere 
Daten  anführen  zu  können,  habe  ich  im  folgenden  aus  den  Jahres- 
berichten der  drei  grössten  Wiener  Krankenhäuser  (des  allge- 
meinen, des  Krankenhauses  »Wieden«  und  der  »Rudolfsstiftung«) 
die  im  Verlaufe  von  10  Jahren  behandelten  absichtlichen  und  zu- 
fälligen Vergiftungen  mit  ätzenden  Substanzen  zusammengestellt: 


Vergiftungen  niit  ätzenden  Substanzen 
1876  bis  1885  incl. 


Summe 

Mann 

M^eib 

Summe 

1 

Mann 

1 

1 

Weib 

Allg.  Krankenhaus 

292 

111 

181 

1t.  I 94 

35 

59 

Wiedner  » 

113 

38 

75 

( Davon  | 

12 

24 

Rudolfstiftung 

72 

29 

43 

gestorben  j 

7 

9 

Gesamtsumme 

477 

178 

1 299 

» 146 

1 54 

92 

Mortalität  für  d i e V e r g i f t u n g e n m i t ä t z e n d e n S u b- 


stanzen  = 30,6  °/o. 

Unter  diesen  Vergiftungen  waren  entstanden  durch  Trinken  von 


Laugene 

s s ei 

QZ 

Sc 

hwefelsäu 

re 

Im  allg.  Krankenhaus : 

189 

davon 

gest. 

48 

62 

davon  gest. 

36 

Wiedner  » : 

86 

» 

» 

27 

16 

» » 

7 

Rudolfsstiftung ; 

58 

» 

» 

13 

6 

» » 

3 

In  den  3 Krankenhäus. : 

333 

» 

» 

88 

84 

» » 

46 

Die  Mortalität  für  die  Vergiftungen  mit  Lauge 
und  Schwefelsäure  zusammen  berechnet  betrug  31,8%, 
für  Lauge  26,4%,  für  Schwefelsäure  dagegen  54,7%. 


Unter  diesen  Vergiftungen  waren  Selbstmord- 
versuche: 


Summe 

Mann 

\Yeib 

Summe 

]\Iann 

Weib 

im  allg.  Krankenhaus  241 
» Krh.  Wieden  108 

» » Rudolfsstiftg.  47 

83 

36 

18 

158 

72 

29 

Davon 

gestorben 

86 

*35 

13 

30 

12 

7 

56 

23 

6 

In  den  3 Krankenh.  396 1 137 

259  ' 

1 

» 

134 1 49 

85 

128 


IJr.  V.  Kitter  von  Hacker. 


Mortalität  für  die  Selbstmordversuche  im  ganzen 
33,8  Mortalität  für  die  Selbstmordversuche  der 

Männer  35,7667o,  der  Weiber  32,8187o-  Von  den  (396)  Selbst- 
mordversuchen mit  ätzenden  Substanzen  wurden  die 
meisten  (3o5,  also  circa  39,7  7o)  Lauge  oder  Schwefelsäure 
ausgeführt;  mehr  als  doppelt  so  oft  handelte  es  sich  hiebei  um 
Weiber  (245)  als  um  Männer  (110). 

Am  häufigsten  (274  Fälle  [73  Männer,  201  Weiber]  = 69,2  7o) 
wurde  hiezu  von  beiden  Geschlechtern  von  allen  Aetzmitteln 
die  Lauge  verwendet,  danach  am  häufigsten  die  Schwefelsäure 
(81  Fälle  [37  Männer,  44  Weiber]  = 20,45  7o)- 

In  den  Wiener  Krankenhäusern  kamen  danach 
Selbstmordversuche  mit  Lauge  mehr  als  dreimal  so 
häufig  in  Behandlung,  als  solche  mit  Schwefelsäure. 
Man  kann  daraus  aber  nicht  den  Schluss  ziehen,  dass  die  Selbst- 
mordversuche in  demselben  Verhältnis  häufiger  mit  Lauge  aus- 
geführt werden,  da  hier  nur  die  Zahlen  aus  der  Krankenbeobach- 
tung genommen  wurden,  nach  dem  Genüsse  der  viel  rascher  töd- 
lichen Schwefelsäure  aber  viele  Selbstmordversuche  so  schnell 
zum  Tode  geführt  haben  konnten,  dass  diese  Individuen  nicht 
mehr  in  Spitalsbehandlung  kamen. 

Die  beiden  Substanzen  sind  leicht  zu  haben,  Aetzlauge  wird 
als  Natronlauge  von  bestimmter  Konzentration  unter  dem  Namen 
Laugenessenz  auch  im  Kleinhandel  verkauft,  Schwefelsäure  wird 
zum  Reinigen  metallischer  Gegenstände  verwendet  und  auch  in 
verschiedenen  Gewerben  benützt. 

Bei  den  absichtlichen  Vergiftungen  mit  Aetzmitteln,  welche 
in  den  Krankenhäusern  behandelt  wurden,  war  die  Lauge  von 
den  Weibern  in  77,6  7o  (iii  259  Fällen  201mal),  die  Schwefelsäure 
in  16,99  7o  (in  259  Fällen  44mal)  benützt  worden,  während  die 
Männer  die  Lauge  in  53,20  7o  (in  137  Fällen  73mal),  die  Schwefel- 
säure in  27,01  7o  (unter  137  Fällen  37mal,  verwendeten. 

Von  anderen  Aetzstoffen  wurden  zu  Selbstmordzwecken  ge- 
nommen, nach  der  Häufigkeit  ihrer  Verwendung  geordnet:  Salz- 
säure, Salpetersäure,  Ammoniak,  Scheidewasser,  KupferHtriol, 
Sublimat,  Eisenvitriol,  Karbolsäure,  Höllenstein,  Essigsäure. 

Was  die  beiden  Geschlechter  betrifft,  so  kann  man  sagen, 
dass  die  Selbstmordversuche,  welche  die  Männer  mit  Lauge  oder 
Schwefelsäure  unternahmen,  energischer  ausgeführt  worden  sein 
dürften,  da  bei  ihnen  die  Mortalität  danach  eine  grössere  war 
(35,7  7o)  bei  den  Selbstmordversuchen  der  Weiber  (32,8  7o)- 


Verätzungen  des  Oesophagus. 


129 


Unter  den  Vergiftungen  mit  Aetzmitteln  waren  zu- 
fällige: 


Summe 

Mann 

Weib 

Summe 

]\Iann 

Weib 

im  allg.  Krankenhaus  51 

28 

23 

1 

8 

5 

3 

„ Krh.  Wieden  5 

2 

3 

[ Davon 

1 

0 

1 

„ „ Rudolf sstiftg.  25 

11 

14 

1 gestorben 

3 

0 

3 

In  den3Krankenhäus.  81 

41 

40 

n 

12 

5 

7 

Mortalität  für  die  zufälligen  Vergiftungen  = 14,8% 
im  ganzen,  bei  den  Männern  12,195%,  bei  den  Weibern  17,5%. 

Auch  unter  den  zufälligen  Vergiftungen  mit  Aetzmitteln,  die 
fast  gleich  oft  Männer  wie  Weiber  betrafen,  waren  bei  beiden 
Geschlechtern  die  meisten  (59  von  81  = 72,8  7o)  durch  Lauge 
veranlasst.  Bei  den  Weibern  handelte  es  sich  hier  fast  nur  um  Ver- 
giftungen mit  der  zum  Waschen  verwendeten  und  aus  Versehen 
statt  einer  anderen  Flüssigkeit  getrunkenen  Laugenessenz  (in  34  von 
40  Fällen  = 85  %),  aber  auch  bei  Männern  kam  diese  zufällige 
Vergiftung  häufig  vor  (in  25  von  40  Fällen  = 60,9  7o)-  Zufällige 
Vergiftungen  mit  Schwefelsäure  kamen  nur  sehr  wenige  vor  — 
wohl  deshalb,  da  diese  Säure  sofort  auf  der  Zunge  und  den  Lippen 
heftig  brennt  — unter  81  nur  3 (2  Männer  und  1 Weib),  etwa 
so  viele  wie  mit  Arsen  und  Karbolsäure.  Häufiger  wurde  noch 
Ammoniak  aus  Versehen  getrunken,  noch  seltener  Scheidewasser, 
Salzsäure,  Sublimat,  Chromsäure  etc. 

Dass  bei  den  zufälligen  Vergiftungen  die  Mortalität  bei  den 
Weibern  eine  grössere  war  (17,5%)  als  bei  den  Männern  (12,1%)5 
mag  zum  Teil  auf  die  grössere  Vulnerabilität  der  ersteren  zu  be- 
ziehen sein,  zum  Teil  wohl  auch  darauf,  dass  bei  Weibern  \fielleicht 
häufiger  Verwechselungen  mit  Wasser,  bei  Männern  mit  Schnaps 
Vorkommen,  von  den  erstem  daher  mehr  verschluckt  wurde. 

Was  die  Mortalität  betrifft,  so  kann  man  nach  der  ge- 
gebenen Zusammenstellung  bezüglich  der  beiden  Hauptkategorien, 
der  Vergiftungen  mit  Lauge  und  Schwefelsäure,  sagen,  dass 
etwa  ein  Drittel  der  in  die  Krankenhäuser  gebrachten 
derartig  Verletzten  an  den  direkten  Folgen  der  Ver- 
giftung stirbt.  Dass  die  Vergiftungen  mit  der  viel  energischer 
wirkenden  Schwefelsäure  etwa  doppelt  so  oft  zum  Tode  führen 
als  die  mit  Lauge,  ist  leicht  begreiflich,  ebenso  dass  die  Selbst- 
mordversuche, bei  welchen  in  der  Regel  viel  grössere  Mengen  ge- 
trunken werden,  mehr  als  die  doppelte  Sterblichkeit  aufweisen, 
wie  die  zufälligen  Vergiftungen. 

9 


130 


Dr.  V.  Ritter  von  Hacker. 


Bei  den  B^'ällen,  in  denen  es  zu  Oesopliagusstrikturen  kommt, 
handelt  es  sich  begreiflicherweise  viel  häufiger  um  die  weniger  ge- 
fährliche Vergiftung  mit  Lauge. 

Verätzungsstrikturen  des  Oeso])hagus  in  den  Jahren 

1876  — 1885  incl. 


durch 

durch 

Schwefel- 

säure. 

durch 

Lauge. 

Salzsäure. 

allgem.  Krankenh.  . 

97 

davon 

83 

13 

1 

Krankenh.  Wieden  . 

18 

5? 

18 

0 

0 

,,  Rudolfstiftg. 

33 

n 

27 

0 

1 

In  den3Krankenhäus.  148 

davon 

00 

CU 

13 

2 

Von  den  im  obigen  Dezennium  beobachteten  Strikturen  durch 
Verätzung  waren  demnach  ca.  86,5  ®/o  durch  Lauge  bedingt,  ca. 
8,78  ®/o  durch  Schwefelsäure.  Auf  den  Jahresdurchschnitt  von 
ca.  21,337  Krankenaufnahmen  kamen  im  allgemeinen  Krankenhause 
29,2  Vergiftungen  mit  ätzenden  Substanzen,  (also  auf  10,000  etwa 
13)  und  9,7  (die  Zahl  schwankte  zwischen  5 — 12  in  den  einzelnen 
Jahren)  Verätzungsstrikturen  des  Oesophagus  (also  auf  10,000 
etwa  4,5). 

Da  Keller^)  für  die  Zeit  von  1857 — 1860  für  eine  Kranken- 
zahl von  ca.  10,000  jährlich  zwei  bis  vier  Verengerungen  der 
Speiseröhre  (aus  verschiedenen  Ursachen)  berechnete,  so  hätte  dem- 
nach die  Zahl  der  Verätzungen  und  der  durch  dieselben  erzeugten 
Strikturen  seitdem  in  Wien  noch  bedeutend  zugenommen.  Was 
die  Wahrscheinlichkeit  betrifft,  dass  die  Kranken,  welche  nicht  an 
der  Vergiftung  durch  Aetzmittel  zu  Grunde  gehen,  an  Strikturen 
erkranken,  so  ist  dieselbe  ziemlich  gross.  Es  zeigt  sich  dies  in 
dem  Verhältnis  der  Zahlen  der  in  10  Jahren  in  den  drei  grössten 
Wiener  Krankenhäusern  vorgekommenen  Vergiftungen  mit  Lauge 
und  Schwefelsäure,  als  den  zwei  wichtigsten  derartiger  Substanzen 
einerseits,  sowie  der  in  einem  gleich  grossen  Zeitraum  in  diesen 
Krankenhäusern  zur  Aufnahme  gekommenen  Strikturen  nach  dem 
Genüsse  dieser  beiden  Stoffe,  anderseits.  Wenn  es  gestattet  ist,  aus 
diesen  Zahlen  einen  Prozentsatz  zu  berechnen,  so  würde  sich  für 
die  Vergiftungen  mit  Lauge,  wo  die  unmittelbare  Mortalität  26,4  "/o 
betrug,  ergeben,  dass  von  den  Ueberlebenden  etwa  52,19  °/o  schwere 
Oesophagusstrikturen  bekommen  und  etwa  47,75  ^1^  leichte  Strik- 
turen, wegen  welcher  sie  ambulant  behandelt  werden  konnten  oder 


*)  Oest.  Zeitschr.  f.  prakt.  Heilkunde  1862,  Nr.  45 — 47. 


Verätzungen  durch  Oesophagus. 


131 


gar  keine,  für  die  Vergiftungen  mit  Schwefelsäure,  bei  welcher  die 
unmittelbare  Mortalität  54,7  betrug,  dass  von  den  Ueberlebenden 
etwa  34,04  schwere  Strikturen  und  etwa  65,03  leichte  oder 
keine  Strikturen  davontragen. 

Es  würden  sich  diese  Verhältnisse  dadurch  erklären,  dass  bei 
den  Vergiftungen  mit  Lauge  eben  verhältnismässig  mehr  mit  dem 
Leben  davon  kommen,  die  grössere  Mengen  getrunken  haben, 
während  bei  den  Schwefelsäurevergiftungen  nur  diejenigen  über- 
leben, die  sehr  geringe  Quantitäten  verschluckt  haben ; aber  auch 
von  diesen  bekommt  noch  mehr  als  ein  Drittel  schwere  Strikturen. 

Diese  Berechnung  ist  selbstverständlich  nur  eine  ganz  bei- 
läufige, da  ja  nicht  alle  Jahre  gleich  viele  Vergiftungen  Vor- 
kommen, Kranke,  die  nach  Vergiftungen  Strikturen  davon- 
trugen, auch  in  kleineren  Spitälern  Aufnahme  finden  oder  auch 
inzwischen  Wien  verlassen  haben  konnten , aucli  Kranke  mit 
Strikturen  oft  im  selben  Jahre  oder  in  aufeinanderfolgenden  Jahren 
mehrmals  zu  demselben  oder  zu  andern  Spitälern  ihre  Zuflucht 
nehmen  konnten  etc.  Da  aber  die  Gesamtsummen  der  zehnjährigen 
Aufnahmen  der  Hauptspitäler  verglichen  sind  und  auch  andere 
Vergleiche  auf  ähnliche  Zahlen  führen,  dürften  die  Berechnungs- 
fehler keine  allzugrossen  sein,  auch  wäre  es  mit  den  grössten 
Schwierigkeiten  verbunden,  eine  grosse  Zahl  von  Fällen,  die  als 
frische  Verätzungen  beobachtet  wurden,  auf  so  viele  Jahre  hin  in 
Evidenz  zu  halten,  um  daraus  die  Häufigkeit  des  Auftretens  von 
Strikturen  zu  berechnen.  Jedenfalls  dürfte  der  Prozentsatz  der 
nach  Verätzungen  berechneten  Strikturen  kein  zu  grosser  sein.  Es 
handelt  sich  in  der  obigen  Statistik  fast  durchaus  um  Erwachsene, 
in  83  um  Selbstmordversuche  und  in  nur  17  um  zufällige 
Vergiftungen. 

Nachdem  Keller')  bei  Kindern  nach  dem  unvorsichtigen  Ge- 
nuss von  Laugenessenz  in  mehr  als  einem  Drittel  der  Fälle  Ver- 
engerungen entstehen  sah,  so  kann  man  bei  Erwachsenen,  bei  denen 
das  Gift  in  den  meisten  Fällen  mit  Absicht  und  daher  in  grösserer 
Menge  genommen  wird,  trotz  der  grösseren  Weite  der  Speiseröhre, 
wohl  mindestens  auf  ein  gleich  häufiges  Auftreten  von  Strik- 
turen rechnen.  Nach  den  obigen  Berechnungen  würden  bei  Er- 
wachsenen auch  in  mehr  als  einem  Drittel  (in  38,40  ”/o)  nach 
Laugen  Verätzung  schwere  Strikturen  auf  treten.  Nach  Schwefel- 
säurevergiftung würden  nicht  ganz  in  einem  Sechstel  der  Fälle  (in 
15,4  "/„)  schwere  Strikturen  auf  treten,  da  hier  eben  nur  beim  Ge- 
nuss ganz  geringer  Mengen  das  Leben  erhalten  bleibt. 


0 1.  c. 


132 


J)r.  V.  Ritter  von  Hacker. 


Als  Beispiel  wie  schwierig  es  ist  aus  einer  verhältnismässig 
kleinen  Zahl  einen  Einblick  in  die  unmittelbare  Mortalität  nach 
Verätzungen  oder  über  die  Zahl  der  danach  entstehenden  Ver- 
engerungen zu  gewinnen,  führe  ich  folgendes  an. 

In  Ziemssens  Handbuch  der  Intoxicationen  werden  18  Fälle 
von  teils  absichtlichen,  teils  unabsiclitlichen  Vergiftungen  durch 
ätzende  und  kohlensaure  Alkalien  erwähnt,  welche  zehnmal  von 
Strikturen  gefolgt  waren,  in  deren  Gefolge  es  zum  Tode  durch 
Inanition  kam,  in  fünf  Fällen  erfolgte  der  Tod  gleich  nach  der 
Vergiftung.  Die  unmittelbare  Mortalität  steht  ganz  in  Ueberein- 
stimmung  mit  der  aus  unserer  Statistik  abgeleiteten,  der  Prozent- 
satz der  tödlich  verlaufenen  Strikturen  erscheint  aber  sehr  gross, 
umsomehr  auch  absichtliche  Vergiftungen  darunter  sind.  Es 
scheint  sich  hier  um  besonders  schwere  Fälle  gehandelt  zu 
haben. 

Im  Gegensatz  dazu  kenne  ich  eine  aufeinanderfolgende  Reihe 
von  elf  frischen  Vergiftungen,  alle  durch  Lauge,  welche  ich  der 
mir  gütigst  gestatteten  Einsicht  in  die  diesbezüglichen  Kranken- 
geschichten der  Klinik  Nothnagel  (vom  Jahre  1885  und  1886) 
verdanke,  mit  nur  einem  Todesfall  in  unmittelbarer  Folge  der.  Ver- 
giftung selbst,  obwohl  es  sich  darunter  achtmal  um  Selbstmord- 
versuche handelte. 

Prognose  der  Verätzungsstrikturen. 

Von  den  Kranken , welche  die  unmittelbaren  Folgen  der 
Vergiftung  überstanden  haben,  aber  doch  so  viel  von  dem  Aetz- 
mittel  getrunken  haben,  dass  sie  namhaftere  Strikturen  davon- 
trugen, sterben  noch  viele  an  den  Folgen  dieses  Leidens,  mitunter 
erst  nach  Jahren  und  meist  unter  qualvollen  Schmerzen. 

Auf  die  grosse  Mortalität  dieser  Oesophagusstrikturen  weist 
schon  die  Erfahrung  hin,  die  wohl  jeder  Chirurg  bestätigen  wird, 
der  durch  viele  Jahre  die  Fälle  eines  Ambulatoriums  und  der  zu- 
gehörigen stationären  Abteilung  verfolgt  hat,  nämlich,  dass  die 
meisten  dieser  Strikturen  relativ  frische  sind,  wo  seit  der  Verätzung 
Monate  oder  höchstens  einige  Jahre  vergangen  sind,  während  nur 
höchst  selten  Fälle  nach  mehrere  oder  viele  Jahre  vorausgegangenen 
Vergiftungen  zur  Behandlung  kommen.  Unter  den  100  Fällen, 
welche  ich  in  meiner  Arbeit : über  die  nach  Verätzungen  ent- 
stehenden Speis  er  Öhren  Verengerungen^)  zusammenstellte,  war 
in  72  die  Zeit,  die  seit  der  Verätzung  vergangen  war,  angegeben, 


0 Wien  bei  Alfred  Holder  1889. 


Verätzungen  des  Oesophagus. 


133 


Darunter  war  47mal  weniger  als  ein  Jahr  (meist  nur  einige  Monate) 
25mal  ein  Jahr  und  mehr  vergangen,  und  zwar 

1 — 3 Jahre 12mal 

4-6 3 „ 

7-9  „ 2 „ 

10-12  „ 2 „ 

13—15  „ 2 „ 


mehrere?  „ 4 „ 

Nur  in  einem  Falle  (38jähr.  Mann)  heisst  es,  dass  die  ^^er- 
ätzung  aus  der  Kindheit  stammt. 

Auch  unter  den  an  der  stationären  Abteilung  der  Klinik  Bill- 
roth  1877 — 86  grösstenteils  von  mir  selbst  beobachteten  18  Fällen 
handelte  es  sich  meist  um  frischere,  vor  Monaten  oder  1 — 1 72  Jahren 
acquirierte  Strikturen,  nur  in  7 Fällen  war  längere  Zeit  {272,  4,  6, 
10  Jahre)  seit  der  Verätzung  vergangen. 

Bei  den  zwei  am  längsten  bestehenden  Strikturen  war  die 
Ursache  der  Aufnahme  der  Kranken  nicht  die  Striktur  als  solche, 
sondern  das  Steckenbleiben  von  Fremdkörpern  in  derselben.  Nur 
zwei  Fälle  sind  mir  bekannt,  in  denen  Kranke  durch  10  Jahre 
hindurch  von  Zeit  zu  Zeit  das  Ambulatorium  der  Klinik  zur  Vor- 
nahme einer  Dilatation  der  Verengerung  aufsuchten. 

Interessant  und  in  Uebereinstimmung  mit  der  Thatsache,  dass 
die  auf  lange  Strecken  ausgedehnten  Strikturen  die  ungünstigste 
Prognose  bieten,  steht  es,  dass  in  den  oben  erwähnten  25  Fällen 
der  Tabelle,  in  denen  die  Erscheinungen  erst  nach  einem  Jahre 
und  nach  mehreren  den  höchsten  Grad  erreichten,  es  sich  fast 
durchaus  um  solche  mit  kurzen  ein-  und  mehrsitzigen  Verengerungen 
handelte  (21  mal)  und  nur  4 mal  um  auf  lange  Strecken  ausgedehnte. 
Dasselbe  gilt  auch  von  den  vier  aus  der  Klinik  Billroth  angeführten 
Fällen  älterer  Verätzung.  Hochgradige  auf  weite  Strecken  aus- 
gedehnte Verengerungen  führen  eben  meist  früh  durch  die  Folgen 
derselben  zum  Tode. 

Aus  dem  Umstande,  dass  Kranke  oft  erst  nach  Jahren  in 
Spitalsbehandlung  kommen,  ersehen  wir,  dass  auch  nach  verhältnis- 
mässig nicht  hochgradiger  Verätzung  Strikturen  entstehen  und 
dass,  wie  wir  auch  an  einzelnen  durch  Jahre  hindurch  beobachteten 
klinischen  Fällen  sehen.  Kranke  mit  Verätzungsstrikturen  immer 
wieder  Recidive  bekommen,  wenn  die  Strikturen  nicht  regelmässig 
durch  Einführung  von  Bougies  etc.  dilatiert  werden  und  dass  in 
solchen  Fällen  mitunter  die  Erscheinungen  erst  nach  Jahren  die 
höchste  Intensität  erreichen.  Diese  Kranken  sind  zeitlebens  der  Gefahr 
ausgesetzt  an  den  Folgen  der  Striktur  selbst  oder  an  den  Folgen 


134 


])r.  V.  Ritter  von  Hacker. 


der  notwendigen  Behandlung  derselben  zu  Grunde  zu  gehen.  Die 
häufigste  Todesursache  bei  den  nur  mit  Bougierung  behandelten 
ist  eine  Perforation  des  Oesophagus,  welche  entweder  durch  die 
Ulceration  der  Speiseröhre  selbst  erfolgt,  mitunter  veranlasst 
durch  Steckenbleiben  fremder  Körper,  oder  die  Perforation  ist 
unmittelbar  durch  die  Sonde  erzeugt  oder  mittelbar  durch  for- 
cierte Dilatation,  Bildung  eines  falschen  Weges  etc.  bedingt.  Der 
Perforation  folgt  je  nach  der  Richtung,  in  welcher  sie  erfolgt,  eine 
Pleuritis  und  Mediastinitis  oder  eine  purulente  Bronchitis,  Lungen- 
gangrän etc. 

In  meiner  Tabelle  von  100  Fällen  mit  einer  Mortalität  von  47 
sind  25  Todesfälle  bei  Kranken,  welche  nur  durch  Bougierung  be- 
handelt wurden.  In  20  Fällen  davon  ist  die  Todesursache  an- 
gegeben, 10  mal  lautet  sie  auf  Perforation  (davon  zwei  durch  Fremd- 
körper, sechs  durch  Bougies),  5 mal  sind  solche  entzündliche  Pro- 
zesse angeführt  (Mediastinitis,  Pleuritis,  lobulare  Pneumonie,  Lungen- 
gangrän), welche  gleichfalls  auf  Perforation  schliessen  lassen.  Auch 
bei  den  nach  operativen  Eingriffen  Verstorbenen  ist  die  Perforation 
des  Oesophagus,  namentlich  nach  der  Oesophagotomie  (interna, 
externa  und  combinata)  eine  häufige  Todesursache.  Unter  den 
hieher  gehörigen  22  Todesfällen  meiner  Tabelle  sind  13  nach  der 
Gastrotomie,  9 nach  Oesophagotomie  eingetreten.  Nach  der  Gastro- 
tomie  sind  7 an  Peritonitis,  2 an  Inanition  und  4 durch  Lungen- 
prozesse gestorben,  welche  auf  eine  Perforation  schliessen  lassen 
(Pleuritis,  Bronchitis  putrida,  Pneumonie).  Nach  Oesophagotomien 
(Oes.  interna)  sind  2 an  Peritonitis,  1 durch  V erblutung,  6 durch 
auf  Perforation  deutende  Prozesse  (Perioesophagitis,  Mediastinitis, 
Pleuritis)  gestorben. 

Bei  34  im  pathologisch-anatomischen  Institute  in  Wien  in 
den  Jahren  1877 — 1886  obducierten  Fällen  von  Verätzungsstrikturen 
war  zehnmal  die  Todesursache  Perforation  durch  Sondierung,  sechs- 
mal Mediastinitis  nach  Perforation  durch  Ulceration.  In  den  an- 
dern Fällen  erfolgte  der  Tod  entweder  im  Anschluss  an  operative 
Eingriffe  oder  durch  Marasmus,  Inanition  oder  Lungentuberkulose. 

Um  eine  beiläufige  Mortalität  für  die  Verätzungsstrikturen 
festzustellen,  möchte  ich  einzelne  Beobachtungsreihen  verscliiedener 
Autoren  vergleichen. 

In  meiner  Tabelle  von  100  Fällen  sind  47  an  den  Folgen 
der  Striktur  verstorbene  enthalten.  Diese  Zahl  dürfte  wohl  etwas 
zu  hoch  sein.  Da  ich  bei  der  Zusammenstellung  das  Hauptgewicht 
auf  jene  Fälle  legte,  wo  genauere  Angaben  über  den  Sitz  und  die 
Beschaffenheit  der  Verengerung  gemacht  waren,  oder  genaue 


Verätzungen  des  Oesophagus. 


135 


Sektionsbefiinde  Vorlagen,  enthält  dieselbe  begreiflicherweise  beson- 
ders viele  schwere  und  deshalb  auch  operativ  behandelte  Strikturen. 

A. Keller  *)  hat  über  35  Fälle  berichtet,  wovon  an  den  Folgen 
der  Striktur  4 starben  (Mortalität  = ll,42°/o)  da  diese  Statistik  nur 
Kinder  betrifft,  bei  denen  die  Verletzung  durchaus  eine  zufälhge 
war,  so  ist  die  durchschnittliche  Mortalität  für  die  Verätzungs- 
strikturen  ohne  Auswahl  von  Alterskategorien  und  ohne  Trennung 
der  zufällig  und  der  nach  Selbstmordversuchen  entstandenen  jeden- 
falls eine  grössere;  sie  dürfte  also  zwischen  11,42%  und  47%  liegen. 

Billroth  berichtet  in  dem  Gesamtberichte  über  die  chirur- 
gischen Kliniken  in  Zürich  und  Wien  1860 — 76  über  15  Oeso- 
phagusstrikturen  durch  Lauge  oder  Schwefelsäure,  welche  nur 
durch  Bougierung  behandelt  wurden,  von  denen  2 gestorben  sind 
(Mort.  = 13,33%).  Aus  den  Jahren  1877 — 1886  habe  ich  aus  der 
Klinik  Billroth  18  Fälle  (7  Männer,  11  Weiber)  von  Verätzungs- 
strikturen  zusammenstellen  können,  von  denen  7 gestorben  sind 
(Mort.  = 38,88%),  4 nach  Operationen.  9 mal  wurden  wegen  der 
Striktur  operative  Eingriffe  ausgeführt  (2  mal  Gastrotomie,  6mal 
Oesophagotomie  externa  — 2 an  demselben  Individuum  — , 1 mal 
Oesoph.  interna). 

Bei  einem  oberflächlichen  Vergleich  dieser  zwei  Reihen  könnte 
es  scheinen,  dass  die  operative  Behandlung  die  Mortalität  der 
Strikturen  ungünstig  beeinflussen  würde.  Dem  ist  jedoch  nicht 
so,  es  handelte  sich  in  der  ersten  Reihe  von  15  Fällen  um  ver- 
hältnismässig leichtere  Strikturen,  bei  denen  man  mit  der  Bougie- 
rung allein  auskam,  in  der  zweiten  Reihe,  der  18  Fälle,  um  viele 
schwere  Fälle,  bei  denen  operativ  eingegriffen  wurde.  Ich  will 
zum  Vergleich  eine  Reihe  von  beobachteten  Fällen,  welche  ausser 
durch  Bougierung  nicht  operativ  behandelt  wurden,  mit  ihrer 
Mortalität  zusammenstellen.  Es  befindet  sich  darunter  eine  Reihe 
von  gleichfalls  18  Fällen  mit  11  Todesfällen. 

Billroth  berichtete  (s.  o.)  über  15  Fälle,  wovon  an  den  Folgen  der 

Striktur  2 starben, 

Günther  ■')  „ „ „ 16  „ „ 6 

Wolzendorf^),,  „ „ 18  „ „ 11 

Hacker  „ „ „ 12  „ „ 9 

(Fülle  meiner  Tabelle  die  in  den  oben 
eitierten  Statistiken  nicht  enthalten  sind.') 

Summe  91  ,,  ,,  31  ,, 

')  loco.  c. 

Im  ganzen  waren  in  dem  Zeiträume  21  in  Behandlung.  In  3 Fällen,  von 
denen  einer  starb,  war  die  Verätzung  noch  zu  frisch,  so  dass  noch  keine  eigent- 
liche Striktur  vorlag,  weshalb  diese  nicht  mitgezählt  wurden. 

Lehre  von  den  blutigen  Operationen  am  Halse.  Leipzig-Heidelberg  1864. 

Deutsche  militärärztl.  Zeitschr.  1890,  p.  477. 


136 


I)r.  V.  Ritter  von  Hacker. 


Es  würde  sich  daraus  für  die  nicht  operierten  Fälle  eine 
Mortalität  von  39,43  ergeben. 

Vergleiche  ich  nun  noch  in  meiner  Tabelle  von  100  Fällen, 
welche,  wie  erwähnt,  besonders  viele  schwere  und  tödlich  ver- 
laufene Fälle  enthält,  die  Zahl  der  wegen  der  Striktur  mittels 
Oesophagotomien  oder  mittels  Gastrotomie  operierten  mit  den 
nur  durch  Bougierung  behandelten  bezüglich  der  Sterblichkeit,  so 
zeigt  sich,  dass  • 

von  55  operierten  33  geheilt  oder  gebessert  wurden  und 

22  gestorben  sind.  Mortalit.  = 407o 
und  von  45  nicht  operierten  20  geheilt  oder  gebessert 
wurden  und  25  gestorben  sind.  Mortalit.  = 55,557o- 

Durch  operative  Eingriffe  kann  sicher  noch  eine  Reihe  von 
Fällen  gerettet  werden,  welche  ohne  solche  sterben  würden.  Aller- 
dings sind  bei  diesem  Leiden  die  ‘ Erfolge  von  Operationen  mit 
den  Resultaten,  die  wir  sonst  bei  Operationen  heutzutage  zu  er- 
reichen gewohnt  sind,  nicht  zu  vergleichen,  da  vor  durch  die 
Operation  die  zu  erweiternde  Striktur  zwar  zugänglicher  machen, 
die  Dilatation  derselben  selbst  aber  doch  ohne  Kontrolle  des  Auges 
ausführen  müssen. 

Obwohl  ich  nicht  beabsichtige,  auf  die  operative  Therapie  der 
Strikturen  hier  näher  einzugehen,  möchte  ich  doch  erwähnen,  dass 
man  meiner  schon  anderwärts  *)  ausgesprochenen  Meinung  nach 
bei  schweren  Strikturen  sich  mit  Unrecht  viel  leichter  zur  Oeso- 
phagotomie  und  darauf  folgenden  forcierten  Dilatation  der  darunter 
gelegenen  Strikturen  entschliesst,  statt  zur  Gastrotomie.  Nach  der 
Gastrotomie,  die  kunstgerecht  ausgeführt  eine  ungefährhche 
Operation  darstellt,  ist  man  in  der  Regel  im  stände,  wenn 
das  nicht  schon  während  der  Operation  möglich  war,  später 
vom  Munde  aus  eine  dünne  Darmsaite  durch  die  Striktur  durch- 
zuziehen und  an  dieser  einen  Faden  aus  der  Magenfistelöffnung 
zu  leiten,  der  liegen  bleibt.  Mit  Hilfe  desselben  kann  man  (durch 
die  von  mir  vorgeschlagene  Sondierung  ohne  Ende)  7 durch 
daran  befestigte  Bougies  oder  ausgezogene  Drains  von  steigendem 
Kaliber  die  Striktur  allmählich  erweitern,  ohne  den  Kranken  den 
schweren  Gefahren  auszusetzen,  die  durch  forcierte  Dilatation  von 
oben  bedingt  werden. 

Wenn  wir  zum  Schlüsse  zusammenfassen,  was  die  hier  mit- 
geteilten Daten  über  die  Prognose  der  Verätzungen  der  Speiseröhre 

V.  Hacker.  Speiseröhrenverengerungon  1889. 

'*)  V.  Hacker,  Wr.  inedic.  Wochenschr.  188B,  Nr.  31  u.  32.  Ueber  die  nach 
Verätzungen  entstandenen  Speiseröhrenverengungen  1889,  p.  219. 


Verätzungen  des  Oesophagus. 


137 


und  der  nach  denselben  entstehenden  Strikturen  ergeben,  so  folgt 
daraus,  dass  den  Kranken,  welche  ätzende  Substanzen,  sei  es  zu- 
fällig, sei  es  in  selbstmörderischer  Absicht  trinken,  im  allgemeinen 
ein  trauriges  Los  beschieden  ist.  An  den  direkten  Folgen  der 
Vergiftung  stirbt,  diese  beiden  Arten  von  Vergiftung  zu- 
sammen betrachtet,  mindestens  ein  Drittel;  bei  Laugen- 
vergiftung ein  Viertel,  bei  Schwefelsäurevergiftung  mehr 
als  die  Hälfte.  Die  Zahlen  sind,  da  sie,  wie  oben  erwähnt,  dem 
Krankenmateriale  entnommen  sind,  eher  noch  zu  gering  bemessen. 

Von  den  die  Laugenvergiftung  Ueberlebenden  be- 
kommt mehr  als  die  Hälfte  schwere  Strikturen,  die  übrigen 
leichtere  oder,  was  gewiss  nur  sehr  selten  ist,  keine  Strikturen. 

Nach  Schwef  elsäurevergiftung  bekommt  von  den 
Ueberlebenden  mehr  als  ein  Drittel  schwere  Verengerun- 
gen, der  Rest  entweder  leichtere  oder  keine.  Ohne  Striktur 
kommen  hier  wohl  nur  solche  davon,  welche  kaum  etwas  von  dem 
Aetzstohe  verschluckt  haben. 

Da  von  den  Kranken,  welche  Verätzungsstrikturen  des 
Oesophagus  davontrugen,  mindestens  noch  der  dritte  Teil 
den  Folgen  derselben  erliegt,  so  ist  es  klar,  wie  zahlreich  die 
Opfer  sind,  welche  die  Vergiftungen  mit  ätzenden  Substanzen  teils 
in  unmittelbarer,  teils  in  späterer  Folge  fordern. 

Es  wäre  sehr  wünschenswert,  wenn  das  Laienpublikum  über 
den  Umfang  der  Gefahren,  welche  Vergiftungen  mit  Aetzstoö'en, 
selbst  mit  der  weniger  energisch  wirkenden  Laugenessenz,  wie  sie 
im  Kleinhandel  verkauft  wird,  nach  sich  ziehen,  mehr  aufgeklärt 
würde,  und  wenn  die  Laugenessenz,  die  zu  Waschzwecken  ver- 
kauft wird,  nur  in  eigenen  Flaschen  verabreicht  würde,  auf  denen 
der  Inhalt  deutlich  kennbar  als  Gift  bezeichnet  wäre. 

Auch  das  ist  im  Volke  nicht  bekannt,  wie  ungeeignet  die 
Aetzstoffe  und  darunter  ganz  besonders  die  mit  Vorliebe  vor- 
wendete Laugenessenz  als  Mittel  zum  Selbstmorde  sind.  Der  Tod 
tritt,  selbst  wenn  dieselben  in  grosserer  Menge  genommen  werden, 
nicht  sofort  ein  und  in  der  Regel  unter  grässlichen  Schmerzen. 
Sehr  oft  töten  diese  Substanzen  durch  die  Folgen  der  Verätzung 
erst  zu  einer  Zeit  (nach  Monaten  und  Jahren),  wo  die  Veranlassung 
zum  Selbstmorde  gewöhnlich  längst  vorüber  ist,  häufiger  führen  sie 
nicht  den  Tod,  aber  ein  zeitlel)ens  dauerndes  schweres  Leiden  herbei. 


Oolica  processus  vermiformis  (Breuer) 


von  Dr.  Arth.  F.  v.  Hochstetter  (Wr.  Neustadt). 

(Mit  einem  Vorwort  von  R.  Gersuny.) 


V o r w 0 r t. 

Der  Titel  der  vorliegenden  Mitteilung  bezeichnet  eine  Affektion 
welche  zwar  der  Perityphlitis  sehr  nahe  steht,  jedoch  mit  Recht 
gesondert  betrachtet  werden  sollte,  weil  sie,  ich  möchte  sagen, 
ein  abortives  Vorstadium  dieser  Krankheit  ist,  das  trotz  häufiger 
Wiederholung  der  Anfälle  nicht  zur  Entstehung  einer  Perityphhtis 
zu  führen  braucht.  Die  Kenntnis  des  Krankheitsbildes  verdanke 
ich  mündlichen  Mitteilungen  des  Herrn  Dr.  Josef  Breuer  in  Wien 
und  ich  war  dadurch  in  den  Stand  gesetzt,  den  Fall,  welcher  den 
Gegenstand  vorliegender  Arbeit  bildet,  richtig  zu  beurteilen  und 
durch  entsprechendes  Eingreifen  zu  heilen. 

Auf  meine  Bitte  schrieb  Herr  Dr.  Breuer  seine  Anschauungen 
über  diesen  Gegenstand  nieder  und  versetzte  mich  dadurch  in  die 
angenehme  Lage,  hier  seine  eigenen  Worte  anzuführen : 

»Man  beobachtet  häufig  Fälle  von  recidivierender  Para-  und 
Perithyphlitis,  bei  denen  die  Entzündungserscheinungen  in  grösseren 
oder  kleineren  Intervallen  oft  mit  auffallender  Periodicität  sich 
wiederholen.  Sicher  beruhen  solche  Recidiven  häufig  darauf,  dass 
einmal  ein  paratyphlitischer  Abscess  bestanden,  in  den  Darm  sich 
entleert  hatte  und  dann  die  Abscesshöhle  sich  wieder  periodisch 
füllt  und  entleert.  In  anderen  Fällen  aber  kann  man  nach  Be- 
obachtung des  ersten  Anfalles  sagen,  dass  ein  paratyphlitischer 
Abscess  überhaupt  nie  bestanden  hat.  Die  Entzündungserscheinungen 
treten  in  jedem  Anfall  bald  wieder  zurück,  die  Schwellung  und 
Härte  des  Coecums  schwindet  bald,  nach  einigen  Tagen,  um  sich 
nach  einiger  Zeit  wieder  in  einem  Anfall  einzustellen.  Man  sup- 
poniert  als  Ursache  für  dieses  Verhalten  gemeiniglich  Koprostasen. 
Es  giebt  aber  Kranke,  bei  denen  auch  diese  Ursache  völlig  aus- 


Colica  processus  vermiformis. 


139 


geschlossen  werden  kann.  In  solchen  Fällen  tritt  der  Anfall  ein 
unter  den  Erscheinungen  einer  heftigen  Kolik,  vor  allem  im  Coecum 
ablaufend,  mit  starkem  Collaps , Erbrechen.  Kommt  man  zum 
Beginn  der  Attaque,  so  überzeugt  man  sich  leicht,  dass  es  sich 
zunächst  wirklich  um  eine  Art  Kolik  handelt,  und  dass  erst  nach  Ab- 
lauf einiger  Zeit  die  Entzündungserscheinungen  hinzutreten  : Druck- 
empfindlichkeit, vermehrte  Resistenz  der  Coecalgegend,  Fieber,  die 
sich  nach  einiger  Zeit  wieder  verlieren.  Wohl  aber  kann  man  bei 
diesen  Fällen,  wenn  auch  nicht  immer,  vor  und  im  Beginn  des 
Anfalls  in  der  Coecalgegend  einen  resistenten  Strang  palpieren, 
den  man  vielleicht  und  mit  aller  Reserve  für  den  Proc.  vermiformis 
halten  darf. 

Ich  glaube  es  ist  Prim.  Gersuny  und  mir  etlichemale  gelungen, 
durch  Massage  dieses  Stranges  beginnende  Anfälle  zu  coiq)ieren 
und  dann  durch  Fortsetzung  der  Behandlung  die  Kranken  dauernd 
zu  heilen. 

Die  Laparatomien  haben  nicht  selten  zur  Beobachtung  von 
katarrhalisch  afficierten,  in  der  Wand  verdickten  Darmanhängen 
geführt,  und  hierin  möchte  ich  die  Erklärung  für  die  oben  skiz- 
zierten Anfälle  suchen. 

Chronischer  Katarrh  des  Processus,  mit  oder  ohne  Fremd- 
körper, mit  oder  ohne  tiefgreifende  Ulceration  der  Wand,  wird 
syraptomlos  bestehen  können,  solange  die  Mündung  des  Processus- 
lumens ins  Coecum  nicht  verengt  oder  verlegt  ist.  Geschieht  das, 
so  führt  die  Dehnung  durch  das  gestaute  Sekret  zu  krampfhaften 
Anstrengungen,  es  durch  Kontraktion  zu  entleeren.  Diese  haben 
am  Processus  denselben  Typus,  wie  die  Entleerungsarbeit  aller 
Hohlorgane  ihn  zeigt,  der  Blase  wie  des  Darms,  des  Uterus  wie 
des  Nierenbeckens  oder  der  Gallenblase:  die  Kolik  mit  ihren 
Begleiterscheinungen.  Bei  der  Gallenblase  sieht  man  nun  oft  an 
die  Gallensteinkolik  eine  Periliepatitis  anschliessen,  wohl  dadurch 
hervorgebracht , dass  der  intensive  Druck , unter  den  der  Inhalt 
gesetzt  wird,  etwas  davon  durch  die  nicht  ganz  intakte  Wand 
der  Blase  durchpresst  und  dieser  grossenteils  nicht  indifferente 
Inhalt  der  erkrankten  Gallenblase  das  Peritoneum  in  Entzündung 
versetzt.  Manche  sonst  gesunde  Individuen  können  überhaupt 
keine  heftige  Darmkolik  haben , ohne  dass  mässige  peritonitische 
Reizung  folgt.  Ebenso  und  aus  denselben  Gründen  schliesst  sich 
die  Perityphlitis  an  die  krami^fhafte  Entleerung  des  Processus- 
inhaltes. 

Ich  möchte  nun  vorschlagen,  für  diesen  nicht  seltenen  Vor- 
gang den  Namen  Colica  processus  vermiformis  einzuführen; 


140 


Arthur  F.  v.  Hochstetter. 


zwar  a potiori  fit  denominatio.  Die  Perityplilitis  muss  aber  in 
diesen  Fällen  nicht  nachf eigen,  bleibt  meist  massig,  während  das 
Wesen  der  Erkrankung  in  der  Inhaltsretention  des  Processus  und 
der  Kolik  desselben  zu  bestehen  scheint.  J.  Breuer.« 

Die  nachstehende  Beobachtung  stellt  einen  besonders  schweren 
Fall  der  Colica  proc.  vermif.  dar  und  ist  durch  den  anatomischen 
Befund  sowie  durch  die  exakte  Wirkung  der  Operation  belehrend. 

Ein  zweiter  Fall , den  ich  in  diesem  Jahre  im  Rudolfinerhause  operierte, 
bot  die  gleichen  Symptome  und  den  gleichen  Befund  am  Proc.  vermif.  dar,  auch 
schwanden  nach  der  Operation  die  vom  Proc.  vermif.  abhängigen  Symptome, 
jedoch  war  dies  keine  reine  Beobachtung,  denn  es  bestand  überdies  noch  Blasen- 
tenesmus,  intermittierende  Pyurie  und  eine  kleine  Üvarialgeschwulst.  Bei  der 
Operation  wurde  das  Ovarium  entfernt,  eine  feste  Verwachsung  der  Blase  nach 
rechts  mit  dem  schwielig  verdickten  Zellgewebe  des  Beckens  gelöst  und  der  ver- 
dickte, harte  Proc.  vermif.,  in  dessen  unmittelbarer  Umgebung  keine  Entzün- 
dungsprodukte gefunden  wurden,  exstirpiert.  Die  Untersuchung  des  Proc.  vermif. 
ergab : Bindegewebige  Verdickung  mit  kleinzelliger  Infiltration  der  Wand,  sehr 
gewulstete  Schleimhaut,  Lumen  überall  gleich,  ohne  Inhalt. 

Nach  der  Operation  schwand  der  Schmerz  in  der  Coecalgegend , sowie 
die  Druckempfindlichkeit,  auch  der  Blasentenesmus  war  geheilt,  die  intermittierende 
Pyurie  blieb  und  es  ergab  sich  späterhin  als  Ursache  derselben  eine  rechtseitige 
Pyonephrose,  welche  jedoch  sonst  keine  Beschwerden  machte,  so  dass  die  Patientin 
sich  rasch  erholte  und  es  vorzog,  ihre  Niereneiteruijg  zu  l>ehalten. 

R.  Gersuny. 

Frau  Cz.,  49  Jahre  alt,  hatte  in  ihrem  15.  Lebensjalire  einen 
Typhus  ohne  Komplikationen.  Vom  17.  bis  zu  ihrem  20.  Lebens- 
jahre war  sie  dreimal  krank,  uud  zwar  sollen  diese  Erkrankungen 
Hirnhautentzündungen  gewesen  sein,  doch  fehlen  darüber  genauere 
Angaben.  Sie  verheiratete  sich  im  23.  Lebensjahre.  In  den  fol- 
genden 11  Jahren  machte  sie  8 normale  Entbindungen  und  einen 
Abortus  im  4.  Monate  ohne  ungewöhnliche  Erscheinungen  und 
ohne  Nachkrankheit  durch. 

Vor  9 Jahren  (im  November  1880)  begann  ihr  jetziges  Leiden 
ohne  bekannte  Ursache  mit  heftigen  kolikartigen  Schmerzen  in 
der  rechten  Bauchhälfte,  die  angeblich  von  Fieber  begleitet  waren. 
Wegen  der  anhaltenden  in  ihrer  Intensität  aber  wechselnden 
Schmerzen  war  die  Frau  durch  U/b  Jahre  von  dem  erwähnten 
Zeitpunkt  an  nicht  im  stände,  das  Bett  zu  verlassen,  und  war 
auch  späterhin  nach  mehrmonatlichen,  schmerzfreien  Intervallen 
immer  wieder  genötigt,  durch  viele  Monate  das  Bett  zu  hüten. 
Im  April  89  stellten  sich  die  Schmerzen  neuerlich  und  zwar  mit 
grösserer  Intensität  ein,  ohne  zu  weichen,  so  dass  die  Frau  seither 
das  Bett  nicht  mehr  verlassen  konnte.  Der  Schmerz  war  während 


Colica  processus  vermiformis. 


141 


des  ganzen  Verlaufs,  was  seinen  Charakter  und  Ausgangsj)unkt 
anbelangt,  immer  derselbe,  d.  h.  er  war  immer  kolikartig  und  war  ^ 

am  intensivsten  in  der  rechten  Unterbauchgegend,  Von  anderen 
Darmerscheinungen  bestand  nur  Meteorismus  und  Stuhlverstopfung. 

Eine  in  früherer  Zeit  von  einem  erfahrenen  Gynäcologen  vor- 
genommene  Untersuchung  ergab  ein  sehr  kleines  subseröses  Uterus- 
myom, aber  mit  keinem  die  schweren  Erscheinungen  erklärenden 
Befund.  Als  das  Wahrscheinlichste  wurde  eine  Tubenerkrankung 
' vermutet. 

Wegen  der  Heftigkeit  der  Krankheitserscheinungen,  die  jede 
Thätigkeit  der  Patientin  unmöglich  machten  und  zum  Gebrauch 
grosser  Chloraldosen  geführt  hatten,  wurde  die  explorative  Lapa- 
rotomie vorgeschlagen,  in  der  Hoffnung,  man  würde  die  Ursache 
des  schweren  Leidens  auffinden  und  beseitigen  können.  Die 
Kranke  ging  ohne  Besinnen  darauf  ein  und  liess  sich  (im  Oktober 
1889)  in  das  Rudolfinerhaus  aufnehmen. 

Eine  gleich  nach  der  Aufnahme  gemachte  Eingiessung  in  den  I 

Darm  bewirkte  ausgiebige  Stuhlentleerung  und  Abnahme  des  | 

Meteorismus. 

Die  Frau  bot  das  Bild  einer  Schwerkranken,  sie  liess  nur  mit 
ängstlicher  Miene  und  unter  Schmerzäusserungen  einen  Lage- 
wechsel mit  sich  vornehmen.  Ihr  Ernährungszustand  war  ein 
mittelmässiger,  das  Gesicht  blass,  die  Temperatur  niclit  erhöht. 

Durch  die  Untersuchung  konnte  nichts  anderes  nachgewiesen 
werden,  als  ein  meteoristisch  aufgetriebenes  Abdomen  von  ausser- 
ordentlicher Druckempfindlichkeit,  wobei  die  aus  diesem  Grunde 
nur  unvollständig  mögliche  Palpation  leichte  Resistenzzunahme  in 
der  rechten  Bauchhälfte  nachweisen  konnte.  i= 

Das  Genitale  wurde  normal  befunden.  Harn  und  Stuhl  ^ 

I zeigte  nichts  Abnormes,  ‘ 

Am  20.  Oktober  1889  wurde  zur  Laparotomie  geschritten.  } 

Nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  in  der  Linea  alba  wurden 
I zunächst  die  inneren  Genitalien  untersucht.  Am  Uterus  fand  sich  l 

ein  subseröses,  wenig  vorragendes  Myom  etwa  von  der  Grösse  einer 
! Mandel,  im  übrigen  war  der  Uterus  normal;  weder  an  den  Tuben 
^ noch  an  den  Ovarien  fand  sich  irgend  eine  Abnormität,  namentlich 
i war  auch  kein  Rest  eines  vorausgegangenen  Entzündungsprozesses 
I auffindbar.  Hierauf  wurde  der  Darm  besichtigt  und  abgetastet. 

( Dabei  ergab  sich  zunächst  kein  abnormer  Befund , doch  fiel 

schliesslich  der  starr  abstehende  Processus  vermiformis  auf,  der 
) sich  als  spulrunder,  sehr  harter,  wie  solider  Körper  von  5 cm 
Länge  und  0,6  cm  Dicke  präsentierte;  abnorme  Verwachsungen 


i 


142 


Arth.  F.  V.  llochstetter. 


desselben  fanden  sich  nicht  vor.  Er  wurde  nach  Durchtrennung 
seines  Mesenteriums  in  etwa  2 mm  Distanz  von  der  Wand  des 
Coecum  abgetragen  und  sein  Stumpf  unter  Einstülpung  der  Serosa 
exakt  vernäht.  Die  Bauchdecken  wurden  durch  3 fache  Naht  ge- 
schlossen. Der  Heilungsverlauf  war  ein  vollständig  reaktionsloser. 
Am  fünften  Tag  wurde  durch  Klysma  mit  Infus.  Sennae  ausgiebiger 
Stuhlgang  erreicht,  weiterhin  wurde  durch  kleine  Gaben  von  Karls- 
bader Salz  jeden  zweiten  Tag  für  Stuhl entleerung  in  ausreichendem 
Masse  gesorgt.  Sobald  es  die  Verhältnisse  der  Bauch  wunde  er- 
laubten, wurde  wegen  des  noch  bestehenden  Meteorismus  leichte 
Bauchmassage  angewandt,  die  nicht  nur  häufig  unmittelbar  Stuhl- 
gang zur  Folge  hatte,  sondern  auch  subjektiv  der  Patientin  immer 
das  Gefühl  von  Erleichterung  brachte.  Etwa  drei  Wochen  nach 
der  Operation  stand  Pat.  auf,  lernte  bald  wieder  gehen  und  hatte 
meist  spontan  wieder  regelmässigen  Stuhlgang.  Die  früheren  Be- 
schwerden waren  seit  der  Operation  nie,  auch  nicht  andeutungs- 
weise, wiedergekehrt,  so  dass  die  gewohnten  Chloralgaben  gänzlich 
weggelassen  werden  konnten ; auch  der  Meteorismus  verringerte 
sich  allmählich  so,  dass  die  Patientin  wenige  Tage,  nachdem  sie 
das  Bett  verlassen  hatte,  nach  Plause  zurückkehren  konnte.  Aus 
dem  letzten  Bericht  der  Frau  (etwa  ein  .Jahr  nach  der  Operation) 
ist  zu  entnehmen,  dass  sie  vor  allem  nie  mehr  unter  den  früheren 
Beschwerden  zu  leiden  hatte,  dass  sie  nach  »schwereren  Speisen 
Verdauungsbeschwerden«  bekomme,  aber  zur  Erzielung  eines  regel- 
mässigen Stuhlganges  nur  selten  des  Karlsbader  Salzes  bedürfe. 
Der  beste  Beweis  für  den  Effekt  der  Operation  ist  der,  dass  die 
Frau,  welche  vorher  durch  lange  Zeit  sich  nicht  ohne  heftige 
Schmerzen  bewegen  konnte,  kurze  Zeit  nach  ihrer  Entlassung  ihren 
an  Care,  recti  erkrankten  Mann  durch  mehrere  Monate  pflegen 
konnte. 

Die  nähere  Untersuchung  des  exstirpierten  Organs  ergab  (wie 
schon  der  Befund  bei  der  Operation)  nicht  das  Mindeste,  was  auf 
vorhergegangene  Entzündung  hätte  bezogen  werden  können.  Es 
konnten  weder  abnorme  Verwachsungen  noch  Exsudatreste,  noch 
Narben  nachgewiesen  werden. 

Der  exstirpierte  Proc.  vermiformis  stellte  nach  der  Härtung 
in  Alkohol  einen  derben,  spulrunden  Körper  von  5 cm  Länge 
und  0,4  cm  Dicke  dar.  Die  Serosa  war  glatt,  die  Mucosa  wie  grob 
granuliert  und  von  facettiertem  Aussehen.  Das  im  Querschnitt 
sternförmige  Lumen  war  so  enge,  dass  nur  eine  feine  Haarsonde 
eingeführt  werden  konnte;  in  dem  feinen,  überall  gleich  weiten 
Kanal  einige  Schleimfäden  Inhalt.  Die  mikroskopische  Unter- 


Colica  processus  vermiformis. 


143 


suchung  ergab  starke  Verdickung  der  Submucosa  und  beider  Mus- 
culares  mit  Hypertrophie  der  i'ollikel,  (die  an  der  Oberfläche  der 
Schleimhaut  etwas  hervorragten  und  das  facettierte  Aussehen  der- 
selben bedingten)  und  kleinzellige  Infiltration  in  der  Muscularis  — 
also  das  Bild  eines  chronischen  Katarrhs  ohne  Verschwärung.  Wir 
können  uns  den  Fall,  der  eine  interessante  Bereicherung  der  Kasuistik 
über  die  chirurgische  Behandlung  der  chronischen  Unterleibskolik 
bildet,  nicht  anders  erklären,  als  dass  der  durch  die  habituelle  Obstir- 
pation  unterhaltene  leichte  Dickdarmkatarrh  auf  die  Mucosa  des 
Proc.  vermif.  übergreifend  durch  Schwellung  der  letzteren  die  Ein- 
mündung des  Appendix  verengerte  und  damit  zu  energischeren 
peristaltischen  Bewegungen  Anlass  gab,  die  einesteils  die  Schmerz- 
anfälle, andernteils  die  Hypertrophie  der  Muskulatur  zur  Folge 
hatten.  Die  Ki’aft  der  Muskulatur  muss  immer  zur  Ueberwindung 
des  Widerstandes  ausgereicht  haben,  da  es  zu  einer  Dilatation  des 
Proc.  vermif.  nicht  gekommen  war;  weiters  war  die  Entzündung 
nie  an  Intensität  so  weit  gekommen,  dass  sie  zu  Verschwärungen 
geführt  hätte  und  war  auch,  was  Extensität  anbelangt,  nie  so  weit 
gediehen,  dass  die  Serosa  mitbeteiligt  gewesen  wäre.  Es  ist  daher 
der  Prozess  als  chronische,  ausserordentlich  langsam  verlaufende 
Entzündung  des  Proc.  vermif.  zu  bezeichnen  und  als  solche  der 
wohlbekannten  akuten  und  subakuten  Appendicitis  an  die  Seite 
zu  stellen. 

Es  war  mir  nicht  möglich  in  der  mir  zugänglichen  Litteratur 
einen  Fall  beschrieben  zu  finden,  der  dem  eben  geschilderten  nur 
ähnlich  wäre. 


Ueber  primäre  Tuberkulose  der 
Thränendrüse 


von 

Dr.  Leopold  Müller, 

Assistenten  an  Prof.  Fuclis’s  Augenklinik. 

(Mit  zwei  Holzschnitten.) 

Eine  vollständige  Abhandlung  über  die  in  Rede  stehende 
Erkrankung  würde  eine  Berücksichtigung  der  Histologie  und  Topo- 
graphie der  Thränendrüse , sowie  namentlich  ihres  Verhaltens 
anderen  Erkrankungen  gegenüber  erfordern.  Doch  kann  dies  nicht 
Gegenstand  dieses  kurzen  Aufsatzes  sein;  ich  will  \delmehr  nur 
einige  anatomische  Angaben  vorausschicken,  welche  unsere  Drüse 
gegenüber  den  Speicheldrüsen  charakterisieren,  denen  sie  im  all- 
gemeinen sehr  nahe  steht. 

Gleich  der  Parotis  gehört  die  Thränendrüse  zu  den  sogenannten 
serösen  Drüsen  und  unterscheidet  sich  von  den  anderen  Speichel- 
drüsen' hauptsächlich  dadurch,  dass  sie  ein  granuliertes  Epithel 
besitzt.  Nach  längerer  Sekretion  erleidet  dieses  genau  wie  in  der 
Parotis  gewisse  Veränderungen.  Es  wird  viel  körniger  und  viel 
trüber,  die  Zellgrenzen  undeutlich.  Während  in  der  Thränendrüse 
die  Epithelzellen  sehr  hoch,  also  prismatisch  sind,  sind  in  der 
Parotis  mehr  würfelförmige  Epithelien  vorhanden. 

Ich  möchte  hier  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  die  Lymphom- 
bildung, welche  in  akuter  Weise  die  Parotis  befällt,  und  die  wir 
als  Mumps  bezeichnen,  ziemlich  häufig  auch  in  der  Thränendrüse 
ihren  Sitz  aufschlägt.  (Fälle  von  Berlin,  Hirschberg,  Fuchs  etc.) 
Mag  die  Ursache  nicht  in  den  übereinstimmenden  histologischen 
Verhältnissen  beider  Drüsen  gelegen  sein? 

Die  Membrana  propria,  welche  die  Alveolen  der  Thränendrüse 
begrenzt,  ist  mit  sternförmigen  anastomosierenden  Verdickungen 
versehen,  die  eine  Art  Gerüste  darstellen,  dessen  Maschen  von  den 


Uebcr  prinüire  Tnberkub^se  der  Tliränendrüse. 


145 


dünnen  Stellen  der  Membrana  propria  ausgefüllt  sind  (B  o 1 1).  Zwischen 
den  Acinis  findet  sich  ein  Bindegewebe,  welches  aus  frei  gespannten 
Fasern  besteht,  die  gerade  beim  Menschen  eine  ausserordentliche 
Feinheit  der  Verästlung  aufweisen.  Die  Spalträume  zwischen  den 
Fasern  sind  als  Lymphräume  aufzufassen.  Sie  stehen  wohl  wie 
in  den  Speicheldrüsen  mit  Lymphwegen  in  Zusammenhang,  wenn 
sie  auch  (wegen  der  Klappen  in  diesen)  sich  nicht  injicieren  lassen. 

Die  Weite  dieser  Lymphspalten  kann  als  Ursache  dafür  an- 
gesehen werden,  dass  die  Thränendrüse  so  ungemein  selten  Sitz 
einer  tuberkulösen  Erkrankung  ist.  In  der  Litteratur ')  habe  ich 
nur  eine  Angabe  darüber  gefunden. 

Auch  diese  Eigentümlichkeit  teilt  das  in  Rede  stehende  Organ 
mit  den  Speicheldrüsen.  Auch  sie  erkranken  so  selten  an  Tuber- 
kulose, dass  ich  in  den  grössten  Sammelwerken  über  Chirurgie  keinen 
Fall  (abgesehen  von  Lokalisation  miliarer  Tuberkulose  in  den 
Drüsen)  aufgefunden  habe. 

Wenn  ich  zunächst  die  Beschaffenheit  der  Lymphspalten 
heranziehe,  um  das  seltene  Auftreten  der  Erkrankung  zu  erklären, 
so  gehe  ich  von  der  Annahme  aus,  welche  sich  immer  mehr  Bahn 
bricht,  dass  wir  selbst  in  oberflächlich  liegenden  Organen,  ja  selbst 
in  der  Haut  die  Tuberkulose  nicht  als  Impftuberkulose  aufzufassen 
berechtigt  sind,  vielmehr  fast  in  der  Regel  die  Einwanderung  der 
Bacillen  auf  dem  Wege  der  Lymphe  (von  tuberkulösen  Lymph- 
drüsen  aus?)  erfolgt. 

Diese  Annahme  macht  es  auch  überflüssig,  auf  die  Beschaffen- 
heit der  Thränen  (in  analoger  AVeise  auf  das  Sekret  der  Speichel- 
drüsen) zu  rekurrieren,  um  die  Seltenheit  unserer  Erkrankung  zu 
erklären.  Dass  die  Lebensenergie  der  Bacillen  durch  die  Thränen 
herabgesetzt  werde,  ist  zwar  behauptet  worden,  scheint  mir  aber 
mit  Rücksicht  auf  die  chemische  Beschaffenheit  derselben  (es  ist 
eine  fast  reine  Lösung  von  Chlornati’ium)  unwahrscheinlich.  Für 
den  Speichel  mögen  die  Verhältnisse  anders  liegen  und  es  bedürfte 
erst  einer  Reihe  von  Versuchen,  um  namentlich  die  AVirkung  des- 
Ptyalins  in  dieser  Richtung  festzustellen. 

Meine  eigenen  Beobachtungen  erstrecken  sich  auf  zwei  Fälle, 
welche,  obwohl  sie,  wie  ich  nochmals  betone,  die  einzigen  bis 
nun  beobachteten  sind,  uns  doch  gestatten  werden,  mit  Rück- 
sicht auf  ihre  Uebereinstimmimg,  das  dem  Prozesse  entsprechende 

’)  Gonelhi  stellte  auf  «lern  Okulistencon<iresse  zu  ]^eapel  iin  September  18SS 
einen  Patienten  niit  Tuberkulose  der  Tliränendrüse  vor.  Ob  die  Diafrnose  durch 
bacillenbefund  oder  Impfuuir  oder  scdbst  nur  durch  die  histolo.irische  Ibiter- 
sui-huiiü:  erhärtet  wurde,  ist  mir  nicht  bekannt  geworden. 


10 


146 


Leopold  Müller. 


klinische  Krankheitsbild  zu  entwerfen.  Icli  verdanke  beide  der 
Güte  des  Herrn  Professors  Fuchs,  und  sage  ihm  an  dieser  Stelle 
meinen  besten  Dank, 

Fall  I,  Marie  P.,  14  Jahre  alt.  Vor  4 Jahren  begann  die 
Erkrankung  im  rechten  Auge, 

Status  präsens : Die  Haut  des  rechten  oberen  Lides  gerötet, 
glatt,  glänzend,  die  äussere  Hälfte  desselben  geschwollen.  Die 
Konjunktiva  aussen  oben  ungleichmässig  höckerig,  stark  gerötet, 
in  den  Falten  zwischen  den  einzelnen  Höckern  mehr  weisslich. 
In  der  inneren  Hälfte  des  Lides  findet  sich  nur  papilläre  Hyper- 
trophie der  Schleimhaut.  Die  Hornhaut  von  einem  Pannus  über- 
zogen. Die  Lidschwellung  ist  durch  einen  harten,  nach  hinten 
sich  fortsetzenden  Tumor  bedingt.  Es  wird  eine  Excision  der 
Geschwulst  von  der  Konjuncti valfläche  her  vorgenommen. 

Die  weitere  Krankengeschichte  ergibt,  dass  einen  Monat 
nach  der  Excision  eine  Recidivgeschwulst  in  dem  zurückgelassenen 
Stücke  der  Thränendrüse  aufgetreten  war,  die  sich  recht  hart  an- 
fühlte und  deutlich  lappigen  Bau  zeigte.  Es  wurde  eine  neuerliche 
Operation  vorgenommen,  doch  wurde  das  exstirpierte  Stück  nicht 
konserviert. 

Das  zuerst  ausgeschnittene  Stück  ist  deutlich  aus  einzelnen  makro- 
skopisch sehr  gut  erkennbaren  Läppchen  zusammengesetzt.  Diese 

Läppchen  gehören  der  Thrä- 


nendrüse an.  Sie  zeigen  mi- 
kroskopisch einerseits  nur 
sehr  geringfügige  Verände- 
rungen, namentlich  sehr 
mässig  ausgebildete  klein- 
zellige Infiltration,  anderer- 
seits sind  aber  Drüsenläpp- 
chen zum  Teile  oder  gänz- 
lich durch  typisches,  tuber- 
kulöses Granulationsgewebe 
ersetzt , welches  dieselben 
Inseln  bildet,  wie  es  die 
x4cini  selbst  auf  dem  Quer- 
schnitte thun.  (Fig.  1, 0.) 
Das  tuberkulöse  Gewebe  ist 
eben  inselweise  von  einer 


Fig.  1.  (Reichert  Obj.  4,  Oc.  2.)  a tul)erkulöseö, 
b normales  Drüsenläppcheii,  c ein  zum  Teil 
erkranktes  Läppchen. 


Kapsel  umgeben , welche  das  nicht  inficierte , interacinöse  Binde- 
gewebe ist.  Typisch  ist  das  tuberkulöse  Gewebe  insoferne,  als  es  alle 
Elemente  dieser  Bildung  aufweist,  neben  sehr  zahlreichen  Rund- 


Ueber  primäre  Tuberkulose  der  Thränendrüse. 


147 


zellen  epitheloide  Zellen  und  einzelne  Riesenzellen.  Letztere  in 
spärlicher  Zahl  und  in  relativ  kleiner  Ausbildung,  8 — 10  typisch 
gestellte  Kerne  enthaltend.  Tuberkelbacillen  fand  ich  in  sehr  grosser 
Zahl  in  allen  Präparaten,  wo  ich  danach  suchte.  Ueber  die  Färbung 
derselben  will  ich  beim  nächsten  Fall  einige  Worte  mitteilen. 

Andere  Schnitte  waren  notwendig,  um  namentlich  das  Ver- 
halten der  zum  Teile  mit  ausgeschnittenen  Konjunctiva  zur  An- 
schauung zu  bringen.  Es  wurden  zu  diesem  Zwecke  Schnitte  in 
verschiedener  Richtung  und  aus  verschiedenen  Teilen  der  Geschwulst 
gemacht,  welche  bewiesen,  dass  die  Tuberkulose  der  Drüse  den 
primären  Prozess  darstellt,  während  die  Konjunctiva  nur  sekundär 
und  dabei  mit  Rücksicht  auf  die  Dauer  der  Krankheit  nur  ge- 
ringfügig verändert  erschien.  Namentlich  zeigte  sich  nirgends  ein 
Geschwür  der  Konjunctiva,  vielmehr  war  das  Epithel  überall  in- 
takt. Die  Papillen  waren  allerdings  sehr  hypertrophiert , so  dass 
Epithelzapfen  da  und  dort  weit  in  das  Gewebe  hineinreichten. 

Fall  II.  Anton  K. , 40  Jahre  alt.  Anamnestisch  ist  nichts 
zu  erheben.  Es  ist  kein  Allgemeinleiden  vorausgegangen. 

St.  pr.  Im  linken  oberen  Lid  findet  sich  ganz  am  äussersten  Ende 
eine  etwa  haselnussgrosse,  hart  anzufühlende  Geschwulst,  die  ziem- 
lich tief  hegt  und  deren  Zusammen- 
hang mit  dem  Tarsus  nicht  sicher 
zu  stellen  ist.  Die  Geschwulst  wird 
exstirpiert.  Wie  im  ersten  Falle  er- 
gibt sich  auch  hier  aus  der  weiteren 
Krankengeschichte  ein  Recidiv  in 
dem  zurückgelassenen  Drüsengewebe. 

Auch  hach  der  Herausnahme  erwies 
sich  die  Geschwulst  als  fast  knorpel- 
hart. 

Die  mikroskopische  Untersuch- 
ung derselben  (nach  Härtung  in 
Müller’scher  Flüssigkeit)  ergibt  auf 
Schnitten,  die  durch  die  Mitte  s'ehen, 

0 7 ^ ^ 

folgendes  (Fig.  2) : Das  Schnittprä-  2.  (Reicbert  Obj.  5 Oc.  a.) 

parat  stellt  eine  grosse  Zahl  von  n,  a Acini;  e epitheloide  Zellen: 
Querschnitten  von  Läppchen  dar,  Nekrose  des  tuberkul.  Gewebes; 
welche  zum  Teile  nur  aus  typischen  Riesenzelle;  k Drüsenkapsel. 

miliaren  Tuberkeln,  zum  Teile  aus  sogenanntem  infiltriertem 
tuberkulösem  Gewebe  bestehen,  andererseits  aber  namentlich  in 
den  dem  Rande  näher  gelegenen  Läppchen  deutliche  Reste  von 
y Querschnitten  von  Drüsenacinis  darstellen;  ja  selbst  vollständig 


148 


Leopold  Müller. 


normale  Acini  mit  wolilerhaltenem  Epithel  und  ebensolcher  Mem- 
brana propria  finden  sich,  allerdings  weit  auseinander  gedrängt 
durch  tuberkulöses  Gewebe. 

Am  interessantesten  sind  wohl  jene  Querschnitte  von  Drüsen- 
gängen, welche,  ohne  vollständig  zu  Grunde  gegangen  zu  sein,  von 
Rundzellen  durchwuchert  sind.  An  denselben  sieht  man  noch 
ein  deutliches  Lumen,  dagegen  sind  in  den  Epithelzellen  (und 
hauptsächlich  in  der  Nähe  der  Kerne  derselben)  zahlreiche  Rund- 
zellen, die  namentlich  auch  die  Membrana  propria  vollständig 
decken.  Selten  sind  im  Lumen  selbst,  so  lange  dieses  überhaupt  zu 
erkennen  ist,  Lymphzellen  aufzufinden. 

Wie  ich  schon  oben  gesagt,  finden  sich  neben  infiltrierter 
Tuberkulose,  die  auf  weite  Stellen  hin  bereits  vollständige  oder 
teilweise  Nekrose  zeigt,  typische,  gefässlose,  miliare  Tuberkel. 
Einzelne  davon  enthalten  3 — 4 grosse  Riesenzellen  von  einer  Schärfe 
des  Contours  und  einer  Regelmässigkeit  der  Anordnung  der  Kerne, 
wie  ich  es  nie  zu  sehen  Gelegenheit  hatte  ^). 

Die  Drüsenausführungsgänge  (dies  gilt  auch  für  den  früheren 
Fall)  zeigten  fast  gar  keine  pathologische  Veränderung.  | 

Ich  fand  sowohl  in  den  Riesenzellen  als  im  tuberkulösen  j 

Gewebe,  wenn  auch  in  spärlicher  Zahl,  Tuberkelbacillen.  Dies  | 

ist  um  so  bedeutsamer,  als  das  Präparat  elf  Jahre  in  Müller  scher  j 
Flüssigkeit  gelegen  hatte.  Mit  Rücksicht  darauf  war  allerdings  die 
Färbung  eine  schwierige.  Ich  habe  Schnitte  aus  freier  Hand 
(ohne  Celloidin -Einbettung)  hiezu  benützt  und  sie  mit  Krystall-  | 
violett  nach  der  Methode  von  Bizzozero  gefärbt.  i 

Um  noch  einmal  das  klinische  Bild  zu  fixieren,  möchte  ich 
wiederholen,  dass  wir  in  jenen  Fällen,  wo  wir  einen  sehr  harten  | 
Tumor  in  der  äusseren  Hälfte  des  oberen  Lides  finden,  der  in 
die  Tiefe  greift,  bei  einem  Individuum,  das  eine  Disposition  zu 
Tuberkulose  besitzt,  an  Thränendrüsentuberkulose  denken  müssen. 

Die  Härte  erklärt  sich  wohl  aus  dem  Eingeschlossensein  der  tuber- 
kulösen Massen  in  den  vorhandenen  bindegewebigen  Kapseln 
der  Acini. 

Wenn  ich  die  Therapie  mit  wenigen  Worten  berühren  darf,  , 
möchte  ich  hervorheben,  dass  in  beiden  Fällen  ein  Recidiv  in  i 
den  zurückgebliebenen  Teilen  der  Drüsen  aufgetreten  ist.  Da  aber  i 
die  Entfernung  der  Thränendrüse  für  die  Funktion  des  Auges  fast  I 


')  Einzelne  Bilder  legen  die  Vermutung  nahe,  dass  die  Riesenzellen  aus 
Drüsengängen  entstanden  sind , welchem  Umstande  sie  ^delleicht  ihre  auffallend 
.schöne  Entwickelung  verdanken. 


lieber  primäre  Tuberkulose  der  Thränendrüse. 


149 


vollständig  ohne  jede  üble  Folge  ist,  so  scheint  es  mir  ratsam,  in 
einem  ähnlichen  Falle  gleich  die  ganze  Drüse  zu  entfernen. 

Anmerkung.  Die  Entfernung  der  Konjunctiva  muss  allerdings  sehr 
sparsam  vorgenommen  werden , da  grössere  Defekte  in  derselben  zu  Beweglicb- 
keitseinscbränkung  und  anderen  Störungen  des  Auges  führen.  Ich  habe  deshalb 
in  der  letzten  Zeit  in  zwei  Fällen  versucht , und  es  ist  mir  dies  auch  vollständig 
gelungen,  tuberkulöse  Konjunktivitis  durch  Massage  mit  107o  Jodoformsalbe  (das 
Jodoform  als  Mittel  gegen  Tuberkulose  in  Anwendung  gebracht  zu  haben,  ist  ein 
Verdienst  Billroths),  die  in  den  Konjunctivalsack  eingebracht  wird,  teils  zur 
Norm  zurück  zu  führen,  teils  durch  dünne,  zarte,  ganz  oberflächliche  Narben- 
bildung zur  Ausheilung  zu  bringen.  Eine  Patientin  mit  Tuberkulose  der  Kon- 
junktiva  beider  Lider  und  Uebergangsf alten  Avurde  in  16  AVochen  geheilt,  ein 
Patient  mit  Lupus  der  Konjunctiva  der  Lider  in  9 AVochen.  Namentlich  bei  der 
Patientin  sieht  die  Konjunctiva  derzeit  zum  grössten  Teile  normal,  durchaus 
nicht  narbig  aus,  trotzdem  aus  entsprechenden  Stellen  herausgenommene  Stück- 
chen unter  dem  Alikroskop  sich  deutlich  als  tuberkulös  erwiesen. 

Zum  Schlüsse  sei  mir  gestattet,  einiger  Versuche  zu  eiwähnen, 
die  ich  an  Kaninchen  angestellt  habe,  um  Tuberkulose  der  Thränen- 
drüse zu  erzeugen  und  das  Fortwachsen  derselben  innerhalb  der 
Lumina  der  Drüsengänge  zu  A'erfolgen.  Im  ganzen  habe  ich  sechs 
Kaninchen  geimpft  und  zwar  mit  tuberkulösen  Massen  aus  Perl- 
knoten  des  Rindes.  Jedesmal  kam  es  zu  ausgedehnten  Geschwüren, 
noch  ehe  in  der  Drüse  Veränderungen  auf  getreten  waren.  Dies 
liegt  daran,  dass  die  Thränendrüse  der  Kaninchen  so  klein  ist, 
dass  eine  regelrechte  Impfung  in  sie  nicht  möglich  ist.  Bei  diesen 
Tieren  ist  eben  die  Hardersche  Drüse  mächtig  entwickelt.  Um 
solche  Versuche  mit  Erfolg  ausführen  zu  können,  müsste  man,  glaul^e 
ich,  Huftiere  benützen,  an  welchen  zu  experimentieren  ich  nicht 
in  der  Lage  war. 


Beitrag  zur  Erklärung  des  Herztodes 
nach  Exstirpation  des  Larynx. 

Experimentelle  Untersiicliuugeii, 

auHgefülirt  im  Laboratorium  des  Prof.  v.  Basel) 

von 

I)r,  Micliael  (xrossmaim 

Docent  an  der  Wiener  Universität. 

Xlit  0 Holzschnitten. 

Nach  der  Totalexstirpation,  ja  selbst  schon  nach  der  parti- 
ellen Resektion  des  Kehlkopfes,  hat  man  zuweilen  einen  eigen- 
tümlichen Herzzustand  beobachtet,  der  sich  etwa  am  zweiten,  in 
der  Regel  aber  erst  am  vierten  bis  fünften  Tage  entwickelt. 

Nach  einem  ganz  normalen  fieberlosen,  und  nach  jeder  Rich- 
tung befriedigenden  Wundverlauf,  oft  nachdem  die  Kranken  bereits 
mit  Appetit  Nahrung  zu  sich  genommen,  einige  Nächte  hindurch 
ruhig  geschlafen  hatten,  ja  in  einzelnen  Fällen,  als  sie  bereits  den 
Wunsch  äusserten,  das  Bett  zu  verlassen,  tritt  ganz  unvermittelt, 
ohne  nachweisbare  Veranlassung,  entweder  eine  rapid  zunehmende 
hochgradige  Pulsbeschleunigung  oder  in  anderen  Fällen  eine  Puls- 
verlangsamung auf,  welche  zum  letalen  Ende  führt. 

Dieser  Herzzustand  bildet  zweifellos  eines  der  gefahrvollsten 
Ereignisse,  welche  nach  der  Larynxexstirpation  auftreten  können. 

In  den  hierher  gehörigen  Abhandlungen  und  statistischen 
Berichten  ist  von  dieser  Thatsache  allerdings  nicht  viel  zu  lesen, 
und  man  müsste  annehmen,  dass  sie  entweder  noch  nicht  allge- 
mein bekannt  ist,  oder  dass  die  Erscheinungen,  von  denen  hier 
die  Rede  ist,  anders  gedeutet  wurden.  In  einer  ansehnlichen 
Reihe  von  Fällen  wird  als  Ursache  des  am  zweiten  bis  fünften 
Tage  nach  der  Operation  aufgetretenen  Todes  Collaps  oder  Er- 
schöpfung angegeben,  und  wir  dürften  kaum  fehlgehen,  wenn  wir 


Beitrag  zur  Erklilrung  des  Herztodes  nach  Exstirpation  des  Laryixx. 


151 


aimelimen,  dass  es  sich  in  der  Mehrzahl  dieser  Fälle  wohl  um 
den  erwähnten  Herztod  nach  Exstirpation  des  Larynx  handelte. 

Der  geschilderte  Verlauf  ist  auch  als  Shockwirkung  aufge- 
fasst worden;  es  bedarf  jedoch  kaum  einer  eingehenderen  Erörte- 
rung, dass  bei  einem  Zustande,  bei  dem  sich  der  Kranke  4 bis 
5 Tage  relativ  wohl  und  kräftig  fühlt,  und  erst  nach  dieser  ge- 
raumen Zeit  ganz  unerwartet  unter  der  Erscheinung  von  Herz- 
lähmung zu  Grunde  geht,  von  Shock  nicht  die  Rede  sein  kann. 

Ueber  den  ursächlichen  Zusammenhang  zwischen  der  Kehl- 
kopfexstirpation und  dem  darauffolgenden  Herztode  sind  bisher 
nur  vage  Vermutungen  angestellt  worden;  eine  befriedigende  Auf- 
klärung ist  bis  zur  Stunde  nicht  geboten  worden. 

So  hat  Stork  die  Hypothese  aufgestellt,  dass  in  einzelnen 
Fällen  durch  den  operativen  Eingriff  gewisse,  ganz  abnorm  ver- 
laufende de])rt*ssorische  Nerven  durchschnitten  werden,  und  dass 
auf  diese  Weise  die  antagonistisch  wirkenden  Nn.  accelerantes  das 
Uebergewicht  erlangen. 

Sein  Schüler  Alpiger-)  hatte  nun  eine  Reihe  anatomischer 
Untersuchungen  über  Vagus-  und  Sympathicusfasern  im  Gebiete 
des  Kehlkopfes  unternommen,  um  auf  diesem  Wege  die  Berechti- 
gung der  Hypothese  Storks  zu  prüfen  und  wenn  möglich  zu 
schützen. 

Bei  diesen  Untersuchungen  ergab  sich,  dass  der  N.  cardiacus 
sup.  Sympathici  thatsächlich,  wie  dies  ja  schon  den  älteren  Ana- 
tomen bekannt  war,  einen  verschiedenen  Ursprung  hat  und  seine 
Wurzelfasern  zuweilen  auch  aus  dem  Ramus  externus  des  N.  laryn- 
geus  Superior  empfängt.  Unter  solchen  Umständen  kann  dieser, 
dem  Operationsgebiete  sonst,  bei  normalen  anatomischen  Verhält- 
nissen, entfernter  gelegene  Nerv  nicht  leicht  verschont  werden, 
und  seine  Durchschneidung  soll  jene  Störung  in  der  Innervation 
des  Herzens  herbeiführen,  wie  sie  nach  der  Kehlkopf exstirpation 
beobachtet  wird. 

Für  die  in  Rede  stehende  Erscheinung  bietet  uns  aber  weder 
die  Hypothese  Störks,  noch  die  von  Alpiger  gefundenen  ana- 
tomischen Varietäten  im  Ursprünge  und  Verlaufe  des  N.  cardiacus 
sup.  Sympathici  eine  annehmbare  Aufklärung. 

Zunächst  muss  daran  erinnert  werden,  dass  die  depressorischen 
Nerven  ebenso  wie  die  pressorischen  centripetal  leitende  Nerven 
sind  und  das  vasomotorische  Centrum  in  dem  einen  oder  anderen 

')  Stork:  Zur  ErkUlrunji'  des  Shock  nach  der  Larynxexstirpation.  Wiener 
niediz.  Wochenschr.  1888. 

Alpiger,  Langenhecks  Archiv  B.  XL  Heft  4. 


152 


Michael  Grossmanii. 


Sinne  zu  erregen  haben.  Die  Funktion  des  Herzens  wird  hiebei 
nur  mittelbar  und  erst  in  zweiter  Linie  beeinflusst. 

Wollten  wir  aber  auch  annehmen,  dass  bei  der  Larynxexstir- 
pation  ein  reiner  Herzhemmungsnerv  durchschnitten  werde,  so 
müsste  noch  der  experimentelle  physiologische  Beweis  erbracht 
werden,  dass  schon  durch  die  A^erletzung  eines  abnorm  entspringen- 
den und  abnorm  verlaufenden  N.  cardiacus  das  Gleichgewicht  in 
der  Regulierung  der  Herzthätigkeit  — trotz  intaktem  Vagus  — in 
so  ernster  Weise  gestört  wird,  dass  sich  ein  Zustand  entwickelt, 
wie  wh  ihn  nach  der  Exstirpation  des  Larynx  kennen  gelernt  haben. 

Es  müsste  aber  auch  nachgewiesen  werden,  dass  auch  schon 
die  einseitige  Resektion  dieses  Nerven,  also  auch  dann,  wenn  auf 
der  anderen  Seite  derselbe  Hemmungsnerv  noch  unversehrt  er- 
halten bleibt,  dieselbe  hochgradige  Störung  im  Herzrhythmus  zur 
Folge  hat. 

Gelänge  es  aber  auch  diesen  Beweis  in  unwiderleglicher  Weise 
zu  erbringen,  dann  müsste  man  uns  noch  ferner  das  Problem 
lösen,  wie  es  denn  kommt,  dass  die  Durchschneidung  dieses  Herz- 
hemmungsnerven zuweilen  statt  zu  einer  PulslDeschleunigung,  zu 
einer  bedenklichen  Puls  Verlangsamung  führt.  — 

Das  schwerwiegendste  Bedenken  gegen  die  Störksche  Hypo- 
these liegt  aber  zweifellos  in  dem  Umstande,  dass  der  Effekt  der 
Durchschneidung  nicht  sofort  auftritt,  wie  dies  ja  nach  Unter- 
brechung von  einer  Nervenleitung  sonst  geschieht,  sondern  immer 
erst  nach  Verlauf  von  mehreren  Tagen. 

Dieses  verspätete  Auftreten  der  Folgezustände  macht  schon 
an  und  für  sich  die  Annahme  von  vorneherein  nicht  recht  zulässig, 
dass  es  sich  in  diesen  Fällen  um  den  Effekt  der  Durchschneidung 
bestimmter  Nerven  handle,  welche  regulierend  auf  den  Nerven- 
rhythmus  oder  auf  die  Thätigkeit  des  Herzens  im  allgemeinen  ein- 
wirken. Die  beschriebenen  Erscheinungen  müssten  ja  sonst,  wie 
ich  nochmals  wiederholen  muss , schon  während  der  Operation 
auftauchen.  Nachdem  aber  die  Kranken  erfahrungsgemäss  un- 
mittelbar nach  dem  operativen  Eingriffe  und  selbst  noch  tagelang 
sich  verhältnismässig  wohl  fühlen,  so  liegt  wohl  der  Gedanke 
nahe,  dass  die  bedingende  Ursache  der  später  ganz  unverhofft 
auftretenden  Herzkomplikation  in  Prozessen  zu  suchen  sei,  welche 
sich  erst  im  Wund  verlaufe  entwickeln. 


Da  mit  der  Exstirpation  des  Larynx  die  den  Kehlkopf  inner- 
vierenden Nerven  durchschnitten  werden,  deren  centrale  Stümpfe 


Heitruj'  zur  Erklärung  des  Herztodes  nach  Exstirpation  des  liUrynx.  153 

sodann  often  in  der  Wunde  liegen,  so  war  zunächst  daran  zu 
denken,  dass  eine  Reizung  dieser  centralen  Stümpfe,  sei  es  durch 
Substanzen,  die  behufs  der  Antiseptik  in  die  offenen  Wunden  ein- 
geführt werden,  sei  es  infolge  anderweitiger  etwa  entzündlicher 
Reize  (Neuritis)  Bedingungen  geschaffen  werden,  durch  welche 
entweder  mittelbar  auf  dem  Wege  des  Reflexes  oder  auf  irgend 
einem  anderen  direkten  Wege  Einflüsse  zum  Herzen  gelangen, 
welche  schädigend  auf  dasselbe  einwirken. 

1 An  diese  Erwägung  anknüpfend  haben  wir  durch  Experi- 
mente, die  an  Hunden  vorgenommen  wurden,  geprüft:  welchen 
Einfluss  die  centrale  Reizung  der  Nn.  laryngei  superiores  et  in- 
feriores auf  das  Herz,  resp.  auf  den  Kreislauf  ausüben. 

Nachdem  es  sich  bei  diesen  Untersuchungen  darum  handelte, 
den  Einfluss  der  centralen  Reizung  der  Kehlkopfnerven  auf  das 
Herz  und  das  Gefässsystem  zu  prüfen,  so  haben  wir,  wie  es  bei 
allen  ähnlichen  Versuchen  geschieht,  die  Tiere  curarisiert.  Hie- 
durch haben  wir  alle  anderen  Nebenerscheinungen,  wie  Reflexe 
auf  die  willkürliche  Muskulatur,  namentlich  aber  auf  das  Zwerch- 
fell und  die  übrigen  Atmungsmuskeln  ausgeschaltet. 

I.  Versuchsreihe. 

Arteriendruck  und  Pulsfrequenz  bei  centraler  Reizung  der  oberen  und  unteren 

Kehlkopfnerven. 

Bei  diesen  Versuchen  konnten  wir  uns  zunächst  überzeugen, 
dass  die  beiderseitige  Durchschneidung  der  oberen  und  unteren 
Kehlkopfnerven  den  Arteriendruck  und  die  Pulsfrequenz  in  keiner 
Weise  ändert;  aber  auch  die  centrale  Reizung  der  Nn.  laryngei 
inferiores  ist  nur  von  einer  ganz  unerheblichen  Steigerung  des 
arteriellen  Blutdruckes  begleitet. 

Auf  Grund  dieser  Erfahrung,  welche  im  allgemeinen  darthat, 
dass  die  centrale  Reizung  der  Nn.  recurrentes  keinen  besonderen 
Eingriff  in  die  Kreislaufsvorgänge  bedeutet,  haben  wir  uns  mit 
dieser  minimalen  und  überdies  durchaus  nicht  konstanten  Wirkung 
gar  nicht  weiter  mehr  beschäftigt. 

Von  weit  grösserem  Effekte  ist  die  centrale  Reizung  der  Nn. 
laryngei  superiores  begleitet. 

Nach  Präparation  und  sorgfältiger  Isolierung  dieses  Nerven 
I wurde  derselbe  knapp  vor  seinem  Eintritte  in  den  Kehlkopf  unter- 
\ bunden  oder  peripher  durchschnitten. 

I Bei  Reizung  derselben  steigt  der  arterielle  Blutdruck  und 

i zwar  ziemlich  beträchtlich. 

’ Eine  Illustration  dieses  Vorganges  giebt  uns  die  Eig.  1. 


154 


Michael  Grossiiiann. 


Aus  dieser  Kurve  ersieht  man,  dass  während  der  Reizung 
zugleich  mit  der  Steigerung  des  Blutdruckes  der  Puls  erheblich 
vei’langsamt  wird. 

Wir  mussten  uns  nun  zunächst  darüber  klar  werden,  ob  diese 
Pulsverlangsamung  eine  direkte  Folge  der  centralen  Reizung  des 
N.  laryngeus  sup.  sei,  oder  ob  nicht  bei  der  Reizung  dieses  Nerven 
auch  der  in  der  Nachbarschaft  sich  befindliche  N.  vagus,  sei  es 


lüg.  1. 


A.  carotis. 


Iw 


ßcizunffsdau  er 

zo  To 


“1 

0 


Blutdrucksteigerung  und  Pulsverlangsainung  bei  Reizung  des 
N.  laryngeus  superior.  Beide  Vagi  erhalten. 

Sämtliche  Figuren  sind  von  rechts  nach  links  zu  lesen. 


auf  dem  Wege  von  Stromschleifen,  sei  es  infolge  von  unipolarer 
Ausstrahlung  des  Stromes  mitgereizt  wird. 

Zur  Entscheidung  dieser  Frage  haben  wir  Kontrollversuche 
in  der  Weise  angestellt,  dass  wir  den  präparierten  und  peripher 
vor  seinem  Eintritte  in  den  Kehlkopf  unterbundenen  oder  durch- 
schnittenen N.  laryngeus  superior  mit  einem  nassen  Faden  noch 
einmal  centralwärts  unterbunden  haben.  Die  darauffolgende 
Reizung  zeigte,  dass  trotz  der  Unterbrechung  durch  den  nassen 
Pfaden  die  Pulsverlangsamung  nach  wie  vor  ehitrat. 

Wir  haben  ferner  die  Reizung  auch  mit  einer  Elektrode  vor- 
genomraen,  die  von  Hering  eigens  zu  dem  Zwecke  der  isolierten 


Beitrag  zur  Erklärung  des  Herztodes  nach  Exstirpation  des  Larynx.  loo 

Reizung  eines  Nervenstückes  unter  Ausschaltung  von  Stromschleifen 
und  unipolaren  Wirkungen  konstruiert  wurde  ^). 

Bei  Anwendung  dieser  Elektroden  ist  die  erwähnte  Pulsver- 
langsamung nicht  eingetreten.  Diese  blieb  auch  dann  aus,  wenn 
wir  mit  schwachen  Strömen  reizten,  oder  wenn  wir  grössere  Tiere 
verwendeten,  wo  das  isolierte  Nervenstück  relativ  länger  und  dicker 
war,  als  bei  kleineren. 

Es  war  also  zweifellos  erwiesen,  dass  die  Pulsverlangsamung 
bei  centraler  Reizung  des  N.  laryngeus  sup.  durch  Mitreizung  des 
N.  vagus  bedingt  ist. 

Ausser  dieser  Pulsverlangsamung,  welche  sofort  mit  der 
centralen  Reizung  des  oberen  Kehlkopfnerven  beginnt,  beobachtet 
man  selbst  in  jenen  Fällen,  wo  unter  Berücksichtigung  der  ange- 
gebenen Cautelen  zur  Vermeidung  von  Stromschleifen,  gereizt  wird, 
eine  Pulsverlangsamung,  welche  erst  längere  Zeit  nach  der  Reizung 
auftritt  und  in  das  Maximum  der  Blutdrucksteigerung  hineinfällt. 
Diese  Art  der  Pulsverlangsamung  ist  zweifellos  eine  unmittelbare 
Folge  der  Steigerung  des  Blutdruckes  und  ist  ihrer  Entstehung 
nach  jener  Pulsverlangsamung  an  die  Seite  zu  stellen,  welche  be- 
kanntlich selbst  nach  peripherer  Reizung  des  N.  splanchnicus  ein- 
tritt.  Allerdings  lässt  sich  von  vorneherein  nicht  in  Abrede  stellen, 
dass  nicht  bloss  die  Blutdrucksteigerung  als  solche,  indem  sie  zu 
einer  Steigerung  des  Gehirndrucks  und  infolgedessen  zu  einer 
Reizung  des  Vaguscentrums  führt,  die  Pulsverlangsamung  veran- 
lasst, sondern  es  ist  auch  möglich,  dass  die  Vaguscentren  bei 
Reizung  der  Nn.  laryngei  superiores  direkt  reflektorisch  erregt 
werden. 

Nach  der  Reizung  tritt  in  der  Regel  eine  Pulsbeschleunigung 
auf,  welche  auf  die  Minute  berechnet  zwischen  20  bis  45  beträgt. 

Die  eben  erwähnten  Vorgänge,  soweit  sie  das  Verhalten  des 
Pulses  betreffen,  bleiben  aus,  wenn  man  der  Reizung  der  Nn. 
laryngei  superiores  die  Durchschneidung  der  beiden  Vagi  voraus- 
schickt. Die  Steigerung  des  Blutdrucks  aber  wird  dadurch  nicht 
hintangehalten. 

Nachdem  durch  diese  Versuche  festgestellt  wurde,  dass  die 
Reizung  der  Nn.  laryngei  superiores  eine  beträchtliche  Steigerung 
des  arteriellen  Druckes  hervorruft,  musste  nun  eingehender  ge- 

0 Icli  verdankte  die  Kenntnis  dieser  Elektrode,  die  Hering  bei  gegebener 
Gelegenlieit  selbst  beschreiben  wird,  einer  mündlichen  ^litteilung  Dr.  Sachs’ 
Assistenten  an  der  pliys.  Lehrkanzel  in  Prag,  der  auch  die  Freundlichkeit  hatte, 
mit  der  gütigen  Zustimmung  von  Prof.  Hering,  mir  eine  solche  Elektrode  zu- 
zuschicken. 


156 


Michael  Grossmanu. 


prüft  werden,  mit  welchen  weiteren  Vorgängen  im  Kreisläufe  diese 
Blutdrucksteigerung  einhergelit. 

Die  Steigerung  des  Arteriendruckes  an  und  für  sich  belehrt 
uns  nur  darüber,  dass  das  Herz  seinen  Inhalt  unter  grösserem 
Drucke  in  die  Arterien  befördert,  und  man  kann  ohne  weiteres 
für  den  vorliegenden  Fall  annehmen,  dass  infolge  von  Gefäss- 
kontraktion  der  Widerstand  gegen  das  Einströmen  des  Blutes  in 
die  kleinen  Arterien,  in  deren  Gebiet  ja  die  eigenthche  Kontraktion 
stattfindet,  wächst,  und  dass  zugleich  hiemit  Füllung  und  Spannung 
in  den  grossen  Arterien  und  in  dem  linken  Ventrikel  zunimmt. 

Aus  dem  blossen  Verhalten  des  Arteriendruckes  allein  lässt 
sich  aber  nicht  ermessen,  ob  mit  der,  durch  den  wachsenden 
Widerstand  in  der  Gefässbahn  bedingten  höheren  Spannung  des 
linken  Ventrikels  die  Arbeit  des  letzteren  zunimmt,  sich  gleicli 
bleibt  oder  gar  abnimmt. 

Mit  anderen  Worten,  die  Messung  des  Arteriendruckes  allein 
giebt  uns  keinen  Aufschluss  darüber,  ob  die  Blutmengen,  welche 
der  linke  Ventrikel  unter  diesem  höheren  Drucke  in  die  Arterien 
befördert,  die  gleichen  blieben,  wie  früher,  oder  sich  vermehrt  resp. 
vermindert  haben. 

Da  der  linke  Ventrikel  die  Blutmengen,  welche  er  dem 
Arteriensysteme  zuführt,  dem  linken  Vorhofe  entnimmt,  so  muss, 
wenn  sonst  keine  Eingriffe  vorliegen,  die  darauf  schliessen  lassen, 
dass  der  Zufluss  zum  linken  Vorhofe  sich  geändert  hat,  die  Messung 
des  Druckes  in  demselben  uns  im  allgemeinen  darüber  Aufschluss 
geben,  ob  durch  die  veränderte  Arbeit  des  linken  Ventrikels  aus 
dem  linken  Vorhofe  dieselben  Blutquantitäten  entnommen  werden 
oder  nicht. 

t 

Schöpft  nämhch  der  linke  Ventrikel  geringere  Blutmengeu 
aus  dem  linken  Vorhofe,  so  muss  der  Druck  in  letzterem  steigen, 
bei  Entnahme  grösserer  Mengen  muss  er  natürlich  sinken. 

Auf  Grund  dieser  Betrachtung  haben  wir  Versuche  angestellt, 
in  denen  zugleich  mit  dem  Arteriendrucke  auch  der  Druck  im 
linken  Vorhofe  gemessen  wurde. 

II.  Versuchsreihe. 

Druckmessung  in  der  A.  carotis  und  im  linken  Vorhofe  bei  Reizung  der 

Nn.  laryngei  superiores. 

Die  Messung  des  Druckes  im  linken  Vorhofe  wurde  in  der 
Weise  vorgenommen,  dass  durch  die,  aus  dem  untern  Lappen  der 
linken  Lunge  entspringende  und  in  den  linken  Vorhof  einmündende 
Vene,  eine  mit  einem  Obturationsstab  versehene  Canüle,  welche 


Beitrag  zur  Erklärung  des  Herztodes  nach  Exstirpation  des  Larynx.  lo7 

mit  einem  Seitenrohre  ausgestattet  ist,  in  den  linken  Vorhof  ein- 
geführt und  befestigt  wurde.  Dieses  seitliche  Ansatzrohr  wurde 
mit  einem  Sodamanometer  verbunden.  Um  die  während  der  Ver- 
suche entstehende  Blutgerinnung  rasch  zu  beseitigen,  war  zwischen 
dem  erwähnten  Seitenrohre  und  dem  Verbindungsschlauche,  welcher 
zum  Manometer  führte,  eine  mit  einem  Kugelansatze  versehene 
Durchspülcanüle  (C.  Ludwig)  eingeschaltet.  Die  Verbindung 

Eig.  2. 


Heiz  U7t^sf7aii  er 

TfO  30  20  W o 

Blutdruck  in  der  A.  carotis  u.  im  1.  Vorhofo  bei  Beizung  des  N.  laryngeus 
• Superior.  Beide  Vagi  erhalten. 

zwischen  dem  Manometer  und  dem  linken  Vorhofe  wurde  durch 
das  Ilerausziehen  des  Obturationsstabes  aus  der  Canüle  bewerk- 
stelligt. Wenn  sich  aus  der  verzeichneten  Kurve  Anhaltspunkte 
ergaben,  dass  eine  Gerinnung  eingetreten  war,  so  wurde  der 
Obturationsstab  wieder  eingeschoben  und  die  Durchspülung  vor- 
genommen. 

In  allen  Versuchen,  wo  mit  der  Reizung  jene  Pulsverlang- 
samung eintrat,  welche  wir  nach  unserer  obigen  Auseinandersetzung 
auf  eine  Mitreizung  des  Vagus  zu  beziehen  Anlass  hatten,  und  wo 
zugleich  der  arterielle  Blutdruck  sich  erhob,  stieg  auch  u.  z. 
ziemlich  beträchtlich  der  Druck  im  linken  Vorhofe. 


158 


Michael  Grossiuann. 


Dieses  gegenseitige  \"erlialteii  beider  Drücke  ist  durch  Fig.  2 
illustriert. 

In  jenen  Fällen,  wo  die  Isolierung  der  Reizung  des  N. 
laryngeus  superior  vollständig  gelang,  sahen  wir  den  Arteriendruck 
konstant  steigen;  der  Druck  im  linken  Vorhofe  hingegen  zeigte  in 
verschiedenen  Fällen  ein  verschiedenes  Verhalten.  Wir  beobachteten 

Fig.  3. 


Tleiziingsdauer 

J ^ r-=— r : 

fS  w s o 

Blutdruck  in  der  A.  carotis  und  im  1.  Voi'hofe  hei  Beizung  des 
N.  laryngeus  sup.  Beide  Vagi  erhalten.  Pulsverlangsainung 
erst  auf  der  Höhe  des  Blutdruckes. 

zuweilen  ein  mitunter  starkes  Steigen  des  Druckes  im  linken  Vor- 
hofe, was  namentlich  in  jenen  Fällen  zur  Beobachtung  kam,  wo 
erst  auf  der  Höhe  des  Anstieges  des  Arteriendruckes  eine  Puls- 
verlangsamung eintrat. 

Diese  Beobachtung  wird  durch  Fig.  3 illustriert. 

Wir  sahen  aber  auch  in  manchen  Fällen,  dass  trotz  des 
Steigens  des  Arteriendruckes  der  Druck  im  linken  ^"orhofe  sich 
gleich  blieb,  ja  sogar  hie  und  da  etwas  abgesunken  ist. 

Was  bisher  über  das  gegenseitige  Verhalten  des  Arterien- 
druckes und  des  Druckes  im  linken  Vorhofe  gesagt  wurde,  bezieht 
sich  auf  jene  Versuche,  bei  denen  die  Reizung  bei  intakten  Vagis 
vorgenommen  wurde. 


Beitrag  zur  Erklärung  des  Herztodes  nach  Exstirpation  des  Larynx. 


159 


Wenn  jedoch  die  beiden  Vagi  vorher  durchschnitten  wurden, 
so  stieg,  wie  schon  vorhin  erwähnt,  bei  der  Reizung  des  N. 
laryngeus  sup.  der  Arteriendruck,  die  Puls  Verlangsamung  jedoch  blieb 
aus.  Hiebei  verhielt  sich  der  Druck  im  linken  Vorhofe,  wie  in 
jenen  Versuchen,  wo  trotz  der  erhaltenen  Vagi  von  einer  Puls- 
verlangsamung nichts  zu  merken  war,  wo  wir  also  annehmen 
mussten,  dass  bei  der  Reizung  des  N.  laryngeus  superior  keine 
Mitreizung  des  N.  vagus  erfolgte. 


Wenn  wir  nun  an  der  Hand  der  eben  vorgeführten  Er- 
fahrungen die  Frage  aufwerfen,  ob  die  Reizung  der  Nn.  laryngei 
sup.  zu  Kreislaufsänderungen  führe,  welche  insoferne  als  patho- 
logische aufzufassen  wären,  als  sie  Bedingungen  abgeben,  durch 
welche  die  Arbeit  des  Herzens  in  der  Weise  verändert  wird,  dass 
der  Abfluss  des  Blutes  an  irgend  einer  Stelle  des  grossen  Gefäss- 
gebietes  ein  Hindernis  erfährt : so  gelangen  wir  zu  dem  Ergebnisse, 
dass  nur  in  jenen  Versuchen  die  Bedingungen  für  die  Entwicklung 
einer  solchen  Kreislaufsstörung  vorhanden  sind,  wo  mit  dem  Steigen 
des  Arteriendruckes  zugleich  ein  Ansteigen  des  Druckes  im  linken 
Vorhofe  eintrat.  Dieses  Ansteigen  des  Druckes  im  linken  Vor- 
hofe führt  ja,  namentlich  wenn  zugleich  mit  demselben  ein 
Ansteigen  des  Druckes  in  den  Arterien  und,  wie  nicht  anders 
denkbar,  auch  in  der  A.  pulmonalis  einhergeht,  zu  einer  stärkeren 
Füllung  der  Alveolarcapillaren  mit  Blut  und  giebt  dem- 
gemäss die  Entstehungsbedingungen  für  die  Lungen- 
schwellung und  Lungenstarrheit  und  in  weiterer  Folge 
für  das  akute,  allgemeine  Lungeno edem  ab. 

Hiezu  kommt  noch,  dass  die  Herzarbeit  als  solche  in  diesem 
Zustande  als  eine  von  der  normalen  wesentlich  abweichende  be- 
trachtet werden  muss.  Denn  es  steht  der  linke  Ventrikel  unter 
höherer  Spannung  und  seine  Kontraktionen  sind  gleichzeitig,  wie 
der  hohe  Druck  im  linken  ^"orhofe  lehrt,  insufficient.  Es  muss 
aber  auch  die  Spannung  des  rechten  Herzens  deshalb  erhöht  sein, 
weil  der  Druck  im  linken  Vorhofe  erhöht,  mithin  der  Widerstand 
gegen  das  Abströinen  des  Blutes  aus  der  Pulmonalarterie  er- 
höht ist. 

Da,  wo  der  Druck  im  linken  Vorhofe  nach  Reizung  des  N. 
laryngeus  superior  unter  Steigerung  des  Arteriendruckes  nur  wenig 
erhöht  wird,  sind  selbstverständlich  die  eben  auseinandergesetzten 
Folgezustände,  so  w^eit  sie  die  Stauung  in  den  Lungengefässen  und 
die  eigentliche  Herzarbeit  betreffen,  in  geringerem  Grade  entwickelt. 


160 


^Michael  Grossmann. 


In  den  Versuchen  hingegen,  wo  der  Druck  im  linken  Vorhofe  gar 
nicht  steigt  oder  gar  absinkt,  fehlt  jeder  Grund  zur  Annahme  für 
das  Vorhandensein  der  erwähnten  Störungen.  Allerdings  ist  aber 
auch  bei  diesen  letzteren  günstigen  Fällen  zu  berücksichtigen,  dass 
der  linke  Ventrikel  unter  höherer  Spannung  zu  arbeiten  genötigt 
ist,  als  sonst. 


Um  uns  über  die  Lungenzustände  zu  informieren,  welche  bei 
Reizung  der  Nn.  laryngei  superiores  eintreten,  haben  wir  Versuche 
vorgenommen , in  denen  wir  die  Zwerchfellexkursionen,  die  ja 
beim  curarisierten  Tiere  ein  indirektes  Mass  für  die  Ausdehnung 
der  Lunge  abgeben,  gemessen  haben. 

III.  Versuchsreihe. 

Verhalten  des  Ai’teriendruckes  und  der  Zwerchfellexcursionen  bei  Reizung  der 
Nn.  laryngei  superiores.  Beide  Nn.  vagi  erhalten. 

Die  beifolgende  Fig.  4,  einem  der  vielen  hieher  gehörigen 
Versuche  entnommen,  illustriert  das  gleichzeitige  Verhalten  des 
Arteriendruckes  und  der  durch  einen  Phrenographen  registrierten 
Zwerchfellexkursionen  während  der  Reizung  der  Nn.  laryngei 
superiores. 

In  diesem  Versuche  sieht  man  die  phrenographische  Kurve 
sich  erheben,  als  Ausdruck  dafür,  dass  das  Zwerchfell  durch  die 
sich  vergrössernde  Lunge  gegen  die  Bauchhöhle  erheblich  ver- 
schoben wurde. 

Man  könnte  aus  diesem  Hinabsteigen  des  Zwerchfells,  welches 
die  Drucksteigerung  im  Arteriensysteme  begleitet,  wie  dies  die 
Kurve  zeigt,  im  Sinne  einer  Lungenschwellung  deuten,  wenn  nicht 
die  Pulsverlangsamung  darauf  hinweisen  würde,  dass  in  diesem 
Falle  auch  der  N.  vagus  mitgereizt  wurde.  Eine  Reizung  des  N. 
vagus  jedoch  bedingt,  — wie  die  im  Laboratorium  von  v.  Basch 
ausgeführten  Versuche  von  Beer  lehren,  dass  auf  dem  Wege  des 
Bronchospasmus  eine  eigenartige  Vergrösserung  der  Lunge  (Lu n ge ii- 
blähung),  welche  mit  der  auf  Blutstauung  beruhenden  Lungen- 
schwellung nichts  gemem  hat,  entsteht.  Eine  solche  Lungen- 
blähung könnte,  wenn  man  die  N.  laryngei  superiores  bei  erhaltenen 
Vagi  reizt,  auch  auf  reflektorischem  Wege  zustande  kommen;  denn 
es  wäre  leicht  denkbar,  dass  durch  centrale  Reizung  des  N.  vagus 
ein  Bronchospasmus  entsteht. 

Aus  dieser  letzteren  Betrachtung  folgt,  dass  sich  aus  der  Ver- 
grösserung des  Lungenvolumens  nach  Reizung  der  Nn.  laryngei  sup. 


Beitrag  zur  Erklärung  des  Herztodes  nach  Exstirpation  des  Larynx. 


161 


nicht  ohne  weiteres  mit  Bestimmtheit  folgern  lässt,  dass  dieselbe 
auf  einer  Lungenschwellung  beruht.  Dieser  Schluss  erscheint  uns 


Eig.  4. 


n 


1; 


n 


li  y ^ 

Zwerch  felis  CU  rve 


i f\  n 

i I 


■J  y 

A.  carotis 


hA/V\ 


20 


Reizunqsdaiicr 

- — I — 1 

JO  O 


Arteriendnick  und  ZAverclifellexcursionen  bei  Reizung  der  Nn.  laryngei  supei’iores. 

Beide  Vagi  erhalten. 


> 

fl 


selbst  in  jenen  Fällen  nicht  zulässig,  wo  auf  die  Reizung  der  Nn. 
laryngei  sup.  keine  Spur  einer  Pulsverlangsamung  auftrat. 

Dagegen  lehren  jene  Versuche,  in  denen  nach  Durchschneidung 
der  beiden  Vagi  die  Reizung  der  Nn.  lar^uigei  sup.  eine  aus- 
gesprochene Volumensvergrösserung  der  Lunge  bewirkte,  mit  Sicher- 
heit, dass  sich  durch  Reizung  der  Nn.  laryngei  sup.  thatsächlich  eine 
Lungenschwellung  entwickeln  kann.  Die  Volumensvergrösserung, 
welche  in  diesen  Fällen  entsteht,  konnte  ja  nicht  anders,  als  durch 
vermehrte  F'üllung  der  Lungengefässe  und  nicht  durch  Broncho- 
spasmen entstehen. 


n 

I 


I 


162 


Michael  Grossiuarm. 


IV.  Versuchsreihe. 

Verhalten  des  Arteriendruckes  und  der  Zwerchfellexcursionen  hei  Reizung  der 
Nn.  laryngei  superiores.  Beide  Vagi  durchschnitten. 

Die  Fig.  5 ist  einem  Versuche  entnommen,  wo  der  N.  laryn- 
geus  sup.  erst  nach  der  beiderseitigen  Durchschneidung  der  Nn.  vagi 
gereizt  wurde.  Man  sieht,  wie  mit  der  Steigerung  des  Arterien- 
druckes die  Zwerchfellkurve  sich  beträchtlich  erhebt. 


Fig.  5. 

2\ve?r?(f(dlscurve 


I Rcizungsdc/uer  j 

30  20  JO  o 

Arteriendruck  und  Zwerchfellexcursionen  bei  Reizung  der  Nn.  laryngei 
superiores.  Beide  Vagi  durchschnitten. 

Dieser  Versuch  entspräche  jenen  Fällen,  wo  mit  Ansteigen 
des  Arterien druckes  auch  der  Druck  im  linken  \"orhofe  ansteigt. 
Selbstverständlich  hat  man  eine  solche  Volumenzunahme  der  Lunge 
in  jenen  Fällen  nicht  zu  erwarten,  wo  der  Druck  im  hnken  \"or- 
hofe  während  der  Reizung  sich  gleich  bleibt  oder  gar  absinkt. 


Ehe  wir  nun  zu  den  allgemeinen  Betrachtungen  übergehen, 
die  sich  aus  unseren  Versuchen  für  die  klinische  Frage  von  den 
Folgezuständen  der  Larynxexstirpation  auf  das  Herz  ergeben,  — 
müssen  wir  noch  die  Frage  erörtern,  ob  und  inwieferne  sich  der 
Reizeffekt  des  N,  laryngeus  sup.,  der  ja  bekanntlich  ausser  seinen 
den  M.  cricothyreoideus  innervierenden  motorischen  Fasern  aucli 
sensible  Fasern  enthält,  von  jenem  der  anderen  gleichfalls  gemischte 
Fasern  führenden  Nerven  unterscheidet? 

Diesbezüglich  ist  ja  schon  lange  bekannt,  dass  die  Reizung 
sensibler  Nerven  den  Arteriendruck  erhöht  und  zwar  dadurch,  dass 
auf  reflektorischem  Wege  die  Gefässnervencentren  erregt  werden. 


Beitrag  zur  Erklärung  des  Herztodes  nach  Exstirpation  des  Larynx. 


163 


Es  war  aber  bisher  nicht  bekannt,  ob  und  in  welcher  Weise 
die  Arbeit  des  Herzens  unter  diesen  geänderten  Blutdruckvfuäiält- 
nissen  beeinflusst  wird. 

Man  wusste  bloss,  dass,  wenn  der  linke  Ventrikel  durch  die 
direkte  Reizung  des  Rückenmarkes  und  die  hiedurch  bedingte 
Steigerung  des  Arteriendruckes  in  eine  sehr  hohe  Spannung  ver- 
setzt wird,  er  auch  insufficient  wird,  was  sich  durch  eine  hoch- 
gradige Steigerung  des  Druckes  im  linken  Vorhofe  offenbart 
’ (C.  Ludwig,  Waller).  Hiernach  wäre  zu  erwarten,  dass  jede, 
wodurch  immer  bedingte  Steigerung  des  Arteriendruckes  eine  In- 
sufficienz  des  gespannten  linken  Ventrikels  zur  Folge  hat. 

Thatsächlich  lehrten  ja  unsere  bisher  geschilderten  V ersuche, 
dass  unter  Umständen  der  höhere  Arteriendruck  und  die  dadurch 
bedingte  höhere  Spannung  im  linken  Ventrikel  mit  einer  Insufficienz 
der  letzteren  beantwortet  wird. 

Sie  lehrten  aber  auch  ferner,  dass  dieser  gesteigerte  arterielle 
Druck  nicht  immer  diese  Insufficienz  zur  Folge  hat.  Wir  haben 
sogar  Fälle  kennen  gelernt,  wo  diese  arterielle  Drucksteigerung 
statt  von  einem  Steigen,  von  einem  Sinken  des  Druckes 
im  linken  V o r h o f e , also  von  einer  günstigeren  Herz- 
arbeit begleitet  wurde. 

Aus  diesem  wechselnden  Verhalten  des  linken  Ventrikels  bei 
Reizung  des  N.  laryngeus  sup.  geht  ohne  weiteres  hervor,  dass 
unter  Umständen  mit  derselben  sich  Bedingungen  entwickeln, 
welche  die  an  und  für  sich  schädliche  Rückwirkung  der  Arterien- 
drucksteigerung zu  beleben  im  stände  sind,  dass  aber  diese  Be- 
dingungen unter  Umständen  auch  ausbleiben  können. 

Diese  Bedingungen  sind  jedenfalls  in  reflektorischen  Einflüssen 
zu  suchen,  welche  mit  der  Erregung  des  N.  laryngeus  sup.  wahr- 
scheinlich auf  dem  Wege  der  Herznerven  dem  Herzen  zufliessen. 

Um  diese  Einflüsse  einigermassen  näher  kennen  zu  lernen, 
schien  es  eben  notwendig  den  Reizeffekt  auch  anderer  sensiblei- 
Nerven  nach  dieser  Richtung  zu  prüfen. 

V.  Versuchsreihe. 

Drnckniessim"en  in  der  A.  carotis  und  im  linken  Vorhofe  liei  centraler  Reizung 

des  N.  ischiadicus. 

Wir  haben  zu  diesem  Zwecke  Versuche  ausgeführt,  in  denen 
wir  das  V erhalten  des  Arteriendruckes  und  des  Druckes  im  linken 
Vorhofe  bei  centraler  Reizung  des  N.  ischiadicus  prüften. 

Den  Effekt  einer  solchen  Reizung  illustriert  Fig.  6. 

Aus  derselben  ersieht  man,  dass  mit  dem  Steigen  des  Arterien- 


164 


Michael  Grossmann. 


(Iruckes,  bei  Reizung  des  N.  ischiadicus  der  Druck  im  linken  Vor- 
liefe  absinkt. 

Dieses  Absinken  ist,  wie  wir  uns  wiederholt  überzeugt  haben, 
gar  nicht  zu  vergleichen  mit  dem  minimalen  Sinken,  welches  wir 

Fig.  ti. 


A.  raroüs 


I Tteixungsdauer ^ 

30  20  10  0 


Druck  in  der  A.  carotis  und  iin  linken  Vorhofe  bei  centraler  Reizung  des 

N.  ischiadicus. 


in  seltenen  Ausnahmsfällen  auch  bei  der  Reizung  des  N.  laiyn- 
geus  sup.  beobachtet  haben. 

Hieraus  dürfen  mr  wohl  ohne  weiteres  schliessen,  dass  bei 
Reizung  der  Nn.  laryngei  sup.  jene  günstigen  Bedingungen,  welche 
die  Schäden  des  gesteigerten  Arteriendruckes  auszugleichen  im 
stände  sind,  in  weit  geringerem  Grade  und  viel  seltener  zur  Ent- 
wickelung gelangen,  als  bei  der  Reizung  des  N.  ischiadicus. 

Die  hier  mitgeteilte  Thatsache,  dass  bei  Reizung  des  N.  ischia- 
dicus der  Druck  im  linken  Vorhofe  bei  gleichzeitiger  Steigerung 
des  Arteriendruckes  ab  sinkt,  ist,  wie  ich  ausdrücklich  hervor- 
heben muss,  nur  eine  Bestätigung  von  gleichlautenden  Versuchen 
Kauders’,  die  bisher  noch  nicht  veröffentlicht  sind. 

Es  muss  übrigens  erwähnt  werden,  dass  wir  auch  Fälle  be- 
obachtet haben,  in  denen  die  Arteriendrucksteigerung  bei  Reizung 
des  N.  ischiadicus  von  einer  Steigerung  des  Druckes  im  linken 
Vorhofe  begleitet  war.  Es  kann  also  selbst  die  Reizung  eines 


Beitrag  zur  Erklärung  des  Herztodes  uaeh  Exstirpation  des  Larvnx. 


165 


Nerven,  welche  in  der  Regel  von  einem  entschieden  günstigen 
Effekte  auf  die  Herzarbeit  begleitet  wird,  unter  Umständen  von 
ungünstigen  Folgen  begleitet  sein. 


Nachdem  wir  uns  durch  das  Tierexperiment  über  die  Ver- 
änderungen, welche  im  Herzen,  in  dem  grossen  und  kleinen  Kreis- 
läufe bei  Reizung  des  N.  laryngeus  superior  auftreten,  informiert 
' haben,  wollen  wir  nun  in  Betracht  ziehen,  welche  Schlüsse  sich 
aus  den  gewonnenen  Erfahrungen  vom  klinischen  Standpunkt  aus 
ergeben. 

Vor  allem  muss  konstatiert  werden,  dass  die  Durchschnei- 
dung der  Nn.  laryngei  superiores  et  inferiores  an  und  für  sich 
wie  wir  bereits  oben  erwähnt  haben,  weder  das  Herz  noch  den 
Kreislauf  in  irgend  einer  Weise  alteriert.  Eine  solche  Alteration 
I wird  erst  durch  ii'gend  eine  Reizung  der  Nn.  laryngei  superiores 
' hervorgerufen.  Deshalb  kann  auch  die  klinische  Betrachtung, 
welche  sich  an  den  Tierversuch  anlehnt,  nur  von  der  Annahme 
ausgehen,  dass  die  Nervenstümpfe  in  gewissen  Fällen  und  unter 
bisher  nicht  genau  bestimmten  Bedingungen  während  des  Wund- 
I Verlaufes  nach  Exstirpation  des  Larynx,  einer  Reizung  ausgesetzt 
werden. 

Eine  solche  Reizung,  wenn  sie  einmal  eintritt,  muss  nach  den 
Ergebnissen  unserer  Versuche  die  Spannung  im  linken  Ventrikel, 
wegen  des  vermehrten  Widerstandes  im  Arteriensysteme  erhöhen. 

Diese  Steigerung  der  Spannung  wird  unter  gewissen  Um- 
ständen, bei  Hinzutritt  bestimmter  günstiger  Einflüsse,  welche  auf 
i dem  Wege  des  Reflexes  zum  Herzen  gelangen,  vom  linken  Ven- 
i trikel  ziemlich  gut  vertragen.  Sie  bewirkt  aber  sofort  eine  Insuf- 
! ficienz  des  linken  ^^entrikels,  wenn  mit  der  Steigerung  des  Arterien- 
druckes sich  die  erwähnten  günstigen  Einflüsse  nicht  geltend  machen. 

Es  leuchtet  nun  ohne  weiteres  ein,  dass  in  jenen  Fällen,  wo 
von  vornherein  mit  der  Reizung  des  N.  laryngeus  sup.  nur  das 
schädigende  Moment  der  Blutdrucksteigerung  in  den  Arterien  sich 
in  der  Weise  geltend  macht,  dass  es.  zu  einer  Insufficienz  des 
linken  Ventrikels  führt,  — für  das  Leben  eine  imminente  Gefahr 
besteht.  Von  dieser  Gefahr  sind  jedoch  auch  jene  Herzen  nicht 
befreit,  welche  im  Beginne  der  Reizung  unter  den  erwähnten 
schädigenden  Einflüssen  deshalb  nicht  litten,  weil  auf  dem  Wege 
der  Reflexe  Bedingungen  geschaffen  wurden,  durch  welche  das 
Herz  vor  der  Insufficienz  bewahrt  wurde.  Man  braucht  sich  nur 
vorzustellen,  dass  diese  begünstigenden  Faktoren  sei  es  dadurch, 


166 


^Michael  Grossmann. 


dass  die  hier  in  Betraclit  kommenden  Apparate  durch  Ermüdung' 
oder  in  anderer  Weise  ihre  Funktionsfähigkeit  einbüssen,  oder  dass 
das  Herz  selbst  im  weiteren  Verlaufe  auf  diese  begünstigenden  Ein- 
flüsse nicht  mehr  reagiert. 

Im  Ganzen  und  Grossen  also  führen  diese  Betrachtungen  zur 
Vorstellung,  wie  leicht  sich  schon  durch  die  dauernde  Reizung 
der  Stümpfe  der  Nn,  laryngei  superiores  ein  gefahrvoller  Herz- 
zustand entwickeln  kann. 

Unsere  Versuche  zeigen  aber  noch  des  weiteren,  dass  diese 
Schädlichkeit  sich  zumal  dann  in  hohem  Grade  steigern  muss, 
wenn  der  Reizungsprozess  sich  nicht  allein  auf  die  Stümpfe  der 
Nn.  laryngei  sup.  beschränkt,  sondern  wenn  er,  ähnlich  wie  die 
Stromschleifen  in  unseren  Versuchen,  auf  den  Vagusstamm  sich 
erstreckt.  An  dieses  Ereignis  knüpft  sich  ja  eine  hochgradige 
Insufficienz  des  linken  Ventrikels,  welche  sich  in  einer  erheblichen 
Steigerung  des  Druckes  im  linken  Vorhofe  d.  i.  in  Erscheinungen 
offenbart,  welche  in  ihrer  Fortdauer  unausweichlich  zum  Lungen- 
ödem führen. 

Wir  müssen  demnach  den  Ausgangspunkt  für  den  Eintritt 
jener  Kreislaufsstörung,  welche  das  letale  Ende  nach  der  Kehl- 
kopfexstirpation herbeiführt,  in  einem  fortbestehenden  Reizungs- 
zustande der  Nn.  laryngei  superiores  event.  in  einem  Uebergreifen 
dieses  Reizungszustandes  auf  die  Vagi  erblicken. 

Diese  Annahme  erklärt  nicht  allein  den  Eintritt  eines  solchen 
Herzzustandes  nach  Exstirpation  des  Larynx,  sie  giebt  auch  dar- 
über Aufklärung,  warum  nicht  jeder  dieser  Fälle  diesen  ungünstigen 
Verlauf  nimmt.  Die  Versuche,  auf  welche  diese  Annahme  sich 
stützt,  lehren  ja,  dass  jedenfalls  nicht  die  Durchschneidung  der 
Kehlkopfnerven  für  sich  allein,  ja  selbst  nicht  die  Reizung  der 
durchschnittenen  Nerven  notwendigerweise  eine  Herzschädigung 
zur  Folge  haben,  sondern  dass  es  des  Zusammentreffens  gewisser 
ungünstiger  Bedingungen  bedarf,  um  dieselben  hervorzurufen. 

So  plausibel  diese  Annahme  uns  auch  erscheint,  so  wollen 
wir  doch  die  Behauptung  nicht  aufstellen,  dass  aus  denselben, 
resp.  aus  den  ihr  zu  Grunde  liegenden  Versuchen  alle  Erscheinung 
des  in  Rede  stehenden  Herzzustandes,  nach  ihrer  Natur  und  Ent- 
stehungsweise sich  erschöpfend  erklären  lassen. 

Ich  will  jedoch  hoffen,  dass  die  mitgeteilten  Versuche  die 
Anregung  zu  weiteren  Untersuchungen  geben  werden,  deren  Auf- 
gabe, wie  ich  glaube,  darin  zu  bestehen  hätte,  zunächst  das  Ver- 
halten des  Pulses  und  Blutdruckes  zu  prüfen.  Hiebei  hätte  man 
sein  Augenmerk  darauf  zu  richten,  ob  der  Blutdruck  steigt,  ob 


Beitrag  zur  Erklärung  des  Herztodes  nach  Exstirpation  des  Larynx. 


167 


mit  dieser  Steigerung  eine  Pulsbeschleunigung  oder  -Verlangsamung 
einhergeht  und  in  welchem  Verhältnisse  die  Pulsfrequenz  zum 
Blutdrucke  steht,  Ueberdies  wäre  auch  das  Verhalten  des  Her- 
zens und  der  Lunge  einer  eingehenden  Beobachtung  zu  unterziehen. 

Bei  der  Obduktion  dürfte  man  nicht  unterlassen,  die  Stümpfe 
der  Nn.  laryngei  sup.  sowie  den  Vagus  einer  genauen,  womöglich 
auch  histologischen  Untersuchung  zu  unterziehen. 


Laryngotomia  transversa. 

^^on 

Primararzt  I)r.  Robert  Crersuiiy  in  Wien. 
Mit  4 Holzschnitten. 


Wenn  man  den  Sehildknorpel  zwischen  den  wahren  und  den 
falschen  Stimmbändern , parallel  mit  der  Stimmbandebene  voll- 
ständig spaltet  (wobei  auch  die  Schleimhaut  der  Sinus  Morgagni 
durchtrennt  wird),  so  kann  man  den  oberen  Teil  des  Schild- 
knorpels leicht  nach  oben  Umschlägen,  bis  seine  Schnittebene 

mit  der  seines  unteren  Tei- 
les einen  stumpfen  Win- 
kel bildet.  (Fig.  1.)  Man 
übersieht  dann  die  obere 
Fläche  der  Stimmbänder, 
die  untere  Fläche  der  ’Ta- 
schenbänder,  die  halbierten 
Sinus  Morgagni  und  die 
hintere  Wand  des  Kehl- 
kopfs ; nach  oben,, zwischen 
den  Taschenbändern,  sieht 
man  einen  kleinen  Teil 
der  hinteren  Pharynx  wand ; 
spaltet  man  dann  noch  die 
obere  Schildknorpelhälfte 
in  der  Mittellinie  zwischen 
den  Ansätzen  der  Taschen- 
Fig.  1.  bänder  (Fig.  2),  so  kann 

man  diesen  Schnitt  weit  klaffend  machen,  und  erhält  freien 
Einblick  in  den  Teil  des  Kehlkopfs  oberhalb  der  Taschenbänder, 
und  kann  durch  Auseinanderdrängen  der  aryepiglottischen  Falten 
auch  die  hintere  Fläche  der  Epiglottis  in  das  Gesichtsfeld  bringen. 
Durch  Einschneiden  des  Lig.  thyreohyoid.  med.  parallel  dem 


Laryngotoinia  traiiKA'ersa. 


169 


oberen  Rande  des  Schildknorpels  kann  man  die  beiden  oberen 
Schildknorpelstücke  (oder  wenn  man  den  Schnitt  einseitig  führt, 
das  eine  von  ihnen)  vollständig  seitwärts  umklappen;  die  Epi- 
glottis wird  dadurch  noch  freier  zugänglich,  man  sieht  auch  ein 
Stück  der  Zungenwurzel  und  einen  grösseren  Teil  der  hinteren 


^ Pharynxwand  (Fig.  3.  Der  Schnitt  ist  hier  nur  durch  die  rechte 
) Hälfte  des  Lig,  thyreohyoid.  med.  geführt,  man  sieht  die  rechte 
^ Hälfte  der  Epiglottis  und  ein  Stück  der  Zunge).  Ein  Blick  auf 
I die  Abbildungen  (Fig.  1 — 3),  welche  nach  einem  nicht  ganz  nor- 
I malen,  sondern  etwas  ödematösen  Kehlkopf  gezeichnet  sind,  wo- 
s durch  die  Schleimhaut  gewulstet  erscheint),  zeigt,  wie  frei  die 
blossgelegten  Teile  der  Untersuchung  und  jedem  operativen  Ein- 
' griff  zugänglich  sind;  er  zeigt  auch,  dass  dieser  Zugang  zu  dem 
! Innern  des  Kehlkopfs  und  zu  dem  unteren  Teil  des  Pharynx  so- 
zusagen in  der  Mitte  liegt  zwischen  der  Pharyngotomia  subhyoidea 
und  der  Längsspaltung  des  Kehlkopfs. 

Dem  entsprechend  wird  auch  die  planmässig  als  Voi’operation 
‘ ausgeführte  Quer  Spaltung  des  Kehlkopfs  (wohl  passend  als 
1 Laryngotoinia  oder  Thyreotomia  transversa  zu  bezeichnen), 

I in  die  Gebiete  der  beiden  genannten  Operationen  übergreifen  und 


170 


Kobert  (Tersunv. 


deren  Grenzen  etwas  zurückdrängen,  denn  sie  })eherrscht  eine  Gegend, 
welclie  durch  die  Pliaryngotoinia  subhyoidea  nur  schwer  und  un- 
vollkommen zugänglich  wird,  eine  Gegend,  welche  allerdings  auch 
durch  die  Laryngofissur  freigelegt  werden  kann,  aber  nicht  ohne 
Spaltung  der  vorderen  Insertion  der  Stimmbänder;  mag  man  nun 
den  bleibenden  Nachteil,  der  dieser  Verletzung  folgen  kann,  höher 
oder  niederer  anschlagen,  immer  bleibt  diese  Spaltung  eine  Neben- 
verletzung , welche  man  vermeiden  wird , wenn  man  kann , und 
namentlich  dann  wird  diese  Schonung  von  Wert  sein,  wenn 
die  Stimmbänder  selbst  durch  die  Krankheit,  wegen  welcher  man' 
operiert,  nicht  krankhaft  verändert  sind. 

Diese  Erwägungen  waren  es  auch,  welche  mich  auf  den 
Gedanken  Imichten,  die  operative  Querspaltuiig  des  Kehlkopfs  an 
der  Leiche  zu  versuchen;  das  Ergebnis  dei’  Leichenversuche  war 
in  Bezug  auf  leichte  Ausführbarkeit  der  Operation  und  vollkommene 
Erreichung  ihres  Zieles  so  ermutigend,  dass  ich  die  Vornahme  der 
Operation  am  Kranken  für  ganz  gerechtfertigt  halten  konnte.  Die 
Erfahrung  hat  mir  recht  gegeben  und  ich  lege  darum  die  Be- 
schreibung des  Vei-fahrens  vor. 

AiisfÜliruiig  der  Operation. 

Lagerung  des  (tracheotomierten)  Kranken  wie  zur  Tracheotomie, 
Narkose  durch  die  Tamponkanüle.  Man  durchtrennt  zunächst  die 
Haut  vom  Zungenbein  bis  zum  Ringknorpel  in  der  Mittellinie  des 
Halses  und  legt  den  Schildknorpel  bloss,  hierauf  werden  nach 
beiden  Seiten  hin  die  Weichteile  von  den  Schildknorpelplatten  mit 
dem  Elevatorium  stumpf  abgelöst.  (Man  kann  statt  des  Längs- 
schnittes auch  einen  Querschnitt  machen,  der  genau  an  der  Stelle 
des  beabsichtigten  Kehlkopfschnittes  liegt  und  vielleicht  unter  Um- 
ständen — z.  B.  bei  kurzem,  dickem  Hals  — sogar  den  Vorzug 
verdient;  dieser  Schnitt  ist  jedoch  insofern  nicht  so  einfach,  wie 
der  Längsschnitt,  als  er  öfter  Hautvenen  treffen  wird  und  auch 
die  Verletzung  der  Mm.  sternohyoid.  und  thyreohyoid.  notwendig 
macht. 

Nun  werden  die  Weichteile  mit  stumpfen  Haken  nach  beiden 
Seiten  zurückgehalten  und  man  bestimmt  die  vordere  Insertion 
der  Stimmbänder,  welche  in  der  Mitte  zwischen  dem  tiefsten  Punkt 
der  Incisur  und  dem  unteren  Rand  des  Schildknorpels  liegt.  Einen 
bis  zwei  Millimeter  oberhalb  dieses  Punktes  spaltet  man  den  Schild- 
knorpel parallel  mit  seinem  oberen  Rand  oder  richtiger  mit  dem 
Teil  dieses  Randes,  der  zwischen  der  Incisur  und  dem  oberen  Horn 
liegt.  Man  setzt  die  Schneide  des  Messers  quer  auf  die  Kante,  in 


Laryiigotomiii  transverBa. 


171 


welcher  die  Sehildknorpelplatten  ziisammentrefFen,  und  spaltet  mit 
einem  Zug  den  Knorpel  auf  etwa  1 cm  nach  jeder  Seite  von  der 
Mittellinie ; damit  ist  auch  die  Schleimhaut  oberhalb  der  Insertion 
der  Stimmbänder  durchtrennt  und  die  Höhle  des  Kehlkopfs  er- 
öffnet. Wenn  der  Schildknorpel  bereits  verknöchert  ist,  wie  meist 
bei  Männern  in  der  zweiten  Hälfte  des  Lebens,  macht  man  diesen 
Schnitt  mit  der  Stich-  oder  Bogensäge,  jedoch  nur  so  tief,  dass 
man  den  Knorpel  allein  durchtrennt,  dann  spaltet  man  in  der  Aus- 
dehnung des  Sägeschnittes  die  Kehlkopfschleimhaut  mit  dem  Messer. 

Ist  die  Höhle  des  Kehlkopfs  so  eröffnet,  dann  vollendet  man 
die  Querspaltung  mit  der  Schere ; (entweder  mit  der  gewöhnlichen 
geraden  chirurgischen  Schere  oder  bei  Kehlkopfverknöclierung 
mit  einer  schlanken  Knochenschere)  und  zwar  durchtrennt  der 
erste  Scherenschlag  auf  jeder  Seite  die  Schildknorpelplatte  bis 
nahe  an  ihren  hinteren  Rand,  wobei  auch  die  Auskleidung  der 
Sin.  Morgagni  durchschnitten  wird,  dann  macht  man  den  Knorpel- 
spalt etwas  klaffend  und  durchschneidet  jederseits  den  hinteren 
Rand  des  Schildknorpels,  wobei  die  Schleimhaut  des  Kehlkopfs  ge- 
schont wird,  indem  man  die  Spitze  des  Scherenblattes,  das  im  Innern 
des  Kehlkopfs  zu  liegen  kommt,  dicht  auf  der  Innenfläche  des 
Knorpels  vorschiebt. 

Ist  nun  der  Schildknorpel  vollständig  durchtrennt,  so  genügt 
ein  niässiger  Zug,  um  seine  obere  Hälfte  nach  oben  umzulegen 
und  den  oben  beschriebenen  und  auf  Fig.  1 dargestellten  Zugang 
zum  Kehlkopfinneren  zu  eröffnen.  Der  ganze  Eingriff  ist  fast  un- 
blutig und  leicht  auszuführen;  es  empfiehlt  sich,  beim  Emporziehen 
des  oberen  Schildknorpelabschnittes  den  Haken  nicht  in  den 
Knorpel  einzusetzen,  um  diesen  nicht  zu  zerbrechen,  sondern  lieber 
in  der  Mitte  des  lig.  th}Teohyoid.  ein  spitzes  Häkchen  einzusetzen 
oder  einen  Faden  durchzulegen.  Die  untere  Hälfte  des  Schild- 
knorpels braucht  man  dabei  nicht  zu  fixieren. 

Wie  man  aus  Fig.  1 ersieht,  sind  nach  dem  Aufklappen  des 
Schildknorpels  die  Stimmbänder  und  die  Taschenbänder  für  jeden 
Eingriff  frei  zugänglich. 

Handelt  es  sich  darum,  in  dem  Raum  oberhalb  der  Taschen- 
bänder zu  operieren,  so  genügt  ein  Scherenschnitt,  um  den  oberen 
Teil  des  Schildknorpels  zwischen  den  Taschenbändern  in  der  Mittel- 
linie zu  spalten,  und  man  kann  die  beiden  Knorpelstücke  (samt 
den  Taschenbändern)  auseinanderziehen,  wie  in  Fig.  2 dargestellt 
ist.  Man  übersieht  jetzt  beide  aryepiglottischen  Falten  und  kann 
durch  Zug  an  ihnen  oder  an  der  Epiglottis  die  hintere  Fläche  der 
letzteren  in  das  Operationsfeld  bringen. 


172 


Robert  Gersuny. 


Auf  Fig.  3,  wo  auch  noch  die  rechte  Hälfte  des  Lig.  thyreo- 
hyoideuin  med.  parallel  dem  Schildknorpelraiide  durchschiiitteii 
ist  und  wo  das  entsprechende  Schildknorpelstück  infolgedessen  ganz 
nach  aussen  umgeschlagen  werden  konnte,  sieht  man  einen  Teil 
der  Epiglottis  in  situ  und  ein  Stück  der  Zungen wurzel.  Was  in 
Fig.  3 ganz  dunkel  gehalten  ist,  entspricht  der  hinteren  Rachen- 
wand. Hat  man  den  Zweck  der  Operation  erreicht  und  lässt  man 
die  auseinandergezogenen  Teile  wieder  los,  so  legt  sich  alles  von  selbst 
wieder  annähernd  richtig  zusammen  und  es  bedarf  nur  geringer  Nach- 
hilfe durch  die  Naht,  um  ein  korrektes  Zusammenheilen  zu  sichern.  — 

Die  Laryngotomia  transversa  eignet  sich  nach  dem  Gesagten 
zur  Voroperation  für  alle  chirurgischen  Eingritfe  im  untersten  Teil 
des  Pharynx,  an  der  Epiglottis,  im  oberen  und  im  mittleren  Kelil- 
kopfraum,  an  den  Taschenbändern,  an  den  Stimmbändern  und 
Aryknorpeln,  möge  es  sich  um  die  Exstirpation  von  Geschwülsten 
oder  um  Operationen  wegen  anderer  Prozesse  (z.  B.  tuberkulöser 
Wucherungen,  Narben,  fremder  Körper)  handeln,  insofern  diese 
Eingriffe  nicht  per  vias  naturales  ausführbar  sind. 

Ich  habe  schon  erwähnt,  dass  der  Kehlkopf querschnitt  den 
oberen  Kehlkopfraum  besser  zugänglich  macht,  als  die  Pharyngo- 
tomia  subhyoidea,  und  dass  er  in  jenen  Fällen,  in  welchen  er  die 
mediane  Laryngofissur  ersetzen  kann,  vor  dieser  den  Vorzug  hat, 
dass  die  Kommissur  der  Stimmbänder  geschont  whd;  ich  möchte 
aber  noch  auf  einen  anderen  Umstand  hinweisen,  der  nicht  gleich- 
gültig ist : mag  man  in  der  oberen  oder  in  der  unteren  Kehlkopf- 
hälfte operieren,  immer  wird  der  Querschnitt  einen  Teil  des  Me- 
chanismus schonen,  welcher  das  Eindringen  fremder  Körper  vom 
Schlund  aus  verhindert:  in  dem  einen  Fall  werden  die  Stimm- 
bänder, in  dem  anderen  die  Taschenbänder  mit  der  Epiglottis 
gleich  nach  der  Operation  schlussfähig  sein. 

Zum  ersten  Mal  wurde  diese  Operation  an  einem  Kranken  im  vorigen 
Jahr  ausgeführt  und  zwar  diircli  Herrn  Hofrat  Billroth,  der  in  einem  Fall  von 
Lymphosarcom  des  rechten  Taschenbandes  auf  meine  Bitte  die  von  mir  vor- 
geschlagene Sc.hnittführung  wählte.  Der  Gang  der  Operation  rechtfertigte  die 
gemachten  Voraussetzungen  vollkommen,  die  Heilung  erfolgte  sehr  rasch.  (Als 
erwähnenswert  will  ich  anführen,  dass  durch  die  Substanz  des  nicht  verknöcher- 
ten iSchildknorpels  mehrere  Seidennähte  gelegt  wurden,  um  den  durchtrennten 
Kehlkopf  wieder  zu  vereinigen.) 

Im  Januar  dieses  Jahres  hatte  ich  selbst  Gelegenheit,  die  Operation  zu  machen. 
Es  handelte  sich  iim  einen  IMann  von  Jahren,  der  seit  vier  Jahren  lieiser,  seit 
zwei  Monaten  ganz  stimmlos  und  kurzatmig  war.  Die  rechte  Hälfte  des  Kehlko]>f- 
eingangs  war  von  einer  taubeneigrossen  Geschwulst  eingenommen,  welche  von 
der  Plica  pharyngo-epiglottica  umhüllt  war  uud  bis  zur  Glottis  hinunterzureichen 
schien. 


Laryngotoinia  transversa. 


175 


Fig.  4 giebt  den  laryngoskopisehen  Befund  gut  wieder.  Iin  Kudoltiner- 
haus  (Prot.  Nr.  5,  1892)  aufgenoinmen  wurde  der  Kranke  (4  Tage  nach  der  Tracheo- 
tomie) operiert.  Narkose  durch  die  Tamponkanüle  (mit  Winters  Apparat).  Längs- 
schnitt durch  die  Haut  in  der  Medianlinie.  Kehlkopfquerschnitt  wegen  \ er- 
knöcherung  des  Schildknorpels  mit  Stichsäge  und  Knochenschere.  Nach  medianer 
Längespaltung  des  oberen  Schildknorpcl- 
stückes  stellte  sich  die  Geschwulst  in  die 
klaffende  Wunde  ein  und  ich  begann  nach 
llurchtrennung  der  bedeckenden  Schleim- 
haut sie  auszulösen ; plötzlich  entleerte  sich 
glasigschleimiger  Inhalt  und  die  Geschwulst 
fiel  zusammen,  doch  konnte  ich  den  ver- 
hältnismässig starkwandigen  Sack  voll- 
ständig auslösen. 

Die  nach  der  Exstirpation  der  Cyste 
zurückbleibende  Höhle  wurde  mit  Jodo- 
formdocht ausgefüllt  dessen,  Ende  durch  die 
Kehlkopfwunde  nach  aussen  geleitet  wurde.  Die  Schildknorpelstücke  legten 
sich,  als  man  sie  sich  selbst  überliess,  ohne  weitere  Fixation  gut  aneinander,  die 
Hautwunde  wurde  vernäht. 

Am  zweiten  Tage  nach  der  Operation  wurde  der  Jodoformdocht,  am  vierten 
die  Trachealkanüle  entfernt.  Nach  14  Tagen  war  alles  geheilt,  die  Stimme  des 
Patienten  war  noch  heiser,  der  laryngoskopische  Befund  zeigte  normale  Verhält- 
nisse, nur  war  die  Kehlkopfschleimhaut,  besonders  das  rechte  Taschenl)and  noch 
gerötet.  Der  Patient  wurde  aus  der  Anstalt  entlassen.  Nach  vier  Wochen  stellte 
er  sich  nochmals  vor  und  brachte  ein  kleines  nekrotisches  Knorpelstückchen  von 
der  Sägefläche  des  Schildknorpels  mit,  das  sich  mittlerweile  durch  die  Hautnarbe 
(die  bereits  wieder  geschlossen  war)  ausgestossen  hatte. 

Befund  des  Kehlkopfs  normal  l)is  auf  die  noch  nicht  ganz  gescliwundene 
Kötung  der  Schleimhaut.  Stimme  noch  etwas  heiser.  — 


Fig.  4. 


Die  gesundheitliche  Bedeutung  der 
Zündholzfabrikation 


von 

Dr.  E.  Ris  aus  Kloten  bei  Zürich. 


Berichte  aus  Fabriken  chlorhaltiger  Phosphorzündhölzchen. 

Im  Correspondenzblatt  des  Württembergischen  ärztlichen 
Vereins  vöm  November  1840  S.  265  berichten  Obermedizinal- 
assessor Dr.  Giess  und  Dr.  Giess  Sohn  in  Stuttgart  über  Krank- 
heitsverlauf und  Leichenbefund  bei  einer  als  Fall  von  Bronchitis 
aufgenommenen  Phosphorzündholzarbeiterin,  welche  am  8.  Tage 
ihres  Spitalaufenthaltes  gestorben  ist.  Aus  dem  Krankheitsbericht 
nehme  ich  die  Worte  heraus:  »22  Jahre  alt,  kachektisches  schmutzig- 
weisses,  blutleeres  Aussehen,  dabei  aber  wohlgenährt,  starke  Atem- 
not, heftig  trockener  Husten,  über  die  Lungen  in  ihrem  ganzen 
Umfange  verbreitete  Bronchitis.«  Aus  dem  Leichenbefundbericht: 
»Lungenluftröhren  nicht  erweitert,  aber  ihre  Schleimhaut  dunkel 
gerötet,  keine  Tuberkel  in  den  Lungen;  in  der  Unterleibshöhle 
alles  ungewöhnlich  blass  und  blutleer,  im  übrigen  nichts  besonderes 
Krankhaftes  dort  zu  bemerken ; sehr  viel  Fett  zwischen  den  Blättern 
der  Darmnetzhäute,  sowie  in  den  allgemeinen  Bedeckungen« ; aus 
dem  Schlusswort:  »Schwindsuchtsknoten  wurden  wegen  des  lang- 
jährigen Brustleidens  und  des  krankhaften  allgemeinen  Aussehens 
vermutet,  und  man  war  erstaunt,  keine  zu  finden.« 

In  der  Einleitung  sagen  die  Dr.  Dr.  Giess,  dass  »infolge  der 
penetranten  Schwefel-  und  PhosiDhorausdünstung  in  den  Reibzünd- 
holzfabriken fast  alle  Arbeiterinnen  mehr  oder  weniger  auf  der 
Brust  leiden« ; und  in  der  Vorgeschichte  der  gestorbenen  Kranken 
wird  sogar  gesagt,  dass  dieselbe  vor  ihrem  Eintritte  in  das  Spital, 
also  doch  wohl  während  ilmer  Beschäftigung  in  der  Zündholz- 
fabrik wiederholt  Blut  gespuckt  habe. 


Die  fresimdheitliche  Bedeutung  der  Zündholzfabrikation. 


175 


Schwefel-  und  Phosphordimsteinatmung  hat,  so  viel  bekannt, 
noch  niemals  Bluthusten  verursacht,  wo  solcher  nicht  auch  durch 
Reizung  irgend  welcher  Art  überhaupt  konnte  verursacht  werden  — 
Chlordunsteinatmung  hingegen  macht  auch  bei  vorher  gesunden 
Leuten  mit  gesunder  Lungenschleimhaut  leicht  blutigen  Auswurf 
und  ßlutspucken. 

Wir  müssen  aber  annehmen,  dass  meistens  freies  Chlor  nicht 
zur  Entwicklung  gekommen  sei,  denn  wenn  das  der  Fall  gewesen 
wäre,  so  hätten  wir,  da  ja  damals  Selbstentzündung  der  chlor- 
haltigen Phosphorhölzchen  in  der  Fabrik  ein  häufiges  Vorkomm- 
nis war,  hören  müssen,  dass  danach  allemal  alle  Eisenwaren  in 
den  Arbeitsräumen  mit  Rost  sich  beschlagen  haben  in  einer  Weise, 
dass  das  auffällig  werden  musste  — es  wird  aber  nichts  der- 
gleichen aus  jenen  Zündholzfabriken  berichtet  und  kann  also  Ent- 
wicklung freien  Chlorgases  ein  häufiges  Vorkommnis  dort  nicht 
gewesen  sein. 

Kann  die  Ausdünstung  der  Phosphorpfanne  akute  Bronchitis 
verursachen? 

Die  stärkste  Phos^^hordunstentwicklung  findet  statt  beim 
Tunken  mit  Leimmasse  und  beim  Betropfen  von  Feuerschwamm- 
stücken. Man  hat  in  den  30er  Jahren  niemals,  später  in  den 
40er  Jahren  allerdings  hie  und  da  aber  immer  nur  so  nebenher 
von  abgelaufenen  »Brustentzündungen«  berichtet,  welchen  Reib- 
schwammtropferinnen  und  Tunker  früher  ausgesetzt  gewesen  sein 
sollen,  aus  der  Zeit  aber,  wo  nur  Phosphor  angewendet  wurde, 
ist  aus  eigener  Beobachtung  überhaupt  im  ganzen  nur  einmal 
von  akuter  Bronchitis  berichtet,  welche  von  Dr.  Geist  bei  einem 
Tunker  beobachtet  worden  ist,  und  es  wird  im  Gegenteil  von 
deutschen  sowohl  als  auch  besonders  von  französischen  Bericht- 
erstattern nach  1845,  welche  selbst  untersucht  haben,  betont, 
dass  die  Arbeiter  in  den  kleinen  Fabriken  und  in  Wohnungen, 
wo  alle  Arbeiten  in  einem  Raum  vorgenommen  worden  sind  und 
wo  die  Luft  beständig  »getrübt  w^ar  von  Phosphordämpfen«, 
höchstens  etwa  bei  schlechtem  Wetter,  wo  die  Luft  in  diesen 
Räumen  gar  trüb  geworden,  haben  husten  müssen,  sonst  aber 
keinerlei  Brustbeschwerden  gezeigt  haben,  welche  auf  Einatmung 
dieser  Ausdünstungen  zurückzuführen  seien. 

Danach  müssen  wTr  es  für  unmöglich  erklären, 
dass  die  so  heftig  auftretende  tödlich  endende  Schleim- 
hautentzündung der  Lungenluftröhren  bei  der  kranken 
Phosphorzündholzarbeiterin  der  Dr.  Dr.  Giess  von  in 
Phosphorzündholzfabriken  für  gewöhnlich  Vorkommen- 


176 


F.  Rin. 


dem  Chlor  dunst  oder  von  Phospliorausdünstung  lier- 
gerührt  habe. 

Kann  Einwirkung  von  Schwefeldunst  d.  h.  schwefliger  Säure 
tödlich  endende  Schleimhautentzündung  der  Lungenluftröhren  be- 
wirken? 

Ganz  gewiss!  wenn  solcher  Dunst  verbrennenden  Schwefels 
in  irgend  erheblicher  Menge  zur  Einatmung  kommt,  wie  dies  bei 
den  damals  in  den  Fabriken  häufigen  Selbstentzündungen  chlor- 
haltiger Phosphor  Schwefelhölzchen  beim  Tunken  der  Fall  war. 
Auch  dürfen  wir  annehmen,  dass  nicht  bloss  die  reizerregende 
Wirkung  der  stechend  schmeckenden  schwefligen  Säure,  sondern 
auch  Giftwirkung  von  schwefliger  Säure  her  durch  Zerstörung 
vieler  Blutkörperchen  u.s.w.  zum  tödlichen  Ausgang  mitgeholfen  habe. 

Dr.  Th.  Roussel  bringt  in  einem  Memoire  von  März  1846 
eine  klinische  Vorlesung  Gendrins  von  1845,  welche  Dr.  Geist  in 
seinem  bekannten  Buche  S.  106  ff.  auszug.sweise  citiert. 

Es  sind  in  dieser  Vorlesung  Gendrins  im  ganzen  nur  zwei 
Einzelfälle  von  Bronchitis  bei  Zündholzfabrikarbeitern  geschildert. 

Gendrin  sj^richt  sich  aber  in  so  bestimmter  Weise  über  Häufig- 
keit und  über  Bedeutung  dieser  Erkrankungen  aus,  dass  man  an- 
nehmen muss,  er  habe  auf  ausgedehnte  Erfahrung,  aber  aller- 
dings aus  früheren  Jahren  sich  stützen  können. 

Die  eigenen  Worte  Gendrins  lauten  nach  Dr.  Geist  S.  106: 
» — — — Alle  diese  Kranken  stimmen  in  der  Aussage  überein, 
seit  ihrem  Eintritt  in  die  Fabrik  von  Husten  befallen  worden  zu 
sein.  Sie  suchen  meist  dann  erst  Hilfe  im  Hospital,  wenn  der 
Husten  habituell  geworden,  sich  verschlimmert  und  mit  allen 
Zeichen  der  akuten  Bronchitis  kompliziert  hat.  Die  Bronchitis 
unterscheidet  sich  ihrem  Wesen  nach  nicht  von  der  gewöhnlich 
vorkommenden,  aber  der  Symptomenkomplex  ist  ein  anderer,  in- 
sofern funktionelle  Störungen  anderer  Organe  gleichzeitig  bestehen. 
Selbst  diejenigen  Kranken,  welche  nur  in  leichterem  Grade  er- 
griffen sind,  befinden  sich  in  einem  auffallenden  Schwächezustand, 
sie  klagen  über  Appetitlosigkeit,  von  der  sie  gleich  im  Beginn 
der  Arbeit  und  zugleich  mit  dem  Husten  befallen  worden  zu  sein 
angeben.  Andere  leiden  zugleich  an  Durchfällen;  der  grösste 
Teil  an  Fieber,  auch  wenn  eine  entzündliche  Brustaffektion  noch 
nicht  vorhanden  ist.  Diejenigen,  welche  öfters  von  entzündlichem 
Lungenkatarrh  befallen  waren,  und  dies  ist  die  Mehrzahl,  sind 
auffallend  abgemagert,  leiden  bisweilen  an  Herzklopfen,  ohne  dass 
aber  das  Herz  oder  die  grossen  Gefässe  selbst  erkrankt  wären. 

Dieser  Symptomencyklus,  welcher  der  gewöhnlichen  Bronchitis 


Die  gesundheitliche  Bedeutung  der  Zündholzfabrikation. 


177 


nicht  eigentümlich  ist,  muss  daher  der  giftigen  Wirkung  der  von 
den  Lungen,  oder  vielleicht  auch  durch  die  Haut  und  die  Schleim- 
haut der  Speiseröhre  aufgenommenen  Phosphordämpfe  zuge- 
schrieben werden. 

Wir  sehen  also,  dass  bei  den  Kranken  Gendrins,  wie  bei 
den  Kranken  der  Dr.  Dr.  Giess  Bestehen  eines  schweren  Grundleidens^ 
eines  anhaltenden  Schwächezustandes  besonderer  Art  mit  zeitweise 
anscheinend  ganz  unvermittelt  plötzlich  auftretenden  heftigen  An- 
fällen von  Bronchitis  hervorgehoben  wird;  und  es  wird  hier  das 
Grundleiden  sowohl,  als  die  Anfälle  auf  Vergiftung  ausschliesslich 
durch  Phosphoreinwirkung  bezogen ; während  wir  annehmen  dürfen, 
dass  die  Dr.  Dr.  Giess  das  ständige  Brustleiden  der  Zündholz- 
arbeiter vielleicht  der  Phosphordunsteinwirkung,  die  heftigen  An- 
fälle  der  Bronchitis  aber  der  Schwefeldunsteinatmimg  zugeschrieben 
haben  mögen. 

Wenn  auch  das  bestehenbleibende  Grundleiden  der  kranken 
Arbeiter  Gendrins  der  Einwirkung  von  Phosphordunst  zugeschrieben 
wird,  so  geht  es  nicht  an,  auch  für  die  akuten  Zufälle  den  Phos- 
phordunst zu  beschuldigen,  sondern  wir  müssen  für  diese  akuten 
Zufälle  nach  einer  anderen  Ursache  suchen. 

Am  nächsten  liegt  es  wieder,  für  diese  akuten  Zufälle  den 
Schwefeldunst  zu  beschuldigen ; und  da  wir  wissen,  dass  in  Paris 
das  chlorsanre  Kali  vor  1842  fast  überall,  nach  dieser  Zeit  aber 
nur  noch  in  kleineren  Fabriken,  welche  ihre  Zündmasse  selbst 
nach  alter  Vorschrift  bereiteten,  angewendet  worden  ist,  so  haben 
wir  in  solcher  Annahme  nicht  blos  die  Erklärung  dafür,  dass  vor 
1842  in  Paris  Anfälle  akuter  Bronchitis  bei  Phosphorzündholz- 
arbeitern häufig  gewesen  sein  können,  sondern  auch  dafür,  dass 
von  1842  an,  im  Verhältnis,  wie  die  früheren  Arbeiter  jener 
frülieren  Zündholzfabriken  allmählich  weggestorben  sind,  und  die 
neueintretenden  Arbeiter  nicht  mehr  viel  von  häufiger  Einatmung 
von  schwefliger  Säure  und  andern  von  der  alten  Zündmasse  her- 
rülirenden  schädlichen  Einflüssen  zu  leiden  hatten,  die  akuten 
Zufälle  von  Bronchitis  bei  Ph  osp  hör  zündholzar- 
beit er  n,  welche  ich  hier  einzig  bespreche,  nach  und  nach  seltener 
und  nach  1844  gar  nicht  mehr  vor  gekommen  sind. 

Die  ganze  Vorlesung  Gendrins  mag  wohl  den  Hauptzweck 
gehabt  haben,  denjenigen  entgegen  zu  treten,  welclie  behauptet 
haben,  das  in  den  ersten  chemischen  Zündwarenfabriken  schon 
häufig  beobachtete  Berufsleiden  der  Arbeiter,  welches  von  den 
Arbeitern  und  deren  Aerzten  bald  »mal  clnmique«,  bald  »Phos- 
phor-Schwindsucht« genannt  worden  ist,  sei  kein  besonderes  Leiden, 

12 


178 


F.  ilis. 


sondern  eben  nichts  anderes,  als  gewöhnliche  Lungenscliwind- 
sucht. 

Diese  damals  schon  alte,  bis  dahin  aber  nur  gelegentlich  l)e- 
sprochene  Frage  hatte  nacli  der  Veröfi'entlichung  des  bekannten 
Aufsatzes  von  I)r.  Fr.  W.  Lorinser  in  der  Zeitschrift  der  Gesell- 
schaft der  Aerzte  zu  Wien  im  März  1845  eine  erhöhte  Bedeutung 
gewonnen  — nur  hat  Gen  drin  als  innerer  Kliniker  es  unterlassen, 
den  zweiten  Teil  der  Frage  zu  besprechen : ob  nämlich  das  längst 
schon  bei  Zündwarenarbeitern  hie  und  da  einmal  zur  Beobachtung 
gekommene  Kieferleiden,  wie  man  bisher  geglaubt  hatte,  auf 
Skrofeln  oder  auf  Syphilis,  oder,  wie  Lorinser  als  ganz  neue 
Ansicht  brachte,  auf  Phosphorvergiftung  beruhe  und  ein  Leiden  sei, 
welches  von  andern  ähnlichen  Kieferleiden  sich  unterscheiden  lasse. 

Von  Lorinsers  kieferkranken  Zündholzarbeiterinnen  aus  den 
früheren  Jahren  sind  3 gestorben,  alle  3 an  hektischem  Fieber. 

Das  innerliche  Leiden  dieser  3 Kranken  beschreibt  Lorinser 
nicht  gesondert;  lasse  ich  aber  aus  dem  allgemeinen  Krankheits- 
bilde, welches  Lorinser  über  alle  seine  neun  von  1839  bis  1845 
beobachteten  kieferkranken  Phosphorzündholzarbeiterinnen  giebt, 
diejenigen  Worte  und  Sätze  aus,  welche  sich  bloss  auf  das  Kiefer- 
leiden und  auf  die  innerlich  gesund  gebliebenen  und  geheilten 
Kieferkranken  beziehen,  so  bleiben  folgende  Worte : »Die  Kranken 
wurden  von  leichtem  Fieber  bef allen,  die  Haut  des 
ganzen  Körp ers,  namentlich  des  Gesichtes,  bekam  eine 
schmutzig-gelbe  Farbe,  es  trat  verminderte  Esslust  mit 
vermehrtem  Durste  und  Unregelmässigkeit  der  Leibes- 
öffnung ein;  — — — waren  die  Kranken  nicht  rüstig  und 
— — — namentlich  wenn  dieselben  mit  skrofulösen  Anlagen  be- 
haftet waren,  so  kam  es  zu  Ausbildung  von  Lungentuberkulose 
mit  hektischem  Fieber  — — — .« 

Es  betrifft  das  Kranke  aus  füheren  Jahren  und  es  fällt  uns 
auf,  dass  das  Bild  dieser  Kranken  grösste  Aehnlichkeit  oder  Gleich- 
heit zeigt  mit  dem  Bilde  der  Kranken  der  Dr.  Dr.  Giess  und  von 
Gendrin,  wenn  wir  nämlich  bei  letzteren  Kranken  absehen  von 
der  akuten  Bronchitis  und  uns  vorstellen,  wie  das  Krankheitsbild 
der  Stuttgarter  und  Pariser  Arbeiterinnen  in  der  Zeit  zwischen 
zwei  akuten  Anfällen,  also  das  Grundleiden  allein  beschaffen  ge- 
wesen sein  mag. 

Lorinser  hat  bekanntlich  ein  analog  der  Bleikrankheit  sowie 
der  chronischen  Arsenik-  und  Quecksilbervergiftung  auf  Phosphor- 
gift beruhendes  Grundleiden  bei  allen  Phosphorzündholzarbeiterii 
angenommen,  auch  bei  denen,  welche  ganz  rüstig  waren  und  bei 


Die  gesundheitliche  Bedeutung  der  Zündholzfabrikation. 


179 


welchen  nach  Verlust  eines  kleinen  Kieferknochenstückchens  gute 
Vernarbung  erfolgt  ist.  Lorinser  sagte:  »Dieses  Kieferleiden  ist 

eben  der  Ausdruck  der  Allgemeinerkrankung,  und  diese  zeigt  sich 
deshalb  allein  nur  am  Kiefer,  weil  da  auch  örtliche  Reizung  von 
selbem  Giftdunst  her  einwirkt.« 

Der  dirigierende  Arzt  des  Wiedener  Spitals,  Dr.  Dietl,  hat 
Lorinser  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  Quecksilber-,  Arsen-  und 
Bleivergiftung  niemals  durch  bloss  örtliche  Leiden  allein,  sondern 
immer  in  erster  Linie  durch  allgemeines  Ergriffensein  sich  zeige, 
dass  bei  Auftreten  von  örtlichen  Leiden  infolge  von  Allgemein- 
vergiftung immer  auch  Siechtum  vorhanden  sei,  und  dass  es  also 
nicht  wohl  angehe,  ein  bloss  örtliches  Leiden  wie  die  Kieferbein- 
hautentzündung und  das  Kieferknochenleiden  der  Phosphorzündholz- 
arbeiterinnen als  Zeichen  einer  allgemeinen  Phosphorvergiftung  an- 
zusehen, sofern  die  Kranken  nicht  auch  Zeichen  allgemeinen  Krank- 
seins an  sich  haben ; und  hat,  um  Lorinser  hievon  zu  überzeugen, 
demselben  mitgeteilt,  dass  bei  den  Arbeiterinnen  der  alten  Chlor- 
zündholzfabriken Wiens  eine  Chlorvergiftung  sich  zeige,  und  die 
Beschreibung  dieser  Krankheit  Lorinser  ebenfalls  mitgeteilt. 

Die  eigenen  Worte  Dietls  lauten: 

»Mädchen,  die  sich  früher  eines  blühenden  Aus- 
sehens erfreuten,  bekamen  nach  längerer  oder  kürzerer 
Zeit  ihr  er  Beschäftigung  in  den  Chlor  Zündholzfabriken 
einen  blassen,  schmutzig-gelben  Teint  mit  Aufgedun- 
senheit des  Gesichtes.  Bei  länger  fortgesetzter  Arbeit 
gesellt  sich  eine  fieberhafte  Aufregung  hinzu,  an  der 
Teilungsstelle  der  Luftröhre  klagen  die  Kranken  über 
ein  kratzendes  Gefühl,  bei  leichten  Opj3r essionen  auf 
der  Brust  belästigt  ein  beständiges  Hüsteln  ohne  Aus- 
wurf; die  Magengegend  wird  empfindlich,  beim  Druck 
schmerzhaft,  die  Esslust  liegt  vollkommen  dar- 
nieder und  fast  ununterbrochen  ist  Brechneigung  vor- 
handen.« 

Vergleichen  wir  mit  Dietls  Beschreibung  der  Krankheit  der 
Wiener  Chlorzündholzfabrikarbeiterinnen  die  Beschreibung  Gendrins 
über  das  Grundleiden  der  Pariser  Phosphorzündholzarbeiterinnen 
aus  der  gleichen  Zeit,  so  muss  die  ungemeine  Aehnlichkeit  der 
Krankheitsbeschreibung  auffallen : 

Da  beide  Krankheiten  als  Berufsleiden  erwiesen  sind,  und  bei 
den  Arbeiterinnen  Gendrins  Phosphor  und  chlorsaures  Kali;  bei 
den  Chlorzündholzfabrikarbeiterinnen  Dietls  dagegen  kein  Phosphor, 
sondern  nur  chlorsaures  Kali  in  Frage  kommt,  so  müssen  wir  dem 


180 


F.  Eis. 


chlorsauren  Kali  notwendigerweise  Schuld  an  diesen  Erkrankungen 
Zuteilen. 

Wie  ist  das  chlorsaure  Kali  der  Zündmassen  in  den  Leib  der 
Zündholzarbeiter  Gendrins  gelangt? 

Dass  bei  den  in  den  Zündholzfabriken  vorkommenden  Wärme- 
graden chlorsaures  Kali  keine  Ausdünstung  giebt,  und  dass  die 
Verbrennungsgase  desselben  nicht  die  in  den  Arbeitsräumen  be- 
findlichen Eisen  waren  auffälliger  Weise  haben  rosten  machen, 
haben  wir  bereits  gehört.  Wir  haben  ebenfalls  gehört,  dass  die 
Luft  in  den  damaligen  Arbeitsräumen  von  verbrennenden  Zünd- 
köpfchen her  oft  ganz  trübe  und  besonders  bei  kühlem  Wetter  in 
den  Wohnstuben  der  Einzel-  oder  Pamilienarbeiter  beinahe  un- 
durchsichtig gewesen  sei,  und  dürfen  annehmen,  dass  diese  Luft- 
trübungen, welche  man  in  den  betreffenden  ärztlichen  und  che- 
mischen Schriften  bisher  immer  nur  auf  Phosphorsäuredünste 
bezogen  hat,  welche  aber  ebenfalls  nach  1846  nicht  mehr  be- 
obachtet zu  sein  scheinen,  zu  einem  guten  Teil,  wenn  nicht  aus- 
schliesslich Salmiaknebel  gewesen  sind,  entbanden  aus  Zusammen- 
wirken von  Chlorgas  und  von  ammoniakalischen  Ausdünstungen  der 
vielen  Insassen  dieser  kleinen  Wohn-  und  Arbeitsräume. 

Weil  aber  solche  AiLeiter  nicht  nur  ausnahmsweise,  sondern 
regelmässig  in  ziemlich  hohem  Prozentsatz  und  auch  in  guter 
Jahreszeit  und  auch  in  grossen,  gut  gelüfteten  Arbeitsräumen  er- 
krankt sind,  so  müssen  wir  annehmen,  dass  für  gewöhnlich  chlor- 
saures Kali  nur  in  fester  Gestalt  auf  die  damaligen  Phosphor- 
zündholzarbeiter zur  Wirkung  gekommen  ist. 

Einzig  nur  bei  Annahme  der  Einwirkung  des  Giftes  in  fester 
Gestalt  ist  es  erklärlich,  dass  zwar  verhältnismässig  viele,  aber  doch 
nicht  die  grosse  Mehrzahl  oder  alle  der  damaligen  Zündholzarbeiter 
erkrankt  sind. 

Einzig  nur  bei  der  Annahme,  dass  in  unsauber  gehaltenen 
derartigen  Fabrikräumen  die  Arbeiter  durch  Einatmen  von  Staub 
mit  Gehalt  an  chlorsaurem  Kali  oder  andern  Giftstoffen  oder  durch 
Ablagerung  solchen  Staubes  auf  ihrer  Gesichtshaut , auf  ihren 
Händen,  auf  ihren  Haaren  und  Kleidern,  und  sofern  sie  in  den 
Fabrikräumen  ihre  Mahlzeit  einnahmen,  bei  der  Arbeit  ihr  Essen 
neben  sich  stehen  hatten,  auch  durch  Ablagerung  solchen  Staubes 
auf  ihre  Speisen  allein  und  ausschliesslich,  nicht  aber  durch  Ein- 
atmung der  Fabrikluft  überhaupt  vergiftet  wurden,  ist  es  erklärhch, 
dass  gerade  in  solchen  Zündholzfabriken,  welche  eine  in  Beziehung 
auf  Lüftung  ungemein  günstige  Lage  hatten,  sonst  aber  in  nichts 
von  andern  ähnlich  gelegenen  Fabriken  sich  unterscheiden,  häufigere 


Die  gesundheitliche  Bedeutung  der  Zündholzfal)rikation. 


181 


Erkrankungen  der  Arbeiter  haben  Vorkommen  können,  als  in  Fa- 
briken, welche  bei  sonst  gleichen  Verhältnissen  in  Beziehung  auf 
Lüftung  weniger  günstige  Lage  gehabt  haben. 

Einzig  nur  bei  der  Annahme,  dass  nicht  schädliche  Dünste, 
sondern  Staub  in  der  Fabrikluft  die  Arbeiter  krank  macht,  ist  es 
erklärlich,  dass  selbst  in  unsauber  gehaltenen  Fabriken  nicht  alle 
Ai’beiter  im  gleichen  Raum  mit  gleicher  Beschäftigung  in  gleicher 
Weise  gefährdet  waren. 

Da  unsere  neuesten  phosphorfreien  Streichzündhölzchen  ganz 
ebenso  wie  die  ersten  Chlorzündhölzchen  zu  Dietls  Zeiten  in  ihren 
Zündköpfchen  hauptsächlich  chlorsaures  Kali  enthalten,  so  müssen 
wir  uns  die  Frage  vorlegen: 

Sind  auch  in  gutgeh  alte  neu  Chlorzündholzfabriken 
von  li  e u t z u t a g e die  Arbeiter  gefährdet? 

Die  Antwort  lautet:  Werden  die  Arbeitssäle  reinlich  und  die 
Luft  in  denselben  staubfrei  gehalten,  so  können  nur  diejenigen 
Arbeiter  in  Chlorzündholzfabriken  in  Gefahr  kommen,  infolge  ihrer 
Beschäftigung  mit  chlorsaurem  Kali  zu  erkranken,  welche  un- 
geschickt bei  ihrer  Arbeit  und  unsauber  an  ihrem  Leibe,  in  ihren 
Kleidern  und  in  ihrer  Wohnung  sich  halten. 

Diejenigen  Arbeiter,  welche  von  Hause  aus  sauber 
gewöhnt,  gut  erzogen  und  vorsichtig  bei  der  Arbeit 
sind,  können  ebensogut,  als  die  Apotheker  und  die 
gebildeten  Fabrikherren  und  die  Un t er suchungs Che- 
miker und  die  Studierenden  in  den  Laboratorien  jahr- 
aus und  jahrein  viele  Jahre  lang  täglich  mit  den  ge- 
fährlichsten, nicht  verdunstenden  Giftstoffen  ohne 
Schaden  hantieren,  in  der  Chlorzündholzfabrik  ar- 
beiten so  lange  sie  wollen,  ohne  in  ihrer  Gesundheit 
gefährdet  zu  werden;  — weil  aber  ja  immer  eine  be- 
deutende Zahl  der  Zündholzarbeiter  die  genann- 
ten Bedingungen  eben  nicht  erfüllen  wird,  so  muss 
man  darauf  gefasst  sein,  selbst  in  besteingerichteten 
und  gut  erhaltenen  C hl  o r z ü n dh  o 1 z f a b r i k e n aucli 
heute  noch  der  Dietls  dien  Krankheit  zu  begegnen. 

Eine  der  hauptsächlichsten  Gelegenheiten  zu  Verunreinigungen 
der  Hände  und  dadurch  aufh  des  Mundes  u.  s.  w.  durch  Giftstaub 
I in  Zündholzfabriken  ist  den  Schachtelfüllerinnen,  welche  einen  sehr 
i grossen  Teil  der  Arbeiterschaft  einer  Zündholzfabrik  ausmachen, 
dadurch  gegeben,  dass  sie  genötigt  sind  — oft  mit  schweissigen 
Händen  — die  Hölzchen  mit  den  Köpfchen  nach  oben  in  die 


182 


F.  Kis. 


Schachteln  zu  füllen,  und  durch  Aufdrücken  mit  der  flachen  Hand 
die  Köpfchen  in  die  Schachtel  hineinzudrücken. 

Berichte  aus  Fabriken  chlorfreier  Phosphorhölzchen. 

Es  liegt  deren  eine  ganze  Reihe  aus  den  40er  Jahren  vor 
von  Zürich,  Nürnberg,  Wien,  Paris,  Berlin  und  Waldmichelberg 
in  Hessen.  Aus  allen  diesen  Berichten  geht  einhellig  hervor,  dass 
die  reinen  Phosphordämpfe  und  der  Aufenthalt  in  den  Phosphor- 
hölzchenfabriken keinen  besonderen  nachteiligen  Einfluss  auf  die 
Gesundheit  der  Arbeiter  ausüben,  im  Gegenteil  für  die  Gesundheit 
derselben  eher  vorteilhaft  zu  sein  scheinen.  Unter  den  viel  Tausen- 
den von  Arbeitern,  deren  grösster  Teil  aus  schwächlichen  Personen 
und  Kindern  besteht  — weil  eben  die  Arbeit  eine  leichte  ist  — , 
wurden  zwar  einige  wenige  Fälle  von  Kief erleiden  herausgefunden, 
das  Vorkommen  von  Brustleiden  wird  aber  im  Gegensatz  zu  den 
Berichten  Gendrins  und  Dietls  geradezu  in  Abrede  gestellt. 

Es  erhellt  somit,  dass  für  die  Brustleiden  und  die  Allgemein- 
erkrankung der  Arbeiter  in  Fabriken  chlorhaltiger  PhosjDhor- 
hölzchen  gar  nicht  der  Phosj)hor,  für  das  Grundleiden  Gendrins 
einzig  das  chlorsaure  Kali  beschuldigt  werden  kann,  und  die 
akute  Bronchitis  der  Phosphorzündholzarbeiter  von  Gendrin  durch 
Einatmung  von  schwefliger  Säure,  Salmiaknebel,  vielleicht  auch 
von  Phosphorverbindungen  verursacht  gewesen  ist.  Solche  husten- 
reizende Dämpfe  kamen  eben  bei  Anwendung  des  chlorsauren 
Kali  infolge  der  häufigen  Explosions- Verbrennungen  trocknender 
Zündhölzchen  damals  zur  Entwicklung.  Seit  Einführung  chlor- 
freier Phosphorhölzchen  kommen  Brustbeschwerden,  auch  solche 
an  die  sich  die  Arbeiter  allmählich  gewöhnt  hätten,  nicht  mehr 
vor,  trotzdem  die  chlorfreien  Phosphorzündmassen  einen  vielfach 
höheren  Phosphorgehalt  haben  als  die  chlorhaltigen.  Es  ist  somit 
eine  unrichtige  Annahme,  zu  behaupten,  dass  reiner  Phosphor- 
dunst  Husten  mache,  wovon  sich  jeder  Besucher  von  Arbeitssälen 
heutiger  Schweizer  Zündholzfabriken  überzeugen  kann ; den  Phos- 
phorzündholzarbeitern selbst  kommt  es  lächerlich  vor,  wenn  man 
dem  Phosphordunst  nachsagt,  er  könne  zum  Husten  reizen. 

Wie  steht  es  nun  mit  der  Häufigkeit  der  »Phosphornekrose«? 

V.  S chul t hen- Rech b erg  beginnt  seine  Schrift  über  Phos- 
phornekrose (Inaug.-Dissert.  aus  der  Klinik  von  Rose,  Zürich  1867) 
mit  den  Worten:  »Wenn  wir  es  unternehmen,  die  so  reiche 
Literatur  über  diesen  so  ausserordentlich  interessanten  Gegen- 
stand noch  zu  vermehren,  mag  diess  darin  seine  Entschuldigung 
finden,  dass  jetzt  für  manchen  namhaften  Chirurgen  das  Leiden 


Die  gesundheitliche  Bedeutung  der  Zündholzfabrikatiou. 


183 


fast  eine  Seltenheit  geworden  ist.«  ...  In  vielen  Ländern  ist 
die  Krankheit  fast  ganz  verschwunden. 

Prof.  So  ein  in  Basel,  welchem  ich  1887  meine  Schrift  »zur 
Geschichte  der  Phosphornekrose«  zugesendet  habe,  schrieb  mir 
zurück,  dass  er  noch  niemals  einen  Fall  von  Phosphornekrose  zu 
Gesicht  bekommen  habe,  und  alle  Schriftsteller  über  Phosphor- 
nekrose betonen,  dass  die  Erkrankungszahlen  gegen  früher  doch 
überall  abgenommen  haben. 

Pappenheim  schreibt  1859;  »Es  steht  unzweifelhaft  fest, 
dass  einzelne  Personen  20  .Jahre  lang  in  den  Fabriken  beschäftigt 
sein,  dass  sie  während  dieser  ganzen  Zeit  hohle  Zähne  haben 
können,  dass  das  Arbeitslokal  schlechte  Ventilation  habe,  die  der 
Fabrik  eigentümliche  Massenmischung  ein  auch  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  und  Lufttrockenheit  stark  dampfende  sein  kann,  dass 
die  Arbeiter  (generis  utriusque)  ohne  die  geringste  Sorgfalt  mit 
dem  Fabrikate  umgehen,  ohne  Kleiderwechsel,  ohne  Waschung 
aus  der  Arbeit  ans  Essen  gehen,  dass  sie  den  verschiedensten 
Lebensaltern  angehören  können:  ohne  dass  eine  SjDur  von  Kiefer- 
nekrose oder  Pespirationskrankheiten  sich  zeigt.«  — Er  führt  des 
weiteren  an,  dass  trotz  der  forwährend  bestehenden  Gelegenheit 
zur  Einverleibung  von  Phosphorsubstanz  in  den  Organismus  in 
den  Fabriken  jahrelang  kein  Kieferleiden  zur  Beobachtung  kommt, 
fügt  aber  dann  hinzu:  »Plötzlich  kommt  dann  in  einer  Zahl  von 
20  oder  mehr  Arbeitern  einer  mit  Intelligenz  und  Humanität  an- 
gelegten und  unterhaltenen  Fabrik  ein  Fall  von  furchtbarer  Nekrose 
des  Kiefers  vor! 

Oberamtsarzt  Dr.  Mayer  berichtet  1851  aus  sieben  1838 — 1840 
in  Ulm  entstandenen  Phosphorzündholzfabriken:  »Trotz  der  ebenso 
ungünstigen  äusseren  wie  inneren  Verhältnisse  ist  seit  Bestehen 
* der  hiesigen  Fabriken  innerhalb  13  .Jahren  unter  dem  weiblichen 
Personal  auch  nicht  eine  Erkrankung  an  Kiefernekrose  vorge- 
kommen. Während  der  gleichen  Zeit  sind  beim  gesamten  männ- 
lichen Personal  nur  3 am  Kiefer  erkrankt  und  mit  Verlust  eines 
Stück  Kieferknochens  ohne  wesentliche  Entstellung  davonge- 
kommen und  dennoch  gesund  geblieben.«  , 

Rechnet  man  alle  erhältliche  Berichte  zusammen,  so  kommt 
man  zu  dem  Ergebnisse,  dass  die  Erkrankungszahl  der  Zünd- 
holzarbeiter an  Phosphornekrose,  die  leichteren  Fälle  miteinge- 
rechnet,  jedenfalls  sehr  weit  zurückbleibt  hinter  den  Erkrankungs- 
zahlen der  Maler — Anstreicher  und  der  Schriftsetzer  und  Visiten- 
kartenmacher u.  s.  w.  an  Bleikrankl leit,  und  wahrscheinlich  nur 
recht  kleine  Bruchteile  eines  Prozentes  beträgt,  wenn  man  ein 


184 


F.  Ris. 


ganzes  Land  berücksichtigt;  dass  die  Erkrankungszahl  für  Phos- 
phornekrose selbst  dann  noch  nicht  ein  volles  Prozent  beträgt, 
wenn  man  nur  eine  einzelne  in  Beziehung  auf  ungünstige  Lebens- 
gewohnheiten der  Arbeiter  und  auf  mangelhafte  ärztliche  Besor- 
gung möglichst  schlimme  Gegend  in  Rechnung  nimmt,  und  selbst 
wenn  man,  wie  ich  es  fürs  Frutigthal  gethan  habe,  auch  die  ganz 
leichten  Fälle,  welche  gewöhnlich  nur  für  »Zahnweh«  gehalten 
werden,  mit  in  Rechnung  zieht,  1 *^/o  wahrscheinlich  nur  ausnahms- 
weise übersteigt. 

Können  Phosphordämpfe  die  Ursache  von  Kiefernekrose  sein? 

Prof,  .lüngken  in  Berlin  hat  1848  zu  Händen  eines  Gut- 
achtens der  obersten  preussischen  Medizinalbehörde  darauf  hin- 
gewiesen, dass  man  die  angebliche  Schädlichkeit  der  Phosphor- 
dämpfe denn  doch  noch  etwas  sicherer  nachweisen  und  begrün- 
den sollte,  als  durch  die  blosse  Erzählung  dessen,  was  man  in 
einer  Zündliolzfabrik  gerochen  habe. 

Würden  Phosphordämpfe  wirklich  Kiefernekrose  verursachen, 
dann  wäre  der  eigenartigen  Verhältnisse  der  Phosphorzündholz- 
fabrikation wegen  wirklich  kein  anderer  Weg  der  Abhilfe  möglich, 
als  gänzliches  Verbot  dieser  Fabrikation. 

Schon  Lorinser  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die 
Phosphormasse  auf  einzelne  Hölzchen  verteilt  der  grossen  Ober- 
flächenausdehnung wegen  noch  stärker  aus  dünstet  als  in  der  Tuiik- 
pfanne.  Diese  Ausdünstung  der  Phosphorhölzchen  dauert  auch 
nach  dem  Trocknen  derselben  in  den  Speichern  und  Verkaufs- 
läden noch  an. 

Pappenheim  schreibt  S.  333; 

»Ich  kenne  eine  Fabrik,  die  das  Unglück  der  Kiefernekrose 
bei  ihren  Arbeitern  schon  mehrfach  erlebt  hat,  deren  Masse  auch 
im  Verkaufsladen  stark  riecht  und  deren  Verkäuferin  im  Laden 
dennoch  schon  seit  vielen  Jahren  mit  schlechten  Zähnen  dem  Ge- 
schäfte unbeschädigt  vorsteht.  Dazu  ist  der  Laden  ein  sehr 
enges  Gemach,  in  dem  man  sich  kaum  umdrehen  kann,  und  einem 
mit  Zündwaren  überfüllten  Kasten  viel  ähnlicher,  als  einem  Ge- 
schäftslokale.« 

Man  liebt  es  aber,  auf  Tierversuche  sich  zu  berufen.  Bis  1856 
hat  man  immer  von  Bibras  Kaninchenversuche  als  beweisend  an- 
geführt. Seitdem  Trelat  1856  hierüber  gesagt  hat:  »Les  con- 

clusions  de  ces  experiences  nous  paraissent  nulles!«  schweigt  man 
hievon.  Seit  1872  aber  beruft  man  sich  auf  G.  Wegners  Kaninchen- 
versuche, welche  noch  weniger  gut  angestellt  sind,  als  diejenigen 


Die  gesundheitliche  Bedeutung  der  Zündholzfabrikation.  185 

des  Freiherrn  von  Bibra ; denn  man  darf  nicht  in  der  Kiste,  in 
welcher  die  Kaninchen  und  ihr  Futter  eingesperrt  sind,  so  viel 
Phosphor  in  festen  Stücken  frei  in  die  warme  Luft  verdunsten 
lassen,  dass  bei  beschränktem  Luftzutritt  an  die  kälteren  Wände 
Phosphor  (bezw.  Phosphorsäurestaub)  sublimieren  oder  an  dem 
kälteren  Boden  und  aufs  Futter  sich  niederschlagen  kann;  und 
noch  weniger  darf  man,  sollen  die  Versuche  für  Wirkung  der 
blossen  Phosphorsäuredämpfe  beweisend  sein,  auf  den  Boden  der 
Kiste,  wo  ja  auch  das  Futter  liegt,  »so  viel  oleum  phosphoratum 
ausgiessen,  dass  jederzeit  ein  deutlicher  Phosphorgeruch  vorhanden 
war«,  wie  dies  Wegner  gethan  hat.  Man  darf  ferner  nicht,  sollen 
die  Versuche  beweisend  sein,  den  Kaninchen  Zähne  ausziehen  und 
dabei  den  Kiefer  zerl'>rechen,  und  kann  nicht  in  dem  kleinen 
Kaninchenmaule  an  der  Innenseite  des  Kiefers  kleine  Stückchen 
Schleimhaut  ausschneiden,  »so  dass  die  Beinhaut  freiliegt«,  ohne 
eben  auch  die  Beinhaut  der  Zahnfächer  oder  diese  selbst  zu  ver- 
letzen. x4,uch  dürfte  man  nicht  die  vom  festen  oder  flüssigen 
Phosphor  auf  steigenden  Dünste  so  lange  in  der  Luft  lassen,  dass 
sie  vollkommen  zu  Phosphorsäure  verbrennen,  ehe  sie  zur  Ein- 
wirkung auf  den  Kiefer  gelangen. 

Einfachere  und  besser  beweisende  Versuche,  bei  denen  ver- 
dampfter, nicht  oxydierter  Phosphor  unmittelbar  aspiriert  wurde, 
sind  aber  am  Menschen,  an  sehr  vielen  Menschen,  an  sehr  vielen 
Orten,  durch  viele  Jahre  hindurch  in  den  Phosphorfabriken  ge- 
macht worden  und  haben  keine  Kiefernekrose  ergeben,  wie  man 
in  den  Annales  d’Hygiene  von  1846  S.  346,  bei  Dr.  Geist  S.  221 
bis  223,  und  ausführlicher  und  genauer  in  vielen  technischen 
Schriften  aus  den  30ger,  40ger  und  50ger  Jahren  nachlesen  kann. 

Dr.  Ebel  hat  schon  1851  den  Satz  aufgestellt:  »dass  die 
P h 0 s p h o r d ä m p f e nicht  die  Kiefernekrose  selbst  bei  schon  vor- 
handenen Krankheiten  und  kariösen  Zähnen  weder  begünstigen, 
noch  veranlassen«. 


Was  sind  Phosphordämpfe? 

Man  kann  über  Phosphornekrose  urteilen,  ohne  zu  wissen, 
was  eigentlich  Phosphordämpfe  sind;  aber  es  liegt  die  Frage  vor, 
ob  Genesende  auch  in  Phosphorzündholzfabriken  werden  arbeiten 
dürfen,  und  zu  deren  Beantwortung  ist  Einsicht  in  das  Wesen  der 
Phosphordämpfe  erforderlich. 

Bei  Liebig  a.  a.  O.  1854  heisst  es  S.  242 : »Der  Phosphor 

kann  sich  wegen  seiner  grossen  Verwandtschaft  namentlich  zu 
Sauerstoff  nie  frei  in  der  Natur  finden.« 


186 


F.  Eis. 


S,  256:  »Selbstentzündung  des  Phosphors  an  der  Luft  erfolgt 
leicht,  wenn  man  die  Oxydation  des  Phosphors  in  der  Luft  be- 
schleunigt durch  sehr  feine  Verteilung  und  grosse  Berührungsfläche.« 

S.  250:  »Der  Phosphor  ist  ein  sehr  leicht  oxydierbarer  Körper, 
der  sich  selbst  bei  0®  schon  mit  Sauerstoff  direkt  verbindet.« 

S.  255 : »An  der  Luft  oxydiert  sich  der  gewöhnliche  Phosphor 
bei  mittlerer  Temperatur  und  selbst  noch  einige  Grade  unter  Null.« 

Aus  diesen  Sätzen  folgt,  dass  in  der  Luft  der  Arbeitssäle  der 
Zündholzfabriken  freier  Phosphor  als  Phosphorgas  oder  in  feiner 
Verteilung  nicht  vorhanden  sein  kann;  also  auch  nicht  auf  diesem 
Wege  in  den  Mund  der  Zündholzarbeiter  gelangen  kann,  wie  man 
angenommen  hat  und  viele  noch  annehmen,  dass  das  geschehe. 

Wäre  wirklich  freier  Phosphor  in  feinster  Verteilung  als  so- 
genannter reiner  Phosphordampf  in  der  Luft  der  Arbeitssäle  der 
Zündholzfabriken  vorhanden,  so  müsste  solcher  an  kälteren  Wänden, 
an  kalten  Fensterscheiben,  an  kaltem  Fussboden  auch  sich  zeit- 
weise niederschlagen,  und  von  da  aus  bei  Wärmerwerden  wieder 
verdampfen.  Nun  heisst  es  aber  S.  253 : »Der  Phosphor  hat  seinen 
Namen  von  der  Eigenschaft  im  Dunkeln  zu  leuchten  erhalten. 
Das  Leuchten  dauert  fort,  so  lange  noch  Phosphor  verdampfen 
kann.« 

S.  254:  »Verschiedene  Gase  und  Dämpfe  verhindern,  wenn 
sie  auch  nur  in  geringer  Menge  der  Luft  beigemengt  sind,  das 
Leuchten  des  Phosphors« ; als  solche  Gase  oder  Dämpfe  werden 
genannt  z.  B.  Terpentinöldampf,  Chlorgas,  schweflige  Säure  u.  s.  w. 

Wäre  also  freier  Phosphor  in  der  Luft  der  Zündholzfabrik- 
säle vorhanden  und  keine  Beimengung  da,  welche  das  Leuchten 
verhindert,  so  würden  Fensterrahmen  u.  s.  w.  in  Zündholzfabriken 
zeitweise  des  Nachts  leuchtenden  Beschlag  gezeigt  haben,  selbst 
leuchtend  erscheinen  müssen.  Da  von  nirgendher  so  etwas  berichtet 
worden  ist,  so  haben  wir  einen  neuen  Grund  zu  der  Annahme, 
dass  für  gewöhnlich  freier  Phosphor  in  der  Luft  der  Zündholz- 
fabriksäle nicht  vorkommt,  also  auch  nicht  in  den  Mund  der  Ar- 
beiter  auf  diesem  Wege  hineingelangen  kann. 

Die  unterste  Ox}Mationsstufe  des  Phosphors  ist  das  Phosphor- 
oxyd. Bildung  von  Phosphoroxyd  aus  Phosphor  kommt  aber  nur 
infolge  beschränkten  Luftzutrittes  vor;  — »an  der  Luft  oxydiert 
sich  der  Phosphor  immer  sofort  zu  phosphoriger  Säure« ; s.  L. 
S.  255.  »An  der  Luft  — oxydiert  sich  der  gewöhnliche  Phosphor 
— unter  Verbreitung  eines  knoblauchartigen  Geruches  und  Bildung 
weisser  Nebel  von  phosphoriger  Säure,  welche  wie  der  Phosphor 
selbst  leuchten ; hiebei  bildet  sich  gleiclizeitig  Ozon,  dessen  Geruch 


IJie  gesundheitliche  Bedeutung  der  Zündholzfabrikation. 


187 


aber  wesentlich  verschieden  ist  von  dem  knoblauchartigen  der 
phosphorigen  Säure.  Ist  die  Luft  feucht,  so  ziehen  die  gebildeten 
Dämpfe  sogleich  Wasserdampf  an  und  zerfliessen ; die  Oxydation 
geht  dann  fort,  so  lange  Sauerstoff  vorhanden  ist.«  — 

Phosphoroxyd  ist  ausserdem  ein  fester  nicht  flüchtiger  Körper 
— — also  kann  auch  die  Angabe  des  Dr.  Geist,  dass  Phosphor- 
oxyd als  Dunst  in  der  Zündholzfabrikluft  vorkomme  und  neben 

dem  freien  Phosphor  das  gefährlichste  sei,  nicht  richtig  sein 

es  ist  weder  reiner  Phosphor  noch  auch  Phosphoroxyd  in  den  so- 
genannten Phosphordämpfen  der  Zündholzfabrik  enthalten. 

Aber  auch  die  phosphorige  Säure  kann  in  der  Luft  sich  nicht 
halten;  denn  die  vorige  Stelle  lautet  weiter:  »Bei  hinreichender 

Menge  von  Sauerstoff  zerfliesst  aller  Phosphor  zu  einer  sauren 
Flüssigkeit,  der  phosphatischen  Säure.« 

S.  241  werden  wir  dann  belehrt,  dass  phosphatische  Säure 
dasselbe  ist,  was  früher  als  acidum  phosphoricum  per  deliquium 
bezeichnet  und  arzneilich  gebraucht  wurde,  wahrscheinlich  ein  Ge- 
menge von  phosphoriger  und  Phosphorsäure  ist. 

Phosphorige  Säure  ist  früher  für  giftig  gehalten  worden,  die 
betreffenden  Versuche  stammen  aber  aus  einer  Zeit,  wo  häufig 
noch  Arsenik  im  Phosphor  enthalten  war,  und  bei  solchen  Ver- 
suchen das  so  sehr  giftige  Arsenwasserstoffgas  zur  Entwicklung 
gekommen  ist,  — seitdem  Schrötter  in  Wien  den  Phosphor 
nach  vielen  Richtungen  hin  überhaupt  erst  recht  erforscht  und 
uns  kennen  gelehrt  hat,  sind  die  Versuclie  wiederholt,  und  ist 
daraufhin  auch  von  Buchheim  phosphorige  Säure  für  ungiftig  er- 
klärt worden. 

Einige  erklären  auch  heute  noch  phosphorige  Säure  in  Menge 
flüssig  eingegeben  für  giftig;  doch  kann  uns  die  Losung  dieser 
Streitfrage  gleichgültig  sein,  so  lange  wir  von  Phosphordämpfen 
reden,  weil  in  der  Luft  eben  die  phosphorige  Säure  zu  Phosphor- 
säure verbrennt  und  abfällig  giftig  wirkende  Mengen  hier  niemals 
Vorkommen  könnten. 

Können  Phosphorsäm’edämpfe  in  der  Luft  sich  halten?  Es 
könnte  das  nur  geschehen,  wenn  Phosphorsäuredämpfe  Nebel 
bilden  würden. 

Nebel  bilden  können  gasförmige  Körper,  wenn  sie  aus  dem 
gasförmigen  Zustande  in  den  flüssigen  übergegangen  sind,  oder 
feste,  feine  staubförmige  Körper,  wenn  sie  Veranlassung  geben, 
dass  an  sie  anlasfernd  Nebelbläschen  sich  bilden. 

O 

Wasserfreie  Phosphorsäure  bildet  schneeähnliche  Flocken, 
kann  aber  für  uns  nicht  in  Betracht  kommen,  weil  sie  in  der  Luft 


188 


F.  Kis. 


sofort  Wasser  anzieht.  Wir  haben  es  mit  dreibasischem  Phosphor- 
säurehydrat zu  thun,  welches  sich  nach  L.  S.  329  bei  langsamer 
Oxydation  des  Phosphors  an  der  Luft  bildet. 

Diese  Phosphorsäure,  welche  allein  wir  zu  besprechen  haben, 
ist  aber  nicht  flüchtig,  kommt  in  der  Fabrikluft  nicht  gasförmig 
voi,  und  ist  auch  nicht  ein  fester  Körper,  — kann  also  gar  nicht 
Nebel  bilden;  so  dass  Phosphorsäuredunstnebel  überhaupt  gar 
nicht  Vorkommen  können;  obgleich  zugegeben  werden  muss,  dass 
in  Räumen,  wo  sehr  viel  Phosphor  verbrannt  wird  und  wo  sehr 
viel  Wassernebel  in  der  Luft  ist,  von  phosphoriger  Säure  her, 
welche  zu  Phosphorsäure  wird,  die  Bläschen  des  Wassernebels 
vielleicht  ein  wenig  phosphorsäurehaltig  werden  können  — und 
kann  für  uns  der  Fall  kaum  in  Betracht  kommen. 

Ganz  gewiss  ist  aber,  dass  zerstäubte  Phos23horsäure  — und 
andere  reine  Phosphorsäuredamj^fnebel  kann  es  nicht  geben  — in 
der  Luft  nicht  sich  halten  können  würden,  weil  eben  Phosphor- 
säure flüssig  und  schwer  ist  — selbst  allerfeinst  zerstäubte  Phos- 
phorsäure sinkt  schnell  zu  Boden.  Was  bleibt  jetzt  noch  übrig 
für  die  sog.  Phosphordämpfe? 

Sämtliche  Chemiker  sind  einig  darüber,  dass  bei  Verdunstung 
des  Phosj)hors  auch  Wasserstoffverbindungen  entstehen,  und  meist 
ist  auch  von  Ozonbildung  die  Rede. 

Durch  Arsenwasserstoffgasentwicklung  beim  Destillieren  des 
Phosphors  sind  schon  schwere  Zufälle  bei  Werkführern  und 
Arbeitern  aus  Phosphorfabriken  gemeldet  worden,  indem  Arsen- 
wasserstoffgas in  geringer  Menge  schon  äusserst  giftig  wirkt. 
Heutzutage  werden  wir  schwerlich  in  Zündholzfabrikluft  hiemit  zu 
thun  haben;  indem  schon  zu  Lorinsers  Zeit  Wiener  Pollack’scher 
Phosphor  arsenfrei  befunden,  und  zu  Ebels  Zeit  der  meiste  Phosphor 
arsenfrei  dargestellt  worden  ist.  Doch  halte  ich  es  für  sehr  wahr- 
scheinlich, dass  die  Verschiedenheiten  des  Geruches  von  Phosphor 
verschiedener  Herkunft  von  Beimischung  von  unwägbaren 
Mengen  von  Arsen,  Schwefel,  vielleicht  auch  Selen  und  dergl. 
zum  Phosphor  bedingt  werden  resjD.  von  Wasserstoff  Verbindungen 
derselben. 

Schwefelwasserstoffgas  kommt  in  Phosphorzündholzfabrikluft 
wohl  auch  nicht  in  solchen  Mengen  vor,  dass  wir  ärztlich  dasselbe 
weiter  zu  besprechen  haben. 

Phosphorwasserstoffgasverbindungen  giebt  es  verschiedene. 
Der  feste  Phosphorwasserstoff  kommt  für  uns  nicht  in  Betracht. 
Der  flüssige  Phosphorwasserstoff  (L.  S.  474)  ist  1845  von  Paul 
Thenard  entdeckt.  Es  giebt  aber  auch  Phosphorwasserstoffgas. 


Die  geBundheitliche  Bedeutung  der  Zündholzfabrikation. 


189 


Dr.  Geist  sagt  S.  229 : Keinem  Zweifel  scheint  es  zu  unterliegen, 

dass  das  Phosphorwasserstoffgas  eine  reizende  Einwirkung  auf  die 
Bronchialschleimhaut  nicht  ausübt.  Thenard  (s.  Roussel  S.  35), 
welcher  mit  seinen  Assistenten  im  Laboratorium  während  22  Mo- 
naten in  einer  mit  diesem  Gas  (gaz  hydrogene  protophosphore) 
geschwängerten  Atmosphäre  beschäftigt  war,  beobachtete  trotz  des 
.penetranten  und  unangenehmen  Geruches,  den  derselbe  verbreitete, 
niemals  Hustenanfälle  von  demselben.  Im  Gegenteil  kam  es  vor, 
dass  ein  50  Jahre  alter  Arbeiter,  seit  langer  Zeit  schon  mit  Katarrh 
behaftet,  vollständig  und  ohne  weiteres  Zuthun  geheilt  wurde,  als 
sich  tagtäglich  die  Atmosphäre  des  Laboratoriums  mit  diesem 
Gase  füllte.  Thenard  hält  daher  die  Wirkung  dieses  Gases  auf 
den  Organismus  vielmehr  für  eine  beruhigende,  als  eine  reizende.« 

Darf  man  Phosphorzündholzfabriken  in  Genesungswerkstätten 

umwandeln? 

Sobald  bewiesen  ist,  dass  die  Phosphorzündholzfabrikluft  nicht 
einen  schädlichen  Einfluss  auf  die  Arbeiter  ausübt,  so  bleibt  keine 
andere  Annahme  für  Entstehen  des  Kieferleidens,  als  dass  die  an 
diesem  Leiden  erkrankten  Arbeiter  Phosphormasse  in  fester  Gestalt 
auf  irgend  eine  Art  in  den  Mund  bekommen  haben  und  durch 
diese  festen  Phosphormasseteilchen  geschädigt  worden  sind. 

Um  das  Entstehen  der  Krankheit  verhüten  zu  können,  ist  es 
alsdann  gar  nicht  einmal  nötig,  genau  zu  wissen,  ob  Phosphor  als 
solcher  oder  als  Phosphorsäure  oder  als  phosphorige  Säure  oder 
wie  sonst  zur  Wirkung  gelangt;  wir  haben  nur  zu  verhüten,  dass 
den  Arbeitern  das  Gift  in  den  Mund  gelange.  Mit  welchen  Ge- 
legenheiten das  geschehen  kann,  das  haben  wir  im  Groben  schon 
bei  Besprechung  des  chlorsauren  Kali  erwähnt,  und  wissen  also 
auch,  was  dagegen  zu  thun  ist. 

In  gut  gehaltener,  sauberer  Phosphorzündholzfabrik 
ist  weiter  gar  nichts  nötig,  als  dass  die  Arbeiter  bei  ihrer 
Arbeit  dieselbe  Vorsicht  beobachten,  welche  auch  Maler, 
Anstreicher,  Schriftsetzer,  Visitenkartenmacher  und  Leute, 
welche  viel  mit  Bleiloth  zu  thun  haben,  und  andere  Ar- 
beiter, welche  mit  festen  oder  mit  flüssigen,  nicht  ver- 
dunstenden Giftstoffen  zu  thun  haben,  wie  z.  B.  Chlor- 
zündholzarbeiter ebenfalls  anwenden  müssen,  um  vor  Be- 
rufsleiden bewahrt  zu  bleiben. 

Ist  man  sicher  darüber,  dass  dies  der  Fall  ist,  so  steht  gar 
nichts  im  Wege,  Genesende  auch  in  Phosphorzündholzfabriken  zu 
beschäftigen ; — und  weniger  bemittelten  Kurbedürftigen  Gelegen- 


heit  zu  geben,  in  gutgehaltener  Phosphorzündliolzfabrik  in  schöner 
gesunder  Gebirgsgegend,  wie  z.  B.  im  Kanderthal  bei  Frutigen, 
saubere,  einfache  gute  Unterkunft  zu  finden  und  einen  Teil  der 
Kurkosten  dort  selbst  zu  verdienen. 

Die  Arbeit  in  Zündholzfabriken  ist  leicht  zu  erlernen  und 
fast  spielend  auszuführen,  geschieht  im  Stehen  und  gefährdet  in 
keiner  Weise  Brust  oder  Augen,  wie  eine  Sitzarbeit.  — 

Für  ganz  erwiesen  halte  ich  es,  dass  die  Phosphorluft 
in  den  Fabriksälen  auf  das  Befinden  Brustleidender, 
Keuchhustenkranker,  an  Rachenkatarrh  Leidender  einen 
günstigen  und  heilenden  Einfluss  ausübt;  nach  Lyoner  Aus- 
sagen (Dupasquier)  auch  an  gewissen  Hautkrankheiten,  was  ich 
selbst  in  Phosphorzündholzfabriken  beobachtet  habe. 

Stellt  man  den  Phosphor  recht  rein  dar,  beseitigt  den  Schwefel 
u.  s.  w.,  so  wird  auch  der  Geruch  in  Zündholzfabriken  niemandem 
mehr  unangenehm  Vorkommen. 

Was  ist  Phosphornekrose. 

Rose  hat  dieselbe  gut  beschrieben : 

1.  »Die  sogenannte  Phosphornekrose  zeichnet  sich  vor  andern 
Nekrosen  dadurch  aus : 

»Dass  der  Ausbruch  des  Leidens  meist  sehr  verspätet  nach 
dem  Beginne  der  Einwhkung  der  Phosphordämpfe  stattfindet ; 
ferner : 

»Dass  die  Verbreitung  von  dem  befallenen  Orte  des  Knochens 
auf  seine  Nachbarschaft  und  auf  seine  Nachbarknochen  sehr  lang- 
sam erfolgt;  endlich: 

»Dass  der  Verlauf  des  ganzen  Prozesses  in  der  Regel  ein  sehr 
schleichender  ist. 

»Während  bei  andern  Nekrosen  das  disseminierte  Auftreten 
und  der  schleichende  Verlauf  selten  ist,  scheint  das  hier  das  ge- 
wöhnliche zu  sein  und  den  einzigen  Unterschied  dieser  Nekrose 
zu  bilden.« 

2.  »Diese  Eigentümlichkeit  bringt  es  mit  sich,  dass  es  bei 
den  Kranken  manchmal  nur  zu  einer  einfachen  Paruhs,  oft  zu  einer 
ausgedehnten  Periostitis  oder  Osteomyelitis,  fast  stets  mit  Ausgang 
in  Nekrose  kommt.« 

3.  »Alle  diese  Formen  können  sich  zu  einer  bestimmten  Zeit 
des  Krankheitsverlaufes  gleichzeitig  an  den  verschiedenen  Knochen 
des  Gesichtes,  ja  oft  an  einem  Knochen,  z.  B.  dem  Unterkiefer, 
zusammen  zeigen. 

»Das  eigentümliche  Aussehen  der  Knochenpräparate  von 


Die  gesundheitlidie  Bedeutung  der  Zündholzfabrikation. 


191 


Phosphornekrose  scheint  sich  ebenso  darauf  zu  reduzieren,  dass 
an  einem  Knochen  gleichzeitig  diese  verschiedenen  Affektionen  zu 
sehen  sind.  Nekrosen,  Sequesterkapseln,  daneben  dicke  und  dünne 
Osteophytschichten,  mehr  oder  weniger  tiefe  Demarkationsgruben, 
Kloaken  und  leere  Plöhlen.« 

Rose  hätte  aber  noch  zufügen  können,  dass  der  Verlauf  der 
Kiefernekrose  bei  Phosphorzündholzarbeitern,  wenn  die  Sache  nicht 
gar  zu  schauderhaft  vernachlässigt  oder  auch  beliandelt  wird,  für 
i|  gewöhnlich  nicht  nur  ein  ungemein  schleichender,  sondern  auch 
ein  ungemein,  ganz  auffällig  milder  ist,  und  an  diesem  milden 
' Verlaufe  kann  gar  nichts  anders  schuld  sein,  als  die  Einwirkung 
der  Phosphorzündholzfabrikluft;  indem  bei  den  nekrosekranken 
Phosphorzündholzarbeitern  meistens  sofort  die  Schmerzen  sich  ver- 
mehren, sobald  sie  ihre  Arbeit  aufgeben,  und  fast  alle  oder  viel- 
j leicht  wirklich  alle  Fälle  akuter  Nekrose,  welche  von  Phosphor- 
I Zündholzarbeitern  gemeldet  worden  sind,  ihre  Entstehung  ausser- 
I halb  der  Fabrik,  während  der  Arbeitsferien  genommen  haben! 

Die  kranken  Arbeiter  wissen  das,  dass  sie  in  der  Fabrikluft 
am  wohlsten  sich  befinden,  und  deshalb  ist  es  allgemeine  Klage 
der  Aerzte,  dass  man  gerade  die  kranken  Phosphorzündholzarbeiter 
gar  nicht  von  ihrer  Beschäftigung  abbringen  kann! 

Und  was  ist  schuld  daran,  dass  der  Verlauf  der  Phosphor- 
nekrose in  der  Fabrikluft  ein  so  milder  ist  und  die  schon  l)e- 
stehenden  Schmerzen  den  Kranken  da  ganz  erträglich  werden  oder 
selbst  ganz  auf  hören? 

Die  mildernde,  fäulnis widrige,  desinfizierende  Einwirkung  der 
geringen  Mengen  des  Phosphorwasserstoffgases,  welches  in  der 
Fabrikluft  vorhanden  ist,  und  seiner  Begleiter,  vielleicht  des  Ozons 
u.  s.  w.  — — also  gerade  derjenigen  Gase,  um  derentwillen  man 
die  ganze  schweizerische  Phosphorzündholzindustrie  im  Namen 
der  Humanität  jetzt  totschlagen  will. 

Entstehung  der  Phosphornekrose. 

Ist  die  eigenartige  Kiefernekrose  der  Phosphorzündholzarbeiter 
wirklich  immer  nur  durch  Einbringen  von  Phosphormasse  in  den 
Mund  bedingt? 

Ich  halte  es  für  möglich,  dass  Jüngken  mit  seiner  Behauptung, 
j man  brauche  den  Phosphor  gar  nicht,  um  die  Kiefernekrose  der 
I Zündholzarbeiter  zu  erklären,  für  einzelne,  Helleicht  für  manche 
Fälle  recht  haben  kann. 

Weil  der  Phosphor  es  ja  gewohnt  ist,  dass  man  ihm  mehr  Böses 
nachsagt,  als  ihm  eigentlich  zukommt,  will  ich  folgendes  sagen: 


Einbringen  von  Phosphormasse  in  den  Mund  täglich,  be-  j 

ständig,  und  längere  Zeit  hindiirch,  aber  in  so  geringer  Menge,  | 

dass  die  gewöhnliche  Lebcnsthätigkeit  des  Körpers,  wde  schon 
Haltenhoh  gesagt  hat,  in  unauffälliger  Weise  dieselbe  für  die  all- 
gemeine Gesundheit  wirklich  unschädlich  macht,  kann  gleichwohl 
örtlich  an  einem  oder  an  mehreren  Zahnhälsen  Veränderung 
hervorbringen  — die  Ablagerung  von  Zahnstein  verursachen, 
indem  die  phosphorige  Säure  oder  die  Phosphorsäure  Kalk  aus  * 
den  Geweben  oder  aus  den  Mundflüssigkeiten  anzieht. 

Haftet  dieser  Zahnstein  recht  fest  am  Zahne,  so  kann  ver- 
möge der  beständig  wiederholten  Stösse,  welche  der  Zahn  beim 
Kauen  erfährt,  dieser  Zahnstein  den  Knochenrand  des  Zahnfaches 
wund  reiben  oder  wund  stossen;  ist  der  Zahnstein  zugleich 
schwammig,  — jeder  Zahnstein,  auch  der  härteste,  ist  in  gewissem 
Sinne  schwammig  — so  kann  vermöge  der  Flüssigkeiten,  mit 
welchen  er  durchtränkt  wird,  oder  vermöge  der  sicli  da  ansiedeln- 
den Pilze  die  blosse  Anwesenheit  des  Zahnsteins  auf  die  Nachbar- 
schaft Reiz  ausüben  — wir  haben  die  Riggs’sclie  Krankheit, 

Die  Riggs’sche  Krankheit,  wenn  sie  nicht  oder  nicht  richtig 
behandelt  wird,  macht  auch  Reizung  der  Beinhaut,  die  Beinhaut 
wird  saftiger,  der  Zahn  bekommt  zuerst  unmerklich  ein  wenig 
Spielraum;  er  wirkt  beim  Kauen  wie  eine  Saug-  und  Druckpumpe, 
kann  Mundflüssigkeiten  in  das  Zahnfach  hineinpressen,  aus  diesen 
Flüssigkeiten  kann  Zahnstein  im  Innern  des  Zahnfaches  entstehen 
und  Eiterung  erregen  — wir  haben  die  Haynes’sche  Krankheit. 

Der  gelockerte  Zahn  an  sich  oder  noch  leichter  mittels  an- 
gelagerten Zahnsteins  kann  beim  Kauen  wie  ein  verletzender 
Rammklotz  auf  die  Zahnfachwandung  wirken,  Pilze  oder  Mund- 
flüssigkeit können  ins  Gewebe  dringen,  wir  bekommen  Gewebe- 
vergiftung und  je  nach  Umständen  Zahnfachreizung,  Beinhaut- 
entzündung, Zahnfachnekrose,  Beinhautnekrose,  Kiefernekrose,  be- 
schränkte oder  vollständige,  schnell  verlaufende,  mit  Blutvergiftung 
oder  langsamer  und  milder  verlaufende,  letztere  natürlich  viel  eher, 
wenn  für  milde,  nicht  selbst  schadende  Desinficierung  beständig 
gewirkt  wird. 

Kann  das  nun  Phosphornekrose  genannt  werden , da  der 
Phosphor  doch  eigentlich  nur  die  Riggs’sche  Krankheit  verursacht 
hat,  und  alles  weitere  Schlimme  nur  Folge  der  Riggs’schen  Krank- 
heit ist? 

Dass  aber  Einbringen  von  Phosphormasse  in  den  Mund, 
auch  wenn  es  täglich  geschieht,  nach  Art  mancher  Zündholz- 
arbeiter Entstehen  Riggs’scher  Krankheit  verursachen  müsse,  das 


Die  gesundheitliche  Bedeutung  der  Zündliolzfahrikation. 


193 


kann  nicht  der  Fall  sein,  denn  sonst  würden  wir  dieses  Leiden 
bei  Pliosphorarb eitern  viel  häufiger  finden  müssen. 

Die  Riggs’sche  Krankheit  entsteht  übrigens  nicht  von  heute 
auf  morgen,  sondern  braucht  wenigstens  drei  Wochen  zu  ihrer 
Entwicklung,  womit  bewiesen  ist,  dass  Phosphornekrose  auch  bei 
nachlässigen  und  ungeschickten  Arbeitern  in  Phosphoi’zündholz- 
fabriken  leicht  verhütet  werden  kann. 


Ueber  Erysipel  der  Harnblase 


von 

l)r.  Anton  R.  v.  Frisch 

a.  ö.  Trofessor  der  Chirurgie  a.  d.  Universität  zu  Wien. 

Dass  nicht  nur  die  äussere  Haut,  sondern  auch  Schleimhäute, 
unter  Umständen  auch  eine  Serosa  von  Erysipel  befallen  werden 
können,  ist  eine  seit  langer  Zeit  bekannte  Thatsache.  Vollkommen 
unbekannt  war  es  aber,  dass  auch  die  Schleimhaut  der  Harnblase 
an  typischem  Erysipel  erkranken  kann,  und  ich  hoffe  somit  durch 
die  Publikation  der  nachfolgenden  Mitteilung,  wiewohl  dieselbe 
im  AVesentlichen  sich  auf  die  Schilderung  eines  einzigen  Krank- 
heitsfalles beschränkt,  einen  in  mannigfacher  Beziehung  interes- 
santen Beitrag  zu  unseren  Kenntnissen  von  den  Entzündungen  der 
Harnblase  zu  geben. 

Am  besten  gekannt  von  den  erysipelatösen  Schleimhaut- 
affektionen ist  der  Rotlauf  der  Rachenschleimhaut,  an  welche  sich 
zuweilen  in  continuo  eine  Erkrankung  des  Larynx  und  der  Bron- 
chien anschliesst.  Die  bekannten  grossen  amerikanischen  Epi- 
demien von  Schleimhauterysipel,  von  denen  HirsclU  in  seinem 
Handbuch  der  historisch-geographischen  Pathologie  eine  so  vor- 
treffliche Beschreibung  giebt,  zeigten  durchaus  als  primäres  charak- 
teristisches Symptom  eine  Affektion  des  Rachens,  die  mit  er- 
schwertem Schlingen,  dunkel  purpurfarbiger  Rötung  der  Schleimhaut 
mit  nachfolgenden  brandigen  Belegen  einherging,  und  im  weiteren 
Verlaufe  sich  auf  die  Trachea  oder  die  Nasenhöhle,  den  Sinus 
frontalis  und  die  Highmorshöhle  fortsetzte.  Nach  zwei  Tagen  oder 
noch  später  erst  gesellte  sich  zu  dieser  primären  Erkrankung  ein 
typisches  Hauterysipel,  welches  an  allen  Teilen  des  Körpers  vor- 
kam, vorzugsweise  allerdings  im  Gesicht,  wo  es  meist  von  den 
Nasenflügeln  oder  dem  Augenwinkel  den  Ausgang  nahm,  um  dann 


Heber  Erysipel  der  Harnblase. 


195 


in  gewöhnlicher  Weise,  zuweilen  über  den  ganzen  Körper,  weiter 
zu  wandern.  Hh’sch  bezeichnet  dieses  Erysipel,  welches  auf  der 
westlichen  Hemisphäre  und  speziell  in  Nordamerika  in  den  Jahren 
1822 — 1836  zuerst  epidemisch  auftrat,  um  erst  im  Anfänge  des 
sechsten  Dezenniums  zu  erlöschen,  als  Erysipelas  typhoides  oder 
malignum.  Volkmann teilt  über  diese  Form  von  Erysipel  mit, 
dass  die  Erkrankung  der  Haut  in  seltenen  Fällen  weit  ab  von 
der  primären  Infektionsstelle  (an  den  unteren  Extremitäten)  be- 
ginnt, und  dieselbe  nicht  selten  mit  Peritonitis  kompliziert  ge- 
wesen sei. 

Dass  die  Schleimhaut  wie  die  äussere  Haut  von  Erysipel  er- 
griffen werden  könne,  soll  nach  Wagner®  schon  Hippokrates  be- 
kannt gewesen  sein,  sicher  beschrieben  sind  solche  Fälle  von 
Sydenham,  van  Swieten  und  P.  Frank.  In  neuerer  Zeit  verdanken 
wir  genauere  Kenntnisse  über  diese  Erkrankung  den  Franzosen, 
vorzugsweise  CorniD.  Hesse®  beschreibt  eine  Reihe  von  Schleim- 
hauterysipelen gelegentlich  einer  Epidemie  von  Wundrose.  In 
den  zahlreichen  in  der  neueren  Litteratur  beschriebenen  Fällen 
von  Schleimhauterysipel  handelt  es  sich  fast  ausschliesslich  um 
das  Erysipel  des  Pharynx.  Alle  Beobachter  heben  als  charakte- 
ristisch die  intensive  purpurartige  Rötung  der  Schleimhaut  und 
den  starken  Glanz  derselben  hervor,  und  betonen  fast  einhellig, 
dass  die  spezielle  Natur  der  Krankheit  erst  dann  zu  konstatieren 
sei,  wenn  sie  auf  die  Haut  vorschreite,  oder  wenn  Albuinen  oder 
Milzschwellung  gefunden  werden  (Zuelzer®). 

Von  Interesse  erscheinen  mir  noch  eine  Mitteilung  von  Knee- 
land  (vergl.  Zuelzer  1.  c.)  und  von  Estländer  und  Wasastjerna ‘. 
Im  ersteren  Falle  handelt  es  sich  um  ein  Erysipel,  welches  sich 
nach  Abtragung  von  Excreszenzen  von  der  vulva  eines  Mädchens 
von  der  Operationsstelle  aus  entwickelte,  sich  über  die  Schleim- 
haut des  Uterus  bis  zum  Peritoneum  erstreckte  und  eine  tödlich 
endende  Peritonitis  hervorrief.  Es  wurden  also  Cutis,  Mucosa  und 
Serosa  in  continuo  von  der  Erkrankung  ergriffen.  Aehnliche  Fälle 
sind  selten,  in  der  Regel  beschränkt  sich  der  Prozess  auf  die 
Scheide,  auch  die  Harnröhre  kann  ergriffen  sein,  allein  über  eine 
erysipelatöse  Affektion  der  Blase  liegt  keine  Mitteilung  vor.  Im 
zweiten  Falle  wird  über  eine  direkte  Infektion  der  Rachenschleim- 
haut mit  Erysipel  nach  einer  Staphylorrhaphie  berichtet,  also  einen 
richtigen  Wundrotlauf  auf  der  Schleimhaut. 

Dass  es  sich  bei  verschiedenen  Formen  von  Schleimhaut- 
erysipel wirklich  um  Invasion  des  Fehleisenschen  Streptococcus, 
also  um  echtes  Erysipelas  migrans  handelt,  wurde  durch  mehr- 


196 


Anton  R.  v.  Frisch. 


fache  positive  Züchtungs-  und  Impfversuche  festgestellt.  So  ge- 
lang es  Biondi®  bei  einem  Falle  von  primärem  Larynxerysipel 
Reinkulturen  von  Streptococcen  zu  erzielen,  desgleichen  Israel  in 
einem  Falle  von  primärer  infektiöser  Phlegmone  des  Larynx  (mit- 
geteilt von  Landgraf^).  Finkler^®  züchtete  Erysipelcoccen  aus  dem 
Lungenexsudat  in  vier  Fällen  von  lobulärer  Pneumonie.  Hart- 
mann ^ ^ endlich  legte  Reinkulturen  von  Erysipelcoccen  aus  Schleim- 
hauterysipel an,  und  verimpfte  die  Kulturen  mit  positivem  Erfolg  auf 
die  Schleimhaut  des  Mundes  und  des  Genitalsystems  von  Kaninchen, 

Da  es  mir  in  meinem  Falle  gleichfalls  gelang,  sowohl  aus 
dem  Harn  als  auch  aus  dem  Secrete  der  Prostata  Erysipelcoccen 
rein  zu  züchten  und  mit  positivem  Erfolg  auf  Versuchstiere  zu 
verimpfen,  erscheint  es  zweckdienlich,  in  kurzem  auf  das  Vor- 
kommen von  Streptococcen  im  Harn  bei  verschiedenen  Infektions- 
krankheiten und  bei  Affektionen  des  Harnapparates  überhaupt 
einzugehen. 

Während  Philipe  wicz  nach  wies,  dass  bei  gewissen  Infek- 
tionskrankheiten (Milzbrand,  Rotz,  Tuberkulose)  die  pathogenen 
Organismen  auch  in  den  Harn  übergehen  und  es  Weichselbaum 
gelang,  bei  Endocarditis  ulcerosa  den  Streptococcus  pyogenes  aus 
dem  Harn  zu  züchten,  liegen  von  Neumann^'^,  der  eine  Reihe  von 
Erysipelfällen  in  Bezug  auf  das  Erscheinen  der  Erysipelcoccen  im 
Harn  untersuchte,  nur  negative  Ergebnisse  vor. 

Lustgarten  und  Mannaberg  haben  in  drei  Fällen  von  aku- 
tem Morbus  Brightii  lange  Streptococcen  im  Harn  gefunden. 
Reinkulturen  derselben  gelangen  nicht.  Tommasoli^®  wdes  im 
balanitischen  Eiter  sowie  im  gesunden  Präputialsack  das  Vor- 
kommen von  Streptococcen  nach.  Lundström  hat  aus  dem  Harn 
von  Cystitis  drei  Bakterienarten,  zwei  Staphylococcen  und  einen 
Streptococcus  (pyogenes?)  gezüchtet.  Erstere  (der  sie  enthaltende 
Harn  reagierte  alkahsch)  besassen  die  Fähigkeit,  Harnstoff  unter 
Bildung  von  Ammoniumcarbonat  zu  zersetzen,  der  streptococcen- 
haltige Harn  war  sauer,  stark  eitrig.  Während  bei  Einspritzung 
in  die  Harnblase  von  Kaninchen  mit  nachfolgendem  temporärem 
Verschluss  der  Urethra  die  Staphylococcen  Blasenreizung  nebst 
ammoniakalischer  Zersetzung  des  Harns  zur  Folge  hatten,  kam 
nach  Injektion  der  Streptococcen  zwar  Eiterung,  aber  keine  am- 
moniakalische  Zersetzung  des  Harnes  zustande.  Unter  die  Haut 
appliziert  riefen  die  Streptococcen  Eiterung  hervor.  Thorkild 
Rovsing  hat  im  Harn  bei  verschiedenen  Cystitisfällen  und  in  der 
normalen  Urethra  des  Mannes  drei  verschiedene  Formen  von 
Streptococcen  gefunden  (Streptococc.  pyogen,  citr.,  Str.  pyog.  ureae 


lieber  Erj'sipel  der  Harnblase. 


197 


und  Streptoc.  ureae  rugosus),  von  denen  zwei  Eiterung  erregend 
wirken,  wenn  nach  der  Einführung  in  die  Blase  eine  6 — 12stün- 
dige  Harnretention  eingeleitet  wird,  der  dritte  aber  gänzlich  in- 
different ist.  Es  kann  gar  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  es  sich 
bei  all  diesen  Streptococcusbefunden  niemals  um  den  Erreger  des 
Erysipels  gehandelt  hat.  Der  Vollständigkeit  halber  sei  noch  einer 
Publikation  von  Bumin  über  die  Aetiologie  des  puerperalen 
Blasenkatarrhs  gedacht.  Bumm  konstatierte  in  acht  Fällen  von 
puerperaler  Cystitis  das  konstante  Vorhandensein  eines  Diplococcus. 
An  Hunden  und  jungen  Ziegen  angestellte  Infektionsversuche  er- 
gaben, dass  dieser  Organismus  für  die  gesunde  Blasenschleimhaut 
schadlos  ist,  wohl  aber  eitrige  Cystitis  nach  vorausgeschicktem 
Trauma  der  Blase  zu  erregen  im  stände  ist.  Dieser  Befund  er- 
scheint um  so  merkwürdiger,  als  es  ja  ganz  sicher  steht,  dass  eine 
grosse  Zahl  der  Puerperalfieberfälle  auf  eine  Infektion  mit  Ery- 
sipelorganismen zurückzuführen  ist.  Ganz  zweifellos  wurde  der 
Beweis  hiefür  von  Winkel  erbracht,  der  aus  dem  Herzblute  einer 
im  Puerperium  verstorbenen  Person  Reinkulturen  von  Erysipel- 
coccen  erhielt  und  damit  typisches  Erysipel  bei  Kaninchen  er- 
zeugen konnte. 

Der  Fall  von  Blaseneiysipel,  welchen  ich  zu  beobachten  Ge- 
legenheit hatte,  betraf  einen  52jährigen  kräftigen  Mann,  welcher 
mit  chronischer  Prostatitis  seit  längerer  Zeit  in  meiner  Behand- 
lung stand,  sonst  aber  vollkommen  gesund  war.  Derselbe  hatte 
vor  20  Jahren  nach  einer  gonorrhoischen  Infektion  eine  akute  Pro- 
statitis mit  Abscedierung  und  Durchbruch  in  die  Blase  durchge- 
macht. Seither  kam  es  alljährlich  wenigstens  einmal  zu  kleineren 
Abscessbildungen  in  der  Prostata,  welche  nach  ein-  bis  zweitägigen 
leichten  Fieberbewegungen  zum  Durchbruch  in  die  Blase  führten. 
Der  Harn,  der  in  der  Regel  klar  war,  aber  stets  mehr  oder  weniger 
flockige  Beimengungen  enthielt,  war  dann  ein  bis  zwei  Tage  leicht 
getrübt.  Die  Schmerzen,  der  Harndrang  und  die  anderen  subjek- 
tiven Beschwerden,  welche  mit  der  Entstehung  eines  neuen  Abs- 
cesses  auftraten,  waren  jedesmal,  sobald  der  Harn  sich  trübe 
zeigte,  ebenso  wie  die  Temperatursteigerung  verschwunden,  und 
der  Patient,  der  diese  kleinen  Zwischenfälle  genau  kannte  und  über 
ihren  typischen  Verlauf  durch  die  langjährige  Erfahrung  informiert 
war,  befand  sich  dann  wieder  für  längere  Zeit  relativ  wohl.  Am  meisten 
gequält  wurde  er  durch  einen  lästigen,  durch  keine  Mittel  zu  be- 
kämpfenden Priapismus.  Die  Prostata  hatte  sich  infolge  der  zahl- 
reichen Entzündungsvorgänge  in  ihrer  Configuration  wesenthch 
geändert.  Beide  Lappen  erscheinen  geschrumpft,  an  der  Ober- 


198 


Anton  R.  v.  Frisch. 


fläche  höckerig,  stellenweise  grubig  vertieft.  Zeitweilig  litt  der 
Patient  an  übrigens  immer  rasch  vorübergehender  Harnverhaltung. 

Am  4,  Februar  1892  erkrankte  der  Patient  unter  heftigem 
Schüttelfrost  und  Erbrechen,  (Temp.  40,5)  ohne  dass  von  Seite 
der  Prostata  oder  der  Blase  irgendwelche  abnorme  Erscheinungen 
nachzuweisen  waren.  Tags  darauf  war  die  Temperatur  auf  38,7 
gesunken,  der  Kranke  klagte  über  Druck  im  Perineum,  vermehrten 
Harndrang  und  Brennen  in  der  Blase.  Die  Prostata  war  im  linken 
Lappen  auf  Druck  empfindlich  und  leicht  geschwellt.  Am  6.  war 
das  Fieber  geschwunden,  die  subjektiven  Beschwerden  hatten 
wesentlich  nachgelassen , im  Harn,  der  gleichmässig  getrübt  erschien, 
zeigte  sich  ein  eitriger  Bodensatz  und  es  schien  fast,  als  ob  es  sich 
nur  um  einen  der  gewöhnlichen  Zwischenfälle  gehandelt  hätte, 
als  am  8.  Februar  abends  neuerdings  ein  heftiger  und  lange 
dauernder  Schüttelfrost  auftrat  (höchste  Temp.  39,6) ; gleichzeitig 
bestand  heftiger  Harndrang;  die  Untersuchung  per  rectum  ergab 
keine  Schmerzhaftigkeit , keine  Schwellung ; der  Harn  enthielt 
Flocken  in  grosser  Menge,  war  sonst  klar  und  zeigte  geringen 
Albumingehalt.  Nachdem  die  darauf  folgenden  beiden  Tage  wieder 
vollkommen  fieberfrei  verlaufen  waren  und  die  Untersuchung  durchaus 
keine  Abweichung  von  dem  gewöhnlichen  Befunde  ergeben  hatte,  er- 
reichte die  Temperatur  am  11.  abends  40,7.  Es  erfolgte  neuerdings 
Erbrechen  und  bestand  andauerndes  Frösteln.  Die  Zunge  war  dick 
belegt;  die  Prostata  zeigte  eine  leichte  Schwellung  und  geringe 
Empfindlichkeit  im  rechten  Lappen,  Nachts  stellte  sich  auch  Harn- 
drang und  heftiges  Brennen  in  der  ganzen  Blase  ein.  Der  Harn 
war  leicht  getrübt,  eitrig. 

Am  12.  ist  der  Kranke  so^Dorös ; das  Fieber  bleibt  den  ganzen 
Tag  über  zwischen  39,7  und  40,5,  acht  Uhr  abends  halbstündiger 
heftiger  Schüttelfrost,  es  bestehen  heftige  Kopfschmerzen,  Schmerzen 
in  der  Milzgegend,  Hüsteln  (feinblasiges  Rasseln  in  beiden  Lungen), 
Zucken  mit  den  Händen ; am  Herzen  ist  nichts  nachzuweisen ; das 
quälendste  Symptom  aber  bleibt  nebst  dem  Harndrang  ein  continuier- 
licher,  intensiv  brennender  Schmerz  in  der  Blase.  Harn  stärker 
getrübt,  eiterig,  dementsprechend  vermehrter  Eiweissgehalt.  Am 
13.  morgens  ist  eine  deutliche  Milzschwellung  zu  constatieren ; 
leichter  Sopor  und  Zucken  in  den  Extremitäten  hält  an,  desgleichen 
der  heftige,  brennende  Schmerz  in  der  ganzen  Blase  sowie  der 
Harndrang,  welch  letzterer  durch  beträchtliche  Dosen  von  Opiaten 
interne  und  per  rectum  kaum  zu  beschwichtigen  ist.  Die  Unter- 
suchung der  Prostata  lässt  keine  weitere  Schwellung  erkennen, 
die  Druckempfindlichkeit  hat  abgenommen;  für  die  Vermutung, 


lieber  Erysiijel  der  Harnblase. 


199 


dass  es  sich  vielleicht  um  einen  grossem  Abscess  in  der  Prostata 
handeln  könnte,  finden  sich  keine  Anhaltspunkte.  Die  Unter- 
suchung des  Harnes  ergiebt:  dunkelgelb,  getrübt,  sp.  G.  1023, 
sauer;  Eiweiss  vorhanden,  Chloride  vermindert;  Sediment:  Eiter- 
körperchen, Plattenepithelien,  einzelne  Streptococcen ; von  anderen 
Bakterienarten  nichts  zu  finden.  Abends  ist  das  Sensorium  frei, 
Hüsteln  dauert  an ; Befund  auf  den  Lungen  und  am  Herzen  negativ. 

Am  14.  morgens  zeigt  sich,  nachdem  Patient  unter  den 
quälendsten  brennenden  Schmerzen  in  der  Blase  eine  schlaflose 
Nacht  verbracht,  an  der  vorderen  Fläche  des  linken  Unterschenkels 
eine  ungefähr  mandelgrosse  von  scharfen  zackigen  Rändern  be- 
grenzte, gerötete,  über  das  Niveau  der  normalen  Haut  leicht  pro- 
minierende, auf  Druck  empfindliche  Stelle ; eine  zweite  solche  erbsen- 
grosse findet  sich  einige  Zoll  darüber  in  der  Haut  über  der  spina 
tibiae.  Die  ganze  Erscheinungsweise  dieser  geröteten  Hautstellen 
erinnerte  in  so  prägnanter  Weise  an  ein  beginnendes  typisches 
Erysipel  der  Haut,  dass  ich  sofort  auf  die  Vermutung  kam,  dass 
es  sich  möglicherweise  um  ein  Schleimhauterysipel  in  der  Hai’ii- 
blase  handeln  könne,  welches  nun  metastatisch  auf  die  Haut  über- 
greift. Diese  Vermutung  wurde  noch  bestärkt  durch  den  Tags 
vorher  festgestellten  Befund  von  Streptococcen  im  Harne.  Die 
Infektion  der  Blase  war  offenbar  von  einem  Prostataabscess  aus- 
gegangen, oder  der  erysipelatöse  Prozess  hatte  in  der  Prostata 
selbst  begonnen  und  von  dort  auf  die  Blasenschleimhaut  in  con- 
tinuo  übergegriffen.  Bis  zum  Abend  desselben  Tages  war  über 
die  Diagnose  Erysipelas  migrans  in  der  Haut  des  Unterschenkels 
kein  Zweifel  mehr  möglich;  beide  gerötete  Stellen  hatten  sich 
ungefähr  um  das  vierfache  vergrössert  und  waren  mit  den  charakte- 
ristischen zackigen  und  buchtigen  Rändern  versehen.  Es  erschien 
mir  von  Wichtigkeit,  aus  dem  Harn,  eventuell  aus  dem  Secret  der 
Prostata  Kulturen  anzulegen.  Durch  Druck  auf  die  (übrigens  an 
diesem  Abend  wieder  stärker  und  gleichmassig  geschwellte)  Vor- 
steherdrüse gelang  es  zwei  Tropfen  einer  scldeimigeitrigen  Flüssigkeit 
am  orificium  urethrae  zum  Vorschein  zu  bringen,  w^elche  mit 
Platinoesen  aufgefangen,  in  verflüssigte  Fleisch wasserpeptonge- 
latine  übertragen  und  zu  Anlegung  von  Plattenculturen  verwendet 
wurden.  Der  Harn  wurde  centrifugiert  und  das  Sediment  gleich- 
falls auf  Platten  ausgesäet.  UeV)er  den  weiteren  Verlauf  der  Züch- 
tungs-  und  der  sich  daran  anschliessenden  Impfungsversuche  wird 
im  weiteren  berichtet  werden.  Die  mikroskopische  Untersuchung 
sowohl  des  Prostatasecretes  als  auch  des  Harnsedimentes  ergab  das 
Vorhandensein  von  Streptococcen. 


200 


Anton  R.  v.  Friscli. 


Am  15.  Februar  waren  die  beiden  erysipelatösen  Stellen  am 
linken  Unterschenkel  konHuiert.  Fieber  anhaltend  über  39.  Milz- 
schwellung zugenominen.  Sensorium  getrübt.  Die  brennenden 
Schmerzen  in  der  Blase  und  der  Harndrang  haben  etwas  nach- 
gelassen. Unter  vorsichtiger  Applikation  von  Cocain  wurde  in 
möglichst  schonender  Weise,  nachdem  die  Blase  ausgespült  und 
mit  circa  100  Gramm  einer  cocainhaltigen  2prozentigen  warmen 
Borsäurelösung  gefüllt  worden  war,  das  Cystoscop  eingeführt.  Es 
zeigte  sich  ein  Bild,  wie  ich  es  in  der  That  bisher  bei  keiner  Blasen- 
affektion gesehen  hatte.  Die  ganze  Blasenschleimhaut  war  intensiv 
hochrot,  an  einzelnen  Stellen  tiefblaurot  gefärbt  und  in  so  zahl- 
reiche stark  prominierende  Falten  gelegt,  dass  nur  Wulst  an  Wulst 
zur  Ansicht  kam.  Die  Oberfläche  war  überall  glatt,  leicht  öde- 
matös;  von  Gefässstämmchen  war  an  keiner  Stelle  etwas  zu  er- 
kennen, hingegen  fanden  sich  stellenweise  kleine  Ekchymosen; 
Ulcerationen  und  Belege  fehlten.  Der  Patient  vertrug  den  Eingriff 
gut,  behauptete,  dass  die  Untersuchung  ihm  keine  besonderen 
Schmerzen  verursacht  habe.  Am  Abend  desselben  Tages  zeigte 
sich  nach  vorhergangenem  kurzen  Schüttelfrost  eine  neue  erysipe- 
latöse  Hautstelle  in  der  Mitte  der  Vorderfläche  des  rechten  Ober- 
schenkels. Der  Harn  immer  noch  gleichmässig  getrübt,  eitrig; 
wurde  centrifugiert  und  das  Sediment  zur  Anlegung  neuer  Platten- 
kulturen benützt. 

Am  16.  gleichmässiges  Portschreiten  des  Erysipels  an  beiden 
unteren  Extremitäten,  Zustand  der  Blase  unverändert.  Am  17.  tritt 
vollständige  Anurie  ein,  mit  dem  Katheter  ist  kein  Tropfen  Harn 
zu  entleeren  (Verlegung  der  Ureterenmündungen  durch  die  stark 
geschwellte  und  gewulstete  Schleimhaut?),  Erysipel  in  der  Haut 
schreitet  typisch  weiter.  Am  18.  vormittags  ist  die  Blase  noch 
leer,  nachmittags  wurden  mit  dem  Katheter  150  Cc.  trüben,  dunklen 
Harns  entleert,  am  folgenden  Tage  tritt  unter  Nachlass  der  lokalen 
Schmerzen  und  des  Fiebers  Polyurie  ein  (Gesammtmenge  des  Harns 
2100  Cc.).  Derselbe  ist  sauer,  leicht  getrübt,  sp.  G.  1020,  Eiweiss 
in  geringer  Menge  vorhanden.  Sowohl  vom  Harn  dieses  Tages, 
sowie  von  dem  Tags  vorher  mittels  Katheters  entleerten  wurde 
das  Sediment  zur  Anlegung  von  Kulturen  verwendet. 

In  den  folgenden  Tagen  (19.  Februar  bis  1.  März)  schreitet 
das  Erysipel  über  die  hintere  Fläche  der  unteren  Extremitäten  und 
die  Gesässgegend  den  ganzen  Rücken  entlang  bis  zum  Hinter- 
haupt. Gleichzeitig  nehmen  die  Blasenbeschwerden  langsam  aber 
stetig  ab,  der  Eitergehalt  des  Harnes  wird  gering,  der  Eiweiss- 
gehalt ist  bis  auf  eine  minimale  Spur  verschwunden.  Im  Harn- 


Uel)C‘r  Erysipel  der  Hanil)lase. 


201 


Sedimente  treten  neben  Eiterkörperchen  und  Streptococcen  Epitliel- 
zellen  in  grossen  Mengen  auf . Dieselben  nehmen  in  den  nächsten  Tagen 
noch  an  Menge  zu  und  noch  nach  Wochen,  nachdem  die  Eiter- 
zellen längst  aus  dem  Harn  wieder  verschwunden  waren,  und 
keine  Spur  von  Eiweiss  mehr  nachzuweisen  war,  finden  sich  immer 
noch  reichliche  Massen  von  Blasenepithelien  im  Sediment,  so  dass 
man  es  offenbar  mit  einem  reichlichen  Abschilferungsprozesse  der 
Blasenschleimhaut  zu  thun  hatte.  Bei  einer  am  2G.  Februar  neuer- 
dings vorgenommenen  cystoscopischen  Untersuchung  zeigte  sich 
die  Blasenschleimhaut  noch  gleichmässig  intensiv  gerötet,  die  Ober- 
fläche derselben  erscheint  aber  nicht  mehr  gewulstet,  sondern 
gleichmässig  glatt.  An  einzelnen  Stellen  sind  kleine  Gefässver- 
zweigungen  sichtbar. 

Die  Temperatur  ist  bis  zum  1.  März  nicht  zur  Norm  zurück- 
gekehrt, sondern  immer  über  o8  geblieben;  am  Abend  dieses 
Tages  Schüttelfrost;  objektiv  nichts  zu  finden,  an  der  Prostata 
keine  neue  Schwellung  nachzuweisen,  Blasenbeschwerden  nicht 
vermehrt.  Am  2.  morgens  zeigt  sich  an  der  der  vorderen  Rumpf- 
fläche, die  bisher  vom  Erysipel  frei  geblieben  war,  und  zwar  rings 
um  die  linke  Mamilla  herum  eine  frische  kreuzergrosse  eiysipela- 
töse  Stelle,  der  am  3.  unter  neuerlichem  Schüttelfrost  eine  ganz 
symmetrisch  gelegene  an  derselben  Stelle  der  rechten  Brustgegend 
folgt.  Von  hier  aus  schreitet  nun  das  Erysipel  vom  3.  bis  10.  März 
unter  erhöhtem  Fieber  über  den  Bauch  nach  abwärts  und  über 
die  vordere  Halsfläche  nach  aufwärts  zum  Gesichte,  überschreitet 
noch  das  Gesicht  und  die  ganze  behaarte  Kopfhaut  und  blasst 
dann  plötzlich  unter  raschem  Temperaturabfall  und  einige  Tage 
andauernden  subnormalen  Temperaturen  allenthalben  ab.  Die 
Blasenbeschwerden  haben  inzwischen  vollkommen,  aufgehört,  der 
Harnbefund  ist  bis  auf  den  oben  erwähnten  reichlichen  Gehalt 
an  Epithelzellen  normal,  selbst  die  Flocken  sind  bis  auf  ein 
Minimum  geschwunden  und  der  Patient  ist  im  Verlaufe  von  weiteren 
14  Tagen  auch  in  seinem  Allgemeinbefinden  vollkommen  zur  Norm 
zurückgekehrt.  Von  Interesse  ist,  dass  auch  der  Priai^ismus  ver- 
schwunden ist  und  sich  seither  (es  sind  indes  über  4 Monate  ver- 
strichen) nicht  wieder  eingestellt  hat. 

Dieser  Krankheitsfall,  welcher,  wie  aus  dem  ganzen  Verlaufe 
hervorgeht,  wohl  ohne  Einwand  als  eine  primäre  erysipelatöse 
Erkrankung  der  Harnblase  aufzufassen  ist,  zeigt  in  mancher  Be- 
ziehung eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  jenem  Typus  des  Schleim- 
hauterysipels, wie  er  von  Hirsch  für  die  amerikanischen  Rachen- 
erysipele beschrieben  wurde.  Die  Erkrankung  in  toto  muss  als 


202 


Anton  R.  v.  Frisch. 


eine  sehr  schwere  bezeichnet  werden  und  kann  nach  ihren  Er- 
scheinungen ohne  Zwang  in  jene  oben  erwähnte  Form  von  malig- 
nem oder  typhoidem  Erysipel  eingereiht  werden.  Wie  beim  epi- 
demischen Pharynxerysipel  folgte  auch  hier  der  primären  Schleim- 
hauterkrankung ein  Erysipel  der  allgemeinen  Decke,  welches  im 
Verlaufe  von  4 Wochen  sich  über  die  ganze  Körperoberfläche 
erstreckte.  Als  ein  seltenes,  wenn  auch  schon  beobachtetes  Vor- 
kommen muss  der  Umstand  betrachtet  werden,  dass  das  Erysipel 
sich  nicht  in  Kontinuität  von  der  Schleimhaut  auf  die  äussere 
Haut  fortsetzte,  sondern  in  metastatischer  Form  an  mehrfachen 
Punkten  entfernt  von  dem  primären  Herd  auf  tauchte.  Diesen 
metastasierenden  Charakter  behielt  das  Erysipel  auch  später  noch 
bei,  indem  noch  in  der  dritten  Woche,  nachdem  es  schon  die 
ganze  hintere  Körperfläche  überzogen  hatte,  mitten  in  normaler 
Haut  ohne  irgend  einen  direkten  Zusammenhang  mit  schon  erkrankt 
gewesenen  Stellen  an  zwei  Punkten  der  vorderen  Thoraxfläche 
isolierte  Erysipelherde  auf  traten.  Ich  glaube,  dass  sich  diese  Er- 
scheinungsweise wohl  kaum  anders  erklären  lässt,  als  durch  die 
Annahme,  dass  die  Erysipelcoccen  von  der  Blase  aus  zunächst  in 
die  Blutbahn  und  von  hier  erst  in  die  entfernt  von  der  primären 
Infektionsstelle  gelegenen  Partien  der  Haut  gelangten.  Hiefür 
scheint  mir  auch  das  regelmässige  Auftreten  eines  heftigen  Schüttel- 
frostes zu  sprechen,  welcher  jedesmal  dem  Erscheinen  eines  solchen 
isolierten  Erysipelherdes  vorausging.  Wiewohl,  seit  der  spezifische 
Organismus  des  Erysipels  genau  bekannt  ist,  (Fehleisen,  R.  Koch) 
wiederholt  betont  wurde , dass  sich  seine  Vegetationen  in  der 
erkrankten  Haut  nur  auf  die  Lymphgefässe  beschränken,  liegen 
doch  aus  neuester  Zeit  eine  Reihe  von  Beobachtungen  vor,  welche 
sein  Auftreten  in  der  Blutbahn  immerhin  im  Bereich  der  Möglich- 
keit erscheinen  lassen.  Ausser  der  oben  citierten  Mitteilung  von 
Winkel  (1.  c.)  erwähne  ich  hier  noch  Befunde  von  Schönfeld 
Mircoli  Guarneri  und  v.  Noorden-"*,  welche  sämmtlich  den  Ueber- 
gang  des  Streptococcus  erysipelatis  in  die  Blutbahn  konstatieren 
konnten.  Es  erübrigt  mir  noch  in  kurzem  über  die  Resultate  der 
Züchtungs-  und  Impfversuche,  welche  mit  dem  Harnsedimente  und 
dem  Prostatasecrete  dieses  Kranken  angestellt  wurden,  zu  berichten. 

I.  Züchtungsversuche. 

1.  V e r s u c h s r e i h e. 
a)  llarnsedinient  vom  II.  Februar. 

I Platteiikultureu ; dieselben  zeigen  nach  18  Stunden  fast  ausschliess- 
lich Streptococcenkolonien ; bei  sclnvacher  Vergrössernng  zeigen  dieselben 
an  der  Peripherie  allenthalben  reichliche  vorragende  Ketten.  Anlegung 


lieber  Erysipel  der  Harnblase. 


203 


von  iStichkultnren , die  am  dritten  Tage  das  diarakteristische  Wachs- 
tum zeigen,  « 

b)  Prostatasekret. 

4 Plattenkulturen  mit  dem  gleichen  Eesultat. 

Ebenso  die  hieraus  gewonnenen  Stichkulturen. 

2.  Versuchsreihe. 

i ) Harnsediment  vom  15.  Februar. 

G Plattenkultui’en.  Ausser  spärlichen  an  der  Oherfläclie  gelegenen  und 
offenbar  aus  der  Luft  stammenden  fremdartigen  Kolonien  ausschliess- 
lich eine  reichliche  Aussaat  der  charakteristischen  Streptococcen. 
Anlegung  von  Stichkulturen. 

3.  V e r s u c h s r e i h e. 

d)  Harn  vom  18.  Februar. 

Erste  Entleerung  mittels  Katheters  nach  IV2  tägiger  Anurie,  5 Platten ; 
reichliche  Streptococcenkolonien ; Anlegung  von  Stichkulturen, 

4.  V e r 8 u c h s r e i h e. 

e)  Harn  vom  19.  Februar  (Polyurie). 

4 Platten ; Eprouvetten  waren  mit  dem  durch  die  Centrifuge  gewonnenen 
Sediment  beschickt.  Wenige  aber  deutliche  Kolonien  der  charak- 
teristischen Streptococcen. 

5.,  G.  und  7.  Versuchsreihe. 

f)  Harn  vom  23.  und  27.  Februar  und  vom  G.  5Iärz. 

.Te  4 Platten ; durchaus  negativer  Befund ; spärliclie  zufällige  Verun- 
reinigungen, aber  keine  Kettencoccen. 

II.  Infektionsversuche. 

1 . C u t a n e Impfungen. 

a)  !Mit  den  Stichkulturen,  welclie  aus  dem  Harnsechment  und  dem  Prostata- 
secret  vom  14.  Februar  gewonnen  worden,  wurden  je  3 Kaninchen  an  der  Spitze 
eines  Ohres  nach  oberflächlicher  Scarification  der  Haut  inficiert.  Bei  4 von 
(Uesen  Tieren  entwickelte  sich  nach  23  bis  52  Stunden  das  charakteristische  fort- 
schreitende Impferysipel,  welches  nach  5 — 7 Tagen  abgelaufen  war.  Kein  Ver- 
suchstier ging  zu  Grunde. 

b)  Drei  Kaninchen  wurden  mit  Stichkulturen,  welche  aus  dem  Haimsediment 
vom  15.  Februar  gewonnen  waren,  in  derselben  Weise  inflciert. 

c)  Drei  Kaninchen  desgleichen  mit  Kulturen  vom  18.  Februar, 

Bei  b und  c kam  es  bei  sämmtlichen  Versuchstieren  zu  denselben  positiven 
Ergebnissen  wie  bei  a.  Kein  Tier  starlj. 

2.  Injektionen  in  die  Harnblase. 

Injektionen  von  in  sterilisierter  Bouillon  auf  geschwemmten  Kulturen  vom 
14.  und  15.  blieben  wirkungslos,  wenn  nicht  gleichzeitig  durch  Abbindiing  der 
Urethra  eine  künstliche  Harnverhaltung  eingeleitet  wurde.  Bei  vier  Versuchs- 
tieren, bei  welchen  nach  Injektion  der  Kultur  durch  G — 12  Stunden  die  L^rethra 
ahgebunden  wurde,  entwickelte  sich  eine  eitrige  Cystitis.  Im  Sediment  des 
Harnes  fanden  sich  reichliche  Streptococcen.  Zwei  Tiere  wurden  am  dritten  Tag 
der  Erkrankung  getötet  und  die  Harnblase  in  Alkohol  gehärtet.  An  der  Schleim- 
liautoberfläche  der  gleichmässig  geröteten  und  geschwellten  Blase  waren  stellen- 
weise kleine  Excoriationen  und  Ek^hymosen  zu  bemerken.  Die  Untersuchung 
von  Schnittpräparaten  ergab  namentlich  an  solchen  Stellen  reichliche  Einwan- 


204 


Anton  K.  v.  Friscli. 


clerung  von  Streptococcen  ins  Gewebe.  Die  l)eiden  underen  Tiere  blieben  am 
Leben.  Am  7.  beziehungsweise  t).  Tage  schien  der  JTozess  abgelaufen  zu  sein. 

Aus  diesen  Versuchen  geht  hervor,  dass  in  dein  Harn-  und 
Prostatasekret  des  Patienten  ganz  zweifellos  der  tyj^ische  Strepto- 
coccus des  Erysipels  enthalten  war. 


L i 1 1 e r a t u r. 

‘ Hirsch,  Ilandbuch  der  historisch-geographischen  Pathologie.  2.  Aufl. 
II.  Bd.,  p.  275. 

“ Volkmann,  Erysipel,  Pitha-Billroths  Handbuch.  I.  Bd.,  2.  Abt. 

Wagner,  Krankheiten  des  weichen  Gaumens.  Ziemssens  Handbuch. 
Bd.  VII,  1.  Hälfte. 

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205 


Winkel,  Erysipelcoccen  als  Erreger  von  Puerperalfieber.  (Verhand- 
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med.  Wochenschrift,  1887). 


Ein  Fall  von  Oesophagus-Trachealflstel 
und  Stenose  des  Oesophagus 

von 

Dl.  A.  Breimer 

Primararzt  des  allg.  Krankenhauses  in  Linz  a.  d.  Donau. 

]\Iit  1 Abl^ildung  im  Text. 

Am  23.  Mai  1891  kam  die  24jährige  Anna  Förster  aus  Lausa 
in  Oberösterreich  mit  Erscheinungen  einer  Oesophagusstriktur  zur 
Aufnahme  in  das  Krankenhaus.  Ausser  Blattern  hatte  sie  keine 
schwere  Erkrankung  mitgemacht.  Mit  15  Jahren  traten  die  Menses 
auf  und  bheben  regelmässig  bis  vor  einem  Jahre.  Damals  blieben  sie 
ohne  rechte  Veranlassung  aus.  Der  Kranken  erwuchsen  hieraus 
keinerlei  Beschwerden. 

Die  Kranke  war  als  Dienstmagd  beschäftigt  und  hatte  sich 
bei  der  oft  recht  derben  Kost  gut  genährt.  Insbesondere  weiss 
sie  sich  nicht  zu  erinnern,  dass  sie  in  ihrer  Kindheit  oder  später 
an  Schlingbeschwerden  gelitten  hätte,  oder  dass  sie  langsamer  ge- 
gessen hätte  als  die  Anderen,  oder  dass  sie  beim  Essen  von  Husten- 
reiz überfallen  worden  wäre. 

Erst  vor  einem  Jahre  machte  sie  die  Wahrnehmung,  dass  ab 
und  zu  ein  Bissen  im  Speiseröhre  stecken  blieb  und  dass  sie  dann 
nichts  mehr  schlucken  konnte,  bis  sie  das  im  Oesophagus  Ange- 
sammelte erbrochen  hatte,  oder  bis  von  selbst  der  Weg  frei  wurde. 
Die  Beschwerden  steigerten  sich  ganz  allmählich.  Oft  dauerte  es 
3 — 4 Tage,  dass  die  Kranke  nichts  durch  die  Speiseröhre  durch- 
brachte, dann  ging  es  wieder  leidhch  gut,  doch  nahm  die  Ver- 
engerung stetig  zu,  bis  die  Kranke  nur  mehr  flüssige  Nahrung 
aufnehmen  konnte,  was  sie  schliesslich  ins  Spital  brachte. 


Oesophagus-Trachealästel  und  Stenose  des  Oesophagus. 


207 


Die  Kranke  erinnert  sich  nicht,  je  durch  eigene  oder  fremde 
Unvorsichtigkeit  ätzende  Flüssigkeit  geschluckt  oder  sich  anders- 
wie verletzt  zu  haben.  Trotz  der  geringen  Nahrungsaufnahme  sieht 
die  Kranke  gesund  und  frisch  aus,  hat  eine  elastische  Haut  und 
ein  massiges  Fettpolster. 

Das  Gesicht  ist  blatternnarbig,  die  Zähne  fast  alle  cariös  und 
ohne  Krone.  Die  Innenorgane  mit  Ausnahme  einer  kleinen  Lungen- 
spitzenaffektion  gesund,  das  Genitale  normal. 

Es  war  unmöglich,  eine  Schlundsonde  weiter  als  bis  in  die 
Gegend  unter  dem  Ringknorpel  einzuführen,  und  aus  der  Unter- 
suchung der  Halsorgane  ergab  sich  nicht  der  geringste  Anhalts- 
punkt für  die  Ursache  der  Stenose.  Es  war  keine  Geschwulst, 
keine  Schwellung  in  der  Gegend  des  Oesophagus  oder  der  Trachea 
wahrnehmbar  und  auch  die  Schilddrüse  zeigte  keinerlei  Verän- 
derung. 

Es  wurde  daher  am  27.  Mai  1891  der  Oesoj)hagus  in  typischer 
Weise  freigelegt  und  nun  neuerdings  die  Sondierung  versucht. 
Durch  Nachhilfe  von  aussen  gelang  es  jetzt,  die  Sonde  über  die 
Gegend  des  Ringknorpels  hinauszubringen,  doch  blieb  sie  in  der 
Gegend  ober  der  Brustapertur  neuerlich  stecken.  Es  wurde  nun 
die  hnke  Wand  der  Speiseröhre  durch  die  eingeführte  Sonde  vor- 
gedrängt und  zwischen  zwei  Fixationsnähten  der  Länge  nach  er- 
öffnet. Der  eingeführte  Finger  begegnete  dem  vom  Munde  ein- 
geführten Finger  der  andern  Hand.  Als  Hindernis  für  die  Sondierung 
musste  eine  starke  Verwölbung  des  Ringknorpels  und  eine  quere 
Schleimhautfalte  der  rechten  und  hinteren  Wand  des  Pharynx 
angesehen  werden. 

Nach  unten  gelangte  der  Finger  in  einen  Blindsack,  über  den 
es  kein  Vordringen  gab.  Es  wurde  daher  der  Längsschnitt  in  der 
Oesophaguswand  nach  unten  erweitert,  bis  sich  in  der  Tiefe  des 
Blindsackes  eine  feine , für  die  Knopfsonde  eben  durchgängige 
Lücke  zeigte.  Dieselbe  lag  nicht  in  der  Achse  des  oberen  Stückes 
des  Oesophagus,  sondern  etwas  nach  links  und  hinten  verschoben. 
Die  in  die  Lücke  eingeführte  Sonde  liess  sich  nach  allen  Rich- 
tungen hin  und  her  bewegen.  Die  Umgebung  der  Lücke  zeigte 
keinerlei  narbige  Veränderung.  Auf  einer  Hohlsonde  wurde  diese 
Lücke  etwas  nach  vorne  zu  eingeschnitten,  worauf  sofort  eine 
4 mm  dicke  Schlundsonde  und  nach  dieser  ein  ebenso  dickes 
Drainrohr  in  den  Magen  eingeführt  werden  konnte.  Eine  Erwei- 
terung der  Lücke,  sodass  ein  Finger  hätte  eingeführt  werden 
können,  wurde  aus  Sorge,  es  könnten  Einrisse  in  der  Oesophagus- 
wand entstehen,  unterlassen  und  die  allmähliche  Erweiterung  in 


208 


A.  Brenner. 


Aussicht  genommen.  Eine  Resektion  des  Stückes  im  Oesophagus, 
welches  zu  dieser  Lücke  verengt  war,  wäre  nur  unter  den  grössten 
Schwierigkeiten  ausführbar  gewesen,  da  die  Stelle,  in  der  Höhe,  des 
VI.  Halswirbels  gelegen,  nur  sehr  schwer  zugänglich  war. 

Es  wurde  also  das  Drainrohr  in  den  Magen  eingeführt  und 
durch  die  Halswunde  nach  aussen  geleitet,  Hals-  und  Oesophagus- 
wunde  bis  zur  Drainlücke  vernäht  und  die  Kranke  in  der  nächsten 
Zeit  durch  das  Drainrohr  ernährt.  In  der  dritten  Woche  jd.  o. 
wurde  das  Drain  anstandslos  durch  ein  dickeres  Rohr  ersetzt,  in 
der  vierten  Woche  wurde  das  Drain  entfernt,  die  Wunde  sollte 
sich  durch  Granulationen  schliessen  und  gleichzeitig  wurde  die 
Enge  des  Oesophagus  durch  Schlundsonden  in  aufsteigender  Dicke, 
vom  Munde  aus  erweitert. 

Mit  kleinen  Zwischenfällen  trat  die  Heilung  ein  und  es  konnte 
eine  fingerdicke  Sonde  durch  die  Speiseröhre  eingeführt  werden. 
Die  Kranke  konnte  feste  Nahrung  zu  sich  nehmen  und  es  wäre 
alles  gut  gewesen,  wenn  nicht  die  Sondierung  stets  mit  den  hef- 
tigsten Hustenanfällen  verbunden  und  der  Weg  durch  die  Enge  so 
schwierig  gewesen  wäre.  Ausserdem  litt  die  Kranke  unter  Husten- 
anfällen im  Anschlüsse  an  den  Schlingakt.  Schon  bei  der  Operation 
war  es  aufgefallen,  dass  bei  der  Sondierung  der  Lücke,  welche 
oberen  und  unteren  Oesophagus  verband,  so  heftige  Hustenstösse 
erfolgten,  dass  ich  glaubte,  ich  müsse  in  der  Luftröhre  sein.  Die 
Erklärung  hierfür  bot  erst  die  zweite  Operation. 

Vorläufig  verliess  die  Kranke,  nichtsehr  befriedigt,  am  19.  Juli 
das  Krankenhaus,  kehrte  aber  bereits  am  10.  August  wieder,  da 
die  Beschwerden  nahezu  die  frühere  Höhe  erreicht  hatten. 

Die  neuerlich  vorgenommene  Sondenkur  war  mit  den  alten 
Uebelständen  verbunden,  und  obwohl  eine  fingerdicke  Sonde  durch- 
ging, hatte  die  Kranke  keine  Besserung  ihres  Zustandes.  Es  wurde 
daher  am  7.  November  1891  auf  Wunsch  der  Kranken  der  Oeso- 
phagus in  der  alten  Narbe  eröffnet.  Schon  bei  Eröffnung  der 
Speiseröhre  pfiff  Luft  aus  derselben  heraus  und  es  war  leicht  zu 
erweisen,  dass  diese  aus  dem  unteren  Abschnitte  des  Oesophagus 
komme.  Die  Erweiterung  der  Oesophaguswunde  zeigte,  dass  die 
ursprüngliche  Strictur  des  Oesophagus  für  die  Sjutze  des  Zeige- 
fingers durchgängig  war,  doch  war  die  Umgebung  dieser  Stelle 
diesmal  narbig  verändert.  Die  Spaltung  des  Ringes  in  der  Ver- 
längerung der  Oesophaguswunde  machte  die  Unterbindung  der 
Art.  thyreoidea  inf. , die  gerade  hier  den  Verlauf  der  Speiseröhre 
kreuzte,  notwendig  und  legte  eine  halblinsengrosse  runde  Oeffnung 
bloss,  welche  die  vordere  Oesophagus-  und  die  hintere  Tracheal- 


2U9 


OcHoiiluigus-Trachealtistel  und  Stenose  des  Oesophajjus. 

wand  durchbohrte  und  von  dem  Saume  des  Ringes  nach  oben 
zugedeckt  war,  wodurch  sie  eben  bei  der  ersten  Operation  über- 
sehen wurde.  Die  Umgebung  der  Fistel  war  von  normaler  Schleim- 
haut bedeckt  und  so  ausserordenthch  empfindlich,  dass  es  trotz 
Narkose  nicht  möglich  war,  dieselbe 
anzufassen,  ohne  heftige  Hustenstösse 
auszulösen.  Erst  die  Einspritzung  von 
Cocainlösung  (5*^/o)  unter  die  Schleim- 
haut in  der  Umgebung  der  Fistel  machte 
es  möglich,  die  Ränder  derselben  an- 
zufrischen, die  Schleimhaut  des  Oeso- 
phagus etw’as  abzulösen  und  in  querer 
Richtung  durch  einige  Seidennähte  zu 
vereinigen.  Gleichzeitig  wurde  in  der 
hinteren  Hälfte  des  Ringes  ein  2 cm 
langer  Schnitt  angelegt,  hierauf  der 
Ring  etwas  gedehnt  und  die  Längsseiten 
des  Schnittes  in  querer  Richtung  ver- 
näht, wodurch  eine  Erweiterung  des 
Ringes  vermittelt  wurde.  Durch  die 
Wunde  wurde  ein  dickes  Drainrohr 
in  den  Magen  eingeführt,  der  Oesophagus  darüber  durch  mehrere 
Nähte  vereinigt,  die  Hautwunde  mit  Jodoformgaze  leicht  tam- 
poniert. Verlauf  der  Heilung  und  Ernährung  wie  nach  der  ersten 
Operation.  Am  3.  Dezember  wurde  das  Drain  für  immer  entfernt, 
die  Wunde  der  Schliessung  überlassen  und  die  Speiseröhre  durch 
Sonden  noch  etwas  erweitert. 

In  den  ersten  Tagen  merkte  die  Kranke  ab  und  zu  den 
Abgang  von  Luftblasen  durch  die  Wunde,  diese  Erscheinung 
trat  aber  immer  seltener  auf  und  schliesslich  ging  nach  Entfernung 
des  Drainrohres  die  Sondierung  und  auch  der  Schlingakt  ohne 
Hustenreiz  vor  sich.  Am  13.  Februar  1892  wurde  sie  mit  einem  für 
eine  fingerdicke  Sonde  durchgängigen  Oesophagus  geheilt  entlassen. 

Im  Juli  1892  stellte  sie  sich  wieder  vor.  Die  Narbe  am 
Halse  ist  weich  und  unempfindlich,  das  Aussehen  blühend,  der 
Schlingakt  nicht  ganz  so  gut  wie  vor  Beginn  der  Stenosenerscliei- 
nungen,  aber  zur  Zufriedenheit  der  Kranken. 

Die  Deutung  dieses  Falles,  für  den  ich  in  der  Litteratur,  so- 
weit sie  mir  zu  Gebote  steht,  keine  Analogie  finde,  ist  einiger- 
massen  schwierig. 

Zunächst  kann  man  wohl  ausschliessen,  dass  die  Striktur  in- 
folge von  Verletzung  entstanden  ist  — es  fehlte  bei  der  ersten 

U 


210 


A.  Brenner. 


Operation  jede  Narbe  und  es  erinnerte  sich  die  Kranke  absolut 
nicht  an  eine  Verletzung. 

Wenn  aber  die  Striktur  angeboren  ist,  dann  erscheint  es  noch 
rätselhafter,  wie  es  kam,  dass  20  Jahre  die  Ernährung  der  Kranken 
eine  normale  war  und  erst  im  21.  Lebensjahre  die  Striktur  zur 
Geltung  kam.  Es  wäre  möglich,  dass  der  King,  welcher  die  obere 
und  untere  Hälfte  des  Oesophagus  verband,  sich  plötzlich  verengte, 
oder  aber  dass  die  Muskulatur  des  Pharynx  auf  einmal  zu  schwach 
wurde,  um  die  Speisen  durch  den  engen,  aber  doch  dehnbaren 
King  hindurchzutreiben.  Weder  die  Anamnese  noch  die  Operation 
ergab  hierüber  einen  Aufschluss. 

Ebenso  wie  fm  die  Striktur  fehlt  für  die  Fistel  jede  andere 
Erklärung  als  die  des  angeborenen  Defektes.  Dass  sie  nämlich 
bei  der  ersten  Operation  nicht  entdeckt  wurde,  hat  seinen  Grund 
darin,  dass  ich  damals  nicht  wagte,  den  King  so  zu  erweitern, 
dass  der  Finger  hätte  eindringen  können.  Ausserdem  war  die 
Lücke,  wie  die  zweite  Operation  zeigte,  gedeckt  durch  die  Falte, 
welche  im  Umkreise  des  Kinges  den  oberen  vom  unteren  Oesophagus 
abgrenzte,  und  dadurch  war  auch  zu  erklären,  dass  der  Austritt 
von  Luft  durch  den  Oesophagus  nicht  auffallend  war.  Bei  der 
zweiten  Operation  war  der  King  schon  erweitert  und  der  erwähnte 
Saum  schon  verschmälert,  daher  die  V erbindung  von  Trachea  und 
oberer  Hälfte  des  Speiserohres  eine  leichtere. 

Auch  hier  drängt  sich  die  Frage  auf,  wie  das  Individuum 
das  Bestehen  der  Fistel  so  lange  ungestört  tragen  konnte.  Es 
dürfte  aber  die  Lage  des  Verengungsringes  erklärend  helfen.  Die 
Verengung  lag  oberhalb  der  Fistel  und  deckte  mit  dem  vorderen  Teile 
des  Kandes  die  letztere.  Ausserdem  lag  die  Lücke  zwischen  oberem 
und  unterem  Stück  des  Oesophagus  nicht  in  der  Achse  des  Speise- 
rohres, sondern  etwas  nach  links  und  hinten  verschoben,  sodass 
die  Speisen  gegen  die  hintere  Wand  des  unteren  Oesophagus-Ab- 
schnittes  geleitet  wurden  und  die  Fistel  sowie  ihre  empfindsame 
Umgebung  vermieden. 

In  der  That  hatte  ja  die  Kranke  nach  der  ersten  Operation 
sowohl  beim  Sondieren  als  beim  Schlingakte  Hustenreiz,  weil  eben 
der  Schutz,  den  die  Formation  des  Stenosenringes  bot,  durch  dessen 
Erweiterung  verloren  gegangen  war. 

Nach  König  (Krankheiten  des  Pharynx  und  Oesophagus, 
Deutsche  Chirurgie  1880)  bietet  die  Entwicklung  des  Oesophagus 
eine  Erklärung  für  unseren  Fall.  »Kölliker  beschreibt  den  Bildungs- 
» Vorgang  l)ei  den  Kaninchen  so , dass  sich  am  10.  Tage  diclit 
»hinter  dem  die  Kiemenspalten  zeigenden  Abschnitte  der  Vorder- 


Oesophagus-Trachealfistel  und  Stenose  des  Oesophagus. 


211 


»darm  in  einen  vorderen  und  hinteren  Teil  sondert.  Der  vordere, 
)>der  ventrale  Teil  ist  die  Anlage  für  Lunge  und  Luftröhre,  der 
»hintere,  der  dorsale,  die  für  den  Schlund  und  Oesophagus;  der 
»unterste  Abschnitt  des  ventralen  Teiles  dehnt  sich  bald  aus  zur 
»Lunge,  welche  in  jener  Zeit  aus  einem  Halbkanal  besteht,  der 
»aber  an  dem  unteren  Ende  in  zwei  senkrechte  Grübchen  ausläuft. 

»An  ihrer  dorsalen  Seite  steht  die  Urlunge  durch  einen 
»linearen  am  unteren  Ende  sich  erweiternden  Spalt  mit  dem  Speise- 
»rohre  in  offener  Verbindung.  Indem  nun  aus  dem  oberen  Ab- 
» schnitt  des  ventralen  Halbkanales  die  Trachea  wird,  welche  also 
»zunächst  in  gleichem  mit  dem  Schlundspeiserohr  kommuniziert, 
»bildet  sich  am  11.  Tage  eine  Abschnürung  beider  Gebiete.  Der 
»Vorderdarm  zeigt  jetzt  einen  vorderen  trachealen  und  einen  hinteren 
»ösophagealen  Abschnitt.  Die  Trennung  schreitet  von  hinten 
»nach  vorn  fort,  wird  nach  und  nach  vollkommener  bis  zum 
»Ostium  pharyngeum  laryngis.  Hier  bleiben  oberhalb  des  Kehl- 
»kopfes  Luft-  und  Speiseweg  ungetrennt.« 

Es  giebt  also  eine  Zeit  in  der  Entwicklung  dieser  Gebilde,  in 
welcher  dieselben  miteinander  kommunizieren.  Beim  Menschen 
dürfte  mit  Beginn  des  zweiten  Monates  diese  Kommunikation  nicht 
mehr  bestehen  (König).  Nichtsdestoweniger  giebt  es  Hemmungs- 
bildungen mit  Bestehenbleiben  einer  Kommunikation  zwischen 
Oesophagus  und  Trachea  (gewöhnlich  gehen  diese  Früchte  bald 
nach  der  Geburt  wegen  anderweitiger  Missbildungen  oder  durch 
Schluckpneumonie  zu  Grunde);  häufig  sind  aber  nach  König  diese 
Defektbildungen  damit  kompliziert,  dass  der  obere  Teil  des  Oeso- 
phagus blind  endet,  der  untere  Teil  aber  in  die  Luftröhre  oder 
ihre  Verzweigungen  mündet.  Dabei  ist  eine  Verbindung  zwischen 
dem  oberen  Blindsack  und  dem  unteren  Stücke  der  Speiseröhre 
meist  nachweisbar,  wenn  auch  nicht  in  Form  eines  Kanales. 

Denken  wir  uns  nun  die  Defektbilduug  in  der  Weise, 
dass  die  Kommunikation  zwischen  Trachea  und  Oesopha- 
gus blieb,  dass  aber  nebenbei  das  obere  und  untere  Stück 
des  Oesophagus  miteinander  in  Verbindung  traten,  wenn 
auch  nur  durch  eine  kleine  Lücke,  so  wäre  unser  Fall 
gegeben  und  in  Parallele  zu  stellen  mit  dem  von  König  ange- 
führten Fall  Lambs,  in  welchem  ein  7 Monate  altes  Kind  an 
Schluckpneumonie  zu  Grunde  ging  und  die  Sektion  einen  voll- 
ständig entwickelten  Oesophagus,  aber  7^  unter  dem  Ring- 
knorpel eine  3'"  lange,  V"  breite,  Fistel  zeigte,  welche  von  der 
Luftröhre  schief  nach  unten  in  die  Speiseröhre  führte. 


Bericht  über  die  an  der  Klinik  des  Prof. 
Billroth  in  Wien  im  Laufe  der  letzten 
25  Jahre  ausgeführten  Laparotomien 


von 

Dr.  F rauz  Haiisy  und  Dr.  Emil  Knauer, 

Operateure  der  Klinik. 


In  den  folgenden  Zeilen  soll  über  die  Laparotomien  der 
Klinik  berichtet  werden  in  der  Reihenfolge,  dass  zuerst  die  Ovario- 
tomien,  dann  die  Myomotomien  und  hierauf  die  Operationen  am 
Magen  und  Darm  besprochen  werden.  Auf  diese  folgt  die  Anführung 
der  Operationen  an  den  Nieren,  der  Leber,  der  Milz,  dem  Pancreas, 
dann  Exstirpationen  retroperitonealer  Tumoren,  diagnostische  Inci- 
sionen  und  vereinzelte  Operationen  am  weiblichen  Genitale,  die 
nicht  zu  den  Ovariotomien  oder  Myomotomien  gerechnet  werden 
konnten.  Wir  konnten  so  nahe  an  tausend  Fälle  von  Laparo- 
tomien zusammenstellen,  die  von  Billroth  und  seinen  Assistenten 
zum  grössten  Teil  auf  der  Klinik  ausgeführt  wurden,  während 
aus  Billroths  Privatpraxis  nur  eine  kleine  Zahl  von  meist  aus 
Publikationen  bekannten  Fällen  gewählt  wurde.  Uebergangen 
wurden  sämthche  Eröffnungen  des  Peritoneums  wegen  Hernien 
(Inguinal-,  Crural-  und  Ventralhernien  sowohl  Herniotomien  als 
Radikaloperationen),  ferner  Exstirpationen  von  Bauchdeckentumoren, 
sowie  Eröffnungen  des  Peritoneums  wegen  Exstiipatio  uteri  per 
vaginam  oder  wegen  Operationen  am  Rectum  und  an  der  Blase. 

Ueber  die  in  den  ersten  10  Jahren  ausgeführten  und  in  den 
Bereich  unserer  Besprechung  fallenden  Operationen  können  wir 
uns  auf  die  Mitteilung  der  Zahlen  beschränken,  da  dieselben  aus- 
führlich in  den  klassischen  Berichten  von  Billroth  erörtert  sind. 
Es  sind  dies  75  Ovariotomien  mit  44  Heilungen  und  31  Todes- 
fällen, 6 Laparohysterotomien  mit  1 Heilung  und  5 Todesfällen 


0 Chirurgische  Klinik.  Wien  1808,  1800 — 70,  1871 — 70. 


Bericht  über  die  an  der  Klinik  des  Prof.  Billroth  ausgeführten  Laparotomien.  213 

(der  letzte  7,  Fall  fällt  bereits  in  das  Jahr  1877  und  wird  von  uns 
an  anderer  Stelle  besprochen  werden),  1 Gastroraphie  mit  günstigem 
Erfolge  ^),  1 Exstirpation  und  1 Incision  mit  Drainage  der  hydro- 
nephrotischen  Niere,  beide  gestorben,  schhesshch  2 Exstirpationen 
von  carcinomatösen  Tumoren  des  Netzes,  gleichfalls  beide  gestorben. 
Die  Gesamtzahl  dieser  Fälle  beträgt  also  86  mit  46  Heilungen 
und  40  Todesfällen. 

Ovariotoiiiieii. 

Uebergehend  zu  unserem  Hauptthema  betreffend  die  Laparo- 
tomien vom  Jahre  1877  angefangen  bis  Ende  Juni  1892,  beginnen 
wir  mit  den  0 variotomien.  In  den  ersten  Jahren  hat  sich  in 
der  Operationstechnik  gegenüber  dem  in  den  erwähnten  Berichten 
mitgeteilten  Verfahren  kaum  etwas  geändert.  Die  Stielversorgung 
war  fast  ebenso  oft  eine  extraperitoneale  als  intraperitoneale, 
da  Billroth  auf  Grund  seiner  ersten  Erfahrungen  der  ersteren  Me- 
thode den  Vorzug  gab.  Der  Stiel  wurde  damals  entweder  ligiert, 
mit  Paquelin  oder  Messer  durchtrennt  und  versenkt,  oder  aber 
mit  den  S p e n c e r - AV  e 1 1 s ’ s c h e n Klammern  abgeklemmt  und 
extraperitoneal  versorgt. 

Die  wegen  gewisser  Vorzüge  anderwärts  schon  ziemlich  all- 
gemein geübte  Methode  der  intraperitonealen  Stielversor- 
gung verdrängte  vom  Jahre  1880  an  auch  an  unserer  Klinik  die 
extraperitoneale  ziemlich  vollständig  und  für  immer,  sodass  die  letz- 
tere nur  in  den  wenigen  Fällen  geübt  wurde,  in  denen  der  Uterus 
mitexstirpiert  werden  musste,  oder  wo  Reste  der  Cyste  nicht  mit- 
exsthpiert  werden  konnten,  oder  wo,  wie  in  einem  Falle,  sehr  starke 
Blutung  aus  dem  Stiele  die  extraperitoneale  Versorgung  desselben 
erforderte.  Die  intraperitoneale  Methode,  wie  sie  in  der  Zeit  von 
1880  bis  in  die  Gegenwart  geübt  wird,  hat  im  grossen  und  ganzen 
auch  keine  wesentlichen  Aenderungen  erfahren.  Grosse,  massige 
Stiele  werden  mit  der  schon  lange  in  Verwendung  stehenden  Bill- 
roth’schen  Klemmzange  zusammengepresst,  um  eine  Schnür- 
furche  zu  bilden,  und  dann  partienweise  mit  der  spitzstumpfen 
Nadel  umstochen  und  abgebunden.  Die  Durchtrennung  des  Stieles 
erfolgt  mit  dem  Messer  oder  Paquehn.  Bei  weniger  voluminösen 
Stielen  und  bei  fast  allen  Adhäsionen  ist  das  an  der  Klinik  geübte 
Verfahren  folgendes:  Nach  stumpfer  Freilegung  der  zu  durch- 
trennenden Partie  werden  an  dieselbe  drei  Klemmen  angelegt,  die 
mittlere  zur  Bildung  einer  Schnürfurche,  die  centrale,  um  den 

’)  Wo  Hier,  Die  Mageubauelnvandfistel  und  ihre  operat.  Heilung  nach  Prof. 
Billroths  Methode,  Langenhecks  Archiv  XX,  und  Billroth,  Ein  Beitrag  z.  d.  Op. 
a,m  Magen.  Gastroraphie,  Wiener  medizinische  Wochenschr.  1877,  Nr.  88. 


214 


Fr.  Hansy  und  E.  Knauer. 


Zufluss  des  Blutes  während  des  Knüpfens  abzuhalten  und  ein 
recht  festes  Anziehen  der  Ligatur  ohne  Durchschneiden  zu  er- 
möglichen, und  die  periphere,  um  eine  rückläufige  Blutung  aus 
dem  Tumor  zu  verhindern. 

Bei  Berücksichtigung  der  Resultate  finden  wir,  bei  einer  Zahl 
von  48  Cysten  und  5 malignen  Tumoren  der  Ovarien  mit  extra- 
peritonealer Stielbehandlung,  unter  den  ersteren  35  geheilte  und 
13  an  Peritonitis  gestorbene,  während  von  den  letzteren  alle  fünf 
starben.  Die  viel  grössere  Zahl  der  intraperitoneal  versorgten 
Cysten  ergiebt  302  mit  241  günstigen  Erfolgen  und  61  letalen 
Ausgängen,  die  der  Ovarialtumoren  fast  ausschliesslich  maligner 
Natur,  im  ganzen  37,  ergiebt  20  operative  Erfolge  neben  17  Todes- 
fällen. Nehmen  wir  noch  die  75  Ovariotoinien  vom  Jahre  1867  bis 
1876  dazu,  so  bekommen  wir  eine  Gesamtzahl  von  467  Ovario- 
tomien  mit  340  Heilungen  und  127  Todesfällen. 

Um  die  allmählich  zunehmende  Besserung  der  Resultate  be- 
sonders hervorzuheben,  bringen  wir  eine  Zusammenstellung  der 
Ovariotoinien  nach  Hundert,  wie  sie  zeitlich  aufeinander  folgten: 

Beim  ersten  Hundert,  vom  Herbst  1867  bis.  27.  Okt.  1877, 
kommen  auf  57  Heilungen  43  Todesfälle, 

beim  zweiten  Hundert,  bis  10.  Juni  1881,  auf  67  Heilungen 
33  Todesfälle, 

beim  dritten  Hundert,  bis  25.  Oktober  1884,  auf  79  Hei- 
lungen 21  Todesfälle, 

beim  vierten  Hundert,  bis  11.  Mai  1889,  auf  81  Heilungen 
19  Todesfälle 

und  bei  dem  letzten  noch  unvollendeten  Hundert,  bis 
29.  Juni  1892,  auf  56  Heilungen  11  Todesfälle. 

Von  weiteren  Operationen  an  den  Ovarien  wurde  nur  eine 
Kastration  wegen  Dysmenorrhoe  mit  ungünstigem  Erfolge 
ausgeführt,  Patientin  starb  an  Sepsis  (1878). 

Myomotoiiiieii. 

So  wie  bei  den  Ovariotoinien  wurde  auch  bei  den  Myomo- 
tomien  in  der  ersten  Zeit  bis  zum  Jahre  1880  die  extraperito- 
neale Methode  prinzipiell  geübt.  Eine  Ausnahme  machen  nur 
vier  Fälle,  von  denen  der  erste  von  Wölfler^)  publiziert  und  von 
Billroth  noch  in  seinem  Berichte  1871—76  erwähnt  wurde.  Wegen 
Kürze  des  Stieles  konnte  derselbe  nicht  extraperitoneal  versorgt 
werden  und  wurde  deshalb  an  den  Bauchdecken  fixiert.  Dieser 

Ein  Fall  v.  Lap.  Hysterotomie  samt  Exstirp.  beider  Ovarien  — Heilung. 
Langen!).  Archiv  für  klin.  Chir.  Bd.  XXI. 


Bericht  über  die  an  der  Klinik  des  Prof.  Billrotli  ansgeführten  Laparotomien.  215 

Fall,  welcher  eine  Mittelstellung  zwischen  intra-  und  extraperito- 
nealer Stiel  Versorgung  emnimmt,  gab  X)r.  H.  Klotz  ')  Veranlassung 
zu  Versuchen,  die  er  an  trächtigen  Hündinnen  anstellte,  um  zu 
kurze,  für  die  extraperitoneale  Versorgung  ungeeignete  Stiele  durch 
keilförmige  Excision  am  CerHx,  Vernähung  des  Stumpfes  und  Ver- 
senkung desselben  zu  versorgen.  Der  zweite  Fall  aus  dem  Jahre 
1879  ist  dadurch  bemerkenswert,  dass  der  Stumpf  keilförmig  ein- 
geschnitten, vernäht  und  versenkt  wurde,  während  in  zwei  an- 
deren Fällen  bei  dem  Uterus  gestielt  aufsitzenden  Fibromen  der 
dünne  Stiel  ligiert  und  versenkt  wurde.  Bei  der  ersten  extra- 
j)eritonealen  Stielversorgung  vom  14.  November  1874  wurde  der 
Pean’sche  Schlingenschnürer,  bei  den  zwei  nächsten  grosse 
Klammern  verwendet.  Bis  zum  Jahre  1878  wurden  dann  Ecra- 
seur ketten  um  den  Stiel  angelegt  und  bis  1880  nur  mehr  die 
Spencer-Wells’schen  Cystenklammern  verwendet.  Die  Zahl 
der  in  diesem  Zeiträume  extraperitoneal  behandelten  Uterusmyome 
beträgt  18  mit  9 Heilungen  und  9 Todesfällen. 

Im  Jahre  1880  ging  man  daran,  auch  bei  den  Myomotomien 
fast  ausschliesslich  die  intraperitoneale  Methode  zu  verwenden, 
ln  den  ersten  zwei  Jahren  wurde  dieselbe  in  der  Weise  ausgeübt, 
dass  Billrotli  behufs  Kompression  und  Verkleinerung  des  Stieles 
eigens  zu  diesem  Zwecke  angefertigte  grosse  Klemmen  ge- 
brauchte, um  die  Resorption  des  versenkten  Stumpfes  zu  er- 
leichtern. Von  18  in  dieser  Zeit  Operierten  starben  12. 

In  den  nächsten  -Jahren  1882—86  fand  das  Verfahren 
nach  Schröder  Anwendung,  und  wurde  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  geübt.  Als  dessen  Vorläufer  an  der  Klinik  können  die  oben  ] 

erwähnten  Versuche  von  Dr.  Klotz  und  der  eine  ebenfalls  an- 

I 

geführte  Fall  mit  keilförmiger  Excision,  Vernähung  und  Versen- 
kung des  Stumpfes  vom  Jahre  1879  betrachtet  werden.  Von  28 
nach  dieser  Methode  Operierten  starben  17,  fast  alle  an  septischer 
Peritonitis;  darunter  ganz  einfache  Fälle,  sodass  diese  Operations- 
methode als  zu  gefährlich  aufgegeben  wurde.  ! 

Neben  dem  Schröderschen  Verfahren  wurde  schon  in  den 
Jahren  1884  und  1885  je  ein  Fall  mit  »interparietaler  Suspen- 
sion-'<^)  operiert.  Diese  Methode  war  in  den  folgenden  Jahren  1886  ' 

und  1887  die  vorherrschende.  Die  Gesamtzahl  der  Operierten 

’)  Wien,  medic.  Woehenachr.  187ü,  12,  13,  15,  IG.  j 

l)r.  Wölf  1er.  Zur  Technik  der  supriiva<'inalen  Ampiitatio  uteri.  W.  med.  ( 

Woch.  1885,  Nr.  285.  — Dr.  v.  Hacker.  Zur  Technik  der  aupravaginalen  j 

Amputatio  uteri.  W.  med.  Woch.  1885,  Nr.  48.  — Dr.  Wölfl  er.  Zur  Suspension  i 

des  üterusstumpfes  nach  su[)ravag.  Amput.  W.  med.  Woch.  1885,  Nr.  49.  ' 


I 


216 


Fr.  Haiiöv  und  E.  Kiuiuer. 


beträgt  15,  von  welchen  4 an  septischer  Peritonitis,  und  1 an 
komplizierender  Cystopyelitis  zu  Grunde  gingen,  eine  entschiedene 
Besserung  der  Resultate  gegenüber  denen  bei  der  intraperitonealen 
Stielversorgung. 

Daneben  wurden  im  Jahre  1886  und  1887  in  vier  Fällen 
Enukleationen  von  Myomen  ausgeführt,  von  welchen  drei  ge- 
heilt wurden  und  einer  an  Peritonitis  tödlich  endete. 

Die  auffallend  ungünstigen  Resultate  des  Schröderschen  Ope- 
rationsverfahrens veranlassten  hauptsächlich  die  Rückkehr  zur  extra- 
peritonealen Stielversorgung,  die  in  den  Jahren  1888 — 1891 
wieder  die  herrschende  wurde.  Das  nun  eingeführte  Verfahren  ist 
dasselbe,  nach  welchem  auch  jetzt  noch  bei  der  extraperitonealen 
Stielversorgung  vorgegangen  wird.  Es  wird  der  Uterustumor  nach 
Lösung  allfälliger  Adhäsionen  vorgewälzt,  die  Ligamenta  lata  nach 
partienweiser  Abbindung  mittels  spitzstumpfer  Nadeln  beiderseits 
durchtrennt  und  um  den  Cervix  ein  gewöhnliches  Drain  oder  in 
neuerer  Zeit  eine  solide,  elastische  Schnur  fest  angelegt,  über 
welcher  die  Abtragung  des  Tumor  mit  dem  Messer  erfolgt,  worauf 
die  Schnittfläche  und  besonders  der  Cervicalkanal  mit  dem  Pa- 
quelin  verschorft  werden.  Mehrere  Male  wurde  der  Schlauch  um 
den  Uterus  samt  den  Adnexen  ohne  vorhergehende  Durchtrennung 
der  Ligamenta  lata  angelegt,  was  besonders  bei  sehr  geschwächten 
Kranken  wegen  der  rascheren  Vollendung  der  Operation  von  Vor- 
teil war.  Oberhalb  der  elastischen  Ligatur  wird  meist  eine  Stahl- 
nadel durch  den  Stumpf  gesteckt,  welche  auf  die  Bauchdecken  zu 
liegen  kommt  und  den  Stumpf  auf  diese  Weise  extraperitoneal 
fixiert.  Erwähnenswert  ist  hier,  dass  in  einem  Falle  der  Schlauch 
beim  Dm’chstossen  der  Nadel  durch  den  Stumpf  von  der  scharfen 
Spitze  der  ersteren  durchtrennt  wurde,  wodurch  es  zu  einer  vehe- 
menten Blutung  aus  dem  Stumpfe  kam,  welche  man  jedoch  durch 
rasches  Wiederanlegen  des  Schlauches  noch  beheben  konnte  und 
die  für  die  Patientin  von  keinem  weiteren  Nachteile  war.  Von 
besonderer  Wichtigkeit  ist  es,  bei  der  Fixierung  der  Stiele  an  den 
Bauchdecken  das  Peritoneum  parietale  innig  mit  dem  Peritoneum 
des  Stumpfes  u.  z.  unterhalb  der  Ligatur  zu  vereinigen,  um  die 
Entstehung  von  Ventralhernien  thunlichst  zu  verhindern.  Die 
Resultate  bei  diesem  Verfahren  haben  sich  wieder  wesentlich  ge- 
bessert; von  30  in  den  Jahren  1888 — 91  Operierten  wm’den  25  ge- 
heilt, nur  5 starben. 

Trotzdem  die  extraperitoneale  JMethode  immer  bessere  Resultate 
aufzuweisen  hatte,  herrschte  doch  das  Bestreben  vor,  zur  intra- 
peritonealen  Stiel  Versorgung  zurückzukehren,  weil  die  erstere 


Bericht  über  die  an  der  Klinik  des  Prof.  Billrotli  ausgefübrten  Laparotomien.  21  ^ 

mit  einer  Reihe  von  nicht  zu  unterschätzenden  Nachteilen  verbunden 
ist.  Solche  sind : Das  längere  Krankenlager  der  Patientinnen,  in- 
dem es  oft  sechs  Wochen  dauert,  bis  sich  der  Stiel  abstösst  und 
die  Kranken,  um  der  Entstehung  einer  Hernie  vorzubeugen,  die 
ganze  Zeit  im  Bette  zubringen  müssen;  langdauernde  Fisteln,  be- 
sonders auch  Uterusfisteln,  von  denen  eine  ein  ganzes  Jahr  dauerte ; 
Schmerzen  durch  Einziehung  der  Narbe;  Blasenstörungen  durch 
Hinaufziehung  und  Fixierung  der  Blase  an  die  Narbe  und  vor 
allem  Disposition  zu  Ventralhernien.  Es  wurde  nun  seit  etwa 
einem  Jahre  zu  einer  neuen  Methode  der  intraperitonealen  Stiel- 
versorgung übergegangen,  nämlich  der  nach  M a r t i n - C h r o b a k ^). 
Die  nach  derselben  operierten  sieben  Fälle  ergaben  fünf  Heilungen, 
zwei  starben  an  Sepsis. 

Neben  allen  diesen  nach  den  oben  genannten  Methoden  aus- 
geführten Myomotomien  wurde  eine  Reihe  atypischer  nicht  unter 
bestimmte  Methoden  einzureihender  Myomexstirpationen  voll- 
führt, so  dass  die  Gesamtzahl  aller  Laparomyomotomien  in  den 
Jahren  1867 — 1892  148  beträgt.  83  derselben  wurden  geheilt, 
65  starben. 

Von  Operationen  an  der  Gebärmutter  möchten  wir  hier  noch 
anschliessen : 2 Totalexstirpationen  des  carcinomatösen 

Uterus  nach  Freund-Billroth -),  beide  mit  letalem  Ausgange 
durch  eiterige  Peritonitis  und  Sepsis,  ferner  1 Suspensio  uteri 
wegen  Prolapsus  durch  subcutane  Verknüpfung  des  rechten 
Ligamentum  rotund.  mit  der  linken  Tube  über  der  Scheide  des 
Musculus  rectus  mit  operativem  Erfolge.  Endlich  können  mr  hier 
noch  2 Fälle  von  Exstirpation  eines  Fibrom  es  der  Liga- 
menta lata^)  anführen,  von  denen  der  erste  geheilt  wurde,  der 
andere  an  Peritonitis  starb. 

Operationen  am  Magen. 

Nach  Anführung  des  in  Bezug  auf  Zahl  der  Fälle  umfang- 
]'eichsten  Kapitels  der  Ovariotomien  und  Myomotomien  gehen  wir 
nun  zu  dem  für  unsere  Klinik  interessantesten,  weil  von  Billrot h 
hauptsächlich  zur  Ausbildung  gebrachten  Gebiete  der  Operationen 
am  Magen  über.  Sämtliche  bis  Oktober  1889  ausgeführten 
Magenresektionen  sind  in  zusammenfassender  Weise  von 

9 Prof.  Cliro))ak.  Z.  Exstirp.  uteri  inyoinat.  abdom.  Centralbl.  f.  Gynäk.  1891. 

‘^)  i k u 1 i c 7..  Ueber  die  Totalexstirpation  des  Uterus , Wien.  ined.  Woch. 
18S0  Kr.  47  und  Fortsetzung^. 

]M  i k u 1 i c z.  Casuistische  Beiträge  zur  Exstirpation  solider  Geschwülste 
des  Uterus  u.  d.  Lig.  lata.  W.  med.  Woch.  1879  Nr.  19  und  Fortsetzung. 


218 


Fr.  lliinsv  und  E.  Knauer. 


W ülfler ^),  V.  Hacker  -),  v.  Eiseisberg  und  Hofrat  Billroth ‘^) 
ausführlich  publiziert.  Von  der  ersten  im  Jahre  1881  ausgeführten 
typischen,  zirkulären  Pylorusresektion  wurde  bis  Oktober 
1889  diese  Operation  wegen  Carcinom  im  ganzen  24  mal  ausgeführt 
und  zwar  mit  10  Erfolgen. 

Atypische  Resektionen  wegen  Carcinom  mit  Gastro- 
enterostomie wurden  in  demselben  Zeiträume  zwei  ausgeführt  mit 
einem  Erfolge. 

Die  Zahl  der  wegen  Narben  ausgeführten  zirkulären 
Resektionen  beider  Serien  beträgt  sieben  mit  vier  Erfolgen,  die 
der  partiellen  Resektionen  wegen  Narben  vier  mit  einem 
Erfolge. 

Vom  Oktober  1889  bis  Juli  1892  wurden  nun  fünf 
typische,  zirkuläre  Resektionen  des  Pylorus  wegen  Car- 
cinom vorgenommen.  Bei  der  letzten  derartigen  Operation  gab  ein 
am  Uebergange  des  Magenfundus  in  die  Pars  pylorica  an  der  Cur- 
vatura  maior  sitzendes  Carcinom  das  erste  Mal  Veranlassung  zu  einer 
zirkulären  Continuitätsresektion  des  Magens  mit  vollständiger  Erhal- 
tung des  Pylorus.  Sämtliche  sechs  Fälle  ergaben  fünf  Erfolge. 

Eine  Magenresektion  mit  Gastroenterostomie  wurde  seit 
1889  nicht  ausgeführt.  Wegen  Narben  wurde  nur  2 mal  und  zwar 
die  typische,  zirkuläre  Resektion  gemacht  mit  einem  Erfolge. 

In  Bezug  auf  Methode  und  Technik  (provisorischen  Verschluss 
der  Lumina,  Schnittführung,  occlusive  und  zirkuläre  Nähte)  hat 
sich  in  den  letzten  Jahren  nichts  wesenthches  geändert,  und  können 
wir  zur  Vermeidung  von  Wiederholungen  auf  die  oben  erwähnten 
Publikationen  hinweisen. 

Die  Gesamtsumme  der  auf  der  Klinik  überhaupt  ausgeführten 
Magenresektionen  beträgt  demnach  45,  bei  welchen  man  22  Erfolge 
erzielte,  während  23  Patienten  starben. 

Bei  den  Gastroenterostomien  können  wir  uns  ebenfalls 
auf  die  Anführung  der  Zahlen  beschränken,  da  sich  in  der  Methode 
der  Ausführung  der  Operation  seit  dem  Erscheinen  der  erw^ähnten 
Publikationen  nichts  geändert  hat ^).  Es  wurden  bis  Oktober  1889 
ausgeführt : 19  Gastroenterostomien  mit  8 operativen  Erfolgen.  Zu 
diesen  kommen  bis  Juli  1892  18  Fälle  mit  12  Erfolgen.  In  9 Fällen 

y Wölfler.  lieber  die  Resektion  des  carc.  Pyl.  1881. 

9 V.  Hacker.  Die  Mageuoperationen  an  Prof.  Billroths  Kl.  1886. 

b V.  Eiseisberg.  IMagenresekt.  n.  Gastroent.  an  Prof.  Billroths  Klinik. 
Langenbecks  Archiv  XXXIX  4. 

Billroth.  Verhandlungen  am  X.  Internat.  Congr.  zu  Berlin  1800. 

■')  Zur  Ausfülu’ung  der  jüngst  von  Brenner  vorgeschlag.  Modilikation  der 
Gastroenterostomie,  s.  Wien.  klin.  Woch.  1892,  27,  war  bisher  noch  keine  Gelegenheit. 


Bericht  über  die  an  der  Klinik  des  Prof.  Billroth  ausgeführten  Laparotomien. 


219 


wurde  nach  V.  Hacker  operiert,  in  9 nach  Wölfler-).  Zusammen- 
gefasst beträgt  die  Zahl  der  Gastroenterostomien  37  mit  20  Hei- 
lungen und  17  Todesfällen. 

Die  ersten  4 Gastrostomien  in  den  Jahren  1880  bis  Juli 
1885  wurden  mittels  eines  Schnittes  parallel  dem  linken  Rippen- 
bogen nach  der  Methode  vonFenger  ausgeführt  und  zwar  2mal 
ein  zeitig  und  2mal  zweizeitig  mit  sekundärer  Eröffnung  des 
Magens^);  3 davon  starben  24  Stunden  bis  18  Tage  nach  der 
Operation  an  Inanition,  1 wurde  gebessert. 

Nun  folgt  eine  Reihe  von  Gastrostomien  nach  der  ]\I  e th  o d e 
von  Hacker  ■*)  mit  Sphincterbildung  aus  dem  Musculus  rectus 
abdominis.  Vom  Juli  1885  bis  14.  Oktober  1891  wurden  an  der 
Klinik  10  Fälle  nach  dieser  Methode  operiert.  Keiner  derselben 
erlag  direkt  den  Folgen  der  Operation,  sondern  der  Tod  trat 
kürzere  oder  längere  Zeit  nach  derselben  entweder  an  Inanition 
oder  infolge  Durchbruchs  des  Carcinoma  oesophagi  in  die  Pleura 
oder  Bronchien  ein. 

Neben  der  Methode  nach  Hacker  wurde  im  Jahre  1890  ein- 
mal nach  der  Methode  von  Hahn operiert.  Der  Patient  starb 
an  Peritonitis.  Im  Jahre  1891  und  92  wurde  3mal  die  Operation 
nach  WitzeH’)  ausgeführt  mit  1 Erfolge.  Patient  starb  8 Wochen 
nach  der  Operation  an  Carcinomatose.  Die  Ernährung  durch  das 
Drain  ging  bei  diesem  Patienten  sehr  gut  von  statten,  und  der 
Verschluss  der  Fistel  war  ein  vollkommen  exakter.  Auffallend  bei 
der  Sektion  war,  dass  der  Verlauf  der  Fistel  eine  fast  ganz  gerade 
Richtung  angenommen  hatte.  Das  gute  Funktionieren  derselben 
lässt  sich  wohl  nur  aus  dem  weiteren  Befunde  erklären,  dass  durch 
den  Uebergang  der  schiefen  Verlaufsrichtung  zur  geraden  eine 
Wulstung  und  nicht  unbedeutende  Verdickung  der  Magen  wand, 
respektive  ihrer  Muscularis,  zu  einem  förmlichen  Sphincter  zustande 
gekommen  war.  Von  den  übrigen  nach  Witzei  operierten  Fällen 
starb  einer  an  Peritonitis,  der  andere  am  Tage  der  Operation  an  Per- 
foration des  Carcinoms  in  die  Bronchien. 

*)  V.  Hack'er.  Z.  Cas.  u.  »Stat.  d.  Magenresekt.  u.  Gaytroent.  Verhandlungen 
(1.  deutschen  Ges.  f.  Chir.  1885. 

Wölfler.  Centralblatt  f.  Chir.  1881  Nr.  45  und  Verhandl.  d.  deutsch. 
Ges.  f.  Chir.  1888. 

”)  V.  Hacker,  1.  c. 

9 V.  Hacker.  Ueb.  d.  Verwendung  d.  M.  rect.  abd.  z.  Verschl.  d.  künstl. 
Magenfistel.  W.  ined.  Woch.  1880. 

— Ueb.  (1.  Erfolge  d.  Gastrost,  mit  Sphincterbildung  aus  d.  M.  rect.  abd. 
W.  klin.  Woch.  1800. 

*)  Eine  neue  ^Methode  d.  Gastrost.  Centralblatt  für  Chir.  1800,  11. 

'b  Z.  Technik  d.  blagenfistelanlegung.  Centralblatt  für  Chir.  ISOl,  .82. 


220 


Fr.  Haiisv  und  F.  Knauer. 


Von  den  im  ganzen  Zeiträume  ausgeführten  Gastrostomien 
verliefen  11  mit  operativem  Erfolge,  während  7 im  Anschlüsse  an 
die  Operation  starben. 

Von  weiteren  am  Magen  ausgeführten  Operationen  sind  zu 
erwähnen:  3 Gastro raphien,  der  erste  Fall  wegen  Ruptur  des 
Magens  nach  reichlicher  Mahlzeit  (Tod  an  Collaps  nach  4 Stunden); 
der  zweite  Fall  wegen  Schuss  durch  den  Magen  (Tod  an  Collaps 
und  Peritonitis  nach  28  Stunden)’);  der  dritte  Fall,  in  letzter  Zeit 
ausgeführt,  betrifft  eine  w'egen  derber  Schwiele  in  den  Bauchdecken 
operierte  Frau.  Bei  der  Incision  wurde  der  mit  der  Schwiele 
innigst  verwachsene  Magen  eröffnet,  wobei  sich  Mageninhalt  in  die 
Bauchhöhle  ergoss.  Naht  der  circa  10  cm  langen  Magenwunde, 
Ausschneidung  der  Schwiele,  Heilung. 

2 Gastro tomien;  die  erste  im  Jahre  1885  wegen  eines 
verschluckten  Gebisses  im  Magen,  geheilt“).  Die  zweite  vom 
8.  Oktober  1889  betraf  eine  39jährige  Frau,  die  wegen  wieder- 
holtem, oft  blutigem  Erbrechen,  einem  seit  einem  Jahre  im  Epi- 
gastrium  fühlbaren  Tumor  und  Dilatatio  ventriculi  zur  Operation  kam. 
Der  stark  aufgetriebene  Magen  wurde  vorerst  durch  Punktion  mit 
dem  Spencer- Wells’schen  Troicart  seines  Inhalts  entleert  und  sorg- 
fältig ausgespült.  Der  äusserlich  fühlbare  Tumor  erwies  sich  als 
das  stark  verdickte  und  geschrumpfte  Netz.  Da  durch  das  eben- 
falls stark  verdickte  und  geschrumpfte  Ligamentum  gastrocolicum 
und  heiDato-duodenale  der  Pylorusteil  des  Magens  abgeknickt  er- 
schien, so  wurden  dieselben  gelöst.  Es  wurde  sodann  von  der 
Punktionsstelle  aus  der  Magen  incidiert,  um  sich  von  der  Durch- 
gängigkeit des  Pylorus  zu  überzeugen,  und  dabei  zugleich  an  der 
kleinen  Curvatur  ein  Substanzverlust  von  3 cm  Durchmesser  mit 
ausgedehnten,  schwieligen  Verdickungen  in  der  Umgebung  gefun- 
den, in  dessen  Grund  nach  Entfernung  einer  schorfartigen  Masse 
mehrere  offene  Gefässlumina  entdeckt  wurden.  Da  die  Excision 
der  Schwiele  nicht  möglich  war,  wurde  der  Magen  mit  Wölflerscher 
Naht  und  die  Bauchdecken  in  3 Etagen  verschlossen.  Die  sehr 
herabgekommene  Patientin  starb  nach  1 Stunden , und  der 
Sektionsbefund  (Prof.  Paltauf)  ergab  einen  Scirrhus  in  der  Um- 
gebung eines  chronischen  Magengeschwürs,  desgleichen  Scirrhus 
des  Netzes  und  Peritoneums,  hochgradige  Anämie. 

Im  Anschlüsse  an  die  Operationen  am  Magen  wollen  wir 
noch  einige  Fälle  von  stenosierenden  Narl)ensträngen  am 


9 V.  11  u c k e r 1.  c. 
-)  V.  11  a f k c r 1.  c. 


Bericht  über  die  an  der  Klinik  des  Prof.  Billroth  ausgeführten  Laparotomien.  221 

Pylorus*)  anführen,  welche  unter  dem  Bilde  eines  Pylorustuinors 
auftretend  zur  Operation  Veranlassung  gaben. 

Von  diesen  Fällen  verdient  gleich  der  erste  am  18.  Juli  1884 
operierte  besonders  hervorgehoben  zu  werden,  da  hier  von  der 
Resektion  des  vermeintlichen  Pylorustuinors  wegen  ausgebreiteter 
Infiltration  der  umgebenden  Drüsen  Abstand  genommen  werden 
musste  und  man  sich  nur  auf  die  Durchtrennung  eines  den 
Pylorus  nach  oben  ziehenden  Stranges  beschränkte.  Der 
Wundverlauf  war  ein  ungestörter  und  im  Juni  1886  stellte  sich 
Patientin  in  wesentlich  gebessertem  Zustande  vor. 

Im  zweiten  Falle,  17.  November  1885,  waren  die  Stenosen- 
erscheinungen durch  Adhäsion  und  Verziehung  des  Pylorus 
gegen  die  mit  Steinen  gefüllte  Gallenblase  bedingt.  Beim 
Lösen  der  Adhäsionen  Einreissen  der  letzteren  und  Resektion  eines 
grossen  Teiles  der  Gallenblase,  Entleerung  der  Steine  und  Ver- 
nähung  des  Blasenrestes  in  sich  selbst.  Patient  starb  am  Tage 
nacli  der  Operation  an  Collaps. 

Im  dritten  Falle  vom  23.  Juli  1887  wurden  in  ähnlicher  Weise 
Adhäsionen  des  Pylorus  an  die  Leber  durchtrennt,  und 
Patient  nach  ungestörtem  Wundverlaufe  gebessert  entlassen.  Weitere 
Nachrichten  über  das  Befinden  desselben  fehlen. 

Der  letzte  hierher  gehörende  Fall  vom  17.  November  1889 
betraf  eine  45  Jahre  alte  Frau  mit  Stenosenerscheinungen  und 
fühlbarer  Resistenz  im  Epigastrium.  Nach  Eröffnung  der  Bauch- 
höhle zeigte  sich  eine  breite  Adhäsion  zwischen  Curvatura  minor 
und  Peritoneum  parietale,  welche  mit  der  Schere  durchtrennt 
werden  musste.  Man  fand  nun  links  neben  der  Gallenblase  eine 
breite  Adhäsion  zwischen  Lohns  quadr angularis  und 
kleiner  Curvatur,  bei  deren  Ablösung  der  Magen  plötzlich  einriss. 
Nach  Tamponade  des  Risses  mit  Jodoformgaze  wurde  der  Lobus 
quadrangularis  nahe  der  Schwiele  mit  dem  Paquelin  durchtrennt. 
Durch  eine  Incision  im  Magen  überzeugte  man  sich , dass  der 
Pylorus  vollkommen  normal  war,  fand  jedoch  an  der  kleinen  Cur- 
vatur entsprechend  der  Schwiele  ein  ausgedehntes,  auch  die  hintere 
Magenwand,  wie  es  scheint,  an  das  Pancreas  fixierendes  Ulcus, 
weshalb  von  einer  Resektion  Abstand  genommen  wurde.  Verschluss 
der  Incisionswunde,  AViedervernähung  der  abgelösten  Schwiele  mit 
der  Magenwand,  Etagennaht  der  Bauchdecken.  Nach  4 Tagen 
erfolgte  der  Tod  an  hypostatischer  Pneumonie  und  Anämie. 


*)  V.  Hacker,  Uel).  Vereng.  <L  3Iag.  dnrcli  Knickung  infolge  Zuges  von 
Adhäsionssträngen.  Wien.  med.  Woch.  1S87,  37  und  38. 


222 


Fr.  Hansy  und  E.  Knauer. 


Operationen  am  Darme. 

Vorerst  wollen  wir  kurz  die  an  der  Klinik  geübten  Methoden 
der  Darmnalit  erwähnen.  Die  erst  geübte  Methode  bis  inklusive 
1880  war  ausschliesslich  die  der  Lembert’ sehen  Nähte.  Vom 
Jahre  1881  an  kam  die  Czerny’sche  doppelreihige  Naht  in 
Anwendung  und  noch  im  selben  Jahre  wurde  die  für  Pylorus- 
resektionen  von  Wölfler^)  ein  geführte  Naht  auch  als  Darm- 
naht verwendet.  Dieselbe  wurde  sjDäter  immer  häufiger  angewendet 
und  ist  jetzt  sowohl  bei  Magen-  als  Darmoperationen  an  der 
Klinik  die  ausschliesslich  geübte;  sie  besteht  1)  in  der  die 
hintere  Hälfte  der  Darmcircumferenz  vereinigenden,  inneren  Sero- 
muscularisnaht,  2)  der  inneren  Mucosanaht  (beide  gegen  das  Darm- 
lumen zu  geknüpft),  sodann  3)  in  der  die  vordere  Hälfte  der  Darm- 
circumferenz vereinigenden  äusseren  Mucosa-  und  4)  der  äusseren 
Seromuscularisnaht  mit  vom  Darmlumen  abgewendeten  Knoj^fen. 

In  erster  Linie  verzeichnen  wir  die  Resektionen  am  Dünn- 
darm. Solche  wurden  ausgeführt:  1)  wegen  Anus  jDraeternatu- 
ralis,  der  jedesmal  nach  Gangränescenz  der  Darmschlinge  bei  incar- 
cerierter  Hernie  zu  stände  gekommen  war.  Einigemale  hatte  dieser 
Anus  praeternaturalis  schon  Jahre  lang  bestanden;  meist  waren 
erst  einige  Monate  seit  der  Incarceration  verflossen.  Im  ganzen 
wurden  13  mal  Dünndarmresektionen  aus  diesem  Grunde  ausgefühi’t. 
Alle  13  Patienten  wurden  geheilt.  Die  erste  an  der  Klinik  aus- 
geführte Dünndarmresektion  wurde  am  6.  November  1878  gemacht-). 

2)  Wegen  Volvulus  in  4 Fällen,  welche  alle  bald  nach  der  Operation 
an  Collaps  und  schon  vorhandener  Peritonitis  zu  Grunde  gingen. 

3)  Wegen  Stenosierung  einer  Dünndarmschlinge  durch 
einen  Narbenstrang  und  Einreissen  derselben  bei  Lösung  des 
Stranges  in  einem  Falle  ^),  welcher  geheilt  wurde.  4)  Wegen 
Tumor  in  zwei  Fällen  (Sarcom  des  Dünndarms  und  Fibrom  des 
iMesenteriums) ; der  erste  wurde  geheilt,  der  zweite  starb  an  Sepsis. 
Im  ganzen  wurden  somit  20  Dünndarmresektionen  mit  15  Hei- 
lungen und  5 Todesfällen  ausgeführt. 

Aehnlich  wie  am  Pylorus  gaben  auch  am  Dünndarm  durch 
Narbenstränge  herbeigeführte  Stenosen  Veranlassung  zu 
Durchtrennung  derselben  und  zwar  in  zwei  Fällen,  von  denen  der 
eine  geheilt  wurde  ^),  der  zweite  an  Collaps  am  Tage  der  Operation 
starb. 


')  Wölfler,  1.  c. 

Billrot  h.  Ueber  Eiiteroraphie.  Wiener  med.  Woch.  1879  1. 
V.  Eiselsberg.  Wiener  klin.  Woch.  1890.  Nr.  12. 
h V.  Eiseisberg.  Wiener  klin.  Woch.  1890.  Nr.  12. 


Bericht  üljer  die  an  der  Klinik  des  Prof.  Billroth  ausgeführten  Laparotomien. 


223 


Bei  den  Coecumresektionen  können  wir  uns  ganz  kurz 
fassen,  da  die  meisten  derselben,  nämlich  18,  vor  ganz  kurzer  Zeit 
von  Salzer  ‘)  ausfühiiicli  publiziert  wurden.  10  haben  die  Operation 
überstanden,  8 starben  teils  an  Peritonitis,  teils  an  Collaps.  Hier- 
zu kommen  noch  4 Fälle  von  Coecumresektionen  (wegen  Lyinpho- 
sarcom,  tuberkulöser  Schwiele,  Carcinom  und  einfachen  katarrha- 
lischen Schwielen).  Die  beiden  wegen  Lymphosarcom  und  Carcinom 
Operierten  verliefen  tödlich  durch  Peritonitis,  die  beiden  anderen 
wurden  geheilt.  Im  ganzen  haben  wir  somit  22  Coecumresektionen 
mit  10  Heilungen,  2 ungeheilten  und  10  Todesfällen. 

Daran  reihen  sich  10  zirkuläre  Resektionen  des  Colon, 
alle  wegen  Tumoren,  welche  an  den  verschiedensten  Stellen  seines 
Verlaufes  ihren  Sitz  hatten  (Colon  ascendens,  Flexura  coli  dextra, 
Colon  transversum,  Flexm’a  coli  sinistra,  Colon  descendens  und 
S.  romanum).  5 derselben  wurden  geheilt,  5 starben  teils  an  Collajis 
bald  nach  der  Operation,  teils  an  septischer  Peritonitis. 

Von  Enteroanastomosen  wurden  nur  solche  zwischen 
Ileum  und  Colon  ausgeführt.  Es  gehören  hieher  im  ganzen  sieben 
Fälle,  in  welchen  sechsmal  wegen  Erkrankung  des  Coecum,  ein- 
mal wegen  Erkrankung  des  Colon  descendens  operiert  wurde. 
Am  20.  Dezember  1882  wurde  wegen  Kothfistel  nach  Perityphlitis 
die  erste  Implantation  des  Ileum  in  das  Colon  ausgeführt-). 
Patient  starb  an  septischer  Peritonitis.  Am  6.  August  1887  wurde 
wegen  tuberkulöser  Erkrankung  des  Coecum  von  v.  Hacker^)  die 
erste  am  Menschen  gelungene  Ileocolostomie  durch  seit- 
liche Apposition  vorgenommen.  Dieser  Fall  ist  auch  dadurch  noch 
besonders  interessant,  dass  wegen  einer  gleichzeitig  bestehenden  Ste- 
nose des  Dünndarms  im  selben  Akte  nach  der  Methode  von 
Heinecke  und  Mikulicz  für  Pylorusstenose  ebenfalls  zum 
erstenmale  die  Stenose  durch  Längsincision  und  quere  Vereinigung 
behoben  wurde.  Die  Patientin  verliess  nach  vier  AVochen  geheilt 
das  Spital  und  konnte  am  11.  Dezember  1891  in  vollkommenstem 
Wohlbefinden  in  der  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien  vorgestellt 
werden.  Bei  den  folgenden  Ileocolostomien  wurde  stets  die  late- 
rale Apposition  ausgeführt,  dreimal  gab  Carcinom,  zweimal  am 
Coecum,  einmal  am  Colon  descendens , die  V eranlassung  zur  Ope- 
ration, wobei  die  Apposition  des  Ileum  einmal  an  das  Colon  ascen- 


')  Beiträge  zur  Pathologie  und  chir.  Therapie  chron.  Coecumerkrankungen. 
Langenb.  Arch.  Bd.  XLIII  1. 

b Wölf  1er.  Verhandl.  d.  deutfich.  Ges.  f Chir.  188.3. 

Hauer.  Darmresekt.  u.  Enteroanast.  Zeitachr.  für  Heilk.  V. 

®)  Ueher  die  Bedeutung  der  Anastomosenbildung  am  Darme.  W.  klin. 
Woch.  1888  Nr.  17. 


224 


Fv.  Ilansy  und  E.  Knauer. 


dens  und  eiiiiiial  an  das  Colon  transversuin  stattfand,  beide  mit 
operativem  Erfolge.  Im  dritten  Falle  unternahm  man  die  Ver- 
einigung einer  Dünndarmsclilinge  mit  dem  abführenden  Schenkel 
des  vorher  ohne  Erfolg  angelegten  Anus  praeternaturalis.  Patient 
starb  bald  nach  der  Operation  an  Collaps,  Bei  den  letzten  zwei 
wegen  Perityphlitis  und  Lymphadenom  des  Coecum  Ope- 
rierten wurde  im  ersten  Falle  die  Anastomose  zwischen  Ileum  und 
Colon  ascendens,  im  zweiten  zwischen  Ileum  und  Colon  transver- 
sum  angelegt.  Beide  starben,  der  eine  an  schon  vorhandener,  der 
andere  an  nach  der  Operation  aufgetretener  Peritonitis.  Es  ergeben 
sich  somit  bei  den  Enteroanastomosen  im  ganzen  drei  Heilungen 
und  vier  Todesfälle. 

Zur  Ausschaltung  des  Coecum,  wie  dieselbe  von  Salzer'} 
zum  erstenmale  angegeben  und  an  Tieren  experimentell  studiert, 
später  von  Ilochenegg -)  in  etwas  modifizierter  Weise  zuerst  beim 
IMenschen  mit  Erfolg  angewendet  wurde,  ergab  sich  bis  jetzt  an 
der  Klinik  noch  keine  Gelegenheit. 

Als  Operationen  am  Darme  wären  noch  anzureihen  die  En- 
tere rap  hi  en.  Vier  derselben  wurden  ausgeführt  wegen  Coecum- 
fisteln  eine  wegen  eines  Fremdkörj^ers  (Malerj)insel)  imColoiP), 
eine  wegen  eines  Coprolythen  im  Coecum,  eine  wegen  Fisteln 
am  Colon  transversuin  und  eine  wegen  Fistel  am  Dünndarm, 
beide  am  Nabel  durchgebrochen.  Von  allen  acht  wurden  drei  ge- 
heilt, während  fünf  starben,  drei  an  Peritonitis,  einer  an  Tuber- 
culosis serosarum  und  einer  an  tuberkulösem  Marasmus. 

Schliesslich  folgt  noch  die  Anlegung  des  künstlichen 
Afters,  weichein  17  Fällen  von  Ileus,  mit  wenigen  Ausnahmen 
(ein  Volvulus,  eine  narbige  Obliteration  des  Colon,  ein  Carcinoma 
Uteri,  eine  Schwiele  am  Coecum)  durch  Carcinoma  recti  oder  fle- 
xurae  sigmoideae  bedingt,  notwendig  war  und  wobei  immer  der 
Dickdarm  eröffnet  wurde.  Nur  in  den  ersten  Jahren  kam  dabei  die 
Methode  von  Amussat  zur  Anwendung,  später  wurde  ausschliess- 
lich der  Anus  praeternaturalis  nach  Littre  im  linken  Hypogastrium 
angelegt,  ausgenommen  zwei  Fälle,  wo  zuerst  die  diagnostische 
Eröffnung  der  Bauchhöhle  durch  Medianschnitt  gemacht  und  dann 
das  Colon  descendens  in  den  unteren  Wundwinkel  eingenäht 
worden  war,  und  ein  Fall,  wo  wegen  durch  Schwielen  am  Coecum 


Ein  Vorschlag  zur  Modif.  d.  Enteroanast.  durch  völlige  Ausschaltung  des 
krank.  Darmth.  Verhandlungen  d.  deutsch.  Ges.  f.  Chir.  XX.  Congress  1891. 
b Wien.  klin.  Wochenschrift,  1891  Nr.  53. 

b V.  Wittelshöf  er.  AViener  med.  Woch.  1881.  3.  u.  Fortsetzung, 
b Hauer  1.  c. 


1 ir 


Bericlit  über  die  an  der  Klinik  des  Prof.  Billrotli  ausgeführten  Laparotomien.  225 

bedingtem  Ileus  der  After  hier  angelegt  wurde.  Neun  der  17  Ope- 
ilerten  wurden  geheilt,  acht  starben  und  zwar  einer  an  Collaps, 
drei  an  konsekutiver  Peritonitis,  vier  an  bereits  vor  der  Operation 
eingetretener  Peritonitis. 

Operationen  an  der  Leber. 

Unter  den  Eingriffen  an  der  Leber  stellt  das  Hauptkontingent 
der  Echinococcus  dar.  Da  über  die  Operation  desselben  gleich- 
zeitig an  anderer  Stelle  berichtet  wird,  beschränken  wir  uns  auf 
die  Anführung  der  Zahl  der  Operationen  und  der  dabei  geübten 
Methoden.  Von  diesen  wurde  nur  ein  Fall  durch  zweizeitige 
Incision  behandelt  und  geheilt,  von  elf  Fällen  mit  einzeitiger  nach 
Lin  de  mann  wurden  acht  geheilt  und  starben  drei.  Drehnal  wurde 
die  Exstirpation  respektive  Enucleation  der  Blase  vorgenom- 
men mit  einer  Heilung  und  zwei  Todesfällen.  Nach  der  in  letzter  Zeit 
von  Billroth  geübten  Methode  bestehend  in  einzeitiger  Incision 
und  Entleerung  des  Sackes,  Eingiessen  von  Jodoform- 
glycerin, Vernähung  und  sofortiger  V ersenkung  desselben 
wurde  fünfmal  operiert  mit  fünf  Heilungen.  Von  sämtlichen  20 
wegen  Echinococcus  Operierten  sind  15  geheilt  und  5 gestorben.  Der 
Sitz  des  Echinococcus  war  in  fast  allen  diesen  Fällen  entweder 
in  der  Leber  allein  oder  neben  derselben  multipel  in  mehreren 
Bauchorganen  (besonders  der  Milz). 

Von  per  laparotomiam  ausgeführten  Operationen  an  der  Leber 
haben  wir  noch  einen  Fall  zu  erwähnen,  der  auch  deshalb  beson- 
deres Interesse  verdient,  weil  er  der  erste  seiner  Art  am  Menschen 
ausgeführte  war.  Es  handelte  sich  um  einen  Schnürlappen  der 
Leber*),  welcher  durch  Bäuschchennähte  an  der  vorderen  Bauch- 
wand fixiert  wurde,  worauf  die  sämtlichen  Beschwerden  der  Patientin 
verschwanden,  ferner  ein  Fall  von  mit  der  Leber  zusanimen- 
r hängendem  Abscess,  welcher  nach  Annähung  seiner  Wandung 
i an  die  vordere  Bauchwand  incidiert  und  drainiert  und  durch  dieses 
J Verfahren  zur  Heilung  gebracht  wurde. 

Operationen  am  Pancreas. 

Die  am  Pancreas  ausgeführten  Operationen,  im  ganzen  5, 
t betrafen  ausschliesslich  Cysten.  Beim  ersten  von  Salzer^)  publi- 
c zierten  Falle  wurde  die  Exstirpation  der  Cyste  ausgeführt.  Der- 
►i  selbe  endete  tödlich  durch  Peritonitis  purulenta.  Der  2.  Fall  von  Ex- 
N stirpation  endete  ebenfalls  tödlich,  jedoch  nicht  unmittelbar  infolge 

*)  V.  Hacker.  Wiener  med.  Woch.  1880. 

‘b  Zur  Diagnostik  d.  Pancreascyste,  Zeitschr.  f.  Heilk.  VII. 


15 


226 


Fr.  Hansy  und  E.  Knauer. 


des  Eingriffes,  sondern  wegen  tödlicher  Blutung  aus  einem  Ulcus 
duodeni  12  Tage  nach  der  Operation.  Es  handelte  sich  hier  um 
eine  retroperitoneale,  so  innig  mit  Pancreas,  Milz  und  Magen  ver- 
wachsene Dermoidcyste,  dass  Teile  des  Pancreas  und  die  ganze 
Milz  mitexstirpiert  werden  mussten,  der  Magen  eröffnet  wurde  und 
die  Cyste  selbst  nur  partiell  exstirpiert  werden  konnte.  Bei  den 
weiteren  3 Cysten  des  Pancreas  wurde  keine  Exstirpation  unter- 
nommen, sondern  dieselben  nach  Incision  und  Annäh ung 
ihrer  Wandung  an  die  Bauchwand  drainiert.  Indem  ersten 
dieser  Fälle  war  noch  vor  der  Operation  Spontanruptur  der  Cyste  ein- 
getreten, derselbe  ging  an  eiteriger  Peritonitis  zu  Grunde.  Die  beiden 
letzten  Fälle  wurden  bis  auf  eine  noch  secernierende  Fistel  geheilt. 

Operationen  an  der  Milz. 

Neben  den  wenigen  Ecliinococcen  und  der  oben  erwähnten 
Milzexstirpation  sind  von  Operationen  an  der  Milz  noch  5 Ex- 
stirpationen derselben  anzuführen.  An  die  im  Jahre  1877  aus- 
geführten 2 Splenectomien^)  wegen  Tumor  leucaemicus  reiht  sich 
ein  gleicher  3.  Fall  im  Jahre  1883;  alle  3 endigten  tödlich,  2 an 
Collaps,  1 an  Nachblutung  aus  den  unterbundenen  Milzgefässen. 
Der  4.  Fall  vom  Jahre  1884  betraf  eine  schon  längere  Zeit  mit  der 
Diagnose  »Wandermilz«  mittels  Bandagen  behandelte  Frau,  bei 
welcher  es  schliesslich  wegen  Wachstum  der  Geschwulst  und  heftiger 
Schmerzen  zur  Operation  kam,  wobei  die  sarcomatös  degenerierte 
Milz  exstirpiert  wurde.  Der  Fall  ging  in  Heilung  aus.  Die  letzte 
Milzexstirpation  wurde  wegen  Ver  grösser  ung  der  Milz  nach 
Malaria  am  6.  März  1887  von  Hofrat  Billroth  ausgeführt.  Es  ist 
dies  der  grösste  Milztumor,  der  bis  jetzt  exstirpiert  worden  ist 
(Gewicht  5,5  kg).  Die  25jährige  Patientin  war  6 Wochen  nach  der 
Operation  vollkommen  geheilt.  Weitere  Nachrichten  fehlen.  — 

Operationen  an  der  Niere. 

Von  den  Operationen  an  der  Niere  sind  nur  diejenigen  gewählt, 
bei  welchen  das  Peritoneum  eröffnet  wurde.  Es  gehören  hieher 
16  Nephrectomien,  welche  teils  per  laparotomiam  (9),  teils  mittels 
lumbalen  Schnittes  (7)  ausgeführt  wurden  und  zu  denen  in  5 Fällen 
Sarcom,  in  je  2 Carcinom,  Lipom  ^),  Pyo- und  Hy  dronephrose 
und  in  je  1 Adenom,  Wanderniere  und  Echinococcus  Ver- 
anlassung gaben.  8 wurden  geheilt,  8 starben  (4  an  septischer 


9 Nedopil.  Die  Laparosplenotoinie.  Wiener  lued.  Woch.  1879. 

V.  Eiseisberg.  Eibrolip.  der  Nierenfettkapsel.  Wiener  klin.  Woch. 
1890  Nr.  23. 


Bericht  über  die  an  der  Klinik  des  Prof.  Billroth  ausgeführten  Lai)arotoinien.  227 

Peritonitis,  1 an  Verblutung  aus  der  Hohl vene^),  1 an  carcinomatösen 
Metastasen,  1 an  Urämie  und  1 an  Pneumonie).  Hier  wären  noch 
anzureihen  2 Fälle  von  Pyonephrose,  in  welchen  Laparotomie 
mitincision,  Anheftung  des  Cystensackes  an  die  Bauch- 
wand und  Drainage  ausgeführt  wurde  mit  1 günstigen  und 

1 letalen  Ausgange  (an  Marasmus). 

Ausser  den  Tumoren  der  Nieren  wurden  noch  in  4 Fällen 
retroperitoneale  Tumoren  per  laparotomiam  exstirpiert  und  zwar 

2 Myxolipome  (darunter  1 von  ganz  enormer  Grösse) ^),  1 Rund- 
zellensarcom  und  1 Fibrom.  Alle  4 Fälle  verliefen  tödlich  und 
zwar  2 an  Sepsis,  2 an  Erschöpfung. 

Iiicisioueii. 

Zum  Schlüsse  Hessen  wir  uns  die  Incisionen  der  Bauch- 
höhle, welche  teils  zu  curativen,  teils  zu  diagnostischen  Zwecken 
vorgenommen  wurden.  Zu  den  ersteren  gehören  die  Incisionen 
wegen  tuberkulöser  Peritonitis,  16  an  der  Zahl,  von  welchen 
nur  der  erste,  im  Jahre  1878  ausgeführte,  an  Sepsis  starb,  alle 
übrigen  jedoch  gebessert  das  Spital  verliessen.  Viele  dieser  stellten 
sich  später  von  ihrer  tuberkulösen  Peritonitis  vollständig  geheilt 
vor.  Ferner  2 Fälle  von  Perityphlitis,  von  welchen  1 mit 
Kotfistel  geheilt  wurde,  während  der  andere,  bei  dem  schon  vor 
der  Operation  Perforationsperitonitis  vorhanden  war,  bald  nach 
dem  Eingriffe  starb.  Zur  2.  Kategorie  gehören  die  Incisionen, 
welche  ausgeführt  wurden : 

1.  Wegen  innerer  Incarceration,  8 Fälle  mit  2 Heilungen 
(Invagination  und  Coprostase)  und  6 Todesfällen  an  Peritonitis,  die 
in  4 Fällen  schon  bei  der  Operation  konstatiert  wurde,  der  5.  an 
consecutiver  Peritonitis,  der  6.  an  Collaps. 

2.  Wegen  Carcinom  des  Peritoneums  und  inope- 
rablen Unterleibsgeschwülsten  im  ganzen  66  mit  24  Todes- 
fällen (vorwiegend  an  Collaps  und  Marasmus,  einigen  an  Peritonitis) 
und  42  Ungeheilten. 

3.  Wegen  Ascites,  dessen  Ursache  nicht  eruiert  werden 
konnte  (möglicherweise  auch  Tuberkulose)  3 Fälle,  sämtliche  geheilt. 


Nachdem  wir  nun  die  verschiedenen,  in  den  Rahmen  unserer 
Arbeit  fallenden  chirurgischen  Eingriffe  gruppenweise  besprochen 

Dr.  Brenner.  Beitrag  zur  Cas.  d.  Kephrect.  W.  med.  Woch.  1885. 
Salzer.  Myxoma  lipomatodes  caps.  adip.  renis.  W.  klin.  Woch.  1888. 
Kr.  8,  9,  10. 


228 


Fr.  Hansy  und  E.  Knauer. 


haben,  dürfte  es  noch  von  Wert  sein,  den  Entwicklungsgang 
der  Wundbehandlung,  den  dieselbe  in  den  25  Jahren  genommen, 
etwas  näher  zu  erörtern. 

Die  ersten  8 Jahre,  von  Herbst  1867  bis  Ende  1875,  fallen 
noch  in  den  Bereich  der  vor  antiseptischen  Zeit  und  zwar  in 
jene  Periode  derselben,  in  welcher  Billroth  bei  allen  anderen 
Operationen  nach  langen  Bemühungen  mit  der  offenen  Wund- 
behandlung die  günstigsten  Erfolge  erzielte.  Hiedurch  und  durch 
das  Beispiel  ausländischer  Chirurgen  ermutigt,  führte  Billroth  unter 
den  ersten  in  Wien  Laparotomien  aus,  und  zwar  mit  relativ 
günstigem  Erfolge,  so  dass  er  selbst  damit  zufrieden  war.  Von  46, 
fast  ausschliesslich  wegen  Ovarialgeschwülsten  Operierten,  wurden 
20  geheilt,  freilich  ein  ziemlich  hohes  Sterblichkeitsprozent. 

Erst  Ende  1875  nahm  Billroth  Listers  Methode  der 
antiseptischen  Wundbehandlung  an,  vor  allem  durch  die 
Einführung  des  typischen  Lister- Verbandes  und  des  in  Carbolöl 
desinfizierten  Catgut.  Alsbald  ging  er  jedoch  daran,  den  Lister- 
verband  zu  vereinfachen  und  möglichst  zu  verbessern  ^). 

Diese  Zeit  bis  zur  strengen  Durchführung  der  Antisepsis  in 
jeder  Hinsicht,  währte  bis  Ende  1877  und  kann  gewissermassen  als 
Uebergangsperiode  von  der  vorantiseptischen  zur  Zeit 
der  genauen  Einhaltung  aller  antisej3tischen  Cautelen  be- 
trachtet werden.  Schon  damals  machte  sich  ein  wesentlicher  Fort- 
schritt in  den  Heilungserfolgen  geltend,  indem  wir  unter  67  Ope- 
rierten, welche  nebst  der  überwiegenden  Zahl  von  Ovarialtumoren 
eine  Zunahme  auch  der  anderen  Fälle  erkennen  Hessen,  39  Heilungen 
verzeichnet  finden,  was  somit  eine  sehr  wesentliche  Besserung  (um 
14,7  ”/q)  im  Vergleiche  mit  dem  früheren  Zeitraum  bedeutet. 

Wir  kommen  nun  zu  dem  schon  erwähnten  Zeitabschnitt 
der  streng  nach  Lister  durchgeführten  antisej^tischen 
Wundbehandlung,  wie  sie  vom  Ende  des  Jahres  1877  an  der 
Klinik  gehandhabt  wurde.  Man  begann  wieder  mit  dem  typischen 
Lister- Verbände,  gebrauchte  während  der  ganzen  Operation  den 
Karbolspray  und  führte  auch  sonst  an  der  Klinik  nach  Beseiti- 
gung zahlreicher  aus  früherer  Zeit  überkommener  Uebelstände  im 
Sinne  der  neuen  Lehre  viele  Besserungen  durch.  Nur  das  Catgut  war 
schon  im  Jahre  1876  durch  die  von  Czerny  eingeführte  anti- 
septische Seide  verdrängt  worden.  Die  Schwämme  wurden  nach 
dem  von  Prof.  v.  Frisch^)  angegebenen  Verfahren  vor  dem  zweiten 

9 Billroth,  Chirurg.  Kl. 

[Jeh.  Desinf.  v.  Seide  u.  Schwämmen  zu  Chirurg.  Zwecken.  Langenbecks 
Archiv  für  klin.  Chir.  XXIV  pag.  749. 


Bericht  über  die  au  der  Klinik  des  Prof.  Billroth  ausgeführten  Laparotomien.  229 

Gebrauche  zuerst  mehrere  Tage  in  fliessendem  Wasser  ausgeschwemmt 
und  erst,  nachdem  sie  mindestens  drei  Tage  in  5%  Karbollösung 
gelegen  waren,  wieder  verwendet.  Auch  diesmal  blieb  man  jedoch 
bei  dem  streng  Lister  sehen  Verfahren  nicht  lange  stehen,  da  man 
bald  wieder  Gelegenheit  hatte,  schwere  und  schwerste  Karbolin- 
toxikationen zu  beobachten,  und  daher  vor  allem  bestrebt  war, 
das  Karbol  loszubekommen.  Hieher  gehören  die  Versuche,  die 
Karbolgaze  durch  die  Billroth’sche  Wallrath-Gaze,  durchBruns’- 
sche  Watte  und  verschiedene  andere  Verbandmaterialien  zu  er- 
setzen, ferner  die  Beschränkung  im  Gebrauche  des  Spray,  die 
übrigens  schon  in  der  vorigen  Periode  angestrebt  worden  war, 
indem  derselbe  nunmehr  bei  offenem  Peritoneum  unterbrochen 
wurde,  bis  es  endlich  im  Jahre  1880  auf  Grund  einer  Reihe  zum 
Teil  aus  Billroths  Klinik  hervorgegangener  wissenschaftlicher  Ar- 
beiten^) vollständig  weggelassen  wurde.  Erst  die  Einführung  des 
Jodoforms  (im  Jahre  1881)  bildete  wieder  eine  wesenthehere  Aen- 
derung  des  Wund  Verfahrens,  weshalb  wir  diesen  Zeitraum  von 
Ende  1877  bis  Anfang  1881  als  eine  dritte  Periode  auf- 
fassen. Es  fallen  in  dieselbe  138  Laparotomien,  von  welchen  83 
in  Heilung  ausgingen,  während  die  übrigen  55  tödlich  endeten; 
wir  sehen  somit  abermals  einen  nicht  ganz  unwesentlichen  Fort- 
schritt (um  2,1  “/o)  gegenüber  der  früheren  Periode. 

Der  nächste  Zeitabschnitt,  den  wir  aufstellen,  be- 
ginnt mit  der  Einführung  des  Jodoforms  und  endet  An- 
fangs 1886  mit  einem  gerade  für  die  Laparotomien  sehr  wich- 
tigen Momente,  nämlich  dem  Weglassen  der  Schwämme. 
Vom  Jodoform  wurde  besonders  anfangs  sehr  ausgedehnter  Ge- 
brauch gemacht,  und  dadurch  eine  nicht  unwesentliche  Aenderung 
der  Verbandtechnik  bedingt.  Alle  Wundflächen  des  Peritoneums, 
besonders  die  bei  Lösung  von  Adhäsionen  entstandenen,  wurden 
mit  Jodoform  bestreut,  als  erste  Schichte  des  Verbandes  Jodoforni- 
gaze  verwendet.  Wichtiger  ist  die  Anwendung  der  Jodoformgaze 
zur  Tamponade  und  gleichzeitigen  Drainage  der  Höhlenwunden. 
Nebst  einer  bedeutenden  Zunahme  der  Zahl  der  Fälle  im  all- 
gemeinen macht  sich  in  diesem  Zeiträume  besonders  der  Auf- 
schwung der  Magen-  und  Darmchirurgie  und  der  My  omotomien  geltend, 
abermals  unter  fortdauernder  Besserung  der  Resultate  (um  1,2  ”/o). 
Die  Zahl  der  zu  behandelnden  Fälle  betrug  277  mit  171  Heilungen. 

Es  folgt  nun  die  letzte  Periode,  in  welcher  noch  die 
Antisepsis  an  der  Klinik  herrschend  war,  von  Anfang 


*)  31  i k u 1 i c z,  Z.  Sprayfrage.  Langenbecks  Aroh.  XXV.  Xr.  30. 


230 


Fr.  liansy  und  E.  Knauer. 


1886,  dem  Zeitpunkte  des  Ersatzes  der  Schwämme  durch 
die  sterilisierten  und  desinfizierten,  hydrophile  Gaze- 
Kompressen  bis  Anfang  1891,  der  Einführung  des  asep- 
tischen und  trockenen  Verfahrens  bei  den  Operationen. 
Wie  zu  erwarten,  bewirkte  der  Gebrauch  dieses  absolut  keim- 
freien Materials,  wie  es  die  feuchten  Sublimatkompressen  waren’), 
eine  auffallende  Besserung  des  AVundverlaufes  und  eine  höchst 
erfreuliche  Zunahme  der  Heilungen  (um8,l°/o).  Es  fällt  dies  umso- 
mehr in  die  Wagschale,  als  die  Zahl  der  an  und  für  sich  eine 
ungünstigere  Prognose  gebenden  Magen-,  Darm-  und  Myomope- 
rationen um  bedeutendes  zunahm,  während  sich  die  Ovariotomien 
nicht  unbeträchtlich  verminderten.  Von  335  Operierten  wurden 
243  geheilt,  101  starben. 

Wir  wären  so  bei  der  aseptischen  Wundbehandlung 
angelangt,  welche  Anfangs  1891  eingeführt  wurde  und  seither  an 
der  Khnik  geübt  whd.  In  dieser  Zeit  kamen  106  Kranke  zur 
Operation,  72  derselben  wurden  geheilt,  34  starben.  Die  Ver- 
schlechterung der  Resultate  dieser  letzten  Periode  (um  fast  2 "/o) 
gestattet  jedoch  noch  keine  endgültige  Beurteilung  des  aseptischen 
Verfahrens  an  unserer  Klinik,  da  gerade  in  letzter  Zeit  eine  Reihe 
schwerer  und  ungünstiger,  besonders  mit  schon  vor  der  Operation 
eingetretener  Peritonitis  komplizierter  Fälle  zur  Beobachtung  kam. 
Von  den  letzteren  wurde,  wie  wir  uns  bei  der  Durchsicht  der 
Krankengeschichten  aller  25  Jahre  überzeugen  konnten,  bis  jetzt 
noch  kein  einziger  durch  die  Operation  geheilt. 

Der  wesentliche  Unterschied  des  jetzigen  gegenüber  dem 
früheren  Verfahren  besteht  darin,  dass  die  als  Tupfer  gekrüllte 
und  in  Form  von  viereckigen  Kompressen  genähte  weisse  Gaze 
nach  vorhergegangener  Sterihsation  im  Wasserdampf  und  im 
Trockensterilisationsapparate  durch  je  eine  Stunde  trocken  ver- 
wendet werden,  ohne  mit  einem  Antisepticum  in  Berührung 
gekommen  zu  sein.  Ebenso  wird  auch  sonst  vermieden,  reine 
Wunden  mit  Antisepticis,  wie  z.  B.  durch  Irrigation  oder  überhaupt 
mit  Feuchtigkeit  in  Kontakt  zu  bringen.  Die  Instrumente,  sowie  die 
Seide  werden  nur  mehr  in  1^/^^  Sodalösung  oder  reinem  Wasser 
gekocht,  die  Seide  in  b^/o  Karbolsäure  auf  bewahrt  und  beide  aus 
H/q  Karbolsodalösung  gereicht. 

Die  Vorbereitungen  der  Kranken  und  das  bei  den 
Laparotomien  geübte  Verfahren  sind  demnach  folgende:  Der 


b V.  Eiseisberg.  Ueber  den  Keimgehalt  von  Seifen  und  Verband- 
materialien. W.  med.  Woch.  1887  19,  20,  21. 


Bericht  über  die  an  der  Klinik  des  Prof.  Billroth  ansgeführten  Laparotomien.  231 

Kranke  wird  nach  einem  Vollbade,  wenn  möglich  schon  am  Tage  vor 
der  Operation,  am  ganzen  Abdomen  möglichst  gründhch  und  aus- 
gedehnt mit  Seife  und  Bürste  gereinigt  und  rasiert,  bekommt  so- 
dann einen  Umschlag  mit  essigsaurer  Thonerde,  Magen  und  Darm 
werden  durch  leichte  Kost,  Fasten  am  Tage  der  Operation  und 
Laxantien  gründlich  entleert.  Bei  den  Frauen  wird  womöglich 
die  mensesfreie  Zeit  zur  Operation  gewählt.  Bei  Operationen  an 
den  weibhchen  Genitalien,  insbesondere  den  Myomotomien  wird 
noch  eine  besonders  gründliche  Reinigung  und  Tamponade  der 
Vagina  mit  Jodoformgaze,  sowie  der  Cathetrismus  vorausgeschickt. 
Auf  dem  Operationstische  besteht  die  Herrichtung  des  Operations- 
feldes nach  abermaliger  Reinigung  mit  Bürste,  Seife,  Rasiermesser 
und  sterilisierten,  in  Sublimat  getauchten  Kompressen  in  Ab- 
reibung der  Haut  mit  Aether,  dann  mit  Alkohol  und  endlich  Su- 
bhmat  (U/oo)-  Kabel  und  Schamgegend  werden  mit  Jodoformäther 
(l  : 10)  begossen.  Um  den  Patienten  vor  zu  starker  Abkühlung 
während  der  Operation  zu  schützen , wird  der  Operationsraum 
immer  sehr  warm  gehalten,  und  bekommen  die  Kranken  nebst 
einer  Flanelljacke  grosse,  bis  an  die  Hüfte  heraufreichende,  frisch 
sterilisierte  Flanellstrümpfe.  Die  Umgrenzung  des  Operationsfeldes 
geschieht  mittels  in  Dampf  oder  Trockenhitze  sterilisierter  Lein- 
tücher. Von  der  Eröönung  des  Peritoneums  an  werden  die  erwähnten 
genähten  Kompressen  als  Tupfer  und  in  entsprechender  Grösse 
zur  Bedeckung  der  prolabierten  Gedärme  verwendet.  Ist  der  Ver- 
lauf der  Operation  ein  vollkommen  glatter,  sodass  die  Bauchwunde 
ohne  Besorgnis  ganz  geschlossen  werden  kann,  so  wird  die  Naht 
der  Bauchhaut  mit  steriler  gekrüllter  Gaze  bedeckt.  Erweist  sich 
jedoch  eine  Drainage,  sei  es  in  der  Bauchhöhle  selbst,  sei  es  in 
den  Bauchdecken,  oder  die  Tamponade  einer  Höhlen  wunde  als 
notwendig,  so  werden  zu  diesem  Behufe  5 — 10  Minuten  in  Wasser 
gekochte  und  in  5*^/0  Karbolsäure  auf  bewahrte  Kautschukdrains  und 
Jodoformgazestreifen  verwendet.  Die  jetzt  an  der  Klinik  übliche 
Naht  der  Bauch  decken  ist  die  dreifache  Etagennaht,  bei  welcher 
das  Peritoneum  fortlaufend  mit  Catgut,  die  Fascien  durch  Seiden- 
knopfnähte und  die  Haut  durch  fortlaufende  Seidennaht  vereinigt 
wird,  und  deren  Vorteil  hauptsächlich  darin  besteht,  dass  sie 
nahezu  immer  die  Entstehung  von  Bauchdeckenhernien  verhindert. 
Die  Technik  des  Verschlusses  der  Bauchhöhle  hat  bis  zur  eben 
erwähnten,  jetzt  geübten  Methode  ebenfalls  im  Laufe  der  Jahre  ver- 
schiedene Wandlungen  durchgemacht.  Die  ursprüngliche  Naht 
bestand  in  einer  Reihe  tiefer,  das  Peritoneum  nicht  mitfassender, 
und  einer  Zahl  oberflächlicher  Hanf-  oder  Seidenknopf suturen. 


232 


Fr.  Hansy  und  E.  Knauer. 


Bei  den  Ovariotomien  war  vom  Anfänge  an  die  Spencer-Wells’sche 
Naht  mittels  Bleiplatten  und  Silberdraht,  welcher  Haut, 
Muskulatur  und  Peritoneum  fasste,  und  oberflächlichem  Verschluss 
der  Haut  durch  Seidennähte  im  Gebrauch.  Diese  wurde  vom  Jahre 
1878  an  die  fast  ausschliesslich  geübte  Bauchnaht.  Nach  derselben 
kamen  jedoch  nicht  selten  Ventralhernien  zur  Beobachtung.  In 
einem  solchen  Falle  nach  Uterusexstirpation  ereignete  es  sich  so- 
gar, dass  fast  10  Jahre  nach  der  Operation  plötzlich  bei  der  Ar- 
beit die  Narbe  platzte  und  eine  20  cm  lange  Dünndarmschlinge 
prolabierte.  Die  Kranke  packte  den  Darm  in  ihr  Taschentuch  und 
fuhr  rasch  im  Wagen  zur  Klinik,  woselbst  der  prolabierte  Darm 
mit  Sublimat  gereinigt  und  reponiert,  die  Bauchdecken  neuerdings 
vernäht  wurden.  Die  Patientin  wurde  geheilt  entlassen. 

Der  Verband  bei  Laparotomien  besteht  demnach,  wie 
oben  erwähnt,  im  Auflegen  von  gekrüllter  Gaze,  die  meist  mit 
Heftpflasterstreifen  fixiert  wird,  worauf  ein  steriles  Holzwollekissen 
folgt  und  das  Ganze  durch  eine  aus  einem  Handtuche  hergestellte, 
mit  Sicherheitsnadeln  zusammengehaltene  Leibbinde  befestigt  wird. 
Durch  zwei  sogenannte  Schenkelbänder  kann  der  Verband  noch 
vor  dem  lästigen  Hinaufgleiten  gehindert  werden. 

Nach  vollendeter  Operation  und  Anlegung  des  Verbandes 
werden  die  Kranken  in  ein  mit  dem  v.  Hack er’s eben  Bettspanner 
versehenes  Bett  gebracht,  mit  warmen  Leintüchern  eingehüllt  und 
bekommen,  falls  sie  durch  die  Operation  sehr  erschöjDft  sind,  sofort 
ein  Weinklysma,  welches  nötigenfalls  mehrmals  wiederholt  wird, 
per  OS  etwas  Cognac  oder  Wein.  Uebelkeiten  und  Erbrechen  als 
Nachwirkung  der  Narkose  werden  durch  Applikation  eines  Eis- 
beutels in  den  Nacken  sowie  durch  Schlucken  von  Eispillen  zu 
erleichtern  gesucht.  Die  Diät  besteht  am  ersten  und  meist  auch 
noch  am  zweiten  Tage  nur  in  klarer  Suppe,  etwas  kaltem  Thee, 
Wein  oder  Cognac.  Hierauf  wird  zu  weiterer,  flüssiger  Nahrung 
übergegangen,  wie  Milch,  Chaudeau,  eingekochte  Suppe.  Feste 
Nahrung,  bestehend  vorzüglich  in  Brat-  oder  Einmachhuhn,  er- 
halten die  Kranken  erst  vom  fünften  bis  sechsten  Tage,  worauf 
dann  allmählich  zu  anderer  Nahrung  übergegangen  wird.  Bei  am 
Magen  Operierten  wird  die  Diät  noch  strenger  gehandhabt.  Die- 
.selben  erhalten  in  den  ersten  24  Stunden  ausser  Eisstückchen  zur 
Stillung  des  Durstes  und  etwas  Cognac  mit  Wasser  oder  Sherry 
gar  keine  Nahrung,  dagegen  werden  zur  Aufrechterhaltung  der 
Kräfte,  in  fast  allen  Fällen,  mehrere  Tage  hindurch  täglich  3 — 4 
Wein-  oder  Milch-Peptonklysmen  verabreicht.  Der  Uebergang  zur 
flüssigen  und  festen  Nahrung  ist  ein  noch  vorsichtigerer,  so  dass 


Bericht  über  die  an  der  Klinik  des  Prof.  Billroth  ausgeführten  Laparotomien.  233 

erst  am  10.  bis  12.  Tage  nur  ganz  zartes  Hühnerfleisch  gestattet 
wird.  Erfolgt  bis  zum  3.  oder  4.  Tage  kein  Stuhl,  so  wird  ein 
Klysma  mit  Oleum  ricini  verabreicht,  um  zur  Schonung  der  Bauch- 
presse eine  leichte  Entleerung  zu  erzielen. 

Der  erste  Verbandwechsel  mit  Entfernung  der  oberfläch- 
lichen Nähte  erfolgt  bei  reaktionslosem  Verlaufe  am  8.  bis  10.  Tage. 
Tritt  jedoch  schon  früher  Fieber  auf,  so  wird  vor  allem  nach  lokalen 
Erscheinungen  an  der  Wunde  gesucht  und,  falls  sich  zu  Mass- 
nahmen am  Orte  derselben  keine  Veranlassung  findet,  bei  Fort- 
dauer septischer  und  peritonitischer  Symptone  eine  möglichst 
ausgiebige  Ausscheidung  der  septischen  Produkte  durch  energische 
Anregung  der  Transspiration  (vorwiegend  mit  Hilfe  von  Lindeii- 
blütenthee)  zu  erreichen  gesucht.  In  einigen  wenigen  Fällen  bestand 
die  Indikation,  wegen  peritonitischer  Erscheinungen  die  Bauchhöhle 
nochmals  zu  eröffnen,  und  es  gelang  in  denselben,  durch  Aus- 
spülung mitSalicyl  der  beginnenden  Peritonitis  noch  Herr  zu  werden. 

Erst  nach  3 Wochen  dürfen  die  Patienten  bei  glattem  Ver- 
laufe zum  ersten  Male  das  Bett  verlassen,  damit  die  Bauch- 
deckennarbe nicht  zu  bald  durch  die  Bauchpresse  belastet  werde. 
In  früherer  Zeit  vor  Einführung  der  Etagennaht  gebrauchte  man 
die  Vorsicht,  die  Patienten  nur  mit  einem  von  Bandagisten  an- 
gefertigten  Korsett  aufstehen  zu  lassen,  welches  sie  auch  nach  dem 
\"erlassen  des  Spitals  möglichst  lange  tragen  mussten.  Gegen- 
wärtig wird  dem  Patienten  weder  beim  ersten  Aufstehen  noch 
später  beim  Verlassen  des  Spitales  irgend  eine  Bandage  gegeben. 
Trotzdem  kamen  bisher  nach  der  Etagennaht  im  ganzen  nur 
einige  wenige  Fälle  von  Bauchwandhernien  zur  Beobachtung,  es 
hatte  dabei  meist  eine  Bauchdeckeneiterung  stattgefunden. 


Die  Konstatierung  der  Fortschritte  der  Resultate  im  allge- 
meinen und  der  Zahl  der  Operationen  im  gegebenen  Zeiträume 
waren  es  hauptsächlich,  auf  welche  wir  uns  mit  Rücksicht  auf 
das  so  reichhaltige  und  bunte  Material  beschränken  mussten,  zu- 
mal der  grösste  Teil  des  Wertvollen  und  Interessanten  in  zahl- 
reichen , aus  der  Klinik  hervorgegangenen  Arbeiten  eingehend 
behandelt  worden  ist. 


254 


Fr.  Hansy  und  E.  Knauer. 


Varia 

Incisionen 

Üperat.  a.  d.Nieren  u. 
d.  retroperitonealen 
Geschwülsten. 

Operationen  a.Leber, 
Milz  u.  Pancreas. 

Operationen  a.  Darm 

Operationen  am 
Magen 

Myomotomien 

Ovariotomien 

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I.  Periode  der 
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schen  Zeit. 
llerb.st  1867  bis 
Ende  1875.. 

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III.  Periode  der 
streng.  Anti- 
sepsis. Ende 
1877  bis  Anfang 
1881. 

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IV.  Periode  der 
str.  Antisep- 
sis, Einführung 
des  Jodoforms. 
Anf.  18811)is  Anf. 
1886. 

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V.  Periode  der 
str.  Antisep- 
sis, Weglassen 
der  Schwäm- 
me. Anf.  1886 
bis  Anf.  1891. 

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VI.  Periode  des 
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Verfahrens. 
Anf.  1891  bis 
Juli  1892. 

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h-i 

4^ 

X 

4^ 

X 

-^1 

X 

5 £= 

U eb  er  siclitstab  eile : 


; lieber  die  Komplikation  von  Schwanger- 
schaft, Geburt  und  Wochenbett  mit 

Ovarialtumoren 


von 


Dr.  Otto  von  Weiss, 

Assistent  an  Hofrat  Prof.  Dr.  Gustav  Braun’s  Klinik,  Wien. 

j 

Wie  auf  manchen  andern  Gebieten  hat  die  Einfülirung  der 
i antiseptischen  Wundbehandlung  und  ihr  Uebergang  zur  Aseptik 
' auch  in  der  Stellungnahme  zu  dieser  so  gefahrvollen  Komplikation 
I einen  radikalen  Umschwung  herbeigeführt. 

An  und  für  sich  selten,  Fehling  berechnet  20  Ovarialtumoren 
auf  17832  Geburten  der  Berliner  Klinik,  d.  i.  1:891  — eine  nach 
meiner  Erfahrung  als  Durchschnittszahl  viel  zu  hoch  angesetzte 
Frequenz  — , nimmt  sie  doch  ziemlich  viel  Platz  in  der  Fach- 
litteratur  in  Anspruch,  da  eben  früher  jeder  einzelne  Fall  den 
Geburtshelfer  vor  die  schwierigsten  Probleme  seiner  Kunst  stellte, 
und  trotzdem  eine  grosse  Zahl  der  Mütter  und  die  weitaus  grössere 
Zahl  der  Kinder  ihr  Leben  einbüssten,  während  heute  bei  recht- 
zeitigem und  richtigem  Eingreifen  nahezu  jeder  einzelne  Fall  einen 
sichern  und  nennenswerten  Erfolg  des  Arztes  bedeutet. 

Die  Thatsache,  dass  der  Geburtshelfer  früher  den  Gefahren 
der  Schwangerschaft  bei  Eierstocksgeschwülsten  ruhig  Zusehen  und 
‘ bei  der  Gebmd  sich  dann  den  gegebenen  misslichen  Verhältnissen 
anpassen  musste,  macht  es  natürlich,  dass  Statistiken  wie  die  hier 
gegebenen  die  Durchschnittserfolge  ärztlichen  Könnens  repräsen- 
tierten -) : 

’)  Uel)er  die  Komplikation  von  .Schwangerschaft  und  Geburt  mit  Tumoren 
der  Beckenorgane.  — Deutsche  medic.  Woclienschrift,  1888,  Xr.  49. 

Tabelle  wiedergegeben  von  Lomer  >Ueber  Komplikation  der  Geburt 
durch  Ovarialtumoren«.  — Archiv  für  Gynäkologie.  B<1.  XIX,  Heft  II,  1882. 


236 


Otto  von  Weiss. 


Playfair 

Jetter 

Mütter 

Kinder 

Mütter 

Kinder 

leb. 

t 

leb. 

t 

leb. 

t 

leb. 

t 

Der  Natur  überlassen 

7 

6 

5 

5 

Spontane  Euptur 

2 

1 

? 

? 

3 

5 

? 

? 

Uterus-Ruptur 

2 

2 

3 

? 

? 

Reposition 

5 

3 

1 

20 

3 

13 

5 

Punktion 

9 

6 

3 

11 

5 

4 

11 

Perforation 

8 

7 

15 

14 

10 

24 

Zange 

1 

1 

1 

1 

7 

6 

6 

5 

Wendung 

1 

4 

1 

4 

7 

8 

1 

11 

Kaiserschnitt 

1 

1 

3 

1 

2 

Künstliche  Frühgeburt 

1 

1 

6 

2 

4 

2 

Unentb linden  f 

3 

Summe 

33 

23 

16 

33 

68 

48 

29 

60 

Welcher  Abstand  gegen  die  heute  erreichten  Erfolge,  die  am 
besten  dadurch  illustriert  werden,  dass  01s hausen^)  82  Ovario- 
tomien  an  der  Graviden  (von  verschiedenen  Operateuren  ausge- 
führt) mit  74  Genesenen  verzeichnet,  darunter  36  von  Lawson- 
Tait,  01s hausen,  Spencer,  AVells  und  Schröder  ausge- 
führte mit  nur  einem  Todesfall,  endlich  1891  über  24-)  eigene 
Ovariomien  in  Gravida  ohne  Todesfall  berichten  konnte,  wobei 
in  etwa  20^ aller  Fälle  sich  an  den  operativen  Eingriff  vorzeitige 
Unterbrechung  der  Schwangerschaft  nach  Tagen  oder  Wochen 
anschloss,  in  80 o/o  dagegen  die  Frucht  ausgetragen  und  später 
spontan  und  lebend  geboren  wurde. 

Die  Gefahren,  welche  die  Schwangere  bedrohen,  sind  in  der 
ersten  Zeit  Raumbeschränkung  im  kleinen  Becken,  die  zum  Ab- 
ortus  führen  kann,  später  bei  grossen  Tumoren  Raumbeschränkung 
in  der  Bauchhöhle,  die  hochgradige  Beschwerden,  Frühgeburt, 

b »Krankheiten  der  Ovarien«.  Deutsche  Chirurgie,  Stuttgart  1886.  Kap. 
XVIII.  Komplikation  mit  Schwangerschaft  und  Geburt. 

b Olshausen,  »Die  Laparotomien  der  Universitäts-Frauenklinik  in  Berlin 
während  der  drei  Jahre  1.  IMai  1887 — 90«.  Zeitschrift  für  Geburtshilfe  und 
Gynäkologie.  Bd.  XX. 


Komplikation  v.  Schwangerschaft,  Geburt  u.  AVochenbett  m.  Ovarialtumoren.  237 

Ruptur  der  Cyste  im  Gefolge  haben  kann,  bei  kleinen  Tumoren 
vor  allem  die  enorme  Gefahr  der  Stieltorsion  mit  folgender  Peri- 
tonitis, Nekrose  des  Tumors  u.  s.  f. 

Die  Behandlung  besteht  durchwegs  in  Ausführung  der  Ova- 
riotomie,  und  kommt  Punktion  heute  nur  ausnahmsweise  und  nur 
dann  in  Anwendung,  wenn  die  durch  die  Raumbeschränkung  in 
der  Bauchhöhle  hervorgerufenen  Beschwerden  eine  sehr  bedeu- 
tende Höhe  erreicht  haben,  und  äussere  Umstände  eine  sofortige 
Laparotomie  ausschliessen. 

Dabei  gilt  Peritonitis,  meist  dm’ch  Stieltorsion  bedingt,  nicht 
als  Contraindikation,  sondern  im  Gegenteile  als  höchst  dringende 
' Indikation,  da  zahlreiche,  wie  auch  unsere,  Erfahrungen  lehren, 

I dass  mit  der  Entfernung  des  Tumors  als  der  Ursache  meist  auch 
[ die  peritonitischen  Erscheinungen  rasch  schwinden. 

Ebensowenig  gilt  drohende  Unterbrechung  der  Schwanger- 

I Schaft  als  Hindernis  der  schleunigen  Ausführung  der  Laparotomie, 
seitdem  es  A,  Martin^)  gelungen,  durch  beiderseitige  Ovariosal- 
pingotomie  bei  Cystovarium  duplex  den  schon  in  Gang  befind- 
lichen Abortus  aufzuhalten,  worauf  die  Gravidität  ohne  weitere 
Störung  ihr  Ende  erreichte. 

Während  für  die  erste  Plälfte  der  Gravidität  alle  Autoren  die 
. Laparotomie  bei  Anwesenheit  von  Tumoren  der  Ovarien  und  Tuben 
I als  dringend  indiciert  bezeichnen,  besteht  eine  Differenz  in  den 
Anschauungen  insofern,  als  bei  vorgeschrittener  Gravidität  und 
I vollkommener  Euphorie,  sowie  Hochstand  des  Tumors  manche 
derselben  den  Eingriff  bis  in  die  spätere  Zeit  des  Puerperium 
verschieben,  oder  doch  im  6.  und  7.  Lunarmonat  einen  Aufschub 
der  Operation  bis  zur  Zeit  der  Lebensfähigkeit  der  Frucht  ver- 
langen. 

Doch  spricht  der  Umstand,  dass  sich  an  den  Eingriff  Unter- 
brechung der  Schwangerschaft  nur  selten  anschliesst,  sowie  die 
' stets  lauernde  Gefahr  der  Stieltorsion  und  Berstung  der  C}"ste 
gegen  jeglichen  Aufschub. 

Olshausen^)  berichtete  1886  über  82  Fälle  von  Ovariotomie 
in  gravida  (ausgeführt  von  44  Operateuren)  mit  74  Fällen  von 
Genesung  und  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  in  etwa  20°;b 
der  Fälle. 

In  der  mir  zugänglichen  Litteratur  fand  ich  50  weitere  Ova- 
riotomien  an  Graviden  ausgeführt  wegen  Tumoren  der  Eierstöcke, 

b Gördes,  > Schwangerschaft  und  Neubildung«.  Zeitschrift  für  Gel)urtshilfe 
und  Gynäkologie.  Bd.  XX,  p.  KM), 
b loco  cit. 


238 


Otto  von  Weiss. 


und  zwar  beschreiben  Schulz^)  1,  Stieglitz  2,  01s  hausen^) 
zählt  16,  Staude ‘‘)  2,  Ashton^)  1,  Martin*^)  3,  Bantok’)  1, 
Wachenheimer  1,  Munde  2,  Barsony^®)  1,  Heil- 
brunn 1,  Engström^^)  7,  Riedinger  2,  Terrilon  und 
Valat^^)  3 , Polter  l,Runge^®)  1,  Ohage 1,  Szutugin 
3,  Rosinsky  1^)  1 Fall,  welchen  sich  die  zwei  hier  mitzuteilenden 
Fälle  Hofrat  Prof.  Gustav  Brauns  anschliessen  — somit  im 
ganzen  52  Fälle  mit  2 Todesfällen  (Wach  en heim  er  und  Szu- 

»Ein  Fall  von  gleiclizeitigem  Wachsen  eines  graviden  Uterus  und  einer 
Parovarialcyste  im  kleinen  Becken  mit  Einklemmungserscheinungen«.  Inaugural- 
Dissert.  Marburg  1889.  ref.  Frommei  Jahr.,  1889. 

»lieber  Ovariotomie  in  der  Schwangerschaft«.  Inaug.  Diss.  Erlangen  1889. 
ref.  Frommei  Jahr.  1890. 

3)  1.  cit. 

‘‘)  Gehurtshilfl.  Gesellschaft  in  Hamburg,  ref.  Centralblatt  für  Gynäkologie 
1888  Nr.  15. 

»Ueher  drei  Fälle  von  Gravidität,  kompliziert  durch  Ovarialkystome«. 
Münchener  med.  Wochenschrift,  XXXV,  Nr.  21,  1888. 

Gördes  1.  cit. 

’)  »Uermoidcy stell  bei  Gravidität«.  Brit.  Gynäk.  Journal,  XXI,  Mai  1890. 
ref.  Frommei  Jahr.  1890. 

®)  »Ueher  Ovariotomie  in  der  Schwangerschaft«.  Inaug.  Diss.,  Strassburg 
1890.  ref.  Frommei  Jahr.  1890. 

•’)  Drei  Fälle  von  Schwangerschaft,  komiilizirt  mit  Ovarientumoren«.  New- 
York,  med.  Journal  1887.  ref.  Frommei  Jahr.  1887. 

»Ovariotomie  während  der  Schwangerschaft«.  Centralblatt  für  Gynäk. 
1887,  Nr.  9. 

“)  »Cystoma  ovarii  sin.,  Peritonitis,  Gravid.  HI.  m.  1.,  Laparotomie-Heilung«. 
Münchener  med.  Wochenschrift,  1887. 

»Ueher  Ovariotomie  während  der  Schwangerschaft«.  Finska  Läkar. 
Handl.  XXXI,  ref.  Frommei  Jahr.  1889. 

»Ueher  einige  seltene  Vorkommnisse  in  der  Mähr.  Landesgebäranstalt 
Brünn  während  der  Jahre  1887  bis  inkl.  1891«.  Prager  med.  Wochenschrift,  1891, 
Nr.  15—17. 

'b  »Verhaltungsmassregeln  in  Fällen  von  Komplikation  der  Schwangerschaft 
mit  Ovarialcyste«.  Ai’chive  d.  Tocol.  Paris  1888,  Nr.  4.,  ref.  Frommei  Jahr.  1890. 

»Double  ovariotomy  during  pregnancy  suhsequ.  delivery  a term«.  Trans. 
Amerik.  Ass.  Obst,  and  Gynäc.  Philad.  1888,  I.  ref.  Centralblatt  für  Gynäkol. 
1889,  p.  604. 

»Gravida  mit  congenital  verlagerter  Niere  und  Ovarialtumor,  Ovariotomie 
5.  m.  1.,  k.  Einleitung  der  Geburt  im  10.  IMonat,  glücklicher  Ausgang  für  Mutter 
und  Kind«.  Archiv  für  Gynäk.  1.  Bd.  14. 

Ovariotomie  während  der  Schwangerschaft«.  Northwestern  Lancet,  1890 
Sept.,  ref.  Centralhlatt  für  Gynäk.,  1890. 

»55  in  Moskau  ausgeführte  Laparotomien«.  Wratsch  1891,  ref.  Central- 
blatt für  Gynäk.,  1892,  Nr.  12. 

»Zur  Casuistik  der  Spontanperforation  von  Ovarialcysten  in  die  Peri- 
tonealhöhle«. Dissert.  Breslau  1891,  ref.  Centralblatt  für  Gynäk.,  1891,  Nr.  39. 


Komplikation  v.  Schwangerschaft,  Geburt  u. Wochenbett  m.Ovarialtumoren. 


239 


tugin),  oder  im  Vereine  mit  den  82  Fällen  Olshausens,  134 
Fälle  mit  10  Todesfällen  d.  i.  mit  7,4®/o  Mortalität. 

Diese  Zusammenstellung  darf  ja  sicher  keinen  Anspruch  auf 
Vollständigkeit  erheben,  sicher  sind  manche  Fälle  nicht  publiziert 
oder  in  Berichten  zerstreut,  sicher  wurden  auch  manche  miss- 
lungene Fälle  nicht  veröffentlicht,  doch  zeigt  das  starke  Sinken 
der  Mortalität  von  9,6 % der  Olshausen’schen  Zusammenstellung  zu 
3,8o/o  dieser  Nachtragsliste  die  mit  der  Verallgemeinerung  der 
Laparotomie  verbundene  Verminderung  der  Misserfolge,  und  lässt 
dies  für  die  Zukunft  noch  eine  weitere  Verbesserung  erhoffen. 

Die  zwei  von  Hof  rat  Gustav  Braun,  dem  ich  für  die  gütige 
Ueberlassung  der  Fälle  zur  litterarischen  Verwertung  hier  ver- 
bindlichst danke,  an  der  Graviden  ausgeführten  Ovariotomien  sind 
folgende  : 

1)  Ch.  P.,  ^4  Jahre  alt,  früher  stets  gesund,  seit  dem  14.  Lebensjahr  stets 
regelmässig  menstruiert , letzte  Periode  7.  Januar  92.  Seit  dieser  Zeit  etwa 
bemerkt  Pat.  eine  kugelige  Geschwulst  in  der  linken  UnteiLauchgegend , die 
allmählich  an  Grösse  zunahm.  Zu  den  Zeiten,  die  den  IMenstruationen  im  Februar, 
IMärz  und  April  entsprochen  hätten,  war  das  Wachstum  der  Geschwulst  ein 
rascheres,  und  traten  jedesmal  sehr  heftige  kolikartige  Schmerzen  auf.  Besonders 
heftig  waren  diese  Schmerzen  am  16.  April,  und  es  wurde  angeblich  beobachtet, 
dass  für  diesen  Tag  der  kindskopfgrosse  Tumor  in  der  rechten  Unterbauchgegend 
liege,  am  nächsten  Tage  hatte  er  jedoch  wieder  seine  Position  in  der  linken 
Seite  eingenommen. 

St.  präsens; 

Anämisches  Individuum,  gracil  gebaut,  allgemeine  Decke  blass,  Pannicnlus 
mässig  entwickelt,  Brustorgane  normal,  Collostrum  in  mammis,  Drüsengewebe  gut 
entwickelt , geringer  Meteorismus , Uteruskontour  einige  Querlinger  ober  der 
Symphyse  undeutlich  tastbar,  darüber  nach  links  und  oben  tympanitischer  Schall 
in  handil)reiter  Zone,  darüber  bis  zum  Rippenbogen  kindskopfgrosse,  etwas  pro- 
minente, bewegliche  Geschwulst,  ziemlich  druckempfindlich,  deutlich  fiuctuierend, 
darüber  leerer  Schall. 

Bei  der  inneren  Untersuchung  alle  oljjektiven  Symptome  einer  intrauterinen 
ersten  Gravidität  vom  5.  L.M.  nachweisbar , Kindesbewegungen  werden  nicht 
gefühlt,  fötale  Herztöne  nicht  nachweisbar,  Harn  eiweissfrei,  Temp.  normal. 
Puls  80—90. 

24.  April  92.  Laparotomie. 

Peritoneum  stark  gerötet,  Gefässe  deutlich  injiciert,  leichter  Hydrops. 
Ascites. 

Uterus  dem  5.  m.  1.  entsprechend  gravid,  Fundus  den  oberen  Symphysen- 
rand drei  Querfinger  breit  überragend,  etwas  nach  rechts  verdrängt,  darüber 
Ileumschlingen , darüber  nach  links  oben  kindskopfgrosse  eiförmige  cystische 
Geschwulst,  dem  linken  Ovarium  entsprechend,  an  dem  ziemlich  lange  aus- 
gezogenen von  links  über  die  Rückseite  nach  rechts  anderthalbmal  torquierten, 
aus  dem  Ligam.  latum  sin.  und  der  Tuba  sin.  gebildeten  Stiel  hängend.  Keinerlei 
Adhäsionen.  Im  rechten,  scheinbar  normalen  Ovarium  Corpus  luteum  verum. 

Partienweise  Seidenligatur  des  Stieles,  Abtragung  mit  dem  Thermocauter, 


240 


Otto  von  Weiss. 


Uebernähung  des  Tube)idurchschnittes  mit  »Serosa,  Massenligatur  um  den  Stumpf, 
Versenkung  desselben,  dreireihige  Bauclmabt. 

Die  Gesch-wulst ')  erweist  sich  am  Durchschnitte  als  mehrkämmeriges  kinds- 
kopfgrosses Ovarialkystom  mit  ganseigrossem  Hämatom  im  oberen  Pole. 

Verlauf  afebril,  15.  Mai  wurde  Patientin  mit  per  priniam  geheilter,  voll- 
kommen benarbter  Wunde  entlassen,  nachdem  keinerlei  Wehenthätigkeit  beob- 
achtet worden  war. 

Pat.  kehrte  bald  darauf  in  ihre  Heimat  nach  Schlesien  zurück.  Fast  un- 
mittelbar nach  dieser  Reise  traten,  1.  Juni,  Wehen  auf  und  erfolgte  ohne  grössere 
Beschwerden  spontan  die  Geburt  einer  männlichen  lebenden  Frucht  von  28  cm 
J dinge , Placentarperiode  normal , Wochenbett  normal , Laparotomienarbe  fest, 
unnachgiebig. 

Patientin  befindet  sich  brieflichen  Nachrichten  entsprechend  derzeit  voll- 
kommen wohl. 

Die  so  spät  nach  dem  operativen  Eingriff,  unmittelbar  nach 
der  langen  Eisenbahnreise  erfolgte  Unterbrechung  der  Schwanger- 
schaft dürfte  zum  Teil  wenigstens  in  dieser  letztem  ihre  Ursache 
haben,  da  während  des  Aufenthaltes  der  Patientin  an  der  Klinik 
und  bei  ihrer  Entlassung  keine  Spur  von  Wehenthätigkeit  nach- 
zuweisen war  und  später  die  Frucht  zwar  nicht  lebensfähig  aber 
gut  entwickelt  und  lebend  ausgestossen  wurde. 

2)  E.  L.,  SOjähr.  Förstersfrau  1.  p.,  früher  stets  gesund,  1.  Menses  Ende 
November  1891. 

Im  Beginne  der  Gravidität  vollkommenes  Wohlbefinden,  erst  seit  IMonats- 
frist  zunehmende  continuierliche  Bauchschmerzen,  verbunden  mit  stets  steigender 
Druckempfindlichkeit,  die  Beschwerden  steigerten  sich  in  den  letzten  zwei  AVochen 
ausserordentlich,  so  dass  Pat.  die  Klinik  aufsuchte  und  dann  in  einer  Heilanstalt 
Aufnahme  fand. 

Status  p r ä s e n s : 

Kräftige,  gut  genährte  Person  mit  gesunden  Brustorganen,  Abdomen  stark 
meteoristisch  aufgetrieben,  enorm  und  zwar  besonders  rechts  in  der  Nabelhöhe  druck- 
empfindlich, Stand  des  gut  tastbaren  Uterus  die  Nabelhöhe  einige  Querfinger 
überragend,  darin  die  Frucht  in  Schädellage  nachweisbar,  fötale  Herztöne  im 
Hypogastrium  hörbar. 

Der  Stelle  der  grössten  Druckempfindlichkeit  entsprechend  ist  durch  die 
Bauchdecken,  dieselben  etwas  vorwölbend,  eine  über  faustgrosse,  sehr  deutlich 
fluctuierende , etwas  verschiebbare  Geschwulst  zu  tasten.  Bei  Druck  auf  dieselbe 
und  A^erschiebung  derselben  excessive  Schmerzen. 

Innerer  Untersuchungsbefund  einer  ersten  Gravidität  bei  Schädellage  ent- 
sprechend. 

Diagnose:  Graviditas  mensis  1.  A"H.,  Cystischer  Tumor  (des 
rehten  Ovariums?),  Peritonitis  vermutlich  in  Folge  von  Stieltorsion. 

10.  Juni  1892  Laparotomie: 

Schon  bei  Durchtrennung  der  Bauchdecken  reichliche  Blutung  selbst  aus 
den  kleinsten  Gefässen.  Serosa  hochgradig  injiciert,  im  ganzen  Umfange  leicht 


b Das  Präparat  Avurde  in  der  Sitzung  der  geburtshilfi.  gynäkologischen 
Gesellschaft  zu  AATen  am  10.  Mai  1892  a'ou  Hofr.  Giistav  Braun  demonstriert. 


Komplikation  v.  Schwangerschaft,  Gehurt  u.  Wochenbett  m. Ovarialtumoren. 


241 


verkleht  mit  dem  Netze  und  den  Intestinis,  l)ei  manueller  Trennung  dieser  Ver- 
klehungen,  Abfliessen  von  sanguinolenter  Ascitesflüssigkeit;  es  j)räsentiert  sieb 
der  hochrote  gravide  Uterus,  bedeckt  von  Netz  und  Darmschlingen,  die  Intestinal- 
serosa  mattglänzend,  aufgetilzt,  tiefrot,  teilweise  von  flhrinösen  Auflagerungen 
bedeckt.  Es  gelingt  nur  mit  Mübe  unter  dem  rechten  .Schnittrande  den  über  apfel- 
grossem,  plattgedrückten,  dickwandigen  Tumor  von  blassroter  Farbe  mit  stelle]i- 
weise  tiefblauer  bis  scliwarzer  Verfärbung  \on  seiner  fläcbenhaften  \'erlötung 
7iiit  der  vordei’en  Bauchwand  zu  lösen,  nach  doppelter  l'nterbindung  und  Ah- 
tragung  einiger  Netzadhäsionen  ihn  endlich  frei  zu  machen  und  den  kurzen  um 
mehr  als  360®  von  rechts  nach  links  scharf  ton]uierten  aus  dem  Idgamentum 
latum  d.  scheinbar  auch  aus  der  Tuhe  l)estehenden  .Stiel  aufzurollen , ])artien- 
w(‘ise  zu  unterbinden  und  mit  dem  Thermocauter  zu  durchtrennen. 

Wegen  allseitiger  Verlötung  der  Serosaflächen  wird  von  jeder  weiteren 
Durchforschung  der  Bauchhöhle  abgestanden,  nach  vorsichtiger  Toilette  der  .Stiel 
versenkt  und  die  Bauchdeckenwände  durch  drei  Reihen  von  Seidenkmj{)fnähten 
geschlossen. 

Ueber  dem  Jodoformgazeverband  wird  ein  Küblapparat  appliziert, 
e r 1 a u f vollkommen  glatt,  .Schmerzen  und  Druckempflndlichkeit  schwinden 
rasch  und  vollkommen,  Heilung  der  Bauchwunde  ]>er  primam  intentionem, 
Wehenthätigkeit  tritt  nicht  ein,  1.  Juli  1892  wird  Pat.  gc'sund  in  gravidem  Zu- 
stande mit  Bauchbinde  entlassen.  Der  entfernte  Tumor')  i.st  eine  Dermoidcyste 
des  rechten  Ovarium,  reichlich  Büschel  verfilzter  langer  Plaare  und  fettigen  Brei 
als  Inhalt  aufweisend.  Die  mikroskopischen  Präparate  zeigön  eine  dicke  dermoide 
Wandschichte  mit  Hautdrüsen,  glatten  Muskelfasern  und  Ovarialstroma.  Weder 
bei  nach  Gram  noch  nach  iJitfler  gefärbten  Präparaten  gelingt  es , ^likro- 
organismen  in  denselben  nachzuweisen. 

Es  erscheint  hier  besonders  bemerkenswert,  dass  die  deutliclie 
und  oberflächliche  Fluktuation  bei  der  äusseren  Untersuchung 
nicht  einen  dermoiden  dickwandigen  Tumor,  sondern  eher  eine 
dünnwandige  Cyste  erwarten  liess,  ferner  dass  die  plastische,  nicht 
infektiöse,  Peritonitis  so  rasch  zurückging,  nach  Entfernung  des 
infolge  der  Stieltorsion  nekrosierenden  Tumors. 

Der  dritte  hierhergehörige  Fall  repräsentiert,  obschon  aus- 
gesprochene Wehenthätigkeit  nicht  nachzuweisen  war,  doch  voll- 
ständig den  Typus  der  Geburtsstörung  durch  im  Cavum  Douglasii 
incarcerierte  Cysten,  er  ist  folgender : 

M.  P.,  21  Jahre,  1.  p.  his  dahin  stets  gesund,  11.  4.  92  als  im  10.  L.M. 
schwanger  auf  der  Klinik  aufgenommen,  zeigt  bei  der  äusseren  Untersuchung  den 
Befund  einer  normalen  .Schädellage  1.  .Stellung,  fundus  uteri  steht  knajtp  unter 
dem  Schwertfortsatz,  Frucht  lehend  auf  28fX)  gr.  geschätzt,  Schädel  im  Eingang, 
stehend. 

Bei  der  inneren  Untersuchung  zeigt  sich  das  hintere  Scheidengew<>lbe 
durch  eine  prall  gespannte,  undeutlich  fluktuierende  etwa  gänseeigrosse  Geschwulst 
tief  herabgedrängt,  darüber  stellt  fest  im  Eingang,  <ler  kindliche  Schädel,  die 
Vaginalportion  ist  ziemlich  hoch  und  stark  nach  vorne  verschohen , für  den 

')  Demonstriert  in  der  Sitzung  der  geburtshilflich-gynäkologischen  Gesell- 
schaft zu  Wien  am  14.  Juni  1892. 


k; 


242 


Dr.  Otto  von  Weiss. 


Finger  bequem  (lurcligängig , der  durch  den  kurzen  nacli  oben  weiter  werdenden 
Cervicalkanal  auf  die  Eihäute  und  den  knapp  dahinter  stehenden  Schädel  stösst. 

18.  4.  Nach  ausgiebiger  durcli  hochgehende  Dannirrigation  erzielter  Darm- 
entleerung Repositionsversuch  in  Seitenlage,  dann  Knieellhogenlage , zuerst  von 
der  Scheide,  dann  vom  Mastdarm  aus,  ohne  Erfolg,  hei  der  Untersuchung  vom 
Rectum  aus  imponiert  der  Tumor  als  etwa  kindskopfgross,  seine  oberen  Grenzen 
sind  nicht  genau  ahzugrenzen , Fluctuation  ist , offenbar  infolge  der  grossen 
Spannung,  kaum  nachzuweisen. 

Diagnose:  Graviditas  10.  m.  1. , Partus  unmittelbar  bevorstehend, 
cystischer  oder  solider  Tumor,  wahrscheinlich  einem  Ovarium  an- 
gehörig, im  D ouglas’schen  Raum  eingeklemmt. 

19.  4.  In  Narkose  wiederholter  erfolgloser  Re2msitionsversuch , von  dem 
endlich  abgestanden  wird , da  eine  Forcierung  des  Versuches  den  Tumor  an 
dem  feststehenden  Schädel  vorheizuschiehen  eventuell  zur  Berstung  desselben 
geführt  hätte. 

Da  Pat.  auf  den  Vorschlag  des  Kaiserschnittes  eingeht,  wird  mit  Beiseite- 
setzung eines  Punktions-  oder  Incisionsvei’suches  zur  Laparotomie  geschritten. 

Da  auch  nach  Ilervorwälzimg  des  Uterus  aus  der  Bauchwunde  der  Tmuor 
nicht  zugänglich  ist,  wird  der  konservative  Kaiserschnitt  in  typischer  Weise  aus- 
geführt, ein  frischer  lebender  Knabe  von  2750  gr.  Gewicht  und  48  cm  Länge 
entwickelt  und  nach  vollkommenem  Verschluss  der  Uteruswunde  der  Uterus  in 
warme  Komjjressen  eingehüllt  nach  vorne  über  die  »Symjdayse  geschlagen,  und 
nun  lässt  sich  unschwer  aus  demCavum  Douglasii  ein  etwa  kindskoiifgrosses  ziemlich 
dünnwandiges  Kystom  dem  linken  Ovarium  entsprechend  entwickeln.  Partien- 
weise Ligatur  des  Stieles  (Ligam.  latum  u.  Tube),  Abtragung  mit  dem  Thermo- 
cauter , Versenkung  des  Stieles , Coiqnis  luteum  verum  im  rechten  normal  aus- 
sehenden Ovarium.  Schluss  der  Bauchwunde. 

Verlauf:  2.  Tag  2^.  o.  abends  dS**,  weiterhin  vollkommen  afehril,  Heilung 
der  Bauchwunde  per  23rimam.  Pat.  wird  11.  Mai  92  geheilt  entlassen. 

Die  Gefahren  des  Geburtsaktes  hei  Ovarialtumoren  sind  eben 
bei  grossen  über  dem  Uterus  liegenden  Geschwülsten  geringer  und 
beschränken  sich  hier  auf  die  Steigerung  der  Beschwerden  durch 
den  Hochstand  des  Zwerchfelles  und  auf  die  allerdings  sehr  ernste 
Gefahr  der  Berstung  des  Tumors. 

Die  Behandlung  besteht  in  möglichst  rascher  Erledigung  der 
Geburt,  durch  Extraktion  der  Frucht  nach  Verstreichen  des  Mutter- 
mundes , eventuell  könnte  eine  Punktion  des  Tumors  von  den 
Bauchdecken  aus  die  hochgradigsten  Beschwerden  beseitigen,  und 
wird  der  Tumor  im  Puerperium  durch  Laparotomie  entfernt.  Er- 
scheinungen, die  auf  eine  Berstung  der  Cyste  schhessen  liessen, 
würden  allerdings  sofortige  Laparotomie  erfordern. 

Viel  grösser  sind  aber  die  Gefahren,  die  kleinere  im  Cavum 
Douglasii  adhärente  oder  eingeklemmte  Tumoren  verursachen,  sie 
geben  oft  genug  ein  unüberwindliches  Geburtshindernis  ab.  Die 
Therapie  besteht  in  Repositionsversuchen  in  Narkose,  ausgeführt 
besonders  in  Knieellbogenlage  von  der  Scheide  namentlich  abt'r 
vom  Mastdarme  aus.  Der  Verlauf  bei  Gelingen  der  Reposition  ist 


Komplikation  v.  Schwangerschaft,  Geburt  u.  Wochenbett  m.  Ovarialtumoren. 


243 


meist  sehr  glatt.  Wenn  aber  die  Ref)osition  misslingt,  so  bleibt, 
da  der  Versuch,  mit  der  Zange  oder  durch  forcierte  Extraktion 
nach  Wendung  das  Hindernis  zu  überwinden,  mit  Recht  verpönt 
ist,  nur  die  Punktion  resp.  Incision  der  Geschwulst  bei  flüssigem 
Inhalte,  der  Kaiserschnitt  bei  solider  Konsistenz  des  Tumors  übrig. 
Die  Entscheidung  in  der  ersten  Richtung  wird  dadurch  sehr  er- 
schwert, dass  die  grosse  Spannung  der  Geschwulst  oft  die  richtige 
Beurteilung  der  Konsistenz  derselben  unmöglich  macht.  Sehr  oft 
schon  wurde  die  Punktion  erfolglos  ausgeführt;  versagt  sie,  so 
bleibt  immer  noch  die  breite  Incision  der  Geschwulst  und  eventuelle 
digitale  Ausräumung.  Durch  den  Vorschlag  von  Fritsch')  wird 
dieses  Verfahren  in  sehr  rationeller  Weise  zur  Methode  erhoben, 
indem  er  unter  Freilegung  des  hintern  Scheidengewölbes  mit 
Spekulis  in  der  Medianlinie  präparatorisch  einschneidet,  nach  Er- 
öffnung der  Cyste  sofort  Umsäumungsnähte  anlegt,  stets  unter 
kontinuierlicher  Bespülung  so  ein  Loch  in  die  Cystenwand  schneidet 
und  mit  dem  Finger  den  Inhalt  ausräumt.  Die  Naht  hat  das 
Vordringen  von  Cysteninhalt  in  die  Bauchhöhle  zu  verhindern 
und  stillt  die  Blutung;  es  folgt  operative  Erledigung  der  Gel)urt, 
dann  neuerliche  Untersuchung  und  Jodoformgazetampoiiade  des 
Cystenraumes,  handelt  es  sich  um  ein  proliferierendes  Cystom,  so 
folgt  nach  etwa  drei  Wochen,  nach  Umschneidung  der  Fistel  von 
der  Scheide  aus  dessen  Entfernung  durch  Laparotomie. 

Dieses  V erfahren , das  auch  von  L o m e r -) , 0 1 s h a u s e n ^) , 
Fehling'* *)  warm  empfohlen  wird,  dürfte  in  der  poliklinischen 
Behandlung  meist  gewählt  werden,  doch  haften  ihm  noch  manche 
Mängel  an: 

Eine  Verunreinigung  des  Bauchfelles  mit  Cysteninhalt  wird 
auch  bei  geschickter  Operationsführung  nicht  immer  zu  vermeiden 
sein,  zum  Teil  schon  deshalb,  weil  der  unter  dem  Wehendruck 
nachrückende  Schädel  der  Vollendung  der  Naht  zuvorkommen 
kann.  Weiter  dürfte  eine  Mortifikation  des  Geschwulstgewebes 
nach  digitaler  Ausräumung  des  Inhaltes,  eine  eventuelle  Vereiterung 
oder  Verjauchung  desselben  unter  Einfluss  der  Verunreinigung  mit 
Lochialsekret  nicht  immer  hintanzuhalten  sein.  Endlich  hat  das 


[ 


')  »Klinik  der  geburtshilflichen  Operationen«.  Halle  188b.  Pag.  219. 

‘0  »lieber  die  Komplikation  der  Geburt  durch  Ovarialtumoren«.  Archiv  für 
Gynäkol.  Bd.  XIX,  Heft  HI,  1882,  und  »Geburtsbehinderung  durch  im  kleinen 
Becken  eingekeilte  Ovarientumoren«.  Deutsche  med.  Wochenschrift,  1890,  Xr.  2-1. 
'■')  loc.  cit. 

*)  »Ueber  die  Komplikation  von  Schwangerschaft  und  Geburt  mit  Tumoren 
der  Beckenorgane«.  Deutsche  med.  Wochenschrift,  1888,  Xr.  49. 


244 


I)r.  Otto  von  Weiss. 


Verfahren  durchaus  nicht  in  allen  Fällen  genügt,  das  Geburts- 
hindernis zu  beseitigen,  schon  Litzmann^)  berichtete,  dass  viermal 
unter  neun  Fällen  von  Punktion  oder  Incision  des  Tumor  noch 
Embryotomie  derselben  folgen  musste,  auch  Top orsky''^)  führte  nach 
Inzision,  Umsäumung  und  Zangenversuch  die  Craniotomie  aus, 
in  einem  zweiten  Falle  wurde  die  Frucht  mit  der  Zange  extrahiert, 
und  trat  im  Verlaufe  des  fieberhaften  Puerperium  embolische 
Hemiplegie  auf. 

In  einer  wohlausgerüsteten  Anstalt  oder  Klinik  verdient, 
glaube  ich,  bei  Misslingen  des  Repositionsversuches  der  Kaiser- 
schnitt den  Vorzug  vor  der  Punktion  und  Inzision  der  Ge- 
schwulst, der  doch  später  meist  die  Laparotomie  folgen  muss.  Die 
zunehmend  günstigen  Resultate  des  Kaiserschnittes,  die  damit  stets 
steigende  Zahl  neuerlicher  Gravidität  nach  Sectio  caesarea,  die 
ja  hier  bei  Fehlen  des  Geburtshindernisses  auch  ihre  Schrecken 
verliert,  berechtigen  sicher  dazu. 

Natürlich  sind  die  Chancen  des  konservativen  Kaiserschnittes 
nur  günstig  bei  Anwendung  desselben  im  Beginne  der  Geburt, 
bevor  es  durch  heftigen  Druck  zu  stärkerer  Quetschung  der  Weich- 
teile gekommen,  bevor  andere  Entbindungsversuche,  den  Rej30- 
sitionsversuch  ausgeschlossen,  ausgeführt  wurden. 

Allerdings  wurde  der  Kaiserschnitt  noch  selten  wegen  die 
Geburt  komplizierender  Ovarialtumoren  ausgeführt.  Ausser  den 
schon  von  Olshausen^)  citierten  Fällen  von  Hillas,  Lambert, 
Byford  und  Wells,  bei  welchen  der  gravide  Uterus  irrtümlich 
für  eine  zweite  Ovarialcyste  gehalten  und  punktiert  wurde  (es 
wurde  dann  die  Oeffnung  durch  Schnitt  erweitert),  der  Uterus 
entleert,  die  Mütter  genasen,  und  dem  Falle  von  Lahs^),  der  lethal 
endete,  berichtet  Fleisch mann^)  über  einen  gleichfalls  lethal  ver- 
laufenen Fall  Breisky’s  (es  handelte  sich  um  eine  rechtsseitige 
vereiterte  und  von  einem  Abscess  teilweise  umgebene  adhärente 
einkämmerige  Ovarialcyste),  und  beschreibt  Staude®)  einen  eigenen 
Fall  (irreponibler  undeutlich  fluktuierender  Tumor,  Schädellage, 

»Klinische  Mitteilungen,  II.  Kierstocksgeschwülste  als  Ursachen  von 
(Tebnrtsstörungen«.  Deutsche  Klinik,  1852,  p.  473. 

-)  »Beiträge  zur  Casnistik  der  Beckengeschwülste«.  Dissert.  Breslau  1884. 
ref.  Centralblatt  für  Gynäkol.  1885,  Nr.  27. 
loc.  cit. 

•')  »Linksseitiger  Ovarialtumor,  kompliziert  mit  Gravidität  im  Anfänge  des 
7.  Monats,  aclittägige  Geburtsai’heit , Kaiserschnitt.«  Deutsche  med.  'Wochen- 
schrift, 1878,  Nr.  5. 

*’)  »Vier  Kaiserschnitte«.  Zeitschrift  für  Heilkunde  VH.,  5 n.  G. 

')  Deutsche  med.  Wochensclu-ift,  1891,  Nr.  41. 


Komplikation  v.  Sclnvangerschaft,  Geburt u.  Wochenbett  m.  Ovarialtumoren.  24o 


Sectio  caesarea  conservativa,  Entfernung  einer  linksseitigen  intra- 
ligamentären Cyste  und  des  reclitsseitigen  apfelgrossen  Ovariums, 
wegen  atonisclier  Blutung  endlich  Abtragung  des  Uterus  nach 
Borro,  glatte  Heilung). 

Auf  die  Gefahr  der  Berstung  der  Ovarialcysten  intra  partum 
zurückkommend,  sei  es  mir  gestattet,  folgenden  Fall  kurz  zu  Ite- 
richten : 

B.  B.,  19  Jahre,  l.  p.  4.  12.  91,  gebärend  auf  die  Klinik  überbracht.  An- 
geblich letzte  ]\Ienses  15.  März,  Webentliätigkeit  .seit  3.  12.,  10  Uhr  abends. 
Aeusserer  Befund  Beekenendlage  1.  St.,  innerer  Untersuchungsbefund  Oriticium 
nahe  dem  Verstreichen,  Kiblase  tief  vorgebaucht,  dahinter  beide  Küsse  tastbai', 
nach  einigen  kräftigen  W'ehen  wird  die  Kil)lase  in  der  Vulva  sichtbar,  l)ei)ii 
Blasensprung  rücken  beide  Küsse  vor  die  Schamspalte.  I*at.  wird  rasch  auf  den 
Operationstisch  gehoben,  und  unter  leichter  Expression  die  ganz  unschwierige 
Extraktion  der  Krucht  ausgefülirt,  dal)ei  Ruptura  perinei  superficialis,  intrauterine 
Irrigation  mit  Kal.  permangan.,  Schluss  der  Dammwunde  durch  3 Suturen,  Knal)e 
lebend  2840  gr.,  48  cm. 

Schon  während  der  Extraktion  ilusserte  Pat.  heftige  Sclnnerzen  in  ab- 
domine,  unmittelbar  darauf  ohne  nachweisbaren  pathologischen  Befund  hoch- 
gradige Druckempfindlichkeit  des  Abdomens  l>ei  leichter  Cyanose,  Collaps,  dabei 
heftiges  Erbrechen,  welches  die  Nacht  hindurch  anhält. 

morgens : abends ; 

5.  12.  3G,u*^  37,4®  120 

Puls  klein  und  frequent.  INIeteorismus. 

0.  12.  37,1  ® 120  37,4®  124 

7.  12.  3(5,4  80  36,4  88 

8.  12.  37,3  110  36,5. 

. Extremitäten  kühl,  Resiiiration  sehr  frequent.  9.  12.  Exitus. 

Die  Obduktion,  ausgefülirt  von  Prof.  Richard  Paltauf,  er- 
gab folgenden  Befund: 

Körper  gut  mittelgross,  kräftig  gebaut,  gut  genährt.  Allgemeine  Decke 
leicht  ikterisch , ausgebreitete  Totenfiecke  auf  der  Rückseite,  Thorax  breit,  gut 
gewölbt,  Brustdrüsen  gross,  collostrumhaltig,  Abdomen  ausgedehnt  und  gespannt, 
die  Haut  etwas  gerunzelt. 

ln  der  Bauchhöhle  eine  trübe,  von  Kettaugen  untermengte,  reichlichen 
Eiter  haltende  Klüssigkeit,  die  Serosa  bedeckend.  Die  Därme  sind  untereinander 
verklebt,  von  eigellien  fibrinösen,  ziemlich  derben  Exsudatmembranen  und  mit 
Haaren  untermengten  Kettmassen  bedeckt,  die  ganze  Bröckel,  auch  Klumpen  bilden, 
namentlich  das  grosse  Netz  von  solchen  ganz  beschlagen,  und  finden  sich  unter 
<ler  Lebei’  am  Klagen  reichliche  etwas  starre  Kettbreimassen.  Die  !serosa  allent- 
halben gerötet,  die  Därme  mässig  ausgedehnt.  Der  Uterus  überragt  drei  (iuer- 
tinger  l>reit  die  8ymphy.se,  erscheint  ziemlich  starr,  rechterseits  am  Beckenein- 
gang findet  sich  ein  apfelgrosser,  schlaffer,  <lickwandiger  8ack,  der  eine  klein- 
fingergrosse Lücke  zeigt,  die  einen  braungell)en  , nekrotischen  dünnen  unregel- 
mässig fetzigen  Rand  hat. 

Der  Sack,  dem  rechten  Ovarium  entsprechend,  von  weissem  perlnudter- 
glänzendem  dickem  Epithel  ausgekleidet,  hat  an  sich  eine  dünne  Wand,  die  durch 
die  Reste  des  Ovariums  an  einem  grossen  Teile  seiner  Peripherie  verdickt  wird. 


1 


246  I)r.  Otto  von  Weiss. 

an  der  Lücke  ist  der  Cystensack  frei  von  einer  Hülle.  Die  Fimbrien  beider 
Tuben  intensiv  gerötet  und  geschwellt. 

Das  Zwerchfell  hochgestellt,  Brustorgane  bis  auf  Atelectasen  der  hinteren 
unteren  Lungenahschnitte  normal.  Das  Herz  schlaff,  Leber  leicht  geschwellt, 
hraungelh,  Zeichnung  etwas  verwischt.  Milz  kaum  vergrössert,  schlaff,  ihre 
Pulpa  weicher,  dunkel  braunrot.  Beide  Nieren  ziemlich  gross,  von  glatter  Ober- 
fläche, das  Gewebe  gelhrötlich,  die  Kinde  etwas  undeutlich  gezeichnet,  verquollen. 

Der  Uterus  18  cm  lang,  posti)uerperal,  ziemlich  starr,  seine  Serosa  grössten- 
teils blass,  an  der  hinteren  Fläche  gerötet,  aber  nicht  mehr  als  andere  Abschnitte 
der  Serosa  mit  etwas  fester  haftenden  Fihrinlamellen  bedeckt.  Die  Schamlippen 
dunkel  livid,  mit  graulichem  Sekrete  bedeckt,  2 cm  langer  durch  Knopfnähte  A'er- 
einigter  oberflächlicher  Dammriss,  in  dessen  Tiefe  etwas  Eiter.  Die  Scheide  Aveit, 
dunkelgraurot,  glatt,  Oriflcium  etAva  2 cm  Aveit,  die  Vaginal-Portion  kurz,  schlaft', 
dunkelrot,  in  der  Uterushöhle  dunkelschwarzrote  Blutgerinnsel,  die  im  Fundus 
fest  anhaften.  Die  Uterushöhle  IG  cm  lang,  AVOAmn  5,8  cm  auf  den  Aveiten  auf- 
gelockerten, blutig  suffimdierten  Cervikalkanal  entfallen.  Das  ziemlich  deutlich 
ausgesprochene  untere  Uterinsegment  A'on  gelhlicher,  dünner  Decidua  bedeckt 
misst  circa  1,7  cm.  Unter  den  Coagulis  im  Fundus  und  zAvischen  denselben  eine 
leicht  grünliche  Verfärbung.  Die  UterussAihstanz  ziemlich  derb,  Aveiss  und  blass- 
rötlich.  Die  Venen  leer,  am  Ansatz  des  rechten  Ligam.  latum  leichtes  Oedem. 

Peritonitis  purulenta  diffusa  ex  ruptura  cystidis  dermoides 
dextrae,  Uterus  post  partum  (a.  dies  IV). 

Die  mikroskopische  Untersuchung  des  Präparates  ergab,  dass 
es  sich  um  eine  echte  Dermoidcyste  mit  sämtlichen  Gebilden  der 
Haut : geschichtetem  Pflasterepithel,  Talgdrüsen  und  Haaren  handle. 
Die  Untersuchung  der  Rupturstelle  zeigte  das  Gewebe  an  der 
Rissstelle  durchsetzt  von  Fibrinnetzen  und  Eiterzellen,  ebenso  die 
ganze  freie  Oberfläche  der  Geschwulst  bedeckt  mit  fibrinös-eiterigem 
Exsudate.  In  den  nach  Löffler  Avie  nach  Gram  gefärbten  Schnitten 
fanden  sich  an  der  Rissstelle  im  Gewebe,  sonst  nur  in  dem  fibrinös- 
eitrigen, oberflächlichen  Exsudate,  Massen  von  Streptococcen. 

Es  handelte  sich  somit  um  eine  Streptococcenperitonitis,  deren 
Aetiologie  nicht  ganz  klar  ist,  da  doch  der  Verlauf  und  der  Zu- 
stand der  Sexualorgane  die  Annahme  einer  puerj)eralen  Infektion 
auszuschliessen  scheinen.  Der  Umstand,  dass  die  excessiven  Schmerzen 
während  der  ganz  leichten  Expression  eintraten,  und  von  diesem 
Augenblicke  an  die  peritonitischen  Symptome  eintraten,  die  hohe 
Lage  der  Cyste  am  Beckeneingange,  die  hauptsächliche  Verfilzung 
des  Netzes  und  der  Leberpforte  mit  Haaren  und  Fettbrei  lassen 
annehmen,  dass  die  Cyste  versteckt  und  unbemerkt  ziemlich  hoch 
im  Bauchraum  sich  befand,  und  die  Berstung  während  der  leichten 
Expression  eintrat,  wobei  man  eine  besondere  Fragilität  des  sonst 
doch  derb-  und  dickwandigen  Cystensackes  und  zwar  an  der  ne- 
krotischen Rissstelle  annehmen  müsste. 

Dabei  müsste  man  wieder  eine  hämatogene  Infektion  der 


i 


Komplikation  v.  Schwangerschaft,  Geburt u.  AVochenbett  m.  Ovarialtumoren . 247 

offenbar  durcli  Druck  in  der  Ernährung  tief  herabgesetzten  und 
nekrotisierten  Wandstelle  und  ein  Verschleppen  der  Keime  über 
das  ganze  Peritoneum  gleich  einer  xVussaat  im  Augenblicke  der 
Ruptur  der  Cyste  annehmen. 

Dies  ist  zwar  sehr  wahrscheinlich,  doch  wegen  der  nur  sehr 
circumscripten  auf  die  freien  Rissränder  beschränkten  Nekrose  nicht 
sicher  zu  beweisen,  da  diese  ja  auch  sekundär  sein  könnte,  und 
eine  Einwanderung  der  Streptococcen  auf  das  schon  entzündete 
Peritoneum  von  Seite  der  Uterus-  und  Tubenschleimhaut  nicht  ganz 
auszuschliessen  ist. 

Uebrigens  gehört  das  Platzen  von  Dermoidcysten  bei  Graviden 
resp.  Gebärenden  und  Nichtgraviden  zu  den  gefürchtetsten  Er- 
eignissen, so  dass  Olshausen^),  die  Berstung  von  Dermoiden  bei 
Graviden  betreffend,  sagt:  »Ganz  regelmässig  erfolgt  der  Tod,  falls 
es  eine  Dernioidcyste  war,  welche  in  das  Abdomen  hinein  barst.« 

Auch  xVronsohn")  schreibt  den  Dermoidcj'sten  in  dieser  Rich- 
tung die  schlechteste  Prognose  zu. 

Während  ein  Platzen  einkämmeriger  Cysten  mit  serösem 
Inhalte  ja  selbst  vonColloidcystonien  nur  geringe  peritoneale  Reizung 
verursacht,  und  es  bald  zur  Resorption  der  Flüssigkeit  kommt, 
wenn  dieselbe  nicht  Infektionskeime  enthält  — so  konnte  Schauta^) 
bei  einer  Person  die  Ruptur  einer  Ovarialcyste  in  zwei  aufeinander- 
folgenden Geburten  mit  spontaner  xVusstossung  der  Erucht  und 
normalem  Puerperium  beobachten  — , scheint  das  Platzen  von 
Dermoiden  im  puerperalen  und  nicht  puerperalen  Zustande  ver- 
hängnisvoll zu  sein.  Die  schwer  eliminierbaren  Haare  und  Fett- 
breimoleküle üben  einen  heftigen  Reiz  auf  die  Serosa  aus.  Wird 
diese  akute  Peritonitis  im  nicht  puerperalen  Zustande  überstanden, 
so  kommt  es  noch  häufig  genug  zur  Ansiedlung  der  an  der  Serosa 
haftenden  Partikel  in  Form  von  multiplen  Metastasen;  in  puer- 
peralem Zustande  dagegen  scheint  die  Peritonitis  stets  zum  töd- 
lichen Ausgang  zu  führen,  indem  auf  dem  Wege  der  Blutbahn 
oder  von  der  Genitalschleimhaut  aus  unter  den  offenbar  günstigsten 
Bedingungen  Infektionskeime  ein  wandern  und  der  Entzündung  des 
Bauclifells  den  deletären  infektiösen  Charakter  verleihen. 

Ist  aber  auch  die  Geburt  bei  geschützt  hoch  in  der  Bauch- 
höhle gelegenen  Tumoren  der  Ovarien  ohne  Unfall  verlaufen,  so 
droht  jetzt  im  Wochenbett  irifolge  der  rasch  eintretenden  Lage- 

b Ilandbnch  für  Friinenkrankheitcn.  Btl.  II,  p.  807. 

b »Zur  Ruptur,  Vereiterung  und  Axeudreliung  von  Ovarialeyaten.«  Inaug.. 
Diaaert.  Zürieli  1888. 

b Wiener  ined.  Blätter,  1882,  Nr.  20. 


248 


Dr.  Otto  von  Wciss. 


Veränderung  der  Eingeweide  die  Gefalir  der  Stieltorsion  und  der 
dadurch  bewirkten  Ernährungsstörungen  der  Geschwulst,  sowie 
der  durch  sie  gesetzten  Peritonitis. 

Es  ist  daher  bei  post  partum  erst  entdeckten  Tumoren,  oder  falls 
aus  irgend  welchen  Ursachen  die  Ovariotomie  in  der  Schwanger- 
schaft nicht  ausgeführt  wurde,  im  Puerperium  stets  die  Indikation 
zur  Laparotomie  gegeben  und  zwar  huldigt  man  dem  Grund- 
sätze, damit  nicht  lange  zu  zögern,  da  die  Erfahrung  beweist,  wie 
ausserordentlich  häufig  die  Stieltorsionen  im  Wochenbette  Vor- 
kommen, weil  sie  ferner  häufig  ohne  sehr  stürmische  Symptome 
zu  einer  adhäsiven  Peritonitis  führen,  wobei  mit  jedem  längeren 
Zuwarten  die  Lösung  dieser  Adhäsionen  auf  grössere  Schwierig- 
keiten stösst.  So  in  folgendem  Falle: 

K.  S.,  J.,  1 p.  -wird  gel)ävend  auf  die  Klinik  überLraclit,  12.  Dez.  18!)0. 

Status  präsens:  Selnväehlieh  gel)aute  magere  Person,  beiderseits  ül>er 
den  Lungenspitzen  vermind.  Scduill  und  l>r6ncbiales  Atmen,  über  den  unteren 
Lungenpartien  vesiculäres  Atmen,  Perc.  voll,  nicdit  tympanitiscb,  Herztöne  rein. 
Abdomen  gross,  besonders  in  querer  Kicbtung  stark  ausgedelmt.  Bei  der  Pal- 
pation zeigt  die  stärker  ausgedebnte  recdite  Baucbbälfte  eine  elastische  Konsistenz, 
dem  ensprechend  leerer  Schall  und  deutliche  Fluktuation  nach  rechts  bis  zur 
Axillarlinie,  nach  oben  bis  ins  Epigastrium  reichend,  nach  links  die  Medianlini(' 
drei  Quertinger  breit  überschreitend. 

Nach  links  davon,  durch  eine  deutliche  Furche  ahgegrenzt,  der  in  kurzen 
Pausen  prall  werdende  Uterus,  mit  dem  Grund  bis  an  den  Kij)penbogen  reichend, 
stark  nach  links  verdrängt.  Ueber  beiden  Lendengegenden  und  dem  Kpigastihmi 
tympanitiscber  Schall.  Im  Uterus  eine  in  Schädellage  1.  Stellung,  Schädel  im 
Beckeneingang  stehend,  befindliche  kleine  Frucht  nachweisbar,  kindliche.  Herz- 
töne undeutlich. 

Innerer  L^ntersuchungsbefund : Schädel  im  Eingang  stehend,  den  Fornix 
herabwölbend,  Portio  IV2  cm  lang,  Orificium  für  zwei  Finger  passierbar,  Blase 
etwas  gespannt. 

Letzte  Periode  angeblich  2.  April,  Wehen  seit  fi.  Dezend)er,  Scbmerzens- 
äusserungen  nur  während  der  "W'ebe,  in  der  Wehenpause  Uterus  und  Tumor 
stark  druckempfindlich. 

Angeblich  bestand  schon  seit  September  ein  dumpfer  Schmerz  in  der 
rechten  Bauchseite.  Temj).  und  Puls  normal. 

Pi-otrahierter  Verlauf  der  Erötfnungsi^eriode,  13.  Dezember,  abends  V2  7 Ulir. 
Blasensprung  bei  verstrich.  Orificium,  8 Uhr  abends  leichte  spontane  Gehurt  eines 
2300  gr.  schweren,  48  cm  langen,  lebenden  Knaben  (stirbt  nach  drei  Tagen), 
Placentarperiode  normal,  Blutverlust  intra  partum  und  post  partum  geling. 

Ihierperium  afebril,  doch  klagt  Pat.  sehr  über  Schmerzen  in  der  rechten 
Bauchseite  und  ist  das  ganze  Abdomen,  liesonders  aber  die  Gegend  des  dem 
puerperalen  Uterus  rechts  aufliegenden  Tumors,  der  jetzt  in  Nierenform,  die 
Convexität  nach  rechts,  der  Hilus  nach  links  gelagert,  über  mannskopfgross  ziem- 
lich gut  palpabel  ist. 

31.  12.  Laparotomie. 

Netz  nicht  sichtbar,  Cyste  mannskopfgross,  nierenförmig,  den  Hilus  gegen 


Komplikation  v.  Sdnvangerschaft,  Geburt  u.  Wochenbett  m.  Ovarialtumoren. 


links  gerichtet,  im  Hilus  liegen  Ileumschlingen.  Die  ganze  Vorderfläche  der  Cyste 
durch  frische,  stark  vascularisierte,  bei  der  unschweren  manuellen  Lösung  sehr  stark 
blutende,  A<lhäsionen  an  die  vordere  Bauchwand  angeheftet.  Wegen  der  reich- 
lichen parenchymatösen  Blutung  wird  von  dem  Versuch  der  Auslösung  des 
Tumors  vorderhand  abgestanden  und  derselbe  ])unktiert,  es  entleert  sich  durch 
den  Trocar  nichts  und  erst  bei  der  Entfernung  desselben  fliesst  der  dicke,  zäh- 
gelatinöse, schmutzig-gelbgrauo  Inhalt  aus.  Verschluss  der  Punktionsöffnung  und 
unter  vehementer,  parenchymatöser  Blutung  rasche  manuelle  Auslösung  der  all- 
seitig adhärenten  Geschwulst,  wobei  ziemlich  viel  Cysteninhalt  in  die  Bauch- 
höhle abfliesst,  Blosslegung  des  daumendicken,  frisch  tor(piierten  Stieles.  Partien- 
Aveise  Idgatur  desselben,  ^lassenligatur,  Abtragung  mit  dem  Thermocauter.  Exakte 
Toilette  des  Peritoneum.  Uterus  gut  involviert.  Der  Tumor  gehörte  dem  rechten 
Ovarium  au,  der  Stiel  bestand  aus  Big.  latum  und  Tube.  Einlegen  eines  Jod<e 
formdochtes  in  das  Cavum  Douglasii,  Herausleiten  desselben  durch  den  unteren 
Wundwinkel,  Bauchdeckennaht  in  drei  Etagen,  Jodoformgazeverl)and,  Eisbeutel. 

Verlauf  afebril,  Pat.  mit  per  Primam  geheilter  Bauclnvunde  entlassen*) 

Die  Geschwulst  ist  ein  mannskopfgrosses,  mehrkämmeriges  Kystom  des 
rechten  Ovarium. 

Nach  der  Entlassung  Wohlbefinden,  ^lenses  regelmässig  aber  ziemlich 
profus,  cessieren  mit  lö.  Juli  1!).  Härz  1892  wird  Patientin  gebärend  aut 

die  Klinik  überbracht.  Weheneiutritt  19.  iNIärz,  9 Uhr  vormittags,  Schädellage 
11.  Stell.,  Blasenspruug  20.  Älärz  ’/aG  Uhr  abends,  eine  Viertelstunde  darauf 
leichte  s])ontane  Geburt  eines  lebenden  Knaben  von  3050  gr.  Gewicht  uml 
50  cm  Körperlänge,  Placentarperiode  normal. 

Pat.  befand  sich  angeblich  Avährend  der  Gravidität  sehr  Avohl. 

Nach  afebrilem  Puerperium  wird  Pat.  29.  März  92  gesund  entlassen. 

So  klein  die  vorliegende  Reihe  von  Fällen  ist,  dürfte  ihre  Mil- 
teihing  doch  nicht  nur  vom  Standpunkte  einer  Casuistik,  sondern 
auch  insoferne  von  Interesse  sein,  als  sie  ein  ziemlich  j^räzises  Bild 
der  Gefahren  der  Komplikation  des  puerperalen  Zustandes  mit 
Ovarialtumoren  geben  und  auf  die  Laparotomie  als  den  einzig 
richtigen  AVeg  der  Behandlung  hinzuweisen  scheinen.  — 

Die  geringe  Zahl  der  Fälle  im  Vergleiche  zu  der  nahe  an 
Zwanzigtausend  betragenden  Zahl  der  während  dieser  Frist  auf 
der  Klinik  erledigten  Geburten  mag  auch  meine  eingangs  ge- 
äusserte  Ansicht,  dass  die  von  Fehling  berechnete  Frequenz  von 
1 : 891  als  Durchschnittszahl  viel  zu  hoch  gegriffen  sei,  recht- 
fertigen. 


*)  Pat.  wurtle  von  Ilofr.  G.  Braun  in  der  Sitzung  der  geburts^hiltt.  gynäkol. 
GeselDchaft  vom  17.  Februar  1891  vorgeatellt. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  branchio- 

genen  Geschwülste 

von 


Dr.  Carl  (xiisseiibauer,  Professor  der  Chirurgie  in  Prag. 

Mit  Tafel  III— VI. 


Es  giebt  wenig  interessantere  Kapitel  in  der  allgemeinen 
Pathologie,  als  die  abnormen  Bildungen,  welche  wir  als  branchio- 
gene  ansehen.  Schon  der  Umstand,  dass  wir  zur  Erklärung  der- 
selben auf  noch  unbekannte  Störungen  in  einer  frühen  embryonalen 
Entwickelungsperiode  zurückgreifen  müssen,  sichert  ihnen  noch 
für  lange  Zeit  das  Interesse  der  wissenschafthchen  Forschung. 
Wenn  wir  auch  die  Vorstellung  Aschersohns  ^),  dass  die  ange- 
borenen Halsfisteln  nur  als  Residuen  der  embryonalen  Kiemen- 
spalten zu  betrachten  seien , als  eine  glückliche  und  zweifellos 
richtige  anerkennen , mit  Rose  r und  H e u s i n g e r die  Hals- 

cysten als  regelwidrige  Bildungen  der  Kiemengänge,  im  gleichen 
Sinne  mit  Virchow^“®)  das  auriculäre  Dermoid  und  mit  Schede") 
die  sogenannten  tiefen  Halsatherome  erklären,  so  kann  doch  nicht 
übersehen  werden,  dass  unser  positives  Wissen  hierüber  zur  Zeit 


b Aschersohn,  de  fistiilis  colli  congen.  Berolini.  1832. 
b Kos  er,  Allgemeine  Chirurgie  1845  und  später  Plandbuch  der  anat. 
Chirurgie.  8.  Aull.  1883.  Siehe  Kiemengang-Cysten,  p.  153. 

b II  en  sing  er,  Hals-Kiemen-Fisteln  von  noch  nicht  heohachteter  Form. 
Virchows  Archiv.  Bd.  29,  p.  358. 

■*)  V i r c li  o w , Ueher  Misshildungen  am  Ohr  und  im  Bereiche  des  ersten 
Kiemenhogens.  Virchows  Archiv.  Bd.  30,  ]>.  221. 

b Yirchow,  Ein  neuer  Fall  von  Hals-Kiemenlisteln,  ihidem.  Bd.  32,  p.  518. 
b Virchow,  Ein  tiefes  auricnläres  Dermoid  am  Halse,  ihidem  Bd.  32, 
pag.  208. 

b Schede,  Ueher  die  tiefen  Atherome  des  Halses,  v.  Langenhecks 
Archiv.  Bd.  14,  p.  1. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  branchiogenen  Geschwülste. 


251 


! noch  ein  durchaus  unzureichendes  ist,  um  alle  die  mannigfaltigen 
Variationen  der  bis  jetzt  bekannten  Halsfisteln  und  Halscysten  zu 
erklären. 

Wir  kennen  nicht  einmal  die  Störungen,  welche  zur  Bildung 
der  kompletten  oder  inkompletten  äusseren  oder  inkompletten  inneren 
Halsfisteln  Veranlassung  geben,  oder  zur  Bildung  der  Appendices 
cutaneae  am  Halse  führen,  und  doch  liegen  hier  die  Verhältnisse 
scheinbar  so  einfach,  dass  unserer  Phantasie  nur  eine  geringe 
Mühe  übrig  bleibt,  um  diese  Bildungen  histogenetisch  zu  ver- 
stehen. 

Etwas  verwickelter  schon  liegen  die  Verhältnisse,  wenn  wir 
die  Genese  der  sogenannten  tiefen  Halscysten  begreifen  wollen. 
Einen  Teil  derselben,  die  angeborenen,  können  wir  wohl  ohne 
weiteres  als  Folgen  einer  fehlerhaften  Anlage  ansehen,  auch  die- 
jenigen, welche  im  Verlaufe  der  Wachstumsperiode  entstehen, 
können  wir  zwanglos  nach  Analogie  anderer  fissuraler  Cysten  auf 
ähnliche  fehlerhafte  Anlagen  beziehen.  Anders  steht  es  jedoch, 
wenn  die  Halscysten  nach  Ablauf  der  Wachstunisperiode  sich  bilden, 
oder  wenn  sich  in  einem  noch  späteren  Alter  Carcinome  entwickeln, 
welche  wir  in  Ermangelung  des  Nachweises  eines  primären  Car- 
cinomherdes  wegen  ihrer  Lokalisation  und  nach  dem  Vorgänge 
von  R.  V olkmann  als  branchiogene  ansehen  und  bezeichnen. 

Um  auch  diese  Bildungen  ätiologisch  wie  histogenetisch  zu 
verstehen,  reicht  unser  in  mancher  Hinsicht  noch  rein  schema- 
tisches Wissen  nicht  aus. 

In  den  zahlreichen  Mitteilungen  über  die  Halskiemenfisteln 
und  Halskiemencysten  sind  gewisse  Variationen  dieser  branchio- 
genen Bildungen  bereits  nachgewiesen  und  erscheint  es  fraglich, 
ob  immer  Störungen  einerlei  Art  hiefür  verantwortlich  gemacht 
werden  können. 

Schon  die  Halskiemenfisteln,  welche  in  der  Regel  mit  einem 
geschichteten  Plattenepithel  ento-  oder  ectodermalen  Ursprungs 
ausgekleidet  sind,  zeigen  in  Ausnahmsfällen  interessante  Ver- 
schiedenheiten, wie  dies  die  Untersuchungen  von  Rehn^), 
Roth^*^),  Ribbert“),  E.  Neumann  und  P.  Baumgarten 

*)  Volk  mann,  Centralblatt  für  Chirurgie,  1882,  p.  49. 

®)  R e h n , Beitrag  zur  Anatomie  der  Halakiemenüsteln.  Vircbows  Archiv, 
B(l.  62,  p.  269. 

"’)  ;M.  Kotli,  Ein  PAill  von  HaLskiemenüstel,  ibidem  Bd.  72,  p.  444. 

^‘)  Ribbert,  Eine  verzweigte  Halakiemenfistel,  ibidem  Bd.  90,  p.  536. 

^■)  L.  Neumann  und  P.  Baumgarten,  Zwei  Fälle  von  fiatula  colli 
congenita  cystica.  v.  Langenbecks  Archiv,  Bd.  20,  p.  819. 


252 


Carl  Gussenbauer. 


Cusset^®),  Mobitz^^),  Lannelongue J.  Schnitzler  **'>),  W. 
Sachs  ^‘)  und  neuestens  von  Lejars^^)  beweisen. 

Die  Appendices  cutaneae,  welche  bald  nur  einseitig,  bald 
doppelseitig  und  symmetrisch  an  den  typischen  Ausmündungs- 
stellen der  Halskiemenfisteln  sich  vorfinden,  sind  entweder  nur 
cutane  Auswüchse,  welche  nichts  als  die  Gewebe  der  Cutis  ent- 
halten, oder  aber  in  die  Haut  und  das  Unterhautgewebe  einge- 
lagerte Epithelzellenstränge,  welche  von  Cutis  umschlossen  dadurch 
ihren  branchiogenen  Ursprung  zweifellos  bekunden.  Es  können 
sich  daselbst  aber  auch  congenitale  Knorpelreste  vorfinden,  wie  die 
älteren  Beobachtungen  von  Heusinger '^),  Santesson,  Duplay 
und  die  neueren  von  Butt  ersack^“),  Zahn^^)  und  Grimm--)  zeigen. 

Von  den  Halskiemencysten  sind  ein  Teil  Dermoide.  Sie 
unterscheiden  sich  nicht  wesentlich  von  den  Dermoiden  anderer 
Regionen  und  besitzen  einen  relativ  einfachen  Bau,  der  sich  histo- 
genetisch  mit  Zugrundelegung  der  bekannten  Schemen  leicht  ver- 
stehen lässt. 

Anders  verhält  es  sich  jedoch  mit  einem  anderen  Teile  der 
Halskiemencysten,  welche  in  ihren  Wandungen  einen  komplizierten 
Bau  aufweisen.  Diese  haben  bis  jetzt  in  Bezug  auf  ihre  Histo- 
genese  eine  befriedigende  Aufklärung  nicht  gefunden,  obgleich  es 
an  hypothetischen  Erklärungsversuchen  nicht  gefehlt  hat. 


Koslüwsky,  Ein  Fall  von  einer  angebornen  IIalsseblnndkopfti.stel, 
Virchowy  Archiv,  Ed.  115,  p.  547. 

Cnsset,  Etüde  siir  l’appareil  bronchial  des  vertebres,  Paris  1887,  und 
Kystes  et  fistules  branchiales.  Congres  frangais  de  Chirurgie,  188(J,  Revue  de 
Chirurgie,  1886,  p.  926. 

5Iobitz,  Eine  einseitige  vollständige  llalskieinenfistel.  8t.  Petersburger 
med.  Wochenschrift,  1887. 

Lannelongue  et  Achard.  Traite  des  Kystes  congenitaux.  Paris  1886. 

J.  Schnitzler,  Beiträge  zur  C4isuistik  der  branchiogenen  Fisteln  und 
Cysten.  Wien  1890. 

W.  Sachs,  Heber  angeborene  Halsfisteln  und  Geschwülste  der 
Kieinenspalten  in  Th.  Kochers  Festschrift.  Wiesbaden  1891. 

Lejars,  fistule  branchiale  ä parois  complexe,  gaine  musculaire  stri6e, 
glandules  et  diverticules ; deductions  therapeutiques  Progres  medicale.  Ififevrier  1892. 

‘b  Heu  Singer,  Zu  den  Halskieinenbogen-Resten.  Virchows  Archiv, 
Bd.  33,  p.  178.  Siehe  daselbst  auch  den  Fall  von  Manz. 

B u 1 1 e r s a c k , Congenitale  Knorpelreste  am  Halse , ibidem  Bd.  106, 
p.  206.  Siehe  daselbst  auch  die  Citate  von  Santesson  und  Duplay. 

“bZahn,  Heber  congenitale  Knorpelreste  am  Halse,  ibidem  Bd.  115, 
jjag.  47. 

“b  Grimm,  Fine  seltene  Geschwulstbildung  am  Halse  etc.  Prager  med. 
Wochenscbrift,  1892. 


l'jn  Beitrag  zur  Kenntnis  der  branehiogenen  Gescliwülste. 


253 


Lücke -^)  hatte  seiner  Zeit  eine  von  B.  Langenbeck  exstir- 
pierte  Cyste,  welche  der  Vena  jugiüaris  interna  dicht  auf  lagerte, 
mikroskopisch  untersucht  und  nachgewiesen,  dass  diese  Atherom- 
cyste innerhalb  einer  Lymjthdrüse  sich  entwickelt  hatte.  Lücke-^) 
hatte  ferner  in  einer  zweiten  Arbeit  die  von  V olkmann  erhobenen 
Einwände  gegen  die  Deutung  seiner  Befunde  entkräftet  und  einen 
weiteren  Beitrag  zu  den  eingebalgten  Epithelialgeschwülsten  geliefert 
und  eine  Entwickelung  epithelialer  Cysten  innerhalb  einer  Lymph- 
drüse  statuiert.  Lücke ’s  Angaben  wurden  später  von  Schede 
(1.  c.)  mit  Bezug  auf  ihre  Deutung  abermals  in  Zweifel  gezogen. 
Seitdem  sind  nun  von  vielen  Beobachtern  wie  Dessauer-^), 
BückeD®),  Zahn'“'^),  Senn-®),  H.  Richard-®),  Samter®®),  W. 
Sachs  (1.  c.)  u.  A.  Kiemengangcysten  mit  kompliziertem  Baue  der 
Wandungen  beschrieben  worden,  ohne  dass  die  Histogenese  dieser 
Art  von  Cysten  vollständig  aufgeklärt  worden  wäre. 

Einige  an  der  hiesigen  Klinik  und  von  mir  privatim  gemachten 
Beobachtungen  scheinen  mir  für  die  Histogenese  gewisser  Kiemen- 
gangcysten von  besonderem  Interesse  zu  sein.  Ich  will  daher  im 
Nachfolgenden  meine  Erfahrungen  mitteilen,  welche  ich  im  Laufe 


-’h  Lücke,  Ueber  Atheromcysten  der  Lymphdrüsen.  Langenbecks  Archiv. 
Bd.  I.,  p.  35G. 

Lücke,  Beiträge  zur  Geschwulstlehre.  Virchows  Archiv.  Bd.  28, 

pag.  378. 

-^)  Dessauer,  Anatomische  Beschreibung  von  fünf  cystischen  Ge- 
schwülsten der  Kiemenspalten.  Inaug.-Dissert.  Berlin  1879. 

Böckel,  Exstirpation  des  tnmeurs  profondes  du  con.  Bull.  gen.  de 
therapeutiqne,  1879. 

Zahn,  Beiträge  zur  Geschwulstlehre  (4  Fälle  von  Kiemengangcysten, 
p.  399).  Siehe  Zeitschrift  für  Chirurgie,  Bd.  22,  p.  387. 

-^)  Senn,  On  branchial  Cyst.  of  the  Neck.  .Journ.  of  the  amer.  med. 
Associatioii  1884. 

-®)  H.  Richard,  Ueber  die  Geschwülste  der  Kiemenspalten  in  Bruns 
Beiträgen  zur  klin.  Chirurgie,  Bd.  3,  Heft  2,  pag.  1G5. 

■’°)  Samt  er.  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  den  Kiemenganggeschwülsten. 
Virchows  Archiv,  Bd.  112,  p.  70. 

^ T u 1 1 a u t , Kyste  dermoide  de  la  fossete  sussternale.  Gazette  des  Höpitaux 
avril  1888. 

*-)  Pilliet,  Ky.ste  dermolym2)hoide,  Bulletin  de  la  societö  anatomiejue  de 
Baris,  1889,  ji.  381.  ' 

V.  Esmarch,  Zur  Behandlung  der  tiefen  Atheromeysten  des  Halses. 
V.  Langenbecks  Archiv,  Bd.  19.  p.  224. 

•*^)  A.  Bidder,  Zur  Casuistik  und  Behandlung  der  tiefen  Atheromcysten 
<les  Halses,  ibidem  Bd.  20,  ]i.  434. 

Kostanecki  und  Mieleeki.  Die  angeborenen  Kiemenlistein  des 
Menschen  etc.  Virchows  Archiv  Bd.  120  p.  385  und  Fortsetzung  Bd.  121. 


254 


Carl  Gassenhauer. 


der  Jahre  über  Halskienienfisteln,  Halskiemencysten  und  branchio- 
gene  Carcinome  zu  sammeln  Gelegenheit  hatte. 

I.  Halskiemeiifistelii. 

Wenn  ich  von  den  Halskiemenfisteln,  welche  ich  während 
meiner  Studienzeit  und  an  der  Schule  Billroths  zu  sehen  Gelegen- 
heit hatte,  absehe,  so  kann  ich  aus  der  hiesigen  Klinik  während 
des  Zeitraums  von  1878  bis  jetzt  nur  über  4 Fälle  berichten.  Ich 
habe  ausserdem  hier  in  Prag  privatim  noch  zwei  Fälle  von  an- 
geborenen Halsfisteln  bei  kleinen  Kindern  gesehen,  die  Fälle  aber 
nicht  weiter  beobachten  können.  Wir  haben  ferner  an  der  Klinik 
einen  Fall  von  symmetrischen  Hautauswüchsen  gesehen  und  operiert. 
Endlich  habe  ich  noch  einen  Fall  von  einer  Fistula  auris  congenita 
privatim  gesehen. 

Von  den  an  der  Klinik  behandelten  Fällen  ist  bemerkens- 
wert, dass  in  drei  Fällen  die  Fisteln  nicht  bei  der  Geburt  oder 
bald  nachher,  sondern  erst  lange  Zeit  hernach  zum  Vorschein 
kamen.  Nur  im  vierten  Falle  bestand  die  Fistel  seit  Geburt. 

I.  Ein  10  Jahre  alter  sonst  gesunder  Knabe  bekam  in  seinem  4.  Lebens- 
jahre, ohne  bekannte  Veranlassung,  in  seinem  rechten  oberen  Halsdreiecke  eine 
kleine  Geschwulst,  welche  nach  einiger  Zeit  von  selbst  durchbrach  und  eine 
geringe  Menge  einer  eitrigen  Flüssigkeit  entleerte.  Die  nun  bestehende  Fistel 
secernierte  nach  Angabe  des  behandelnden  .Arztes  eine  speichelähnliche  Flüssig- 
keit in  geringer  Menge.  Eine  Behandlung  mit  Jodsalbe  blieb  ohne  allen  Einfluss. 
Wir  fanden  bei  dem  Knaben  im  rechten  oberen  Halsdreiecke  in  der  Höhe  des 
oberen  Randes  der  cartilago  thyreoidea  und  vor  dem  medialen  Rande  des 
Sternomastoideus  eine  etwa  einen  halben  Kreuzer  grosse  erhabene  Stelle  der 
Haut,  in  deren  Mitte  sich  eine  feine  Fistel  befindet.  Aus  dieser  Fistel  entleert 
sich  bei  Druck  auf  die  Umgebung  eine  weisslicbe  trübe  Flüssigkeit.  Die  feinste 
Sonde  dringt  nur  ein  kurzes  Stück  in  der  Richtung  nach  vorne— unten  ein. 
Bei  der  am  9.  August  188ß  in  Narkose  vorgenommenen  Operation  kann  die 
Sonde  nach  Umscbneidung  und  Incision  der  erhabenen  Hautstelle  in  zwei  ent- 
gegengesetzten Richtungen,  nach  aussen — oben  und  vorne — unten  eingeführt 
werden.  Nach  S|)altung  der  Hohlgänge  zeigt  es  sich , dass  sie  mit  Epithel 
ausgekleidet  sind.  Nun  werden  diese  samt  dem  umgehenden  Gewebe  excidiert, 
die  Wände  vereinigt  und  der  Knabe  am  14. '8.  188G  geheilt  entlassen.  — Die 
mikroskopische  Untersuchung  der  excidierten  Gewebspartien  zeigt,  dass  die  Hohl- 
gänge mit  einem  mehrschichtigen  Plattenepithel  ausgekleidet  sind  und  dass  diese 
Hohlgänge  im  Bindegewebe  blind  endigen. 

n.  Der  zweite  Fall  betraf  ein  IG  .Jahre  altes  Mädchen  (aufgenommen  20.  Aug. 
1889),  welches  erst  vor  zwei  Jahren  in  der  Gegend  des  oberen  8childknor[)el- 
randes  ein  kleines  Knötchen  in  der  Haut  bemerkte.  Dieses  soll  sich  allmählich 
strangförmig  nach  unten  gesenkt  haben.  Vor  einem  Jahre  incidierte  ein  Ai’zt, 
und  entleerte  eine  eiterähnliche  Flüssigkeit.  Seitdem  besteht  eine,  geringe 
eitrige  Sekretion.  Man  fand  in  der  Medianlinie  des  Halses  einen  von  dem 
unteren  Rande  des  Ringknorpels  bis  zum  Jugulum  sterni  reichenden,  von  der 
Unterlage  verschieblichen,  Strang,  an  dessen  unterem  Ende  eine  feine,  jetzt 


Imu  Beitrug  zur  Kenntnis  der  brunchiogenen  Geschwülste. 


255 


nicht  secernierende  Fistel  besteht.  Am  29.  August  wurde  der  Strang  exstirpiert. 
Der  Strang  erwies  sich  als  ein  nach  oben  abgeschlossener,  mit  mehrschichtigem 
riattenepithel  ausgekleideter  Ilohlgang.  Die  vereinigte  Wunde  heilte  prima 
intentione.  Patientin  wurde  am  3.  September  entlassen. 

III.  Der  dritte  Fall  war  ein  9 Jahre  alter  Schüler,  Avelcher  am  b.  Sept. 
1889  aufgenommen  wurde.  In  seinem  2.  Lebensjahre  bemerkten  die  Eltern  des 
Kindes  an  seiner  rechten  Halsseitc  zum  erstenmale  aus  einer  feinen  Oeffnung 
eine  klare  Flüssigkeit  austreten.  Von  da  an  secernierte  die  Fistel  eine  geringe 
^lenge  derselben  Flüssigkeit.  In  seinem  5.  Lebensjahre  entstand  über  der 
feinen  Fistel  eine  kleine  Anschwellung,  welche  sich  allmählich  vergrösserte, 
obAvohl  fortdauernd  <nn  geringer  Ausfluss  einer  blutig  serösen  Flüssigkeit  be- 
stand. Man  fand  bei  ihm  entsprechend  der  Mitte  des  rechten  Kopfnickers  am 
medialen  Bande  eine  stecknadelkopfgrosse  Oeffnung,  aus  Avelcher  sich  in  kleinen 
Tropfen  ein  dünn-eitriges  Sekret  entleert.  Die  Oijeration  bestand  in  Um- 
schneidung der  Fistel,  Spaltung  der  Gewebsschichten  am  medialen  Bande  des 
Kopfnickers  bis  in  das  trigomnn  colli  superius.  Nun  zeigte  es  sich,  dass  A'on 
der  Fistel  ein  Strang  hinaufzog,  Avelcher  sich  über  der  Fistel  ampullenartig  auf 
Taubeneigrösse  erAveiterte.  Der  Strang  Avird  ausgelöst,  lässt  sich  bis  gegen  den 
Pharynx  verfolgen  unter  den  musc.  biventer  und  nervus  hypoglossus.  Dort 
Avurde  der  GeAvebsstrang  abgebunden  und  abgetragen.  Die  vernähte  Wunde 
vei’heilte  prima  intentione.  Am  12.  September  konnte  der  Knabe  (bei  reaktions- 
lüsem  Verlaufe)  entlassen  Averden.  Der  GeAvebsstrang  war  für  eine  feine  Sonde 
durchgängig  und  Avar  A'on  einem  mehrschichtigen  Plattenepithel  ebenso  Avie  die 
ampullenförmige  Erweiterung  ausgekleidet. 

IV.  Herr  M.  B. , ein  36  Jahre  alter  verh.  Fabriksdirektor,  Avurde  am 
27.  Mai  1889  in  die  Klinik  aufgenommen.  Seit  seiner  Geburt  bestand  auf 
seiner  rechten  Halsseite  etAvas  unterhalb  der  iMitte  des  Kopfnickers  eine 
feine  Oeffnung,  aus  Avelcher  sich  zeitAveise  eine  klare,  manchmal  eine  gelb- 
liche Flüssigkeit  entleerte.  Ausserdem  bemerkte  man  auch  schon  seit  der  Ge 
hurt  A’on  der  Fistel  nach  oben  gegen  das  seitliche  Halsdreieck  einen  federkiel- 
dicken, rundlichen  und  derben  Strang. 

Nachdem  die  Fistel  bis  zum  30.  Lebensjahre  beständig,  Avenn  auch  nur 
gering  secerniert  hatte,  schloss  sich  dieselbe,  ohne  dass  eine  Behandlung  einge- 
leitet Avorden  Aväre.  Bald  darauf  bildete  sich  eine  Oeffnung  im  Bachen,  Avas 
Patient  dadurch  Avahrnahm , dass  er  eine  klare  gelbliche  Flüssigkeit  durch 
Bäuspern  per  os  von  Zeit  zu  Zeit  entleeren  musste.  Sechs  Wochen  vor  seiner 
Aufnahme  hörte  die  Sekretion  im  Bachen,  nachdem  sie  A’orher  mehr  Aveniger  über 
5 Jahre  angedauert  hatte,  auf.  Es  bildete  sich  nun  ziendich  rasch  eine  faust- 
grosse Gesell Avulst  im  rechten  oberen  Halsdi'eiecke.  Patient  fieberte  dabei  leicht. 
Nach  zAvei  Tagen  öffnete  sich  Avieder  die  frühere  Fistel  am  Halse,  es  entleerte 
sich  jedoch  nur  eine  geringe  iNIenge  einer  gelblichen,  trüben  Flüssigkeit,  ohne 
dass  die  Gesclnvulst  im  Halsdreieck  ganz  A’erschwand.  Seitdem  nahm  die  An- 
schAvellung  im  Halsdreiecke  öfters  zu,  um  Avieder  abzunehmen.  In  diesem  Zu- 
stande konsultierte  mich  Patient.  Ich  riet  ihm  die  Exstirjiation  an.  In  seiner 
Familie  (Ascendenz  und  Descendenz)  sind  ähnliche  Bildungen  nicht  beobachtet 
Avorden. 

In  der  Klinik  fanden  Avir  folgendes: 

Im  unteren  Halsdrittel  nahe  tlem  medialen  Bande  des  rechten  Kopfnickers 
sieht  man  eine  feine  von  normaler  Epidermis  eingesäumte  Fistel , aus  Avelcher 
kein  Sekret  ausfliesst,  noch  bei  Druck  entleert  Averden  kann.  Im  rechten  oberen 


256 


C.'arl  Gussenbauer. 


aeitlichen  lialsdreiock  siebt  man  eine  jetzt  nur  melir  über  nussgrosse  (Geschwulst. 
Bei  meiner  ersten  Untersuchung  hatte  die  (Geschwulst  über  Hübnereigrösse. 
Von  der  Fistel  zur  Geschwulst  fühlt  man  einen  federkieldicken  Strang,  welcher 
mit  der  (Geschwulst  zusammenhängt.  Oberhalb  der  (Geschwulst  fühlt  man 
wieder  einen  Strang,  welcher  sich  unter  dem  Unterkieferwinkel  verliert.  Durch 
die  Fistelött'mmg  am  Halse  kann  man  eine  feine  Sonde  entlang  dem  Strange  bis 
tief  unter  den  Kieferwinkel  einführen,  ^'om  Munde  aus  tastet  der  Finger  die 
eingeführte  Sonde  hinter  dem  rechten  arcus  palatopharyngeus  in  der  seitlichen 
Kachenwand  von  Schleimhaut  bedeckt.  — Ueber  dei-  (Geschwulst  im  Flalsdreieck 
lassen  sich  die  normale  Haut  und  das  Platysma  leicht  verschieben.  Die  (Ge- 
schwulst ist  bei  Druck  nicht  schmerzhaft,  weich,  elastisch,  tluctuirend.  Am 
28.  Mai  nahm  ich  die  Exstirpation  in  der  Chlorofornmarkose  vor.  Nach  Um- 
schneidung und  Unter])indung  der  äusseren  Fistel  legte  eine  schichtweise  In- 
cision  am  medialen  Bande  des  musc.  sternomastoideus  das  ganze  Trigonum  colli 
superius  bloss.  Nun  konnte  der  Strang  mit  dem  Messer  herauspräioariert 
Averden.  Dabei  zeigte  es  sich,  dass  er  durch  bindegewebige  Adhäsionen  mit  der 
Umgebung  fest  verwachsen  war.  Die  Cyste  im  Trigonum  lag  dicht  auf  der 
Scheide  der  vena  Jugularis  interna  auf.  An  einer  Stelle  Avar  die  Wand  der 
vena  jugularis  selbst  trichterförmig  angezogen,  doch  gelang  es  bei  Amrsichtiger 
Präparation  mit  dem  Messer  ihre  Continuität  zu  erhalten  und  die  Cysten- 
wand abzutrennen.  Der  Strang  oberhalb  der  Cyste  Avar  mit  der  Um- 

gebung AA'eniger  fest  A'erAAachsen.  Er  liess  sieb  teihveise  stumpf  unter  dem 
musc.  biventer  und  neiw . hyiioglossus  am  processus  styloideus  A'orbei  bis  zur  seit- 
lichen EachenAA  and  auslösen.  Dort  schnitt  ich  ihn  nach  A'orausgehender  Ligatur 
mit  Seide  ab.  Die  desinficierte  Wunde  A\  urde  A'ernäht  und  ein  typischer  Com- 
pressionsA'erband  angelegt. 

Der  Verlauf  nach  der  Operation  Avar  afebril,  doch  hatte  Patient  Schmerzen 
beim  Schlingen,  Eauhigkeit  der  Stimme  und  etAvas  Bronchialkatarrh.  Die  maximale 
Abendtemperatur  am  Tage  nach  der  Operation  Avar  37,8  " C.  Am  4.  Tage  nach 
der  Operation  Avurde  der  Verband  gewechselt,  die  Nähte  entfernt.  Die  Wunde 
Avar  reaktionslüs  verklebt.  Mit  einem  Schutzverband  A’erliess  Patient  am  1.  Juni 
die  Klinik.  Als  er  sich  AA'ieder  nach  einer  AVoche  Amrstellte , Avar  die  AATmde 
schön  A'ernarbt. 

Ei’AA'ähnen  aaüII  ich  noch,  dass  auch  in  diesem  Falle,  so  Avie  bei  anderen 
Halscysten,  nach  der  Exstirpation  an  der  A^ena  jugularis  keine  Lymphdrüsen 
aufgefunden  Averden  konnten.  Ich  AA'erde  auf  die  Bedeutung  dieser  Thatsache, 
Avelche  ich  auch  in  anderen  ähnlichen  Fällen  jedesmal  konstatiei’en  konnte,  noch 
weiterhin  zurückkonnnen. 

Auch  die  Befunde  der  nachträglich  A'orgenommenen  mikroskoinschen 
Untersuchung  AA’erde  ich,  um  AViederholungen  zu  A’ermeiden,  AA’eiterhin  im  Zu- 
sammenhänge mit  dem  Befunde  in  anderen  Fidlen  mitteilen.  Hier  erAvähne 
ich  nur,  dass  der  untere  Fistelgang  von  der  Hautoberfläche  für  eine  Haarsonde 
durchgängig  Avar,  A'on  der  Oystenhöhle  aus  jedoch  nicht  aufzufinden  Avar.  In 
den  oberen  Fistelgang  hingegen  konnte  die  Haarsonde  A’on  der  Cyste  aus  bis  gegen 
sein  abgebundenes  Ende  eindringen. 

Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  sah  man  an  (Querschnitten  der  Fistel- 
gänge feine,  runde  Kanäle,  ausgekleidet  von  einem  mehrschichtigen  Plattenepithel, 
dessenZellen  gegen  das  Innere  des  Kanales  am  meisten  abgeplattet  ersebienen,  Avährend 
sie  nach  aussen  mehr  cylindrische  Gestalt  annahmen  und  gegeix  das  BindegeAA'ebe 
sich  in  Form  basaler,  cylindrischer  Zellen  abgrenzten.  In  den  aus  fibrillären  Binde- 


l'.in  Beitrag  zur  Kenntnis  der  branohiogenen  Geschwülste. 


257 


gc'weben  gebildeten  Strängen  der  Fistelgänge  erscheinen  stellenweise  dicht  gedrängte 
Zellenanhäufungen. 

Ini  ohliterierten  Anteil  des  distalen  Fistelganges  war  ein  Lumen  nicht  zu 
erkennen.  ^lan  sah  daselbst  am  (Querschnitt  von  lihrösen  Bindegeweben  ein- 
gesehlossen  einen  p]pithelzellenstrang,  welcher  sich  gegen  das  Bindegewebe  durch 
einen  Kranz  l)asaler  cylindrischer  Zellen  ahgrenzte. 

D(‘r  oben  erwähnte  Fall  von  symmetrischen  llautauswüchsen  betraf  ein 
lOjähriges  Mädchen  aus  Bosnien , welches  im  Jahre  1871)  in  das  Amljulatorium 
der  Klinik  kam.  ^lan  sah  nahe  dem  medialen  Bande  und  J cm  ül>er  dem 
Sternoclaviculargelenke  jederseits  einen  Auswuchs  der  Haut  von  IV2  cm  Länge, 
drehrunder,  gegen  die  Spitze  etwas  konisch  zugespitzter.  Gestalt,  hlassrötlicher 
Farbe,  welche  gegen  die  der  umgehenden  Haut  deutlich  ahsticht.  Beide  Aus- 
wüchse liessen  sich  mit  der  Haut  von  der  Unterlage  verschieben.  Diese  Aus- 
wüchse erinnerten  mich  sofort  an  jene,  welche  wir  hei  den  Ziegen  so  häufig 
sehen.  AVir  konnten  von  dem  Alädchen  nur  soviel  in  Pirfahrung  l)ringen,  dass 
diese  Auswüchse  von  jeher  bestanden  und  allmählich  gewachsen  seien.  Ich  ex- 
cidierte  dieselben  mit  zwei  halbmondförmigen  Stücken  der  umgehenden  Haut 
und  vernähte  die  gesetzten  Wunden,  welche  in  vier  Tagen  geheilt  waren. 

Die  gewonnenen  Präparate  zerlegte  ich  nach  Konservierung  und  Härtung 
in  Alkohol,  eingebettet  in  Celluloidin,  mit  dem  Mikrotom  in  Serienschnitte  und 
zwar  den  einen  Auswuchs  im  (Querschnitte,  den  anderen  im  Längsschnitte.  Die 
mikroskopische  Untersuchung  zeigte,  dass  beide  Auswüchse  ganz  gleich  zusammen- 
gesetzt waren.  Nach  aussen  waren  sie  innkleidet  von  Haut,  welche  gegen  die 
Basis  der  Auswüchse  ein  normales  Aussehen  hatte,  gegen  die  Spitze  derselben 
aber  verschmälert  erschien.  An  der  Basis  waren  alle  Schichten  der  Haut 
deutlich  ausgebildet.  In  der  Cutis  fanden  sich  Haare,  Talg  und  Schweissdrüsen, 
gegen  die  konischen  Knden  waren  in  dem  schmalen  Saum  des  Cutisgewebes 
weder  Haare  noch  Drüsen  nachzuAveisen  ; ihre  abgeflachten  Papillen  Avaren  von  einer 
dünneren  Schicht  Epidermis  überkleidct.  Nach  innen  A'on  der  Cutis  bestanden 
die  AusAVÜchse,  von  dieser  durch  ein  lockeres  BindegeAvebe  abgegrenzt,  zunächst 
aus  einer  schmalen  Schichte  zellenreichen  übrilären  BindegeAA'ebes,  A'on  diesem 
scharf  abgegrenzt  aus  einer  Schichte  grosser  cylindrischer  Zellen,  Avelche  in  einem 
Kreise  angeordnet  gegen  das  Centrum  eine  mehrfache  Lage  A'on  polyedrischen, 
kubischen  und  abgeplatteten  Epithelzellen  A'on  dem  Charakter  der  Schleimhaut- 
epithelien  einschlossen.  Das  GeAvebe  an  der  Basis  der  AusAvücbse,  da  avo  es 
von  dem  subcutanen  BindegeAvebe  al)})räpariert  Avurde,  bestand  nur  mehr  aus 
lockerem  Binde-  und  FettgeAvebe. 

KnorpelgeAvebe , Avelches  in  anderen  P^ällen  (s.  Grimm  1.  c.)  analoger 
Bildungen  gefunden  wurde,  Avar  nicht  vorhanden. 

II.  Halskiemeiicy.steii. 

Zaiilreicher  sind  unsere  Beobachtungen  über  Halskiemen- 
cysten, welche  ohne  vorher  bestehende  Halskiemenfisteln,  entweder 
schon  bei  der  Geburt  oder  erst  im  Verlaufe  der  Wachstumsperiode 
oder  endlich  nach  Ablauf  derselben  sich  entwickelt  hatten.  Die 
betreffenden  Fälle  sind  folgende: 

I.  Im  November  1878  kam  ein  21  Jahre  alter  Maurer  Pb  AV.  in  die  Klinik, 
Avelcher  seit  Ü Jahren  über  dem  Kehlkopf  in  der  rechten  Halsseite  eine  anfangs 
haselnussgrosse  Gesclnvulst  bemerkte,  AA'elche  immer  scbmerzlos  blieb,  aber  all- 

17 


258 


Carl  Gusseiibauer. 


mählich  l-»is  zur  gegenwärtigen  Grösse  heramviichs.  A\'ir  fanden  hei  seiner  Auf- 
nahme eine  orangegrosse  Geschwulst,  welche  im  rechten  oberen  Halsdreiecke 
ihren  Sitz  hatte.  Die  normale  Haut  Avar  darüber  überall  verschiebbar,  die  Ge- 
schwulst selbst  vor  der  tiefen  Halsfascie  beweglich.  Sie  war  Aveich  elastisch,  fluo- 
tuierend  und  schmerzlos.  Am  12.  November  Avurde  die  Cyste  exstirpiert,  sie 
liess  sich , unter  dem  oberflächlichen  Blatte  der  tiefen  Halsfascie  gelegen , nach 
Spaltung  der  Haut,  des  Platysma  und  der  Fascie  leicht  auslösen.  Ihr  Inhalt  war 
ein  dicklicher,  athermatöser  Brei,  der  sich  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung 
als  aus  Auwfetteten  Plattenepithelien  erAAues.  Die  Wand  des  bindegeAA'ebigen 
Sackes  Avar  mit  einer  mehrschichtigen , der  Epidermis  gleichen  Epithellage 
von  A'erhornten  Zellen,  einem  stratum  granulosum  und  basalen  Cylinderzellen 
über  teils  abgeplatteten,  teils  hoben  Papillen  ausgekleidet.  Stellenweise  fanden 
sich  Haare  mit  Haarbälgen , Talgdrüsen  und  ScliAveissdrüsen  eingebettet.  Am 
22.  November  Avar  die  A'ernäbte  Wunde  prima  intentione  geheilt. 

11.  Am  dO.  März  1887  Avurde  die  24  Jahre  alte  S.  H.  Avegen  einer  Gescluvulst 
am  Halse  in  die  Klinik  aufgenomnien.  Dieselbe  Avar  sonst  gesund  und  nie  er- 
heblich krank  geAvesen.  Sie  Avar  seit  ihrem  1(5.  Jahre  normal  menstruiert,  ln 
ihrer  Familie  Avaren  ähnliche  Geschwulstbildungen  nicht  beobachtet  Avorden. 

Vor  zAvei  Jahren,  also  nach  ihrem  22.  Lebensjahre,  bemerkte  sie  ebne 
bekannte  Veranlassung  im  rechten  oberen  Halsdreieck  eine  etAAui  bobnengrosse 
GescliAvulst,  Avelche  sich  langsam  Amrgrösserte  und  in  ^ 4 Jahren  Taubeneigrösse 
erreichte.  Die  Geschwulst  Avar  nicht  schmerzhaft , hart  anzufühlen  und  leicht 
beAveglich. 

Im  Januar  Amrigen  Jahres  wurde  die  GescliAvulst  von  einem  Arzte  punktiert. 
Es  entleerte  sich  eine  teils  blutige,  teils  klare  gelblicb  seröse  Flüssigkeit.  Die 
GescliAAmlst  war  jedoch  nicht  verscliAvunden,  sondern  Avuchs  nun  in  den  nächsten 
drei  Wochen  sehr  rasch  und  erreichte  Kindskopfgi'össe.  Fünf  AVochen  nach  der 
Punktion  Avurde  sie  von  einem  Arzte  mittels  eines  1 cm  langen  Schnittes  iu- 
cidiei’t.  Es  entleerte  sich  abermals  eine  seröse  mit  Adel  Blut  untermiscbt(^ 
Flüssigkeit.  Die  Gescluvulst  Avuchs  abermals  rapid.  Im  Januar  dieses  Jabres 
wurde  durch  eine  in  der  früheren  Narbe  geführte  Incision  abermals  die  Gescluvulst 
entleert,  doch  mit  demselben  Erfolge.  Die  Gescluvulst  nahm  Avieder  zu  l)is 
zu  ihrer  gegeuAvärtigen  Grösse.  AAdr  fanden  im  rechten  oberen  Halsdreiecko 
eine  Amm  Unter kiefenvinkel  und  Rand  seines  horizontalen  Astes  l)is  gegen 
die  Mitte  des  Kopfnickers  herab  reichende  Geschwulst  von  über  Faustgrösse, 
welche  bis  auf  die  Narbe  der  früheren  Incisionen  a"Oii  normaler  Haut,  dem  Platysma 
und  im  lateralen  hinteren  Anteile  vom  musc.  sternocleidomastoideus  l)edeckt  A\^ar. 
Diese  Gebilde  Hessen  sich  bis  auf  die  Narbe  leicht  von  der  GescliAvulstoberfläche 
verschieben,  die  GescliAvulst  als  Ganzes  Avar  A'on  dem  tiefen  Blatte  der  Hals- 
fascie nur  Avenig  verschiebbar. 

Die  Oberfläche  der  GeschAvulst  Avar  glatt,  ihre  Konsistenz  Aveich  elastiscli, 
deutlich  fluctuierend.  Dieselbe  nicht  diaphan.  Nach  ihrem  Sitze  und  nach  ihrer 
Beschaffenheit  konnte  ich  die  GescliAVulst  nur  für  eine  l)ranchiogene  Cyste  halten, 
da  sie  trotz  der  dreimaligen  Eröffnung  keine  entzündlichen  Erscheinungen  aufAA'ies. 
Ich  beschloss  in  diesem  Falle  die  ausgiebige  Eröffnung  der  Cyste,  AusAvaschung 
derselben  und  Drainage  anzuAvenden.  Am  1.  April  Avurde  diese  Operation  in 
der  Chloroformnarkose  ausgeführt.  Nach  Entleerung  der  Flüssigkeit  Avurde  der 
Sack  energisch  mit  57o  Karbollösung  ausgeAvaschen  und  in  den  unteren  AVinkel 
ein  bis  an  den  oberen  Pol  der  Cyste  reichendes  Drainagerohr  eingenäht  und  ein 
komprimierender  ]\Iull-AA’'atteA'erband  angelegt.  Am  nächsten  Morgen  l)etrug  die 


Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  brancliiogenen  Geschwülste. 


259 


Temp.  38,0®,  abends  37,8®  C.  Am  vierten  Tage  wurde  das  Drainagerohr  ent- 
fernt. Am  7.  April  war  auch  das  Drainageloch  der  Haut  abgeschlossen  und 
konnte  die  Patientin  an  diesem  Tage  entlassen  werden.  Die  Geschwulst  kehrte 
nun  nach  späteren  Mitteilungen  nicht  wieder. 

Die  Untersuchung  der  Flüssigkeit  ergab  folgendes:  Sie  erscheint  gelblich, 
serös,  stark  getrübt  durch  suspendierte  zellige  Elemente. 

Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  fanden  sich  zahlreiche,  teils  isolierte 
teils  in  Gruppen  zusammenhängende,  Plattenepithelialzellen,  ausserdem  sehr  viele 
I Leukocysten  und  Cholestearinkrystalle. 

III.  Im  Jahre  1884  operierte  ich  privatim  einen  Fall  einer  branchiogenen 
I Halscyste,  welchen  ich  bereits  im  Verlaufe  des  Jahres  1883  wiederholt  zu  beob- 
I achten  Gelegenheit  hatte.  Dieser  Fall  ist  in  chirurgischer  Hinsicht  und  wie  die 
I nachträgliche  mikroskopische  Untersuchung  lehrte,  insbesondere  in  histogene- 
1 tischer  Hinsicht  interessant.  Ich  werde  auf  die  Befunde  noch  später  zurück- 
I kommen.  Seine  Krankengeschichte  ist  folgende:  Der  57  Jahre  alte  verheiratete 
i Herr  bekam  in  seinem  27.  Lebensjahr  ohne  bekannte  Veranlassung  in  seiner 
j linken  Halsseite  eine  Geschwulst.  Sie  vergrösserte  sich  langsam  und  alhnählicb. 
i Sie  war  nie  schmerzhaft  gewesen.  Li  seinem  31.  Lebensjahre,  26  Jahre  bevor 
ich  ihn  sah,  hatte  er  von  Pitha  konsultiert.  Dieser  incidierte  die  damals  fast 
ganseigrosse  Geschwulst,  entleerte  dabei  eine  breiartige  Flüssigkeit  und  legte, 
um  die  Eiterung  zu  unterhalten,  Charpiewicken  ein.  Die  Geschwulst  vei’kleinerte 
sich  dabei  im  Verlaufe  von  vielen  Wochen.  Später  besorgte  sich  Patient  das 
Einfühi-en  der  Charpiewicken  selbst.  Die  dadurch  offen  erhaltene  Fistel  secer- 
nierte  nur  wenig.  Noch  später  ersetzte  er  die  Charpiewicken  durch  kleine 
Stäbchen,  welche  er  sich  aus  Eichenholz  anfertigte.  Nach  etwa  zwei  Jahren 
schloss  sich  die  Fistel  und  er  hatte  nun  zunächst  keine  Beschwerden  mehr.  Im 
'N’erlaufe  der  Jahre  aber  traten  wiederholt  Anschwellungen  in  dieser  Gegend  auf, 
welche  er  jedesmal  durch  kalte  Umschläge  behandelte  und  nach  einigen  Tagen 
zur  Rückbildung  brachte.  Seit  3 Jahren  sollen  diese  Anschwellungen  häutiger 
aufgetreten  sein  und  er  dabei  Fieber  und  Schlingbeschwerden  bekommen  halxm. 
Als  er  mich  Dezember  1882  zum  erstenmale  konsultierte,  hatte  er  gerade  wieder 
eine  solche  Anschwellung.  Ich  fand  ihn  fiebernd  im  Bette  und  im  linken  oberen 
Halsdreieck  eine  von  geröteter  Haut  bedeckte  schmerzhafte  Geschwulst  von 
Hülmereigrösse,  welche  in  der  Tiefe  fluctuierte.  Am  unteren  Ende  der  Geschwulst 
war  eine  kleine  Narbe  zu  sehen.  Ich  dachte  zunächst  an  einen  Lymphdrüsen- 
abscess.  Erst  als  er  mir  seine  vorhin  skizzierte  Krankheitsgeschichte  erzählte, 
dachte  ich  daran,  dass  es  sich  hier  um  eine  sogenannte  tiefe  Atheromcyste  des 
Halses  handeln  könne.  Ich  empfahl  ihm  zunächst  Ruhe  und  Umschläge  von 
Burowscher  .Flüssigkeit.  Nach  einer  Woche  war  die  entzündliche  Anschwellung 
wieder  geschwunden  und  konnte  ich  nun  in  der  Tiefe  des  linken  oberen  Hals- 
dreiecks eine  über  eigrosse  Geschwulst  palpieren , welche  von  dem  umgebenden 
Gewebe  nur  wenig  verschiebbar  war,  an  der  Oberfläche  ziemlich  fest  anzufühlen 
war,  in  der  Tiefe  jedoch  noch  Fluctuation  erkennen  liess.  Nach  diesem  Befunde 
war  ich  in  der  Annahme,  dass  hier  eine  tiefe  Halscyste  vorliege,  noch  bestärkt. 
Ich  riet  daher  die  Exstirpation  an.  Er  konnte  sich  jedoch  zunächst  nicht  dazu 
entschliessen.  Im  Verlaufe  des  Jahres  1883  hatte  er  noch  zweimal  eine  gleiche 
Anschwellung  durchzumachen,  welche  jedoch  beidemale  bei  gleicher  Behandlung 
keine  weiteren  Folgen  hatte.  Erst  im  Januar  1884  stellte  er  sich  mir  wieder  vor 
und  war  nun  zur  Operation  entschlossen.  Am  26.  Januar  nahm  ich  dieselbe  in 
seiner  Wohnung  in  Chloroformnarkose  vor.  Da  in  diesem  Falle  die  Cyste  innig  mit 


260 


Carl  Gussenbauer. 


der  Umgebung  verwachsen  war,  so  beschloss  ich,  sämtliche  bedeckenden  Schichten 
über  der  Geschwulst  zu  entfernen,  um  bei  der  Untersuchung  alle  GeAvebsschichten 
überblicken  und  so  den  Zusammenhang  der  Cyste  mit  den  Geweben  studieren 
zu  können.  Ich  Umschnitt  daher  zunächst  die  bedeckende  Haut  mit  ZAvei  elip- 
tischen  Schnitten,  drang  in  diesen,  sämtliche  GeAvebe  durchtrennend,  bis  auf 
die  CysteriAvand  vor  und  entfernte  die  Geschwulst  mit  den  darüber  liegenden 
GeAvebsschichten  in  toto,  nachdem  ich  die  Scheide  der  Vena  jugularis  mit  ent- 
fernt hatte.  Ihr  oberer  Pol  hing  fest  mit  dem  processus  styloideus  zusammen. 
Die  ganze  Präparation  konnte  nirgends  stumpf,  sondern  nur  mit  dem  Messer 
gemacht  Averden. 

Die  Operation  verlief  ohne  Störung,  hatte  aber  Avegen  der  nur  mit  Vor- 
sicht auszuführenden  Präparation  über  eine  Stunde  in  Anspruch  genommen. 

Die  mit  Sublimat  sorgfältig  ausgeAvascliene  Wunde  Avurde  bis  auf  den 
unteren  offen  gelassenen  Winkel  durch  die  Koi)fnaht  vereinigt  und  ein  Kompressiv- 
verband  angelegt.  Die  Heilung  erfolgte  reaktionslos.  Nur  hatte  Patient  die 
ersten  zAvei  Tage  SchlingbescliAverden.  Der  erste  VerbandAvechsel  erfolgte  nach 
einer  Woche  und  Avurden  dabei  die  Nähte  entfernt.  Am  Ende  der  zweiten  Woclie 
Avar  auch  der  offen  gelassene  untere  Wundwinkel  mit  EjAithel  überzogen.  Patient  l)e- 
fand  sich  nun  ganz  Avohl  und  blieb  geheilt.  Noch  sechs  Jahre  nach  der  Ope- 
ration sah  ich  ihn  gesund. 

Gross  war  unser  Erstaunen,  als  Avir  nach  der  Operation  die  GescliAvulst 
incidierten  und  nun  mitten  in  der  GescliAvulst  eingeschlossen,  in  einer  mit  krüme- 
ligen Massen  und  wenig  getrübter  Flüssigkeit  erfüllten  Höhle,  ein  3 cm  langes, 
V-2  cm  dickes  Aderkantiges  Stück  Holz  fanden.  Am  nächsten  Tage  erst  gab  mir 
Patient  über  mein  Befragen  die  oben  angegebenen  Aufklärungen  über  die  Holz- 
stäbchen an.  Er  Avusste  sich  jedoch  nicht  zu  besinnen,  dass  ihm  ein  Stück  a'OU 
seinen  Eichenholzstäbchen  in  der  Fistel  stecken  geblieben  AA'ar.  Nach  den  oljen 
angegebenen  Daten  musste  dieses  Holzstück  aber  sicher  über  24  Jahre  lang  ein- 
geschlossen in  der  Cyste  gelegen  sein.  Wahrscheinlich  sind  die  Aviederholten 
AnscliAvellungen  und  entzündlichen  Erscheinungen  mit  durch  den  Fremdkörper 
A’^erursacht  worden.  Es  ist  aber  gewiss  sehr  selten,  dass  ein  Holzstück  nicht 
einmal  Eiterungen  erregt. 

Ueber  die  Eesultate  der  mikroskopischen  Untersuchung  Averde  ich  Aveiter- 
hin  ausführlich  berichten , da  die  Befunde  in  mehrfacher  Hinsicht  A’on  dem 
bereits  Bekannten  abweichen,  und  Avie  ich  glaube,  für  die  Beurteilung  der  Histo- 
genese  geAvdsser  branchiogenen  Cysten  Amn  besonderem  Interesse  sind. 

IV.  Am  19.  Februar  1887  wurde  die  29  Jahre  alte  Dienstmagd  F.  M. 
Avegen  einer  Geschwulst  am  Halse  aufgenommen.  Sie  Avar  vorher  niemals  krank 
geAvesen.  Vor  einem  Jahre  bemerkte  sie  ohne  bekannte  Veranlassung  im  linken 
oberen  Halsdreieck  eine  GescliAvulst,  Avelche  allmählich  aber  fortAvährend  wuchs. 
Als  dieselbe  etwa  faustgross  geAvorden  Avar,  konsultierte  sie  einen  Arzt.  Dieser 
hielt  die  GescliAvulst  für  einen  Abscess  und  riet  ihr  Breiumschläge  zu  machen, 
bis  ihr  die  GescliAvulst  Schmerz  bereiten  Averde.  Diesem  Pate  leistete  Patientin 
zunächst  Folge.  Da  aber  die  Geschwulst  trotzdem  nicht  schmerzhaft  Avurde  und 
im  Verlaufe  eines  Aveiteren  halben  Jahres  bis  zum  Ohrläppchen  gewachsen  Avar 
und  die  Bewegungen  des  Kopfes  etivas  behinderte,  so  konsultierte  sie  einen 
zweiten  Arzt,  Avelcher  sie  behufs  Operation  an  die  Klinik  wies.  — 

Ihre  Eltern  und  Geschwister  sind  gesund.  Gescliwulstbildungen  sind  in 
der  Familie  nicht  vorgekoninien.  — Wir  fanden  entsprechend  dem  linken  oberen 
Halsdreieck  eine  kleiukindskopfgrosse  GeschAViilst,  Avelche  das  Ohrläppclien  stark 


Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  branchiogenen  Geschwülste. 


261 


emporhebt  und  die  Form  des  Halsdreieckes  deutlich  imitiert,  lieber  der  Ge- 
gchwulst  sind  die  Haut,  das  Platysma  und  der  musc.  sternomastoid.,  welcher  in 
seinem  mittleren  Anteile  fächerförmig  ausgebreitet  erscheint,  leicht  verschiebbar, 
die  Geschwulst  selbst  von  dem  tiefen  Blatte  der  Halsfascie  etwas  beweglich.  — 
Die  Geschwulst  ist  prall  elastisch,  deutlich  fluctuierend,  diaphan.  Am  28.  Fel>- 
ruar  1877  führte  ich  die  Exstirpation  in  ruhig  verlaufender  Chloroformnarkose 
aus.  — Die  Ausschälung  der  Geschwulst  gelingt  leicht,  ihre  hintere  AVand  lag 
direkt  auf  der  vena  jugularis  interna  auf.  Ich  konstatierte  und  demonstrierte 
! auch  in  diesem  Falle,  dass  sämtliclie  glandulae  cervicales  profundae  über  der 
vena  jugularis  interna  im  Bereiche  der  Geschwulst  fehlten,  während  gegen  die 
Insertion  des  Kopfnickers  am  Sternum  meln-ere  nicht  vergrösserte  Lymphdrüsen 
zu  sehen  waren.  Die  nach  gründlicher  Auswaschung  mit  Sublimat  ^/«o  vollstän- 
! dig  vernähte  AA’^unde  heilte  prima  intentione.  — Ausser  Erbrechen  am  Tage  der 
1 Operation  und  Schmerzen  beim  Schlucken  trat  keine  Reaktion  auf.  Am  6.  Alärz 
wurden  die  Nähte  entfernt,  am  11.  August  die  Patientin  entlassen.  — 

Die  Untersuchung  der  Geschwulst  hatte  Herr  Professor  Chiari  die  Güti' 
vorzunehmen.  Fr  äusserte  sich  unter  dem  9.  März  1877  in  einem  Berichte  an 
, die  Klinik  über  das  Resultat  seiner  Untersuchung  wie  folgt;  »Alikroskopisch  die 
I AVand  der  Cyste  aus  faserigem  Bindegewebe  bestehend,  in  welches  zahlreiclu' 

I lymphoide  Zellen  und  stellenweise  deutliche  Lymphfollikel  eingelagert  sind.  — 
An  der  Innenfläche  der  t’ystenwand  ein  geschichtetes  Plattenepitliel.  Im  Cysten- 
iiihalte  Plattenepithelien,  lymplioide  Zellen,  Fettti'öpfclien,  Körnclrenkugeln  und 
Cholesteari  nkrvstalle.  t 

A'.  Am  22.  Juli  1887  wurde  der  14  Jahre  alte  H.  F.  wegen  einer  Ge- 
schwulst der  rechten  Halsseite  in  die  Klinik  auf  genommen.  Die  Eltern  hatten 
bei  dem  Knaben  schon  in  seinein  vierten  Lebensjahre  unter  dem  rechten  Unter- 
kieferwinkel eine  kleine,  weiche  Geschwulst  bemerkt,  welche  nun  allmählich, 
ohne  dem  Patientem  Beschwerde  zu  machen,  bis  zur  jetzigen  Grösse  heran- 
wuchs. Die  Eltern  und  acht  Geschwister  sind  gesund.  An  dem  kräftig  gebauten 
und  gut  genährten  Knaben  sah  man  auf  der  rechten  Halsseite  im  oberen  Dreieck 
vom  Unterkieferwinkel  nach  unten  eine  Geschwulst  von  Hühnereiergrösse,  welche 
von  normaler  Haut,  dem  Platysma,  und  nach  hinten  von  einem  Teil  des  Kopf- 
nickers bedeckt,  weich,  elastisch,  deutlich  fluctuierend  und  durchscheinend  ist. 
AMn  den  Unterlagen  lässt  sich  die  Cyste  etwas  verschieben. 

Bei  der  am  22.  Juli  vorgenommenen  Operation  wird  die  Cyste  mittels 
eines  10  cm  langen,  am  vorderen  Rande  des  Kopfnickers  verlaufenden,  die  Haut 
das  Platysma  und  das  oberflächliche  Blatt  der  tiefen  Halsfascie  durchtrennenden 
Schnittes  blossgelegt  und  hierauf  ausgelöst.  Die  Lospräparierung  gelingt  wegen 
strafferer  A'erbindungen  nur  mit  Messer  und  Schere.  Dabei  wird  der  dünne 
Cystensack  wiederholt  angeschnitten.  Es  entleert  sich  dabei  eine  trübe  Flüssig- 
keit. Ueber  der  vena  jugularis  sind  keine  Lymphdrüsen  zu  sehen.  Die  mit 
Sublimat  ausgewaschene  AATmde  wird  in  toto  vereinigt  und  ein  Komj)ressiv- 
verhand  angelegt.  Es  erfolgte  reaktionslose  Heilung  per  primam.  Am  81.  Juli 
wurde  Patient  nach  dem  ersten  A'erbandwechsel  mnl  Entfernung  der  Nähte  ge- 
heilt entlassen.  — Die  L^ntersuchimg  der  Cyste  wurde  von  dem  damaligen  ersten 
Assistenten  des  pathologisch-anatomischen  Institutes,  Herrn  Dr.  Richter,  vor- 
genommen. Er  l)erichtete  an  die  Klinik  wie  folgt: 

»Die  Cystenwand  besteht  in  den  inneren  Schichten  aus  dicht-  und  fein- 
faserigem, mit  sj)ä.rlichen  elastischen  Fasern  gemengten,  in  den  äusseren  Schich- 
ten aus  grobfaserigem,  welligem,  zu  Bündeln  geordnetem  Bindegewebe  mit  ziem- 


262 


Carl  Gussenbauer. 


lieh  reichlichen  Kernen  nnd  Blntgefässen  und  trägt  auf  der  Innenseite  eine  ein- 
schichtige , aus  platten  endothelartigen  Zellen  bestehende  Zellenauskleidiing 
(Lympheyste).« 

YI.  Am  29.  August  1887  wurde  die  25  Jahre  alte  Taglöhnersfrau  H.  A, 
wegen  einer  linksseitigen  Halsgeschwulst  in  die  Klinik  auf  genommen.  Sie  gab 
an,  dass  sie  vor  1 V2  Jahren  einen  bläschenförmigen  Ausschlag  der  linken  Ge- 
sichtshälfte bekam  und  bald  darauf  eine  kleine  Geschwulst  in  der  linken  Unter- 
kiefergegend bemerkte,  Avelche  sich  allmählich  vergrösserte , nicht  schmerzhaft 
war  und  seit  Ostern  dieses  Jahres  dreimal  vom  Arzte  incidiert  wurde,  aber 
jedesmal  zu  ihrer  früheren  Grösse  rasch  heranwuchs.  — An  der  Klinik  fand  man  an 
der  linken  lialsseite  eine  zweifaustgrosse  Geschwulst,  welche  vom  Unterkiefer- 
winkel nach  vorne  bis  gegen  den  Kehlkopf,  nach  hinten  bis  an  den  Rand  des 
Cucullaris  die  Haut  emporhebt.  Die  Haut  ist  etwas  entzündlich  geschwollen, 
namentlich  um  zwei  1 cm  lange  weisse  Incisionsnarben  an  der  hinteren  Seite 
der  Geschwulst.  Der  Sternocleidomastoideus  scheint  sich  fächerförmig  über  der 
Geschwulst  zu  verbreiten.  Die  Geschwulst  ist  weich,  elastisch  fluctuierend, 
durchscheinend  und  lässt  sich  von  der  Unterlage  verschieben.  Die  Schluck- 
bewegungen macht  sie  nicht  mit.  — 

Am  2.  SejAember  wird  in  Chloroformnarkose  die  Exstirpation  vorgenom- 
men. Ein  Schnitt  am  vorderen  Rande  des  Koi^fnickers  vom  Unterkieferwinkel 
bis  zur  artic.  stern.  clavic.  die  Haxit,  das  Platysma  und  die  Fascie  durchtrennend, 
legt  die  Oberfläche  der  Geschwulst  bloss.  Der  Sternocleidomastoideus  ist  fächer- 
förmig geteilt  und  mit  der  Cystenwand  bindegewebig  verwachsen.  Die  Cyste 
wird  zuerst  an  der  Innenseite,  dann  von  unten  aus  präi^arando  abgelöst  und  der 
ganze  Balg  exstirpiert.  Dabei  zeigt  sich  die  Geschwulst  an  der  Innenseite  Ins 
an  die  grossen  Gefässo  reichend  und  hier  mit  der  Gefässscheide  verwachsen. 
Sublimatauswaschung  und  Naht  der  Wunde,  Kompressivverband.  — Reaktions- 
loser Verlauf.  Am  7.  wird  der  erste  Verband  gewechselt,  die  Nähte  entfernt. 
Am  10.  wird  der  Verband  behufs  Entlassung  erneuert,  dabei  zeigte  sich  eine 
kleine  Dehiscenz  an  einer  Stelle  der  Wundränder.  Patientin  wird  daher  bis  zum 
15.  September  an  der  Klinik  behalten  und  an  diesem  Tage  geheilt  entlassen. 
Diese  Beobachtung  Avurde  während  der  Ferien  gemacht.  Eine  Bemerkung  über 
die  Untersuchung  der  Geschwulst  flndet  sich  in  dem  Krankenjournal  nicht  vor. 
Ich  bin  daher  nicht  in  der  Lage,  darüber  Aufschluss  zu  geben.  Doch  scheint 
mir  die  Cyste  nach  ihrer  Lokalisation,  nach  ihrem  Wachstum  und  ins1)esondere 
mit  Rücksicht  auf  ihre  Beziehungen  zur  Scheide  der  grossen  Halsgefässe  den 
anderen  genau  untersuchten  Fällen  analog  zu  sein.  — 

VII.  Am  21.  NoA'ember  1887  wurde  die  drei  Jahre  alte  H.  R.  wegen  einer 
linkseitigen  Halsgeschwulst  aufgenommen.  Nach  der  Geburt  schon  bemerkte 
man  an  dem  sehr  kräftigen , sonst  normal  entwickelten  Kinde  im  linken 
oberen  Halsdreiecke,  unterhalb  des  processus  mastoideus  eine  taubeneigrosse,  von 
normaler  Haut  bedeckte  Aveiche  GescliAvulst.  Dieselbe  blieb  bis  zum  ersten  Jahre 
ziemlich  gleich;  hierauf  Avuehs  der  jetzt  sichtbare  mediale  Anteil  und  im  dritten 
Jahre  der  vorderste  und  zwar  im  Anfänge  langsam,  in  letzter  Zeit  rasch  zur 
gegeuAvärtigen  Grösse  heran.  Seit  drei  Monaten  bekommt  das  Kind  öfters  einige 
Minuten  dauernde  Hustenanfälle,  wobei  Avährend  der  erscliAverten  Inspiration 
ein  eigentümliches  Geräusch  hörbar  ist.  Die  Eltern  und  fünf  GeschAA’ister  sind 
gesund.  — 

Bei  der  Aufnahme  sahen  Avir  an  dem  für  sein  Alter  grossen,  gut  ent- 
wickelten und  genährten  Kinde  die  ganze  linke  Halsseite  vom  vorderen  Rand 


r 


Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  braneliiogenen  Geschwülste. 

des  Cucullaris  angefangen  bis  fast  zur  vorderen  Mittellinie  des  Halses  eingenom- 
men von  einem  dreifach  segmentierten,  b cm  im  Vergleiche  zur  andern  Seite 
vorspringenden  Tumor,  über  welchem  die  Haut  nicht  verändert  erscheint.  Haut 
und  Platysma  lassen  sich  über  den  ganzen  Tumor  verschieben;  zwischen  mitt- 
lerem und  hinterem  Segment  zieht  der  etwas  verbreiterte  Sternocleidomastoideus 
darüber  verschieblich  hinweg.  Der  Tumor  als  Ganzes  ist  nur  zum  Teile  von  der 
Unterlage  beweglich,  er  ist  weich,  elastisch  fluctuierend  und  in  geringem  Grade 
durchscheinend.  — 

Am  22.  November  exstirpierte  ich  in  der  Chloroformnarkose  die  Geschwulst 
mittels  eines  am  vorderen  Rande  des  Kopfnickers  vom  processus  mastoideus  bis 
nahe  an  das  Sternoclaviculargelenk  reichenden  Schnittes  durch  Haut,  Platysma 
und  das  oberflächliche  Blatt  der  tiefen  Halsfascie. 

Der  Kopfnicker  musste  mit  dem  Messer  von  dem  Cystensack  getrennt 
werden.  Audi  die  Präparation  des  hinteren  Anteiles  der  Cyste  aus  der  grossen 
Tasche  zwischen  Kopfnicker  und  Cucullaris  gelingt  nur  mit  dem  ^lesser.  In 
(1er  Höhe  des  Atlas  lag  die  Cystenwand  ziemlich  dicht  dem  (^nerfortsatz  des- 
selben an.  Auch  von  der  Scheide  der  Vena  jugularis  musste  die  Abtrennung 
grös.stenteils  mit  dem  ^lesser  vorgenommen  werden.  ^lehrmals  wurde  die  Cysten- 
wand verletzt,  doch  gelang  es,  den  Austritt  des  Inhaltes  durch  sofortige  Kom 
pression  und  Naht  der  Oetfnungen  zu  vermeiden.  Nach  Entfernung  des  Tumors 
konnte  ich  auch  hier  wieder  konstatieren,  dass  über  der  Vena  jugularis  im  Be- 
reiche der  GescliAVulst  Lymphdrüsen  nicht  vorhanden  Avaren.  Wegen  der  sehr 
grossen  Wundhöhle  und  insbesondere  Avegen  der  Taschenbildung  hinter  dem 
Kopfnicker  incidierte  ich  diese  am  vorderen  Rande  der  Cucullaris,  drainierte  und 
vernähte  den  vorderen  Schnitt  in  seiner  ganzen  Ausdehnung.  Ein  ty])ischer 
Kompressionsverband  schloss  Hals  und  Kopf  ab.  In  diesem  Fall  bestanden  nach 
der  Operation  Teinperatursteigerungen  am  Abend  bis  38"  bei  normalen  ^lorgen- 
temperaturen  bis  zum  fünften  Tage.  An  diesem  Tage  stieg  auch  die  ^lorgen- 
t(*mperatur  bei  sonstigem  Wohlbeflnden  auf  3t),8"  C.  Es  Avurde  der  erste  Ver- 
band gewechselt,  das  Drainagerohr  entfernt.  Man  fand  die  Wunde  reaktionslos. 
Mit  der  Entfernung  des  Gummirohrs  sank  die  Temperatur  noch  am  Abend  des- 
si'lben  Tages  auf  37,(5"  und  blieb  fortan  normal.  Am  7.  Tage  Avnrden  die  Nähte  ent- 
fernt. Am  5.  Dezember  Avurde  Patient  mit  ganz  geschlossener  Wunde  entlassen. 

Die  Untersuchung  ergab  folgendes : Der  Inhalt  bestand  aus  einer  Aveiss- 
lichen  getrübten  Flüssigkeit,  in  Avelcher  zahlreiche  lymphoi'de  Zellen,  A’ereinzelt 
und  in  Grtippen  zusammenhängende  Plattenepithelien  und  Cholestearinkrystalle 
vorhanden  sind.  Das  Cystencavum  erscheint  durch  A'orspringende  Leisten  in  der 
Wand  in  drei  untereinander  communicierende  Räume  geteilt.  Die  Innenfläche 
erscheint  bei  schräger  Beleuchtung  glänzend,  an  einzelnen  Stellen  sieht  man 
kleine  Avarzige  Erhabenheiten.  An  Serienschnitten  durch  die  ganze  Dicke  der 
Wand  sieht  man,  dass  die  Innenfläche  überkleidet  ist  Amn  einem  mehrschichtigen 
Plattenepithel,  Avelches  stelleiiAveise  das  an  lympluYiden  Zellen  reiche  faserige 
BindegcAvebe  bedeckt,  stellemveise  aber  Papillen  überkleidet  und  daselbst  basale 
Cylinderzellen  mit  einem  stratum  granulosum  und  ganz  abgeplatteten  Epithelieir 
erkennen  lässt.  In  der  bindegewebigen  Kapsel  finden  sich  zerstreut  Lymph- 
follikel,  Gruppen  von  lymphoi'den  Zellen  und  zahlreiche  in  den  perivasculären 
Spalten  reichlich  lymphoide  Zellen  führende  Blutgefässe. 

VIU.  Am  1.  Juni  1830  Avurde  die  27  Jahre  alte  ledige  Kl.  A.  Avegen  einer 
GescliAvulst  der  linken  Halsseite  in  die  Klinik  aufgenommen.  Ihr  Vater  starb 
vor  15  Jahren  an  unbekannter  Krankheit,  ihre  Mutter  ist  gesund.  Patientin 


264 


Carl  (Tiissenbauor. 


war  nie  ernstlich  krank  gewesen.  A'or  zwei  Jahren  bemerkte  sie  ohne  bekannte 
Veranlassung  das  Enstehen  eines  etwa  liaselnussgrossen , weichen  und  beweir- 
lichen  Geschwülstchens  unter  dem  linken  Unterkieferwinkel.  Dasselbe  wuchs 
anfangs  nur  langsam,  verursachte  ihr  niemals  Beschwerden.  Im  letzten  Winter 
wuchs  die  Geschwulst  schneller,  weshalb  sie  in  diesem  Frühjahr  einen  Arzt  konsul- 
tierte. Dieser  verordnete  ihr  zunächst  eine  Jodeinpinselung  und  eine  Jodsalbe  und 
riet  ihr,  da  diese  Behandlung  das  raschere  Wachstum  der  Geschwulst  nicht  l)eein- 
flusste,  die  Exstirpation  an  unserer  Klinik  vornelimen  zu  lassen.  Patientin  ist 
sonst  gesund,  seit  ihrem  15.  Lebensjahre  regelmässig  menstruiert,  vierwöchent- 
lich  von  4— ötägiger  Dauer,  schmerzlos,  reichlich. 

An  der  mittelgrossen,  mässig  genährten  Patientin  von  gracilem  Knochen- 
bau sieht  man  an  der  linken  Ilalsseite  vom  processus  mastoideus  l)is  an  das 
untere  Drittel  des  8ternomastoideus  reichend  eine  ül)er  gänseeigrosse  Geschwulst, 
über  welche  die  gespannte  Haut,  das  Platysma  und  der  Kopfnicker  von  ihr 
verschieblich  hinwegziehen.  \'on  der  tiefen  Halsfascie  ist  sie  etwas  verschieblich. 
Sie  ist  gesi>annt,  elastisch,  huctuierend  und  durchscheinend.  Am  10.  Juni  wurde 
die  Geschwulst  in  ruhiger  Chloroformnarkose  in  typischer  Weise  exstirpiert. 
Die  Ausschälung  der  Geschwulst  gelang  leicht.  Am  oljeren  Pole  der  Geschwulst 
wurde  eine  haselnussgrosse  ijym2)hdrüse  von  normalem  Aussehen  mit  ent- 
fernt. Im  Bereiche  der  Geschwulst  wurden  über  der  ^"ena  jugularis  andere 
Lymphdrüsen  nicht  vorgefunden.  Die  Wunde  wurde  nach  Sublimatauswaschung 
in  toto  genäht  und  ein  typischer  Kom])ressionsverl)and  angelegt.  Da  am  nächsten 
Tage  die  Temperatur  am  Abend  auf  38,8“  C.  anstieg  und  Schmerzen  bestanden 
so  wurde  der  Verband  gewechselt.  Es  zeigte  sich,  dass  im  unteren  Anteile  der 
Wunde  etwas  Flüssigkeit  angesammelt  war.  Nach  Lüftung  des  unteren  Wund- 
winkels floss  eine  blutig  tingierte  Flüssigkeit  aus.  Nun  war  der  Verlauf  ungestört. 
Am  18.  Juni  konnte  Patientin  mit  ganz  geschlossener  Wunde  entlassen  werden. 
Die  Untersuchung  der  Cyste  ergab:  Der  Inhalt  der  Cyste  bestand  aus  einer 
Flüssigkeit,  in  welcher  sehr  viele  lymphoide  Zellen,  Plattenepithelien  und  Chole- 
stearinkrystalle  enthalten  waren.  Die  innere  Fläche  der  Cyste  ist  mit  einem  mehr- 
schichtigen Plattenepithel  ausgekleidet.  Um  den  epithelialen  Saum  flndet  sich  eine 
Zone  lymphatischen  Gewebes,  welches  bald  in  deutlich  ausgebildeten  Lymphfolhkeln, 
bald  nur  in  Ansammlungen  lymphoider  Zellen  innerhalb  eines  feineren  Reticulum 
besteht.  In  der  fibrösen,  stellenweise  reichlich  mit  lymphoiden  Zellen  durchsetzten 
Wand  finden  sich  ausserdem  mehrere  rundliche  und  abgeplattete  Lymphdrüsen, 
vom  Fettgewebe  und  einer  Kapsel  umschlossen,  mit  i)eri])heren  Lymphsinusen  und 
Follikeln,  Trabekeln  und  Markschläuchen. 

IX.  In  dem  folgenden  Falle  handelt  es  sich  um  eine  Dermoidcyste,  welche 
nicht  in  dem  seitlichen  Halsdreiecke  ihre  Entwicklung  nahm,  sondern  in  der 
linken  Submaxillargegend  und  am  Boden  der  Mundhöhle.  Ich  führe  den  Fall 
seiner  Zeitfolge  nach  hier  an. 

Am  25.  April  1800  kam  der  24  .Jahre  alte  ledige  Taglöhner  W.  Th.  wegen 
einer  Geschwulst  der  linken  Halsseite  in  die  Klinik.  Er  war  vor  diesem  Leiden 
stets  gesund  gewesen.  In  seiner  Familie  sind  Geschwulstbildungen  nicht  ))C- 
obachtet  worden.  Im  Frühjahr  1884,  in  seinem  18.  Lebensjahr,  bemerkte  er 
zum  erstenmale  links  unter  der  Zunge  ein  erlisengrosses  Knötchen.  Dieses 
wuchs  bis  Dezember  1889  sehr  langsam  bis  zum  vierten  Teile  seiner  jetzigen 
Grösse  heran,  ohne  ihm  irgend  welche  Beschwerden  zu  machen.  Da  er  Soldat 
war,  zeigte  er  die  Geschwulst  seinem  Regimentsarzte.  Dieser  zog  von  der  IMund- 
höhle  aus  einen  Faden  durch  die  Geschwulst,  liess  ihn  14  Tage  liegen,  zog  ihn 


Ein  Beitrap:  zur  Kenntnis  der  branchiogenen  Geschwülste. 


265 


dann  heraus.  Eine  Aendernng  in  der  Geschwulst  war  dadurch  nicht  bewirkt 
worden.  Ende  Januar  dieses  Jahres  incidierte  ein  zweiter  Reginientsarzt  von  der 
Mundhöhle  ans  entlang  der  linken  unteren  Zahnreihe  in  einer  Länge  von  3 cm. 
Es  entleerte  sich  eine  ziemliche  Menge  Blutes.  Die  AVhinde  heilte  unter  An- 
wendung eines  Jodoformgazetampon  in  wenigen  Tagen.  Nun  wuchs  aber  die 
Geschwulst  viel  rascher  und  wurde  der  Mann  seiner  Militärdienstpflicht  deshalb 
enthoben.  ]\Iit  dem  rascheren  'Wachstum  der  Geschwulst  stellten  sich  nun  auch 
Beschwerden  beim  Sprechen  und  Kauen  ein.  Das  Kauen  in  der  linken  Hälfte 
der  ^Inndhöhle  wurde  ihm  schliesslich  nnmöglicli. 

Bei  der  Untersuchung  des  schwächlich  gehanten  iMannes  fiel  zunächst  eine 
8 cm  im  (pieren  und  7 cm  im  sagittalen  Durchmesser  betragende  Abplattung  über 
dem  linken  Scheitelbeine  auf.  In  der  regio  snbmentalis  und  submaxillaris  sin. 
sieht  man  eine  spindelförmige  Geschwulst,  welche  von  der  Medianebene  bis  zum 
vorderen  Rand  des  Kopfnickers  und  nach  unten  bis  zu  seiner  Mitte  reicht.  Bei 
der  Inspektion  der  IMnndhöhle  sieht  man  die  ganze  linke  Hälfte  der  Mundhölile 
und  ül)er  die  Medianlinie  nach  rechts  bis  zum  I.  i^raemolaris  reichend  eine  von 
Schleimhaut  überkleidete  Geschwulst,  welche  die  Zunge  nacli  rechts  und  hinten 
verdrängt.  Nach  hinten  reicht  die  Geschwulst  linkerseits  bis  zum  arcus  palato- 
glossns.  Bei  der  Palpation  überzeugt  man  sich  leicht,  dass  die  Geschwulst  in 
der  Mundhöhle  und  jene  unterhalb  des  Unterkiefers  ein  Ganzes  bildet.  Innen 
ist  sie  bedeckt  von  der  über  der  Geschwulst  beweglichen  iMundbodenschleimhaut, 
welche  in  der  Gegend  des  abgeflachten  frennlnm  lingnae  verdünnt  und  weisslich 
verfärbt  ei’scheint.  Unter  dem  Unterkiefer  ist  die  Geschwulst  bedeckt  von  der 
etwas  gespannten  Plaut,  dem  Platysma,  welche  darüber  beweglich  sind,  und  den 
ausgedehnten  IMuskeln  des  Bodens  der  Mundhöhle.  Auch  diese  scheinen  etwas 
über  der  Geschwulstoberfläche  beweglich  zu  sein.  Bei  Schlnckbewegungen  macht 
<lie  Geschwulst  deutlich  die  Bewegungen  des  Zungenbeines  mit.  Die  Geschwulst 
ist  weich,  wenig  elastisch,  etwas  teigig.  Bei  alternativer  Pression  kann  man  tlen 
Inhalt  der  äusseren  Geschwulst  gegen  die  Mundhöhle  und  vice  versa  teilweise 
verdrängen.  Nach  diesen  Erscheinungen  stellte  ich  die  Diagnose  auf  eine 
I)(‘rmoidcyste,  welche  wahrscheinlich  aus  einer  medianen  fötalen  Inclusion  ent- 
stand und  von  da  nach  der  regio  snbmentalis  und  sul^maxillaris  sich  entwickelt 
hatte.  .\.m  28.  April  nahm  ich  die  Exstirpation  von  einer  medianen  Incision, 
welche  vom  Kinn  bis  gegen  den  Kehlkopf  reichte  und  die  Haut,  das  Platysma 
durchtrennte  und  zwischen  den  IMnskeln  auf  den  Cystensack  eindrang. 

Nun  konnte  ich  den  Cystensack,  welcher  nur  durch  lockeres  Bindegewelje 
mit  der  Umgebung  in  Verbindung  stand,  fast  ganz  stumpf  niit  Leicbtigkeit  aus- 
lösen  und  auch  die  Mundbodenschleimhaut  ohne  Verletzung  ablösen.  — 

Die  ausgewaschene  grosse  IMnndhöhle  collabierte  zum  Teile.  Die  Muskeln 
wurden  bis  auf  den  unteren  Winkel  mit  Catgnt,  Platysma  und  Haut  zusammen 
mit  Seide  bis  auf  den  unteren  'Winkel  vernäht.  — Am  Tage  der  Operation  stieg 
die  Temperatur  auf  38,  am  zAveiten  Tage  abends  auf  38,2®  C.,  sonst  blieb  sie 
normal.  Es  erfolgte  Heilung  prima  intentione.  Am  5.  i\Iai  konnte  Patient  mit 
vollkommen  geschlossener  Wunde  und  normaler  Gestaltung  der  ^Mundhöhle  ge- 
heilt entlassen  Averden.  — 

Herr  Professor  Chiari,  welcher  die  Güte  liatte,  die  Geschwulst  zu  unter- 
suchen, gab  folgenden  Bericht  an  die  Klinik  ab;  >Die  Wand  der  Cyste  durch- 
schnittlich cirka  1 mm  dick;  in  ihr  stellenweise  Haarbälge  mit  Haaren,  Talg- 
drüsen und  »Schweissdrüsen.  An  ihrer  Innenfläche  eine  typisch  geschichtete  Ejn- 
dermis  mit  basalen  Cylinderzellen  und  deutlichem  Stratum  granulosum.«  Ich 


i 


266 


Curl  (TUHscn])Uuer. 


bemerke  noeh  dazu,  dass  Avir  an  der  Klinik  den  Cj'stensack  untersuchten,  in 
demselben  jedoch  eine  Narbe  nicht  vorfanden  und  deshalb  annebmen  mussten, 
dass  sowohl  der  eingefübrte  Faden  wie  die  Incision  die  Cystenwand  nicht  trafen. 
In  der  entleerten  breiartigen  Flüssigkeit  fanden  Avir  Haare,  A’erhornte  und  fettig 
degenerierte  Plattenepithelien  nebst  körnigem  Detritus. 

X.  Am  24.  Juli  1891  Avurde  die  23  Jahre  alte  ledige  Magd  Sch.  M.  Avegen 
einer  rechtsseitigen  HalsgescliAvulst  in  die  Klinik  anfgenommen.  Ihr  Vater  starb 
an  Schlaganfall,  ihre  Mutter  an  Lungenentzündung.  Patientin  Avar  früher  stets 
gesund.  Vor  zAvei  Jahren  entstand  ohne  bekannte  Veranlassung  in  ihrem  rechten 
oberen  llalsdreieck  eine  kleine  (TCschAvulst,  Avelche  langsam  Avuchs,  ohne  ihr  Be- 
scliAverden  zu  A'erursachen.  Patientin  ist  mittelgross,  kräftig  gebaut,  gut  genährt. 
Im  rechten  oberen  seitlichen  llalsdreieck  sieht  man  eine  über  faustgrosse  Ge- 
scliAvulst,  Avelche  \mm  Ohrläp lachen,  dasselbe  etAvas  emporhebend,  längs  des  vor- 
deren Randes  des  Kopfnickers  bis  gegen  zAvei  Querfinger  über  dem  Schlüssel- 
bein sich  erstreckt,  am  hinteren  Rande  den  Kopfnicker,  das  Platysma  und  die 
Haut  emporheht,  nach  A'orne  nur  v'on  dem  darüber  heAveglichen  Platysma  und 
der  Haut  bedeckt  ist.  Die  GescliAvulst  ist  von  der  Unterlage  beAveglich,  AA'eich, 
elastisch  fiuctuierend,  durchscheinend.  — 

In  gut  verlaufender  Chloroformnarkose  Avird  am  29.  Juli  in  typischer  Weise 
die  Exstirpation  der  Gesclnvulst  Amrgenommen.  Die  Ausschälung  gelang  leicht. 
Die  AVunde  Avurde  in  toto  A'^ermacht  und  ein  KompressiAwerhand  angelegt.  Es 
erfolgte  reaktionslose  Heilung  per  primam  intentionem.  Am  5.  August  konnte 
1‘atientin  nach  Entfernung  der  Nälite  mit  Schutzverhand  entlassen  Averden.  — 

Die  von  Herrn  Prof.  Chiari  Amrgenommene  üntersirchung  ergab  den  nun  schon 
(jft  mitgeteilten  Befund.  Unter  dem  15.  NoA'emher  1891  berichtete  Herr  Professor 
Chiari  wie  folgt:  »Die  AA^and  der  Cyste  besteht  aus  faserigem  BindegeAvehe, 
Avelches  in  seinen  inneren  Lagen  Amn  reicldichem  lymphatischem  GeAvebe  durch- 
setzt ist,  sodass  dadurch  förmliche  LymjAhfollikel  gebildet  erscheinen.  An  der  Innen- 
fläche der  Cyste  geschichtetes  PflastereiAithel  mit  basaler  Cylinderzellenschichte.« 

XI.  Am  9.  Mai  1892  wurde  der  28  Jahre  alte  Über-Lampenanzünder 
Avegen  einer  linksseitigen  HalsgescliAvulst  in  die  Klinik  aufgenommen.  Sein 
\"ater  starb  an  unbekannter  Krankheit,  seine  Alutter  an  einem  Brustleiden.  Er 
Avar  früher  nie  krank  geAvesen.  A^or  fünf  Jahren  bemerkte  Patient  in  dem  linken 
oberen  Halsdreieck  vor  dem  KieferAvinkel  eine  kleine,  Aveiche,  schmerzlose  Ge- 
schAvulst,  welche  in  Ader  Jahren  AAAlnussgrösse  erreichte.  Erst  im  letzten  Jahre 
Avuchs  sie  rascher  bis  zur  jetzigen  Grösse  heran,  ohne  ihm  BescliAA’erden  zu  A^er- 
ursachen.  IMan  sah  hei  dem  sonst  gesund  aussehenden  jManne  in  der  linken 
seitlichen  Halsgegend  eine  faustgrosse , Amn  Haut , Platysma  und  dem  Sterno- 
mastol'deus  l)edeckte  Gesclnvulst,  Avelche  A’om  Ohrläppchen  bis  zur  Cartilago 
thyreoidea,  nach  hinten  bis  an  den  Rand  des  Cucnllaris  reicht.  Die  bedecken- 
den AA'eichteile  sind  so  Avie  die  GescliAvulst  von  der  Unterlage  verschieblich.  Die 
Geschwulst  ist  Aveich,  elastisch,  fiuctuierend,  durclischeinend.  Am  13.  Mai  Avird 
die  GescliAvulst  in  ruhiger  Chloroformnarkose  exstirpiert.  Die  Ausschälung  der 
Cyste  geschieht  ziemlich  leicht,  ohne  dass  die  vena  jug.  int.,  über  Avelcher  <lie 
Gesclnvulst  auflagerte,  mit  einhezogen  Avorden  Aväre.  Nach  der  Exstirpation 
konstatiere  ich,  dass  im  Bereiche  der  GescliAvulst  über  der  A^ena  jugularis  Lyniph- 
drüsen  nicht  vorhanden  sind.  Nur  am  oberen  Pole,  dicht  der  Parotis  anliegend 
finden  sich  ZAvei  nicht  A'ergrösserte  Lymphdrüschen.  — 

Die  vollständig  v^ernähte  AVunde  heilte  prima  intentione  ohne  Reaktion. 
Am  19.  Mai  konnte  Patient  nach  Entfernung  der  Nähte  geheilt  entlassen  Averden- 


Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  branchiogenen  Geschwülste. 


267 


Der  Cysteninhalt  bestand  aus  einer  weisslich  gelben  getrübten  Flüssigkeit,  in  welcher 
zahlreiche lymphoide  Zellen, PlatteneiDithelienu.  Cholesterinkrystalle  enthalten  waren. 

Die  Cystenwand  erscheint  an  der  inneren  Oberfläche  glänzend,  stellenweise 
}nit  kleinen  warzigen  Erhabenheiten.  Die  mikroskopische  Untersuchung  ergiebt: 
Die  Innenfläche  ausgekleidet  mit  einem  mehrschichtigen  Plattenepithel,  welches 
bald  nur  gestreckt  über  das  von  lymphoiden  Zellen  durchsetzte  fibröse  Binde- 
gewebe der  Cystenwand  dahinzieht,  bald  jedoch  papilläre  Excrescenzen  desselben, 
in  welchen  Lymphfollikel  und  Anhäufungen  lymphatischen  Gewebes  eingestreut 
sind,  mit  basalen  Cylinderzellen,  cubischen  und  abgeplatteten  Zellen  überkleidet. 
In  der  V2  cm  und  mehr  betragenden  bindegewebigen  Kapsel  finden  sich  an 
mehreren  Stellen  bis  bohnengrosse  Lyiuphdrüsen  mit  periiiheren  Follikeln, 
Lymphsinusen,  Trabekeln  und  Markschläuchen. 

Von  den  elf  mitgeteilten  Fällen  von  Halscysten  sind  zwei 
(Fall  I und  IX)  Derinoidcysten  und  die  übrigen  solche,  welche 
zwar  eine  epitheliale  Auskleidung  des  Cystenrauines  besitzen,  in 
der  bindegewebigen  Wand  aber  durch  das  Vorhandensein  von 
lymphatischem  Gewebe,  Lymphfollikeln  oder  auch  Lymphdrüsen 
sich  auszeichnen.  Unser  zweiter  Fall  gehört  wohl  zu  dieser  letz- 
teren Gruppe,  da  in  dem  Inhalte  ausser  Plattenepithelien  noch 
zahlreiche  lymphoide  und  Leukocyten  ähnhche  Zellen  sich  vor- 
fanden, ein  Befund,  der,  was  den  Inhalt  anlangt,  für  diese  Art  von 
Cysten  charakteristisch  ist.  Da  aber  in  diesem  Falle  die  Cyste 
nicht  exstirpiert  wurde,  so  entzieht  sich  dieser  Fall  einer  weiteren 
Beurteilung  in  Bezug  auf  die  Struktur  der  Cystenwand.  Von  dem 
Fall  VI  besitze  ich  keine  Angaben,  weder  in  Bezug  auf  den  In- 
halt, noch  in  Bezug  auf  die  Struktur  der  Cysten  wand;  ich  kann 
ihn  daher,  obwohl  er  klinisch  nach  seinen  Erscheinungen  gewiss 
liieher  zu  zählen  ist,  nicht  weiter  berücksichtigen.  Von  den  übrigen 
habe  ich  ausser  dem  IV.  Falle  einer  Halskiemenfistel,  welcher 
eigentlich  eine  fistula  colli  congenita  cystica  completa  vorstellt, 
noch  die  Fälle  HI,  VII,  VHI  und  XI  genau  untersucht,  während 
mir  über  die  Fälle  IV,  X nur  die  Ergebnisse  der  Untersuchung 
durch  Herrn  Professor  Chiari  und  im  Falle  V durch  seinen  Assi- 
stenten Herrn  Dr.  Richter  bekannt  wurden. 

Die  weiteren  Mitteilungen  beziehen  sich  in  Betreff  der  mi- 
kroskopischen Befunde  ledighch  auf  die  von  mir  selbst  unter- 
suchten Fälle.  Klinisch  zeichnen  sie  sich  gegenüber  den  als  Der- 
moiden (Lebert)  oder  nach  HeschU)  als  Epidermoiden  aufzufas- 
senden sogenannten  tiefen  Atheromcysten , abgesehen  von  der 
Konsistenz  durch  ihre  Transparenz  aus.  Auch  der  Umstand  ver- 
dient besonders  beachtet  zu  werden,  dass  sich  ihre  Entstehung 
nicht  an  die  Zeit  des  Körperwachstums  bindet.  In  mehreren 

BHeschl,  Uel)er  die  Dermoid-Cysten.  Prager  Viertel-.Tahrssebrift  für 
pr.  Heilkunde,  18(!0.  (38.  Bd.  der  ganzen  Folge,  p.  .‘3(3. 


268 


Carl  Gussenljauer. 


unserer  Fälle,  sowie  auch  in  solchen  anderer  Beobachter,  sind  die 
Cysten  erst  nach  Ablauf  des  24.  Lebensjahres  entstanden.  Da- 
nach möchte  es  den  Anschein  haben,  als  wenn  die  Entwickelung 
dieser  Cysten  mit  dem  normalen  Wachstum  der  Gewebe  nicht  in 
Zusammenhang  zu  bringen  wäre.  Doch  könnte  ein  solcher  Schluss 
leicht  voreilig  sein,  da  es  wohl  möglich  wäre,  dass  in  den  Geweben 
auch  nach  scheinbar  abgelaufenem  Wachstum  des  Körpers,  als 
Ganzem,  noch  Veränderungen  vor  sich  gehen,  welche  streng  ge- 
nommen nicht  die  Idee  der  Neubildung  involvieren,  sondern  eine 
kontinuierliche  und  successive  Weiterentwickelung  bedeuten  können. 
Ich  habe  hier  ferner  noch  die  Thatsache  ganz  besonders 
hervorzuheben,  dass  nach  den  Exstirpationen  dieser 
Cysten  über  der  Gefässscheide  der  vena  jugularis  interna 
Lymphdrüsen  nicht  vorhanden  sind.  Ich  habe  nicht  finden 
können,  dass  irgend  ein  Beobachter  auf  diese  Thatsache  aufmerk- 
sam gemacht  hätte.  Ich  habe  sie  nun  aber  schon  so  oft  kon- 
statieren und  demonstrieren  können,  dass  ich  überzeugt  bin,  ihrer 
Konstanz  in  jedem  neuen  Falle  zu  begegnen.  In  Bezug  auf  die 
mikroskopische  Untersuchung  dieser  Art  von  Cysten  habe  ich  fol- 
gendes mitzuteilen.  — 

Den  ersten  Fall  dieser  Art  habe  ich  noch  als  Assistent  mei- 
nes Lehrers  Billroth  an  seiner  Klinik  im  Jahre  1873  zu  unter- 
suchen Gelegenheit  gehabt.  Es  war  ein  Fall  einer  tiefen  Hals- 
cyste, welche  von  Billroth  exstirpiert  worden  war.  Der  Inhalt  der 
eröffneten  Cyste  bestand  aus  einer  trüben  weisslichen  Flüssigkeit, 
in  welcher  Plattenepithehen , viele  den  weissen  Blutkörperchen 
ähnliche  Zellen  (meine  damalige  Notiz)  und  Cholestearinkr}'stalle 
nebst  Fetttröpfchen  enthalten  waren.  Die  Wand  war  ungleich 
dick.  Stellenweise  war  sie  nicht  dicker  als  3 mm.  An  der  dick- 
sten Stelle  hatte  sie  aber  fast  17?  cm.  Das  Präparat  wurde  in 
Müller’scher  Flüssigkeit  gehärtet.  An  Durchschnitten  der  AVand 
von  verschiedenen  Stellen  sah  ich  die  innere  Auskleidung  der 
Cyste  bestehend  aus  einem  mehrschichtigen  Plattenejoithel,  stellen- 
weise papillare  Erhabenheiten  mit  mehrschichtigem  aus  cubischen 
und  abgeplatteten  Zellen  bestehendem  Epithel  überzogen.  In  der 
bindegewebigen  Wand  der  C}'ste  fand  ich  an  den  untersuchten 
Stellen  allenthalben  lymphadenoi'des  Gewebe,  welches  bis  dicht 
an  das  Epithellager  heranreichte.  An  der  dicksten  Stelle  der 
Cysten  fand  sich  Lymphdrüsengewebe,  welches  mit  einer  nach 
aussen  von  Fettgewebe  durchsetzten  bindegewebigen  Kapsel  ab- 
gegrenzt  war.  Von  der  bindegewebigen  Kapsel  durch  Lymph- 
sinuse  getrennt,  lagerten  periphere  Follikel,  von  denen  mehrere 


w 


Ein  Beitrai?  zur  Kenntnis  der  branchiogenen  Geschwülste. 

vergrössert  erschienen.  In  diesen  waren  die  Zellen  grösser  und 
konzentrisch  geschichtet,  die  Trabekel  waren  stellenweise  von 
lymphoiden  Zellen  durchsetzt.  Uni  die  Markschläuche  fand  sich 
allenthalben  eine  dichte  Ansammlung  lymphoider  Zellen.  Die 
Zellen  des  Reticulum  erschienen  vielfach  angeschwollen,  ihre  Kerne 
vergrössert.  — Durch  diese  Befunde  wurde  ich  damals  an  die 
Angaben  Lücke ’s  (1.  c.)  erinnert.  Seitdem  sind  nun  wiederholt 
Cysten  mit  Lymphfollikeln  in  den  Wandungen  beschrieben  wor- 
den, am  besten  von  Zahn  (1.  c.),  welcher  seine  Beschreibung  durch 
instruktive  Abbildungen  illustriert.  — Am  lehrreichsten  für  das 
Studium  der  Histogenese  erwies  sich  der  Fall  III,  weil  er  sich 
durch  die  Entwickelung  von  multiplen  Cysten  auszeichnete,  und 
weil  ich  in  diesem  Falle,  wie  oben  bereits  erwähnt,  sämtliche  die 
Cystenwand  bedeckenden  Weichteile  mit  excidiert  hatte  und  dem- 
nach in  die  Lage  versetzt  war,  die  Cysten  wand  in  ihren  Be- 
ziehungen zu  den  umliegenden  Geweben  bis  auf  die  Hautoberfläche 
zu  untersuchen.  Mein  damaliger  (1884)  Operationszögling,  Herr 
Doktor  Patz  eit,  hatte  den  Tumor  nach  Konservierung  mit  dem 
Mikrotom  von  verschiedenen  Stellen  in  Serienschnitte  zerlegt. 
Diese  ausgezeichneten  Präparate  dienen  mir  für  die  Beschreibung. 

Man  sieht  an  einem  Schnitt  von  der  Hautoberfiäche  bis  in 
die  Cystenhühle  (Taf.  I,  Fig.  1),  dass  sich  ausser  der  grossen  mit 
Epithel  ausgekleideten  Cyste  im  Bindegewebe  mehrere  kleinere  und 
grössere  ebenfalls  mit  Epithel  ausgekleidete  Cysten  befinden.  Diese 
letzteren  sind  von  lymphadenoidem  Gewebe  umgeben.  Verfolgt 
man  diese  Cystenräume  in  aufeinanderfolgenden  Serienschnitten, 
so  erkennt  man,  dass  sie  an  der  Peripherie  überall  von  lympha- 
tischem Gewebe  umgeben  sind,  nirgends  mit  dem  grossen  Cysten- 
raum Zusammenhängen.  Daraus  geht  hervor,  dass  sich  diese 
Cystenräume  innerhalb  vom  Lymphdrüsengewebe , welches  an 
vielen  Stellen  im  Gewebe  sich  befindet,  gebildet  haben.  Unter- 
sucht man  nun  weiter  die  zerstreuten  Ansammlungen  von  lympha- 
denoidem Gewebe,  die  deutlichen  Follikeln  und  wohlausgebildeten 
Lymphdrüsen,  so  sieht  man,  dass  wie  dies  die  Fig.  2,  3,  4,  5, 
Taf.  I veranschaulichen,  mitten  in  den  Lymphfollikeln  der  Lymph- 
drüsen sowohl,  wie  in  dem  lymphadenoiden  Gewebe,  welches  mehr 
weniger  deutlich  abgegrenzt  im  Bindegewebe  zerstreut  ist,  eiDithel- 
oide,  konzentrisch  geschichtete  Zellen,  welche  sich  durch  Tinction 
und  Habitus  von  den  umgebenden  unterscheiden,  aber  ohne  Gren- 
zen in  diese  übergehen.  — Stellenweise  sind  diese  Zellen  Epithel- 
zellen ganz  gleich  (Fig.  3). 

Es  liess  sich  ferner  nachweisen  (Fig.  (i),  dass  in  Lymphdrüsen, 


270 


Carl  Gussenbauer. 


welche  mit  ihren  wohlausgebildeten  Kapseln  von  zellenreichem  Fett- 
gewebe umgeben,  aneinander  lagern,  ganz  ähnliche  Veränderungen 
in  den  peripheren  Follikeln  vorhanden  sind,  wie  die  erwähnten. 

Dieselben  Vorgänge  lassen  sich  auch  in  dem  lymphadenoiden 
Gewebe,  welches  dem  Epithellager  der  grossen  Cyste  dicht  an- 
liegt (Taf.  II,  Fig.  7),  nachweisen.  Auch  in  diesen  entstehen 
mitten  in  Follikeln  Nester  von  epitheloiden  und  Epithelzellen, 
deren  Formen  ineinander  übergehen.  Aus  den  isolierten  und  in 
Lymphdrüschen  vorhandenen  Follikeln  entstehen  die  Cystchen  da- 
durch, dass  sich  die  aus  den  epitheloiden  Zellen  hervorgehenden 
Epithelien  mehr  und  mehr  scharf  von  den  an  der  Peripherie  kon- 
zentrisch und  dichter  gelagerten  und  vergrösserten  Lymphzellen 
abheben  und  schliesslich  als  ein  zusammenhängendes  Lager  von 
grossen  cubischen  und  abgejDlatteten  Epithelien  entweder  frei  oder 
noch  im  Zusammenhänge  mit  dem  lymphadenoiden  Gewebe  den 
Cystenraum  erfüllen.  An  kleinen  Cystchen  besteht  die  Ausklei- 
dung der  Innenfläche  entweder  nur  aus  einer  einfachen  Lage  ab- 
geplatteter Zellen,  an  grösseren  Cystchen  ist  dieses  Epithellager 
mehrschichtig  und  -finden  sich  an  diesen  schon  papillenartige 
Erhebungen  mit  einem  geschichteten  Plattenepithel  und  basalen 
cylindrischen  Zellen. 

Am  lehrreichsten  sind  solche  Cystchen,  welche  entweder 
durch  einen  schmalen  zellenreichen  Saum  fibrillären  Bindegewebes 
oder  durch  lymphadenoides  Gewebe  getrennt  aneinander  lagern. 
An  diesen  sieht  man  einen  Saum  lynij^hadenoiden  Gewebes,  in 
welchem  die  vergrösserten  Zellen  nach  beiden  Seiten  gegen  die 
Cystenräume  allmählich  in  epitheloide  und  Epithelzellen  über- 
gehen (Taf.  I,  Fig.  15),  ohne  dass  eine  scharfe  Abgrenzung  vor- 
handen wäre. 

In  dem  grossen  Cystenraume,  sowie  in  den  kleineren  und 
kleinsten  finden  sich  zwischen  den  abgestossenen  Plattenepithelien 
und  in  denselben  eine  grosse  Menge  lymphoi'der  Zellen.  — 

Endlich  fanden  sich  in  dem  Falle  VI  in  den  Spalträumen 
und  Saftlücken  des  Bindegewebes  der  Cystenwand  sowohl,  als  wie 
im  subcutanen  Bindegewebe  netzförmig  ausgebreitete  Zellenanhäu- 
fungen (Taf.  II,  Fig.  13).  Die  Zellen,  deren  Habitus  und  Anord- 
nung Fig.  14  veranschaulicht,  sind  allem  Anschein  nach  aus  Wuche- 
rungen der  Endothelien  hervorgegangen. 

Die  Untersuchung  der  anderen  Cysten  ergab  ganz  gleiche 
Befunde,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  sich  in  dem  Falle  IV 
der  Halskiemenfistel  und  XI,  von  welchem  mir  Herr  Doktor  Fr. 
Schwertasseck  an  der  Klinik  die  Serienschnitte  anfertigte,  eben- 


lOiii  Beitrag  zur  Kenntnis  der  branchiogenen  Geschwülste. 


271 


falls  mehrere  kleinere  Cystclien  in  Lymphdrüschen  und  Lympli- 
follikeln  vorfanden,  in  den  Fällen  VII  und  VIII  hingegen  nicht. 

Es  mag  sein,  dass  der  Fall  III,  in  welchem  ein  Fremdkörper 
durch  lange  Zeit  in  der  Cyste  eingeschlossen  lag,  infolge  der  Rei- 
zung die  am  weitest  fortgeschrittenen  Entwickelungsstadien  auf- 
weist. Gewiss  wird  man  aber  nicht  die  Reizung  beschuldigen 
können,  die  Bildung  von  Lymphdrüsen,  Follikeln  und  lympha- 
tischem Gewebe  mit  ihren  weiteren  Veränderungen  veranlasst  zu 
haben.  Es  hat  schon  Zahn  die  Interpretationen  Schedes  gegen- 
über Lücke  als  nicht  zutreffend  gekennzeichnet.  In  meinem 
Falle  III  fehlten  übrigens  die  Reizungserscheinungen  merkwürdiger- 
weise fast  ganz,  da  sich  keine  diffusen  Leukocytenanhäufungen 
oder  perivasculäre  Zelleninfiltrationen  nachweisen  Hessen.  Es 
scheint,  dass  das  mächtige  Epithellager  der  grossen  Cyste  die 
umgebenden  Gewebe  schützte,  so  dass  nicht  einmal  Eiterung 
eingetreten  war. 

Wenn  ich  das  Resultat  meiner  Untersuchungen  zusammen- 
fasse, so  kann  ich  aussagen,  dass  die  mit  Epithel  ausgekleideten 
Cysten  innerhalb  von  lymphatischem  Gewebe,  und  zwar  in  Lympli- 
follikeln  und  in  Lymphdrüsen  sich  entwickeln,  und  dass  die  Ent- 
wickelung derselben  aus  dem  lymphadenoiden  Gewebe  selbst 
hervorgeht.  Ich  muss  es  dahingestellt  sein  lassen , ob  dieses 
lymphatische  Gewebe  den  normalerweise  über  der  vena  jugu- 
laris  interna  gelagerten  Lymphdrüsen  angehört  oder  nicht.  Die 
Thatsache,  dass  nach  den  Exstirpationen  über  der  vena  jug.  int. 
Lymphdrüsen  nicht  mehr  vorhanden  sind,  sowie  der  Befund  von 
ganzen  Lymphdrüsen  in  den  Cystenwandungen  möchte  dafür 
sprechen.  — 

Ich  halte  es  aber  auch  für  möglich,  dass  es  sich  in  den  vor- 
liegenden Fällen  um  abnorme  Anlagen  handelt.  Viele  von  den 
Lymphfollikeln  und  den  kleinen  Lymphdrüschen  gleichen  embryo- 
nalen Anlagen  des  lymphatischen  Gewebes.  Manche  der  peri- 
pheren Follikel  in  Lymphdrüsen,  in  welchen  die  Zellen  im  Cen- 
trum den  Habitus  von  Epithelien  haben,  erinnern  an  die  Thymus- 
drüse, und  man  könnte  sie  bei  isolierter  Betrachtung  für  Teile 
einer  Drüse  halten,  wenn  sie  nicht  Follikel  wohlcharakterisierter 
Lymphdrüsen  wären. 

Da  in  dem  Falle  IV  (Fistula  colli  congenita  cystica)  seit  der 
Geburt  eine  Fistel  bestand,  die  Geschwulst  sich  erst  nach  dem 
30.  Lebensjahre  entwickelte,  nachdem  sich  die  Rachenmündung  ge- 
schlossen hatte  und  bei  der  Untersuchung  der  proximale  Fistel - 
gang  von  der  Cyste  aus  bis  an  sein  blindes  Ende  durchgängig  war. 


272 


Carl  Gussenbauer. 


SO  ist  der  brancliiogene  Ursprung  auch  dieser  Cysten  wohl  über 
jeden  Zweifel  erhaben.  Nur  darf  man  sich  nicht  vorstellen,  dass 
es  sich  bei  der  Cystenbildung  einfach  um  eine  Erweiterung  des 
bestehenden  Kanales  nach  seiner  Abschliessung  infolge  von  fort-  | 
dauernder  Epithelproduktion  handle.  Ueber  den  Ursprung  des  | 
grossen  Cystenraumes  in  diesem  Falle  kann  ich  eine  bestimmte  j 
Aussage  nicht  machen,  sondern  nur  darauf  hin  weisen,  dass  j 
auch  in  diesem  Falle  in  der  Cysten  wand  dicht  bis  an  das  Ej^ithel- 
lager  lymphadenoides  Gewebe  stellenweise  ohne  scharfe  Ab-  ' 
grenzung  heranreichte,  die  kleineren  Cystchen  aber  im  Lymph-  i 
drüsengewebe  ohne  Zusammenhang  mit  der  grossen  entstanden  I 
waren,  und  dass  in  den  Lymphfollikeln  central  epitheloide  und 
Plpithelzellen  in  Nestern  sich  vorfanden. 

Ich  weiss  sehr  wohl,  dass  ich  mit  meinen  Angaben  von  der 
Entwickelung  des  Epithels  im  Lymphdrüsengewebe  und  der  Ent- 
stehung der  mit  Epithel  ausgekleideten  Cystchen  im  Lymphdrüsen- 
gewebe mit  den  gangbaren  Anschauungen  nicht  übereinstimme. 
Soweit  ich  mich  in  der  Entwickelungsgeschichte  der  Kiemenspalten 
und  ihren  Derivaten  durch  das  Studium  der  einschlägigen  und 
mir  zugänglichen  Litteratur^)  informieren  konnte,  habe  ich  keine 
Anhaltspunkte  auffinden  können,  welche  einer  Abstammung  des 
lymphadenoiden  Gewebes  vom  Entoderm  günstig  wären.  Es  kann 
mir  nicht  beifallen,  auf  einem  Gebiete,  auf  welchem  selbst  die 
erfahrensten  Embryologen  in  Bezug  auf  die  ersten  Anlagen  der 
glandula  Thymus,  gl.  thyreoidea,  gland.  carotica  nicht  einig  sind, 
irgend  etwas  aussagen  zu  wollen. 

Aber  es  scheint  mir  nicht  überflüssig,  die  Frage  aufzuwerfen, 
ob  nicht  das  lymphadenoide  Gewebe  entodermalen  Ursprungs 
ist?  Die  Epithehen,  welche  die  C3'Sten  dieser  Art  auskleiden, 
gleichen  den  aus  dem  Entoderm  hervorgehenden  vollständig.  Die 
Annahme  einer  multiplen  und  disseminierten  Einlagerung  von 
Epithelkeimen  in  das  Gewebe,  um  welche  sich  dann  im  Verlaufe 
der  Entwickelung^^  lymiDliadenoides  Gewebe  erst  gebildet  hätte, 
scheint  mir  aber  wegen  der  disseminierten  Multiplicität  der  Epi- 
thellager nicht  zulässig. 


L itterat  ur. 

' Kölliker.  Entwickeliingsgeschichte.  Leipzig,  187G. 

^ O.  llertAvig.  Lehrbuch  der  Entwickelungsgeschichte,  I.  Abteilung  188G, 
U.  Abteilung  1888.  Jena. 

® L.  8tieda.  Untersuchungen  über  die  EntAvickelung  der  gl.  Thymus, 
gl.  thyreoidea  und  glandula  carotica.  Leii)zig,  1881. 

^ W ö 1 1 1 e r.  Ueher  die  Entwickelung  und  den  Bau  der  Schilddrüse.  Berlin,  1881. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  branelnogenen  Geschwülste. 


273 


° S.  Born.  Heber  die  Derivate  der  enihryonalen  Sclünndbögen  und  Scldund- 
spalten  bei  Säugetieren.  Arcb.  f.  inicrosc.  Anatomie,  F)d.  22  p.  271. 

Pb.  Fischelis.  Beiträge  zur  Kenntnis  nnd  Entwickelungsgescliiclite 
der  gl.  Thyreoidea  und  gl.  Thymus,  ibidem,  Bd.  2ö  ]>.  405. 

^ N.  Katsch enko.  Das  Schicksal  der  embryonalen  Scblundspalten  bei 
Säugetieren,  ibidem,  Bd.  30  p.  1. 

” AV.  Hiss.  Anatomie  menschlicher  Embryonen.  Leipzig  1880  I.  und 

1882  n. 

® W.  Hiss,  lieber  den  Sinus  praecervicalis  und  über  Tbymusanlage 
Arch.  f.  Anatomie  u.  Physiologie.  Separatabdruck. 

W.  II  iss.  Schlundspalten  und  Tbymusanlage,  Arcb.  f.  Anat.  u.  Physiologie 
Sepiiratabzug. 

. " P.  de.  Menron.  Recherches  sur  le  düveloppement  du  Thynms  et  de 

la  glande  Thyrotde.  Geneve  188G. 

C.  Rabl.  Zur  Bildungsgeschichte  des  Huhns.  Prager  medic.  Wochen- 
schrift 188G  Kr.  52  und  1887  Nr.  1. 

**  C.  Rabl.  lieber  die  Prinzipien  der  Histologie.  Verhandlungen  der 
anatomischen  Gesellschaft,  1889.  Sonderabdruck. 

Liessner.  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Kiemenspalten  und  ihrer 
Anlagen.  Inaug.-Dissert.  Dorpat  1889. 

*■’'  F.  ]\I  arch  and.  Beiträge  zur  Kenntnis  der  normalen  und  pathologi- 
schen Anatomie  der  glandula  carotica  und  der  Nebennieren  in  Internationale 
Beiträge  zur  wissenschaftlichen  ^ledizin,  Bd.  I pag.  537.  Berlin  1891. 

R.  Pal  tauf.  lieber  Geschwülste  der  glandula  carotica  nebst  einem 
Beitrage  zur  Histologie  und  Entwickelungsgeschichte  derselben.  Beiträge  zur 
pathol.  Anatomie  uml  allgem.  Pathologie.  Bd.  XI.  p.  2G0. 


III.  Braiicliiogene  Carciiioiiie. 

Wenn  wir  im  oberen  Halsdreieck  eine  Geschwulst  finden, 
welche  von  der  Haut,  dem  Platysma  und  dem  oberflächlichen  Blatte 
der  tiefen  Halsfascie  bedeckt  den  grossen  Halsgefässen  aufliegt 
und  nach  ihren  Wachstumserscheinungen  sowie  den  objektiven 
Symptomen  vom  klinischen  Standpunkte  aus  als  ein  Carcinom 
betrachtet  werden  muss,  so  erhebt  sich  jedesmal  die  Frage,  ob  es 
sich  nicht  um  ein  sekundäres  Lymphdrüsencarcinom  handelt. 
Wenn  dann  die  Untersuchung  nach  einem  primären  Carcinom  in 
der  Haut,  Schleimhaut  oder  einer  Drüse  negativ  ausfällt,  insbe- 
sondere auch  im  Bereiche  des  Ohres,  des  Pharynx,  Oesophagus 
und  des  Kehlkopfes  ein  primäres  Carcinom  nicht  gefunden  werden 
kann,  dann  erst  ist  man  berechtigt,  die  Diagnose  auf  ein  soge- 
nanntes branchiogenes  Carcinom  im  Sinne  V o 1 k m a n n s zu 
stellen. 

Die  Diagnose  der  sogenannten  branchiogenen  Carcinome  stützt 
sich  also  im  Wesentlichen  auf  die  Unmöglichkeit,  ein  primäres 
Carcinom  nachzuweisen. 

Und  selbst,  wenn  man  trotz  genauer  Untersuchung  nicht  in 

18 


274 


Carl  Gusssenbauer. 


der  Lage  ist,  ein  primäres  Carcinom  aufzufinden,  und  demnach  ge- 
zwungen ist,  ein  sog.  branchiogenes  Carcinom  anzunehmen,  so  kann 
man  doch  der  Täuschung  anheimfallen,  wie  ich  selbst  erst  jüngst 
erfahren  habe  und  von  andern  schon  wiederholt  betont  worden  ist. 

Es  haben  daher  die  sog.  branchiogenen  Carcinome  für  den 
Kliniker  ein  ganz  besonderes  Interesse,  abgesehen  davon,  dass 
ihre  Genese  noch  zu  den  dunkelsten  Punkten  der  Pathologie 
gehört.  Für  den  Chirurgen  sind  sie  aber  noch  überdies  von 
grosser  Wichtigkeit,  weil  diese  Carcinome  schon  frühzeitig  sicli 
mit  den  grossen  Halsgefässen,  dem  Nervus  vagus  in  Verbindung 
setzen  und  ihre  Entfernung  dann  zu  den  schwierigsten  Aufgaben 
des  operierenden  Chirurgen  gehört. 

Im  Nachfolgenden  will  ich  einen  kleinen  Beitrag  zur  Casuistik 
der  sog.  branchiogenen  Carcinome  liefern. 

I.  Herr  Br.  J.  (50  Jahre  alt,  ehein.  Statthaltereibeainter,  Hess  sich  am  10.  Ok- 
tober 1884  wegen  einer  Halsgescliwulst  in  die  Klinik  auf  nehmen.  Seine  Eltern 
starben  im  hohen  Alter,  ebenso  sein  Bruder.  Er  hatte  im  35.  Lebensjahre  die 
Blattern  überstanden,  sonst  war  er  nie  erheblich  krank  gewesen. 

Vor  ^/i  Jahren  bemerkte  er  am  vorderen  Rande  des  Sternocleidomastoideus 
am  Uebergange  seines  oberen  in  das  mittlere  Drittel  eine  schmerzlose,  kirschen- 
grosse Geschwulst.  Dieses  Geschwülstchen  vergrösserte  sich  anfangs  langsam, 
aber  stetig,  erst  in  den  letzten  3—4  Wochen  wuchs  die  Geschwulst  rascher  und 
erstreckte  sich  mehr  in  die  Tiefe  und  nach  hinten.  Seit  einem  Monate  nahm  er 
eine  Erweiterung  der  oberflächlichen  Halsvenen  wahr.  Seit  14  Tagen  bemerkte 
er  über  der  ursprünglichen  Geschwulst  mehrere  knotige  und  harte  xinschwellungen. 
Seit  3 Wochen  leidet  er  an  Atembeschwerden.  In  den  letzten  Wochen  traten 
bei  ihm  zeitweise  gegen  das  Hinterhaupt  ausstrahlende  Schmerzen  auf.  Heiser- 
keit oder  Schlingbeschwerden  oder  eine  Ohrerkrankung  waren  niemals,  Husten 
nur  bei  Katarrhen  vorhanden. 

Bei  der  Untersuchung  fanden  wir  an  dem  für  sein  Alter  robustem  und 
gut  genährtem  Manne  eine  mässige  ^^ergrösserung  der  Schilddrüse  und  Dilatation 
der  Venen  am  Halse.  Im  rechten . oberen  Halsdreiecke  sah  man  am  vorderen 
Rande  des  oberen  Drittels  des  Kopfnickers  eine  über  taubeneigrosse  Geschwulst, 
über  welche  Haut  und  Platysma  leicht,  der  musc.  sternomastoideus  nur  Avenig 
A'erschiebbar  ist.  Die  GeschAvulst  ist  A’on  der  Unterlage  A'erschiebbar.  Am  oberen 
Pole  der  GescliAvulst  erstreckt  sich  ein  strangförmiger,  A^er schiel )barer  Fortsatz 
in  der  Richtung  gegen  die  Parotis.  Die  GescliAvulst  ist  hart  anzufühlen.  Ich 
bemerke  ausdrücklich,  dass  weder  in  der  Haut,  noch  in  der  Schleimhaut  der 
Mund-  und  Nasenrachenhöhle,  der  Zunge,  noch  im  Oesophagus,  noch  im  Kehl- 
kopf, noch  in  der  Parotis,  glandula  submaxillaris,  oder  in  der  glandula  thyreoidea 
ein  Carcinom  aufzuflnden  AA’ar.  Die  mässige  SchilddrüsenA'ergrösserung  war  eine 
gleichmässige  und  entsjArach  einer  Struma  parenchymatosa  mit  Colloiddegeneration. 
Nirgends  Avar  eine  harte  Stelle  zu  fühlen.  Hörstörung  bestand  nicht,  die  Unter- 
suchung des  äusseren  Gehörganges  negatiA'.  — GleicliAvohl  AA'ar  die  Geschwulst 
Avegen  ihrer  Härte,  ihrem  peripheren  auf  Nachbargewebe  übergreifendem  Wachs- 
tum, soAvie  der  A^ergi-össerung  mehrerer  Lymphdrüsen  als  Carcinom  zu  betrach- 
ten, und  demnach  als  ein  sog.  bi-anchiogenes  aufzufassen.  Die  ITntersuchung 


Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  branchiogenen  Geschwülste. 


275 


der  Thoraxorgane  ergab  am  Herzen  nichts  Abnormes.  lieber  beiden  Lungen  an 
der  Rückenseite  des  Thorax  hört  man  etwas  Schnurren.  Im  Harn  keine  ab' 
normen  Bestandteile. 

Am  14.  Oktober  machte  ich  die  Exstirpation.  Mittels  eines  vom  proc. 
luastoideus  beginnenden,  am  vorderen  Rande  des  Kopfnickers  bis  zwei  Quer- 
finger über  dem  Sternoclaviculargelenk  reichenden  Schnitte,  weicher  Haut,  Platysma 
und  das  oberflächliche  Blatt  der  fascia  colli  profunda  durchtrennte,  legte  ich  zu- 
nächst den  Tumor  und  nach  unten  die  grossen  Halsgefässe  frei  behufs  Exstir- 
pation der  gl.  lymph.  cervic.  profundae.  Eine  Schichte  des  über  dem  Tumor 
aufliegenden  Anteiles  des  Sternomastoideus  musste  wegen  Verwachsung  mit  dem- 
selben präparando  entfernt  werden.  — Der  Tumor  selbst  war  mit  der  Scheide 
der  Vena  jugulaiis  innig  verwachsen  und  konnte  nur  mit  dieser  entfernt  werden. 
Dabei  wurde  ein  Venenast  dicht  an  der  Vena  jugularis  interna  durchschnitten 
und  eine  Wandligatur  dieser  angelegt.  Der  Tumor  zeigte  nun  zwei  Fortsätze, 
einen  nach  hinten  und  oben,  einen  zweiten  in  der  Richtung  gegen  das  Zungen- 
bein zum  Grunde  des  oberen  Elalsdreieckes  unter  dem  musc.  biventer.  Beide  Fort- 
sätze werden  exstirpiert  und  erweisen  sich  als  harte  Bindegewebsstränge , in 
welchen  vergrösserte  und  verhärtete  Lymphdrüsen  liegen.  Bei  der  Exstirpation 
waren  viele  Venenligaturen  notwendig.  Mit  der  Parotis  hing  der  obere  Gewebs- 
strang  nicht  zusammen.  Nachdem  auch  noch  die  unter  der  Kreuzung  mit  dem 
Omohyoideus  liegenden  Lymphdrüschen  entfernt  waren,  sieht  man  im  Grunde  der 
■\Vunde  das  tiefe  Blatt  der  Fascia  colli  profunda  und  die  Vena  jugularis  interna  in 
ihrer  ganzen  Länge  frei  präpariert.  — Parotis  und  Nervus  vagus  waren  frei,  mit 
der  Geschwulst  nicht  verwachsen.  Nach  gründlicher  Sublimatauswaschung  wird 
die  V'unde  vernäht,  am  tiefsten  Punkte  drainiert.  — 

Der  Verlauf  war  bis  auf  eine  einmalige  Temperatursteigerung  am  Tage 
nach  der  Operation  auf  38®  C.,  etwas  Bronchitis,  Schmerzen  bei  Schlingbewe- 
gungen und  eine  geringe  Salivation  an  der  Wunde  reaktionslos.  Am  Tage  nach 
der  Operation  wurde  das  Drainagerohr  entfernt.  Die  Salivation  war  am  vierten 
Tage  nach  der  Operation  bei  Anwendung  eines  IMundwassers  aus  Kali  chloricum 
geschwunden,  die  Bronchitis  unter  Anwendung  eines  Infusum  Ipecacuanhae  ge- 
bessert. Am  18.  Oktober  wurden  die  Nähte  entfernt.  Am  26.  Oktober  war  aucli 
die  Drainageöffnung  geschlossen.  Am  28.  Oktober  verliess  er  mit  vollständig 
geheilter  Wunde  die  Klinik. 

Die  Heilung  dauerte  indessen  nur  sehr  kurze  Zeit.  Am  30.  Dezember  1884 
liess  sich  Patient  wieder  in  die  Klinik  aufnehmen.  Nachdem  er  die  Klinik  ver- 
lassen hatte,  befand  er  sich  durch  4 Wochen  wohl.  Um  diese  Zeit  trat  eine 
neue  Anschwellung  auf  am  oberen  Ende  der  Oiierationsnarbe , welche  sich  in 
wenigen  Tagen  nach  unten  verbreitete.  Innerhalb  10  Tagen  entstand,  ohne  dass 
er  Fieber  gehabt  hätte,  eine  weiche  Geschwulst,  welche  dann  aufbrach  und  eine 
reichliche  Menge  eines  breiigen  Eiters  entleerte.  Er  stand  in  ärztlicher  Behand- 
lung. Unter  wiederholten  Verbänden  schloss  sich  die  Perforationsöffnung.  Es 
entstand  aber  wieder  eine  Anschwellung,  welche  innei'halb  von  2 Wochen  sich 
zur  gegenwärtigen  Grösse  heranbildete.  In  den  letzten  Tagen,  insbesondere  in 
der  Nacht  vom  29,  auf  den  30.  Dezember  bekam  er  grosse  Atemnot,  und  traten 
zeitweise  Erstickungsanfälle  auf.  Schlingbeschwerden  waren  nicht  vorhanden. 
Ausserdem  beobachtete  Patient  vor  10  Tagen  in  der  rechten  Leistengegend  eine 
haselnussgrosse  Geschwulst,  welche  innerhalb  dieser  Zeit  bis  auf  Hühnereigrösse 
heranwuchs,  ohne  schmerzhaft  zu  sein. 

Wir  fanden  nun  den  Mann  sehr  herabgekommen , der  J*aniculus  stark 


27G 


Carl  Gussenbauer. 


geschwunden,  Muskulatur  schlalf,  blasse,  graulich  weisse  Hautfarbe  mit  einem 
leichten  Stiche  ins  Gelbe.  Sein  Puls  120 — 130  p.  M.,  arythmisch  bei  einer  Körper- 
temperatur zur  Zeit  der  Aufnahme  von  36,7  (am  29.  Dezember  abends),  36,2  am 
30.  Dezember  morgens.  Die  Respiration  ist  mühsam,  dabei  frequent  bis  60  p.  M. 
Anfallsweise  kommt  es,  namentlich  zu  gewis.sen  Stunden  der  Nacht  (Patient  war 
am  29.  abends  eingetreten)  zur  hochgradigen  Dyspnoe.  An  der  rechten  Ilalsseite 
sieht  man  in  der  Mitte  der  Operationsnarbe  einen  länglichen,  die  ganze  rechte 
Halsseite  stark  hervorwolbenden  harten  Tumor,  welcher  mit  der  Operationsnarbe 
verwachsen  ist.  lieber  die  Vorderfiäche  und  die  seitlichen  Partien  des  Halses 
verlaufen  bis  auf  Fingerdicke  dilatierte  Venen.  Auch  die  glandula  thyreoidea 
erscheint  angeschwollen.  Sie  reicht  jetzt  bis  an  das  Sternum.  Eine  Dämpfungs- 
zone über  dem  Sternum  ist  jedoch  nicht  vorhanden.  Ausserdem  fühlt  man  nun 
die  Halslymphdrüsen  und  zwar  rechts  die  glandulae  supraclaviculares,  links  die 
gland.  cerv.  profondae  et  supraclaviculares  soweit  man  sie  durch  die  intumes- 
cierten  Weichteile  nur  ahtasten  kann  auf  Erbsen-,  Bohnen-  und  Haselnussgrösse 
angeschwollen  und  härter.  In  der  rechten  Inguinalgegend  ein  kleinfaustgrosses 
Lymphdrüsenpaket  von  harter  Konsistenz,  ein  kleineres  auch  links  zu  tasten. 
Bei  der  Auscultation  des  Thorax  lässt  sich  ein  fortgepflanztes  Komi)ressions- 
geräusch  namentlich  im  Oberlappen  der  linken  Lunge  wahrnehmen  (Herr  Kollege 
Professor  Knoll,  welcher  den  Patienten  sah,  stellte  die  Diagnose  auf  Compression 
des  linken  Bronchus).  Ausserdem  hörte  man  über  beiden  Lungen,  vorne  wie 
hinten,  Schnurren  und  etwas  Rasseln. 

Wegen  hochgradiger  Dispnoe,  welche  sich  im  Verlaufe  des  Tages  vom 
30.  Dezember  steigerte , wird  abends  um  10  Uhr  die  Tracheotomia  superior  aus- 
geführt. Bei  der  Operation  mussten  die  beiden  seitlichen  stark  intumescierteu 
aber  nicht  verhärteten  SchilddrüsenlapiDen  auseinandergedrängt  werden.  Eine 
erhebliche  venöse  Blutung  erforderte  mehrfache  Ligaturen.  Die  Trachea  fand 
sich  nach  links  und  hinten  verlagert.  Nach  Austamponierung  der  relativ  grossen 
Incision  mit  Jodoformgaze  wird  die  Trachea  eröffnet,  worauf  die  Atmung  sofort 
erleichtert  ist.  Es  wird  eine  dicke  Canüle  eingelegt,  ein  Infusum  drgitalis  0,2 
auf  200  verordnet  und  behufs  Exspectoration  kontinuierlicher  Dami)fspray  mit 
Kochsalz  in  Anwendung  gezogen  und  ein  Infusum  von  Ipecac.  verabreicht. 

Am  nächsten  Morgen  war  die  Respiration  und  Puls  ruhiger  und  regelmässiger. 
Es  bestand  reichliche  Schleimsekretion  aus  der  Trachea.  Die  Temperatur  war 
von  36,8  am  Abend  vorher  auf  37,5  am  Morgen,  auf  38,3  am  Abend  gestiegen. 
Es  wurde  deshalb  der  Verband  gewechselt.  Nnn  sah  man  am  unteren  Wund- 
winkel Schleim  und  Trachealsekret,  die  Haut  unr  die  AVunde  gerötet,  geschwollen. 
Es  wird  die  AVunde  mit  Sublimatbäuschchen  desinfiziert  und  ein  feuchter  A^erban«! 
von  Burow’scher  Flüssigkeit  angelegt.  Trotzdem  schritt  die  entzündliche  An- 
schwellung in  der  Nacht  noch  weiter,  die  Temperatur  stieg  auf  39,2 " C.  AVegen 
erschwerter  Respiration  musste  am  2.  Januar  eine  längere  Canüle  eingelegt  werden. 
Die  Respiration  wurde  dadurch  nur  vorübergehend  erleichtert.  Alan  hörte  nun 
über  beiden  Lungen  starkes  grosses  und  kleinblasiges  Rasseln,  die  Exspectoration 
nahm  trotz  A'erabreichung  von  Exspectorantien  und  Inhalation  immer  mehr  al). 
Um  9 Uhr  abends  trat  Somnolenz  und  um  12  Uhr  Nachts  des  2.  Januar  unter 
den  Erscheinungen  des  Lungenödems  der  Tod  ein. 

Die  Vornahme  der  Obduktion  wurde  von  der  Familie  nicht  gestattet. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  des  exstirpierten  Tumors  ergab  den 
Befund  eines  Plattenepithelialkrebses  mit  grossen  Zellensträngen  und  Nestern 
zmn  Teil  verhornter  Zellen.  Derselbe  Befund  liess  sich  in  den  Lymphdrüsen 


Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  branohiogenen  Geschwülste.  ^ ^ < 

nachweisen.  Der  Fall  scheint  mir,  obwohl  wir  eine  anatomische  Untersuchung 
post  mortem  vorzunehmen  nicht  in  der  Lage  waren,  ziemlich  klar  zu  sein.  Es 
trat  nach  der  Operation  kontinuierliche  Recidive  in  der  Wunde  und  Umgebung, 
Erweichung  des  Carcinoms  und  spontane  Perforation,  rasche  Verbreitung  des 
Carcinoms  in  den  Lymphdrüsen  am  Halse  und  des  Mediastinum,  ausserdem  aber 
IMetastasen  auf  dem  Wege  der  Blutbahn  wahrscheinlich  von  den  Halsvenen  des 
Operationsgebietes  auf.  Die  Tracheotomiewunde  wurde  durch  das  Trachealsekret 
infiziert  und  dadurch  entstand  Entzündung  der  Wunde  und  der  Umgebung, 
welche  das  Fieber  der  letzten  zwei  Tage  bewirkte. 

II.  Am  22.  April  188G  wird  der  44  Jahre  alte,  vhr.  Gerichtsdiener  E.  I.  in 
die  Klinik  wegen  einer  Geschwulst  der  rechten  Ilalsseite  aufgenommen.  Der 
IMann  war  nie  erheblich  krank  gewesen.  Im  Herbste  des  Jahres  1885  bemerkte 
er  im  rechten  oberen  Halsdreiecke  eine  etwa  haselnussgi’osse  Geschwulst,  welche 
er  his  dahin  nicht  wahrgenommen  hatte.  Beschwerden  hatte  er  keine.  Consul- 
tierte  Aerzte  verordneten  ihm  Jodein})inselungen.  Trotzdem  wuchs  die  Geschwulst 
stetig,  zuerst  langsam,  seit  Februar  dieses  Jahres  rascher.  Nun  rieten  ihm  die 
eonsultierten  Aerzte  die  Excision.  Wir  sahen  an  dem  sonst  kräftigen  gut  ge- 
nährten 3Iann  im  rechten  oberen  Halsdreieck  zwei  Ctm.  vom  Kieferwinkel  ent- 
fernt eine  eigrosse,  prominierende  Geschwulst,  welche  A'on  normaler  beweglicher 
Haut  und  dem  ebenfalls  verschiebbaren  Platysma  bedeckt  ist.  Der  Sternomasto- 
ideus,  welcher  den  hinteren  Abschnitt  der  Geschwulst  bedeckt,  ist  mit  ihr  ver- 
wachsen. Von  dem  unteren  medianen  Segment  des  Tumors  lässt  sich  in  der 
Tiefe  ein  Strang  in  der  Pichtung  nach  unten  und  vorne  gegen  den  Kehlkopf 
tasten.  Die  Geschwulst  ist  höckerig,  hart,  von  der  Unterlage  beweglich. 

Die  Geschwulst  konnte  man  ihrer  Beschaffenheit  nach  nur  für  ein  C’ar- 
cinom  halten,  und  da  die  LTntersuchung  auf  ein  primäres  Carcinorn  ganz  negativ 
ausfiel,  für  ein  branchiogenes.  Am  23.  April  führte  ich  in  Chloroformnarkose 
die  Exstirpation  aus.  Die  Exstirpation  verlief  anfangs  ruhig,  wurde  aber  im 
Verlaufe  der  Operation  durch  Vagusreizung  wiederholt  gestört. 

Bei  der  Exstirpation  musste  der  verwachsene  Anteil  des  Kopfnickers  nach 
Durchschneidung  mit  entfernt  werden.  AVegen  A'erwachsung  der  Geschwulst 
mit  der  AVand  der  A"ena  jugularis  interna  musste  didse  im  Bereiche  der  Geschwulst 
reseciert  werden.  Die  vordere  AVand  der  Scheide  der  Carotis  musste  gleichfalls 
mit  entfernt  werden.  Das  Nenrilem  des  nervus  vagus  ist  von  der  Geschwulst 
angezogen  und  wird  deshalb  mit  dem  Alesser  abpräpariert.  Bei  diesem  Operations- 
akte traten  wiederholt  unregelmässiger  Puls  mit  Verlangsamung  und  darauf- 
folgender Frequenzsteigerung  ein,  wobei  auch  die  Atmung  unregelmässig  wurde. 
Nacli  A'ollendung  der  Operation  wurde  Puls  und  Atmung  wieder  regelmässig. 
— Alit  dem  Tumor  wurden  mehrere  Lymphdrüsen  am  oberen  und  unteren  Pole 
derselben  und  der  gegen  den  Kehlkopf  ziehende  Strang  entfernt.  Desinfektion 
der  AVunde,  A'ernähung.  Der  A’^erlauf  war  reaktionslos. 

Das  Ergebnis  der  von  Herrn  Prof.  Chiari  vorgenommenen  mikroskopischen 
Untersuchung  der  Geschwulst  lautet:  > Plattenepithelkrebs  mit  Perlkugeln  von 
dem  Aussehen  eines  Epidermoidalkrebses.«  — 

HL  Am  23.  Aj^ril  1888  wird  der  50  Jahre  alte,  verheiratete  LThrmacher 
Kr.  A.  wegen  einer  linksseitigen  Halsgeschwulst  aufgenommen.  Seit  mehreren 
Jahren  litt  er  an  einem  chronischen  Gelenksrheumatismus.  Er  gebrauchte  da- 
gegen wiederholt  die  Kur  in  Teplitz.  Seit  20  Jahren  hat  er  Schmerzen  im  linken 
Ohre  nnd  Ausfluss  aus  demselben.  A"or  12  AA'ochen  sistierte  der  Ausfluss  und 
er  bekam  Schmerzen  im  Ohre  und  in  der  Umgebung.  Gleichzeitig  bemerkte  er 


278 


Carl  Gussenbauer. 


unter  dem  linken  Kieferwinkel  eine  Geschwulst,  welche  sich  ziemlich  rasch  ver- 
grosserte.  Es  traten  gegen  das  Hinterhaupt  ausstrahlende  Schmerzen  hinzu,  welche 
ihm  die  Nachtruhe  rauhten.  — Er  wurde  mit  Jodpräparaten  erfolglos  behandelt. 
In  der  Familie  des  Patienten  kommen  Geschwulsthildungen  nicht  vor. 

An  dem  grossen,  kräftig  gebauten  Manne  von  gelhlichgrauer  Hautfarbe 
bemerkte  man  bei  der  Inspektion  der  Mundhöhle,  dass  die  im  Volumen  etwas 
kleinere  linke  Zungenhälfte  beim  Ausstrecken  der  Zunge  zurückbleil)t , während 
die  rechte  Hälfte  hervorgestreckt  wird.  Dadurch  krümmt  sich  die  Zunge  etwas 
nach  links.  — 

In  der  Mitte  der  linken  Halsseite,  von  der  Höhe  der  Cartilago  cricoidea 
bis  zwei  Querfinger  ül^er  dem  Jugulum  ist  eine  apfelgrosse  Geschwulst  sichtbar, 
welche  die  Schlingbewegungen  deutlich  mitmacht.  Bei  der  Palpation  konstatiert 
man  eine  aus  mehreren,  sehr  harten,  rundlichen  Knollen  zusammengesetzte,  bis 
gegen  die  Trachea  nach  vorne,  nach  oben  bis  in  das  Halsdreieck,  nach  hinten 
bis  zum  Cucullarisrande , nach  unten  bis  an  die  Insertion  des  Sternocleido- 
mastoideus  sich  erstreckende,  fast  knorpelhafte  Geschwulst,  über  welclier  der 
Sternomastoideus  vorläuft  und  mit  ihr  verwachsen  ist.  An  der  hinteren  Peri- 
pherie sind  einige  der  Geschwulst  auflagernde  vergrösserte  Lymphdrüsen  nacli- 
weisbar.  Die  Stimme  des  Kranken  ist  etwas  belegt,  im  KehlkojA  jedoch  niclits 
Abnormes  nachweisbar.  Der  Schlingakt  nicht  gestört.  Die  otoskopische  Unter- 
suchung konstatierte  ein  fast  vollkommenes  Fehlen  des  linken  Trommelfells  his 
auf  eine  dem  hinteren  unteren  Segmente  entsprechende  Leiste,  in  deren  Mitte 
ein  Granulationspfropf  aufsitzt.  Fast  vollkommener  Defekt  der  Gehörknöchelchen. 
In  der  Paukenhöhle  reichliches  cholestearinhaltiges  Sekret. 

Bei  der  craniotympanischen  Schallleitung  pi’ävaliert  die  Gehörsemiifindung 
auf  der  linken  Seite.  Die  Schilddrüse  ist  nicht  vergrössert,  ihr  linker  Lappen 
lässt  sich  von  der  Geschwulst  abgrenzen.  — Die  Untersuchung  der  Brust-  und 
Bauchorgane  lässt  nichts  Abnormes  nachweisen.  Ln  Harn  Spuren  von  Eiweiss, 
kein  Zucker.  — 

Die  Diagnose  in  diesem  Falle  schien  mir  besonders  schwierig  zu  stellen. 
Ich  dachte  zunächst  an  ein  sekundäres  Lymphdrüsencarcinom , nach  einem  Car- 
cinom  des  inneren  Ohres.  Da  aber  die  Untersuchung  keinen  Anhaltspunkt  er- 
gab, so  musste  ich  diese  Meinung  wieder  aufgeben.  Ich  dachte  ferner  an  ein 
Carcinom  in  einem  aberrierten  Schilddrüsengewebe  und  endlich  an  ein  branchio- 
genes  Carcinom. 

Da  mir  die  Geschwulst,  wenn  auch  voraussichtlich  mit  Schwierigkeit,  als 
operabel  erschien,  so  schritt  ich  am  25.  April  zur  Operation.  Kuhig  verlaufende 
Chloroformnarkose,  240  Gramm  widirend  der  1V+  Stunden  dauernden  Operation. 
Ein  Schnitt  längs  des  vorderen  Randes  des  Kopfnickers  vom  proc.  mastoideus 
bis  zur  artic.  stern.  clavic.  durch  die  Haut  und  Platysma  legt  zunächst  die  Tu- 
moroberfläche bloss.  Die  mit  deni  Tumor  verwachsene  Partie  des  Kopfnickers 
Avird  durch  eine  Längsincision  im  Muskel  am  Tumor  haftend  Umschnitten.  Hier- 
auf erfolgt  die  Lostrennung  des  hinteren  Tumorabschnittes  bis  an  den  Rand 
des  Cucullaris;  dabei  zeigt  sich,  dass  auch  die  lamina  lorofunda  der  tiefen  Hals- 
fascia  mit  an  die  Geschwulst  herangezogen  ist,  sie  wird  al)präpariert,  sodass  die 
iMuskulatur  an  der  WirlAelsäule  freiliegt.  Nach  Durchtrennung  des  sterno-hyoi'deus 
et  sterno-thyreoideus  sin.  lässt  sich  die  Geschwulst  von  der  glandula  thyreoi'dea, 
deren  Kapsel  nicht  verändert  erscheint,  und  von  der  Trachea  und  dem  Larynx 
ohne  Schwierigkeit  abtrennen.  Der  obere  Al)scbnitt  des  Tumors  kann  erst  nach 
Durchtrennung  des  musculus  l)iventer,  Ligatur  der  art.  et  ven.  thyreoi'deae  super., 


lun  Beitrag  zur  Kenntnis  der  branchiogenen  Geschwülste. 


279 


der  art.  lingualis  und  Durchsehneidung  des  nerv,  hypoglossus  herauspräpariert 
Averden.  Nun  erst  begann  ich  die  Exstii’pation  von  unten  her.  Dabei  zeigt  sich, 
tlass  die  Yen.  jug.  int.  in  dem  Tumor  bereits  aufgegangen  ist.  Sie  wird  dicht 
über  dem  Schlüsselbein  doppelt  unterbunden  durchschnitten.  Nun  zeigt  sich 
weiter,  dass  nicht  nur  die  Scheide  der  Carotis  communis,  sondern  auch  ihre 
Wand  an  einer  kreuzergrossen  Stelle  mit  der  Geschwulst  verwachsen  war.  Sie. 
wird  daher  ebenfalls  doppelt  unterbunden  durchschnitten.  Weiterhin  zeigt  sich, 
dass  auch  der  nervus  vagus  und  sympathicus  der  GescliAvulst  adhärieren.  Ich 
durchtrennte  nun  zunächst  das  Neurilem  des  Vagus,  präijarierte  die  Geschwulst 
mm  frei  bis  in  das  obere  Halsdreieck  über  den  Unterkieferwinkel  hinauf,  ligierte 
in  dieser  Höhe:  vena  jug.  int.,  carotis  externa  und  interna,  und  konnte  nun  die 
ganze  Geschwulst  entfernen.  Vena  jug.  int.  und  Carotis  wm-den  in  einer  Länge 
von  8 cm  reseciert.  — Da  am  nervus  vagus,  wie  die  Untersuchung  zeigte,  noch 
Geschwulstreste  haften  blieben,  so  nahm  ich  nachträglich  nach  Entfernung  der 
ganzen  Scheide  noch  eine  Längsexcision  im  Nerven  vor,  ohne  seine  Continuität 
zu  durchtrennen.  Weder  am  Puls  noch  in  der  Respiration  waren  irgend  welche 
bemerkbare  Erscheinungen  Avährend  dieses  Operationsaktes  aufgetreten.  Endlich 
exstirpiei'te  ich  mittels  eines  am  vorderen  Rande  des  Cucullaris  geführten  Au- 
xiliarschnittes,  Avelcher  die  Forsa  supraclavicularis  blosslegte,  die  daselbst  A'or- 
handenen  Lymphdrüsen  samt  dem  Fettgewebe,  sodass  der  plexus  bracliialis  frei 
dalag.  — 

Die  ausgewaschene  Wunde  wurde  bis  auf  den  unteren  Mundwinkel  ver- 
näht, diese  durch  Jodoformgazestreifen  drainiert  und  ein  Kompressivverband  an- 
gelegt. 

Ueber  den  weiteren  Verlauf  berichte  ich  in  Kürze  folgendes: 

Nach  dem  Erwachen  aus  der  Narkose  ist  der  Kranke  im  stände  zu  sprechen, 
sein  Bewusstsein  ist  iingetrübt,  keine  Lälnnungen  ]iac!nveisl)ar.  Vier  .Stunden 
nach  dem  Envachen,  etwa  fünf  Stunden  nach  Vollendung  der  Operation,  traten 
folgende  Erscheinungen  auf:  Protrusion  des  rechten  Bulbus,  rechtseitige  Abdu- 
censlähmung,  bedeutende  Verengerung  der  linken  Pupille  gegenüber  der  rech- 
ten, Tiefstand  des  rechten  ^lundwinkels,  leichte  Benommenheit  des  Sensoriums, 
Aphasie;  der  Kranke  vermag  nur  undeutliche  SprachbeAvegungen  auszufübren, 
ohne  Artikulation,  Hemiplegie  der  rechten  Körperhälfte.  Blasenlähmung.  Aljends 
Puls  120,  Respiration  28  p.  M.  Temi).  36,8“  C.  Entleerung  des  Harnes  mit 
Catheter.  Am  nächsten  Tage  bestanden  dieselben  Erscheinungen  fort,  nur  die 
Pupillendifferenz  hatte  sich  ausgeglichen.  Es  trat  zweimaliges  Erbrechen  auf,  die 
Expectoration  ist  mangelhaft.  Es  wird  ihm  dreimal  im  Tage  mit  dem  Schlund- 
rohr Nahrung  gei'eicht  und  ein  Infus.  Ipecac.  verabreicht.  Am  Nachmittag 
frequentere  Atmung.  Die  Temperatur,  Avelche  am  ^lorgen  noch  36,8”  C.  betragen 
hatte,  stieg  auf  37,5”  C.  Am  27.  Aj)ril  Avar  am  ^lorgen  nach  einer  unruhigen  Nacht 
ad  basim  der  rechten  Lunge-Dämpfung,  bronchiales  In-  und  Exspirium  nach' 
Aveisbar.  Es  trat  bei  gesteigerter  AteiiAfrequenz  zunehmende  Dispnoe  auf  und 
am  Nachmittag  um  ein  Uhr  unter  den  Erscheinungen  des  Lungenoedems  der 
Tod  ein.  Die  Temperatur  hatte  am  Morgen  38,0”  C.  betragen.  Aus  dem  am 
28.  April  von  Herrn  Professor  Chiari  erhobenen  Obduktionsbefunde  teile  ich  die 
pathologisch-anatomische  Diagnose  mit,  da  sie  alles  Wesentliche  enthält. 

»Thrombosis  arteriae  carotidis  internae  sinistrae  et  arteriae  fossae  .Sylvii 
sinistrae  nec  non  arteriae  corporis  callosi  sinistrae  subsequente  emollitione 
hemisphaerae  cerebri  sin.  post  ligaturam  art.  caroti<lis  communis  sin.  inter  exstir- 
pationem  carcinomatis  branchiogenis  colli  lat.  sin.  Carcinoiua  secundarium  jnd- 


280 


Cmi  üussenbaiier. 


nionis  dextr.,  Oedeina  glottidis,  Pneuiuonia  lobularis  bilateralis,  Ol^esitas  univer- 
saÜ!<,  iNIorb.  Brightii  cbron.«  (Alcobolisiuus  clironicus.) 

lieber  die  Untersuchung  der  Geschwulst  berichtete  Herr  Professor  Chiari 
an  die  Klinik;  »Hehr  derber  Drüsenkrebs  mit  ziemlich  hochgradiger  Nekrose.« 
Herr  Professor  Chiari  hatte  überdies  noch  die  Güte,  das  linke  innere  Ohr  zu 
untersuchen  und  mir  darüber  folgendes  zu  berichten:  »Die  Präparation  des  linken 
(fehörorganes  ergab  den  Befund  einer  alten  Otitis  media  mit  Perforation  des 
Trommelfelles,  Hineinwacbsen  der  Epidermis  in  das  Carum  tympani,  Verdickung 
der  Hcbleimhaut  des  Mittelobres  und  Hclerose  des  Warzenteiles  des  Schläfen- 
beines. Carcinom  fand  sich  im  Olire  nirgends.« 

Ich  bemerke  noch,  dass  die  ATunde  reaktionslos  verklebt  war.  — 

IV.  Am  18.  Februar  1889  wird  der  47  Jahre  alte,  vlir.  Oekonom  Ku.  J. 
wegen  eines  linksseitigen  Halsturmors  in  die  Klinik  aufgenommen.  Sein  A'ater 
starb  infolge  einer  Verletzung,  seine  Mutter  an  unbekannter  Krankheit,  seine 
Geschwister  sind  gesund.  Er  war  bisher  stets  gesund  gewesen. 

Am  1.  November  1888  bemerkte  er  ein  erbsengrosses,  hartes,  bewegliches 
Knötchen  hinter  dem  linken  IJnterkieferwinkel.  Dieses  wuchs  stetig,  anfangs 
langsam  trotz  Jodbehandlung,  in  den  letzten  AA'ochen  ausserordentlich  rasch  »von 
Tag  zu  Tag  sichtbar«.  Ausser  einem  Gefühle  von  Spannung,  heftigen  Kopf- 
schmerzen besonders  in  der  Nacht,  hatte  er  keine  Beschwerden  davon.  Er  Avar 
nie  inficiert.  Patient  ist  gross,  kräftig  gebaut,  gut  genährt.  Paniculus  adiposus 
reichlich  entwickelt.  Die  Untersuchung  der  Brust  und  Bauchorgane  ergiebt  normale 
A'erhältnisse,  mit  Ausnahme,  dass  die  Herzdämpfung  etwas  lateral  vergrössert 
erscheint.  Der  erste  Ton  an  der  puhnonalis  accentuiert.  Puls  voll,  rythmisch 
72  p.  M.  An  der  linken  lialsseite  ein  vom  OhrläpjAchen  und  dem  Cucullarisrande 
bis  2 Querfinger  über  dem  Brust-Schlüsselbeingelenke,  nach  A’orne  bis  fast  zur 
Kinngegend  reichender  kindskopfgrosser  Tumor,  Avelcher  sich  a’Ou  der  Parotis  und 
dem  Unterkiefer  deutlich  abgrenzen  lässt.  Der  Sternomastoideus  zieht  A’crbreitert 
über  der  GeschAA’ulst  und  ist  mit  ihr  straff  A^envachsen.  Die  GeschAvulst  ist  als 
Ganzes  nur  ein  geringes  seitlich  A'on  der  Unterlage  verschiebl)ar.  Der  Tumor  ist 
an  der  Oberfläche  hart  anzufühlen,  in  der  Tiefe  scheint  am  hinteren  Abschnitten 
desselben  ein  Aveicherer  fast  fluctuierender  xinteil  zu  bestehen.  Die  Untersuchung 
der  Mund-  und  Nasen-Höhle,  des  Oesophagus,  Larynx  und  des  Ohres , der  Parotis 
submaxillaris  et  glandula  thyreoidea  negatiAV 

Der  Tumor  konnte  nach  seiner  Beschaffenheit  nur  als  ein  Carcinom  be- 
trachtet Averden  und  mit  Bezug  auf  seine  Entstehung  im  oberen  Halsdreieck 
und  seine  Beziehungen  zu  den  umgebenden  GcAveben  ein  branchiogener  sein. 

Obwohl  die  Geschwulst  nur  wenig  beweglich  war,  so  hielt 
ich  die  Operation  doch  noch  für  möglich  und  führte  dieselbe  am 
21.  Februar  in  ruhig  verlaufender  Chlorofornmarkose  aus. 

Da  in  diesem  Falle  der  obere  Anteil  des  Sternomastoideus 
entfernt  werden  musste,  der  Tumor  fast  bis  in  die  Kinngegend 
reichte,  so  legte  ich  die  Geschwulst  mit  dem  von  mir  seit  1879 
oft  gebrauchten  Flügelschnitt  ')  bloss.  Der  erste  Schnitt  verläuft 

*)  Bei  H.  Kicbard:  Ueber  die  GescliAVülste  der  Kiemenspalten  (1.  c.)  finde 
ich,  dass  auch  von  Bruns  in  dem  zehnten  Falle  (pag.  204)  einen  dreieckigen 
Lappen  bildete.  Nur  verlief  bei  ihm  der  ZAA^eite  Schnitt  gegen  die  Halsmittel- 
linie und  nicht  bis  zur  Kinnmitte. 


Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  branchiogenen  Geschwülste. 


281 


längs  des  vorderen  Randes  des  Sternomastoideus  seiner  ganzen 
Länge  nach,  auf  diesen  schräg  oder  im  Bogen  ein  zweiter  von 
der  Mitte  des  Kinnes  bis  zur  Mitte  des  Sternomastoideus.  Da- 
durch wird  ein  Hautlappen  umschrieben,  dessen  Basis  dem  ganzen 
Unterkieferrande  entspricht.  Wird  dieser  Hautlappen  in  Verbindung 
mit  dem  Platysma  abpräpariert  und  hinaufgeschlagen,  so  legt  man 
damit  die  Submental-,  Submaxillar-  und  Parotisgegend  bloss  und 
kann  nun  übersichtlich  und  rein  die  notwendigen  Exstirpationen 
ausführen.  Handelt  es  sich  um  sehr  ausgedehnte  Geschwulst- 
exstirpationen und  um  die  Entfernung  sämtlicher  Halslymphdrüsen 
einer  Seite,  so  ist  es  zweckmässig,  diesen  Elügelschnitt  in  einen 
Kreuzschnitt  zu  verwandeln  oder  gleich  von  vornherein  so  anzulegen. 
In  diesem  Falle  verläuft  der  zweite  Schnitt  von  der  Mitte  des 
Kinnes  geradlinig  oder  bogenförmig  bis  zum  acromialen  Ende 
der  clavicula  und  durchtrennt  Haut,  Platysma  und  den  Sterno- 
mastoideus ungefähr  in  seiner  Mitte,  wenn  man  ihn  erhalten  kann. 
Dadurch  werden  vier  Lappen  gebildet,  welche  abpräpariert  nach 
oben , nach  vorne , nach  unten  und  nach  hinten  gelegt  werden. 
Auf  diese  Weise  ist  es  möglich,  die  ganze  seitliche  Halsgegend  mit 
einem  Male  zu  überblicken  und  anatomische  Präparationen  bei 
Geschwulstexstirpationen  auszuführen.  Kann  man  den  Sterno- 
mastoideus erhalten,  so  wird  er  nachträglich  mittels  Catgutnaht 
vereinigt.  Ich  habe  diese  Operationen  bei  sekundären  Lymj)h- 
drüsencarcinomen,  bei  Lymphdrüsensarcomen  und  auch  bei  sehr 
ausgedehnten  tuberkulösen  Lymphdrüsen  nun  schon  sehr  oft  aus- 
geführt. In  einigen  Fällen  habe  ich  diese  Operation  in  einer 
Sitzung  auf  beiden  Plalsseiten  ausgeführt.  Ich  kann  sagen,  dass 
sich  mit  dieser  Methode  zu  operieren  keine  andere  Art  der  Schnitt- 
führung in  Bezug  auf  eine  möglichst  gründliche  Exstirpation  ver- 
gleichen kann.  Als  einzigen  Nachteil  habe  ich  einige  Male  am 
Musculus  sternomastoideus  ein  kleines  Stück  nekrotisch  werden 
sehen , ohne  weitere  Folge.  Ich  erwähne  hier  dieser  Operations- 
methode gelegentlich,  um  Kollegen,  welche  vielleicht  noch  nicht 
selbst  darauf  verfallen  sind,  die  Operation  ausgedehnter  Halsge- 
schwülste, insbesondere  aber  die  Exstirpation  verwachsener  Hals- 
lymphdrüsengeschwülste  dadurch  zu  erleichtern. 

Näht  man  eine  solche  Wunde  vollständig  oder  mit  Drainirung 
der  unteren  Wundwinkel,  so  ist  der  grösste  Teil  der  Narbe  durch 
die  Kleider  gedeckt,  der  vordere  Schnitt  beim  Manne  durch  den 
Bart,  und  es  bleibt  nur  der  obere  Anteil  des  Schnittes  am  M.  Ster- 
nomastoideus sichtbar.  In  Fällen,  wo  der  Sternomastoideus  wegen 
Verwachsung  und  Miterkrankung  entweder  in  toto  oder  partiell 


282 


Carl  Gussenljauer. 


mit  entfernt  werden  muss,  habe  ich  störende  Kontrakturen  nicht 
gesehen,  am  wenigsten  bei  seiner  Totalexstirpation,  in  geringem 
Grade  bei  partiellen  Excisionen  aus  seiner  Mitte. 

In  Bezug  auf  den  vorliegenden  Fall  bemerke  ich,  dass  bei 
der  Präparation  des  oberen  Lappens  an  einer  Stelle  die  Haut 
bereits  mit  dem  Tumor  verwachsen  war,  ich  musste  ein  4 cm 
langes,  3 cm  breites  Stück  der  Haut  in  schräger  dem  Unter- 
kieferrand parallel  verlaufender  Richtung  excidiren.  Den  Flügel- 
schnitt musste  ich  in  einen  Kreuzschnitt  verwandeln,  da  der  hintere 
erweichte  Anteil  leicht  zerreisslich  war  und  eine  Präparation  im 
völlig  gesunden  Gewebe  nur  mit  einer  ganz  freien  Blosslegung 
der  Region  möglich  erschien.  Die  Vena  jug.  int.  musste  über 
der  Clavicula  reseciert  werden.  Von  der  Carotis  communis  liess 
sich  der  Tumor  nur  mit  ihrer  Scheide  ablösen.  Der  nervus  vagus 
war  in  die  Geschwulst  einbezogen  und  musste  in  einer  Ausdeh- 
nung von  6 cm  reseciert  werden.  Dabei  traten  keine  Vagus- 
erscheinungen auf. 

Nunmehr  konnte  der  Tumor  mit  sämtlichen  Lymphdrüsen 
und  dem  Fettgewebe  der  fossa  supraclavicularis  nach  oben  ge- 
schlagen werden.  Nach  Unterbindung  der  Aeste  der  Carotis  ex- 
terna zeigt  es  sich,  dass  diese  selbst  an  die  Geschwulst  eingezogen 
ist.  Sie  whd  daher  über  der  Teilungsstelle  ligiert  und  durch- 
schnitten. Nun  wird  die  Vena  jugularis  bis  zum  Foramen  jugulare 
frei  präpariert  und  daselbst  abgebunden.  Nun  zeigt  sich  noch 
ein  Strang  nach  Innen  und  Vorne  von  der  Jugularis  interna, 
welcher  neben  der  Carotis  interna  gegen  die  hintere  Rachen- 
wand zieht.  Auch  dieser  wird  bis  an  sein  Ende  an  der  Schädel- 
basis verfolgt  und  dort  mit  der  Hohlschere  abgeschnitten,  ohne 
dass  eine  Blutung  erfolgte.  Nun  wird  die  ganze  Wunde  mit 
Sublimat  ausgewaschen,  bis  auf  die  unteren,  mit  Jodoformgaze- 
streifen drainierten  Winkel  vernäht  und  ein  Kompressivverband 
angelegt.  Die  ganze  Operation  hatte  Stunden  in  Anspruch  ge- 
nommen. Bis  auf  Schmerzen  beim  Schlingen,  geringe  Heiserkeit 
die  ersten  zwei  Tage , vermehrte  Schleimsekretion  aus  den 
Bronchien,  war  der  Verlauf  reaktionslos.  Am  27.  Februar  wurden 
die  Jodoformgazestreifen  und  die  Nähte  entfernt.  Der  genähte 
Teil  der  Wunde  war  prima  intentione  geschlossen.  Am  18.  März 
wurde  Patient  nach  weiterem  reaktionslosem  Verlauf  geheilt  ent- 
lassen. Ueber  das  Resultat  der  mikroskopischen  Untersuchung 
berichtete  Herr  Professor  Chiari:  »Mit  reichlichem,  derbem  Struma 
versehenes  Carcinom  mit  polymorphen  Ej)ithelzellen.« 

V.  Am  4.  Juli  1891  -wird  der  55  Jahre  alte,  vhr.  Beamte  Pf.  A.  wegen 


Kin  Beitrag  zur  Kenntnis  der  ijranchiogenen  Geschwülste. 


283 


einer  linksseitigen  Halsgeschwulst  aufgenommen.  Sein  Vater  starb  an  Schlag- 
fiuss,  seine  Mutter  an  Cholera,  sein  Bruder  leidet  an  Hermiplegie,  zwei  Schwestern 
sind  gesund.  Patient  machte  vor  ungefähr  20  Jahren  eine  Bauchfellentzündung, 
später  Gelenksrheumatismus  durch.  Im  Jahre  1849  überstand  er  die  Cholera. 
Im  vorigen  Jahre  erkrankte  er  an  Influenza  verbunden  mit  Kippenfellentzündung. 
Iin  Winter  dieses  Jahi’es  bemerkte  Patient  ein  haselnussgrosses  Knötchen  unter 
der  Haut  der  linken  Xackengegend.  Bald  traten  heftige  Schmerzen  lokal  und 
ausstrahlend  in  dem  linken  Arm  auf.  Kach  einiger  Zeit  traten  in  der  Umge- 
hung andere  Knötchen  auf,  welche  confluierten  und  ein  rasches  AV'achstum  zeigten. 
Es  wurden  dem  Patienten  Salben  und  innerlich  Arsen  verordnet.  In  der  letzten 
Zeit  ist  Patient  sehr  herabgekommen,  er  leidet  an  heftigen  Kopfschmerzen, 
welche  ihm  die  Nachtruhe  rauben. 

Wir  fanden  au  dem  mittelgrossen  Manne  von  starkem  Knochenbau,  gut 
entwickelter  iMuskulatur,  schmutzig  grauer  Hautfarbe,  welche  deutlich  so  wie  die 
Conjunctiva  einen  Stich  ins  gelbe  zeigt,  im  linken  oberen  Halsdreieck,  vom 
Processus  mastoideus  bis  vier  Querflnger  über  der  Clavicula  herabreichend,  einen 
Tumor,  welcher  von  Haut,  Platysma  und  dem  Sternomastoideus  bedeckt  ist.  Der 
Muskel  sowohl  Avie  die  Haut  mit  dem  Tumor  fest  verwachsen,  die  letztere  in 
der  Mitte  des  Tumors  bläulich-rötlich  verfärbt.  Der  Tumor  von  der  Unterlage 
nicht  im  geringsten  verschieblich.  Der  Tumor  ist  an  seiner  Oberfläche  höckerig, 
in  der  Haut  darüber  und  im  Kopfnicker  kleine  Knötchen  A’on  Hanf-  und  Erbsen- 
(h-össe  zu  fühlen.  Die  supraclavicularen  Lymphdrüsen  etwas  vergrössert  und 
so  Avie  der  ganze  Tumor  hart  anzufühlen.  Dieser  Tumor  konnte  seiner  -Be- 
schaffenheit nach  nur  für  ein  Carcinom  gehalten  Averden,  und  da  die  Unter- 
suchung auf  ein  primäres  Carcinom  ganz  negativ  ausfiel , Avieder  nur  für  ein 
sog.  V)ranchiogenes.  Die  Untersuchung  der  inneren  Organe  ergab  nichts  Abnormes. 
Temperatur  normal.  Mit  Rücksicht  auf  die  feste  VerAvachsung  des  Tumors  an 
der  Wirbelsäule  schien  mir  die  Operation  nicht  mehr  ausführbar.  Ich  entliess 
daher  den  Patienten  mit  dem  Kate,  Arsen  Aveiter  zu  nehmen. 

Ich  führe  den  Fall,  obAvohl  ich  nicht  einmal  den  BcAveis  erbracht  habe, 
dass  der  Tumor  ein  Carcinom  war,  trotzdem  hier  an,  Aveil  ich  nicht  den  gering- 
sten ZAveifel  darüber  hege,  dass  dieser  Tumor  etAvas  anderes  sein  könnte.  Die 
Erscheinungen  für  ein  Carcinom  Avaren  zu  prägnante. 

VI.  Am  19.  Dezember  1891  wird  der  65  Jahre  alte  A'erheiratete  Fabrik 
arbeiter  D.  W.  wegen  eines  rechtseitigen  Halstumors  in  die  Klinik  aufgenommen. 
Sein  Vater  starb  an  AltersscliAväche,  seine  iMutter  in  ihrem  47.  Lebensjahre  an 
einer  Lungenentzündung.  Patient  hat  drei  gesunde  Kinder  und  erinnert  sich 
nicht,  jemals  erheblich  krank  gewesen  zu  sein.  In  seiner  Familie  sind  GescliAvulst- 
bildungen  nicht  beobachtet  Avorden.  Vor  einem  Vierteljahr  bemerkte  er  eines 
Tages  beim  Waschen  im  rechten  oberen  Halsdreiecke  eine  etAva  nussgrosse  Ge- 
scliAvulst,  Avelche  rasch  bis  zu  ihrer  jetzigen  Grösse  heran Avuchs.  Seit  4 — 5 AVochen 
hat  er  Schmerzen,  Avelche  gegen  das  rechte  Ohr  und  in  den  Hinterkopf  aus- 
strahlen, häufig  bei  der  Naht  exacerbieren , so  dass  er  nicht  schlafen  kann. 
SchlingbescliAverden  hat  er  nicht.  In  der  letzteren  Zeit  ist  er  etAvas  abgemagert. 

Alan  sieht  an  dem  mittel  grossen,  kräftig  gel)auten,  aber  mageren  Alaune 
von  schmutziggrauer  Hautfarbe  im  rechten  oberen  Halsdreiecke  und  insbesondere 
in  der  Alitte  des  Sternomastoideus  am  meisten  hervorspringend  einen  gänseeigrossen 
Tumor.  Die  Haut  ist  über  dem  Tumor  unverändert  und  lässt  sich  abheben, 
der  Sternomastoideus  in  seiner  Alitte  mit  dem  Tumor  fest  verAvachsen.  Der 
Tumor  macht  dii*  SchluckboAvegungen  nicht  mit  und  erscheint  \'on  der  Unterlage 


284 


Carl  Gussenbauer. 


frei  versohieblieh.  Die  Venen  der  Fossa  siipraelavicnlarii!*  und  axillaris  er- 
scbeinen  dilatiert.  In  der  Fossa  suj^traclavicularis  inelirere  harte  Lymi^h dräschen 
zu  fühlen.  Der  Tumor  selbst  ist  hart,  höckerig,  iin  medialen  Anteile  eine  weichere 
elastische  »Stelle  zu  fühlen.  Die  Untersuchung  nach  einem  primären  Carcinom 
fällt  negativ  aus.  Die  Untersuchung  der  Thorax-  und  Unterleibsorgane  ergiebt 
normale  Verhältnisse. 

Da  in  diesem  Falle  die  Flauptmasse  des  Tumors  hinter  dem  Sternomastoi'deus 
in  der  Tasche  gegen  den  Cucullaris  gelagert  war,  der  Sternomastoideus  voraus- 
sichtlich zum  grössten  Teil  mit  entfernt  werden  musste,  so  verfuhr  ich  bei  der 
am  22.  Jiezember  in  ruhiger  Chloroformnarkose  vorgenommenen  Oi^eration  wie 
folgt.  Ein  Schnitt  vom  processus  mastoideus  bis  zum  Sternum  am  vorderen 
Kande  des  Kopfnickers  und  ein  von  da  längs  der  clavicula  bis  zum  acromion 
geführter  Schnitt  umschreiben  einen  Lai^pen,  Avelcher  Haut,  Platysma  resp. 
Fascie  enthält  und  abpräpariert  bis  zum  vorderen  Kande  des  Cucullaris  und  nach  hinten 
umgelegt,  die  ganze  Kegion  blosslegt.  Der  Sternomastoideus  wird  an  der  unteren 
Insertion  durchtrennt  und  in  toto  mit  der  Geschwulst  in  Kontinuität  his  zu 
seiner  ol)eren  Insertion  reseciert.  Die  Vena  Jugularis  int.  wird  in  einer 
Länge  von  10  cm  reseciert,  aus  dem  nervus  vagus  wird  in  einer  Länge  von 
2 cm  die  Hälfte  seiner  Fasern  samt  der  Scheide  derselben  recesiert,  da  sowohl 
diese  wie  der  Nerv  in  seiner  Substanz  von  Geschwulstmasse  durchsetzt  ist. 
Diese  Nervenresektion  hatte  inter  operationem  keine  Vaguserscheinungen  zur 
Folge.  Die  Scheide  der  Carotis  ist  an  den  Tumor  herangezogen,  doch  nicht 
durchwachsen,  sie  wird  abpräpariert.  Bei  dieser  Präparation  über  der  Clavicula 
kommt  es  zu  einer  arteriellen  Blutung,  welche  durch  Komi^ression  mit  einem 
Jodoformgazetampon  provisorisch  gestillt  wird,  bis  nach  Vollendung  der  Ope- 
ration. 

Die  ausgewaschene  Wunde  wird  bis  auf  den  inneren  unteren  und  äusseren 
unteren  Wundwinkel  vernäht.  In  die  Wundwinkel  werden  Jodoform gazetamj:)ons 
eingelegt  und  verbunden. 

Der  Verlauf  war  bis  auf  geringe  Temperatursteigerungen  auf  38°  C.  am 
Abend  des  zweiten  Tages  und  38,2°  C.  am  Abend  des  vierten  Tages  reaktionslos. 
Am  29.  Dezember  wurde  der  Verband  gewechselt,  die  Tampons  und  Nähte  ent- 
fernt. Die  vernähte  Wunde  war  prima  intentione  vereinigt.  Die  drainierten  Wund- 
winkel granulierten  rein,  ^"on  da  an  sank  die  Temperatur  zur  Norm. 

Am  9.  Januar  1892  konnte  Patient  mit  einem  kleinen  Granulationsstreifen 
entsprechend  dem  äusseren  unteren  Wundwinkel  in  Wohlbefinden  entlassen 
werden.  Ueber  das  Resultat  der  mikroskoiiischen  Untersuchung  äusserte  sich 
Herr  Professor  Chiari  wie  folgt:  »Plattenepithelcarcinom  mit  Perlkugeln.  Viel- 
fach Nekrose  der  Krebsmasse.« 

Ausser  diesen  Fällen  sind  an  der  Klinik  noch  zwei  Fälle  von  Halscarci- 
nom  beobachtet  worden,  welche  von  den  geschilderten  typischen  Fällen  ver- 
schieden waren,  welche  aber  bei  der  nachträglichen  Untersuchung  sich  als  wahr- 
scheinlich branchiogene  erwiesen. 

VH.  Am  14.  Juni  1891  48  Jahre  alter  IMann  aufgenommen.  In  der  linken  Sub- 
maxillargegend  ein  fast  gänseeigrosser  Tumor  von  Haut  und  Platysma  bedeckt, 
von  <ler  glandula  submaxillaris  zum  Teile  gut  abgrenzbar,  ihr  aber  dicht  an- 
liegend, den  vorderen  Rand  des  Sternomastoideus  nicht  erreichend,  von  glatter 
Oberfläche,  hart  anzufülden,  von  der  Unterlage  verschiebbar.  Diese  Geschwulst 
hatte  sich  bei  dem  sonst  gesunden  Manne  ohne  bekannte  Veraidassuug  seit 
einem  halben  .Tabre  entwickelt,  war  anfangs  langsam,  erst  in  der  letzten  Zeit 


Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Ijranehiogenen  Gesehwülste. 


285 


rascher  gewachsen , ohne  ihm  besondere  Beschwerden  zu  verursachen.  Ich 
schwankte  in  der  Diagnose.  Zunächst  daciite  ich  an  ein  sekundäres  Lyniph- 
drüsenearcinom  nach  einem  Careinom  der  glandula  submaxillaris.  Da  aber  diese 
Drüse  von  der  Geschwulst  trotz  ihrer  Grösse  noch  gut  al^grenzljar  war  und  auch 
sonst  nirgends  ein  primäres  Carcinom  aut'zufinden  war,  so  musste  ich  diese 
Meinung  aufgeben.  Für  ein  branchiogenes  war  die  Geschwulst,  nach  dem  was 
ich  gesehen  hatte , viel  zu  weit  nach  vorne  gelagert.  Ich  sprach  daher  die 
^Meinung  aus,  es  könnte  sich  um  tuberkulöse  submaxillare  Lymphdrüsen  handeln 
mit  fibröser  Induration  der  Kapsel.  Bei  der  am  16.  Juni  vorgenommenen  Exstir- 
pation zeigte  es  sich  indessen,  dass  der  Tumor,  welcher  mit  einem  bogenförmigen 
Schnitt  blossgelegt  wurde,  mit  der  glandula  submaxillaris  und  dem  musc.  biventer 
zusammenhing.  Ich  entfernte  daher  auch  diese  Gebilde  im  Zusammenhänge 
mit  der  Gescliwulst  bis  auf  das  tiefe  Blatt  der  Fascia  colli  profonda.  Die  ver- 
nähte Wunde  heilte  prima  intentione.  Am  24.  Juni  wurde  Patient  geheilt 
entlassen. 

Herr  Professor  Chiari  hatte  die  Güte,  mir  über  das  Kesultat  seiner  Unter- 
suchung folgenden  Bericht  zur  Verfügung  zu  stellen ; 

»Ein  fast  gänseeigrosser  Tumor,  mit  welchem  die  umgebenden  Muskeln 
und  die  Submaxillardrüse  mit  entfernt  worden  war.  Auf  dem  Durchscbnitte  er- 
scheint derselbe  wie  eine  Neubildung.  jMikroskopisch  erwies  sich  der  Tumor 
als  ein  Plattenepithelkrebs,  der  mit  reichlichen  Perlkugeln  versehen  war  und  in 
die  angi'enzenden  Partien  der  gl.  submaxillaris  liineingewachsen  war.  Ich  meine, 
dass  das  ein  branchiogenes  Carcinom  gewesen  ist.« 

VUI.  Am  4.  Januar  1892  wird  ein  58  .fahre  alter,  vhr.  Lokomotivführer 
in  die  Klinik  wegen  rechtsseitiger  Halsgeschwulst  aufgenommen.  Er  stammt 
aus  gesunder  Familie,  überstand  vor  13  Jahi’en  einen  acuten  Gelenksrheumatismus 
und  war  damals  6 INIonate  bettlägerig.  Sonst  war  er  gesund.  Im  August  1891 
bekam  er  unterhalb  des  rechten  Unterkieferwinkels  eine  nussgrosse,  bei  Berübrung 
schmerzhafte  Geschwulst,  welche  sich  langsam  vergrösserte,  seit  dem  1.  .Januar 
sich  aber  um  das  doppelte  ihres  früheren  Volumens  vergrösserte  trotz  vieler 
Salben  und  Medikamente,  welcbe  ihm  verordnet  worden  waren.  Vor  14  Tagen 
hatte  er  durch  mehrere  Tage  Fieber  mit  Fnisteln.  Seitdem  hatte  er  keinen 
Appetit  und  will  abgemagert  sein. 

AVir  fanden  an  dem  grossen,  gut  genährten,  mit  starkem  Paniculus  adiposus 
verselienen  jNIanne  mit  geröteter  Hautfarbe  im  Gesichte  die  Gegend  des  rechten 
Unterkieferwinkels  und  des  Halses  diffus  angeschwollen  bis  zur  Grösse  einer 
Faust.  Die  Haut  über  der  Geschwulst  nicht  wesentlich  verändert,  verschiebl.)ar. 
Das  Ohrläppchen  erscheint  etwas  abgehoben.  Die  Geschwulst  als  Ganzes  vom 
Unterkiefer  wenig,  von  dem  unteren  Bande  der  Parotis  verschiebbar.  Die  Ge- 
schwulst ist  weich,  stellenweise  teigig,  in  den  unteren  Partien  fast  fluctuierend. 
Die  ganze  Geschwulst  ist  schon  bei  leisem  Drucke  schmerzhaft.  Ueber  den 
Lungen  hört  man  überall  vesiculares  Atmen.  Bei  der  Auscultation  des  Herzens, 
dessen  Dämpfung  etwas  verbreitert  ist,  hört  man  im  ersten  Aloment  ein  lang- 
gezogenes schabendes  Geräuscb,  im  zweiten  einen  dumpfen  Ton.  Im  Harn  weder 
Eiweiss  noch  Zucker.  AVähi-end  einer  viertägigen  Beobachtung  keine  Temperatur- 
steigerung. 

In  Bezug  auf  die  Diaginjse  war  ich  in  diesem  Falle  sehr  zweifelhaft.  Es 
konnte  sich  nach  dem  Befunde  um  eine  chronische  Lymphadenitis  oder  um  ein 
erweichtes  Carcinom  handeln.  Da  die  Parotis  in  ihrem  ganzen  oberen  und 
vorderen  Abschnitte  von  dem  Tunujr  gut  abgrenzbar  war,  keine  Facialisparese 


286 


Carl  Gusseubauer. 


bestand,  so  schien  ein  Parotiscarcinona  nicht  wahrscheinlich.  Für  ein  branchio- 
genes  schien  der  Sitz  gleichfalls  nicht  zu  entsprechen.  Andererseits  waren  di(* 
Schmerzen,  die  weiche,  stellenweise  teigige  Konsistenz  mit  einer  Lymphadenitis 
vereinbar. 

Bei  der  am  8.  Januar  zunächst  in  Chloroform , später  wegen  Unregel- 
mässigkeit im  Puls  in  Aethernarkose  ausgeführten  Oi^eration  zeigte  es  sich  jedoch 
bald,  dass  ein  erweichtes  Carcinom  vorlag.  Mittels  eines  6 cm  langen,  am 
vorderen  Rande  des  Sternomastoideus  verlaufenden  Schnittes  wurde  die  Geschwulst 
blossgelegt.  Zuerst  präsentierte  sich  eine  angeschwollene  Lymphdrüse,  welche 
entfernt  wurde.  Nach  unten  und  gegen  den  Kiefer  bestanden  zwei  mit  trüber 
Flüssigkeit  erfüllte  Höhlen  mitten  im  erweichten  Geschwulstgewebe.  Ich  musste 
nun  mittels  eines  zweiten  auf  den  ersten  schräg  gericliteten  Schnittes  die  ganze 
Gegend  frei  legen,  um  dann  die  unterhalb  der  Parotis  hegende  Geschwulst  ent- 
fernen zu  können.  Der  untere  Winkel  der  WMnde  blieb  offen.  Der  Verlauf  war 
reaktionslos.  Nach  der  Operation  war  das  Ohrläppchen  und  die  rechte  Wange 
unempfindlich.  In  der  Wange  kehrte  die  Empfindlichkeit  zurück.  Am  20.  Fe- 
bruar wird  er  mit  geheilter  Wunde  entlassen. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  durch  Herrn  Professor  Chiari  ergab: 
>Fibröses  Plattenepithelcarcinom. « 

Die  Heilung  war  nur  eine  scheinbare.  Schon  nach  einem  Monate  kam  er 
wieder  in  das  Ambulatorium  der  Klinik  mit  einem  manifesten,  ausgedehnten 
Recidiv,  welches  sich  über  den  Hals  erstreckte,  sämtliche  Lymphdrüsen,  den 
Kopfnicker  und  die  Haut  ergriffen  hatte  und  weil  es  fest  am  Halse  aufsass,  nicht 
mehr  operiert  werden  konnte.  Er  stellte  sich  noch  öfters  vor,  wurde  anämisch, 
hatte  ein  chachectisches  Aussehen  und  verfiel  sichtlich.  Ende  März  starb  der 
Mann  in  seiner  Wohnung,  nachdem  er  noch  Schlingbeschwerden  bekommen  batte, 
im  Zustande  äusserster  Anämie  und  Schwäche. 

Diese  mitgeteilten  Fälle  von  brancliiogenen  Garcinoinen  sind 
klinisch  besonders  deshalb  interessant,  weil  sie  zeigen,  dass  diese 
Carcinome  verhältnismässig  sehr  früh  mit  den  grossen  Halsgefässen 
und  mit  dem  Nervus  vagus  in  Verbindung  treten.  IMerkwürdig 
ist,  dass  die  Excision  von  carcinomatös  erkrankten  Vagusstücken 
nicht  notwendig  Vagusersclieinungen  zur  Folge  hat.  Ich  habe 
diese  Erfahrung  auch  bei  der  Exstirpation  sekundärer  Lymph- 
drüsencarcinome  und  anderen  Tumoren  des  Halses  gemacht.  Es 
scheint,  dass  durch  die  Erkrankung  des  Nervus  vagus  in  seiner 
ganzen  Dicke  sowohl,  wie  eines  Teiles  desselben  eine  allmähliche 
Gewöhnung  an  den  Ausfall  der  regulierenden  Funktion  dieses 
Nerven  stattfindet. 

jMeine  histologischen  Untersuchungen  dieser  Carcinome  habe 
ich  bis  jetzt  nicht  zum  Abschlüsse  bringen  können,  und  muss  ich 
dermalen  darauf  verzichten,  darüber  zu  berichten. 


Beiträge  zur  Lehre  vom  Schild- 
drüsenkrebs 

von 

l)r.  Hermann  Hinter stoisser, 

Primararzt  in  Teschen,  Schlesien. 


„Nulla  aiitem  est  alia  pro  certo  noscendi  via, 
nisi  qnamplnrimas  et  morbornm  et  dissectionum 
historias , tum  aliorum  tum  proprias  collectas 
habere,  et  inter  se  comparare.“ 

Morgagni:  De  Sed.  et  caus.  morb. 
lib.  IV  Prooemium. 


Eine  Reihe  kasuistischer  Mitteilungen,  wie  auch  monograplii- 
scher  Arbeiten  der  letzten  Jahre  haben  erwiesen,  dass  der  Krebs 
der  Schilddrüse  keineswegs  so  selten  vorkomme,  als  man  vor  kaum 
einem  Dezennium  anzunehmen  pflegte.  Dennoch  erscheint  es  an- 
gezeigt, neues  Material  zusammenzutragen,  um  die  anatomische 
Kenntnis  dieser  Krankheitsform  der  Schilddrüse  zu  erweitern  ^).  Die 
bisherige  Erfahrung  lehrt,  dass  die  maligne  Neubildung  am  häu- 
figsten in  präexistierendem  Strumagewebe,  aber  ebensowohl,  wenn- 
gleich \del  seltener,  in  vorher  unveränderten  Schilddrüsen  sich 
entwickle.  Man  thut  daher  besser,  nach  Analogie  mit  den  an- 
deren Organen  für  alle  Fälle  von  einem  Krebs  der  Schilddrüse 
und  nicht  von  einem  Kropf  krebs  zu  sprechen,  entgegen  dem  Ge- 
brauche der  meisten  Autoren,  welche  mit  dem  Ausdrucke  Struma 
carcinomatosa  eine  besondere  Kropfart  bezeichnen  wollen. 

Auf  die  freundliche  Anregung  meines  hochverehrten  Lehrers 
Professor  Dr.  Planns  Kund  rat  unternahm  ich  es,  sämtliche  Fälle 

*)  Die  folgende  Skizze  macht  keineswegs  den  Anspruch,  das  Kapitel  des 
Schilddrüsenkrebses  in  umfassender  kritischer  Darstellung  mit  erschöpfender 
Benützung  der  vorhandenen  kasuistischen  Litteratur  zu  behandeln ; ich  sah  mich 
im  Gegenteil  sogar  mit  Rücksicht  auf  unbeeinflusste  Einheit  der  Darstellung 
veranlasst,  von  der  Benutzung  kasuistischen  ^laterials  ganz  abzusehen. 


288 


Hennann  Hinterstoisser. 


von  Schilcldrüsenkrebs , welche  in  den  verflossenen  10  Jahren  iin 
Wiener  pathologischen  Institute  zur  Obduktion  gekommen,  zu- 
sammenzustellen. Es  sind  dies  im  ganzen  50  Fälle,  bei  einer 
Summe  von  1869  Carcinomen  unter  18147  Sektionen,  während  des 
genannten  Zeitraumes  von  1882 — 1891.  Eine  Uebersicht  des  ge- 
samten Carcinommaterials , welche  sich  bei  Durchsicht  der  Pro- 
tokolle ergab,  füge  ich  in  der  folgenden  Tabelle  bei.  (S.  S.  291.) 

Die  primären  Carcinome  der  einzelnen  Organe  sind  hier  nacli 
ihrer  ziffermässigen  Frequenz  aneinandergereiht.  Es  beansj^rucht 
diese  Tafel  weniger  ein  allgemein  statistisches  als  vielmehr  ein 
rein  lokales  Interesse,  indem  sie  beredte  Streiflichter  auf  die  reiche 
Fülle  des  Materiales  unseres  jDathologischen  Institutes  wirft.  Der 
Umstand,  dass  namentlich  an  Kliniken  nur  auserlesene  Fälle  zur 
Aufnahme  gelangen,  und  inoperable  nur  unter  besonders  berück- 
sichtigungswerten Verhältnissen  usque  ad  exituni  in  Behandlung 
bleiben,  erklärt  die  im  Gegensatz  zur  klinischen  Statistik  unver- 
hältnismässig niedrige  Ziffer  gewisser  sehr  häufiger  Carcinome 
z.  B.  der  Haut,  der  Mamma  etc.  Hingegen  dürften  diejenigen 
Carcinome,  welche  erfahrungsgeniäss,  den  Krankheitserscheinungen 
und  dem  Verlaufe  nach,  den  Ruf  besonderer  Bösartigkeit  recht- 
fertigen,  der  Ziffer  und  dem  Perzentsatz  nach  sehr  wohl  mit  den 
klinischen  Statistiken  übereinstimmen.  — Aus  den  jährlichen  Durch- 
schnitten ergiebt  sich,  dass  unser  Carcinommaterial  circa  ein  Zehntel 
sämtlicher  Obduktionen  ausmacht,  eine  Ziffer,  welche  in  Bezug  auf 
die  übrigen  letalen  Krankheitsprozesse  gewiss  als  auffällig  gross 
bezeichnet  werden  muss.  Desgleichen  ist  in  dem  zehnjährigen 
Zeitraum  eine  stetige  Zunahme  der  Frequenz  zu  verzeichnen.  Es 
ist  vielleicht  nicht  zu  weit  gegangen,  diese  Zunahme  mit  einer 
anderwärts,  namentlich  in  England  statistisch  erwiesenen  Zunahme 
der  Häufigkeit  der  Krebskrankheit  in  Einklang  zu  bringen. 

Ich  wende  mich  nun  zur  näheren  Besprechung  der  Fälle  von 
Schilddrüsenkrebs.  Er  nimmt  die  zwölfte  Stelle  der  Frequenz- 
tabelle ein.  Nur  noch  die  Carcinome  des  Pancreas,  der  Leber 
und  der  Luftwege  reihen  sich  ihm  mit  niedrigeren  Ziffern  an.  ln 
Bezug  auf  sämtliche  beobachtete  Carcinome  ergiebt  sich  für  den 
Schilddrüsenkrebs  die  Ziffer  von  2,6  o/o,  in  Bezug  auf  die  Gesamt- 


q Es  fällt  mir  selbstverständlich  "anz  und  gar  nicht  bei,  die  Carcinomfreqnenz- 
zablen  etwa  in  Vergleich  zu  bringen  mit  den  unter  der  Bevölkerung  AViens  herr- 
scbenden  Krankheiten,  zumal  ja  der  allergeringste  Teil  der  Fälle  ?a\  den  P^e- 
wobnern  Wiens  gehört.  Ans  demselben  Grund  ist  auch  aus  der  Frequenz  der 
Scbilddrüsencarcinome  keinerlei  Rückschluss  erlaubt,  wo  doch  AVien  erwiesenor- 
massen  keine  Kropfgegend  ist. 


Beitrüge  7Air  Lehre  vom  Schilddrüßenkrebs. 


289 


Carcinome. 

1882 

188.3 

CO 

00 

1885 

cc 

ao 

T— ( 

1887 

1888 

55 

X' 

1890 

1891 

Summe 

Percent. 

I.  Klagen. 

48 

27 

62 

53 

46 

45 

60 

61 

50 

51 

503 

26,9 

II.  Uterus. 

25 

14 

27 

30 

23 

32 

28 

39 

32 

33 

283 

15,1 

III.  Oesophagus. 

12 

12 

16 

17 

9 

27 

16 

18 

19 

20 

166 

8,8 

IV.  Gallen wege. 

11 

12 

12 

8 

7 

12 

15 

3 

13 

19 

21 

112 

5,9 

V.  !Mund,  Eachen, 
Zunge,  Kehlkopf, 
Speicheldrüsen. 

7 

14 

6 

9 

6 

7 

16 

11 

13 

110 

5,8 

VI.  Eectuin. 

4 

10 

8 

8 

12 

8 

9 

19 

14 

16 

108 

5,7 

VII.  Uebriger  Darm- 
tract  (Dickdarm). 

10 

9 

• 8 

8 

8 

9 

5 

11 

14 

19 

101 

5,4 

VIII.  Urogenitaltract. 

9 

15 

6 

5 

8 

15 

9 

11 

13 

5 

96 

5,1 

IX.  Ovarium. 

4 

9 

11 

8 

6 

7 

11 

12 

14 

14 

96 

5,1 

X.  ^lamma. 

5 

12 

10 

8 

10 

10 

7 

7 

12 

8 

89 

4,7 

XI.  Hautdecke. 

1 

9 

7 

12 

4 

5 

9 

9 

5 

6 

67 

3jO 

XII.  Schilddrüse. 

5 

2 

3 

2 

6 

8 

9 

4 

7 

4 

50 

2,6 

Xni.  Pancreas. 

4 

2 

6 

4 

4 

5 

2 

5 

3 

2 

37 

1,9 

XIV.  Leber. 

2 

4 

3 

5 

3 

3 

1 

6 

3 

— 

30 

1,6 

XV.  Luftwege. 
(Lunge,  Bronchien) 

1 

1 

— 

— 

3 

2 

2 

3 

3 

6 

21 

1,1 

Summe 

148 

152 

185 

177 

155 

195 

199 

219 

215 

224 

1869 

100 

Summe  aller 
Obduktionen. 

1784 

1802 

1768 

1782 

1618 

1750 

1920 

2040 

1873 

1810 

18147 

Carcinome 
jährliches  Percent. 

8,3 

8,4 

10,5 

9,9 

9,5 

11,2 

10,3 

10,7 

11,4 

12,3 

10,2 

V.) 


290 


Hermann  Hinterstoisser. 


summe  der  Sektionen  die  Ziffer  von  2o/oi!.  Unter  den  50  Fällen 
befinden  sich  28  Männer  und  22  Weiber.  Bezüglich  des  Alters 
betreffen  das 


HL 

Dezennium  1 

Fall 

. . 1 

Mann  \'on 

29  Jahren, 

IV. 

V 

9 

Fälle 

. . 6 

Männer,  3 

Frauen, 

V. 

r 

13 

V 

. . 7 

n 6 

71 

VI. 

r 

16 

r 

. . 9 

„ 7 

J7 

VH. 

r 

8 

. . 5 

„ 3 

r 

VHI. 

r 

3 

V 

. . — 

3 

11 

Summe : 

50 

Fälle 

. 28  Männer  22  Frauen. 

grösste 

Frequenz 

fällt  also 

auf 

das  V.  und  VI.  Dezennium 

(40. — 60.  Lebensjahr).  Als  Altersgrenzen  finden  sich  beim  Manne 
das  29ste  und  das  65ste,  beim  Weibe  das  34ste  und  das  77ste 
Lebensjahr. 

In  der  grossen  Mehrzahl  unserer  Fälle  handelte  es  sich  um 
hochgradig  abgemagerte  Individuen , die  den  ausgesprochensten 
Charakter  der  Krebskachexie  trugen.  Die  Grösse  der  Schilddrüsen- 
geschwülste selber  aber  variierte  zwischen  sehr  verschiedenen 
Grenzen.  Zumeist  allerdings  findet  sich  wie  bei  gutartigen  Kröpfen 
der  Hals  mehr  oder  minder  monströs  verdickt;  in  selteneren  Fällen 
ist  die  Vergrösserung  der  Schilddrüse  eine  ganz  unauffällige,  sodass 
die  Krebserkrankung  intra  vitam  latent  geblieben  ist.  14mal  war 
der  linke,  18mal  der  rechte  Schilddrüsenlappen  hauj)tsächlichster 
Sitz  der  Neubildung.  In  17  Fällen  war  die  Drüse  mehr  oder 
minder  gleichmässig  betroffen;  einmal  war  der  Isthmus  ausschliess- 
lich erkrankt.  Es  ist  schon  erwähnt  worden,  dass  es  sich  zumeist 
um  sehr  umfangreiche  Tumoren  handelte,  von  Gansei-  bis  IManns- 
kopfgrösse;  ihre  Oberfläche  ist  durch  zahlreiche  knotenförmige 
Vorsprünge  knollighöckerig,  oder  es  finden  sich  solitäre  Geschwülste 
von  glatter  kugeliger  Oberflächengestaltung.  Der  freie  Lapi^en  ist 
relativ  selten  von  normalem  Umfang,  sondern  zeigt  sich  meist 
vergrössert  durch  eingelagerte  solitäre  Adenomknoten,  oder  durch 
diffuse  Colloidkropfbildung.  In  einigen  Fällen  wurde  eine  kleine 
Schilddrüse  angetroffen,  an  welcher  an  einer  ganz  unbedeutenden, 
leicht  übersehbaren  Partie  die  krebsige  Neubildung  nachzuweisen 
war.  Derlei  unscheinbare  primäre  Herde  stehen  in  gar  keinem 
Verhältnisse  zu  der  Entwicklung  von  oft  sehr  beträchtlichen  meta- 
statischen Geschwülsten  in  entfernten  Organen  und  zu  den  Ge- 
schwülsten der  regionär  inficierten  Lymphdrüsen  am  Halse  oder 
im  Mediastinum  etc.  Ein  derartiger  Fall  — primärer  Herd  im 
Isthmus  — sei  im  Folgenden  angeführt. 


Beitrüge  zur  Lehre  vom  Schilddrüsenkrebs. 


291 


Bahner  Anna,  34  Jahre  alt,  verh.  Die  Patientin  wui’de  im  August  1889 
an  die  Klinik  Nothnagel  aufgenommen.  Aus  der  Krankengeschichte  sind  folgende 
Daten  bemerkenswert.  Seit  circa  fünf  Monaten  bestehen  konstante  heftige  Kopf- 
schmerzen und  Schwindelgefühl  sowohl  in  aufrechter  Stellung  als  in  der  Ruhelage, 
zunehmende  Gedächtnisschwäche,  Verschlechterung  des  Sehvermögens  an  beiden 
Augen.  St.  praes.  Sprache  mühevoll,  Silbenstolpern ; Sensorium  getrübt.  Links- 
seitige Facialisparese,  bilaterale  Stauungspapille,  Sehschwache  bis  zur  totalen 
Amaurose.  Die  motorische  Kraft  namentlich  auf  der  linken  Körperhälfte  stark 
herabgesetzt.  Muskellähmungen  beider  Bulbi.  — Unter  stetiger  Zunahme  sämt- 
licher Störungen  tritt  nach  dreimonatlichem  Krankenlager  der  Exitus  ein.  Die 
klinische  Diagnose  wurde  auf  »Tumor  in  reg.  corpor.  quadrigem.  et  thalami 
optici  dext.«  gestellt. 

Die  Sektion  ergab  folgenden  Befund:  (Obducent  Prof.  Kundrat)  Prot.  Nr. 
1797  vom  28.  Nov.  1889. 

Anat.  Diagn. : Carcinoma  fibrosum  glaud.  thyreoideae  (ad  isthmum)  subsequ. 
carcinomate  cerebri  multiplice  cum  usura  cranii. 

Körper  mittelgross,  von  gracilem  Knochenbau,  hochgradig  abgemagert,  blass, 
welk,  trocken,  dunkel  pigmentiert.  Thorax  breit,  gewölbt,  Mammae  flach,  schlaff ; 
Unterleib  kahnförmig  eingezogen.  In  der  Kreuzgegend  und  am  rechten  Trochanter 
oberflächlicher  Decubitus.  Schädeldecken  sehr  blass,  Schädeldach  sehr  geräumig, 
lang,  von  gewöhnlicher  Dicke,  compakt,  an  der  inneren  Fläche  allenthalben  sehr 
tief  usuriert.  Harte  Hirnhaut  sehr  stark  gespannt;  die  inneren  Hirnhäute  zart. 
Hirnwindungen  stark  abgeplattet.  Am  Uebergang  des  1.  Schläfenlappens  in  den 
Hinterhauptlappen  eine  haselnussgrosse  grubige  Vertiefung  und  ein  ebensogrosser 
der  Dura  fest  ansitzender  Tumor  von  griesig-körnigem  Bau,  weissröthcher  Farbe. 
Das  Gehirn  ziemlich  blutreich;  in  demselben  zerstreut  mehrere  erbsen-  bis 
haselnussgrosse  Knoten  einer  ähnlichen  Aftermasse,  wie  der  Tumor  an  der  Dura 
sie  zeigt,  nur  reicher  an  medullärem  Saft  und  in  den  centralen  Partien  stärker 
verfettet.  Grössere  solide  Tumoren  finden  sich  in  der  zweiten  Stirnwindung 
linkerseits  und  ein  etwa  nussgrosser  in  der  ^Markmasse  der  linken  vorderen 
Ceutralwindung,  während  alle  übrigen  Knoten  ganz  oberflächlich  sitzen.  Aussei'- 
dem  findet  sich  im  Vierhügel , dessen  rechte  Hälfte  besonders  im  vorderen 
Anteil  stark  vorgewölbt  erscheint,  ein  nussgrosser  solider  Knoten,  nur  von  einer 
bis  3 mm  dicken  Schichte  der  Vierhügelmasse  überdeckt,  und  überdies  ist  am 
1.  Plexus  chorioideus  eine  etwa  halbbohnengrosse,  wurstförmige,  weisslich-griesige 
Masse  anzutreffen.  — Die  Ventrikel  etwas  erweitert.  Schädelbasis  ausserordent- 
lich stark  usurirt. 

Die  Schilddrüse  etwas  vergi’össei’t,  grobkörnig,  colloid,  in  ihrer  Commissur 
an  einer  nicht  über  haselnussgrossen  Stelle  ohne  scharfe  Abgrenzung  substituiert 
durch  eine  weisse,  im  Ceutrum  sehr  dichte,  von  Fettreticulis  gesprenkelten, 
milchigen  Saft  gebenden  Aftermasse,  die  auch  oberflächlich  fest  mit  der  Trachea 
verwachsen  ist. 

Histologisch:  C.  scirrhosum  des  Isthmus  der  Schilddrüse. 

Die  metast.  Knoten  im  Hirn  zeigten  auffälligerweise  die  schönste  Aus- 
bildung des  Cylinderzellenkrebses  mit  Entwicklung  von  sehr  hohen  Epithelzellen ; 
Intiltration  der  perivasculären  Lymphwege.  (Die  Gefässe  mit  wohlerhaltenen 
Wandungen  sind  um  wuchert  von  einem  mehrschichtigen  Kranz  der  schönsten 
Cylinderzellen.) 

Von  ganz  besonderer  Wichtigkeit  für  die  Frage  der  oft  eigen- 
tümlichen metastatisclien  Ausbreitung  der  Neubildung  erscheint 


292 


Hermann  Hinterstoisser. 


das  Verhalten  der  Schilddrüsenkapsel  zu  sein.  Sehr  gewöhnlich, 
selbst  bei  umfangreichen  Geschwülsten,  findet  sich  die  Bindegewebs- 
kapsel  in  ihrem  ganzen  Umkreise  völlig  intakt,  nirgends  von  der 
Neubildung  durchwachsen;  dieselbe  kann  zwar  durch  chronisch 
entzündliche  Prozesse  beträchtlich  verdickt  sein,  lässt  sich  aber 
von  dem  Zellgewebe  der  Nachbarschaft  allseits  isolieren.  Dieses 
Verhalten  wurde  in  nicht  ganz  der  Hälfte  unserer  Fälle  ange- 
troffen, Dieser  eigentümlichen  Beschaffenheit,  der  Resistenz  der 
Kapsel  gegenüber  der  intracapsulär  wuchernden  Neubildung  soll 
weiter  unten  noch  gedacht  werden.  — In  vielen  anderen  Fällen 
allerdings  hat  die  Kapsel  der  andrängenden  Zellenwucherung  nicht 
standgehalten,  findet  sich  von  der  Neubildung  durchwachsen  und 
in  untrennbarem  Zusammenhang  mit  Nachbargebilden. 

Die  Durchschnittsfläehe  der  Krebsgeschwülste  zeigt  ein  sehr 
mannigfaches  Aussehen,  nicht  selten  einen  exquisit  lappigen  Bau. 
Bald  finden  sich  knotenförmige,  in  die  Drüse  eingebettete  Herde 
aus  markigen,  seltener  fibrösen  Neubildungsmassen  bestehend,  bald 
auch  sind  ganze  Lappen,  oder  selbst  die  ganze  Drüse  mehr  min- 
der gleichmässig  von  Neubildungsgewebe  infiltriert  und  bis  auf 
wenige  corticale  Reste  substituiert.  Das  Stroma  der  Neubildung 
stellt  zuweilen  ein  mehr  minder  dickbalkiges  Netzwerk  fibrösen 
Bindegewebes  dar,  dessen  Lücken  die  weissröthchen,  weichen  Neu- 
bildungsmassen erfüllen;  doch  ist  ein  feines,  zartes  Stroma  vor- 
herrschend. Oft  grenzt  sich  die  Neubildung  gegen  das  Schilddrüsen- 
parenchym durch  eine  breite  Lage  faserigen,  derben  Bindegewebes 
ab ; zumeist  fehlt  wohl  eine  solche  scharfe  Grenze.  Die  Neubildungs- 
masse selbst  ist  oft  sehr  reich  vascularisiert,  von  Hämorrhagieii 
durchsetzt,  von  gelbrötlicher  Farbe;  in  centralen  Partien  teils  ver- 
fettet, teils  anämisch-necrotisch ; sie  birgt  nicht  selten  grössere  oder 
kleinere,  mit  zerfiiessendem  Detritus  und  zerbröckelndem  Inhalt 
erfüllte  Hohlräume.  In  anderen  Fällen  zeigen  die  grösseren  Knoten 
eine  deutliche,  charakteristisch  radiäre  Streifung  des  markigen,  grau- 
weissen  Gewebes.  Auf  die  verschiedenen  regressiven  Veränderungen 
kann  hier  nicht  weiter  eingegangen  werden. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  sind  ferners  die  mannigfachen 
Beziehungen  des  Schilddrüsentumors  zu  den  Nachbarorganen.  Ana- 
tomisch ist  zu  unterscheiden  das  Verhältnis  des  eigentlichen  pri- 
mären Schilddrüsentumors  und  das  der  sekundären  Geschwülste 
zu  den  Nachbarorganen  am  Halse,  Unterschiede,  welche  klinisch 
häufig  nicht  auseinander  zu  halten  sind. 

Annähernd  in  demselben  Verhältnisse  wie  beim  gutartigen 
Kropfe  ist  auch  beim  Krebs  der  Schilddrüse  die  Luftröhre  zu 


Beitrüge  zur  Lehre  vom  Schilddrüsenkrebs. 


293 


allermeist  schwer  in  Mitleidenschaft  gezogen.  Ganz  gewöhnlich 
finden  sich  innige  Verwachsungen  der  Geschwulst  oder  ihrer  Kapsel 
mit  der  Luftröhrenwand  durch  derbe,  fibröse,  schwielige  Binde- 
gewebsmassen,  mehr  minder  ausgedehnte  seitliche  Verdrängungen, 
und  die  verschiedenen  Formen  der  bald  einseitigen,  bald  bilateralen 
oder  allseitigen  Druckwh’kung : wie  seitliche  Abplattung ; bilaterale, 
sagittale  Kompression  (Säbelscheidentrachea,  Demme),  frontale  Ab- 
plattung, welche  Kocher  besonders  den  malignen  Neubildungen  zu- 
schreibt; auch  circuläre  Kompression  der  allseitig  von  der  Geschwulst 
umscheideten  Trachea  wurde  mitunter  angetroffen.  Die  krebsige 
Infiltration  und  die  Perforation  der  Luftröhre  durch  proliferieren- 
des  Neubildungsgewebe  ist  hingegen  ein  verhältnismässig  sehr 
seltener  Befund  beim  Schilddrüsenkrebs,  jedenfalls  viel  seltener 
als  beim  Sarcom  der  Schilddrüse.  Dies  muss  schon  deshalb  be- 
sonders hervorgehoben  werden,  weil  gerade  die  Handbücher  der 
pathologischen  Anatomie  einen  häufigen  Durchbruch  des  Schild- 
drüsenkrebses in  die  Luftröhre  anzuführen  pflegen.  Es  sei  daher 
hier  nochmals  konstatiert,  dass  gerade  das  umgekehrte  Verhältnis 
besteht,  indem  eben  die  Carcinome  selten,  die  Sarcome  ganz  ge- 
wöhnlich die  Luftröhre  durchwachsen.  In  den  wenigen  Fällen 
von  Durchwachsung  der  Trachealwand  handelte  es  sich  entweder 
um  diffuse  krebsige  Infiltration  der  Schleimhaut  von  oft  sehr 
weiter  Ausdehnung,  oder  um  Bildung  dissemierter  medullärer 
Knötchen.  Die  Bildung  von  grösseren,  endotrachealen  Tumoren 
wurde  in  unseren  Fällen  nur  einmal  angetroffen. 

Im  Falle  25  (Care,  cylindrocellulare)  ragte  von  der  1.  seithehen 
Wand  der  Trachea  eine  etwa  haselnussgrosse,  zapfenförmige,  in- 
tensiv rote,  feinhöckerige,  wie  facettierte  Geschwulst  von  breiter 
Basis  ausgehend  in  das  Lumen,  die  mit  der  aussen  am  Halse 
befindlichen  in  direktem  Zusammenhang  stand.  Infiltration  und 
Perforation  der  Luftröhrenwandung  finden  sich  in  sechs  Fällen 
verzeichnet,  darunter  war  auch  dreimal  die  Schleimhaut  der  Hinter- 
wand des  unteren  Kehlkopfabschnittes  mit  betroffen.  Einmal 
reichte  die  kreb.sige  Schleimhautinfiltration  bis  an  die  Stimm- 
bänder hinauf,  und  einmal  zeigte  sich  die  Luftröhren-  und  Kehl- 
kopfschleimhaut bis  an  die  Epiglottis  hinauf  mit  zahlreichen  me- 
dullären Knötchen  bedeckt;  die  Knorpelringe  der  Luftröhre  fanden 
sich  in  unseren  Fällen  stets  frei  von  der  Neubildung. 

An  den  Lageveränderungen  nimmt  wohl  gewöhnlich  auch 
die  Speiseröhre  Anteil;  fünfmal  findet  sich  eine  hochgradige  Ver- 
engerung der  Speiseröhre  angegeben;  in  dem  einen  Falle  fanden 
sich  die  Muskelwände  des  Pharynx  und  des  Oesophagus  auf  eine 


294 


Hermann  Hinterstoisser. 


grosse  Strecke  hin  von  Neubildungsmasse  durchwachsen  und  war 
ihre  Lichtung  bis  zur  totalen  Undurchgängigkeit  derart  verengt, 
dass  zur  Gastrotomie  geschritten  werden  musste. 

In  einem  weiteren  Falle  war  die  Neubildung  in  Oesophagus 
und  Pharynx  durchgebrochen  und  wurde  anlässlich  einer  irrigen 
Diagnose  auf  Carcinoma  oesophagi  4 Monate  ante  exitum  die  Re- 
sektion des  carcinomatös  erkrankten  Oesophagus  vorgenommen. 

Regelmässig  werden  die  grossen  Hals-,  Nerven-  und  Gefäss- 
pakete  aus  ihrer  topographischen  Lage  verdrängt.  In  eine  mehr  minder 
starke  Kompression  derselben  teilen  sich  wieder  der  primäre  Tumor 
und  die  sekundären  Drüsengeschwülste.  Bald  haben  wir  es  mit 
einer  einfachen  Verdrängung  und  teilweisen  Kompression  des 
Nervengefässpaketes  zu  thun,  bald  mit  völliger  Umwachsung  des- 
selben, wobei  vorzugsweise  die  Lichtung  der  Jugularis  oft  bis  zur 
Undurchgängigkeit  verschlossen  werden  kann.  Der  Effekt  der 
Kompression  der  Vene  ist  häufig  nicht  sehr  in  die  Augen  springend, 
da  collaterale  Abflussbahnen  das  statische  Gleichgewicht  aufrecht 
zu  halten  pflegen.  Doch  sind  Venectasien  der  Haut,  oft  auf  weite 
Bezirke,  auf  Brust  und  Schädel  verbreitet,  nicht  ungewöhnliche 
Folgeerscheinungen  der  Druckwirkung.  Ja,  die  Ausdehnung  der 
collateralen  Bahnen  in  der  Haut  der  Nachbarschaft  sind  oft  so 
auffällig,  dass  einige  Beobachter  diesem  Befunde  eine  diagnostische 
Bedeutung  zugeschrieben  haben.  Jedoch  sind  solch  ausgebreitete 
Venectasien  am  Halse  und  auf  der  Brust  auch  ganz  häufig  bei 
gutartigem  Kropfe  anzutreffen.  Ja  die  Venenerweiterung  steht, 
wie  Wölfl  er  bemerkt,  oft  in  gar  keinem  graduellen  Verhältnis  zur 
Grösse  des  Kropfes;  so  findet  sich  oft  bei  recht  grossen  Kröpfen 
keinerlei  beträchtliche  Venenerweiterung.  Nicht  eben  häufig  führt 
die  durch  Kompression  bewirkte  Absperrung  der  venösen  Blut- 
bahn zu  Venenthrombosen,  welche  sich  unter  Umständen  weit 
hinab  in  die  Hauptstämme  erstrecken  können.  An  dieser  Stelle 
soll  auch  schon  auf  das  Vordringen  von  Geschwulstelementen  in 
die  Venenlichtung  selbst,  sei  es  in  die  Aeste  der  Schilddrüsen venen 
und  durch  diese  in  die  Jugularis,  sei  es  direkt  in  die  letztere, 
hingewiesen  werden. 

Direktes  Eindringen  von  Geschwulstelementen  in  die  Jugu- 
laris fand  sich  in  fünf  Fällen. 

Auf  die  Thrombose  der  Venen  durch  Geschwulstgewebe  werde 
ich  weiter  unten  noch  ausführlicher  zurückkommen. 

Während  der  Nervus  vagus  sehr  selten  durch  Druckwirkung 
afficiert  gefunden  wurde,  ist  der  Nervus  laryngeus  inferior  relativ 
häufig  in  Mitleidenschaft  gezogen,  sei  es  nun,  dass  er  in  seinem 


Beiträge  zur  Lehre  vom  Schilddrüsenkrebs. 


295 


Verlaufe  gänzlich  in  dem  Neubildungsgewebe  untergeht,  sei  es 
auch,  dass  er  in  den  schwieligen  Massen  der  nächsten  Umgebung 
des  Tumors  atrophiert  und  in  seinem  weiteren  Zug  nicht  mehr 
aufzufinden  ist.  Mit  der  fortdauernden  und  wachsenden  Druck- 
wirkung des  Tumors  und  der  chronisch  entzündlichen  Schwielen- 
bildung steht  die  so  häufige,  ja  regelmässige  Stimmbandlähmung 
in  Zusammenhang,  welches  Symptom  gerne  zur  Feststellung  der 
Diagnose  einer  malignen  Struma  herbeigezogen  wird  (Albert  u.  a.). 
f)och  ist  gerade  dieses  Symptom  für  die  Diagnose  der  bösartigen 
Neubildung  ganz  irrelevant,  da  es  ebenso  oft  beim  gutartigen 
Kropfe  gefunden  wird.  Wölfler,  Meyer-Hüni  u.  a.  trafen  in  10®/o 
aller  laryngoskopisch  untersuchten  Kropfkranken  Paresen  und 
Lähmungen  der  Stimmbänder  (meist  eines  Stimmbandes)  und  bei 
23  Kropfkranken,  bei  welchen  Mikulicz  die  Kropfresektion  machte, 
wurden  sogar  neunmal  Stimmbandlähmungen  getroffen.  (39  ”/o) ! 

Verwachsung  der  Geschwulstoberfläche  mit  den  sie  decken- 
den Muskeln  der  unteren  Zungenbeingruppe,  wie  mit  den  Kopf- 
nickern, sekundäre  Veränderungen  derselben,  waren  ganz  gewöhn- 
lich anzutreffen.  Seltener  wohl  fand  sich  krebsige  Infiltration  des 
Muskelgewebes.  Dass  diese  der  klinischen  Erkenntnis  unschwer 
zugänglichen  Momente  sehr  wichtige  diagnostische  Merkmale  für 
die  maligne  Struma  abgeben,  ist  an  sich  verständlich. 

Im  Gegensätze  zum  Sarcom  ist  die  Verwachsung  der  carci- 
nomatösen  Schilddrüse  mit  der  Haut  relativ  sehr  selten.  Dasselbe 
gilt  in  noch  höherem  Masse  für  die  Exulceration  der  Geschwulst. 
Mit  Hecht  schuldet  Rose  für  letztere  die  sogenannte  »diagnostische« 
Punktion  an,  welche,  namentlich  von  C.  K auf f mann  vorgeschlagen, 
schon  aus  dem  Grunde  verwerflich  erscheint,  weil  es  durch  sie 
kaum  je  gelingt,  ein  diagnostisch  verwertbares  Material  zu  ge- 
winnen. Die  Fixierung  und  Infiltration  der  Haut  ist  allerdings, 
sofern  sie  nicht  auf  Narbenbildung  nach  vorausgegangenen  Punk- 
tionen oder  Spaltungen  von  Cysten  zu  beziehen  ist,  ein  untrüg- 
liches Zeichen  der  bösartigen  Neubildung. 

Bevor  wir  im  Speziellen  auf  die  Metastasen  des  Schilddrüsen- 
carcinoms  übergehen,  müssen  wir  in  Kürze  die  Art  der  Weiter- 
verbreitung von  Geschwulstkeimen  näher  betrachten.  Während 
bei  den  Carcinomen  anderer  Organe  die  regionäre  Infektion  auf 
dem  Wege  der  Lymphbahnen  die  Regel  ist,  tritt  beim  Schilddrüsen- 
krebs neben  der  ersteren  die  vorwaltend  für  Sarcome  konstante 
metastatische  Verbreitung  auf  dem  Wege  der  Blutbahnen  in  den 
Vordergrund.  Ja,  die  Generalisierung  der  Geschwulstelemente,  die 
embolischen  Metastasen  können  sogar  für  den  Schilddrüsenkrebs 


296 


Hermann  Hinterstoisser. 


als  besonders  charakteristisch  bezeichnet  werden.  Wie  kaum  ein 
anderes  Organ  bietet  gerade  die  Schilddrüse  hiefür  die  günstigsten 
Bedingungen.  Wie  der  anatomische  Bau,  der  überaus  grosse 
Reichtum  von  Blutadernetzen  des  Organes,  so  ist  es  nicht  minder 
auch  die  eigentümliche  starke  Widerstandskraft  der  Schilddrüsen- 
kapsel, welche  die  Generalisierung  des  Carcinoms  geradezu  be- 
günstigt. Sehr  frühe,  oft  noch  ehe  es  zu  regionären  Infektionen 
der  Lymphdrüsen  gekommen,  trifft  man  disseminierte  Metastasen 
in  den  Lungen  und  anderen  entlegeneren  Organen,  wie  nament- 
lich in  den  Knochen.  Der  Gefässreichtum  des  Schilddrüsenparen- 
chyms giebt  an  sich  den  proliferierenden  Epithelzellen  einen  be- 
stimmten Weg,  den  sie  nun  mit  grosser  Vorliebe  einschlagen.  Erst 
wird  eine  Venenwand  durchbrochen  und  in  dem  offenen  Strom- 
bett geht  das  Wachstum  weiter;  einzelne  hervorragende  Geschwulst- 
partikel werden  von  dem  Blutstrom  abgerissen  und  mitgeführt, 
bis  sie  in  den  Arteriolen  oder  Capillaren  der  Pulmonalarterien 
stecken  bleiben.  Aus  solchen  Embolis  entstehen  wohl  zumeist  die 
metastatischen  Geschwülste  der  Lungen. 

Es  ist  nun  wohl  auch  denkbar,  dass  feinste  Geschwulstelemente 
— und  lebenskräftig  scheinen  ja  auch  Fragmente  der  Krebszelle 
zu  sein  — das  Capillarsystem  der  Lunge  passieren  und  in  den 
grossen  Kreislauf  gelangen,  um  in  gewissen  Endstationen  der  Kör- 
perarterien abgelagert  zu  werden,  zu  neuem  Wachstum.  Docli 
die  Geschwulstelemente  können  unter  Umständen  auch  einen 
anderen  Weg  nehmen.  Sie  können  durch  ein  ganz  oder  teilweise 
offenes  foramen  ovale  der  Vorhofsscheidewand  in  den  grossen 
Kreislauf  gelangen  und  derart  an  weit  entfernten  Stellen  zu  Meta- 
stasen führen.  Es  kann  aber  auch  — und  dies  ist  direkt  nach- 
zuweisen — das  proliferierende  Geschwulstgewebe  eines  metasta- 
tischen Knotens  der  Lunge  in  das  Quellgebiet  der  Lungenvenen 
durchbrechen  und  dermassen  die  Generalisierung  herbeigeführt 
werden. 

Das  Hinein  wachsen  und  die  Obturation  grösserer  Venen- 
stämme durch  Geschwulstmasse  wurde  in  11  Fällen  bei  der  Ob- 
duktion konstatiert  und  weiter  verfolgt.  Gleichwohl  ist  die  Zahl 
der  Geschwulstthrombosen  in  unserer  Kasuistik  viel  höher  an- 
zuschlagen, da  die  vielbeschäftigten  Obducenten  sich  nicht  in  allen 
Fällen  auf  feinere  zeitraubende  Untersuchungen  des  Gefässsystems 
der  Schilddrüsengeschwulst  einlassen  konnten,  sondern  sich  auf 
grob  anatomische  Befunde  beschränken  mussten.  Die  Thrombose 
mit  Geschwulstmassen  betraf  einmal  die  Vena  jugularis  dextra, 
zweimal  die  V.  jugularis,  SubclaUa  und  Anonyma  sinistra,  einmal 


Beiträge  zur  Lehre  vom  Schilddrüsenkrebs. 


297 


I 


J 


die  V.  anonyma  dextra,  einmal  die  Vena  anonyma  sinistra,  ol)- 
turiert  von  der  Einmündungsstelle  einer  Thyreoidea  ima  an  (zahl- 
reiche grosse  Aeste  der  Pulmonalarterie  von  denselben  Gewebs- 
thrombenmassen  verschlossen),  einmal  die  Vena  transversa  sca- 
pulae  dextra  (bis  in  den  Confluxus  mit  der  Subclavia),  einmal  die 
Cava  Superior  (Lungen  frei  von  Metastasen),  einmal  die  V.  thyreoidea 
inferior  und  jugularis  interna  sinistra  (multi|)le  Metastasen  im 
Knochensystem),  einmal  die  V ena  thyreoidea,  Jugularis,  Anonyma 
dextra,  Cava  superior,  mit  rückläufigen  Metastasen  in  den  Venen- 
plexus des  Clivus  und  in  den  Sinus  cavernosus,  einmal  die  V.  thy- 
reoidea inferior  sinistra  (Tumoren  der  Schädelbasis). 

Die  krebsige  Thrombose  grosser  Venenstämme  wie  der  Ju- 
gularis, der  Cava  etc.  entsteht  ebensowohl  durch  direkte  Durch- 
wachsung der  Gefässwände  seitens  der  sie  umschliessenden  Neu- 
bildungsmasse, als  auch  namentlich  fortgesetzt  von  den  Thromben 
kleinerer  und  kleinster  Schilddrüsenvenen.  Ebenso  ist  eine  rück- 
läufige V erschleppung  von  Krebsthromben  möglich  (Thrombose 
der  Jugularis  interna,  Krebsthrombus  der  Clivusvenen  und  des 
Sinus  cavernosus).  C.  K auf f mann  fand  z.  B.  in  allen  Fällen  von 
Thrombose  der  Jugularis  interna  nebstdem  Thromben  im  Quell- 
gebiete der  unteren  Schilddrüsenvenen. 

Aus  dem  Gesagten  folgt,  dass  das  Schildrüsencarcinom  in 
Bezug  auf  die  metastatische  Verbreitung  eine  Ausnahmestelle  gegen- 
über den  primären  Carcinomen  anderer  Organe  einnimmt,  indem 
in  einer  grossen  Zahl  der  Fälle  gleichwie  bei  den  Sarcomen  es 
frühzeitig  zur  Infektion  der  Blutbahn  kommt. 


Regionäre  Drüsengescliwülste. 

In  35  Fällen  fanden  sich  sekundäre  Carcinome  der  Lymph- 
drüsen;  fast  durchwegs  werden  die  regionären  Lymphbahnen  der 
Reihe  nach  inficiert  angetrohen,  die  Halsdrüsen  und  die  der 
Schlüsselbeingruben  (29 mal);  die  substernalen,  mediastinalen  und 
bronchialen  Drüsen  (23  mal,  darunter  zweimal  solitäre  mediastinale 
Tumoren);  nur  zweimal  waren  die  retroperitonealen  Lymphdrüsen 
krebsig  infiltriert  und  in  umfängliche  Geschwülste  umgewandelt, 
einmal  neben  Drüsenkrebs  anderer  Regionen,  einmal  solitär.  Se- 
kundärer Krebs  der  Achseldrüsen  fand  sich  nur  einmal  neben 
Infiltration  der  Halsdrüsen.  Die  Grösse  der  Drüsengeschwülste  ist 
sehr  wechselnd;  oft  sind  sie  von  derart  umfangreichen  Dimen- 
sionen, dass  die  primäre  Schilddrüsengeschwulst  ihnen  gegenüber 
ganz  in  den  Hintergrund  tritt  und  die  strumöse  Halsverdickung 
ganz  auf  ihre  Kosten  zu  stände  kommt.  Auf  die  mannigfachen 


298 


Hermann  Hinterstoisscr. 


Beziehungen  der  Drüsentumoren  zu  den  benachbarten  Organen,  zur 
Trachea,  Oesophagus,  zu  den  Halsmuskeln  und  Gelassen,  zu  den 
mediastinalen  Organen  etc.  braucht  hier  nicht  mehr  ausführlich 
hingewiesen  zu  werden ; es  gilt  dasselbe  was  schon  für  die  Schild- 
drüsengeschwülste selbst  erwähnt  worden  ist.  Bei  den  Drüsen- 
tumoren finden  sich  alle  Abstufungen  der  Entwicklung  wie  der 
Entartung  des  Neubildungsgewebes;  der  markige  Charakter  des- 
selben, die  Erweichung,  scheint  gleichwohl  am  vorherrschendsten, 
zumalen  hier  das  Gewel)e  unter  weit  ungünstigeren  Ernährungs- 
bedingungen steht,  wie  der  primäre  Tumor.  Gar  nicht  selten  sieht 
man  auch  in  den  Lymphdrüsengesch Wülsten  Nachahmungen  typi- 
schen Schilddrüsengewebes.  Die  Struktur  der  Lymphdrüsen  selbst 
ist  gewöhrdich  gänzlich  verschwunden,  das  lynij^hatische  Gewebe 
meist  gänzlich  von  der  Neubildung  substituiert;  als  letzten  Ueber- 
rest  trifft  man  pigmentreiche  Bindegewebsgerüste , wodurch  die 
Durchschnittsflächen  namentlich  mediastinaler  und  bronchialer 
Tumoren  ein  schönes,  schwarzgrau  gesprenkeltes  Aussehen  erhalten. 
Es  mag  hier  noch  erwähnt  werden,  dass  sich  in  einigen 
Fällen  auch  ausgedehnte  krebsige  Infiltrationen  des  Zellgewebes 
am  Halse  und  im  Mediastinum  vorfanden,  teils  in  direktem  Zu- 
sammenhang mit  infiltrierten  Drüsen,  teils  durch  die  Wucherung 
des  Neubildungsgewebes  in  den  Lymphgefässen  und  Saftkanälen 
hervorgebracht. 


Metastatische  Geschwülste. 

Im  Anschlüsse  an  das  eben  Gesagte  können  wir  uns  bezüg- 
lich der  Metastasen  kurz  fassen. 

Unter  den  50  Fällen  fanden  sich  29  mal  metastatische  Tu- 
moren in  den  Lungen.  Es  handelt  sich  teils  um  ungemein  zahl- 
reiche kleinere,  erbsen-  bis  haselnussgrosse  Geschwülste,  welche 
allenthalben  im  Parenchym  der  Lunge  disseminiert  sind,  häufig 
dicht  unter  der  Lungenpleura  sitzen  oder  sich  in  flachen  beet- 
artigen,  gedeihen  Protuberanzen  über  das  Pleuraniveau  erheben, 
teils  um  einige  wenige  grössere  Geschwülste  von  den  Dimensionen 
eines  Taubeneies  bis  zu  Faustgrösse,  welche  solitär  und  meist 
central  in  einem  Lappen  sitzen;  mehrmals  fanden  sich  auch  peri- 
bronchiale  krebsige  Infiltration  auf  mehr  oder  minder  grosse 
Lungenbezirke  ausgebreitet.  Gelegentlich  auch  sah  man  die  Neu- 
bildungsmassen in  die  Bronchiallichtungen  hinein wuch ern , und 
unter  Bildung  von  Geschwülsten  dieselben  obturieren. 

Die  makroskopische  Beschaffenheit  der  Lungentumoren  ent- 
spricht häufig  dem  jDrimären  Carcinom ; immerhin  zeigten  aber 


Beiträge  zur  Lehre  vom  Schilddrüsenkrebs. 


299 


auch  nicht  wenige  Fälle  histologisch  den  ausgeprägten  Charakter 
des  Schilddrüsengewebes  oder  mindestens  des  einfachen  Adenoms, 
während  der  Primärtumor  selbst  ein  exquisit  medulläres  Carcinom 
darstellte  (Eberths  bekannte  »Umkehr  zum  Bessern«).  Ein  gleiches 
Verhalten  zeigten  auch  namentlich  die  Metastasen  im  Knochen, 
worauf  wir  später  noch  zurückkommen  wollen.  Dieser  Umstand, 
sowie  aber  namentlich  das  Vorkommen  von  Metastasen  bei  Vor- 
handensein eines  scheinbar  typischen  Colloidkropfes  gaben  seiner- 
zeit Anlass  zur  Aufstellung  des  sogenannten  malignen  oder  destruie- 
renden  — Adenoms  (Ziegler  u.  A.),  an  welcher  Auffassung  noch  heute 
einige  Autoren  festhalten.  Von  dem  Augenblick  aber,  wo  es  zur 
Bildung  von  metastatischen  Geschwülsten  in  entfernten  Organen 
kommt,  hat  ja  jede  Primärgeschwulst  ihren  typischen  Charakter 
verloren;  es  ist  daher  nicht  gestattet  bei  Priniärtumoren , welche 
zu  Metastasen  führen,  noch  von  typischen  Gewebsneubildungen 
— Adenomen  — zu  sprechen,  wenn  auch  sie  selbst  wie  ihre  Tochter- 
und  Enkelgeschwülste  noch  so  sehr  den  scheinbaren  Charakter 
des  Typischen  an  sich  tragen. 

Die  metastatischen  Knoten  der  Lunge  sind  bald  sehr  reich 
vascularisiert , von  Hämorrhagien  durchsetzt  und  schwarzrötlich 
gesprenkelt,  bald  rein  weiss  von  markigem  Aussehen;  sie  bieten 
alle  Stadien  regressiver  Metamorphosen,  Verfettung  und  nekro- 
tischen Zerfall  des  Gewebes  bis  zur  centralen  Höhlenbildung,  — 

Nur  einmal  waren  die  Lungen  allein  Sitz  metastatischer 
Knoten,  in  allen  andern  Fällen  fanden  sich  daneben  teils  regionäre 
Drüsentumoren,  teils  Metastasen  in  anderen  Organen.  Es  sei  hier 
noch  hinzugefügt,  dass  in  drei  Fällen,  wo  Krebsthromben  in  der 
Jugularis  interna,  Vena  anonyma  und  cava  superior  vorgefunden 
wurden,  die  Lungen  sich  frei  von  Metastasen  erwiesen.  Hin- 
wiederum waren  in  einem  Fall,  wo  die  Vena  anonyma  sinistra 
von  einer  Vena  thyreoidea  ima  her  durch  Geschwulstgewebe  ob- 
turiert  war,  zahlreiche  grössere  Lungenarterien  auf  weite  Strecken 
hin  von  der  gleichen  Gewebsmasse  ausgefüllt. 

Isolierte  Metastasen  in  den  Pleuren  sind  selten.  Hingegen 
finden  sich  mehr  mindergrosse  Pleurenbezirke  im  Zusammenhang 
mit  Lungenmetastasen,  mit  carcinomatösen  Drüsen  des  Lungen- 
hilus,  oder  mediastinalen  Tumoren  mitbeteiligt.  Es  sei  hier  noch 
hingewiesen  auf  das  bei  Lungen-  und  Pleurametastasen  so  häufige 
Vorkommen  serös-hämorrhagischer  Transsudationen  in  den  Pleura- 
säcken. 

In  der  Leber  wurden  viermal  Metastasen  angetroffen  — 
Knoten  von  Hanfkorn-  bis  Walnussgrösse  — ; einmal  fanden  sich 


1 


» 


300  Hermann  Hinterstoisser. 

neben  multiplen  erbsengrossen  Knötchen  ein  faustgrosser  Tumor 
im  Parenchym  des  rechten  Lappens  mit  einer  centralen,  mit  Col- 
loid  erfüllten,  etwa  hühnereigrossen  Höhle. 

Das  Herz  war  einmal  der  Sitz  einer  metastatischen  Geschwulst. 
Die  rechte  Ventrikelwand  war  substituiert  von  einer  oberflächlich 
höckerigen , am  Durchschnitte  medullär  weichen  Geschwulst, 
welche  in  den  Ventrikel  sich  verwölbte  und  dessen  Lumen  zum 
Teile  auf  hob. 

Die  Nieren  bargen  dreimal  multipje  Metastasen,  meist  mit 
cortikalem  Sitze.  Einmal  war  eine  Niere  diffus  vom  Krebsgewebe 
infiltriert,  zweimal  war  die  linke  Niere  allein  Sitz  der  Metastasen. 

Metastasen  in  der  Hirnsubstanz  sind  viermal  angetroffeii 
worden  (siehe  Fall  Bahner),  während  metastastische  Tumoren  des 
Schädels  oder  der  Hirnhäute,  welche  von  aussen  in  die  Hirnsub- 
stanz eindringen,  mit  ihr  verwachsen,  oder  sie  wenigstens  ver- 
drängen, in  mehreren  Fällen  angegeben  werden.  Einmal  fanden 
sich  zahlreiche  metastatische  Tumoren  verschiedener  Grösse  in  die 
Älarkmasse  der  Hemisphären  eingebettet. 

Von  grossem  Interesse  sind  aber  die  Metastas  en  im  Skelett- 
system. Es  möchte  Helleicht  auffällig  erscheinen,  dass  in  zehn 
Fällen  sich  Metastasen  im  Knochen  vorfanden;  die  schon  oben 
erwähnten  günstigen  Bedingungen  zur  embolischen  Verbreitung 
des  Schilddrüsencarcinoms  erklären  diesen  Befund  gewiss  nicht 
zur  Genüge;  es  drängt  dieses  Verhalten  zu  der  Annahme,  dass 
das  Knochengewebe,  namentlich  die  Spongiosa  einen  besonders 
günstigen  Boden  für  eingelangte  Schilddrüsenkrebskeime  abgebe, 
wie  wir  für  andere  Geschwülste  namentlich  die  Leber  als  disponiert 
ansehen  müssen  (Melanosarcom),  — welches  Organ  gerade  bei  den 
Schilddrüsenkrebsen  Hel  seltener  den  Sitz  sekundärer  Tumoren 
bildet  (im  Gegensatz  zum  Mammacarcinom).  Vielleicht  spielt  auch 
bei  der  Häufigkeit  der  Met-astasen  in  der  Lunge  eine  gewisse 
Disposition  dieses  Gewebes  mit,  wiewohl  dieselbe  hier  bei  den 
oben  auseinandergesetzten  anatomischen  Verhältnissen  (Venen- 
thromben) nicht  so  ersichtlich  ist.  Für  die  hervorragende  Be- 
teiligung des  Knochengewebes  erscheint  aber  diese  Annahme  einer 
Disposition  notwendig.  — Kein  anderes  primäres  Carcinom  führt 
so  häufig  zu  metastatischem  Krebs  im  Knochen. 

In  einer  sehr  geringen  Anzahl  der  Fälle  handelt  es  sich  ledig- 
lich nur  um  krebsige  Infiltration  der  Spongiosa  und  der  Mark- 
masse; dies  fand  sich  teils  in  langen  Röhrenknochen,  teils  in  den 
Wirbelkörpern.  In  weitaus  grösserer  Mehrzahl  haben  wir  es  mit 
der  Bildung  umfänglicher  Tumoren  zu  thim,  welche  ihrerseits  nach 


Beiträge  zur  Lehre  vom  Sehilddrüsenkrebs. 


301 


Substitution  des  Knochengewebes  die  benachbarten  Gewebe  und 
Organe  verdrängen  oder  infiltrieren. 

Die  Zerstörungen,  welche  die  Neubildung  in  dem  betreffen- 
den Teile  des  Knochensystenis  anrichtet,  sind  oft  ganz  kolossale. 
So  fand  sich  in  einem  Falle  nahezu  die  ganze  Schädelbasis  bis 
auf  wenige  Knochenspicula  substituiert.  Die  Epithelialwucherung 
j dringt  unter  lacunarer  Resorption  der  Knochensubstanz  nach  allen 
Seiten  vor,  und  so  wird  bald  der  ganze  Knochen  völlig  durch 
Neubildungsgewebe  ersetzt.  Im  Gegensatz  dazu  fand  sich  bei  einem 
anderen  Falle  eine  ganz  ausserordentlich  mächtige  Osteophyt- 
bildung  im  Bereich  und  in  der  Nachbarschaft  des  Tumors  (Scheitel- 
bein), sowohl  auf  der  äusseren  Tafel,  als  auch  in  der  Vitrea;  die 
nadelförmigen  Knochenspicula  schienen  völlig  in  den  Tumor  hin- 
eingewachsen. 

Fünfmal  fanden  sich  solitäre  Knochenmetastasen  (Unterkiefer, 
Keilbein,  Schädelbasis,  Sternum).  In  allen  übrigen  Fällen  waren 
multiple  Metastasen  in  verschiedenen  Knochen  vorhanden. 

Die  multiplen  Metastasen  mögen  hier  der  Reihenfolge  nach 
aufgezählt  werden: 

Multiple  metastatische  Carcinome: 

1)  Stirnbein  — Hinterhauptschuppe. 

2)  Darmbein  (links)  VII.  Brustwirbelkörper,  II.  und  III.  Brust- 
wirbelbogen, VIII.  und  VII.  Rippe  (rechts),  rechtes  Schlüssel- 
bein. 

3)  Manubrium  sterni,  linker  V.  Rippenbogen. 

4)  Rechte  Schläfenschuppe,  rechtes  Orbitaldach,  rechte  VI. 
Rippe,  linker  Humerus. 

5)  Darmbein,  Kreuzbein,  Körper  der  Lendenwirbel,  rechte 
XI.  Rippe,  Hinterhauptschuppe. 

Danach  waren  Sitz  der  Metastasen  achtmal  Knochen  des 
Schädels  und  zwar: 

Imal  Stirnbein, 

2 mal  Hinterhauptschuppe, 

Imal  Schläfenbein, 

Imal  Scheitelbein, 

Imal  Keilbein  und  Nachbarschaft  (Schädelbasis), 

Imal  Orbitaldach, 

Imal  Unterkiefer, 
ferner : 

3 mal  das  Manubrium  sterni, 

2 mal  das  Darmbein, 

3 mal  die  Wirbelsäule, 


302 


Hermann  Hinterstoisser. 


4 mal  die  Rippen, 

Imal  der  Humerus. 

Sehr  bemerkenswert  ist  immerhin,  dass  gerade  das  Schädel- 
skelett relativ  so  häufig  Sitz  metastatischer  Carcinome  ist. 

Klaboch,  Ignatz,  37  Jahre  alt,  aus  Böhmen,  aufgenommen  an  die  Klinik 
Nothnagel  10.  IX.  1887 ; im  Juli  1883  stellte  sich  ziemlich  plötzlich  Doppelsehen 
ein,  das  einige  Wochen  mit  wechselnder  Intensität  andauerte ; gleichzeitig  nahm 
die  Sehkraft  des  rechten  Auges  ab , und  stellten  sich  Schmerzen  im  Kopfe  und 
in  der  Umgebung  des  rechten  Auges  ein ; im  Herbste  desselben  Jahres  liemerkte 
er  Abnahme  des  Gehörs  rechterseits  und  es  trat  allmählich  Unvermögen,  das  rechte 
Oberlid  zu  heben , auf.  Das  Auge  selbst  soll  damals  entzündet  gewesen  sein. 
Neben  den  sich  steigernden  Kopfschmerzen  kam  es  zu  Magenbeschwerden  und 
häufigem  Erbrechen.  Diese  Zustände  wiQirten  in  erträglichem  Grade  bis 
Januar  1887 , wo  heftiger  Kopfschmerz  und  Schwindelgefühl  ihn  veranlassten, 
das  Spital  aufzusuchen,  das  er  nach  14  Tagen  bereits  wieder  verliess,  nach- 
dem die  Beschwerden  sich  einigermassen  gebessert  hatten.  Im  September  kam 
er  wegen  neuerlicher  Steigerung  der  Kopfschmerzen  wieder  an  die  Klinik. 
Der  Hals  soll  seit  Beginn  der  Beschwerden  langsam  an  Umfang  zugenommen  haben. 

Status  praesens:  Bei  der  Inspektion  des  Gesichtes  fällt  vorerst  auf,  dass  das 
rechte  Oberlid  bis  zum  völligen  Lidschluss  herabhängt;  es  kann  nur  durch  Kon- 
traktion des  Frontalis  etwas  gehoben  werden.  Die  linken  Lider  aktiv  beweglich ; 
die  linke  Pupille  etwas  enger  als  die  rechte,  reagiert  sehr  wenig  auf  Licht  und 
auf  Accommodation.  Die  Bewegungen  des  linken  Bulbus  frei,  geschehen  jedoch 
sehr  träge.  Die  Sehkraft  sehr  stark  herabgesetzt.  Das  rechte  Auge  steht  in 
IMittellage,  ist  stark  prominent,  ist  nach  keiner  Richtung  aktiv  beweglich.  Pupille 
weit,  oval  mit  sagittalem  längeren  Durchmesser.  Reaktion  auf  Licht  und  Accommo- 
dation gleich  Null. 

Okulistischer  Befund : Rechts:  Lähmung  des  Oculomotorius,  Abducens 
und  Trochlearis.  Gesichtsfeld  nicht  eingeschränkt.  Perception  feinster  Farben- 
nuancen unsicher.  Links:  leichte  Parese  der  Augenmuskeln;  starke  Gesichts- 
feldeinschränkung. Pat.  hält  alle  Farben  für  gelb.  Beiderseits  Decoloratio  pap. 
N.  optici  ex  neuritide  descend.  — 

Rechterseits  leichte  Facialisparese ; Zunge  weicht  deutlich  nach  rechts 
ab;  eine  Zone  der  rechten  Gesichtshälfte  zwischen  Nasemllcken,  Jochbein  und 
Mundwinkel  ist  unterempfindlich;  Gehörsinn  beiderseits  herabgesetzt,  rechts  mehr 
als  links.  Geruchsinn  auffallend  stumpf. 

Neuralgie  des  nerv,  alveol.  superior  l)eiderseits.  — Hals  breit.  Schilddrüse 
namentlich  im  linken  Lappen  vergrössert,  hart,  höckerig.  LTnter  dem  linken 
Kopfnicker  eine  taubeneigrosse  Geschwulst  tastbar.  In  der  oberen  Brustgegend 
erweiterte  'N'enennetze.  Ausgesi)rochene  Arythmie  der  Herzaktion.  Pat.  klagt 
fortwährend  über  andauernde  heftige  Kopfschmerzen,  Schmerzen  in  der  Um- 
gebung des  rechten  Auges,  Schlaflosigkeit.  Nach  dreimonatlichem  Spitalsaufenthalte 
wird  Pat.  am  3.  Dezember  1887  wieder  entlassen,  nachdem  sich  die  genannten 
Beschwerden  unerheblich  gebessert  hatten. 

Im  Juli  1888  wurde  er  neuerlich  aufgenommen.  Das  subjektive  Wohl- 
befinden war  von  kurzer  Dauer  gewesen.  Schon  im  Februar  traten  wie<ler 
heftige  Kopfschmerzen  auf,  sowie  häufiges  Erbrechen.  Seit  Anfang  Juni  ist  <las 
Sehvermögen  auf  beiden  Augen  nahezu  ganz  erloschen.  Es  gesellten  sich  zu 
den  ül)rigen  Symptomen  Atemnot , intensiver  Husten  und  Schlingbeschwerden. 


Beitrüge  zur  Lehre  vom  »Schilddrüsenkrebs. 


303 


Pie  Kropfgeschwulst  ist  seit  2 Monaten  rapid  bis  auf  das  doppelte  des  früheren 
Umfangs  gewachsen.  Zugleich  magerte  Pat.  Zusehens  ab.  In  der  linken  reg. 
retromaxill.  findet  sich  eine  apfelgrosse  wenig  bewegliche  Geschwulst,  in  den 
Schlüsselbeingruben  sind  kleine  harte  Lymphdrüsen  tastbar.  Der  oben  an- 
gegebene Befund  unverändert;  hiezu  gesellte  sich  noch  Ptosis  am  linken  Auge. 

Okulistischer  Befund : Beiderseits  Atrophia  n.  opt. ; die  Papille  sehr  blass, 
sehnig  glänzend,  Gefässe  fadenförmig  kontrahiert. 

Venectasien  auf  der  vorderen  Brustwand  und  im  Gesichte;  namentlich 
ziehen  von  der  Nasenwurzel  nach  aufwärts  über  Stirn  und  Sebläfen  sich  ver- 
ästelnde ausgedehnte  Venen.  Es  besteht  ein  unablässiger  quälender  Husten  niit 
reichlichem  schleimig  eitrigem  Auswurf.  lieber  beide  Lungen  verbreitet  kon- 
sonierende,  Easselgeräusche.  Die  Einzelnheiten  der  übrigen  Leidensgeschichte 
des  Patienten  übergehe  ich. 

Einen  Monat  vor  dem  Ende  kam  cs  allmählig  zu  universellem  Hydrops 
und  rechtsseitigen  Hydrothorax.  Unter  fortschreitendem  Verfall  trat  am  2.  De- 
zember 1888  der  Tod  ein. 


Sektioiisbefimd. 

Kl  ab  och,  38  Jahre,  1888  Prot.  Nr.  17G9.  Körper  mittelgross,  abgemagert, 
von  scbmutziggelblichem  Kolorit,  hydroi^isch.  Linker  Bulbus  eingesunken,  rechter 
stärker  vorgewölbt.  Der  Hals  dick.  Schädeldach  mit  der  Dura  etwas  verwachsen, 
oval,  Gefässfurchen  tief.  Hirnsubstanz  sehr  weich.  Bei  Herausnahme  des  Ge- 
hirns erscheinen  die  beiden  N.  optici , besondei’s  der  linke  samt  dem  Chiasma 
über  eine  in  der  Gegend  der  Hypophysis  sich  verwölbende  Geschwulst  ausge- 
spannt, ungemein  abgeplattet,  zum  Teil  grau  durchscheinend.  Auch  beide  Oculo- 
motorii  ausgezerrt.  Der  rechte  seiner  grössten  Ausdehnung  nach  in  die 
Geschwulst  aufgenommen;  beide  Carotiden  in  ihren  Hirnanteilen  jolatt  gedrückt. 
Die  Geschwulst  nimmt  die  Gegend  des  ganzen  Keilbeinkörpers  ein,  breitet  sich 
nach  links  bis  an  das  mediane  Drittel  der  mittleren  »Schädelgrube  aus,  uinl 
nimmt  rechts  nahezu  die  ganze  mittlere  »Schädelgrube  ein,  erstreckt  sich  nach 
hinten  längs  des  Clivus  bis  an  die  vordere  Circumferenz  des  Foramen  occip. 
niagnum  und  umfasst  zum  Teil  auch  den  rechten  Rand  des  letzteren.  »Sie  ist 
allerseits  von  der  Dura  überzogen.  Zwischen  den  mittleren  Schädelgruben  er- 
scheint sie  im  allgemeinen  rundlich  auf  der  Oberfläche;  in  der  rechten,  mittleren 
Schädelgrube  sitzt  ihr  ein  walnussgrosser,  knorpelharter  Knoten  auf;  kleinere 
rundliche  weichere  Knoten  prominieren  an  der  vorderen  Circumferenz  dieses 
Anteiles  der  Neubildung.  Ueber  dem  Clivus  und  von  da  weiter  nach  abwärts 
ist  der  Tumor  flachhöckerig;  besonders  unter  dem  Chiasma  tritt  wieder  ein  halb- 
haselnussgrosser Knoten  ziemlich  scharf  umschrieben  bervor;  ein  über  erbsen- 
gi'osser  Knoten  steht  unmittelbar  daneben  nach  rechts  und  vorne  hin,  unter  der 
rechten  Carotis.  Die  Geschwulst  fühlt  sich  überall  ziemlich  weich  an,  fast  fluc- 
tnierend,  am  Erontalschnitte  zeigt  sich  durchwegs  das  Aussehen  des  Colloidkrojü- 
gewebes.  Die  Dura  erscheint  ziemlich  stark  vascularisiert  und  injiciert.  Im 
rechten  Anteil  der  hinteren  Schädelgrul)e  flache  Osteophytbildungen.  Der  rechte 
»Schläfenlappen  an  der  Basis  durch  die  Geschwulstmassen  tief  eingedrückt. 

Der  rechte  »Schilddrüsenlappen  ziemlich  klein,  blassgelb,  sebarf  begrenzt. 
Der  linke  Lappen  bedeutend  grösser,  die  Trachea  rechtshin  verdrängend,  ober- 
flächlich flachhöckerig,  derb,  am  Durchschnitt  rötlichgrau,  einen  trühen,  dick- 
lichen Brei  gebend,  im  Zentrum  eine  bohnengrosse  Stelle  fahlgelb,  trockener. 


304 


riennann  I liiiterstoisser. 


Die  Drüsen  der  linken  Halsseite  bis  an  den  proc.  niastoid.  bohnen-  bis 
hühnereigross,  Aveich,  ihre  Gewebe  Aveich,  AA'eiss,  einzelne  fast  zerfliessend,  auf 
dem  Durchschnitt  dieselbe  Struktur  zeigend  Avie  der  linke  Schilddrüsenlappen, 
Einzelne  kleinere  Drüsentumoi’en  eingelagert  zwischen  Oesophagus  und  Trachea; 
im  Bereiche  der  obersten  Trachealringe , soAAÜe  im  obersten  Pharynxanteile  und 
im  retropharyngealen  ZellgeAA'ebe  ziemlich  umfängliche  bis  an  die  Schädelbasis 
sich  erstreckende  GeschAvülste. 

In  beiden  Pleurahöhlen  je  IV2 — 2 liter  einer  blutig  serösen  Flüssigkeit. 
Der  Unterlappen  der  rechten  Lunge  A^ollständig  comprimiert,  klein,  luftleer,  der 
Oberlappen  A^oluminöser,  dichter.  Im  Parenchym  um  die  rechtsseitigen  Bronchien 
und  Gefässe  einige  graupigmentierte,  Aveisslich  rötliche  GeschAvülste,  zum  Teil 
in  das  Bronchiallumen  hineinragend  und  die  Gefässwandungen  durchbrechend. 
Die  mediastinalen  und  bronchialen  Lymphdrüsen  Avallnussgross , ebenfalls  A’on 
der  Textur  des  Schilddrüsentumors. 

Histologischer  Befund : Carcinoma  adenomatosum. 

Der  Knochentumor  zeigt  fast  durchAvegs  das  Bild  der  einfachen  Colloid- 
schilddrüse.  Die  Schilddrüsengeschwulst  selbst  hingegen  zeigte  neben  rein  ade- 
nomatösen GeAvebspartien  noch  das  Bild  des  medularen  Carcinoms, 

* iit 

0 

Enengl , Johann,  56  Jahre  alt.  (Klinik  Albert.)  (Klinische Diagnose:  Sarcoma 
durae  matris.)  Klin.  Prot.  XII  A’^om  5.  Febi'uar  1886. 

Neben  dem  rechten  Scheitelbeinhöcker,  nach  A'orn  bis  an  die  rechte  Kranz- 
naht reichend,  eine  9 cm  lange  und  4 cm  klaffende  SchnittAvunde  (Exstirpation 
des  Schädeltumors),  durch  Avelche  man  auf  einen  unregelmässig  grubig  A^ertieften, 
von  A^ereiterndem  Granulationsgewebe  überkleideten  SubstanzA^erlust  iles  Schädel- 
daches gelangt;  der  Knochen  von  einer  gelbrötlichen  Neubildungsmasse  substi- 
tuiert, die  A'on  feinen,  radiär  zur  Oberfläche  gestellten  Blättern  und  Spangen 
durchsetzt,  und  mit  der  Dura  innig  A^envachsen  ist,  beim  Ablösen  an  dieser 
teilweise  haften  bleibt.  In  der  Umgebung  des  Knotens  die  vitrea  geAvulstet, 
verdichtet,  zu  einem  Avarzig  blätterigen  Osteophyt  ausgeAvachsen.  Entsprechend 
der  beschriebenen  GeschAvulst  eine  flache  Depression  auf  der  KouA'exität  der 
rechten  Hemisphäre,  von  den  Centrahvindungen  auf  den  oberen  Scheitellappen 
reichend.  Beide  Schilddrüsenlappen  vergrössert,  über  hühnereigross,  tuberös-knollig, 
linker  Lappen  mit  seinem  Unterrand  hinter  das  IManubrium  sterni  reichend. 
Das  Parenchym  dieses  Lappens  in  grosser  Ausdehnung  scliAvielig  verdichtet, 
im  Centrum  ein  nussgrosser,  teihveise  zerfliesslicher,  erweichter  Knoten.  Vor 
diesem  ein  pflaumengrosser,  colloider,  unter  ihm  mehrere  kleinere,  miteinander 
confluierende  Knoten,  medullär  Aveich,  Aveiss,  von  undeutlich  acinöser  Struktur, 
medullären  Saft  gebend. 

Ein  Ast  der  Vena  thyreoidea  inferior  von  Aft-ermasse  vollständig  obturiert, 
Lungen  durchsetzt  von  kleinerbsengrossen,  Aveissrötlichen  Knoten.  Lymphdrüsen 
längs  der  Wirbelsäule  medullär  inliltriert.  Ein  Avallnnssgrosser  Knoten  am  An- 
sätze der  rechtsseitigen  ATI.  und  A"HI.  Rippe,  deren  Köpfchen  Avie  auch  die  Seiten- 
fläche des  A"H.  AVirbels  substituierend.  Die  Bogen  des  H.  und  IH.  BrustAvirbels 
substituiert  durch  dieselbe  Neubildungsmasse,  Avelche  hier  polsterartig  in  deji 
Wirbelkanal  vorspringt.  An  der  Symi)hys.  sacroiliaca  sinistra  ein  überAvallnuss- 
grosser  Kn(ffen,  der  halbkugelig  unter  dem  Psoas  am  Darmbeintoller  sich 
vorAVölbt,  die  Corticalis  substituiert  und  in  die  Si)ongiosa  eindringt. 


Beitrüge  zur  Lehre  vom  Schilddrüseukrebs. 


305 


Histologische  TJehersiclit. 

In  histologischer  Beziehung  hat  für  den  Schilddrüsenkrehs 
noch  immer  keine  einheitliche  Anschauung  Platz  gegriffen;  es  ist 
hier  nicht  der  Ort,  in  umfassender  Weise  die  Histogenese  und 
Histologie  dieses  Carcinoms  darzulegen.  Die  Enge  des  Raumes 
gestattet  nur  einen  oberflächlichen  Ueberblick. 

Vor  allem  müssen  wir  bei  Besprechung  der  Terminologie  des 
Scliilddrüsenkrebses  an  der  Analogie  mit  den  übrigen  Organcar- 
cinomen  festhalten.  Noch  Wölfl  er  unterscheidet  das  »alveoläre« 
Carcinom,  das  Cylinderzellencarcinom  und  das  Plattenepithel- 
carcinom.  Was  das  erstere  betrifft,  so  ist  seit  Waldeyer  genug- 
sam erkannt  und  erwiesen,  dass  der  Begriff  des  alveolären  Carci- 
noms um  so  mehr  zu  verwerfen  sei,  als  ja  jedes  Carcinom  zufolge 
i seiner  Zusammensetzung  aus  bindegewebigem  Stroma  und  einge- 
lagerten Epithelnestern  in  gewissem  Sinne  eine  alveoläre  Struktur 
besitzt. 

Was  schliesslich  das  Plattenepithelcarcinom  betrifft,  so  ist 
ebenso  thatsächlich  erwiesen,  dass  dieses  genetisch  mit  dem  Schild- 
drüsengewebe absolut  nichts  zu  thun  hat.  Das  primäre  Platten- 
epithelcarcinom der  Schilddrüse  ist  wohl  als  branchiogenes  Carci- 
nom aufzufassen. 

Wir  pflegen  im  allgemeinen  folgende  Formen  des  Schild- 
drüsencarcinoms  zu  unterscheiden,  welche  sämtlich  in  unserer 
Kasuistik  vertreten  erscheinen : 

I.  Das  Adenocarcinom  in  zwei  Formen: 

a)  das  Adenocarcinom  mit  teilweise  oder  grösstenteils  folli- 
kulärem Bau  und  mit  Colloidbildung,  einem  colloiden  Adenom 
ganz  ähnlich ; seltener  als  Primärtumor,  häufiger  in  den  Metastasen 
anzutreffen.  Die  Metastasen  bieten  auffallend  die  Charaktere  der 
colloiden  Struma  dar.  Diese  Form  ist  es,  welche  wir  namentlich 
in  den  metastatischen  Knochentumoren  häufig  antreffen;  sie  war 
es,  welche  den  Anlass  gab  zur  Aufstellung  des  malignen,  metasta- 
sierenden Adenoms  (Adenoma  destruens).  Die  Frage  des  malignen 
Adenoms  kann  heute  als  endgültig  entschieden  betrachtet  werden. 

I Nur  wenige  Autoren  halten  noch  daran  fest.  Würde  diese  Auf- 
i fassung  zu  Recht  bestehen,  so  müsste  das  Adenom  als  solches 
I aufhören,  eine  typische  Epithelialgeschwulst  zu  sein,  welche  ja 
I weder  die  Neigung  besitzt,  in  das  Nachbargewebe  infiltrierend 
I vorzudringen,  noch  auch  Metastasen  erzeugt;  während  doch  das 
sogenannte  maligne  Adenom  sich  in  Bezug  auf  Wachstumsenergi(', 
in  der  Art  des  Uebergreifens  auf  das  Nachbargewebe  und  in  Be- 

20 


306 


Henuann  Hinterstoisser. 


zug  auf  Metastasierung  in  keiner  AVeise  von  den  übrigen  Krebs- 
formen unterscheidet.  Mit  der  Neigung  zur  Metastasenbildung 
begeben  sich  ja  solche  Glesch wülste  des  Charakters  eines  Adenoms; 
die  physiologischen  Grenzen  ihrer  Entwicklung  sind  überschritten, 
sie  müssen  als  Carcinome  bezeichnet  werden,  wenn  nicht  fernerhin 
der  Begriff  des  Carcinoms  ein  undefinierbarer  sein  soll. 

b)  Das  cylinderzellige  Adenocarcinom,  Cylinderzellenkrebs,  ent- 
sprechend einem  Cylinderzellenadenom  (dessen  fragwürdige  Gut- 
artigkeit angezweifelt  wird) ; diese  Form  fand  sich  in  einzelnen 
unserer  Fälle  vertreten;  die  von  papillären  Cystadenomen  herzu- 
leitenden Carcinome  dieser  Gruppe  zeigten  namentlich  in  den 
Lungenmetastasen  die  schönsten  Bilder  reiner  Adenomentwickelung 
mit  reichen  papillären  AVucherungen. 

II.  Das  medulläre  Carcinom  der  Schilddrüse;  dasselbe  ist 
wohl  identisch  mit  AVölflers  »alveolärem  Carcinom«.  Das  medulläre 
Carcinom  stellt  die  häufigste  Form  des  Schilddrüsenkrebses  dar. 

III.  Das  fibröse  Carcinom ; relativ  selten ; bei  beiden  letzteren 
Formen  ist  der  medulläre  Charakter  der  Metastasen  vorherrschend, 
doch  können  die  Metastasen  auch  adenomartig  sein,  sei  es  dem 
entwickelten  Schilddrüsengewebe  oder  auch  den  Entwicklungs- 
formen der  Drüse  entsprechend. 

Schlussbemerkuiigeii. 

Nachdem  wir  im  Vorhergehenden  das  anatomische  A^erhalten 
des  Schilddrüsenkrebses  an  der  Hand  eines,  wenn  auch  nicht  all- 
zugrossen,  so  doch  mannigfaltigen  Materiales  darzustellen  ver- 
suchten, sei  es  uns  gestattet,  in  einzelnen  Schlussbemerkungen  das 
klinische  Gebiet  zu  streifen. 

In  dieser  ganzen  Reihe  von  Fällen  haben  wir  es  mit  einem 
Carcinom  zu  thun,  das  vor  allen  andern  ganz  vorzüglich  den  kli- 
nischen Charakter  der  Malignität  an  sich  trägt.  AVährend  aber 
in  den  klassischen  Fällen  die  Diagnose  klar  zu  Tage  liegt,  ist  in 
einer  Minderzahl  die  Sache  nicht  so  ganz  einfach,  indem  das 
Krankheitsbild  durch  den  Symptomenkomplex  seitens  metastatiscl» 
erkrankter  Organe  beeinflusst  und  beherrscht  wird,  während  der 
ursprünghche  Herd  hiedurch  dem  Beobachter  entgeht  und  der 
khnischen  Erkenntnis  verborgen  bleibt,  bis  ihn  die  Leichenöffnung 
aufdeckt.  Die  Diagnose  des  Schilddrüsenkrebses  bietet  namentlich 
in  den  frühen  Stadien  mitunter  die  allergrössten  Schwierigkeiten 
dar.  Man  hat  für  die  Erkenntnis  des  malignen  Kropfes  eine  Reihe 
beachtenswerter  Merkmale  angeführt,  wie:  Rapides  AVachstum 


Beitrüge  zur  Lehre  vom  Schilddrüsenkrebs. 


307 


einer  seit  Jahren  stationären  Struma;  Aenderung  in  der  Konsistenz, 
des  Aufbaues  derselben,  in  ihrem  Gefolge  auftretende  Neuralgien 
und  Parästhesien,  motorische  Schwächeerscheinungen  in  den  oberen 
Extremitäten,  Stauungserscheinungen  in  den  subcutanen  ^''enen 
von  Hals  und  Brust,  Fixierung  der  Nachbargebilde,  namentlich 
der  Kopfnicker  gegen  die  Struma  u.  dergl.  mehr.  Doch  treffen 
diese  Merkmale  wohl  nur  bei  einer  manifest  gewordenen  Struma 
maligna  zu,  während  die  frühzeitige  oder  besser  gesagt  rechtzeitige 
Erkenntnis  keineswegs  hiedurch  sehr  gefördert  erscheint;  und  um 
eine  möglichst  frühzeitige  Diagnose  handelt  es  sich  ja  hauptsäcli- 
lich,  wenn  überhaupt  ein  kurativer  Eingriff  in  Frage  kommt.  Als 
das  wichtigste  Merkzeichen  einer  bösartigen  Neubildung  dürfte, 
nach  der  übereinstimmenden  Ansicht  aller  Autoren,  die  plötzlich 
und  rapid  einsetzende  Wachstumszunahme  einer  bis  dahin  statio- 
nären Struma  sein.  Die  bestimmte  Diagnose  kann  im  Grunde  ge- 
nommen gar  nie  frühzeitig  genug  gestellt  werden.  Sahen  wir  doch 
aus  den  Sektionsbefunden,  dass  selbst  in  den  jüngsten  Stadien  der 
lokalen  Erkrankung,  wo  der  primäre  Tumor  noch  sehr  wohl  einer 
operativen  Behandlung  zugänglich  ist,  der  bösartige  Charakter 
dadurch  in  den  Vordergrund  tritt,  dass  zu  dieser  Zeit  häufig  schon 
entfernte  wie  benachbarte  Organe  infiziert  sein  können.  Ganz  be- 
sonders aber  wird  die  frühzeitige  klinische  Erkenntnis  durch  den 
Umstand  erschwert,  dass  das  Carcinom  in  der  Regel,  wenn  auch 
nicht  ausschliesslich,  in  einer  adenomatösen  Schilddrüse  auf  tritt. 
Es  ist  schlechterdings  unmöglich  zu  unterscheiden,  wann  ein  lange 
stationäres  Schilddrüsenadenom  seinen  gutartigen  Charakter  auf- 
giebt,  wann  die  Schilddrüsenepithelien  beginnen,  ein  atypisches 
Wachstum  über  die  physiologischen  Grenzen  hinaus  zu  entfalten. 
Und  gerade  dieses  Anfangsstadium  wäre  von  so  positiver  Wichtig- 
keit für  den  Chirurgen.  Es  muss  übrigens  hier  auf  den  wichtig- 
sten Umstand  hingewiesen  werden,  dass  die  Strumakranken  über- 
haupt im  allgemeinen  erst  dann  die  ärztliche  Hilfe  zu  suchen 
pflegen,  wenn  bereits  sehr  bedrohliche  Symptome  aufgetreten  sind. 
Die  unverantwortliche  Gleichgültigkeit  und  Indolenz  der  Strumösen 
ist  sattsam  bekannt,  ja  seit  alters  Gegenstand  des  Volkswitzes 
gewesen.  »Bis  jetzt  ist«,  wie  von  Winiwarter  (Beiträge  zur  Sta- 
tistik der  Carcinome)  sagt,  »der  Kropf  als  bösartige  Neubildung 
noch  nicht  populär  genug,  und  selbst  die  Todesfälle  durch  ganz 
gemeine  Schilddrüsenhyperplasien  sind  noch  nicht  zahlreich  genug, 
um  den  Kranken  zu  veranlassen,  eine  rasche  Vergrösserung  des 
, Blähhalses'  als  gefährlich  ansehen  zu  lassen.« 

Wäre  dies  nicht  der  Fall,  so  stünde  es  um  die  Erfolge  der 


308 


Hermann  Hinterstoisser. 


chirurgischen  Behandlung  des  Carcinoms  der  Schilddrüse  weit 
besser.  Die  vielseitige  Erfahrung  lehrt,  dass  eine  radikale  Ope- 
ration bei  einem  bereits  manifesten  Strumacarcinom  ganz  illu- 
sorisch sei.  Hingegen  sind  seltene  Fälle  verzeichnet,  wo  eine 
scheinbar  noch  gutartige  Struma  mit  dauerndem  Erfolge  entfernt 
worden,  deren  histologische  Untersuchung  die  carcinomatöse  Ver- 
änderung zur  Evidenz  nachgewiesen  hatte.  H.  Braun  (v.  Langen- 
becks  Archiv,  Bd.  28)  hält  diejenigen  Strumen  noch  für  die  radi- 
kale Exstirpation  geeignet,  »welche  noch  beweglich  und  vollstän- 
dig abgekapselt  sind,  die  oberhalb  des  Sternums  abgegrenzt 
werden  können,  an  deren  äusseren  Fläche  die  Pulsation  der  Carotis 
noch  zu  fühlen  ist  und  die  zu  keinen  Drüseninfiltrationen  geführt 
haben!«  Er  fährt  aber  gleich  fort:  »Tumoren  der  Schilddrüse, 
bei  denen  die  Verhältnisse  noch  so  günstig  liegen,  sind  kaum  als 
maligne  Neubildungen  zu  erkennen,  und  so  werden  denn  immer 
die  beabsichtigten  Exstirpationen  schlechte  Aussichten  für  einen 
andauernden  guten  Erfolg  bieten;  eher  wird  man  einen  solchen 
haben,  wenn  man,  in  der  Meinung  eine  einfache  Struma  zu  ent- 
fernen, zufällig  eine  maligne  exstirpierte. « Und  weiters  heisst  es 
ebenda:  »Wie  mir  scheint,  werden  wir  niemals  im  stände  sein,  die 
frühen  Stadien  maligner  Strumen  zu  diagnostizieren.«  Dieser  Satz 
gilt  auch  heute  noch  volhnhaltlich  zu  Recht. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  auf  die  mannigfachen  Schwierig- 
keiten bei  der  Exstirpation  einer  Krebsschilddrüse  näher  einzu- 
gehen. Sie  sind  je  nach  Umfang  und  Verwachsungen  der  Ge- 
schwulst in  der  Regel  ganz  erhebliche.  Von  unseren  Fällen  waren 
folgende  vorher  chirurgischen  Eingriffen  unterzogen  worden. 

Totalexstirpation  ist  in  unseren  Fällen  nur  zweimal  verzeich- 
net. Eine  Patientin  ging  nach  mehreren  Wochen  unter  den  Er- 
scheinungen der  Tetanie  zu  Grunde,  eine  zweite  Kranke  erlag  nach 
wenigen  Tagen  einer  bilateralen  Lobulärpneumonie. 

Halbseitige  Strumectomien  sind  in  fünf  Fällen  angeführt. 
Ein  Patient  erlag  vier  Wochen  p.  op.  einer  lobulären  Pneumonie 
(lokales  Recidiv  bereits  eingetreten,  multiple  Metastasen  in  der 
Lunge).  Nur  in  einem  Falle  lebte  der  Patient  zwei  Jahre,  während 
welcher  Zeit  sich  ausgebreitete  Metastasen  entwickelt  hatten. 
Ein  Kranker  starb  acht  Tage  p.  op.  an  lobulärer  Pneumonie.  Zwei 
andere  Patienten  starben  bald  nach  der  partiellen  Strumectomie 
an  derselben  Lungenkrankheit.  Die  lobuläre  Pneumonie  spielt 
überhaupt  bei  allen  Strumectomien  als  Todesursache  eine  gewich- 
tige Rolle. 

In  einem  Falle  wurde  bei  latent  gebliebener  Schilddrüsen- 


Beiträge  zur  Lehre  vom  Schilddriisenkreljs. 


3oy 

Erkrankung  ein  metastatischer  Tumor  des  rechten  Seitenwandbeins 
exstirpiert.  Der  Patient  erlag  einige  Wochen  später  einer  eitrig- 
jauchigen Zellgewebsentzündung. 

Weiterhin  wurde  bei  einem  Kranken  bei  latent  verbliebenem 
Schilddrüsencarcinom  das  Sternum  wegen  Geschwulstbildung  (kli- 
nische Diagnose:  Sarcoma  sterni)  exstirpiert.  Auch  dieser  Patient 
überstand  den  Eingriff  nur  wenige  Tage.  In  einem  Falle  wurde 
wegen  totaler  Kompression  des  Pharynx  und  Oesophagus  die 
Gastrostomie  vorgenommen.  Patient  ging  rasch  an  Inanition  zu 
Grunde.  Bei  einem  Kranken  wurde  der  dm*ch  das  Neubildungs- 
gewebe infiltrierte  und  stenosierte  Oesophagus  reseciert  (Fehldia- 
gnose auf  Carcinoma  oesophagi).  Der  Kranke  ging  an  seinen 
Metastasen  (Tumor  des  rechten  Ventrikels)  vier  Monate  nach  der 
Operation  zu  Grunde. 

In  den  Braun’schen  Tabellen,  welche  allerdings  Sarcome  und 
Carcinome  zusammenfassen,  finden  sich  die  Ergebnisse  von  34 
Strumectomien.  22  Fälle  starben  bald  nach  der  Operation.  12 
Fälle  überlebten  dieselbe  einige  Zeit.  Von  den  22  Fällen  starben 
vier  in  den  ersten  24  Stunden,  sieben  zwischen  dem  zweiten  und 
vierten  Tag,  fünf  zwischen  dem  fünften  und  neunten  Tag,  je  ein 
Fall  erlebte  den  zwölften  resp.  fünfzehnten  Tag,  zweimal  erfolgte 
der  Exitus  nach  vier,  einmal  nach  acht  Wochen,  ein  einem  letzten 
Falle  ist  die  Zeit  nicht  angegeben.  (Doch  wahrscheinlich  erfolgte 
der  Exitus  bald  nach  der  Operation.)  Die  übrigen  12  Fälle  starben 
! nach  späterhin  bis  zum  16.  Monate  auftretenden  Recidiven.  Unter 
74  letal  verlaufenen  Fällen  von  Struma  maligna  (Sarcom  und 
Carcinom)  fand  sich  in  14  Fällen  (18,9  ®/o)  Drüseninfektion  allein 
(regionär),  in  52  nebstdem  Metastasen  (70,2  Vo),  in  acht  Fällen 
l keinerlei  Nachbarinfektion.  Die  schlechten  Erfolge  der  Strumecto- 
mien sind  nach  Braun  bedingt  1)  durch  die  komplizierten  lokalen 
I Beziehungen  des  Tumors,  2)  durch  die  häufig  schon  vorhandene 
I Drüseninfektion  oder  Metastasierung  in  inneren  Organen,  3)  durcli 
die  späte  Stunde  des  Operatioiisaktes.  — Der  letzte  Punkt  ist  wohl 
der  massgebendste. 

Die  Absperrung  der  Blutzufuhr  zum  Tumor  durch  Ligatur 
sämtlicher  Arterien,  wie  sie  vor  einiger  Zeit  für  Strumen  von  ge- 
- wichtiger  Seite  wieder  in  Anregung  gebracht  worden  ist,  kommt 
bei  Carcinonien  der  Schilddrüsen  nicht  in  Betracht.  Da  die 
trachealen  Stenosenerscheinungen,  Erstickungsanfälle  und  Dyspnoe, 
hauptsächlich  das  Krankheitsbild  beherrschen,  so  möge  hier  noch 
einiges  bezüglich  der  palliativen  Tracheotomie  angeführt  werden. 
Kompression  der  Trachea,  des  Pharynx  oder  der  Bronchien,  sei 


310 


Hermann  Hinterstoisser. 


es  durch  den  primären  Tumor,  sei  es  durch  sekundäre  Geschwülste, 
treffen  wir  in  unseren  Fällen  25 mal  angeführt,  während  einfache 
Verdrängungen  ohne  Stenosierung  17  mal  verzeichnet  sind.  Von 
der  Zahl  von  22  Operierten  entfallen  12  Fälle  auf  die  palliative 
Tracheotomie.  Auf  die  mitunter  enorme  Schwierigkeit  der  Ope- 
ration und  deren  gefährliche  Folgeerscheinungen  sei  hier  nur 
nebenbei  hingewiesen.  Die  Patienten  überlebten  den  Eingriff,  der  j 
zudem  erst  in  den  Endstadien  der  Krankheit  vorgenommen  werden 
konnte,  nicht  lange.  Sieben  erlagen  nach  wenigen  Tagen  acci- 
dentellen  Lobulärpneumonien , drei  gingen  an  septischen  und 
phlegmonösen  Prozessen,  zwei  an  konsecutiver  eitriger  Mediastinitis 
zu  Grunde.  In  den  verfüglichen  Krankengeschichten  ist  häufig* 
auf  die  nur  sehr  kurz  dauernde  Erleichterung  der  dyspnoischen 
Beschwerden  hingewiesen.  Da,  wie  erwähnt,  die  Tracheotomie  erst 
in  sehr  späten  Stadien  zugelassen  wird,  so  sind  ihre  Resultate 
geradezu  abschreckend.  Die  Braun’schen  Tabellen  umfassen  im 
ganzen  17  Tracheotomiefälle.  Einmal  starb  der  Patient  noch  vor 
Vollendung  der  Operation;  zweimal  erfolgte  der  Tod  unmittelbar 
nach  der  Operation;  sechsmal  in  den  ersten  24  Stunden;  fünfmal 
in  der  Zeit  zwischen  dem  ersten  und  vierten  Tag ; zweimal  zwischen 
dem  vierten  und  achten  Tag  und  nur  einmal  erlebte  der  Patient 
den  zwölften  Tag.  Es  kommt  also  bei  der  palliativen  Tracheo- 
tomie auf  dasselbe  hinaus,  wie  bei  der  Exstirpation  des  Tumors. 

In  früher  Periode,  wo  die  Operation  selbst  durchführbar  und 
gefahrlos  ist,  kommt  der  Patient  nicht  zur  Behandlung,  in  späten 
Stadien  ist  der  Wert  derselben  ein  absolut  geringer.  Dennoch  \ 
werden  wir  oft  teils  durch  die  obwaltenden  Verhältnisse,  teils  i 
auf  Drängen  der  nach  dem  letzten  Rettungsanker  greifenden  j 
Patienten  gebieterisch  gezwungen,  diese  palhative  (!)  Operation  aus-  ' 
zuführen. 

I 

Verzeichnis  der  50  Fälle  von  Carcinom  der  Schilddrüse. 

1 Wiese,  Alois,  29  Jahre.  1882  Prot.  Nr.  705.  Adenocarcinoma  gl.  th. 
Rechte  Lunge  mit  erbsengrossen  Knoten , Leber  mit  einem  fanstgrossen,  central  | 
erweichten,  cystischen  Knoten.  Tumor  von  Faustgrösse  am  rechten  Stirnbein, 
mit  stachelförmigem,  in  denselben  hineinwucherndem  Osteophyt. 

2)  Kisch,  Fanny,  47  Jahre.  1882  klin.  Prot.  Nr.  138.  Pneumonia  lobular, 
post,  exstirp.  lob.  sin.  gland.  thyr.  carcinomatosae.  Laryngotomia.  Krebsige  In- 
filtration des  Zellgewebs  am  Halse.  Knoten  in  beiden  Lungen. 

3)  Brandstetter,  Anna,  52  J.  1882  Prot.  Nr.  920.  C.  medulläre  gl.  th. 
in  tracheam  tendens ; tracheotomia ; mediastinitis ; exsudatum  pleuriticum  purul. 

4)  Reichenbacher,  Marie,  72  Jahre.  1882  Prot.  Nr.  1471.  C.  gl.  th.  et  gl. 
lymphat.  colli  in  parietem  post,  pharyngis  et  in  Oesophagum  tendens,  suffocatio; 
gastrostomia  facta. 


Beiträge  zur  Lehre  vom  Schikldrüsenkrebs. 


311 


5)  Schneps  , -Moses,  ÜO  Jahre.  1882  Prot.  Nr.  1788.  Adenocarc.  gl.  th. 
et  gl.  lymph.  lat.  colli  et  mediastini,  tracheotomia. 

6)  Nahadil,  Katharina,  43  J.  1883  Prot.  Nr.  543.  C.  gl.  th.  Infiltration  des 
Oesophagus  und  der  Trachealwand. 

7)  Mikai,  Johann,  55  J.  1883  Pr.  Nr.  1249.  C.  medulläre,  subsequente 
t^tenosi  laryngis  per  compressionem.  Tumores  metastat.  glandul.  bronchial  et 
pulmonum. 

8)  Seifert,  Anna,  72  J.  1884  Prot  Nr.  748,  C.  gl.  th.  cum  compress. 
tracheae. 

9)  Stiene,  Marie,  51  J.  1884  Pr.  Nr.  1090.  Degen,  carc,  totius  gl.  th.  in 
trach.  et.  oesoph.  tendens,  subsequ.  carc.  pulmonum  et  renis  sin. 

10)  Schnelle,  Marie,  45  J.  1884  Pr,  Nr.  II  (klin.).  C.  gl.  th.  in  trach.  et 
venam  jugul.  commun.  sin.  tendens  usque  ad  atrium  dextr. 

11)  Bernhard,  Leopold,  47  Jahre.  1885  Pr.  Nr.  72.  C.  gl.  thyr.  cum 
compressione  tracheae.  Tracheotomia  C.  medulläre  pulmonum. 

12)  Dickmann,  Mischulin,  49  J.  1885  P.  Nr.  409.  C.  fibrosum  gl.  th.  c. 
compress.  trach.  Tracheotomia. 

13)  Payerhuber,  Aloisia,  40  J.  1880  P.  Nr.  739.  C.  gl.  th.  in  lobo  dextro 
Imjus  situm  c.  compress.  laryngis.  Carc.  metast.  pulmonum. 

14)  Bäumer,  Andreas,  42  J.  1880  Pr.  Nr.  1405,  C.  med.  gl.  thyr.  gland. 
lymph.  colli  in  musculos  et  in  venam  transvers.  scap.  dextr.  tend.  C.  med. 
secundarium,  miliare  pulmonum, 

15)  Ram,  Franz,  53  J.  1880  P.  Nr.  1491.  C.  gl.  th.  med.  C.  metast.  gl. 
lymph.  bronch.  et  substern.  et  pulmonum. 

10)  Leitgeb,  Barbara,  49  Jahre.  1880  P.  Nr.  1497.  C.  gl.  th.  medulläre 
subseq.  carc.  gl.  lymph.  colli  et  mediastini ; in  tracheam  et  venam  cavam  sup. 
tendens.  C.  pleurae  utriusque;  C.  cercbil. 

17)  Kargl,  Johann,  38  J.  1880  klin.  Prot.  Nr.  80.  C.  gl.  th.  medullär,  sub- 
seq. carc.  gl.  lymph.  colli  et  mediast.  Carc.  sec.  bronchi  dextr.  Phthisis  lob. 
sup.  pulm.  sin. 

18)  Enengl,  Johann , 50  J.  1880  klin.  Prot.  Nr.  12.  C.  lob.  sin.  gl.  th, 
(adenocarc.);  adenoma  partim  exstirpatum  ossis  parietalis  dextri,  adenoma  arcuum 
vert.  dors.  II  et  III  costae  YII  et  VIII  et  corp.  vert.  dors.  VII.  Aden.  oss.  ilei 
sin.  C.  pulrnon.  et.  gl.  lymph.  colli  etc. 

19)  Waschak,  Agnes,  02  J.  1887  P.  Nr.  231.  C.  gl.  th.  medull.  et  gl. 
lymph.  colli,  etc. 

20)  Goiauf,  Franz,  54  J.  1887  P.  Nr.  555.  C.  gl.  th.  medull.  gl.  lymph. 
colli,  pulmonum,  pleurae. 

21)  Willandter,  Gottfried,  05  J.  1887  Pr.  Nr.  708.  C.  gl.  th.,  pulmonum. 

22)  Ebensetder,  Paul,  54  J.  1887  Pr.  Nr.  1358.  C.  gl.  th.  in  tumore  ade- 
Uüinatoso  lobi  dextri  ortum.  C.  gl.  lymph.  colli  et  bronchial. 

23)  Frank,  Eduard,  00  J.  1887  P.  Nr.  1408.  C.  gl.  th.  medull.,  in  venam 
jugul.  commun.  dext.  et  anonymam  dextr.  tendens.  C.  pleurae,  pulmonum,  renis 
sin.,  C.  sinus  cavernosi  sin. 

24)  Wondraschka,  Anton,  48  J.  1887  P.  Nr.  1713.  C,  gl.  thyr.  d.  med. 
Strumectomia  ante  hebdom  IV;  Lokal  recidiv.  Carc.  gl.  lymjjh.  colli. 

25)  Wolf,  Adler,  50  J.  1887.  P.  Nr.  1747.  C.  cylindrocellulare.  gl.  th.  sin. 
in  tracheam  et  oesoph.  tendens.  C.  secund.  gl.  lym))h. ; C.  metastaticum 
cylindrocell.  pulmonum,  bronchos  quosdam  occludens  subseq.  bronchiectasiis. 


312 


Hermann  Hinterstoisser. 


26)  Prohaska,  Marie,  34  J.  1887.  klin.  P.  32,  Adenocarc.  gl.  th.  subseq. 
care,  ossis  parietalis  dextr.  partim,  orbitae,  ossis  frontalis  dext.  costae  VI  dextr., 
oss.  hnmeri  sin. 

27)  Tanczos,  Andreas,  56  J.  1888  P.  Nr,  1507.  C.  med.  gl.  thyr.  C.  gl. 
lympb.  mediastini,  pulmonum. 

28)  Fiscbl,  Gottlieb,  42  J.  1888  P.  Nr.  104.  Adenocarc,  gl.  th.  sin,  gl. 
lympb.  colli,  C.  pulmonum,  Tumor  adenoides  ossis  ilei  dextr.,  Carcinomatosis 
ossis  ilei  sin.  durae  matris  et  cranii,  infiltratio  carcinomatosa  oss.  sacri. 

29)  Josefa  Schindel,  54  J.  1888  P.  Nr.  1553.  C.  medull.  gl.  th.  gl.  lympb. 
colli  et  mediast.,  C.  pleurae,  pulmonum.  Exstirj^atio  gl.  thyr.,  Tracheotomia. 

30)  Klabocb,  Ignatz,  38  J.  1888  P.  Nr.  1769.  Adenocarc.  gl.  thyr.,  gl. 
lympb.  colli,  bronchial.,  pulmonum,  Adenocarc.  baseos  cranii. 

31)  C'Zibulka,  Franziska,  40  J.  1888  klin.  Prot.  29.  C.  med.  gl.  th.  C.  gl. 
lymph,  colli,  axillarium,  retroperitonealium,  C.  sec.  puhnon. 

32)  Eigl,  Barbara,  52  J.  1888  P,  Nr.  1396.  C.  med.  gl.  th.  Cum  me- 
tastas.  gl.  lymph.,  pleurae,  pulmonum,  hepatis,  et  renum. 

33)  Scheidl,  Johann,  60  J.  1888  23  XII.  C.  medull.  gl.  thyr.  cum  me- 
tastas.  gl.  lymph.  colli  et  mediast,  et  pulmonum. 

34)  Schober,  Marie,  35  J.  1888  Prot.  Nr.  690.  C.  gl.  th.  med.  C.  gland. 
lymph.  colli  et  trachealium. 

35)  Stanjura,  Jakob,  59  J.  1888  P.  Nr.  1441.  C.  gl.  th.  gl.  lymph.  colli, 
mediast.,  C.  puhnon.  et  hepatis. 

36)  Wolf,  Franz,  40  J.  1889.  P.  Nr.  415.  Adenocarcinoma  lobi  dextr.  gl. 
th.  cum  adenomate  maxillae  inf.  sin.  C.  gl.  lymph.  colli,  mediast.,  pulmonum. 

37)  Tölg,  Mathias,  39  J.  1889  P.  Nr.  1066.  C.  medull.  gl.  th.  et  gl.  lymph. 
colli  et  mediastini,  jnilmonum,  pleurae. 

38)  Bahner,  Anna,  34  J.  1889  P.  Nr.  1797.  C.  fihrosum  gl.  th.  ad  isthmum, 
Care,  cerehri  multiplex  cum  usura  cranii. 

39)  Ehrenhöfer,  Jakob,  39  J.  1889  P.  Nr.  1969.  C.  med.  gl.  th.  in  tracheam 
com]Dressam  tendens,  C.  gl.  lymph.  colli,  mediast. 

40)  INIarie  Wallner,  67  J.  1890  P.  Nr.  240.  C.  med.  gl.  th.  (Totalexstirp.). 
C.  metast.  pulmonum. 

41)  Stöger,  Andreas,  53  J.  1890  P.  Nr.  493.  C.  gl.  th,  in  Venam  anonym, 
sin.  tendens.  Phthisis  tuherculosa  puhnon. 

42)  Zenz,  Franz,  32  J.  1890  P.  Nr.  724.  Anaemia  post,  exstirp,  manubrii 
sterni.  adenomate  cystico  gl.  th.  substituti.  Adenomata  gl.  th.  multiplicia.  (Adeno- 
carcinoma.) 

43)  Winkler,  Josef,  31  J.  1890  P.  Nr.  1160.  Adenocarc.  gl.  th.  in  ven. 
anon.  sin.  tendens  subseq.  embolia  puhnon.,  cum  carcinomate  metastico  pul- 
monis  utriusque. 

44)  Stahl,  Josef,  50  J.  1890  P.  Nr.  1207.  C.  gl.  th.  medull.  C.  secund. 
pulmon.  sin.  Stenosis  tracheae  ex  infiltratione  hujus. 

45)  Hell,  Marie,  65  J.  1890  P.  Nr.  1416.  C.  gl.  th.  sin.  medulläre  cum 
compress.  Oesoph.  C.  gl.  lymph.  colli,  C.  sec.  puhnon.  sin. 

46)  Appensteiner,  Ignaz,  64  J.  1890  P.  Nr.  1597.  C.  fibrös,  gl.  th.  in 
tracheam  tendens.  C.  gl.  lymph.  colli. 

47)  Steiner,  Rosalia,  77  J.  1891  P.  Nr.  483.  C,  gl.  th.  medull.  carc.  gl. 
lymph.  bronchialium  et  pulmonum.  Metastat.  inultipl.  cerebri. 


Beiträge  zur  Lehre  vom  Schilddrüseiikrebs. 


313 


48)  Irmler,  iNIagdalena,  53  J.  1891  P.  Nr.  G44.  C.  medull.  gl.  thyr.  dextr. 
C.  sec.  cordis,  cum  pericarditide  haemorrliagica.  Resectio  oesophagi  ante  mens, 
quatuor  facta. 

49)  Linke,  Marie,  55  .1.  1891  P.  Nr.  G71.  Adenocarc.  gl.  th.  dextr.  enorme, 
metastases  hemisphaeriae  dextr.  cum  oedemate  cerebri  et  bydrocepb.  interne. 

50)  Heiderer,  Therese,  59  J.  1891  P.  Nr.  1571.  Adipositas  cordis,  exstir- 
patio  gl.  tbyr.  dextr.  partim  retropbaryngealis  propter.  carc.  med.  Resectio  nervi 
recurr.  C.  gl.  lymph.  colli. 


Ueber  die  eigentlichen  Sehnerventumoren 
und  ihre  chirurgische  Behandlung 

von 

Prof.  H.  Sattler  in  Leipzig. 

Mit  Tafel  VII. 


Für  die  chirurgische  Behandlung  der  Orbitalgeschwülste  ist 
die  Entscheidung  von  Wichtigkeit,  ob  dieselben  ausserhalb  oder 
innerhalb  des  Muskeltrichters  gelegen  sind,  d.  h.  jenes  trichter- 
förmigen, von  den  Muskelbäuchen  der  vier  geraden  Augenmuskeln 
unvollständig  umschlossenen  Raumes,  dessen  Basis  am  Augapfel 
und  dessen  Spitze  am  Foramen  orbitale  des  Canalis  opticus  sich 
befindet.  Diese  Entscheidung  ist  in  der  Regel,  selbst  bei  beträcht- 
licher Grösse  der  Geschwulst,  ohne  besondere  Schwierigkeit  zu 
treffen. 

Die  Sehnerventumoren  rangieren  natürlich  unter  den  Ge- 
schwülsten innerhalb  des  bezeichneten  Raumes.  Aber  auch  bei 
den  unter  dem  Namen  der  Sehnerventumoren  zusammengefassten 
Orbitalgeschwülsten  ist  es  vom  pathologisch-anatomischen  Stand- 
punkte unerlässlich  und  vom  klinischen  in  mehr  als  einer  Be- 
ziehung von  entschiedener  Wichtigkeit,  zu  differenzieren,  ob  sie 
von  Bestandteilen  des  Sehnervenstammes  selbst,  beziehungsweise 
den  ihn  zunächst  umschliessenden  Scheiden , insbesondere  der 
Arachnoidealscheide  ausgegangen  und  somit  innerhalb  der  Dm’al- 
scheide  des  Sehnerven  gelegen  sind  und  von  letzterer  nach  aussen 
begrenzt  werden,  oder  aber  ob  sie  von  der  äusseren  Scheide,  bzw. 
dem  an  dieselbe  sich  anschliessenden,  lockeren  Zellgewebe  entsprun- 
gen, den  Sehnerven  bloss  umschliessen  und  sich  frei  im  Muskel- 
trichter ausbreiten,  denselben  erweiternd  und  schliesslich  durch- 


Üeb.  die  eigentlichen  Sehnerventumoren  u.  ihre  chirurgische  Behandlung. 

brechend.  Nur  die  ersteren  dürfen  als  Sehnervengeschwülste  ini 
strengeren  Wortsinne  angesprochen  werden  und  nur  diese  sind  es, 
welche  den  Gegenstand  dieser  Abhandlung  bilden  sollen. 

Es  braucht  kaum  besonders  hervorgehoben  zu  werden,  dass 
wir  hier  nur  den  primären  Sehnerventumoren  unsere  Aufmerksam- 
keit zuwenden  werden  und  von  jenen  absehen,  welche  im  Innern 
des  Bulbus  ihren  Ausgang  nehmend  auf  den  Sehnervenstamm 
und  seine  Scheiden  übergreifen  (Aderhautsarkome,  Gliosarkome 
der  Netzhaut).  Auch  die  äusserst  seltenen  Fälle  von  Carcinom- 
inetastase  im  Sehnerven  (Krohn  18  ’) , Elschnig  86  -)  lassen  wir 
hier  beiseite.  Des  merkwürdigen  und  höchst  vereinzelten  Vor- 
kommens tuberkulöser  Geschwulstbildung  im  Sehnerven  und  seinen 
Scheiden  (H.  Chiari  35,  H.  Sattler  36,  Cirincione  84)  sei  nur 
insoferne  hier  Erwähnung  gethan,  als  das  klinische  Bild  mit 
dem  der  eigentlichen  Sehnerventumoren  in  mancher  Beziehung 
übereinstimmt. 

Ich  will  zunächst  die  von  mir  selbst  beobachteten  Fälle  be- 
schreiben und  dann  auf  Grund  der  sich  daraus  ergebenden  Er- 
fahrungen und  Befunde  und  mit  Berücksichtigung  der  verwert- 
baren Fälle  aus  der  Litteratur  eine  allgemeine  Charakteristik  der 
eigentlichen  Sehnerventumoren  in  anatomischer  und  klinischer 
Beziehung  zu  geben  versuchen, 

I.  Fall.  Ein  3 Jahre  altes,  sonst  völlig  gesundes  und  normal 
entwickeltes  Mädchen,  Grethe  R.,  wurde  mir  am  11.  Januar  1892 
mit  der  Klage  zugeführt,  dass  das  Kind  seit  Jahr  mit  dem 
rechten  Auge  schiele.  Seit  ungefähr  */4  Jahr  sei  das  Auge  etwas 
mehr  aus  seiner  Höhle  hervorgetreten  und  habe  sich  die  Vor- 
treibung allmählich  immer  mehr  gesteigert.  Ueber  Schmerzen 
habe  das  Kind  dabei  nie  geklagt.  Dass  es  auf  dem  betreffenden 
Auge  blind  sei,  haben  die  Eltern  erst  bei  unserer  Untersuchung 
erfahren.  Seit  dem  Zahnen  hat  das  Kind  öfters  an  Luftröhren- 
katarrhen gelitten  und  einige  IMale  Krämpfe  gehabt.  In  der 
Familie  war  eine  ähnliche  Erkrankung  nie  vorgekommen. 

Das  linke  Auge  ist  in  jeder  Beziehung  normal.  Das  rechte 
war  beträchtlich  nach  vorn  und  gleichzeitig  etwas  nach  unten 


’)  Metastatisches  Carcinom  im  vorderen  xVbschnitte  des  Zwischenscheiden- 
raumes beider  n.  optici,  entlang  den  Septen  in  den  Nervenstamm  sich  fort- 
setzend, nach  carcinoniatöser  Degeneration  der  Ovarien  bei  einer  SOjähr.  Frau. 

^ Metastatisches  Carcinom  im  intracraniellen  Teile  des  Sehnerven  zwischen 
Chiasma  und  Canalis  opticus  hei  einem  4.3jähr.  Manne  nach  Carcinom  der  rechten 
Niere.  Es  fanden  sich  ausserdem  noch  metastat.  Herde  in  den  Lungen,  der 
Pleura,  den  retroperiton.  Drüsen  und  der  linken  Niere. 


316 


II.  Sattler. 


verlagert.  Die  Lider  konnten  leicht  darüber  geschlossen  werden. 
Die  Beweglichkeit  des  Augapfels  war  nach  allen  Richtungen  frei, 
nur  nach  innen  zu  weniger  ausgiebig.  Die  Conjunctiva  bulbi  war 
etwas  stärker  injiciert,  die  Cornea  in  jeder  Beziehung  normal, 
ebenso  die  Iris ; die  Pupille  reagierte  prompt  synergisch,  bei  Ver- 
schluss des  linken  Auges  aber  gar  nicht  auf  Licht  und  Dunkel. 
Die  vordere  Kammer  war  von  normaler  Tiefe ; die  flüssigen  Medien  er- 
schienen vollkommen  klar.  Die  ophthalmoskopische  Untersuchung 
ergab  das  Bild  einer  ausgeprägten  Papillitis ; die  Schwellung  des 
Sehnervenkopfes  erstreckte  sich  aber  nicht  nennenswert  über  die 
Papille  hinaus.  Dieselbe  war  von  trüb  weisser  Farbe,  radiär 
streifig ; Blutungen  waren  nirgends  zu  sehen.  Die  Gefässe  auf  der 
Papille  waren  geschlängelt,  in  ihrer  Füllung  aber  nicht  wesentlich 
vom  gewöhnlichen  Verhalten  abweichend,  namentlich  die  Venen 
nicht  nennenswert  verbreitert. 

Der  Versuch,  den  Augapfel  nach  rückwärts  zu  drängen,  schien 
keine  Schmerzempfindung  hervorzurufen.  Dass  die  Lichtempfindung 
auf  diesem  Auge  erloschen  war,  wurde  schon  erwähnt. 

Der  gesamte  Symptomencomplex,  sowie  die  anamnestischen 
Daten  sprachen,  wie  weiter  unten  des  Näheren  auseinandergesetzt 
werden  soll,  für  eine  vom  Sehnerven  ausgehende  Geschwulst.  Es 
wurde  daher  mit  einem  hohen  Grade  von  Zuversicht  die  Diagnose 
auf  einen  gutartigen,  auf  die  Orbita  beschränkten  Tumor  nervi 
optici  gestellt  und  die  Exstirpation  mit  Erhaltung  des  Augapfels 
beschlossen  und  am  12.  Januar  ausgeführt. 

In  Chloroformnarkose  wurde  die  Conjunctiva  bulbi  über  der  In- 
sertion des  Muse,  rectus  internus  in  vertikaler  Richtung  durchtrennt, 
die  Sehne  wurde  freigelegt,  auf  den  Schieihacken  genommen  und 
mit  zwei  Fadenschhngen  versehen,  zwischen  welchen  sie  nun  durch- 
schnitten werden  konnte.  Nun  wurde  die  Conjunctiva  bulbi  und 
die  Tenon’sche  Kapsel  noch  in  weiterer  Ausdehnung  durchtrennt 
und  der  Bulbus  mittels  der  nächst  der  Insertion  angelegten  Faden- 
schlinge stark  nach  aussen  rotiert.  Man  konnte  nun  mit  dem 
Finger  dem  Augapfel  entlang  in  den  Muskeltrichter  eindringen 
und  stiess  auf  eine  glatte,  umschriebene,  ziemlich  pralle  Geschwulst, 
welche  sich  bis  in  die  Sj)itze  des  Muskeltrichters  hinein  erstreckte. 
Hier  wurde  sie  nun  knapp  am  Foramen  opticum  mit  einer  starken, 
gekrümmten  Schere  durchtrennt.  Nun  liess  sich  die  Geschwulst 
ziemlich  leicht  hervordrängen,  wobei  die  Insertion  des  Nervus  op- 
ticus am  Bulbus  sichtbar  wurde.  Diese  wurde  nun  rasch  durch- 
schnitten, die  Geschwulst  völlig  herausbefördert,  der  Bulbus  in  die 
Orbita  zurückgedrängt  und  der  Rectus  internus  mittels  der  Faden- 


Ueb.  die  eigentlichen  Selinerventumoren  u.  ihre  chirurgische  Behandlung.  317 

schlinge  wieder  angenälit.  Während  dieser  Manipulation,  sowie 
während  der  Vereinigung  der  Conjunct.  bulbi  durch  mehrere  Hefte 
wurde  der  Augapfel  durch  den  Assistenten  zurückgedrängt  erhalten 
und  zuletzt  wurde  ein  fester  Druckverband  angelegt.  Die  Blutung 
war  eine  ziemlich  beträchtliche,  jedoch  nicht  stärker,  als  bei  der 
einfachen  Neurectomia  opticociliaris. 

Mit  Ausnahme  einer  mässigen  Temperatursteigerung  an  den 
zwei  ersten  Tagen  nach  der  Operation  war  der  Verlauf  fieberfrei. 

Der  anfangs  ziemlich  starke  Exophthalmus  begann  vom 
zwölften  Tage  an  sich  allmähhch  zurückzubilden  und  war  am  3.  März 
nahezu  ganz  geschwunden.  Die  Cornea  war  in  den  ersten  Tagen 
matt  und  leicht  diffus  getrübt.  Ihre  Empfindlichkeit  war  auf- 
gehoben, die  Pupille  erschien  erweitert,  starr  und  entrundet,  indem 
die  Iris  auf  der  inneren  Seite  auf  einen  äusserst  schmalen  Saum 
reduciert  war. 

Am  24.  Januar,  als  die  anfängliche  Schwellung  der  Lider 
zurückgegangen  war,  sah  man,  dass  das  obere  Lid  herabhing  und 
nicht  gehoben  werden  konnte.  Die  Bewegungen  des  Bulbus  waren 
nach  allen  Seiten  beschränkt.  Die  Cornea  ist  soweit  klar  gewor- 
den, dass  man  eine  ophthalmoskopische  Untersuchung  vornehmen 
konnte.  Doch  war  dieselbe  durch  die  Unruhe  des  Kindes  sehr 
erschwert.  In  der  Gegend  der  Papille  sah  man  einen  unregel- 
mässig begrenzten,  verwaschenen,  weisslichen  Fleck.  In  der  Peri- 
pherie war  der  Augengrund  rot  und  waren  auch  Netzhautgefässe 
deutlich  wahrzunehmen. 

Am  3.  März  hatte  sich  die  Ptosis  etwas  gebessert.  Der  Bul- 
bus war  etwas  nach  einwärts  abgelenkt,  nach  den  Seiten  nur 
wenig,  nach  oben  und  unten  etwas  besser  beweglich,  die  Pupille 
war  noch  weit  und  verzogen.  Die  Grenzen  der  Sehnervenpapille 
erschienen  deutlicher.  Es  gingen  einzelne  weisse  Streifen  von 
ihr  aus;  in  der  Peripherie  waren  auch  blutgefüllte  Netzhautgefässe 
zu  erkennen.  In  der  Umgebung  der  Papille  fanden  sich  einige 
Pigmentflecke,  wohl  von  früheren  Extravasaten  herrührend.  In 
letzter  Zeit  hatte  die  kleine  Patientin  öfters  über  Kopfschmerzen 
geklagt. 

Als  ich  das  Kind  vor  einigen  Tagen,  also  ein  halbes  Jahr 
nach  der  Operation  wiedersah,  erschienen  die  Lider  normal  be- 
weglich, der  Augapfel  tiefer  liegend  und  deutlich  kleiner  als  der 
andere.  Der  vertikale  Durchmesser  der  Hornhaut  beträgt  etwa  8, 
der  horizontale  9 mm.  Unterlialb  der  Mitte  der  Cornea  zieht 
ein  schmaler  grauer  Streifen,  ein  klein  wenig  über  die  Oberfläche 
prominierend,  quer  über  dieselbe  hinübei’.  Die  vordere  Kammer 


318 


H.  Sattler. 


ziemlich  seicht;  die  Iris  in  ihrem  äusseren  Anteile  stärker  mit  Blut 
gefüllt;  die  Pupille  fast  schlitzförmig,  nach  innen  verzogen.  Der 
Bulbus  ist  weniger  gespannt,  gegen  Druck  nicht  empfindlich;  er 
steht  in  starker  Konvergenzstellung  und  macht  die  Bewegungen 
des  andern  Auges  nur  in  ganz  geringem  Grade,  nach  links  hin 
gar  nicht  mit.  Durch  die  Pupille  ist  mit  dem  Augenspiegel  nur 
ein  leicht  grauer  Reflex  zu  bekommen.  Das  linke  Auge  ist  in 
jeder  Beziehung  normal  und  das  Kind  blühend  und  munter. 

Die  exstirpierte  Geschwulst,  an  Grösse  und  Gestalt  einem 
Taubenei  ungefähr  vergleichbar,  mass  18  mm  in  der  Länge  und 
hatte  in  der  grössten  Breite  einen  Durchmesser  von  19  mm.  Sie 
war  von  mässig  weicher  Konsistenz,  in  geringem  Grade  elastisch, 
an  der  Oberfläche,  nach  Ablösung  einzelner  anhaftender  Gewebs- 
fetzen,  glatt  und  von  einer  festen,  bindegewebigen  Scheide  all- 
seitig umschlossen.  Aus  den  beiden  Polen  der  Geschwulst  gehen, 
wie  sofort  ersichtlich,  die  durchschnittenen  Opticusenden  hervor. 
(Fig.  1.)  Das  hintere  hat,  mit  den  Scheiden  gemessen,  einen 
Durchmesser  von  8 mm  und  ist  etwas  nasalwärts  gewendet.  Das 
vordere,  temporalwärts  gekehrte  Ende  gehört  dem  zwischen  Bul- 
bus und  der  eigentlichen  Geschwulst  befindlichen,  an  der  Durch- 
schnittsstelle 6 mm  breiten,  kurzen  Sehnervenstiele  an,  welcher  mit 
starker,  knieförmiger  Biegung,  an  der  temporalen  Seite  allmählich, 
an  der  nasalen  mehr  plötzlich  in  den  Tumor  übergeht. 

Legt  man  in  horizontaler  Richtung  einen  Längsschnitt  so 
durch  die  Geschwulst,  dass  derselbe  annähernd  durch  die  Mitte 
des  vorderen  und  hinteren  Sehnervenendes  hindurch  geht  (Fig.  2), 
so  überzeugt  man  sich,  dass  der  dem  Sehnerven  entsprechende 
Strang  den  ganzen  Tumor  von  vorn  nach  hinten  durchsetzt,  wo- 
bei er  die  dem  normalen  Sehnerven  zukommende  S förmige  Krüm- 
mung in  der  horizontalen,  sowie  in  der  vertikalen  Richtung  bei- 
behalten hat,  erstere  in  seinem  vorderen  Anteil  allerdings  etwas 
übertrieben.  Bei  c senkt  sich  der  Strang  unter  das  Niveau  der 
horizontalen  Schnittebene.  Durch  grauliche  Farbe,  matten  Glanz 
und  eine  deutliche,  zarte  Längsstreifung  hebt  sich  derselbe  un- 
verkennbar von  seiner  Umgebung  ab,  gegen  welche  er  überdies 
durch  eine  schmale,  dichtere,  weisse  Gewebschicht  abgegrenzt 
wird,  die,  wie  leicht  zu  erkennen  ist,  der  Pialscheide  des  Sehner- 
ven entspricht. 

Der  übrige,  die  Hauptmasse  der  Geschwulst  ausmachende 
Anteil  zeigt  gegen  den  axialen  Strang  sowohl  als  gegen  die  äussere 
Oberfläche  zu  ein  etwas  dichteres  Gefüge  und  gelblichweisses  Ko- 
lorit; die  dazwischen  hegende  Partie  dagegen  hat  mehr  das  Aus- 


Ueb.  die  eigentliclien  .Sehnerventumoren  u.  ihre  chirurgische  Behandlung.  319 

sehen  eines  Schwammes,  dessen  kleine  und  kleinste  Lücken  durch 
eine  fast  farblose,  durchscheinende,  ein  wenig  über  die  Schnitt- 
fläche hervorquellende  Substanz  ausgefüllt  erscheinen.  (Siehe  Fig. 

2 und  3.) 

Nachdem  das  Präparat  kurze  Zeit  in  der  Pikrin-Schwefelsäure- 
Mischung  gelegen  und  dann  in  Alkohol  in  steigender  Konzen-  , 
tration  gehärtet  worden  war,  wurden  in  verschiedenen  Höhen 
Serien  von  Quer-  und  Längsschnitten  durch  die  Geschwulst  angelegt. 

Wir  werden  bei  der  Darstellung  des  mikroskopischen  Befun- 
des hier,  sowie  bei  den  folgenden  Fällen  das  Verhalten  des  Seh- 
nervenanteils und  des  Scheidenanteils  gesondert  behandeln.  Ersterer 
hat  auf  einem  Querschnitt  durch  das  ßulbusende  des  Sehnerven- 
stiels einen  Durchmesser  von  3 mm,  also  ungefähr  ebensoviel,  als 
der  normale  Sehnerv  im  gleichen  Lebensalter.  Auch  erscheint  die 
gröbere  Architektonik  desselben  nicht  nur  hier,  sondern  durch  den 
ganzen  Strang  bis  zum  hinteren  Schnittende  nicht  verändert. 
Bindegewebssepten,  die  Träger  der  Kapillaren  und  kleineren  Ge- 
fässe,  durchziehen  der  Länge  nach  und  mit  zahlreichen  queren 
und  schrägen  Verbindungsstücken  den  Strang  und  setzen  sich  im 
vordersten  Teile,  der  noch  die  Centralgefässe  enthält,  in  bekannter 
Weise  mit  der  Bindegewebshülle  derselben  in  Verbindung.  Sie 
sind  nicht  hypertrophiert,  sondern  im  Bereich  des  Tumors  eher 
ärmer  an  fibrillärem  Bindegewebe.  Die  Felder  zwischen  den  Sejv 
ten,  welche  im  normalen  Nerven  von  den  markhaltigen  Fasern 
und  der  zarten  Neuroglia  eingenommen  werden,  zeigen  al)er  sehr 
wesentliche  Veränderungen.  Von  markhaltigen  Fasern  ist  keine 
Spur  mehr  vorhanden.  Statt  ihrer  findet  man  feine,  ziemlich 
stark  lichtbrechende  Fasern,  welche  der  Hauj^tmasse  nach,  in 
Bündeln  geordnet,  den  Opticusstrang  in  longitudinaler  Richtung 
durchziehen.  Nur  in  den  ersten  Querschnitten  vom  vorderen  Ende 
desselben  lässt  sich  noch  stellenweise  eine  Andeutung  des  feinen 
Gitterwerks  der  Neuroglia  erkennen  mit  ovalen  Kernen,  die  sicht- 
lich an  Zahl  zugenommen  haben.  Ausserdem  findet  man  aber 
feinste,  kernhaltige  Fasern  in  den  verschiedensten  Richtungen  vom 
Schnitte  getroffen.  Vorwiegend  haben  sich  diese  auch  hier  schon 
in  der  Längsrichtung  angeordnet.  Etwas  näher  gegen  den  Tumor 
zu  und  innerhalb  des  letzteren  selbst  bieten  Querschnitte  und 
Längsschnitte  überall  ein  übereinstimmendes  Bild.  Die  Septen 
sind  hier  weiter  auseinander  gerückt,  bezw.  die  Räume  zwi.schen 
denselben  verbreitert,  stellenweise  bis  auf  das  Doppelte  des  Nor- 
malen. Dementsprechend  hat  der  ganze  Strang  an  Dicke  zugenom- 
men, auf  4,8  bis  5,5  mm.  Der  grössere  Teil  der  Felder  zwischen 


320 


II.  Sattler. 


den  Septen  ist  von  feinen,  leicht  welligen,  der  Länge  nach  ver- 
laufenden Fasern  ausgefüllt,  welche,  in  verschiedener  Höhe  läng- 
lichovale Kerne  tragend  und  in  lockere  Bündel  geordnet,  haupt- 
sächlich die  Mitte  der  Felder  einnehmen.  In  der  Peripherie  der- 
selben, also  nächst  den  Septen,  finden  sich  dagegen  Faserzüge 
quer  oder  in  verschiedenem  Grade  schräg  gegen  die  ersteren  ge- 
richtet. Von  diesen  Faserzügen  spalten  sich  kernhaltige  Fasern 
oder  feine  Bündel  von  solchen  ab,  welche  sich  zwischen  die  längs- 
verlaufenden Züge  hineinerstrecken,  sowie  andererseits  da  und  dort 
auch  longitudinale  Faserbündel  zwischen  queren  und  schräg  ver- 
laufenden durchgesteckt  erscheinen.  Von  einem  Netzwerk,  wie  bei 
den  vordersten  Querschnitten  erwähnt,  ist  hier  keine  Andeutung 
mehr  zu  sehen.  Mehr  rundliche  Kerne,  welche  keinen  Fasern  an- 
gehören (vgl.  Fig.  4 f.),  finden  sich  da  und  dort  zwischen  den 
Faserzügen  eingesprengt.  Ausnahmsweise  und  zwar  hauptsächlich 
im  hinteren  Abschnitte,  der  Geschwulst  trifft  man  kleine,  unregel- 
mässig gestaltete  Lücken,  welche  von  einer  homogenen  Substanz 
erfüllt  und  stellenweise  von  feinen  Fäden,  die  sich  zum  Teil  deut- 
lich als  Ausläufer  bipolarer  oder  sternförmiger  Zellen  erweisen, 
spinnwebartig  durchzogen  sind  — kleinste  myxomatöse  Herde. 
Einzelne  protoplasmareichere  Zellen  sind  frei  in  der  homogenen 
Masse  gelegen.  Da  und  dort  finden  sich  auch  rundliche  oder  un- 
gleichmässig  variköse,  stärker  lichtbrechende  und  mit  Eosin  oder 
Säurefuchsin  lebhaft  sich  färbende  Gebilde  innerhalb  der  Faser- 
züge, welche,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  durch  hyahne  Degene- 
ration in  Faserzellen  zu  stände  kommen  (Fig.  4,  d).  Heber  die 
Natur  der  nun  schon  wiederholt  genannten  Faserzellen  geben  erst 
Zerzupfungspräparate  aus  verschiedenen  Teilen  der  Geschwulst 
befriedigenden  Aufschluss.  Es  gelingt  nämlich  ohne  besondere 
Schwierigkeit,  einzelne  Fasern  mehr  oder  weniger  vollständig  aus 
ihrem  Zusammenhang  zu  lösen  und  man  überzeugt  sich  dann 
leicht,  dass  im  Nervenanteile  des  vorliegenden  Tumors  sämthche 
Fasern  spindelförmigen  Zellen  angehören,  welche  einen  länglichen 
(13  bis  18  langen  und  3,5  bis  6//  dicken)  Kern  und  eine  kleine 
oder  grössere  Menge  feinkörnigen  Protoplasmas  an  den  beiden 
Polen  des  letzteren  besitzen  (Fig.  4,  a,  b).  Die  davon  ausgehenden 
Fortsätze  stellen  drehrunde,  lange  Fasern  dar,  welche,  wenn  sie 
annähernd  geradlinig  verlaufen,  in  der  Regel  durch  mehrere  Seh- 
felder^) zu  verfolgen  sind.  Die  Feinheit  der  Fasern  ist  verschieden. 
Viele  sind  unmessbar  fein,  andere  haben  deutlich  doppelte  Kon- 


q Zciss,  Ajiochrorn.  Obj.  1,0  mm  mit  Kompensat.  Ocular  4. 


Ceb.  die  eigentliehen  Sehnerventumoren  u.  ihre  chirurgische  Behandlung.  321 

touren  und  einen  Durchmesser  von  l,u  und  darüber.  Auch  diese 
gröberen  Fasern  sieht  man,  wenn  sie  nicht  abgerissen  sind,  in 
feinste  Fäden  endigen,  bisweilen  in  zwei  Ausläufer  sich  spaltend. 
An  einigen  der  feineren  Fasern  finden  sich  kleine,  variköse  An- 
schwellungen (Fig.  4,  c).  In  Bezug  auf  die  physikalischen  und 
chemischen  Eigenschaften  der  faserartigen  Zellausläufer  lässt  sich 
folgendes  ermitteln.  Sie  erscheinen  homogen,  zeigen  einen  schwachen 
bläulichen  Glanz  und  nehmen  keine  Tinktion  an.  Aus  ihrem  Zu- 
sammenhänge gelöst,  präsentieren  sie  sich  gewöhnhch  peitschen- 
artig, wellenförmig  oder  lockig  gewunden,  oder  selbst  korkzieher- 
artig aufgedreht.  Essigsäure  wirkt  nur  langsam  auf  sie  ein,  macht 
sie  nur  wenig  quellen,  lässt  sie  aber  endlich  so  blass  werden,  dass 
I sie  kaum  mehr  wahrzunehnien  sind.  In  verdünnter  Kalilauge 
werden  sie  sofort  sehr  blass  und  lösen  sich  in  kleinste  Tröpfchen 
1 auf.  Durch  Kochen  in  0,6 °/o  Kochsalzlösung  tritt  keine  Lösung 
I ein  und  werden  sie  überhaupt  nicht  wesentlich  verändert. 

Vereinzelt  findet  man  Fasern,  welche  in  einer  kürzeren  oder 
1 längeren  Strecke  ihres  Verlaufes  rundliche,  ungleichmässig  variköse, 

I kolbenförmige  oder  klumpige  Einlagerungen  zeigen,  welche  das 
i Licht  stärker  brechen,  ein  eigentümlich  starres  Aussehen  haben, 

1 keine  Amyloidreaktion  geben,  aber  mit  Eosin  und  Säurefuchsin 
I sich  lebhaft  färben.  Es  dürfte  sich  also  wohl  um  Hyalin  handeln. 
I (Fig.  4,  d,  h). 

Sternförmige  Zellen  mit  mehrfachen  Ausläufern  kamen  im 
! Nervenanteile  der  Geschwulst  nur  ganz  selten  zur  Anschauung; 

I etwas  häufiger  rundliche  oder  unregelmässig  eckige  Zellen  mit 
I rundem  oder  ovalem  Kern  und  spärlichem  oder  etwas  reichlicherem 
I grobkörnigem  Protoplasma  (Fig.  4,  f). 

Wie  schon  erwähnt,  ist  der  degenerierte  Nervenstrang  in 
I seinem  ganzen  Verlaufe  von  der  übrigen  Masse  des  Tumors 
I getrennt  durch  die  wohl  erhaltene  Pialscheide  (vergl.  oben).  Die- 
f selbe  ist,  wie  gewöhnlich,  aus  Bündeln  fibrillären  Bindegewebes 
i zusammengesetzt,  welche  teils  der  Länge  nach,  teils  cirkulär  ver- 
I laufen.  So  wie  die  Septen  nach  dem  Inneren  des  Nervenstranges, 
i so  lösen  sich  dem  Subarachnoidealraume  zu  von  der  Pialscheide 
i zahlreiche  Balken  ab,  welche  jedoch  nur  an  den  vom  vorderen 
' Schnittende  des  Sehnerven  stammenden  Präparaten  in  ihrem  ge- 
I wundenen  Verlauf  durch  den  genannten  Raum  mehr  oder  weniger 
I weit  zu  verfolgen  sind.  Die  Arachnoidealscheide  und  die  sub- 
arachnoidealen  Bälkchen  sind  es  nun  gerade,  w^elche  das  Substrat 
liefern  für  die  zwischen  Pial-  und  Duralscheide  eingeschlossene 
' Neubildung,  die,  wie  wir  bereits  wissen,  die  Hauptmasse  der 

21 


322 


H.  Sattler. 


Geschwulst  ausinaclit  (s.  oben  S.  316).  Schon  an  den  ersten  Schnitten 
vom  Bulbusende  des  Sehnervenstieles  sieht  man,  dass  der  sub- 
arachnoideale  Raum  sehr  erheblich  (um  mehr  als  das  10  fache) 
breiter  ist,  als  am  normalen  Sehnerven,  und  in  der  Richtung  nach 
innen  unten  wieder  um  mehr  als  das  Doppelte  breiter,  als  nach 
aussen  oben,  wo  Dural-  und  Pialscheide  0,4  mm  voneinander  ab- 
stehen. Die  Ursache  dieser  Verbreiterung  liegt  in  einer  beträcht- 
lichen Wucherung  der  subarachnoidealen  Bälkchen,  welche,  in 
ihrer  Struktur  zunächst  noch  nicht  verändert,  an  Menge  und  zum 
Teil  auch  an  Masse  zugenommen  haben  und,  indem  sie  sich 
stellenweise  dicht  aneinander  lagern,  einander  umschlingen  und 
sich  gegenseitig  durchflechten,  nur  mehr  schmale,  vielfach  bloss 
spaltförmige  Räume  zwischen  sich  frei  lassen.  An  ihrer  Ober- 
fläche sind  sie  allenthalben  von  endothelialen  Zellplättchen  über- 
kleidet. Da  wo  die  Wucherung  weiter  fortgeschritten  ist,  fällt  vor 
allem  ein  bedeutend  grösserer  Kernreichtum  auf  und  eine  ein- 
gehendere Untersuchung  lehrt,  dass  hier,  namentlich  nach  der 
Peripherie  zu,  dünne,  durchsichtige  Bälkchen  in  grosser  Menge 
und  dicht  gelagert  die  Räume  zwischen  den  einzelnen  gröberen, 
undeutlich  fibrillären , gefässführenden  Balken  ausfüllen  und  von 
näher  aneinander  gerückten,  ovalen  Kernen  bedeckt  sind,  welche 
kleiner  und  lebhafter  tingiert  erscheinen,  als  die  Kerne  der  endo- 
thelialen Zellplättchen  der  gröberen  Balken.  Ja,  an  manchen 
Stellen  scheint  eine  Intercellularsubstanz  vollständig  zu  fehlen  und 
treten  Züge  spindelförmiger  Zellen  erst  vereinzelt,  dann  immer 
reichlicher  an  Stelle  der  Bälkchen.  Zunächst  der  äusseren  Scheide 
— der  ursprünglichen  Arachnoidealscheide  entsprechend  — finden 
sich  da  und  dort  kleine  Herde  junger  Zellen  mit  rundlichem  oder 
ovalem  Kern,  dicht  aneinander  gelagert,  wie  es  scheint,  die  Matrix  dar- 
stellend für  jene  Formen,  welche  dann  in  verschiedener  Weise 
•differenziert  die  Neubildung  aufbauen. 

Beim  Uebergang  in  die  eigentliche  Geschwulst  verbreitert 
sich  die  Wucherung  im  subarachnoidealen  Raume  rasch  sehr  be- 
deutend. Bindegewebsbalken  verschwinden  vollständig  und  an 
ihre  Stelle  treten  stärkere  und  schmächtige  Bündel  und  Züge  jener 
langen  Faserzellen,  welche  wir  bereits  oben  kennen  gelernt  haben. 
Indem  dieselben  einander  in  den  verschiedensten  Richtungen  durch- 
setzen, entsteht  ein  Flecht-  oder  Mattenwerk,  dessen  Lücken  bald 
eng  und  spaltförmig,  bald  beträchtlich  weiter  und,  je  nach  der 
Richtung  der  Faserzüge  im  Durchschnitte  spindelförmig  oder  poly- 
gonal erscheinen.  Die  länglichen  oder  ovalen  Kerne  der  feineren 
und  gröberen  Faserzellen  sind,  dem  Verlaufe  der  Bündel  ent- 


Ueb.  die  eigentlichen  Sehnerventumoren  u.  ihre  chirurgische  Behandlung.  323 

sprechend,  in  den  verschiedensten  Richtungen  vom  Schnitte  ge- 
troffen. Da  und  dort  finden  sich  hyaline  Körper  im  Verlauf  der 
Faserzüge.  Gegen  die  Pial-  und  Duralscheide  zu,  wo,  wie  wir  bereits 
erwähnt  haben  (siehe  S.  316  unten),  die  Geschwulst  ein  dichteres 
Gefüge  zeigt,  trifft  man  vorwiegend  einige  Lücken,  welche  teils 
leer  sind,  teils  einzelne  oder  auch  mehrere  Zellen  beherbergen  mit 
il  meist  nur  spärlichem  Protoplasma.  In  den  mittleren,  mehr  suc- 
culenten  Teilen  der  Geschwulst  lassen  die  sich  durchflechtenden 
Faserzüge  meist  weitere  Lücken  zwischen  sich,  welche  von  einer 
I homogenen,  farblosen  Substanz  erfüllt  sind  und  in  dieser  freie, 
1 rundliche  Zellen  (Fig.  4,  f)  teils  vereinzelt,  teils  in  kleineren  oder 
grösseren  Häufchen  enthalten.  An  manchen  Stellen  sieht  man 
I diese  Lücken  von  feinen  Fasern  spinnweb-  oder  netzartig  durch- 
; zogen  und  man  kann  sich  leicht  überzeugen,  dass  dieselben  teils 
1 spindelförmigen,  teils  mehrfach  verzweigten  sternförmigen  Zellen 
I angehören.  In  der  Umgebung  solcher  Lücken,  sovde  in  den  die- 
^ selben  durchsetzenden  Faserzügen  ist  das  Gefüge  selbst  bisweilen 
t mehr  oder  weniger  beträchtlich  gelockert,  so  dass  die  einzelnen 
I'  bipolaren  oder  verästelten  Faserzellen,  wie  isoliert,  auseinander 
\ treten.  Ausser  diesen  Herden  von  Schleimgewebe  kommen  in  den 
” weichen  Teilen  der  Geschwulst  auch  kleinere  und  grössere,  ganz 
I unregelmässig  begrenzte  Lücken  vor,  welche  von  einer  homogenen, 

• dui'cli  die  Einwirkung  des  Alkohols  von  fadenförmigen  Nieder- 
i Schlägen  ungleichmässig  durchzogenen  Substanz  erfüllt  sind  und 
i den  Eindruck  machen,  als  seien  sie  durch  Auflösung  der  Irasern 
i|  entstanden  — schleimige  Entartung.  Nebst  kleineren  oder  grösseren 
^ Gruppen  freier,  rundlicher  oder  unregelmässig  gestalteter  Zellen 

finden  sich  in  der  homogenen  Masse  auch  da  und  dort  Körnchen, 
Kügelchen  oder  ungleichmässig  walzenförmige  Stücke  hyaliner 

• Substanz,  welche , wie  es  scheint , bei  der  Auflösung  von  Fasern 
' mit  hyalinen  Einlagerungen  frei  geworden  sind. 

Zerzupfungspräparate  aus  dem  Scheidenteile  der  Geschwulst 
ergeben  im  grossen  und  ganzen  dieselben  Elemente,  wie  wir  sie 
vom  Nervenstrang  her  bereits  kennen;  nur  ist  die  Mannigfaltigkeit 
der  Formen  eine  grössere.  Es  finden  sich  hier  Hel  häufiger 
Spindelzellen  mit  mehr  als  zwei  Fortsätzen,  sowie  Spaltungen  der 
fadenförmigen  Ausläufer  derselben.  Ebenso  kommen  sternförmige 
Zellen  mit  einer  grösseren  Anzahl  feiner  und  gröberer,  meist 
wiederum  sich  gabelnder  Fortsätze  (Fig.  4,  e)  nicht  selten 
zur  Anschauung.  Auch  die  Zahl  von  Fasern  mit  hyalinen  Ein- 
lagerungen ist  eine  beträchtlich  grössere  und  endlich  sind  in  jedem 
Gesichtsfeld  freie  Zellen  mit  rundem  oder  ovalem  Kern  und 


H,  Sattler. 


grobkörnigem  Protoplasma  (Fig.  4,  f)  in  grösserer  Menge  anzu- 
treffen. 

Schnitte  durch  den  hintersten  Teil  der  Geschwulst  lassen 
erkennen,  dass  in  dem  noch  beträchtlich  verbreiterten  Zwischen- 
scheidenraume  neben  den  Geschwulstelementen  wieder  die  hyper- 
trophierten,  subarachnoidealen  Bälkchen  mit  ihrem  endothelialen 
Zellenbelag  deutlich  hervortreten;  nur  findet  der  Uebergang  viel 
plötzlicher  statt,  als  am  vorderen  Ende  der  Fall  war. 

Der  zweite  Fall  betraf  einen  7jährigen,  sonst  gesund  aus- 
sehenden Jungen,  bei  welchem  das  rechte  Auge  aus  der  Orbita 
beträchtlich  hervorgedrängt  und  gleichzeitig  nach  aussen  und  unten 
dislociert  war.  Die  Beweglichkeit  war  nach  innen  beschränkt, 
sonst  überall  ziemlich  frei.  Das  Sehvermögen  war  völlig  erloschen; 
seit  wie  lange,  war  nicht  mit  Bestimmtheit  herauszubringen.  Es 
konnte  nur  ermittelt  werden,  dass  seit  zwei  Jahren  Auswärtsschielen 
und  allmähliges  »Grösserwerden  des  Auges«  bemerkt  wurde. 
Schmerzen  waren  nie  vorhanden  und  auch  jetzt  war  der  Augaj)fel 
beim  Versuch,  denselben  zurückzudrängen,  nicht  empfindlich.  Die 
optischen  Medien  erschienen  klar.  Die  Sehnervenpapille  war  be- 
trächtlich geschwellt,  aber  die  Pronfinenz  wesentlich  auf  die  Pa- 
pille selbst  beschränkt.  Sie  erschien  von  grauweisser  Farbe, 
streifig  getrübt,  an  ihren  Grenzen  verwaschen.  Blutungen  waren 
nirgends  zu  sehen. 

Auch  hier  hatte  ich  auf  Grund  des  mitgeteilten  klinischen 
Befundes  die  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  auf  einen  Tumor  des 
Sehnerven  gestellt,  die  Exsthpation  der  Geschwulst  aber  gleich- 
zeitig mit  der  des  Sehnerven  vorgenommen,  weil  ich  damals  (1874) 
glaubte,  ohne  Opferung  des  Augapfels  nicht  sicher  die  Entfernung 
alles  Krankhaften  durchführen  zu  können.  Nach  Ablösung  der 
Conjunctiva  und  Durchtrennung  der  vier  geraden  Augenmuskeln 
wurde  mit  dem  Finger  eingegangen  und  festgestellt,  dass  die  weich 
elastische  Geschwulst  überall  wohl  begrenzt  war  und  nach  rück- 
wärts bis  in  den  canalis  opticus  hinein  sich  erstreckte.  Hier  wurde 
sie  nun  unter  Führung  des  Fingers  mit  einer  starken  krummen 
Schere  dicht  am  foramen  opticum  durchtrennt  und  nun  hatte  die 
Herausbeförderung  des  Tumors  keine  Schwierigkeit  mehr.  Der- 
selbe war  von  eiförmiger  Gestalt  und  mass  45  mm  von  vorn  nach 
hinten  und  am  Querschnitt  an  der  breitesten  Stelle  im  Mittel 
28  mm.  Ein  S förmig  gekrümmter,  im  gestreckten  Zustande  16  mm 
langer  Sehnervenstiel  ist  zwischen  Geschwulst  und  Augapfel  ein- 

b Die  Heilung  erfolgte  ohne  Störung.  lieber  das  weitere  Schicksal  des 
Patienten  habe  ich  nichts  mehr  erfahren  können. 


Ueb.  die  eigentlichen  Selinerventumoren  u,  ihre  chirurgische  Behandlung.  32Ö 

geschaltet.  Die  Dicke  dieses  Stiels  beträgt  7 mm.  Ein  durch 
Augapfel,  Stiel  und  Geschwulst  geführter  Längsschnitt  lässt  auch 
hier  erkennen,  dass  der  dem  Sehnerven  entsj^rechende  Strang 
durch  die  ganze  Geschwulst  hindurch  deutlich  zu  verfolgen  und 
gegen  die  übrige  Tumormasse  wohl  abgegrenzt  ist.  Während  der 
Sehnerv  5 mm  hinter  der  Skleralöffnung , ohne  seine  Scheiden, 
3 mm  dick  ist,  schwillt  er  13  mm  hinter  dieser  Stelle  auf  6 mm 
an,  erreicht  dann  in  der  Geschwulst  an  der  Grenze  zwischen  ihrem 
vorderen  und  mittleren  Drittel  eine  Dicke  von  9 mm,  um  dann 
gegen  das  hintere  Ende  wieder  auf  einen  Durchmesser  von  5 mm 
zurückzugehen.  Der  Nervenstrang,  an  dem  eine  deutliche  Längs- 
streifung zu  erkennen  ist,  verläuft  nicht  in  der  Achse  der  Ge- 
schwulst, sondern  nahe  an  deren  medialer  Seite,  nur  2 bis  3 mm 
von  der  Oberfläche  entfernt.  Diese  letztere  erscheint  glatt  und 
ist  von  der  lose  anhaftenden  Duralscheide  allseitig  überzogen. 

Das  makroskopische  Aussehen  des  Längsschnittes  ist  dem  im 
vorigen  Falle  in  hohem  Grade ‘ ähnlich ; nur  erscheint  der  Scheiden- 
teil noch  reicher  an  quellenden  Massen,  sowie  an  Blutgefässen. 

Der  Augapfel,  von  vorn  nach  hinten,  wie  es  scheint,  etwas 
abgeflacht,  misst  in  diesem  Durchmesser  22  und  im  äquatorialen 
23  mm.  Er  bietet  mit  Ausnahme  der  Veränderungen  an  der 
Papille  nichts  Abnormes  dar.  Letztere  erhebt  sich  — an  Schnitt- 
präparaten von  dem  in  Müller’scher  Flüssigkeit  und  dann  in 
Alkohol  gehärteten  Objekte  gemessen  — 0,8  mm  über  das  Niveau 
des  Chorioidealrings.  Aber  schon  0,5  mm  vom  Rande  der  Papille 
entfernt  ist  eine  Schwellung  an  der  Netzhaut  nicht  mehr  bemerkbar 
und  die  letztere  erscheint,  abgesehen  von  der  kompletten  Atrophie 
der  Nervenfasern  in  ihrem  Aufbau  nicht  verändert.  In  der  Papille 
sowohl,  wie  in  der  angrenzenden  Netzhaut  tritt  die  netzförmige 
Anordnung  der  Stützsubstanz  besonders  deutlich  hervor.  Eine 
Kernvermehrung  ist  jedoch  in  derselben  nicht  zu  konstatieren. 
An  der  Centralarterie  und  ihren  Aesten  nichts  Abnormes.  Die 
Vene  erscheint  stark  erweitert. 

An  dem  zwischen  Augapfel  und  Geschwulst  befindlichen  Teile  des 
Sehnerven  fällt  zunächst  der  vollständige  Schwund  der  markhaltigen 
Nervenfasern  auf,  während  die  Anordnung  der  übrigen,  am  Aufbau 
des  Sehnerven  beteiligten  Bildungen  noch  keine  wesentliche  Ver- 
änderung zeigt.  Ausserordentlich  deutlich  tritt  die  zarte,  netz- 
artige Gerüstsubstanz,  die  Neuroglia  des  Sehnerven,  hervor  mit 
ihren  am  Querschnitte  ungleichmässig  polygonalen  und  am  Längs- 
schnitte in  der  Längsrichtung  etwas  ausgezogenen  Maschen.  Die 
nicht  ganz  gleichmässig  weiten  Lücken  sind,  obwohl  leer,  nicht 


326 


H.  Sattler. 


zusammengelallen,  sondern  verhalten  sich  so,  wie  man  sie  bei  be- 
stimmten Formen  von  Sehnervenatrophie,  namentlich  aber  bei  der 
von  Fuchs  zuerst  genauer  beschriebenen  peripheren  Atrophie*), 
wenn  sie  unter  gewissen,  pathologischen  Einflüssen  besonders  stark 
hervortritt,  schön  beobachten  kann.  Nur  die  rundlichen  oder 
ovalen  Neurogliakerne,  welche  unter  normalen  Verhältnissen  nur 
in  geringer  Zahl  im  Inneren  der  Bündel  gelagert  sind,  erscheinen 
hier  erheblich  vermehrt.  AVeiterhin,  beim  Eintritte  des  Sehnerven 
in  die  Geschwulst  • werden  die  Kerne  noch  viel  zahheicher  und 
lagern  in  den  verschiedensten  Richtungen,  vorwiegend  jedoch  in 
der  Längsachse  des  Sehnernervenstranges.  Diese  letzteren  Kerne 
sind  mehr  stäbchenartig,  während  die  übrigen  rund  oder  oval  und 
häufig  auch  grösser  erscheinen.  Allmählich  verliert  sich  die  netz- 
förmige Zeichnung  und  tritt  eine  Längsstreifung  immer  deutlicher 
hervor.  Faserzüge  von  verschiedener  Mächtigkeit  verflechten  sich 
unter  spitzen  Winkeln,  wodurch  länglich  spindelförmige  Lücken 
zwischen  ihnen  frei  bleiben,  in  denen  runde  oder  ovale  Kerne 
Platz  finden.  Zerzupfungspräparate  lehren , dass  die  uns  vom 
ersten  Falle  her  bekannten,  langen,  kernhaltigen  Faserzellen  den 
Hauptbestandteil  des  Gewebes  ausmachen,  Fasern  von  unmessbarer 
Feinheit  bis  zu  solchen  von  0,0025  mm  Dicke.  Die  feineren 
überwiegen  bei  weitem.  Ausserdem  sind  runde  oder  unregel- 
mässig gestaltete  Zellen  mit  einer  geringen  oder  grösseren  Menge 
grobkörnigen  Protoplasmas  in  ziemlich  grosser  Menge  anzutreffen. 
Da  und  dort  sind  die  Faserbündel  stärker  auseinandergewichen 
und  umschliessen  spindelförmige  oder  langgestreckte , unregel- 
mässig buchtige  Lakunen,  welche  durch  eine  homogene,  durch- 
sichtige Substanz  erfüllt  und  stellenweise  von  einem  ungleich- 
mässig  weiten  Netzwerk  feiner  Fasern  durchzogen  sind.  Manchmal 
sind  auch  freie  Zellen  in  geringerer  oder  grösserer  Anzahl  darin 
enthalten.  Die  bei  der  makroskopischen  Beschreibung  bemerkte, 
stärkere  Verbreiterung  des  Sehnervenstranges  ist  hauptsächlich 
durch  reichlichere  Zwischenlagerung  solcher  myxomatöser  Herde 
von  kleinerem  oder  grösserem  Umfange  bedingt.  Die  grösseren, 
oft  auf  lange  Strecken  zwischen  den  Faserbündeln  sich  hin  er- 
streckenden Herde  sind  durch  quere  oder  schräge  Balken  abgeteilt, 
welche  Blutgefässe  führen  und  dem  Septensysteme  angehören.  In 
diesem  letzteren  ist  im  Bereiche  der  Geschwulst  das  fibrilläre 
Bindegewebe  durch  dichte  Züge  von  Faserzellen  ersetzt,  welche 
die  Blutgefässe  in  ihre  Mitte  nehmen.  Vereinzelt  findet  man 
dünnwandige  Blutgefässe  von  einem  hyalinen  Mantel  umgeben, 


')  Arch.  f.  Ophtli.  XXX.  1.  8.  177,  Taf.  XII,  Fig.  4,  5,  G und  7. 


Ueb.  die  eigentlichen  Sehnerventnmoren  n.  ihre  chirurgische  Behandlung.  327 

innerhalb  welches  die  Elemente  der  Gefässwand  und  ihre  Adven- 
titiakerne  meist  noch  gut  erhalten  sind.  Auch  hyahne  Einlage- 
rungen in  den  Fasern  sind  hier  häufiger,  als  im  Sehnervenanteil 
der  erstbeschriebenen  Geschwulst  anzutreffen  (Fig.  4,  g). 

Wenden  wir  uns  nun  zu  dem  die  Hauptmasse  des  Tumors 
ausmachenden  Scheidenanteil,  so  haben  wir  die  ersten  Verän- 
derungen schon  am  vorderen,  blinden  Ende  des  Subarachnoideal- 
raumes  des  Sehnerven  zu  suchen.  Dieser  Raum  hat  an  dem 
zwischen  Augapfel  und  Geschwulst  gelegenen  Abschnitte  desselben 
an  der  medialen  Seite  eine  Breite  von  1,2,  an  der  temporalen  von 
2,2  bis  2,5  mm;  ist  also  an  ersterer  um  mehr  als  das  Zehnfache, 
an  der  letzteren  um  das  Zwanzigfache  breiter,  als  unter  normalen 
\’’ei‘hältnissen.  Die  subarachnoidealen  Bälkchen  erscheinen  an 
Zahl  ganz  ausserordentlich  und  zum  Teile  auch  an  Masse  recht 
erlieblich  vermehrt.  In  Bezug  auf  die  feineren  histologischen 
Details  besteht  die  grösste  Uebereinstimmung  zwischen  diesem 
und  dem  erst  beschriebenen  Falle,  so  dass  ich  nur  auf  das  dort 
Gesagte  zu  verweisen  brauche  (siehe  oben).  Auch  noch  im  Be- 
reiche der  Geschwulst  behält  die  Wucherung  der  subarachnoidealen 
Balken  auf  der  Seite,  wo  der  Sehnervenstrang  nahe  der  äusseren 
Scheide  gelegen  ist,  noch  eine  Strecke  weit,  namentlich  gegen  die 
Peripherie  zu,  den  anfänglichen  Charakter  bei.  Dann  erst,  und  zwar 
stellenweise  ziemlich  plötzlich,  sieht  man  die  Balken  stärker  auseinan- 
derweichen und  sich  in  dünnere  Bälkchen  auflösen,  in  welchen  das 
ursprünglich  homogene  Aussehen,  wie  es  den  normalen  subarach- 
noidealen Bälkchen  zukommt,  verloren  geht  und  eine  deutliche 
Faserung  sich  bemerkbar  macht.  Die  Zahl  der  Kerne  wird  be- 
trächtlich grösser  und  dieselben  gehören  nicht  mehr  unischei- 
denden  Zellplättchen  an,  sondern  liegen  zum  grössten  Teile  in 
den  Fasern  selbst.  Von  diesen  Bündeln  lösen  sich  wieder  feinere 
l'aserzüge  ab,  die  mit  anderen , ähnlichen  sich  durchkreuzen  und 
verflechten  und  so  ein  lockeres  Matten  werk  darstellen,  dessen 
Zwischenräume  von  einer  homogenen,  mucinösen  Substanz  erfüllt 
sind.  In  dieser  finden  sich  freie,  verschieden  gestaltete  Zellen  ein- 
gelagert bald  in  grösserer,  bald  in  geringerer  Zahl.  Auf  der  ent- 
gegengesetzten Seite,  wo  die  Hauptmasse  des  Tumors  sich  aus- 
breitet, erfolgt  die  Umwandlung  des  gewucherten  subarachnoidea- 
len Balkenwerks  in  das  eigentliche  Geschwulstgewebe  schon  früher 
und  unvermittelter.  Auch  hier,  wie  in  dem  ersten  Falle,  ist  das 
Gefüge  gegen  die  Oberfläche  zu  und  nächst  dem  Sehnervenstrang 
ein  dichteres.  Der  weiche,  succulente  Anteil  wiederholt  in  allem 
Wesentlichen  den  bereits  früher  geschilderten  Bau  (siehe  oben) ; 


328 


II.  Sattler. 


nur  ist  die  Menge  der  Schleiinsubstanz  eine  beträchtlich  grössere. 
Die  umfangreichen,  unregelmässig  buchtig  begrenzten,  myxomatösen 
Herde  machen  den  Eindruck,  dass  sie  durch  Einschmelzung  und 
Auflösung  von  Scheidewänden  zwischen  kleineren,  schleimerfüllten 
Lücken  sich  gebildet  haben.  In  der  Peripherie  solcher  Herde 
findet  man  häufig  die  Balken  auf  mehr  oder  weniger  zarte,  oft 
nur  aus  wenig  Faserzellen  bestehende  Brücken  reduciert  und  in 
den  mittleren  Partien  sind  nur  freie  Zellen  anzutreffen.  Auch 
dünnwandige  Blutgefässe,  nur  aus  dem  Endothelrohr  und  anhaf- 
tenden Adventitiazellen  bestehend,  sieht  man  nicht  selten  ganz 
frei  die  grossen,  schleimerfüllten  Bäume  durchziehen.  Sie  sind 
manchmal  von  beträchtlicher  Weite  (0,025—0,03  mm,  ja  selbst 
0,1  mm  Durchmesser).  Frei  in  den  Bäumen  angehäufte  rote  Blut- 
körperchen scheinen  erst  während  der  Operation  ausgetreten  zu  sein. 
Doch  fehlt  es  auch  nicht  an  hämatogenem  Pigment  innerhalb  des 
Gewebes.  Die  vorliegende  Geschwulst,  namentlich  ihr  Scheiden- 
anteil ist  überhaupt  ungleich  viel  reicher  an  Blutgefässen,  als  die 
erst  beschriebene.  Ganz  vereinzelt  finden  sich  auch  Blutgefässe 
mit  hyalinem  Mantel.  Der  letztere  scheint  einer  hyalinen  Dege- 
neration des  Bindegewebes  subarachnoidealer  Bälkchen  seine 
Entstehung  zu  verdanken.  Hyaline  Einlagerungen  in  breitere 
Fasern  (wie  in  Fig.  4,  g)  und  grössere  drüsige  oder  kolbige  De- 
generationen in  Faserzellen  (Fig.  4,  h)  kommen  an  manchen 
Stellen  der  Geschwulst  ziemlich  häufig  vor.  Unter  den  durch 
Schütteln  und  Zerzupfen  isolierten  Elementen  zeigt  sich  hier  ein 
grösserer  Beichtum  an  breiteren,  ungleichmässig  dicken  Fasern, 
von  denen  einzelne  einen  Durchmesser  von  3 bis  4,5  //  erreichen. 
Manche  verlaufen  mehr  gestreckt  und  haben  ein  starres  Ansehen, 
andere  sind  korkzieherartig  und  sehen  wie  zusammengeschnurrt 
aus.  Verzweigte  und  sternförmige  Zellen  zu  finden,  gelang  mir  in 
diesem  Falle  nicht.  Im  frischen  Zustande  haben  wir  uns  wohl 
sämtliche  Faserbalken  durch  die  weiche,  quellende  Schleimsub- 
stanz gespannt  und  gespreizt  vorzustellen.  In  den  Schnittpräparaten, 
wo  die  letztere  durch  Wasserentziehung  stark  collabiert  erscheint, 
haben  die  meisten  Balken  und  Faserzüge  einen  mehr  welligen 
Verlauf  oder  ein  etwas  faltiges  Ansehen. 

Der  dritte  Fall  bot  in  seinen  anatomischen  Verhältnissen 
einiges  Abweichende  gegenüber  den  beiden  ersten.  In  seinem  kli- 
nischen Bilde  stimmte  er  aber  in  hohem  Grade  mit  denselben 
überein.  Ein  vierjähriges,  blühend  aussehendes  Mädchen,  Josefa 
St.,  wurde  mit  einem  enormen  Exophthalmus  des  linken  Auges 
zur  Klinik  gebracht.  Der  Augapfel,  welcher  gleichzeitig  nach  ein- 


lieb,  die  eigentlichen  Sehnerventuinoren  u.  ihre  chirurgische  Behandlung.  329 

wärts  und  etwas  nach  unten  von  der  Richtung  der  Orbitalachse 
abgewichen  war,  konnte  von  den  Lidern  nicht  mehr  vollständig 
gedeckt  werden  und  der  untere  Teil  der  Conjunctiva  bulb.  drängte 
sich  als  ein  fleischroter  Wulst  hervor.  Die  Beweglichkeit  war  nach 
allen  Seiten  ziemlich  gieichmässig  stark  beschränkt.  Das  Seh- 
vermögen sei  schon  seit  längerer  Zeit  völlig  erloschen  gewesen. 
Ueber  Schmerzen  tief  in  der  Augenhöhle  und  ausstrahlend  in  die 
linke  Stirngegend  wurde  erst  seit  den  letzten  Wochen  geklagt. 
Der  neben  dem  Bulbus  tastend  vorgeschobene  Finger  fühlte  eine 
glatte,  prall  elastische  Geschwulst,  welche  die  Orbita  völlig  aus- 
zufüllen schien.  Die  Augenspiegeluntersuchung  ergab  Atrophie 
des  Sehnerven.  Die  Papille  erschien  graulich  weiss  mit  ziemlich 
scharfer  Begrenzung,  die  Venen  waren  stärker  gefüllt  und  etwas 
geschlängelt. 

Die  exstirpierte  Geschwulst  besass  eine  iDlump  bimförmige 
; Gestalt,  hatte  eine  Länge  von  37  mm  und  mass  auf  dem  Quer- 
schnitte an  der  dicksten  Stelle  30  mm  in  der  Breite  und  35  in  der 
Höhe.  Die  hintere  Schnittfläche  war  breit  und  zottig;  denn  die 
letzten  Reste  der  Geschwulst  waren  nachträglich  mit  Schere  und 
Pincette  entfernt  worden.  Ein  15  mm  langer  und  3,25  mm  brei- 
ter, hornartig  gekrümmter  Sehnervenstiel  verband  die  Geschwulst 
mit  dem  Augapfel  und  senkte  sich  stark  exzentrisch  an  der  me- 
dialen Seite  in  die  erstere  ein  (vgl.  Fig.  5).  Ein  durch  Stiel  und 
Geschwulst  geführter  Längsschnitt  lehrt,  dass  die  Duralscheide  un- 
unterbrochen in  die  fibröse,  lose  anhaftende  Umhüllung  der  Ge- 
schwulst übergeht,  das  gewucherte  Gewebe  des  subarachnoidealen 
Raumes  sich  in  den  peripheren  Anteil  des  Tumors  festsetzt  und 
der  Nerv,  von  der  Pialscheide  umschlossen,  beim  Uebergang  in 
die  Geschwulst,  der  gerade  mit  dem  Eintritt  der  Centralgefässe 
zusammenfällt,  sich  plötzlich  weit,  kelchartig  entfaltet  und  in  dem 
die  Hauptmasse  der  Neubildung  darstellenden  Kern  sich  verliert. 
Dieser  letztere,  von  etwas  festerer  Konsistenz  als  der  Rindenteil 
der  Geschwulst,  erscheint  an  der  frischen  Schnittfläche  gelblich 
grau,  von  einzelnen  feinen  Linien  unregelmässig  durchzogen  und 
hat  im  vorderen  Drittel  des  Tumors  einen  Durchmesser  von  18 
bis  21  mm,  an  der  hinteren  Schnittfläche  einen  solchen  von  28  mm. 
Er  ist  durch  eine  weisse,  stellenweise  rötliche,  bandartige  Linie, 
die  Fortsetzung  der  Pialscheide,  überall  gegen  den  den  Nerven- 
anteil  mantelförmig  umgebenden  Scheidenanteil  deutlich  abgegrenzt. 
Der  letztere,  in  den  vorderen  Partien  an  der  medialen  Seite  3,  an 
der  temporalen  9 mm  breit,  ist  succulenter  und  erscheint  von  einer 
Anzahl  feiner,  vorwiegend  radiär  gestellter  Septen  durchzogen, 


330 


II.  Hattler. 


zwischen  welchen  eine  graurötliche,  durchscheinende  Substanz  et- 
was hervorquillt,  dem  Fleische  einer  Melone  einigermassen  ver- 
gleichbar. Am  hinteren  Schnittende  hat  der  Rindenteil  nur  mehr 
eine  Breite  von  1,  bezw.  4 mm. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  erweist  die  komplette  Atro- 
phie des  Sehnerven  an  der  Papille;  dieselbe  erscheint  etwas  unter 
das  Niveau  des  Chorioidealringes  eingesunken.  Eine  Wucherung 
des  Stützgewebes  ist  nicht  zu  konstatieren.  Die  markhaltigen 
Nervenfasern  sind  im  Sehnervenstiel  vollständig  geschwunden  und 
die  netzartige  Gerüstsubstanz  tritt  ganz  so,  wie  im  vorigen  Falle, 
mit  besonderer  Deutlichkeit  hervor.  Beim  Eintritt  in  die  Geschwulst 
weichen  die  gefässhaltigen  Septen  des  Nervenstranges  plötzlich 
weit  divergierend  auseinander  und  ebenso  plötzlich  erfährt  die 
Struktur  des  Stützengewebes  zwischen  denselben  eine  Umwand- 
lung. Die  Maschen  werden  rasch  weiter  und  erscheinen  nament- 
lich mehr  in  die  Länge  gezogen;  die  Fädchen  des  Netzwerkes 
sind  verdickt  und  stellen  sich  bald  mehr,  bald  weniger  deutlich 
als  Ausläufer  sternförmiger  Zellen  dar.  Nur  an  der  Peripherie, 
der  Pialscheide  entlang,  finden  sich  eine  Strecke  weit  Faserzellen- 
züge in  longitudinaler  Richtung,  unter  spitzen  Winkeln  sich  durch- 
flechtend, wie  sie  in  den  beiden  vorigen  Fällen  die  Hauptmasse 
des  Sehnervenanteils  der  Geschwulst  ausmachten.  Ueberall  sonst 
sieht  man  nur  ein  unregelmässiges  Mattenwerk  aus  feineren  und 
gröberen  Bündeln  kernhaltiger  Fasern,  welche  in  den  verschieden- 
sten Richtungen  einander  durchsetzen,  im  grossen  und  ganzen 
jedoch  immerhin  mit  Vorwalten  der  longitudinalen  Richtung.  Die 
verschieden  grossen  Lücken  enthalten  in  einer  durchsichtigen, 
homogenen  Substanz  eingebettet,  rundliche  oder  unregelmässig  ge- 
staltete Zellen  mit  meist  rundem  Kern  und  einer  grösseren  Menge 
körnigen  Protoplasmas.  Mehr  gegen  die  Mitte  der  Geschwulst 
werden  die  Maschenräume  bisweilen  grösser  und  erscheinen  dann 
von  feinsten  Bälkchen  oder  einzelnen  Faserzellen  oder  Zellenaus- 
läufern durchzogen.  Grössere,  schleimige  Erweichungsherde  finden 
sich  weder  hier  noch  im  Scheidenteile  der  Geschwulst.  Die  schon 
mit  freiem  Auge  sichtbaren  Balkenzüge,  welche  als  Fortsetzung 
der  Bindegewebssepten  des  Nerven  die  in  ihrer  Struktur  unver- 
änderten Blutgefässe  in  sich  schliessen,  durchziehen  in  mehr  oder 
weniger  weiten  Abständen  den  Kernteil  des  Tumors  und  werden 
von  dichten  Bündeln  der  uns  bekannten  Faserzellen  gebildet, 
welche  in  der  Peripherie  mit  der  Pialscheide  in  Verbindung  stehen. 
Diese  letztere  besteht  zum  grössten  Teile  aus  Bündeln  fibrillären 
Bindegewebes,  welche  teils  zirkulär,  teils  der  Länge  nach  verlaufen. 


Teb.  die  eigentliclien  Sehnerventumoren  u.  ihre  chirurgische  Behandlung.  331 


und  sowohl  nach  dem  Nerven-  als  nach  dem  Scheidentumor  zu 
vielfach  Faserzellenzüge  zwischen  sich  fassen.  Auch  die  einker- 
nigen, protoplasmareichen,  rundlichen  Zellen  finden  sich  häufig  in 
den  Spalträumen  zwischen  den  Bindegewebsbalken,  von  denen 
\iele  hyalin  degeneriert  erscheinen.  An  einer  Stelle  ist  die  Konti- 
nuität der  Pialscheide  vollständig  unterbrochen  und  gehen  Nerven- 
und  Scheidentumor  ohne  Trennung  ineinander  über.  Der  letztere 
hat  im  allgemeinen  einen  ähnlichen  Bau,  wie  er  eben  vom  Nerven- 
i anteil  geschildert  wurde.  Die  mit  der  Pialscheide  zusammen- 
hängenden, gröberen  Faserzüge  teilen  sich  baumförmig  in  eine 
grössere  Anzahl  von  Aesten  und  diese  lösen  sich  wieder  in  feinere 
Zweige  auf,  welche  teils  untereinander,  teils  mit  den  von  benach- 
barten Balken  stammenden  in  Verbindung  treten.  Dadurch  kommt 
ein  den  ganzen  disponiblen  Raum  einnehmendes,  lockeres  Matten- 
werk zu  Stande,  in  dessen  ziemlich  weiten  Lücken  ein  aus  den 
anastomosierenden  Ausläufern  sternförmiger  Zellen  gebildetes  Reti- 
culum  ausgespannt  ist.  Die  durchschnittlich  ca.  0,016  mm  weiten 
Maschen  sind  von  einer  homogenen,  durchsichtigen  Substanz  er- 
füllt und  enthalten  meistens  eine  der  oben  erwähnten  rundlichen 
Zellen.  Der  Scheidenteil  ist  ziemlich  blutreicli,  indem  die  stärkeren 
Balken  sämtlich  Blutgefässe  in  sich  schliessen. 

Durch  Zerzupfen  isolieren  sich  neben  feineren,  oft  enorm 
langen,  kernhaltigen  Fasern  breitere  in  grösserer  Zahl  als  sonst, 
bis  zu  einem  Durchmesser  von  hp.  Sie  sind  häufig  ungleich- 
massig  breit.  Um  den  Kern  herum  findet  sich  öfters  eine  grössere 
Menge  feinkörnigen  Protoplasmas,  welches  sich  zuweilen  auf  eine 
längere  Strecke  in  die  Faser  hinein  verfolgen  lässt.  Der  übrige 
Teil  ist  homogen  und  glänzend.  Manchmal  ist  im  ganzen  Verlauf 
der  Faser  kein  Kern  nachweisbar,  sondern  an  einer  breiteren 
Strecke  bloss  eine  zarte  Körnelung.  Nicht  selten  trifft  man  hier 
Fasern  mit  gabelig  geteilten  Fortsätzen  und  vielfach  verzweigte 
Zellen  mit  gröberen  und  feineren  Ausläufern  (Fig.  4 i).  Hyaline 
Einlagerungen  in  Faserzellen  sind  in  dieser  Geschwulst  nur  ganz 
vereinzelt  nachzuweisen. 

Der  Uebergang  der  gewucherten,  subarachnoidealen  Bälkchen 
des  Zwischenscheidenraumes  des  Sehnervenstiels  in  den  Scheiden- 
teil der  Geschwulst  vollzieht  sich  im  allgemeinen  ebenso,  wie  er 
in  den  beiden  vorangehenden  Fällen  geschildert  worden  ist. 

14  Monate  später  war  das  Kind  blühend  und  gesund.  Von 
einem  Recidiv  keine  Spur. 

Einen  weiteren,  hierher  gehörigen,  wenn  auch  in  vieler  Be- 
ziehung von  den  vorigen  abweichenden  Fall  von  Sehnerventumor 


1 


332  H.  Sattler. 

habe  ich  bei  der  Sektion  eines  iin  Krankenhause  verstorbenen,  er- 
waclisenen  Individuums  zu  beobachten  Gelegenheit  gehabt,  bei 
welchem  eine  seit  langem  bestehende  Atrophie  beider  nervi  optici 
während  des  Lebens  konstatiert  worden  war.  Das  Sektionsergeb- 
nis war  einigermassen  überraschend,  da  sonst  keinerlei  Symptome 
vorhanden  waren,  welche  auf  einen  Sehnerventumor  hingewiesen 
hätten. 

Nach  Blosslegung  des  Orbitalinhalts  und  Präparation  des 
Verlaufes  der  beiden  nervi  optici  zeigte  sich  das  Bild,  welches  ich 
in  Fig,  7 möglichst  getreu  wiederzugeben  versucht  habe.  Beim 
Eintritt  in  den  Bulbus  haben  die  Sehnerven  samt  Scheiden  einen 
Durchmesser  von  3,5  mm,  nehmen  dann  etwas  an  Dicke  zu  und 
zeigen  in  der  hinteren  Hälfte  der  Orbita  eine  spindelförmige  An- 
schwellung, welche  an  der  dicksten  Stelle,  ca,  7,5  mm  vor  dem 
foramen  opticum  rechts  6,  links  5,5  mm  beträgt.  Nach  einer  Ein- 
schnürung im  canalis  opticus,  welchen  sie  prall  erfüllen,  schwellen 
beide  Sehnerven  flaschenförmig  an.  Die  dickste  Stelle  unweit  des 
Chiasma  hat  rechts  einen  Durchmesser  von  8,  links  von  10  mm. 
Der  intracranielle  Teil  der  Anschwellung  hat  beiderseits  eine  Länge 
von  11,5  mm.  Das  Chiasma  ist  in  seinem  vorderen  Teile  verdickt 
und  von  graulicher  Farbe.  Die  beiden  tractus  oj)tici  erscheinen 
schmal  und  platt. 

Um  das  interessante  Präparat  zu  schonen,  wurde  nur  von  der 
unteren  Seite  des  rechten  Sehnerven  aus  jeder  der  beiden  An- 
schwellungen ein  schmaler  Keil  herausgeschnitten  und  zu  Zer- 
zupfungspräparaten  verwendet.  Feine,  wellige  Fasern  mit  läng- 
lichem Kerne  und  nur  sehr  spärlichem  Protoplasma  erscheinen  zu 
Bündeln  geordnet,  welche  in  longitudinaler  Richtung  einander 
durchflechten.  Ausserdem  finden  sich  feine  Fasernetze  mitungleich- 
mässig  engen  Maschen  und  einzelnen  ovalen  Kernen  in  breiteren 
Knotenpunkten  des  Netzes.  Ziemlich  zahlreich  sieht  man  stark 
lichtbrechende,  kugelige,  klumpige  oder  drüsige,  hyaline  Körper 
zwischen  den  Faserzügen  eingestreut,  welche  einen  Durchmesser 
von  0,02  mm  und  mehr  erreichen  können. 

Die  mitgeteilten  Fälle  von  Sehnervengeschwülsten  stimmen 
in  ihrem  anatomischen  Bau,  und  die  ersteren  drei  auch  in  ihrem 
klinischen  Bilde  in  allen  wesentlichen  Punkten  sehr  nahe  überein 
und  gehören  einer  und  derselben  Kategorie  von  Neubildungen  an. 

Wenn  wir  die  in  der  Litteratur  bekannt  gewordenen,  bereits 
ziemlich  zahlreichen  Fälle  von  Sehnerventumoren  kritisch  zu  sich- 
ten unternehmen,  so  finden  wir,  dass  die  weitaus  überwiegende 
Mehrzahl  der  nämlichen  Kategorie  beizuzählen  ist.  Nur  dann 


Uel).  die  eigentlichen  Sehnen^entumoren  u.  ihre  chirurgische  Behandlung.  333 

können  wir  bei  den  eigentlichen  Sehnerventumoren  zu  einem  Fort- 
schritt in  der  klinischen  Beurteilung,  der  Prognose  und  der  Sicher- 
heit unseres  chirurgischen  Handelns  gelangen,  wenn  wir  die  ver- 
schiedenen Arten  derselben  ihrem  anatomischen  Charakter  nach 
auseinander  zu  halten  uns  bemühen. 

Wir  wollen  uns  zunächst  mit  derjenigen  Kategorie  näher  be- 
schäftigen, für  welche  unsere  oben  mitgeteilten  Fälle  typische  Re- 
präsentanten darstellen.  Wir  sehen  da,  dass  überall  zweierlei  Arten 
von  Formelementen  in  den  Aufbau  des  Tumors  eingehen:  1)  spin- 

t 

delförmige  Zellen  mit  langen,  feinen  oder  gröberen,  einfachen 
oder  gegabelten  Ausläufern  und  sternförmige  Zellen  mit  mehr  oder 
weniger  zahlreichen,  dünneren  oder  dickeren,  nicht  selten  ver- 
zweigten Fortsätzen,  und  2)  freie  Zellen  mit  rundem  oder  ovalem 
Kern  und  spärlichem  oder  reichlicherem,  grobkörnigem  Protoplasma. 
Die  morphologischen  und  chemischen  Eigenschaften  dieser  ver- 
schiedenen Zellenarten  sind  im  Obigen  genauer  geschildert  worden. 
Sie  kehren  in  allen  bekannt  gewordenen  Fällen,  deren  Beschrei- 
bung eine  hinreichend  durchsichtige  ist,  wieder  und  variieren  nur 
in  der  relativen  Häufigkeit  und  Anordnung  der  einzelnen  Elemente 
zu  einander. 

Dazu  kommt  eine  schleimige  Interzellularsubstanz,  welche 
bald  nur  in  geringer  Menge  und  an  vereinzelten  Stellen  angetroffen 
wird,  bald  die  Hauptmasse  der  ganzen  Geschwulst  darstellt.  Je 
mehr  Schleimsubstanz  vorhanden  ist,  um  so  umfangreicher  ist  in 
der  Regel  — ceteris  paribus  — die  Geschwulst  (Rothmund  8). 
Sie  bildet  dann  verschieden  grosse,  cystöse  Räume,  welche  nach  dem 
Anschneiden  collabieren. 

In  der  Mehrzahl  der  Fälle  ist  der  Sehnerv  oder  der  von  dem- 
selben ausgehende  Anteil  der  Geschwulst  vom  Scheidenanteile 
deutlich  geschieden;  wenigstens  ist  dies  stets  in  der  Nähe  der 
Einpflanzung  des  Opticus  in  die  Geschwulst  der  Fall.  Es  ist  näm- 
lich die  den  Nerven  zunächst  umschliessende  Hülle,  die  Pialscheide, 
in  der  Regel  entweder  durch  die  ganze  Geschwulst  hindurch  oder 
doch  auf  eine  kürzere  oder  längere  Strecke  in  ihrer  Struktur  er- 
halten. 

Die  Sehnerventumoren  der  in  Rede  stehenden  Kategorie  bieten 
insofern  ein  wechselndes  Verhalten  dar,  als  in  einigen  der  Nerven- 
stanim  oder  die  denselben  substituierenden  Faserzüge  als  ein  mehr 
oder  weniger  fest  zusammenhängender  Strang  den  Tumor  durch- 
setzen, während  in  anderen  die  Bündel  des  Nervenstranges  bald 
nach  dem  Eintritt  in  den  Tumor  auseinanderfahren  und  in  der 
Geschwulstmasse  sich  verlieren. 


334 


H.  Sattler. 


Dass  der  Nerv,  in  seiner  Struktur  nur  wenig  verändert  die 
Geschwulst  durchzieht,  ist  bei  der  uns  zunächst  interessierenden 
Art  von  Sehnerventumoren  ganz  und  gar  exceptionell.  Es  ist 
bis  jetzt  nur  ein  derartiger  Fall  bekannt  geworden,  welchen  Schiess- 
Gemuseus  beobachtet  und  beschrieben  hat  (78).  An  Osmium- 
säurepräparaten hoben  sich  die  Nervenbündel  sehr  schön  von  dem 
Bindegewebe  der  Septen  ab.  Bloss  die  Zahl  der  Kerne  innerhall) 
der  Bündel  war  stellenweise  vermehrt.  Sonst  sind  von  mark- 
haltigen Nervenfasern  nur  noch  vereinzelt  spärliche  Reste  auf- 
zufinden ; ja  in  der  Regel  ist  keine  Spur  mehr  von  ihnen  vor- 
handen, sondern  an  ihrer  Stelle  finden  sich  jene  Faserzellenzüge, 
wie  sie  in  unserem  ersten  und  zweiten  Falle  beschrieben  worden 
sind.  Als  ein  Paradigma  der  zweiten  Gruppe  kann  unser  dritter 
Fall  dienen,  dem  sich  eine  ganze  Anzahl  in  der  Litteratur  an- 
reiht. 

Durch  dieses  Verhalten  unterscheiden  sich  also  unsere  Seh- 
nervengeschwülste von  der  grossen  Mehrzahl  der  falschen  Neu- 
rome (Virchow)  und  Neurofibrome  (v.  Recklinghausen),  bei 
welchen  der  Nerv  unverändert  oder  im  Zustande  der  einfachen 
Atrophie  durch  den  Tumor  zieht.  In  den  multiplen  Neurofibromen 
der  Haut  konnte  v.  Recklinghausen  nichts  von  Degeneration 
der  primitiven  Nervenfasern  nachweisen,  ebensowenig  wie  von 
Proliferation  oder  Spaltung  derselben,  desgleichen  wies  nichts  auf 
eine  Neubildung  von  marklosen  Fasern  hin.  Auch  in  den  Seh- 
nervengeschwülsten ist  noch  niemals  eine  Neubildung  von  Nerven- 
fasern in  überzeugender  Weise  konstatiert  worden. 

Dass  Perls  (22)  dieser  Nachweis  gelungen  sei,  muss  entschieden  in  Al)- 
rede  gestellt  werden ; ja  durch  Leber  und  Yossius  (55),  welche  den  von  Perls 
beschriebenen  Fall  nachzuuntersuchen  Gelegenheit  hatten,  ist  es  wohl  sicher- 
gestellt worden , dass  die  von  Perls  als  marklose  Nerven  gedeuteten  Fasern 
identisch  waren  mit  den  oft  genannten  feineren  und  gröberen,  zum  Teil  varikösen 
Zellenatisläufern , und  dass  die  glänzenden  Einlagerungen  nicht  von  Myelin 
herrührten,  sondern  sich  durch  ihre  Reaktionen  als  jene  hyalinen  Gebilde  er- 
wiesen, von  denen  auch  in  unserer  Beschreibung  wiederholt  die  Rede  war. 

Die  Elemente  des  Nervenanteils  der  Geschwulst  entwickeln 
sich,  während  die  Nervenfasern  zu  Grunde  gehen,  aus  dem  Stütz- 
gewebe des  Nervus  opticus,  der  Neuroglia  in  der  Weise,  wie  es 
in  der  Beschreibung  unserer  Fälle  beim  Uebergang  des  Sehnerven- 
stiels in  die  Geschwulst  angedeutet  worden  ist.  Die  Bindegewebs- 
septen,  welche  mit  den  Blutgefässen  von  der  Pialscheide  aus  in 
den  Sehnerven  eindringen  und  denselben  in  der  bekannten  Weise 
durchsetzen,  sind  auch  in  der  Geschwulst  in  der  Regel  noch  deut- 
lich zu  erkennen,  wie  wohl  oft  sehr  beträchtlich  auseinander  ge- 


Uol).  die  eigentlichen  Sehnerventumoren  u.  ihre  chirurgische  Behandlung. 


335 


drängt.  Fibrilläres  Bindegewebe  ist  jedoch  nur  in  den  Fällen,  wo 
der  Nerv  einen  kompakten,  wenig  verbreiterten  Strang  darstellt, 
erhalten.  Meist  ist  es  im  Bereich  der  Geschwulst  durch  dichtere 
Züge  jener  Faserzellen  ersetzt,  welche  wir  als  die  Hauptmasse  der 
faserigen  Grundlage  dieser  Geschwülste  kennen  gelernt  haben. 
Dass  diese  faserartigen  Zellenausläufer  nicht  die  Bedeutung  junger 
l]  Bindegewebsfibrillen  haben,  geht,  abgesehen  von  ihrem  optischen 
''  Verhalten,  aus  den  oben  mitgeteilten  chemischen  Eigenschaften 
I hervor  (vgl.  oben  S.  319),  welche  mit  den  von  Leber  ermittelten 
(55,  S.  45)  sehr  vollkommen  übereinstimmen.  Die  faserartigen 
Ausläufer  der  Spindel-  und  Sternzellen  haben  dagegen  ein  nahes 
Analogon  in  den  Bildungen,  welche  man  in  Augen,  die  nach  Cy- 
clitis  der  Atrophie  entgegengehen,  aus  dem  Stützgewebe  der  Netz- 
haut und  aus  den  Zellen  der  pars  ciliaris  retinae  sich  ent- 
wickeln sieht. 

Die  den  Nervenanteil  des  Tumors  umschliessende  Partie  der 
Neubildung,  welche  in  der  einen  Reihe  von  Fällen  die  Haupt- 
masse derselben  darstellt  und  in  der  anderen  um  den  mehr  oder 
weniger  umfangreichen  Nerventumor  einen  schmäleren  oder  brei- 
teren Mantel  bildet,  geht  stets  aus  der  Arachnoidealscheide  und 
dem  subarachnoidealen  Balkengewebe  hervor.  Eine  Hyperplasie 
dieses  Balkensystems  und  eine  Wuclierung  seiner  endothelialen 
Zellplättchen  bereiten,  die  Entwicklung  des  geschwulstartigen 
Wachstums  vor  und  sind  bis  an  das  vordere,  blindsackförmige 
Ende  des  Zwischenscheidenraumes  zu  verfolgen.  Die  näheren 
histologischen  Details  des  Ueberganges  in  die  Tumormasse  sind 
bei  der  Beschreibung  unserer  Fälle  des  Näheren  geschildert  worden 
(siehe  S.  320  und  325). 

Der  Scheidenanteil  ist  häufig  lockerer  und  reicher  an  Schleim- 
substanz, als  der  Nervenanteil.  In  den  jüngsten  Bildungen  fehlt 
jedoch  das  Schleimgewebe  fast  noch  vollständig. 

üb  die  Geschwulst  vom  Nerven  oder  vom  Zwischenscheiden- 
raum zunächst  ihren  Ursprung  nahm  oder  von  beiden  zugleich, 
lässt  sich,  wenn  seit  dem  Beginne  der  Entwicklung,  wie  dies  ge- 
wöhnlich der  Fall  ist,  längere  Zeit  verstrichen  war,  nicht  mehr 
feststellen.  Fälle  jedoch,  wie  der  schon  erwähnte  von  Schiess- 
Gemuseus  (78),  wo  das  Sehvermögen  noch  nicht  erloschen  war 
und  der  Nervenstamm  noch  weniger  tiefgreifende  Veränderungen 
erlitten  hatte,  weisen  wohl  auf  den  Intervaginalraum  als  Ur- 
sprungsstätte hin. 

Ihrem  anatomischen  Bau  nach  gehört  die  in  Rede  stehende 
Kategorie  von  Sehnerventumoren  den  Myxohbromen  an,  wobei 


336 


H.  Sattler. 


bald  der  fibromatöse,  bald  der  myxomatöse  Charakter  vorherrschend 
ist.  Wollte  man  die  Beziehung  zum  Nerven  im  Worte  zum  Aus-  i 
druck  bringen,  so  könnte  man  sie  als  Neuromyxofibrome  bezeichnen  - 
oder  als  falsche  Neurome  des  Opticus.  Nur  darf  man  nicht  ver- 
gessen, dass  der  faserige  Anteil  nicht  aus  fibrillärem,  leimgeben- 
den Bindegewebe  aufgebaut  ist,  wie  in  den  meisten  Fibromen  und 
auch  vielen  Neufibromen  (v.  Recklinghausen  52,  S.  9 und  26), 
sondern  aus  langen,  faserartigen  Zellenausläufern,  welche  in  ihren 
physikalischen  und  chemischen  Eigenschaften  vom  gewöhnhchen 
Bindegewebe  sich  unterscheiden.  Ein  grösserer  Zellenreichtum 
rechtfertigt  es  noch  keineswegs,  diese  Geschwülste  als  Fibro-  und 
Myxosarconie  zu  bezeichnen,  wie  dies  von  seiten  mehrerer  Autoren 
geschehen  ist.  Die  mit  Rücksicht  auf  die  genetische  Beziehung 
der  Sehnervengeschwulst  zur  Neuroglia  naheliegende  Bezeichnung 
Neurogliom  dürfte  schon  deshalb  am  besten  vermieden  welxlen, 
weil  der  Name  Gliom  und  Gliosarcom,  auf  Netzhaut-  und  Sehnerven- 
geschwülste angewendet,  für  Neubildungen  in  Gebrauch  ist,  welche 
einen  wesentlich  verschiedenen  Bau  besitzen  und  zu  den  bösartigsten 
gehören,  welche  in  dieser  Gegend  verkommen. 

Das  klinische  Bild  der  eigentlichen  Sehnerven- 
tumoren ist  ein  ziemlich  wohl  charakterisiertes,  so  dass  unter 
sorgfältiger  Berücksichtigung  der  gleich  näher  zu  bezeichnenden 
objektiven  Symptome  und  vertrauenswürdiger  anamnestischer  An- 
gaben die  Diagnose  wohl  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  mit  einem 
mehr  oder  weniger  hohen  Grade  von  Sicherheit  dürfte  gestellt 
werden  können. 

V.  Gräfe  hat  bereits  im  Jahre  18G4  die  wesentlichen  Momente  bezeichnet, 
aut  welche  sich  die  Diagnose  eines  Selmerventumors  zu  stützen  hätte  und  seit- 
dem ist  es  in  einer  ganzen  Eeihe  von  Fällen  verschiedenen  Beobachtern  ge- 
lungen, die  Beziehung  der  retrobulbären  Geschwulst  zum  Sehnerven  mit  grösserer 
oder  geringerer  Bestimmtheit  zu  erkennen.  Wenn  Huc  in  seiner  These  1882 
(58)  den  Ausspruch  thut,  die  Diagnose  eines  Sehnerventumors  sei  ä peu  pres 
impossible  oder  wenigstens  d’une  extreme  difficult^,  so  ist  dersell)e  wohl  ent- 
schieden zurückzuweisen. 

Eine  andere  Frage  ist  es,  ob  es  auch  möglich  ist,  die  Natur 
des  Sehnerventuniors  wenigstens  vermutungsweise  bei  der  Diagnose 
festzustellen.  Wünschenswert  wäre  dies  allerdings,  weil,  wie  wir 
sehen  werden , die  verschiedenen  Kategorien  von  Sehnerven- 
geschwülsten in  prognostischer  Beziehung  keineswegs  gleichwertig 
sich  erweisen. 

Indem  wir  nun  die  Symptome,  auf  welche  sich  die  Diagnose 
eines  Sehnerventuniors  zu  stützen  hätte,  aufzählen  und  näher  be- 
gründen, wollen  wir  insbesondere  Rücksicht  nehmen  auf  die  im 


Tel),  die  eigentlioliou  Sehnevventumoren  u,  ihre  chirurgische  Beliaiullung. 


337 


Vorangehenden  anatomisch  genauer  gekennzeichnete  Kategorie, 
indem  derselben  die  weitaus  überwiegende  Mehrzahl  aller  Seh- 
nervengeschwülste angehört.  Bei  Besprechung  der  anderen  Arten 
werden  wir  Gelegenheit  haben,  das  Abweichende  und  diesen  Eigen- 
tümliche besonders  hervorzuheben. 

Gewisse  II  au  p t s y m p t o in e kommen  allen  Sehnerventumoren 
gemeinsam  zu: 

1)  Die  langsame  aber  stetig  zunehmende  Protrusion 
des  Augapfels  und  zwar  hauptsächlich  in  der  Richtung 
der  Orbitalachs e.  In  vielen  Fällen  findet  allerdings  gleich- 
zeitig eine  meist  nur  mässige  seitliche  oder  Ilöhenab weich ung 
statt,  je  nach  der  vorwiegenden  Entwicklung  des  Tumors  in  der 
einen  oder  anderen  Richtung. 

2)  Die  Erhaltung  einer  relativ  guten  Beweglichkeit 
selbst  bei  starkem  Exophthalmus.  Besteht  infolge  ungleich- 
mässiger  Ausbreitung  der  Geschwulst  eine  stärkere  Abweichung 
des  Bulbus  von  der  Richtung  der  Orbitalachse,  so  ist  in  der 
Regel  die  Beweglichkeit  nach  der  entgegengesetzten  Richtung  am 
meisten  behindert. 

3)  Frühzeitige  Beeinträchtigung,  bezw.  völliger  Ver- 
lust des  Sehvermögens.  Daher  auch  die  seltene  Klage  über 
Doppelsehen.  Nur  ganz  ausnahmsweise  bestand  bei  den  Fibro- 
myxomen  des  Sehnerven  zur  Zeit  der  Exstirpation  noch  ein  geringer 
Rest  qualitativen  Sehvermögens. 

In  dem  schon  erwähnten  Falle  von  Schiess-Gemnsens  (78),  ein  12’/2 
Jahre  altes  Mädchen  hetrelfend,  in  welchem  IV2  Jahre  vor  der  ()})eration  ein 
Vortreten  des  Angapfels  zuerst  bemerkt  worden  war,  hielt  sich  trotz  starker 
Protrusion  und  exquisiter  Stauungspapille  das  Sehvermögen  unter  mehrfachen 
Schwankungen  lange  auf  leidlicher  Höhe.  Noch  4 IMonate  vor  der  Exstirpation 
betrug  der  Visus  vorübergehend  '’|:i  und  acht  Tage  vor  derselben  bestand  noch 
V -=  ‘^/7^  das  Gesichtsfeld  war  aber  allseitig  stark  eingeschränkt,  besonders  nach 
innen  unten.  Am  Tage  vor  der  Operation  sank  das  Sehvermögen  plötzlich  auf 
1 bis  2 Zweihundertstel.  Bei  einem  von  Otto  Becker  oj)erierten  10 jährigen 
Jungen  (2F  wurden  am  Tage  der  Exstiiq)ation  noch  I'inger  in  ö ]M.  gezählt. 

4)  Die  ophthalmoskopische  Untersuchung  ergiebt  in 
der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  das  Bild  der  sogen.  Stauungspapille. 
Die  Schwellung  des  Sehnervenkopfes  ist  nicht  selten  recht  hoch- 
gradig, ziemlich  umschrieben  und  steil  abfallend,  zuweilen  nicht 
ganz  gleichmässig.  Die  Farbe  ist  graurötlich;  die  Netzhautvenen 
sind  in  der  Regel  stark  geschlängelt  und  verbreitert,  die  Arterien 
meist  verschmälert,  ln  der  Papille  sind  die  Gefässstämme  teilweise 
verdeckt.  Allmählich  geht  dann  dieses  Bild  in  das  der  Atrophie 
über  mit  mehr  oder  weniger  deutlichen  Spuren  der  früheren 

22 


338 


H.  Sattler. 


Schwellung,  Seltener  trifft  man  das  Bild  der  reinen  Sehnerven- 
atrophie. 

In  einem  Falle  bei  einer  30jährigen,  sonst  völlig  gesunden  Patientin  kamen 
ausgedehnte  Netzhautblutungen  zur  Beobachtung  (Steffan  24).  Hulke  (öd) 
konnte  in  seinem  Falle,  ein  19 jähriges  Mädchen  betreftend,  trotz  hochgradigem 
Exophthalmus  und  Herabsetzung  des  Visus  auf  blosse  Lichtemptindung  mit  dem 
Spiegel  nichts  Al>normes  wahrnehmen. 

5)  Subjektive  Lichterscheinungen  fehlen  stets;  in 
der  Regel  fehlt  bei  den  Myxofibromen  des  Sehnerven 
auch  jegliche  Schmerzhaftigkeit.  Nur  bei  sehr  beträchtlicher 
Grösse  oder  in  gewissen  Wachstumsperioden  der  Geschwulst  ist 
über  Schmerzen  geklagt  worden  (Lidell  6,  Rothmund  8,  Qua- 
glino  11,  Grüning  32,  Tillaux  73,  Lawson  77).  ln  einem 
Falle  von  Steffan  (24)  waren  heftige  Ciliarschmerzen  vorhanden 
als  Teilerscheinungen  eines  Sekundärglaukonis , welches  im  Ver- 
laufe des  Wachstums  des  Sehnerventumors  als  eine  ganz  excep- 
tionelle  Erscheinung  zur  Entwicklung  gekommen  war.  Ein  Exopli- 
thalmus  bestand  in  diesem  Falle  nicht. 

6)  Durch  Palpation  ist  es  in  manchen  Fällen  sehr  wolil 
möglich,  sich  von  der  Anwesenheit  einer  Geschwulst  hinter  dem  Aug- 
apfel zu  überzeugen,  welche  mit  dem  letzteren  in  direktem  Zu- 
sammenhänge steht.  Bei  den  Myxofibromen  kann  man  auch  die 
weiche  oder  mehr  weniger  prall  elastische  Konsistenz  des  Tumor.s 
und  die  Glätte  seiner  Oberfläche  durch  die  Betastung  feststellen. 
Auch  wenn,  wie  dies  häufig  der  Fall  ist,  die  Geschwulst  vermittelst 
eines  kürzeren  oder  längeren,  meist  S förmig  gekrümmten  Seh- 
nervenstiels mit  dem  Bulbus  zusammenhängt,  gehngt  es  bei  stär- 
kerem Exophthalmus  bisweilen,  durch  Vorschieben  der  Finger- 
spitze zwischen  Augapfel  und  Orbital  wand  (eventuell  in  der  Narkose) 
diesen  Zusammenhang  nachzuweisen  und  sich  zu  vergewissern, 
dass  der  Tumor  bei  den  Bewegungen  des  Bulbus,  welche  annähernd 
um  den  normalen  Drehpunkt  erfolgen , entsprechend  kleine 
Exkursionen  mitmacht. 

Das  Wachstum  der  Geschwulst  ist  fast  ausnahmslos 
ein  langsames  und  in  der  Regel  stetiges.  Nur  in  einem  Falle 
(Tillaux  73)  wurde  es  als  schubweises  beschrieben.  Wenn  von 
einem  gewissen  Zeitpunkte  an  die  Vergrösserung  des  Tumors 
rascher  erfolgte,  so  dürfte  dies  wohl  hauptsächlich  auf  schnelleres 
Fortschreiten  der  Bildung  quellender  Schleimsubstanz  zurückzu- 
führen sein. 

Die  bei  weitem  überwiegende  Mehrzahl  der  Myxofibrome  des 
Sehnerven  hatte  zur  Zeit  der  Exstirpation  die  Grösse  eines 


Ueb.  die  eigentlichen  Sebnerventuinoren  u.  ihre  chirurgische  Behandlung.  339 


Taubeneies  oder  kleinen  Hühnereies  erreicht.  Es  sind  jedoch 
auch  Fälle  bekannt,  wo  sie  zu  einer  sehr  beträchtlichen  Grösse 
heranwuchsen. 

So  hatte  in  Lide  11s  Falle  (G)  der  Tumor  hei  einem  20jährigen  Fräulein 
nach  Sjährigem  Wachstum  unter  Erweiterung  der  Augenhöhle  die  Grösse  eines 
Gänseeies  erlangt;  desgleichen  indem  Falle  von  Quaglino  (11)  nach  7 jährigem 
und  dem  von  Kussachowicz  (66)  nach  lOjährigem  Wachstum.  Die  Geschwulst, 
die  Sutphen  (81)  bei  einem  10jährigen  Mädchen  exstirpierte , hatte  50  mm  im 
I Durchmesser.  Und  bei  einem  13jährigen  Mädchen,  das  Rothmund  (8)  operierte, 
hatte  der  Tumor  nach  11  jährigem  Wachstum  die  enorme  Grösse  von  65  mm  im 
Querdurchmesser  erreicht. 

Die  Gestalt  der  Geschwülste  ist  in  der  überwiegenden 
! Mehrzahl  eine  eiförmige  mit  bald  mehr,  bald  weniger  überwiegendem 
I Längsdurchmesser,  öfters  auch  eine  bimförmige,  mit  dem  dickeren 
I Ende  bald  nach  vorn  bald  nach  hinten. 

' Trotz  kolossalen  Umfanges  der  Geschwulst  kommt  es  jedoch 

I bei  den  Myxofibromen  des  Nervus  opticus  niemals  zu  einem  Ueber- 
greifen  auf  benachbarte  Gewebe.  Der  aus  der  Augenhöhle  voll- 
ständig verdrängte  Bulbus,  von  den  Lidern  nicht  mehr  bedeckt, 
geht  durch  Vereiterung  zu  Grunde  und  die  Orbita  wird  in  allen 
Dimensionen  erweitert ; dennoch  bleibt  die  Geschwulst  deutlich 
umgrenzt  und  sogar  bis  zu  einem  gewissen  Grade  aktiv  beweglich. 

Als  ein  weiterer  Umstand,  welcher  geeignet  ist,  die  Gutartig- 
keit der  Myxofibrome  des  Sehnerven  zu  dokumentieren,  ist  das 
regelmässige  Fehlen  von  Lymphdrüsenschwellungen, 
sowie  das  ungestörte  Allgemeinbefinden  anzuführen.  .Ja 
in  Helen  Fällen  wird  das  frische,  blühende  Aussehen  des  betroffenen 
Individuums  ausdrücklich  hervorgehoben. 

Auch  das  Alter,  in  welchem  die  Patienten  standen,  als 
die  Anfänge  der  Geschwulstbildung  bemerkt  wurden,  verdient 
Beachtung. 

Unter  47  Fällen  von  jMyxofibromen  des  Opticns,  in  denen  das  Alter  notiert 
ist,  fällt  der  Beginn  bei  20  nachweislich  in  die  Zeit  vor  dem  7.  Lebensjahre 
nnd  bei  21  in  die  Zeit  zwischen  dem  7.  und  20.  Jahre.  Nur  bei  6 Lidividuen 
datiert  der  Anfang  aus  einer  späteren  Lebensperiode  und  auch  bei  diesen  ist 
mit  Ausnahme  eines  einzigen  Falles  derselbe  noch  in  die  Zwanzigerjahre  zu  ver- 
setzen. In  jenem  Ausnabmsfalle,  welcher  eine  62jährige  Frau  betraf,  bei  der  der 
Anfang  der  Protusion  zwei  Jahre  vorher  bemerkt  worden  und  das  Sehvermögen 
vor  einem  Jahr  erloschen  war,  ist  eine  traumatische  Ursache  aller  AVahrschein- 
keit  nach  anzunehmen.  Dieselbe  hatte  nämlich  sechs  Monate  vor  dem  Auf- 
treten der  Protusion  einen  Fanstschlag  auf  das  betreffende  Auge  bekommen 
(Brailey,  34). 

; Es  besteht  also  eine  unzweifelhafte  Prädisposition 

( des  jugendlichen,  ja  man  kann  sagen,  des  kindlichen 


340 


H.  Sattler. 


Alters.  In  zwei  Fällen  wird  ausdrücklich  bemerkt,  dass  die 
ersten  Veränderungen  schon  bald  nach  der  Geburt  beobachtet 
worden  seien.  Bei  einem  2^2  Jahre  alten  Kinde,  über  welches 
Vossius  berichtet  (55),  wurde  schon  einige  Wochen  nach  der 
Geburt  ein  eigentümlicher  Ausdruck  des  linken  Auges  und  etwas 
Schielen  bemerkt.  Bei  dem  sehr  langsamen  Entwicklungsgang 
und  dem  F ehlen  von  Schmerzen  ist  der  Anfang  der  Geschwulst* 
bildung  gewiss  häufig  noch  in  eine  viel  frühere  Lebensperiode 
zurückzudatieren,  als  in  der  Anamnese  angegeben  wird.  Auch 
bei  vielen  Neurofibromen  anderer  Körperstellen  wird  der  Anfang 
mit  Bestimmtheit  in  die  Kinderjahre  zurückversetzt. 

Dass  unter  47  Fällen,  in  welchen  das  Geschlecht  notiert 
ist,  33  das  weibliche  und  nur  14  das  männliche  Geschlecht  betreffen,, 
dürfte  wohl  kaum  auf  Zufall  beruhen. 

Hereditäre  Beziehungen  sind  bis  jetzt  in  keinem  Falle 
nachgewiesen  worden.  Bei  den  multiplen  Neurofibromen  ist  da- 
gegen in  einer  guten  Anzahl  von  Fällen  Erblichkeit  konstatiert 
(v.  Recklinghausen  52). 

In  einigen  der  hierher  gehörigen  Fälle  von  Sehnerventumoren 
scheinen  Traumen  in  einer  Beziehung  zur  Geschwulstbildung  zu 
stehen. 

Ausser  dem  schon  erwähnten  Falle  von  Braily  (34)  wurde  von  Qua- 
glino  (11)  berichtet,  dass  ein  24jähriges  Mädchen  in  seinem  19.  Lebensjahre  über 
einen  Baumstrunk  gefallen  sei,  von  welchem  ein  hervorstehender  Teil  zwischen 
dem  rechten  Auge  und  der  inneren  Orbitalwand  eindrang.  Ein  Jahr  später 
wurde  Abnahme  des  kSehvermögens  des  hetreäenden  Auges  und  Doppelsehen 
bemerkt,  und  bald  darauf  trat  der  Augapfel  aus  seiner  Höhle  hervor.  Bei  einer 
32  jährigen  Patientin  Grüning’s  (32)  wurde  2 Jahre  nach  einem  Falle  über  eine 
Treppe,  wobei  sie  sich  an  der  linken  Kopfseite  unerheblich  verletzte,  Blindheit 
des  linken  Auges  und  4 Jahre  später  beginnende  Prominenz  desselben  wahr- 
genommen. Noch  in  einigen  anderen  Fällen  ist  ein  Sturz  oder  Aehnliches  in 
der  Anamnese  notiert,  aber  eine  Beziehung  zur  Geschwulstbilduug  recht 
zweifelhaft. 

Eine  Bevorzugung  des  einen  oder  des  anderen  Auges  ergiebt 
sich  aus  der  Statistik  nicht.  In  den  bekannt  gewordenen  Fällen 
ist  der  rechte  Sehnerv  18,  der  linke  23mal  Sitz  der  Erkrankung 
gewesen.  In  zwei  Fällen  war  die  Affektion  doppelseitig  (siehe 
unten). 

Auch  der  weitere  Verlauf  nach  dem  Eingreifen  der  Hand 
des  Chirurgen  spricht  laut  für  die  benigne  Natur  der  Myxofibrome 
des  Sehnerven.  Bis  jetzt  ist  noch  kein  einziger,  sicher 

b Einseitige  Abnahme  des  Sehvermögens  bleibt,  wie  die  Erfahrung 
eines  jeden  Augenarztes  lehrt,  oft  sogar  bei  erwachsenen  Individuen  jahrelang 
unbemerkt. 


lieb,  die  eigentlichen  Sehnerventumoren  u.  ihre  chirurgische  Behandlung.  ^^41 

konstatierter  Fall  von  Recidiv  beobachtet  worden, 
trotzdem  die  hintere  Schnittfläche  keineswegs  frei  gefunden  wurde 
von  pathologischer  Wucherung.  Ja  selbst  in  Fällen,  in  welchen 
die  Exstirpation  ganz  bestimmt  keine  reine  war,  hat  sich  doch 
nach  Jahren  keine  Spur  eines  Recidivs  gezeigt. 

Der  Fall  von  Sichel  (13)  war  noch  nach  drei  Jahren  frei  von  Kecidiv, 
der  von  Lideil  (6)  nach  5,  von  Steffan  (24)  nacli  l'/a,  von  Holmes  (40)  nach 
2,  V 0 s s i u s (55)  nach  3,  von  S c h i e s s - G e m n s e u s nach  2 Jaliren.  In  dem  Falle 
von  Johnson  und  Prudden  Jih)  war,  ohwold  der  Canalis  opticus  sich  durch 
die  Geschwulst  so  stark  erweitert  zeigte,  dass  er  leicht  das  Ende  des  Zeigefingers 
aufnehmen  konnte,  nach  1 Va  .Jahren  ein  Recidiv  ausgeblieben  und  Noering 
(88^  sah  nach  9 Monaten  das  Kind  frei  von  einem  Recidiv,  obwohl  im  Hinter- 
gründe der  Orliita  noch  ein  Geschwulstanteil  zu  fühlen  war,  »auf  dessen  Exstir- 
pation verzichtet  werden  musste,  da  er  sich  durch  das  Foramen  opticinn  in  die 
Schädelhöhle  zu  erstrecken  schien«. 

In  einem  Falle,  über  welchen  Parisotte  und  D e s a g n e t (G3)  berichten, 
war  allerdings  eine  zweite  Operation  nötig  geworden,  da  Galezowski  mit  dem 
Augapfel  »bloss  den  vorderen  Teil  des  Tumors«  entfernt  hatte!  Drei  IMonate 
später  führte  R i c h e t eine  Radikaloperation  ans , die  dann  zum  Tode  der  Pa- 
tientin (31jährige  Frau)  führte.  Liier  kann  doch  wohl  nicht  von  einem  Recidiv 
gesprochen  werden. 

In  dem  schon  oben  erwähnten,  von  Brailey  (34)  veröffentlichten  Falle 
einer  (12 jährigen  Patientin  hatte  Herr  Abott  vom  Tumor  mitsamt  dem  Aug- 
apfel »so  viel  fortgenommen,  als  er  bekommen  konnte«.  Zwei  Monate  später 
fühlte  sich  die  Orbita  wieder  voller  an;  dann  entzog  sich  die  Frau  der  Beobach- 
tung. Es  ist  nicht  unmöglich , dass  auch  hier  noch  mit  der  Zeit  Rückbildung 
erfolgte. 

Unter  47  Fällen,  in  welchen  ein  operativer  Eingriff  vor- 

genommen worden  war,  erfolgte  viermal  der  Tod  unter  menin- 
gitischen  Erscheinungen,  im  Anschluss  an  Vereiterung  des  Orbital- 
zellgewebes. 

Der  Tod  trat  ein  in  Richet’s  Fall  (67)  am  2.,  in  einem  Falle  Lel)er’s  (41) 
am  9.,  in  einem  zweiten  Falle  Richet’s  (57)  am  13.  Tage  und  in  dem  bereits 
erwähnten  Falle  von  (iuaglino  (11)  6 Monate  nach  der  Operation. 

Höchst  bemerkenswert  scheint  mir  der  Umstand,  dass  unter 
den  vier  tödlich  endenden  Fällen  in  drei  eine  Fortsetzung  der 
Oeschwulst  in  die  Schädelhöhle  hinein  gefunden  wurde.  In 

Quaglino’s  Fall  ist  die  Sektion  nicht  gestattet  worden. 

In  dem  ersten  Falle  Richet’s  setzte  sich  [die  ziemlich  zellenreiche,  myxo- 
fibromatöse  Neubildung  dem  tractus  ojiticus  entlang  bis  zum  pedunculus  cerebri 
fort.  In  seinem  zweiten  fand  sich  vor  dem  Chiasma,  gerade  da,  wo  der  Nerv 
in  die  Orbita  eintritt,  ein  erbsengrosser  Tumor  von  derselben  Bescbaffenheit, 
wie  die  Orliitalgeschwulst.  Bei  dem  4‘V4  Jalu-e  alten  IMädchen  der  Leber’ sehen 
Klinik  in  Göttingen  erstreckte  sich  die  Neubildung  durch  das  auf  7 mm  er- 
weiterte foramen  opticum  bis  zum  Chiasma,  eine  kurze  spindelförmige  Anschwel- 
I lung  bildend.  Das  Chiasma  erschien  sehr  stark  verdickt,  von  fibröser  Härte 

( und  weisslicher  Färbung.  Auch  der  andere  (rechte)  Sehnerv  war  in  seinem  intra- 


342 


H.  Sattler. 


cranielleii  Verlaufe  ein  wenig  verdickt.  Innerhalb  der  Orbita  schwoll  er  dann 
albnäblicb  an  bis  zu  einem  Durchmesser  von  12  mm,  verjüngte  sich  hierauf 
rasch  wieder  auf  7 mm,  um  vor  seinem  Eintritt  in  den  Bulbus  noch  einmal  eine 
Dicke  von  9 mm  zu  erreichen.  Die  Anschwellung  kam,  wie  die  mikroskopische 
Untersuchung  lehrte,  auch  hier  wesentlich  auf  Rechnung  der  Wucherung  im 
subarachnoidealen  Raume  des  Sehnerven , welche  im  vorderen  Teile  in  einer 
blossen  Hyperplasie  der  subarachnoidealen  Bälkchen  bestand,  in  der  hinteren 
grösseren  Anschwellung  aber  aus  den  bekannten  Faserzellen,  welche  vielfach 
hyaline  Einlagerungen  enthielten,  gebildet  wurde. 

Zu  diesen  Fällen  von  intracranieller  Ausbreitung  des  myxo- 
fibromatösen  Opticustumors  kommt  nur  noch  mein  zuletzt  be- 
schriebener Fall  (Fig.  7)  als  vierter  hinzu.  Dieser  ist  auch  neben 
Leb  er ’s  eben  citierter  Beobachtung  der  einzige  Fall  von  doppel- 
seitigem Vorkommen  der  Geschwulstbildung.  Dasselbe  ist  also 
gewiss  ein  recht  seltenes  ^).  Immerhin  tritt  aber  nach  solchen  Er- 
fahrungen die  strikte  Aufforderung  an  uns  heran,  in  allen  Fällen, 
wo  wir  die  Diagnose  eines  Opticustumors  zu  machen  uns  berech- 
tigt glauben,  den  Zustand  des  zweiten  Auges  einer  besonders 
sorgfältigen  Prüfung  zu  unterziehen. 

In  der  That  waren  in  Leber’s  Falle  schon  im  Leben  Erscheinnngen  am 
rechten  Auge  hervorgetreten,  welche  trotz  Fehlen  eines  Exophthahnns  eine  Mit- 
beteiligung des  rechten  Auges  vermuten  lassen  konnten.  Die  Sehnerveniiapille 
erschien  auffallend  gross  und  entschieden  etwas  heller  und  die  Arterien  waren 
vielleicht  etwas  enger.  Eine  genaue  Sehprüfung  liess  sich  bei  dem  Kinde  nicht 
vornehmen;  aber  die  Zeiger  einer  Taschenuhr  wurden  richtig  angegeben. 

Metastasen  in  anderen  Organen  sind  niemals  gefunden  worden. 

Ist  also  eine  doppelseitige  Affektion  auszuschliessen,  und  sind 
genügende  Anhaltspunkte  vorhanden  für  die  Annahme  der  fibro- 
myxomatösen  Natur  des  Sehnerventumors,  so  ist  die  Prognose 
entschieden  als  günstig  zu  bezeichnen,  insofern  als  eine  rechtzeitige 
und  unter  Beobachtung  strengster  Asepsis  durchgeführte  Exstir- 
pation des  Tumors  dauernde  Herstellung  erwarten  lässt. 

Wenn  Huc  (58)  in  seinen  Betrachtungen,  welche  er  an  Rieh  et ’s  un- 
glücklich endenden  Fall  anschliesst,  die  Prognose  stets  als  eine  ernste  und  die 
Operation  als  sehr  gefährlich  bezeichnet , so  kann  dem  wohl  nicht  beigestimiiit 
werden.  Die  eiterige  Meningitis  dürfte  wohl  unter  Beobachtung  einer  rigoroseren 
Antisepsis  zu  verhüten  gewesen  sein.  Auch  AVi Hemer  (42)  kommt  zum  Schlüsse, 
dass  die  Prognose  nicht  besonders  günstig  zu  stellen  sei.  Dies  hat  seinen  Grund 
wohl  einerseits  darin,  dass  er  eine  viel  zu  geringe  Zahl  von  Fällen  (17)  seinen 
Schlussfolgerungen  zu  Grunde  legen  konnte,  und  andererseits,  dass  er  die  ver- 
schiedenen Arten  von  Sehnerventumoren  zusammenwarf.  AVir  werden  später 
sehen,  dass  bei  den  anderen  Arten  die  Prognose  eine  ausserordentlich  viel 
weniger  günstige  ist. 

Da  die  Neubildung  niemals  auf  den  Augapfel  selbst  über- 
greift  und  derselbe  nur  infolge  hochgradigsten  Exophthalmus  bei 


*)  Unter  49  Fällen  von  Myxofibrom  des  Sehnerven  zweimal  (4 o/o). 


Ueb.  die  eigentlichen  Sehnerventumoren  u.  ihre  chirurgische  Behandlung.  343 

mangelnder  Bedeckung  durch  Vereiterung  zu  Grunde  geht,  so  ist 
seine  Schonung  immerhin  anzustrebeii  und  dürften  auch  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  ausführbar  sein. 

Bis  jetzt  ist  die  Erhaltung  des  Bulbus  bei  Sehnerven- 
tunioren  in  sechs  Fällen  gelungen.  Von  diesen  betrafen  jedoch 
nur  drei  Myxofibrome  des  Opticus,  ein  Fall  von  Grüning  (32), 
j einer  von  Schiess-Geniuseus  (78)  und  mein  Fall. 

In  zwei  Fällen  (Strawbrigde  (44)  und  Knapp  (45))  handelte  es  sich  um 
(iliosarcome  des  Nervus  opticus  und  Knapps  erster  P'alü25),  welchen  er  als  Carcinom 
der  äusseren  Sehnervenscheide  beschreibt,  gehört  den  alveolären  Sarcomen  an. 

In  einem  Falle  von  Endotheliom  des  intervaginalen  Eaumes  des  Sehnerven 
hatte  Alt  die  Erhaltung  des  Bulbus  versucht,  musste  denselben  jedoch  4 Stunden 
nach  beendeter  Operation  wegen  unstillbarer  Blutung  entfernen.  In  den  oben 
erwähnten  Fällen  von  Strawbrigde  und  Knapp  (45)  ging  wenige  Tage  nach 
der  Operation  die  Hornhaut  durch  Eiterung  zu  Grunde  und  der  Augapfel  wurde 
phthisisch. 

In  den  drei  ^Myxofibrome  betreifenden  Fällen  war  der  schliess- 
liche  Effekt  ein  sehr  zufriedenstellender.  Einhalb  bis  dreiviertel 
Jahre  nach  der  Operation  erschien  der  Augapfel  ein  wenig  kleiner, 
weniger  gespannt,  etwas  tiefer  liegend,  weniger  beweglich,  als  nor- 
mal und  in  leichter  Schielstellung  nach  einwärts.  Die  Medien 
können  völlig  klar  bleiben  und  erlauben  dann,  die  Veränderungen 
im  Augenhintergrund  zu  überblicken.  Man  findet  die  Papille 
glänzend  weiss,  an  Stelle  der  Netzhautgefässe  in  der  Nähe  der 
Papille  weisse  Stränge.  Mehr  nach  der  Peripherie  können  wieder 
blutgefüllte  Gefässe  sichtbar  werden.  Die  Aderhaut  scheint  be- 
sonders im  hinteren  Abschnitte  stark  atrophisch  und  in  der  Netz- 
haut finden  sich  mehr  oder  weniger  grosse  Plaques  dunkeln  Pig- 
ments. 

War  die  Hebung  des  oberen  Lides  nach  der  Operation  be- 
einträchtigt, so  besserte  sich  der  Zustand  im  Verlaufe  der  Zeit  sehr 
wesentlich. 

In  Schiess-Gemuseus’  Fall  hat  die  Bindehaut  zwei  Monate 
nach  der  Operation  ihre  Empfindlichkeit  wieder  erlangt  und  zwei 
Monate  später  bekamen  die  äusseren  Partien  der  Hornhaut  wieder 
etwas  Sensibilität. 

Knapp  war  der  erste,  welcher  die  Exstirpation  einer  mit 
den  Scheiden  des  Sehnerven  im  Zusammenhang  stehenden  Ge- 
schwulst mit  Erhaltung  des  Bullms  mit  Erfolg  ausführte  (25).  V. 
Graefe  meinte  noch  1864  (ü),  von  einer  Exstii’pation  ohne  Bulbus 
könnte,  da  die  Geschwulst  innerhalb  des  Muskeltrichters  liegt  und 
den  Sehnerven  jedenfalls  umklammert,  nicht  die  Rede  sein.  Hält 
man  sich  gegenwärtig,  dass  das  Einsetzen  eines  künstlichen  Auges 


344 


II.  Sattler. 


nach  Entfernung  einer  Orbitalgeschwulst  mitsamt  dem  Bulbus  oft 
grosse  Schwierigkeiten  verursacht,  ja  unmöglich  sein  kann  und 
andererseits  eine  gute  Prothese  nicht  nur  im  Interesse  einer  be- 
rechtigten Eitelkeit,  sondern  auch  eines  besseren  Fortkommens 
vieler  Individuen  gelegen  ist,  so  wird  man  zugeben,  dass  die  Ex- 
stirpation von  Sehnervengeschwülsten  mit  Erhaltung  des  Augapfels 
immerhin  eine  wertvolle  Bereicherung  in  der  ojDerativen  Behand- 
lung der  Sehnerventumoren  darstellt. 

Bei  nicht  allzugrossen  Geschwülsten  wird  man  mit  dem  von 
mir  vorgeschlagenen  Vorgehen  (s.  oben)  auskommen.  Sollte  bei 
grösserem  Umfange  des  Tumors  der  Zugang  durch  Ablösung 
des  inneren  Geraden  nicht  weit  genug  sein,  so  könnte  man,  wie 
Schiess- Genius eus  es  gethan  hat,  das  obere  Lid  vom  Thränen- 
punkte  bis  in  die  Augenbrauengegend  einschneiden  und  Zurück- 
schlagen und  ausser  dem  Rectus  internus  auch  den  oberen  oder 
unteren  Geraden  nach  Versicherung  der  Enden  in  einer  Faden- 
schlinge ablösen.  Wenn  man  rasch  operiert,  nach  möglichst  kom- 
pleter  Entfernung  des  Tumors  den  Augapfel  sogleich  zurückdrängen 
lässt,  während  man  die  nötigen  Suturen  anlegt  und  dann  einen 
sicheren  Druckverband  appliziert,  so  wird  man  der  Blutung  in  der 
Regel  wohl  leicht  Herr  werden. 

Es  bleibt  uns  jetzt  noch  übrig,  der  anderen  Kategorien  von 
Sehnerventumoren  in  Kürze  zu  gedenken  und  dieselben  nach  ihrer 
Charakterisierung  in  prognostischer  Beziehung  zu  würdigen. 

Die  Tumoren  der  einen  Kategorie  können  wir  als  Gliosar- 
come  des  Sehnerven  bezeichnen.  Reine  Fälle  dieser  Art  sind 
von  Ritterich  (4),  v.  Graefe  (10),  Schott  (39,  von  Mauthner 
operiert)  und  Knapp  (45)  mitgeteilt  worden.  Sämtliche  betrafen 
Kinder  in  den  ersten  Lebensjahren.  Die  drei  ersteren  endeten 
nach  der  Operation  tödlich  durch  Meningitis  und  man  fand  an- 
sehentliche,  weiche,  zellenreiche,  intracranielle  Tumoren  beider 
Sehnerven  und  des  Chiasma.  Und  in  Knapp’s  Fall  war  das  Kind 
Jahre  nach  der  Operation  zwar  frei  von  einem  lokalen  Recidiv, 
sah  aber  blass  und  abgemagert  aus,  sein  Kopf  war  grösser  und 
seit  einigen  Wochen  war  auch  das  Sehvermögen  am  anderen  Auge 
in  rascher  Abnahme  begriffen  und  das  Ophthalmoskop  enthüllte 
eine  ausgesprochene  Stauungspapille. 

Auch  Mischformen  des  Gliosarcoms  mit  myxomatösen  und 
fibromatösen  Bildungen  kommen  vor.  Um  solche  scheint  es  sich 
gehandelt  zu  haben  in  dem  Falle  von  Strawbridge  (44)  und 
einem  der  von  Goldzieher  veröffentlichten  Fälle  (21,  S.  134). 
Bei  Strawbridge ’s  Patientin  war  einige  Zeit  später  auch  das  an- 


Ueb.  die  eigentlichen  Selmerventiiinoren  u.  ihre  chirurgische  Behandlung.  345 

I dere  Auge  blind,  die  Papille  des  Sehnerven  weiss,  wie  nach  Neu- 
ritis, und  die  Kranke  zeigte  ausgesprochene  »cerebrale  Symptome«. 

Das  klinische  Bild,  welches  die  betreffenden  Patienten  vor 
der  Operation  darboten,  unterschied  sich  keineswegs  in  irgend  einer 
prägnanten  Weise  von  dem  früher  geschilderten.  Das  Wachstum 
war  in  zwei  Fällen  ein  etwas  rascheres.  Auf  Anzeichen,  welche 
auf  eine  intracranielle  Ausbreitung  der  Geschwulst  oder  ein  Ueber- 
greifen  auf  den  anderen  Sehnerven  hinweisen  könnten,  würde  auf 
das  sorgfältigste  zu  achten  sein.  Veränderungen  am  Sehnerven- 
kopfe oder  an  der  Netzhaut,  welche  auf  eine  Beteiligung  dieser 
Gewebe  an  der  Geschwulstbildung  hindeuten,  würden  für  die  glio- 
sarcomatöse  Natur  derselben  entscheidend  sein.  Liesse  sich  eine 
; bestimmte  Diagnose  nach  dieser  Richtung  stellen,  so  würde  die 
Prognose  stets  als  eine  sehr  ernste  zu  bezeichnen  sein. 

Eine  dritte  Kategorie  von  Sehnervengeschwülsten 
stellen  die  Endotheliome  der  Opticusscheiden  dar.  Unter 
den  in  der  Litteratur  bekannt  gewordenen  Fällen  dieser  Art  haben 
wir  aber  einige  auszuschliessen , welche  nicht  als  Sehnerven- 
j geschwülste  im  strengeren  Wortsinne,  wie  er  Eingangs  präcisiert 
j wurde,  gelten  können,  indem  sie  von  der  äusseren  Scheide  aus- 
gehend und  den  Nerven  samt  seinen  übrigen  Scheiden  umwachsend 
im  Muskeltrichter  sich  ausbreiteten. 

Zu  diesen  gehört  ein  Fall  von  Neuniann  (19,  S.  310),  der  sclion  er- 
■ttälmte  von  Knapp  (25),  einer  von  Ewetsky  ((50)  und  einer  von  Brailey  (72). 
In  den  beiden  ersten  war  das  Sehvermögen  erhalten  geblieben;  in  Neumann ’s 
Falle  kaum  geschwächt;  in  Knai^p’s  betrug  es  noch  V2u  des  normalen  und  war 
<las  Gesichtsfeld  uneingeschränkt. 

Die  übrigen  Fälle,  bei  welchen  die  Neubildung  vom  sub- 
vaginalen Raume  des  Sehnerven  ihren  Ausgang  nahm, 
boten  die  Symptome  eines  Opticustumors,  wie  sie  oben  ausführlich 
entwickelt  wmrden  sind,  in  mehr  oder  weniger  ausgesprochener 
Weise  dar.  Abweichend  waren  die  in  mehreren  Fällen  besonders 
I hervorgehobenen  heftigen  Kopfschmerzen. 

In  einem  Falle  (von  Alt,  38)  wurde  der  bisher  gesunde,  31  jährige  Mann 
I im  Verlaufe  der  Geschwulstentwicklung  epileptisch.  Nach  der  Operation  ver- 
; loren  sich  nicht  bloss  die  heftigen  Schmerzen,  sondern  verminderten  sich  auch 
die  epileptischen  Anfälle  sehr  bedeutend. 

Auch  in  Bezug  auf  das  Alter  der  betroffenen  Individuen 
r besteht  ein  beachtensw^erter  Unterschied  den  erst  genannten  Arten 
■j  von  Sehnerventumoren  gegenüber.  Nur  ein  Kranker  stand  im 
r,  Kindesalter  (4  Jahre),  vier'  befanden  sich  zwischen  dem  12.  und 
J 22.  Lebensjahre,  die  fünf  übrigen  waren  jenseits  der  dreissiger 
1 Jahre. 


346 


II,  Sattler. 


Meist  handelte  es  sich  um  kleinere  Geschwülste  und  einige 
Male  lag  mehr  eine  walzenförmige  Verdickung  des  Sehnerven  vor. 
Die  Grösse  der  annähernd  rundlichen  Tumoren  war  einer  Kastanie 
oder  Wallnuss  vergleichbar.  Ihre  Oberfläche  war  öfters  uneben, 
höckerig,  bei  walzenförmiger  Gestalt  jedoch  glatt.  In  letzterem 
Falle  bestand  kein  oder  nur  ein  geringer  Exophthalmus.  Welch 
ganz  kolossalen  Umfang  aber  derartige  Geschwülste  nach  langem 
Wachstum  erreichen  können,  zeigt  ein  Fall,  welchen  ich  selbst  im 
Jahre  1870  auf  der  Klinik  meines  hochverehrten  damaligen  Chefs, 
Hofrat  Billroth’s,  bei  einem  16jährigen  Taglöhner  zu  beobachten 
Gelegenheit  hatte  (16).  Der  exstirpierte  Tumor  mass  im  Quer- 
durchmesser 70  mid  im  Durchmesser  von  vorn  nach  hinten  55  mm. 
Da  das  Sehvermögen  nach  der  bestimmten  Angabe  des  Kranken 
schon  bald  nach  dem  Beginne  des  Leidens  im  achten  Lebensjahr 
erloschen  war,  so  dürfte  auch  hier  die  Geschwulstbildung  vom 
Zwischenscheidenraume  des  Sehnerven  ausgegangen  sein. 

Der  feinere  Bau  dieser  Art  von  Tumoren  ist  ein  sehr  gleich- 
förmiger. So  lange  die  Neubildung  auf  den  subarachnoidealen 
Raum  beschränkt  ist,  ist  ein  klarer  Einblick  in  die  Entstehungs- 
und Ausbreitungsweise  derselben  zu  gewinnen.  Als  ein  mehr  oder 
weniger  mächtiger  Mantel  umgiebt  sie  den  von  der  intakten  Pial- 
scheide  umgebenen,  atrophischen  Sehnerven  und  erstreckt  sich  bis 
an  das  vordere , blindsackförmige  Ende  des  Zwischenscheidenraunies 
(siehe  Fig.  8,  einem  von  mir  beobachteten  Falle  entstammend  und 
Michel  (20),  Taf.  I,  Fig.  1,  2 und  3).  Der  Sehnervenkopf  ist  stark 
geschwellt  und  steil  abfallend. 

Die  Neubildung  geht  hervor  aus  einer  Wucherung  der  en- 
dothehalen  Zellplättchen  der  Arachnoidealscheide  und  der  subarach- 
noidealen Bälkchen  (siehe  Michel  Fig.  4 und  5 und  Reich  (29) 
Taf.  II — III,  Fig,  3,  4 und  5)  und  erstreckt  sich  dann  weiter  in 
die  damit  im  Zusammenhang  stehenden  Bindegewebsspalträume; 
vom  vorderen,  blinden  Ende  des  Zwischenscheidenraumes  aus  in 
die  hinteren  Lagen  der  Sclerotica  (Fig.  8)  und  andererseits  zwischen 
die  Bindegewebsbalken  der  Duralscheide.  Auf  ersterem  Wege  ge- 
langt sie  schliesslich,  Gefäss-  und  Nervenkanälchen  folgend,  in  den 
Rerichorioidealraum  und  in  die  äussersten  Lagen  der  Aderhaut, 
ohne  jedoch  jemals  hier  eine  grössere  Ausdehnung  zu  erreichen, 
und  auf  dem  letzteren,  indem  die  Bündel  der  Duralscheide  mehr 
und  mehr  auseinander  gedrängt  und  in  immer  feinere  Bälkchen 
aufgelöst  werden,  an  die  äussere  Oberfläche  derselben  in  das  lockere 
Zellgewebe.  Zunächst  erfolgt  die  Vergrösserung  der  Geschwulst 
hauptsächlich  durch  fortgesetzte  Wucherung  der  endothelialen  Eie- 


Ueb.  die  eigentlichen  Sehnerventnmoren  u.  ihre  chirurgische  Behandlung.  347 

mente  im  subarachnoidealen  Raume,  indem  die  Bälkchen  desselben 
weiter  voneinander  entfernt  und  in  feinere  Bündel  zerspalten  wer- 
den, welche  dann  ebenso  wie  die  restierenden  Bindegewebszüge 
der  Duralscheide  das  alveoläre  Gerüst  abgeben  für  Zellnester  und 
Zellstränge.  Diese  letzteren  bestehen  aus  dicht  aneinander  ge- 
lagerten Zellen  mit  verhältnismässig  kleinen,  ovalen  Kernen  (ca.  8//' 
im  längeren  und  5.«  im  kürzeren  Durchmesser)  und  zeigen  eine 
ausgesj)rochene  Neigung  zu  zwiebelartiger  Gruppierung  ihrer  Ele- 
mente. Im  Centrum  dieser  Zellgruppen  tritt  häufig  schon  früh- 
zeitig eine  regressive  IMetamorphose  ein,  indem  die  in  der  ]\Iitte 
gelegenen  Zellen  der  hyalinen  Degeneration  verfallen  und  später- 
hin verkalken.  Diese  stark  lichtbrechenden,  oft  deutlich  konzen- 
trisch gestreiften  Kugeln,  welche  gewöhnlich  noch  von  einem, 
durch  die  Säurefuchsin-Pikrinsäure-Mischung  lebhaft  granatrot  ge- 
färbten, hyalinen  Saum  umschlossen  und  zu  äusserst  von  einem 
Mantel  platter,  kernhaltiger  Zellen  eingehüllt  sind,  prägen  dieser 
Art  von  Geschwülsten  ein  sehr  eigentümliches  Ansehen  auf.  Sie 
stellen  eine  Art  der  von  Virchow  als  Psammome  bezeichneten 
Neubildungen  dar. 

In  einigen  aus  der  Litteratur  bekannt  gewordenen  Sehnerven- 
geschwülsten dieser  Art  trat  die  Neigung  zur  hyalinen  Degene- 
ration und  Verkalkung  in  den  Centren  der  Zellhaufen  weniger 
ausgesprochen  hervor.  Dagegen  kann  es  in  grösseren  und  älteren 
Tumoren  stellenweise  selbst  zu  hyaliner  Degeneration  der  Binde- 
gewebsbalken  des  Gerüstes  kommen  (so  in  dem  Riesentumor  aus 
der  B i 1 1 r o t h 'sehen  Klinik) . 

Auffallend  bleibt  es,  dass  in  der  Mehrzahl  der  hierhergehörigen 
Geschwülste  die  Pialscheide  und  der  Sehnerv  von  der  Destruktion 
durch  die  Neubildung  verschont  bleiben. 

.\uch  in  dem  kolossalen  Tnmor  ans  Billroth’s  Klinik  war  der  völlig  atro- 
phische Sehnerv  als  ein  0,7  min  dicker  Strang  innerhalb  der  intakten  Pialscheide 
durch  die  ganze  tteschwnlst  zu  verfolgen.  Umschlossen  erscheint  er  von  einer 
0,8 — 1,5  mm  breiten  Zone,  welche  sich  vor  der  übrigen  Geschwulst  durch  einen 
auffallenden  Reichtum  an  Sandkugeln  und  eine  ungewöhnliche  Grösse  derselben 
auszeichnet.  Einzelne  erreichen  einen  Durchmesser  von  0,2  mm.  Bisweilen 
sind  zwei  Sandkugeln  durch  eine  gemeinsame,  ebenfalls  verkalkte  oder  noch 
hyaline,  streifige  Hülle  umschlossen.  Der  Zellbelag  ist  äusserst  schmal,  ja  manch- 
mal bloss  einschichtig.  Diese  Zone  dürfte  wohl  der  ursprünglichen  Wucherung 
im  subarachnoidealen  Raume  des  Sehnerven  entsprechen. 

Unter  den  mir  bekannt  gewordenen  Endotheliomen  des  Seh- 
nerven trat  in  drei  Fällen  schon  wenige  Monate  bis  ein  Jahr  nach 
der  Exstirpation  ein  Recidivtumor  auf  und  in  einem  (Gold- 
zieher 21,  S.  139)  erblindete  der  Kranke  später  auch  am  anderen 


34S 


II.  Sattler. 


Auge  und  wurde  fast  völlig  blödsinnig.  In  dreiFällen  war  die  Affektion 
von  vornherein  doppelseitig.  In  dem  Falle  von  Dusaussay  (27), 
in  welchem  nach  der  Operation  der  Tod  durch  Meningitis  erfolgte, 
fand  man  zwischen  Chiasma  und  foramen  opticum  noch  einen 
gleichartigen  Tumor  von  der  Grösse  und  Gestalt  einer  Bohne. 

Es  ist  also  die  Prognose  auch  bei  dieser  Kategorie  von  Seh- 
nervengeschwülsten eine  ungleich  viel  weniger  günstige,  als  bei 
der  erst  abgehandelten  Art.  Die  oben  angedeuteten  Eigentüm- 
lichkeiten, welche  die  Endotheliome  des  Sehnerven  in  ihrem 
klinischen  Bilde  darboten,  sind  daher  sehr  wohl  ins  Auge  zu 
fassen,  um  wo  möglich  eine  Differenzialdiagnose  vor  dem  operativen 
Eingriffe  stellen  zu  können. 

Dass  auch  hier  bei  kleinerem  Umfange  des  Tumors  eine  Ex- 
stirpation mit  Schonung  des  Augapfels  ausführbar  ist,  ist  bereits 
ausser  Frage  gestellt. 


Litteratur. 

1.  Wardrop,  J.  Essays  on  the  morbid  anatomy  of  the  human  eye.  Lon- 
don 1818,  Vol.  II,  pag.  273.  PI.  XV.,  Fig.  1. 

2.  S c h ö n.  Handbuch  der  patholog.  Anatomie  des  menscldichen  Auges. 
Hamburg  1828.  S.  200. 

3.  Hey  mann,  A.  De  neuromate  nervi  optici.  Dissert.  inaug.  Berolini  1842. 

4.  Eitterich.  Weitere  Beiträge  zur  Vervollkommnung  der  Augenheilkunst. 
1801.  S.  57. 

5.  Szokalski.  Tumeur  squirrho-cancereuse  du  nerf  öptique.  Ann.  d’ocu- 
listique.  T.  XLVI,  pag.  43.  1861. 

6.  Lideil,  John  A.  A case  of  Neuroma  of  the  optic  nerve  vith  remarks 
and  illustrations.  New- York  1863. 

7.  Horner.  Periostitis  orhitae  u.  Perineuritis  nervi  optici.  Ivlin.  Monatshl. 

für  Augenhk.,  I.  1863.  8.  71. 

8.  Eothmund.  Neurom  (cystöse  Degeneration)  des  8ehnerven.  Ibidem, 

S.  261. 

9.  V.  Graefe.  Geschwülste  des  Sehnerven.  Arch.  für  Ophthalm.  X.  1. 
S.  193  u.  201.  1864. 

10.  V.  Graefe.  Tumor  orhitae  et  cerel)ri.  Ibidem,  XII,  2.  S.  100.  1866. 

11.  Quaglino.  Missoma  del  nervo  ottico.  Ann.  di  Ottalmolog.  Anno  I., 
p.  28.  1871. 

12.  Manfredi.  (Derselbe  Fall.)  Fsame  anatomico.  Und.,  pag.  337. 

13.  Sichel  (Fils).  Note  sur  les  tumeurs  de  l’orhite  et  principalement  sur 
le  myxome  du  nerf  optique.  Gaz.  hehdom.,  Nr.  8,  pag.  131  u.  Nr.  10,  pag.  165.  1871. 

14.  Horner.  Fall  von  Myxoma  nervi  optici.  Correspondhl.  f.  Schweizer 
Aerzte.  S.  198.  1871. 

15.  Narkiewicz-Jodko.  Neurom  und  Myxom  des  Sehnerven.  Jahresher. 
über  die  Leistungen  u.  Fortschr.  im  Geh.  d.  Ophthalm.  f.  d.  Jahr  1872.  S.  363. 

16.  Billroth.  Chirurg.  Klinik.  Wien  1869 — 1870.  Berlin  1872.  S.  67. 


Ueb.  die  eigentlichen  Sehnerventniuoren  u.  ihre  chirurgische  Behandlung.  349 

17.  Manz.  lieber  Sehnervenerkrank.  bei  llirnleiden.  Deutsches  Arch.  für 
klin.  Med.  IX.  S.  339,  bes.  S.  351.  1872. 

18.  Krohn.  Tvenna  Fall  af  Neuritis  oi)tica.  Klin.  Monatsbl.  f.  Augenhk., 
X.  8.  103.  1872. 

19.  Neuiuann,  E.  lieber  die  Stellung  der  Sarcome  zu  den  Carcinomen. 

Arch.  der  Heilk.  XIII.  Zweiter  Fall,  S.  310.  1872. 

20.  iNIichel,  J.  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Entstehung  der  sog.  Stauungs- 
) papille.  ri)idem.  XIV.  S.  39.  1873. 

21.  Go  Id  zieh  er.  Die  Geschwülste  des  Sehnerven.  Arch.  f.  Ophthahn. 
XIX.  3,  S.  119.  1873. 

22.  Perls.  Beschreihung  eines  wahren  Xeuroms  des  nerv,  opticus.  Ibidem 

2,  S.  280.  1873. 

23.  Loch.  Derselbe  Fall.  Inaug.  Dissertat.  Greifswald  1874. 

24.  Steffan.  Sarconia  (Fibrosarcoina)  nervi  optici.  Augenheilanstalt 
Frankfurt  a.  M.  1873 — 1874.  S.  33. 

25.  Knapp.  Ein  Fall  von  Carcinoin  der  äusseren  Sehnervenscheide,  ex- 
stirpiert  mit  Erhaltung  des  Bulbus.  Klin.  Monatsbl.  für  Augenhk.,  XII.  1874. 
S.  439.  Discuss.  S.  441  und  Arch.  f.  Augen-  u.  Ohrenhk.  IV.  S.  209.  1875. 

20.  Ghristensen.  Tumor  nervi  optici.  Hospitals  tidende.,  E.  H.  S.  817, 
1875  und  Jahresber.  über  die  Leistungen  etc.  für  1875.  S.  380. 

27.  Dusaussay.  Sarcome  angiolithique  du  nerf  optique  gauche.  Ablation. 
Meningite  de  la  convexite.  Contracture.  Mort.  Bull,  de  la  societö  anatom.  T.  XX, 
pag.  211.  1875. 

28.  Eichet.  Derselbe  Fall.  Eecueil  d’ophtalm.  1875,  pag.  295. 

29.  Eeich.  Zur  Pathologie  des  Sehnerven.  Arch.  f.  Ophthahn.  XXII.  1, 
S.  103.  1870. 

30.  Baumgarten.  Ein  Fall  von  Glioma  retinae  et  nervi  oijtici.  Ibidem. 

3,  S.  203.  1870. 

31.  Leber.  Geschwülste  des  Sehnerven  im  Handbuch  der  gesamten  Augen- 
heilkunde von  Graefe  und  Saemisch.  V.  Bd.,  S.  910.  1877. 

32.  Grüning.  Heber  ein  mit  Schonung  des  Bulbus  exstirpiertes  Myxom  des 

S(‘hnerven.  Arch.  f.  Augen-  u.  Ohrenhk.  VI.,  S.  35.  1877. 

33.  Schott.  Endotheliome  an  beiden  Sehnerven.  Ihidem,  S.  21.  1877. 

34.  Brailey.  Fibrous  tumour  of  the  optic  nerve.  The  London  E.  Oph- 
thalm.  Hosp.  Eep.  IX.,  2,  pag.  231.  1877. 

35.  Chiari,  H.  Ein  Fall  von  Tuberkulose  des  nervus  opticus.  Wiener 
med.  Jahrb.,  IV.  Heft,  S.  559.  1877. 

30.  Sattler,  H.  Heber  eine  tuberkulöse  Erkrankung  des  Sehnerven  und 
seiner  Scheiden  und  über  Netzhauttuberkulose.  Arch.  f.  Ophthahn.  XXIV.  3, 

S.  127.  1878. 

37.  V.  Förster.  Zur  Kenntnis  der  Orbitalgeschwülste  etc.  Ibidem.  2, 
S.  103.  1878. 

38.  Alt.  Ein  Fall  von  Endotheliom  des  intervaginalen  Eaumes  des  Opti- 
cus. Der  Versuch,  den  Augapfel  bei  dessen  Entfernung  zu  erhalten,  durch  un- 
stillbare Blutung  vereitelt.  Bemerkungen.  Arch.  für  Augen-  u.  Ohrenhk.  VITT, 
S.  40.  1878. 

39.  Schott.  Gliosai’com  des  rechten  Opticus.  Ibidem,  S.  81.  1878. 

40.  Holmes.  Sehnervengeschwulst.  II)idem,  S.  308.  1878. 

4L  Leber.  Tumoren  des  Sehnerven.  Bericht  über  die  elfte  Versamml. 
der  oj)hthahnolog.  Gesellschaft,  1878.  S.  184. 


350 


H.  Sattler. 


42.  Wi Hemer.  lieber  eigentliche,  d.  h.  sich  innerhalb  der  äusseren  Scheide 
entwickelnde  Tumoren  des  Sehnerven.  Arch.  f.  Ophthalm.  XXV,  1,  S.  161.  1878. 

43.  Hirschberg-Puf ahl.  Casuistik,  39.  Beiträge  zur  prakt.  Augenheilk., 
m.  Heft,  S.  63.  1878. 

44.  Strawbridge.  Tumor  of  the  optic  nerve.  Its  removal  without  enu- 
cleation  of  the  eyeball.  Transact.  of  the  American  ophthalm.  Soc.  Vol.  II.  Part.  4, 
pag.  383.  1878. 

45.  Knapp.  Tumor  of  the  optic  nerve.  Il)idem.  Part.  5,  i)ag.  559.  187!». 

46.  Higgens.  Tumour  of  the  optic  nerve.  The  Brit.  med.  Journ.  Oct.  18. 
1879,  pag.  616. 

47.  Berlin.  Die  Sehnerventumoren  im  Handbuch  der  gesamten  Augen- 
heilk. von  Graefe  und  Saemisch.  VI.  Bd.,  S.  721.  1880. 

48.  Pflüger.  Fibrosarcoma  nervi  optici.  Augenklinik  der  Universität 
Bern.  Bericht  über  das  Jahr  1880,  S.  45. 

49.  Barabascheff.  Intra-  und  extraoculäres  Endotheliom.  Arch.  für 

Augenheilk.  IX,  S.  416.  1880. 

50.  Rampoldi.  Gliosarcoma  del  nervo  ottico.  Ann.  di  Ottalm.  Anno  X. 

pag.  121.  1881. 

51.  Poncet.  Myxome  fascicule  du  nerf  optique.  Arch.  d’ophtalmologie. 

I,  pag.  616.  1881. 

52.  V.  Recklinghausen.  Ueber  die  multiplen  Fibrome  der  Haut  und  ihre 
Beziehung  zu  den  multiplen  Neuromen.  Festschrift.  Berlin  1882,  S.  28. 

53.  Hulke.  On  a case  of  spurious  neuroma  of  the  optic  nerve.  The  R. 

London  Ophthalmie  Hosp.  Rep.  X.  Part.  3,  pag.  293.  1882. 

54.  Lawson.  On  a case  of  sarcoma  springing  from  the  sheat  of  the 
optic  nerve.  Excision  of  the  globe  and  removal  of  the  tumour.  Recurrance.  Death. 
Necropsy.  Secondary  deposits.  Ibidem,  pag.  296. 

55.  Vossius.  Das  Myxosarcom  des  Nervus  opticus.  Arch.  f.  Ophthalm. 
XXVm,  3,  S.  33.  1882. 

56.  Manz.  Ueber  endotheliale  Degeneration  des  Sehnerven.  Il)idem,  S.  93. 

57.  Richet.  Fibrosarcome  du  nerf  optique.  Nevroretinite  et  atrophie. 

Exstirpation.  M4ningite  consecutive.  Mort.  Paris  iu6d.  VHI,  pag.  529.  1882. 

58.  H u c.  Essai  sur  les  tumeurs  du  nerf  optique.  These  de  Paris,  1882. 
(Derselbe  Fall.) 

59.  V e r 0 n.  Myxo-fibrome  du  neil  optique.  Recueil  d’ophtalm.  III.  Jan- 

vier,  pag.  32.  1883. 

60.  Ewetsky.  Ein  Fall  von  Endotheliom  der  äusseren  Sehnervenscheide. 

Arch.  f.  Augenhk.  XII.  16.  1883. 

61.  Hessdörff er.  Ueber  eine  wahre  Opticusgeschwulst.  Inaugural.- 
Dissert.  Würzburg  1883. 

62.  Peabody.  Sarcoma  of  right  optic  nerve.  Med.  Record.  New-York 
XXHI,  pag.  216.  1883. 

63.  Parisott i et  Despagnet.  Fibrome  du  nerf  optique.  Recueil 

d’ophtalm.  IV.  D4ceml)re,  pag.  720.  1884. 

64.  Vossius.  Ueber  Sehnervengeschwülste.  Berliner  klin.  Wochenschr., 
Nr.  13.  1885. 

65.  J o h n s o n and  P r u d d e n.  Myxosarcoma  of  the  optic  nerve  with 

hyaline  degeneration.  Arch.  of  ophthalm.  XIV,  pag.  151.  1885. 

66.  K u s s a c h o w i c z.  Miksoma  zviteln.  nerva.  Med.  Obozr.  XXIV,  p.  293. 
Jahresber.  über  d.  Leistungen  etc.  für  1885,  S.  204. 


Ueb.  die  eigentlichen  Selinerventumoren  u.  ihre  chirurgische  Behandlung. 

G7.  Eichet.  Tuineur  de  l’orbite.  Gazette  des  Höpitaux  Nr.  143,  pag.  1154. 
1886.  (Derselbe  Fall  wie  Nr.  63.) 

68.  Buller.  Tumour  of  the  optic  nerve.  ]\Ied.  News  XLIX,  pag.  555.  1886. 

69.  Straub.  Die  Geschwülste  des  Nervus  opticus.  Arch.  f.  Ophth.  XXXII, 
1,  8.  206.  1886. 

70.  Wedl  und  Bock.  Pathologische  Anatomie  des  Auges,  S.  254.  1886. 

71.  Schiess-Gemuseus.  Tumor  nervi  optici.  Exstirpation  mit  Erhaltung 
i]  des  Bulbus.  Augenheilanstalt  in  Basel.  XXIII.  Jahresber.  vom  1.  Jan.  1886  bis 
J 1.  Jan.  1887.  S.  53. 

72.  Brailey.  Sarcoma  growing  from  the  dural  sheath  of  the  optic  nerve. 
I Transact.  of  the  Ophthalm.  Soc.  of  the  U.  Kingdom.  VH.  Session  1886 — 1887, 
I pag.  120.  1887. 

i 73.  T i 1 1 a u x.  Tumenr  prinntive  du  nerf  optique.  Recueil  d’ophtahn. 

Fevrier,  pag.  65.  1887. 

74.  Frothingham.  Sarcoma  of  the  optic  nerve.  Ophthalmie  Review, 
pag.  245.  1887. 

75.  Wolfheim,  lieber  die  eigentlichen  Sehnervengeschwttlste.  Inaugural- 
Diss.  Königsberg  1887. 

76.  Joeques.  Des  tumeurs  du  irerf  optique.  These  de  Paris  1887. 

77.  Lawson.  On  a case  of  tumour  of  the  optic  nerve.  The  R.  London 

Ophthalm.  IIosp.  Rep.  XII,  1,  pag.  1.  1888. 

78.  Schiess-Gemuseus.  Totales  Myxosarcom  des  Opticus,  exstirpiert 

mit  Erhaltung  des  Bullnis.  Arch.  f.  Ophthalm.  XXXIV,  3.  S.  226.  1888.  (Der- 

selbe Fall  wie  Nr.  71.) 

79.  Schiess-Gemuseus.  Tumor  nervi  optici.  Exstirpation  mit  Ideiben- 
der  Heilung.  Augenheilanstalt  in  Basel.  XXVI.  Jahresbericht  vom  1.  Jan.  bis 
31.  Dez.  1889,  S.  55. 

80.  S y m.  Tumours  of  the  optic  nerve.  The  Brit.  med.  Journ.  Sept.  28,  1889. 

81.  Sutphen.  Sarcoma  of  the  optic  nerve,  notable  ebiefly  for  its  size  and 
shape.  Transact.  of  the  Amer.  Ophthalm.  Soc.,  25.  annual  meeting.  Vol.  V, 
Part.  2,  pag.  457.  1889. 

82.  A y r e s.  Tumors  of  the  optic  nerve,  with  report  of  two  original  cases. 
The  American  Journ.  of  Ophthalm.  ^Marcli  1890. 

83.  Gauran.  Fil)rosarcome  dn  nerf  optique.  Normandie  m6d.  Rouen, 
pag.  385.  1890. 

84.  Cirincione.  Tuberculosi  del  nervo  ottico.  Giornale  di  Neuropato- 

logia.  Anno  VII,  Fase.  2.  1890. 

85.  Salz  mann.  Forewisning  af  et  knyttet-nävestort  smaal  celle-sarkom 

udgaaet  fra  synsneraskeden,  exstirpet  sammen  meddet  degenerede  öje.  Finska 
läkare  sällskapets  förbandlingar,  XXX.  S.  490,  1890  und  Sarcoma  of  the  sheat 
of  the  optic  nerve.  NeAV-York  med.  Journ.  LHI,  Nr.  3,  pag.  82.  1891. 

86.  Elschnig.  Die  metastatischen  Geschwülste  des  Sehnerven.  Arch.  f. 
Augenheilk.  XXII,  S.  150.  1891. 

87.  V.  Garnier.  Ein  Fall  von  Myxosarcom  des  Opticus.  Klin.  Monatsbl. 

f.  Augenheilk.  XXIX,  S.  208.  1891. 

88.  Noering,  A.  Uel)er  einen  Fall  von  Fibrosarcom  des  Nervus  opticus. 
Inaugural-Diss.  Königsberg  1892. 

89.  Lagrange.  Tumeurs  malignes  du  nerf  optique.  Sixieme  congres. 
fran<;“..  de  Chirurgie.  Seance  du  18  avril,  1892. 


Die  Therapie  der  Coxitis  tuberculosa  an 
der  Klinik  des  Herrn  Hofrates  Billroth 


von 

Dr.  Heinrich  Tliaiising, 

Operateur  der  Klinik  Billrotli. 

Mit  3 Holzschnitten  im  Text. 

Die  Beobachtung,  dass  eine  gewisse  Anzahl  von  Coxitiden  bei 
bei  der  früher  allein  geübten  konservativen  Behandlungsmethode 
nicht  ausheilte  und  viele  dieser  Fälle  mit  dem  Tode,  an  Allgemein- 
tuberkulose oder  an  Erschöpfung  endeten,  bewog  Fock  ^),  Eulen- 
burg-) und  Leisrink  zu  dem  auf  eine  grosse  Statistik  gegründeten 
Rate,  die  Frühresektion  stets  bei  manifester  Caries  jedes  Gelenkes 
(in  ihrem  Sinne),  also  bei  nachweislicher  Eiterbildung,  vorzunehmen  j 
die  Schwere  dieses  Eingriffes  aber  in  der  vorantiseptischen  Zeit 
liessen  Volkmann  den  Ausspruch  thun^):  »Es  ist  mir  völlig  un- 
verständlich, wie  man  bei  Kindern  in  der  Resektion  des  Hüft- 
gelenkes mehr  als  einen  äussersten  Notbehelf  erblicken  kann.« 
Wie  schnell  aber  vollzog  sich  mit  der  Errungenschaft  Listers  die 
Aenderung  dieser  Ansicht;  gerade  Volkmann,  der  selbst  soviel  zur 
Klarstellung  der  pathologischen  Vorgänge  bei  Gelenkstuberkulose 
beigetragen,  riet,  von  der  Furcht  der  Generalisation  des  Prozesses 
beeinflusst,  zur  raschesten  Elimination  des  primären  Herdes  durch 
die  Resektion^).  Damit  leitete  er  eine  Aera  der  Frühresektion  in 
Deutschland  ein,  die  sich  bald  auch  für  die  Coxitis  einbürgerte. 
Aber  bei  so  eminent  chronischen  Krankheitsprozessen  kann  ein 

b Langenljecks  Archiv,  Bd.  1. 

-)  I.,angenhecks  Archiv,  Bd.  ^’II. 

h Langenhecks  Archiv,  Bd.  XII. 

b 8.  klin.  Vorträge  Xr.  öl. 

")  Ueher  den  Charakter  der  fungöseii  Gelenksentzündung.  Chir.  51 , 1G8 — IGh. 


Die  Therapie  der  Coxitis  tuberculosa. 


353 


Urteil  über  eine  bestimmte  therapeutisclie  Richtung  erst  nach 
Jahren  gefällt  werden.  Hier  bestätigen  in  neuester  Zeit  die  all- 
mählich zutage  tretenden  Endresultate  die  Worte  Hofrat  Billroths 
im  Züricher  Bericht:  »Ich  bin  im  ganzen  nicht  sehr  enthusiastisch 
für  die  Hüftgelenksresektionen  bei  Caries  eingenommen,  weil  man 
von  dieser  Operation  a priori  sagen  muss,  dass  sie  sehr  selten  das 
zu  leisten  im  stände  ist,  was  eine  Operation  bei  Caries  leisten  soll, 
die  Entfernung  aller  erkrankten  Knochenteile.  — Die  Resektionen 
der  Pfanne  haben  ihre  Grenzen!«  Diese  Ansicht  blieb  trotz  Ein- 
führung der  Antisepsis  der  leitende  Gesichtspunkt,  so  dass  bis 
heute  an  der  Klinik  Billroth  nur  nach  vergeblicher  konservativer 
Behandlung  die  Spätresektion  ausgeführt  wird.  Nach  einem  und 
einem  halben  Dezennium  der  eifrigsten  statistischen  Arbeit  von 
beiden  Seiten,  sowohl  der  Anhänger  der  operativen,  als  derer  der 
exspektativen  Behandlungsmethoden,  kann  es  nicht  Aufgabe  dieser 
wenigen  Seiten  sein,  auf  den  heutigen  Stand  der  Frage,  soll  man 
bei  Coxitis  überhaupt  resecieren,  wann  und  in  welcher  Ausdehnung 
soll  dies  geschehen,  näher  einzugehen. 

Im  Folgenden  ist  nur  eine  kurze  Darstellung  der  therapeutischen 
Massnahmen  enthalten,  wie  sie  seit  1877  mit  nur  wenigen  und  ge- 
ringen Aenderungen  an  der  Klinik  des  Herrn  Hofrates  Billroth 
bei  Coxitis  bis  jetzt  gebräuchlich  sind.  Die  Endresultate  derselben 
auf  Grund  aller  seit  jener  Zeit  beobachteten  Fälle  hier  anzu- 
schliessen,  muss  ich  mir  leider  versagen,  da  ich  mich  von  diesen 
bei  der  grossen  Schwierigkeit  der  Einziehung  von  Berichten  gerade 
über  die  geheilten  Fälle,  nur  erst  bei  kaum  mehr  als  der  Hälfte 
sämtlicher  behandelten  Fälle  persönlich  überzeugen  konnte;  der 
Bericht  hierüber  soll  Gegenstand  einer  späteren  Publikation  werden. 
Wenn  ich  in  Folgendem  eine  Einteilung  in  vier  Grade  der  Er- 
krankung treffe,  so  geschieht  dies  nur  der  Uebersicht  wegen  und 
weil  die  herkömmhchen  auf  pathologisch  anatomischer  Grundlage 
beruhenden  Klassifikationen  zu  Wiederholungen  Anlass  geben. 

Als  die  einfachsten  Fälle  möchte  ich  diejenigen  abgrenzen, 
bei  denen  nur  leichter  Schmerz  besteht  und  derselbe,  wenig  genau 
lokalisiert,  meist  wohl  ins  Kniegelenk  verlegt  wü’d.  Der  Gang  ist 
besonders  nach  längerer  Belastung  hinkend,  es  ist  bei  passiven 
Bewegungen  höchstens  die  Rotation  schmerzhaft  und  daher  be- 
hindert ; der  Schlaf  der  Patienten  noch  ungestört  und  örtlich  nichts 
zu  sehen.  Diese  Patienten  sind  sämtlich  ambulant  behandelt 
worden.  Den  Kranken  wird  als  das  Wichtigste  Bettruhe  dringend 


b König.  Chir.  Kongress  92. 


23 


354 


Heinrich  Thausing. 

empfohlen,  der  Versuch  mit  Eisbehandlung',  Jodpinselungen,  na- 
mentlich aber  Bäder  mit  Haller  Jodsalz  werden  angeraten  und  den 
Angehörigen  der  meist  im  Kindesalter  stehenden  Patienten  die 
Wichtigkeit  einer  roborierenden  Diät  eingeschärft.  Ebenso  soll  das 
Kind  von  Zeit  zu  Zeit  in  die  Klinik  gebracht  werden,  damit  bei 
einer  Exacerbation  des  Leidens  sofort  therapeutisch  eingegriffen 
werden  kann. 

Schon  das  allernächste  Stadium : hinzutretender  Druck- 

schmerz, Fixierung  des  Gelenkes  in  einer  der  pathogno- 
monischen  Stellungen  sind  Indikationen  zu  einem  energischen  Ein- 
schreiten. Bonnets  Forderung,  ein  erkranktes  Gelenk  ruhig  zu 
stellen,  wird  mit  der  E x t e n s i o n s b e h a n d 1 u n g oder  der  Gips- 
hose erfüllt. 

Selten  gelit  es  an,  einen  Patienten,  dessen  Kontraktur  nur  durch  Muskel- 
henimung  erzeugt  ist,  in  die  Klinik  aufzunehinen,  da  dieselbe  nur  über  hundert 
Betten  verfügt,  die  mit  so  gleichförmigen,  so  eminent  chronischen  Fällen  höchstens 
ausnahmsweise  belegt  werden  können ; wenige  Tage  der  Extension  genügen  hier, 
eine  bedeutende  Stellungsverbesserung  zu  erzielen ; meist  aber  wird  ambulatorisch 
mit  oder  ohne  Narkose  das  Eedi’essment  gemacht  und  dann  gleich  der  fixierende 
Gipsverhand  angelegt.  Bei  manifester , in  Narkose  nicht  leicht  ausgleichbarer 
Kontraktur  wird  der  Patient  immer  in  die  Klinik  avifgenommen  und  entweder 
der  schonenderen  abei’  langmerigeren  Extensionshehandlung  unter^\■ol•fen , der 
man  dann  zur  vollständigen  Behebung  der  pathognomonischen  Stellung  das 
Redressment,  eventuell  mit  Abdrängung  der  Adduktorenansätze  vom  Becken 
mittels  des  eingesetzten  Daumens  folgen  lässt,  oder  man  entschliesst  sich  zum 
sofortigen  Redressment,  entweder  in  einer  oder  in  mehreren  Zeiten.  Das  häufiger 
nach  letzterem  Eingriffe  aber  auch  hei  einfacher  Extension  auftretende  Fieber 
gieht  nach  unseren  Erfahrungen  keine  schlimme  Prognose  und  verschwindet 
meistens  bald.  Bei  der  Gewichtsextension  stehen  nicht  so  grosse  Gewichte  in 
Anwendung  wie  bei  ^’'olkmann,  es  wird  bei  Kindern  selten  über  5 Kilo  hinaus- 
gegangen, die  Gegenextension  wird  durch  Höherstellung  des  unteren  Bettendes 
erreicht,  in  den  seltensten  Fällen  kommt  ein  Sattel  mit  aufrechtem,  gepolstertem 
Eisenstabe  in  Anwendung;  die  Extremität  wird  mit  einer  gewöhnlichen  Crosby- 
schen  Heftpflasteransa  armiert , über  welche  eine  Gradlbinde  gewickelt  wird. 
Um  die  Hyperextensionsstellung  zu  erreichen , entfernt  man  den  untersten  Teil 
der  in  drei  Teile  geteilten  Matraze. 

Die  Extremität  wird  am  besten  auf  einem  Volkmannschen  Schlittenai^parat 
mit  dreieckigen  Tüchern  fixiert , zur  Verringerung  der  Reibung  und  zur 
Verhütung  extremer  Rotationsstellungen ; sollte  das  Heftpflaster  nicht  vertragen 
werden,  so  besteht  die  Ansa  aus  einem  breiten  Streifen  eines  starken  Leinen- 
Stoffes,  der  von  den  Maleolen  nach  aufwärts  in  zwei  Teile  gespalten  ist,  die  in 
Hobeltouren  um  den  Unterschenkel  geführt  werden , darüber  liegt  eine  Flanell- 
binde. Wir  sehen  in  der  Gewichtsextension  ein  rein  oi’thopädisches  Verfahren, 
dessen  schmerzstillende  Wirkung  ja  auch  der  Gipshosenbehandlung  eigen  ist, 
und  trachten  sobald  als  möglich  die  Letztere  anzuwenden.  Wir  legen  dabei  das 
Hauptgewicht  in  die  ^"ermeidung  der  Bettlägerigkeit  und  des  ständigen  Aufent- 
haltes im  Krankenzimmer.  Die  Fälle,  bei  denen  die  Extension  auch  mit  grösseren 
Gewichten  den  gewünschten  Erfolg  nicht  hat,  also  eine  bedeutende  Verkürzung 


Die  Therapie  der  Coxitis  tuberciilosa. 


355 


der  Muskeln  und  Faseien  oder  gar  knöcherne  Ankylose  eingetreten  ist,  ebenso 
das  Briseinent  force  nicht  gelingt,  gehören  in  das  Gebiet  der  Ankylosentherapie  ^), 
bestehend  in  subkutaner  oder  offener  Durchschneidung  der  Adductoren,  Wini- 
Avarters  Fascioplastik , Infraktion  des  Feinurhalses,  in  einfacher  subtrochantärer 
Osteotomie  oder  in  Resektion. 

Wir  geben  vor  der  E x t e n s i o n s b e h a n d 1 u n g , wie 
dies  schon  aus  dem  oben  Gesagten  hervorgeht,  bei 
rl  weitem  der  ambulatorischen  Gipshosenbehandlung 
den  Vor  z u g , aus  folgenden  Gründen : Gerade  in  den  Anfangs- 
stadien des  Prozesses  ist  der  Allgemeinbehandlung  ein  weites  Feld 
zu  segensreicher  Wirksamkeit  eingeräumt,  in  der  Gipshose  können 
die  Kinder  aufs  Land  gesendet  werden,  zum  mindesten  aber  wird 
der  das  Kindergemüt  besonders  deprimierende  Spitalsaufenthalt, 
das  Eintbehren  des  Elternhauses  und  die  diesen  Kranken  so  ge- 
fährliche Umgebung  einer  grossen  Anzahl  tuberkulös  Kranker  ver- 
mieden. Hiezu  kommt  noch,  dass  die  Extensionsbehandlung  eine 
sorgfältige,  häusliche  Ueberwachung  und  Pflege  erfordert,  die  aber 
dem  Kinde  des  Armen,  das  meist  nicht  einmal  ein  eigenes  Bett 
hat,  nicht  zuteil  werden  kann.  Angelegt  M^erden  alle  derartigen 
Verbände  mit  Hilfe  des  von  v.  Hacker  modiflcierten  v.  Esmarchschen 
Stützapparates  -),  der  die  beiden  extendierenden  Assistenten  entbehr- 
lich macht.  Der  Patient  erhält  also  eine  Gipshose  in  hyperexten- 
dierter, leicht  abducierter,  bezüglich  der  Rotation  in  Mittellage 
befindlicher  Stellung  der  erkrankten  Extremität,  die  zugleich  bei 
einer  eventuellen  /Ausheilung  in  /Ankylose  die  funktionell  wert- 
vollste Stellung  bildet.  Ich  möchte  hier  bemerken,  dass  uns  ein 
so  ankylosiertes  Hüftgelenk,  namentlich  für  die  Patienten  der 
Klinik,  die  meist  der  arbeitenden  Klasse  angehören,  als  ein  er- 
strebenswerteres Resultat  erscheint,  als  ein  durch  irgend  eine  typische 
Resektion  erreichtes,  beweglicheres,  dessen  Sicherheit  doch  nie  der 
des  normalen  gleicht.  Die  Gipshosen  wurden  anfangs  so  gemacht, 
dass  man  nur  die  kranke  Extremität  und  das  Becken  in  den 
Verband  nahm.  In  den  Krankengeschichten  aus  dieser  Zeit  kehrt 
häufig  die  Bemerkung  wieder,  dass  die  kranke  Extremität  schliess- 
lich nicht  in  der  erstrebten  Stellung  fixiert  war;  eine  Erneuerung 
der  Plose  war  dadurch  erfordert.  So  wurde  denn  bald  auch  die 
gesunde  Extremität  miteingegipst ; dies  machte  den  Verband 
allerdings  sehr  schwer,  wenn  man  auch  durch  Einlegen  von  Längs- 
schienen aus  Schusterspänen  viel  Gips  ersparen  konnte. 


*)  Kosmanit,  Langenl)ecks  Archiv  XX VIII.  1.  Zur  oiiorativon  Behandlung 
der  schweren  Formen  von  Contractureu  und  Ancliylosen  im  Hüftgelenk. 

-)  W.  klin.  W.  Sehr.  80.  Xr.  14. 


356 


Heinrich  Thausing. 


Um  diesem  Uebelstande  abzuhelfen,  wird  schon  seit  dem 
Jahre  1884  ein  von  Dr.  Freih.  v.  Eiseisberg  angegebener  Quer- 
riegel dicht  oberhalb  der  Kniee  zwischen  die  beiden  abducierten  Ex- 
tremitäten mit  eingegipst  und  der  Beckengurt  ents23rechend  schwächer 
gemacht.  Der  Querriegel  besteht  aus  einem  durch  Gipstouren 
verstärkten  Brettchen  aus  weichem  Holze.  Er  macht  den  Verband 
wesentlich  fester  und  das  Heben  des  Patienten  z.  B.  auf  die  Bett- 
schüssel viel  bequemer.  Die  Patienten  gehen  in  einer  solchen 
Hose  (Fig.  1 ,2)  mit  Hilfe  des  Volkmann’schen  Stützbänkchens  anfangs 


Fig.  1.  Fig.  2. 


ziemlich  unbeholfen,  manche  lernen  jedoch  sj^äter  sogar  das  Bänk- 
chen entbehren,  es  genügt  ihnen  ein  Stock.  Für  Erwachsene  wurde 
ausserdem  wiederholt  eine  besondere  Form  der  Gipshose  ange- 
wendet (Fig.  3):  Es  wird  jederseits  ein  Gij)sverband  von  den  Zehen  bis 
zum  Knie  angelegt  und  diese  dann  durch  zwei  Eiseisberg' sehe 
Riegel  zu  einem  unbeweglichen  System  verbunden.  Von  diesen 
Riegeln  liegt  der  eine  unterhalb  der  Tibiacondylen , der  andere 
entweder  zwischen  den  Malleolen  oder  besser  an  den  Sohlenflächen. 
So  ist  die  Gelenksgegend  für  die  örtliche  Behandlung  allseitig  zu- 
gänglich, nur  ist  ein  Gehen  in  einem  solchen  Verbände  nicht 
möglich,  und  auch  die  Ermöglichung  desselben  nicht  beabsichtigt, 
es  ist  ein  Ersatz  der  Extension.  Für  die  ambulatorische  Behandlung 


Die  Therapie  der  Coxitis  tuberculosa. 


357 


überziehen  wir  die  Gipsliose  mit  Bindeiistreifen,  die  mit  Wasserglas 
imprägniert  sind.  Die  Patienten  werden  angewiesen,  in  sechs  bis 
zwölf  Wochen  wiederzukommen,  nur  im  Sommer  hat  es  sich  als  not- 
wendig herausgestellt  des  Schweisses  und  auch  oft  des  Ungeziefers 
wegen,  die  Verbände  häufiger  zu  wechseln.  Manchmal  lässt  sich  schon 
beim  ersten  Verbandwechsel  die  Ausheilung  konstatieren.  Dann  wird 
I'  dem  Patienten  geraten  sich  für  die  erste  Zeit  zu  schonen,  «Nachts  in 
I der  Thomasschen  Lagerungs- 
( schiene  zu  liegen  oder  die 
I abnehmbare  Gipshose  anzu- 
V legen.  In  letzterer  Zeit  wer- 
den nämlich  wiederholt  die 
Hosen  abnehmbar  gemacht, 
um  gleichzeitig  Bäder  ge- 
brauchen zu  lassen.  Zu  die- 
sem Zwecke  werden  die 
Schusterspäne  mehr  seitlich 
und  hinten  angebracht,  und 
dann  die  vordere,  ohnehin 
mehr  flache  Wand  entspre- 
chend dem  grössten  Frontal- 
durchmesser aller  Teile  ab- 
getrennt. Der  verbleibende 
Rest  der  Hose,  ungefähr  zwei 
Drittel  des  ganzen  Verbandes, 
ist  genügend  stark;  an  den 
Kranken  wird  sie,  mit  Watte  gefüttert,  mittels  einer  Flanellbinde 
fixiert.  Es  kommt  freilich  immer  wieder  vor,  dass  Kranke  in  ihre 
entfernte  Heimat  abreisen  und  den  Verband  viel  länger  tragen, 
so  ein  Mädchen  aus  Athen,  dem  die  Gipshose  nach  einem  halben 
Jahre,  nachdem  es  förmlich  aus  ihr  herausgewachsen  war,  in  der 
j Klinik  abgenommen  wurde,  wobei  eine  vollständige  Heilung  kon- 
statiert werden  konnte.  Freilich  sind  diese  günstigen  Fälle  die 
weitaus  selteneren ; meist  wird  die  ambulatorische  Gipshosenbehand- 
lung monatelang  fortgesetzt,  auch  jahrelang,  und  dann  von  Exten- 
sionsbehandlung und  Abscessincisionen  in  der  Klinik  unterbrochen. 
Hier  empfehlen  Andere,  so  F.  Krause^),  die  alleinige  Anwendung 
der  Extension,  im  späteren  Verlaufe  mit  zeitweisem  Tragen  von 
extendierenden  Maschinen  verbunden,  oder  wie  Volkmann  die 


Berliner  klin.  Wochenschrift,  90,  Nr.  28.  Ueber  den  heutigen  Standpunkt 
in  der  Behandlung  der  tbc.  Knochen-  und  (Telenkerkrankungen. 


358 


Heinrich  Thausing. 


blosse  nächtliche  Anlegung  seiner  Extensionsgainasche,  wenigstens 
in  den  leichteren  Fällen  ^). 

An  der  Klinik  Billroth  wird  sogar  in  den  Fällen  mit  starker 
Schwellung  und  A b s c e s s bei  den  verstärkten  Symptomen  der 
früheren  Gruppen  noch  nicht  reseciert.  Wie  wiederholt  beobachtet 
wurde,  können  sich  auch  Abscesse  unter  Gipshosenbehandlung 
spontan  rückbilden.  Vorerst  wird  also  diese  angewendet.  Wenn 
aber  ein  therapeutischer  Eingriff  durch  das  rasche  Wachsen  des 
Abscesses  erzwungen  wurde,  so  bestand  derselbe  meist  in  der  von 
Billroth  angegebenen  Punktion  und  Injektion  von  Jodoformglycerin- 
emulsion. Es  ist  dies  Verfahren  ein  sehr  schonendes,  welches  auch 
gestattet , den  Patienten  ambulatorisch  zu  behandeln,  und  wird 
seit  dem  Jahre  1881  -)  in  derselben  Weise  angewendet,  wie  bei  den 
sogenannten  Kongestionsabscessen  der  Wirbelsäule  und  Weichteil- 
abscessen,  deren  primärer  Herd  unbekannt  ist.  Die  Punktionsöffnung 
wird  meistens  durch  Naht  geschlossen.  Da  aber  in  vielen  Fällen 
diese  Punktion  wiederholt  werden  muss  und  bei  schon  verdünnter 
oder  gar  geröteter  Haut  ein  SiDontandurchbruch  nicht  hintange- 
halten wird,  combinierte  Hofrat  Billroth  diese  Jodoformglycerin- 
therapie mit  der  Incision.  Der  Abscess  wurde  gespalten,  nach  der 
sorgfältigen  Entfernung  alles  Krankhaften  Jodoformglycerin  ein- 
gegossen und  darüber  exakt  genäht.  Nicht  selten  trat  primär 
Heilung  und  Schrumpfung  des  Abcesses  ein,  meist  aber  blieben 
Fisteln  zurück.  Im  allgemeinen  wird  jetzt  wieder  der  einfacheren 
Methode  der  Punktion  und  folgenden  Injektion  der  Vorzug  gegeben. 
Die  Injektionen  bei  parenchymatöser,  chronischer  Synovitis  hatten 
keinen  Erfolg. 

Injektionen  in  oder  um  das  Gelenk,  selbst  während  des  Initialstadiunis  des 
Prozesses,  wie  sie  F.  Krauseh,  Bruns h,  van  Iterson®)  und  andere  so  warm 
emj)fehlen,  wurden  weder  in  der  Klinik  noch  amhulatorisch  vorgenoininen. 

h Ich  habe  die  Gründe  hiefür  schon  oben  iiräzisiert,  ein  Aj-tparat,  eine 
Extension  im  Bette  verlangt  strenge  Ueherwachung  von  kundiger  Seite,  eine  gut 
sitzende  Gipshose  dagegen  ist  nicht  verstellbar,  nicht  durch  allerlei  Praktiken  des 
Kranken  illusorisch  zu  machen. 

'^)  IMikulicz,  Berl.  klin.  Wochenschrift,  81,  Nr.  49  und  A.  Frankel,  W.  med. 
Wochenschrift,  84,  Nr.  29,  27,  28. 

h AViener  klin.  AVochenschrift,  90.  11  und  12.  Heber  die  Behandlung 

kalter  Abscesse  und  tuberkulöser  Caries  mit  Jodoformemulsion. 

■*)  Behandlung  tbc.  Gelenkserkrankungen  mittels  Jodoformeinspritzungen. 
Langenbecks  Archiv,  XLI,  1,  und  Berl.  klin.  AA’^.,  90. 

")  Behandlung  tbc.  Abscesse  und  Gelen kserkrankungen  mit  Jodoforui- 
injektionen,  Langenbecks  Archiv,  XL. 

h AV.  L.  de  Vos.  De  behandeling  van  gewrichtstuberculose  met  jodoformolie. 
Leiden  1892. 


Die  Therapie  dev  Coxitis  tuberculosa. 


359 


Auch  das  Bestehen  wenig  secer  nie  r ende  r alter 
Fisteln  contraindiciert  zunächst  die  combinierte  Extensions-  und 
Gipshosen-Behandlung  nicht,  ja  sogar  das  Brisement  force  wurde 
dabei  mit  Erfolg  ausgeführt.  Bei  Multiphcität  der  Fisteln  sucht 
man  sich  mit  der  Ausschneidung  und  dem  sorgfältigsten  Ewdement 
zu  helfen.  Es  wird  eben  stets  daran  festgehalten,  dass  in  jedem 
Stadium,  wie  Hofrat  Billroth  in  der  Klinik  oft  betont,  der  Process 
spontan  zur  Ausheilung  kommen  kann. 

Erst  profuse  Sekretabsonderung,  wachsender  Kräfteverfall, 
nicht  durch  anderweitige  tuberkulöse  Prozesse  in  anderen  Organen 
bedingte,  allabendliche  Temperatursteigerungen  auf  38,5  und  dar- 
über, Schmerzen,  die  durch  die  Extension  oder  Gipshose  nicht 
behoben  werden,  endlich  Beckenabscesse  indicieren  die  Resektion, 
und  erst  der  Befund  bei  der  Operation  entscheidet,  wieviel  reseciert 
werden  muss.  Und  so  sieht  man  auf  der  Klinik  Billroth  heute 
noch  in  dieser  Operation  nur  einen  äussersten  Notbehelf,  der  erst 
zur  Anwendung  kommt,  wenn  der  Krankheitsprozess  direkt  das 
Leben  des  Patienten  bedroht.  Czerny  hat  sich  über  seine  Er- 
fahrungen folgendermassen  ausgesprochen^):  »Da  ich  ein  Anhänger 
der  Spätresektion  bin,  dürften  die  Resultate  der  an  meiner  Klinik 
ausgeführten  Resektionen  hinter  denen  anderer  Kliniken,  an  denen 
frühzeitig  reseciert  wird,  Zurückbleiben.«  Diese  Worte  gelten  voll- 
inhaltlich auch  für  die  Resultate  der  Resektion  wegen  Coxitis  an 
der  Klinik  Billroth. 


b Anmerkungen  zu  L.  Huismanns:  Ueber  die  xVusgänge  der  tbc.  Coxitis; 
Beiträge  zur  klinischen  Chirurgie  tU,  VIII,  1. 


lieber  denV erschluss  des  Schenkelkanales 
bei  Operationen  von  Schenkelhernien 


Mit  dem  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Wundheilune: 
wurde  auch  bald  das  Interesse  rege,  operative  Eingriffe,  die  in  der 
vorantiseptischen  Zeit  kaum  ausführbar  waren,  so  beispielsweise  die 
Radikaloperationen  von  Hernien,  auszuführen. 

Zuerst  wurden  Angaben  bekannt  über  die  Radikaloperation 
der  Nabel-,  sowie  der  Ventralhernien,  dann  folgten  die  OiDerationen 
der  Leistenhernien,  von  denen  ich  bei  der  Menge  der  Operations- 
verfahren, die  vorgeschlagen  wurden,  nur  jene  Methoden  erwähne, 
die  auch  an  Billroths  Klinik  ausgeführt  wurden,  so  die  Methode 
von  Czerny,  die  von  Mac  Ewen,  von  Wölfler  und  Bassini. 

Letztere  ist  es  besonders,  welche  auch  an  der  genannten 
Klinik  häufig  ausgeführt  wird  und  welche  infolge  ihrer  anatomi- 
schen Begründung,  sowie  auch  infolge  des  ausgezeichneten  Pforten- 
Verschlusses,  die  übrigen  Methoden  übertreffen  dürfte. 

Auch  an  Vorschlägen  für  die  Radikaloperationen  der  Schenkel- 
hernien fehlt  es  nicht,  doch  wurde  keine  eigentliche  Methode 
herangebildet. 

Van  der  Lee  suchte  die  radikale  Heilung  durch  Injektionen 
von  90 o/o  Alkohol  zu  erreichen,  indem  er  durchschnittlich  zweimal 
wöchentlich  je  ein  Gramm  in  den  Bruchsack  injizierte.  Die  Zahl 
der  Injektionen  war  sehr  wechselnd  und  stieg  in  einem  Fall 


Eine  Studie. 


^'on 


I)r.  Josef  Fahricius, 

Operateur  der  Klinik  Billroth. 


Mit  4 Holzschnitten. 


auf  70. 


lieb.  d. Verschluss  des  Schenkelkanales  bei  0])erationen  v.  Schenkelhernien. 


361 


Auf  diese  Weise  erzielte  er  bei  72  Schenkellieriiien  43  mal 
Heilung,  9 mal  Besserungen  — 20  mal  keinen  Erfolg. 

Was  das  operative  Verfahren  anbelangt,  so  beschränken  sich 
viele  Chirurgen  besonders  bei  incarcerierten  Schenkelhernien  dar- 
auf, den  incarcerierenden  Ring  einfach  zu  incidieren  und  die  Ein- 
geweide zu  reponieren. 

Munzinger  berichtet  über  20  Radikaloperationen  von  Schen- 
kelhernien, wo  einfach  der  Bruchsack  nach  Reposition  der  Ein- 
geweide ligiert  und  exstirpiert  wurde,  ohne  eine  Pfortennahtanzulegen. 

Segond  empfiehlt  auf  Grund  theoretischer  Erwägung  die 
möglichst  hohe  Ligatur  des  Bruchsackhalses,  Exstirpation  des  Bruch- 
sackes und  Naht  der  Bruchpforten. 

Mac  Ewen  macht  wie  bei  der  Leistenhernie  auch  bei  der 
Cruralhernie  nach  Isolierung  des  Bruchsackes  eine  Tabaksbeutel- 
naht und  der  durch  die  Naht  eingestülpte  Bruchsack  wird  vor  die 
innere  Oeffnung  des  Schenkelkanales  gelagert  und  daselbst  durch 
Nähte  fixiert.  Der  eingestülpte  Bruchsack  soll  die  Bruchpforte  wie 
ein  Pfropf  verschliessen.  Doch  liess  sich  diese  Operation  nur  in 
jenen  Fällen  ausführen,  wo  der  Bruchsack  isoliert  werden  konnte. 

Neuerdings  berichtet  Bottini  über  seine  neue  Methode,  die 
darin  besteht,  dass  nach  Durchtrennung  der  Weichteile,  Isolierung 
des  Bruchsackes,  Ligatur  desselben  und  Entfernung  des  abgebun- 
denen Bruchsackrestes,  die  Pfortennaht  auf  die  Weise  erfolgt, 
dass  er  das  Orificium  internum  von  unten  nach  oben  mit  dem 
Ligamentum  Gimbernati  vernäht.  Guarini  verbindet  das  Lig.  Gim- 
bernati  mit  dem  Poupartschen  Bande. 

R.  Wolf  berichtet  aus  Prof.  Czernys  Klinik,  dass  daselbst  der 
annulus  cruralis  in  einigen  Fällen  mit  drei  Catgutnähten  geschlossen 
wurde. 

Was  das  Material  für  die  Naht  betrifft,  so  bedienten  sich  die 
meisten  der  Seide,  Czerny  des  Catguts,  Fr.  Wolter  in  den  letzten 
Jahren  des  Silberdrahtes. 

lieber  die  Radikaloperation  dieser  Hernien  berichten  ferner 
noch  in  letzter  Zeit  Marchand,  Routier,  Reynier,  Berger, 
Richelott;  doch  weichen  alle  von  diesen  Autoren  erwähnten 
Vorschläge  nicht  wesentlich  voneinander  ab.  Endlich  erwähne 
ich  noch  der  Arbeit  voiiHeidenthaler,  welcher  bei  einer  Zusammen- 
stellung der  Radikaloperatioiien,  die  auf  Prof.  Billroths  Klinik  aus- 
geführt wurden,  fand,  dass  das  Resultat  bei  Cruralhernien  ein 
günstigeres  war,  wenn  die  Pforten  nicht  genäht  wurden.  Heiden- 
thaler  legt  einen  besonderen  Wert  auf  die  Dicke  der  zur  Pforten- 
naht verwendeten  Seide. 


362  Josef  Falmcins. 

Unabliängig  von  diesen  erwähnten  Autoren  habe  ich  bereits 
vor  zwei  Jahren  Versuche  angestellt,  welche  auf  einen  osteoplasti- 
schen Verschluss  des  Schenkelkanales  zielten,  mit  teil  weiser  An- 
nähung  des  Poupart’schen  Bandes  an  den  horizontalen  Schambeinast. 
Ich  entnahm  den  Knochenlappen  aus  dem  vorderen  unteren  Teile 
des  ramus  horizontalis  ossis  pubis,  wobei  die  dem  Becken  zugekehrte 
Seite  unberührt  blieb.  Entsprechend  der  zu  bedeckenden  Oeffnung 
wurde  ein  anderthalb  Centimeter  langes  und  ein  Centimeter  breites 
Knochenstück  ausgemeisselt , welches  in  Verbindung  mit  dem 
Perioste  belassen  nach  aufwärts  in  die  Oeffnung  gelegt  ward.  Zur 
besseren  Fixierung  des  Knochenstückes  wurde  das  Periost  desselben 
mit  dem  Poupart’schen  Bande  vernäht. 

Die  Befürchtung,  dass  leicht  in  dem  einen  oder  dem  anderen 
Falle  Nekrose  des  Knochenlaj)i3ens  eintreten  könne,  ferner  die  Mög- 
lichkeit der  grösseren  Infektionsgefahr  durch  Freilegung  der  Spon- 
giosa, endlich  das  Bedenken,  dass  selbst  ein  starker  Gallus  sich 
im  Laufe  der  Zeit  rückbilden  kann,  brachten  mich  von  diesen  Ver- 
suchen ab,  umsomehr,  als  ich  bald  die  Radikaloperation  der  Leisten- 
hernie von  Bassini  selbst  ausführen  sah,  wodurch  ich  veranlasst 
wurde,  eine  Methode  für  die  Radikaloperation  von  Schenkelhernien 
zu  suchen,  welche  in  ähnlicher  Weise  wie  Bassini  bei  Leistenhernien 
einen  Verschluss  des  Schenkelkanales  erzielt. 

Die  Schwierigkeit  hiefür  beruht,  wie  man  sich  bald  zu  über- 
zeugen Gelegenheit  hat,  vor  allem  in  der  anatomischen  Beschaffen- 
heit dieser  Gegend,  namentlich  in  dem  Verhältnis  der  Gefässe  zur 
Umgebung,  indem  hier  trotz  der  fächerartigen  Insertion  des  Pou- 
part’schen Bandes  am  Schanibeinast  ein  Raum  zwischen  V ene 
und  diesem,  auch  Gimbernati’sches  Band  genannt,  besteht,  welcher 
bei  jedem  Kadaver  von  der  Bauchhöhle  aus  mit  dem  Finger  leicht 
vorgestülpt  werden  kann.  Es  besteht  somit  bei  den  meisten  Men- 
schen eine  bedeutende  Prädisposition  für  diese  Hernien,  obgleich 
dieselben  merkwürdigerweise  nicht  häufig  zur  Entwicklung  kommen. 

Beim  weiblichen  Geschlechte  erscheint  dieser  Raum  noch 
etwas  geräumiger  als  beim  männlichen  — und  dieses  Moment, 
sowie  auch  die  durch  häufige  Schwangerschaft  bedingte  Relaxation 
der  Bauchdecken  und  damit  auch  des  Poupart’schen  Bandes,  geben 
für  das  unvergleichlich  häufigere  Vorkommen  dieser  Hernien  bei 
Frauen  eine  Erklärung.  Fr.  Walter  berichtet,  dass  unter  74  Schen- 
kelhernien, die  zur  Radikaloperation  kamen,  70  beim  weib- 
lichen und  nur  4 beim  männlichen  Geschlechte  beobachtet  wur- 
den, während  aus  einer  Zusammenstellung  von  R.  Wolf  aus 
Prof.  Czernys  Klinik  hervorgeht,  dass  unter  20  daselbst  zur  Ope- 


Ueb.  d.  A^ei'sohluss  d.  Schenkelkanales  bei  Operationen  v.  Schenkelhernien. 


363 


ration  gelangten  Fällen  bloss  einmal  bei  einem  Manne  eine 
Schenkelhernie  zur  Beobachtung  kam. 

Die  anatomischen  Verhältnisse,  namentlich  die  der  Fascien  und 
die  Topographie  dieser  Gegend  als  bekannt  voraussetzend,  wird  in 
dem  Folgenden  die  Beschreibung  jener  Methode,  welche  ich  in  letzter 
Zeit  allerdings  bloss  am  Kadaver  geübt  habe,  folgen.  Ich  habe  nach 
j’  vielfachen  Versuchen  am  Kadaver  die  Ueberzeugung  gewonnen,  dass 
diese  Methode  in  allen  Fällen  ausführbar  und  nicht  einmal  derart  ein- 
greifend ist,  wie  die  Bassini’sche  Radikaloperation  der  Leistenhernie. 

Die  Grundzüge  der  von  mir  vorgeschlagenen  Methode  sind 
folgende. 

Spaltung  der  Haut,  der  fascia  superficialis,  des  oberfläch- 
lichen Blattes  der  fascia  lata,  Ausräumung  des  im  Schenkelkanale 
befindlichen  Fettes,  sowie  der  Lymphdrüsen,  dann  Abziehen  der 
Gefässe  stark  nach  aussen  über  die  eminentia  ileo  pectinea.  Ent- 
spannung des  Poupart’schen  Bandes  durch  Ablösung,  Ver- 
nähen desselben  möglichst  weit  nach  rückwärts  am  horizon- 
talen Schambeinaste,  wobei  die  Naht  auch  durch  das 
Periost  geführt  wird,  endlich  Einscheidung  der  Gefässe,  indem 
der  laterale  Anteil  des  oberflächlichen  Blattes  der  fascia  lata  über 
die  Gefässe  gezogen  und  an  die  fascia  j^ectinea  angenäht  wird. 

Auf  die  Einzelheiten  eingehend,  führt  man  einen  Schnitt 
über  dem  Poupart’schen  Bande  fast  von  der  spina  anterior  sup.  ossis 
ilei  angefangen  bis  zum  tuberculum  ossis  pubis,  der  gleichzeitig  die 
Haut  und  fascia  superficialis  durchtrennt,  dann  einen  zweiten 
Schnitt  8 cm  weit  nach  abwärts  über  den  grossen  Gefässen  gerade 
so  als  ob  man  die  Arteria  cruralis  unter  dem  Poupart’schen  Bande 
auf  suchen  wolle. 

Die  beiden  Schnitte  treffen  sich  also  über  dem  Poupart’schen 
Bande;  dann  fasst  man  mit  einer  Pincette  die  Hautwinkel  und 
präpariert  diese  nebst  der  darunter  befindlichen  fascia  superficialis 
von  dem  oberfläcldichen  Blatte  der  fascia  lata  ab.  Es  kommt 
durchaus  nicht  darauf  an,  diese  Fascie  zu  erhalten.  In  jenen 
Fällen,  wo  diese  Fascie  sich  nicht  abpräparieren  lässt,  entfernt 
man  dieselbe  mit  der  Schere ; über  dem  foramen  ovale  wird  dies 
immer  notwendig  sein  müssen.  Ist  die  Haut  soweit  abpräpariert, 
dass  man  das  trigonum  subhiguinale  gut  übersehen  kann,  so  muss 
das  oberflächliche  Blatt  der  fascia  lata  rein  präpariert  werden,  wo- 
bei man  die  über  dem  foramen  ovale  gelegenen  kleinen  Lymph- 
drüsen sowie  auch  das  daselbst  gelegene  Fett  entfernt,  so  dass 
der  Uebergang  des  oberflächlichen  Blattes  der  fascia  lata  in  die 
fascia  pectinea  klar  vorliegt  (siehe  Zeichnung  Fig.  1). 


364 


Josef  Fabricius. 


Niinmelir  durclitrennt  man  das  oberflächliche  Blatt  der  fascia 
lata  lateral  vom  foramen  ovale  entsprechend  den  punktierten 
Linien  der  Zeichnung  (Fig.  1)  von  der  Einmündungsstelle  der  vena 


proc.  falcifoniiis. 


fascia  super- 
ficialis. 

vena  eruralis 
scheinat. 
vena  epigastr.  sup. 
vena  saphena  magn. 


ven.  circum- 

flexa  ilei  oberfl.  Ulatt  der  fascia  lata. 


Fig.  1.  Ansicht  des  oberfl.  Blattes  der  fascia  lata,  nachdem  dasselbe 
freigelegt  u.  rein  präpariert  worden;  etwas  schematisch. 

saphena  magna  in  die  vena  eruralis  bis  zum  Poupart’schen  Bande 
hinauf  und  zwar  in  einer  Länge  von  ungefähr  3 cm.  Das  ober- 
flächliche Blatt  der  fascia  lata  ist  an  der  Insertionsstelle  am  Pou- 
part’schen Bande  in  der  Regel  stark  und  liegt  auch  den  Gefässen 
nicht  direkt  auf.  Um  eine  bessere  Einsicht  in  den  Schenkelkanal 
zu  erlangen,  ferner,  um  beim  späteren  Vernähen  auch  die  Gefässe 
leichter  abziehen  zu  können,  ist  es  empfehlenswert,  mit  dem 
stumpfen  Blatte  einer  Schere  unter  das  oberflächliche  Blatt  der 
fascia  lata  einzugehen  und  dasselbe  lateral  entsprechend  der  In- 
sertion am  Poupart’schen  Bande  mit  einem  Schlag  zu  durchtrennen, 
während  der  mediale,  schwach  entwickelte  Teil  des  genannten 
Blattes  ganz  entfernt  wird.  Auf  diese  Weise  bekommt  man  nach 
Entfernung  dieses  medialen  sowie  nach  Abhebung  des  lateralen 
Anteiles  des  oberflächlichen  Fascienblattes  einen  guten  Einblick 
in  den  Schenkelkanal. 

Es  erscheint  daselbst  immer  eine  grössere  (Rosenmüller’sche 
Lymphdrüse) , bisweilen  auch  noch  eine  kleinere  Lymj)hdrüse, 


Uel).  d.  Verschluss  d.  Schenkelkanales  hei  Operationen  v.  Schenkelhernien.  365 

welche  samt  dem  daselbst  befindlichen  Fett  und  lockeren  Zell- 
gewebe mit  entfernt  werden  muss. 

Man  kann  sich  am  Cadaver  überzeugen,  dass  nach  Entfernung 
des,  diesen  Raum  zum  Teil  ausfüllenden  Gewebes  eine  Oeffnung 
entsteht,  welche  für  einen  Zeigefinger  bequem  und  gut  durchgängig 
ist.  Beim  Entfernen  des  Fettes  wird  gewöhnlich  am  Cadaver  das 
septum  Cloqueti,  welches  durch  die  daselbst  durchziehenden 
Lymphbahnen  mehr  weniger  fest  mit  dem  Fett  verwachsen  ist, 
mit  hervorgezogen,  doch  soll  man  das  Fett  soweit  möglich  von 
der  erwähnten  Fascie  stumpf  ablösen  und  dieselbe  schonen,  aus 
Rücksicht  für  das  anliegende  Peritoneum. 

In  Fällen,  wo  es  sich  um  eine  wirkliche  Hernie  handelt, 
würde  man  einfach  nach  Durchtrennung  der  Haut  der  fascia  super- 
ficialis und  des  oberflächlichen  Blattes  der  fascia  lata  in  der  be- 
schriebenen Weise  auf  den  Bruchsack  kommen,  das  den  Schenkel- 
kanal ausfüllende  Fett,  sowie  auch  die  in  diesem  gelegene  Lymph- 
drüse  werden  durch  die  vorgefallenen  Eingeweide  zur  Seite  gedrängt. 
Das  durch  den  Bruchsack  vorgestülpte  septum  crurale  internum 
oder  auch  septum  Cloqueti  wird  nur  selten  als  Bruchsackhülle 
deutlich  zu  erkennen  sein.  Sobald  man  auf  den  Bruchsack  kommt, 
wird  man  jene  Stelle,  welche  die  Incarceration  bedingt,  incidieren, 
den  Bruchsack  freilegen , die  Därme  reponieren , im  Falle  Ver- 
wachsungen vorhanden  sind , dieselben  lösen , dann  wird  der 
Bruchsack  nach  Reposition  der  Därme  möglichst  hoch  oben  ab- 
gebunden, der  abgebundene  Bruchsackrest  entfernt,  in  gleicher 
Weise  wie  auch  Bassini  es  bei  seiner  Methode  zu  thun  pflegt. 
Durch  den  lateral  vom  foranien  ovale  angelegten  parallel  mit  den 
Gefässen  verlaufenden  Schnitt,  welcher  das  oberflächliche  Blatt 
der  fascia  lata  durchtrennte,  gewinnt  man  einen  medialen  und  einen 
lateralen  Anteil  des  oberflächlichen  Blattes  der  fascia  lata.  Der 
mediale  Anteil  wird,  wie  schon  früher  erwähnt,  bis  zur  Einmün- 
dungsstelle der  V.  saphena  magna  von  der  Insertion  an  der  fascia 
pectinea  entfernt. 

Die  Gefässe  werden  darauf  mit  Schonung  der  vagina  vasorum 
propria,  das  ist  jene  Hülle,  welche  als  Fortsetzung  der  fascia  trans- 
versa betrachtet  wird,  von  ihrer  Unterlage,  das  ist  dem  tiefen 
Blatte  der  fascia  lata,  auch  fascia  ileo  pectinea  genannt,  stumpf 
mit  einer  anatomischen  Pincette  abgelöst,  was  überaus  leicht  geht, 
dann  mit  einem  stumpfen  Hacken  stark  nach  aussen  gezogen,  so 
dass  die  vena  cruralis  nahezu  einen  Centimeter  nach  auswärts  von 
der  eminentia  ileo  pectinea  zu  liegen  kommt,  wobei  die  vena  cru- 
ralis  vorübergehend  selbst  über  der  Arteria  cruralis  liegt. 


f 1 


366 


Josef  Falnüdus. 


j\Iein  weiteres  Bestreben  ging  jetzt  dahin,  jenen  Raum,  welcher 
schon  durch  seine  trichterförmige  Beschaffenheit  und  durch  die 
Lage  neben  den  grossen  Gefässen  eine  gewisse  Disposition  für  eine 
Schenkelhernie  abgiebt,  durch  Vernähung  des  Poupart  sehen  Bandes 
möglichst  weit  nach  rückwärts  am  horizontalen  Schambeinaste  zu 
verkleinern. 


Fig.  2.  Ansicht  des  8chenkelkanales  nach  Ablösung  des  Peritoneums 
und  Herunterklappen  der  Bauch wandnng.  Vor  der  Vernähung. 

In  Fig.  2 ist  der  die  Prädisposition  bedingende  Raum  er- 
sichtlich. Aus  diesem  Raum  wurde  nach  Ablösung  des  Peritoneums 
und  des  septum  crurale  internum  das  daselbst  befindliche  Fett 
entfernt.  Der  Trichter  wird  dadurch  markiert,  dass  man  sich 
von  aussen  die  der  vorderen  Fläche  des  Oberschenkels  zu- 
gekehrte Trichterwandung  mit  dem  Finger  gegen  die  Bauchhöhle 
zu  vorstülpt  (siehe  Zeichnung  Fig.  2).  Vergleicht  man  Fig.  2 
und  Fig.  3,  so  ist  die  Grösse  dieses  Raumes  vor  und  nach  der 
Vernähung  ersichtlich.  Der  Unterschied  in  der  Grösse  dieses 
Raumes  ist  nach  der  Wrnähung  ein  ganz  bedeutender  und  dies 
ist,  wie  mir  dünkt,  von  grosser  Bedeutung. 

Um  nun  das  Poupart’sche  Band  möglichst  weit  nach  rückwärts 
am  horizontalen  Schambeinaste  annähen  zu  können,  muss  man 
dasselbe  an  jener  Stelle,  wo  dieses  sich  am  tuberculum  ossis  pubis 
inseriert,  mit  einem  Scalpell  ablösen,  in  manchen  Fällen  genügt 
eine  einfache  Incision,  um  die  Spannung  des  namentlich  bei  jugend- 


Die  mit  dem  Finger  vor 
gestülpte  vord.  Wand  des 
Schenkelkanales. 


ram.  horizont.  ossis  pubii 


Muse,  rectus  abdominis 


Art.  u.  V enae  epigastricai 
inferior. 


Ueb.  d.  \'eröchluss  d.  Scdienkcdkanaley  bei  Operationen  v.  .Schenkelliernien. 


367 


liehen  Individuen  straffen  Bandes  wesentlich  herabzusetzen.  Die 
Entspannung  ist  in  vielen  Fällen  unbedingt  notwendig,  weil  sonst 
das  Annähen  des  Liganientes  sehr  erschwert  ist. 

Hierauf  näht  man  das  Poupart’sche  Band  auf  die  Weise  an 
den  horizontalen  Schanibeinast,  dass  nach  Abziehung  der  grossen 
Gefässe  nach  aussen  mit  einer  stark  gekrümmten  Nadel  1 cm 


Fig.  3.  Ansicht  des  .Seheukelkanales  nacb  Al)lösimg  des  Perit.  und 
Herunterklapi)eu  der  Bauchwandung.  Nach  der  Vernähung. 

weit  vom  Rande  des  Pouparfschen  Bandes  durchgestochen  wird, 
wobei  man  den  Finger  der  linken  Hand  unter  das  Band  führt, 
und  über  dem  P^inger  dasselbe  durchsticht.  Hiebei  ist  darauf  zu 
achten,  dass  die  vena  und  arteria  epigastrica  inferior  nicht  ver- 
letzt wird.  Alsdann  drängt  man  das  Poupart’sche  Band  gegen  die 
Bauchhöhle  zu  und  durchsticht  nun  mit  derselben  Nadel  lateral 
von  der  eminentia  ileo  pectinea  die  fascia  ileo  pectinea 
(liganientum  ileo  pectineum)  und  gleichzeitig  mit  der  Fascie 
auch  das  Periost  am  oberen  Rande  des  Schambeines.  Ob  letzteres 
mitgefasst  ist,  merkt  man  an  einem  gewissen  Widerstand  bei  der 
Durchführung  der  Nadel.  Es  ist  von  Wichtigkeit,  dass  man  die 
erste  Naht  knapp  an  den  nach  aussen  gezogenen  Gefässen  anlegt, 
das  Poupartsche  Band  breit  fasst  und  auch  das  Periost  mitnäht. 
Dies  muss  in  der  Ausdehnung,  von  den  Gefässen  angefangen,  bis 
zum  tuberculum  ossis  pubis,  wo  das  Poupart’sche  Band,  wie  oben 
gesagt,  behufs  Entspannung  abgelost  wurde  und  nun  wieder  nach 


368 


Josef  Fabricius. 


innen  an  den  Rand  des  ranius  liorizontalis  ossis  jDubis  angenäht 
werden  muss,  geschehen.  Im  Falle  dasselbe  nur  an  die  Fasern  des 
musculus  pectineus  genäht  wird,  könnte  dieser  leicht  nachgeben 
und  damit  die  Gefahr  eines  Recidives  entstehen.  Für  die  Ver- 
nähung  des  Poupart’schen  Bandes,  von  der  vena  cruralis  angefangen 
bis  zum  tuberculum  ossis  pubis,  genügen  für  gewöhnlich  5 — 6 
Nähte.  Erst  nach  Anlegung  aller  Nähte  werden  dieselben,  indem 
das  Poupart’sche  Band  stark  gegen  die  Bauchhöhle  zu  gedrängt 


Die  von  dem  oberfl.  Blatte 
der  fascia  lata  bedeckte 
vena  cruralis. 


fascia  super- 
ficialis. 


Nach  Anlegung  sämtlicher  Nähte. 


Fig.  4. 


wird,  geknüpft.  Beim  Knüpfen  der  ersten  Naht  über  den  Gefässen 
ist  darauf  zu  achten,  dass  die  Gefässe  in  diesem  Momente  wieder 
stark  abgezogen  werden.  Ist  nun  die  Oeffnung  nach  der  Bauch- 
höhle zu  geschlossen,  so  muss  noch  darauf  geachtet  werden,  dass  der 
V erschluss  auch  neben  den  Gefässen  besonders  neben  der  vena  cruralis 
ein  genügender  sei,  was  dadurch  erreicht  wird,  dass  der  laterale 
Anteil  des  oberflächlichen  Fascienblattes,  das  ziemlich  stark  und 
straff  ist,  über  die  vena  gezogen  und  medial  von  der  vena  cruralis 
an  die  fascia  pectinea  bis  zur  Einmündungsstelle  der  saphena 
magna  vernäht  wird,  wozu  gewöhnlich  3 — 4 Nähte  notwendig  sind. 


i 


Ueb.  d.  Verschluss  d.  Schenkelkanales  bei  Operationen  v.  Sclienkelhernien.  369 

Um  endlich  sicher  zu  sein,  dass  auch  über  den  Gefässen  der 
laterale  Spalt  des  oberflächlichen  Blattes  der  fascia^  lata,  der 
nur  angelegt  wurde,  damit  die  Gefässe  besser  abgezogen  werden 
können,  sicher  verschlossen  sei,  vernäht  man  auch  ihn,  indem 
das  oberflächliche  Fascienblatt  an  jener  Stelle,  wo  es  von  der 
Insertion  am  Poupart’schen  Bande  abgelöst  wurde,  wieder  mit 
diesem  vereinigt  wird,  so  dass  folgendes  Bild,  wie  in  Fig.  4 er- 
sichtlich, zustande  kommt.  In  Fällen,  wo  es  sich  um  sehr  grosse 
Cruralhernien  handelt  und  wo  zu  befürchten  ist,  dass  die  einfache 
Vernähung  des  oberflächlichen  Blattes  der  fascia  lata  lateral  von 
den  Gefässen  an  das  Poupart’sche  Band  nicht  genügende  Festigkeit 
bietet,  kann  man  mit  der  fascia  lata  auch  den  darunter  befind- 
lichen musculus  ileo  psoas  mitfassen,  ohne  dass  man  dabei  die  Ver- 
letzung des  nervus  crurahs  fürchten  muss.  Auch  hiezu  genügen 
für  gewöhnlich  3 — 4 Nähte.  Schliesslich  erfolgt  die  Vernähung  der 
Haut  in  üblicher  Weise. 

Durch  das  Annähen  des  lateralen  Anteiles  des  oberflächlichen 
Blattes  der  fascia  lata  an  die  fascia  pectinea  trachtete  ich  nur  die 
von  Natur  aus  bestandenen  Verhältnisse  wieder  herzustellen,  indem 
auch  nach  der  Operation  dies  Fascienblatt  der  Vena  crurahs  jedoch 
enger  als  vorher  anhegt.  Die  Befürchtung,  dass  durch  die  Ver- 
lagerung der  Gefässe  stark  nach  auswärts  eine  Kompression  oder 
gar  Abknickung  der  Vena  crurahs  und  damit  Störungen  in  der 
Zirkulation  zustande  kommen  könne,  ist  durchaus  nicht  gerecht- 
fertigt. Wiederholte  Versuche  an  Kadavern  haben  gezeigt,  dass 
Wasser,  welches  durch  die  stark  nach  aussen  gezogene  Vene  ohne 
jeden  stärkeren  Druck  eingespritzt  wird,  in  der  Bauchhöhle  zum 
Vorschein  kam.  Als  einschlägiges  Beispiel  am  Lebenden  ist  ein 
Fall  anzuführen,  welcher  von  Assistent  Dr.  Schüssler  im  März 
dieses  .Jahres  in  ähnlicher  Weise  operiert  wurde.  In  diesem  Falle 
hatte  die  Cruralhernie  eine  derartige  Grösse  erreicht , dass  das 
Poupart’sche  Band  ganz  aufgelöst  war,  weshalb  der  ziemlich  stark 
entwickelte  musculus  obliquus  abdominis  an  der  ramus  horizontalis 
ossis  pubis  angenäht  werden  musste.  Trotzdem,  dass  die  Gefässe 
durch  die  Naht  stark  nach  aussen  gedrängt  waren,  zeigte  sich  auch 
in  der  Folge  keinerlei  Störung  in  der  Zirkulation. 

Ich  übergebe  dies  Verfahren  der  Oeffentlichkeit,  indem  ich 
nochmals  kurz  erwähne,  dass  das  wesentlichste  Moment  in  der 
Verkleinerung  des  die  Prädisposition  bedingenden  Raumes  beruht. 
Die  Verkleinerung  dieses  Raumes  wird  dadurch  erreicht,  dass  nach 
Entspannung  des  Poupart’schen  Bandes  durch  Incision  oder  Ab- 
lösung dieses  möglichst  weit  nach  innen,  am  ramus  horizontalis 

24 


370 


Josef  Fabricius. 


ossis  pubis,  bis  knapp  an  die  Gefässe  angenäht  wird.  Die  Eiii- 
scheidung  der  Gefässe  halte  ich  für  günstig  und  empfehlenswert, 
doch  wenn  die  Naht  am  Poupart’schen  Bande  exakt  ist,  nicht  für 
unbedingt  notwendig.  In  jenen  Fällen,  in  welchen  die  Hernie  als 
kleiner  Knoten  unter  dem  i3roc.  falciformis  zum  Vorschein  kommt, 
die  Gefässe  nicht  verdrängt  und  die  Bruchpforte  eng  ist,  würde  ich 
raten,  nach  Entspannung  des  Poupart’schen  Bandes  sich  auf  das 
Annähen  desselben  am  horizontalen  Schambeinaste  zu  beschränken. 

Wie  Herr  Primararzt  Dr.  Gersuny  mir  mitteilte,  hatte  er  kürzlich 
Gelegenheit,  dies  Verfahren  ohne  Schwierigkeit  auszuführen. 

Ohne  die  Versuche  in  dieser  Frage  für  abgeschlossen  zu  be- 
trachten, hoffe  ich,  dass  im  Laufe  der  Zeit  vielleicht  unter  einzelnen 
Abänderungen  auch  für  die  Schenkelhernien  ein  Radikal  Verschluss 
gefunden  wird. 

Litteraturangaben: 

G.  J öS  sei.  Lehrb.  der  topograiDhisch-chirurgischen  Anatomie. 

J.  Henle.  Handb.  der  systematischen  Anatomie  des  Menschen. 

Fr.  König.  Lehrb.  der  speziellen  Chinirgie. 

R.  Wolf.  Beiträge  zur  Radikaloperation  der  Leisten  und  Scbenkelhernien, 
G.  Bruns  Beiträge  zur  klin.  Chirurgie  Bd.  VII. 

Ed.  Bassi ni.  Padua.  Ueber  die  Behandlung  des  Leistenbruches.  Arch, 
für  klin.  Chirurgie  Bd.  XL,  pag.  429. 

O.  AVitzel.  Ueber  den  medialen  Bauchbruch.  Sammlung  klin.  Vorträge 
N.  F.  Xr.  10. 

J.  Heidenthaler.  AVien.  Die  Radikaloperationen  der  Hernien  in  der 
Klinik  des  Hofr.  Prof.  Dr.  Billroth.  Arch.  für  klin.  Chirurgie,  Bd.  40. 

Fr.  AVolter.  Zur  Radikal  Operation  der  Lhiterleibsbrüche.  Sammlung  klin. 
A^orträge,  Xr.  360. 

Bark  er.  On  thirty  five  Operation  for  the  radical  eure  of  hernia  by  ori- 
ginal methods.  Brit.  med.  jomm.  Xr.  1405.  Refer.  im  Centralbl.  f.  Chirurg. 

AA^illiam  Mac  Ewen.  Out  the  radical  eure  of  blique  inquinal  hernia  the 
internal,  abdominal,  peritoneal  pad,  and  the  restoration  of  the  valved  form  of 
the  inquinal  canal.  Brit.  med.  Journal  Xr.  1406. 

Th.  J.  AV.  Ex  1er.  Die  Behandlung  und  |Genesung  von  Hernien  mittels 
Alkoholeinspritzung.  (Dissertation,  Utrecht  1884.)  Referat  im  Centralblatt  für 
Chirurgie, 

AV.  Munzinger.  Ueber  die  neuen  Resultate  der  Herniotomie  mit  beson- 
derer Rücksicht  auf  die  Ergebnisse  der  sogenannten  Radikaloperation.  Inaug.- 
Dissertation  Zürich,  1884.  Referiert  im  Centralblatt  für  Chirurgie. 

P.  Segond.  Cure  radicale  des  hernies.  Paris.  G.  Masson  1883,  A"HI. 
Referiert  im  Centralblatt  für  Chirurgie  von  Alsberg. 

Dal  Congresso  della  societa  Italiana  di  ebirurgia  tenutoria  Roma  dal  25 
al  27  ottobre  1891.  Rif.  med.  1891. 

Gazette  des  hopitaux  Samedi  7 mai  1892.  Paris.  Cure  radical  de  hernie 
crurale.  M.  Berger. 

Gazette  des  hopiteaux.  Paris  16  mai  1892.  Discussion  sur  la  eure  radi- 
cale de  la  hernie  crurale. 


Weitere  Beiträge  zur  Lehre  von  den 
Folgezuständen  der  Kropfoperationen 

von 

Docent  Dr.  Anton  Freiherr  von  Eiselsbei*!?, 

Assistent  der  Klinik  Billrotli. 

Im  Laufe  der  letzten  zehn  Jahre  ist  von  Seite  der  klinischen, 
sowie  experimentell  physiologischen*)  Beobachtung  die  Lehre  von 
der  wichtigen  Funktion  der  Schilddrüse  bei  Menschen  und  Tieren 
begründet  worden. 

Was  die  klinische  Seite  betrifft,  wurden  wohl  die  entschei- 
dendsten Fragen  in  Bezug  auf  Technik  und  Folgezustände  an  den 
Kliniken  des  Prof.  Kocher  in  Bern  und  Prof.  Billrotli  in  Wien 
gelöst.  Dank  diesen  Arbeiten  und  einer  Reihe  hervorragender  Unter- 
suchungen anderer  Forscher  -)  ist  es  sichergestellt,  dass  durch  die 
Entfernung  des  Organes  teils  akute,  teils  chronische  Folgezustände 
auftreten  und  dadurch  den  Patienten  auf  das  schwerste  schädigen 
können.  Allerdings  kann  hier  sofort  betont  werden,  dass  diese 
Folgezustände  glücklicherweise  beim  Menschen  nicht  jedesmal  zu- 
stande kommen.  Als  Erklärung  für  dieses  unregelmässige  Ver- 
halten wurden:  das  Vorhandensein  einer  accessorischen  Schilddrüse, 

')  In  Bezug  auf  die  einschlägige  physiologische  Litteratur  verweise  ich  auf 
die  vor  kurzem  erschienenen  Arbeiten  von: 

Horsley;  Die  Funktion  der  Schilddrüse.  (Internat.  Beiträge  zur  wis.senschaft- 
lichen  Medizin;  Festschrift  zu  Fihren  Rud.  Virchows  70.  Geburtstage,  1891.) 
Gley.  Exposö  criticjue  des  rechercbes  relatives  ä la  physiologie  de  la  glande 
thyroi'de.  (Archives  de  physiologie  norm,  et  path.)  Janv.  et  Avril  1892. 

Beide  Arbeiten,  besonders  die  ersterwähnte,  liefern  ein  vollständiges  Bild 
der  modernen  Anschauungen  über  die  Funktion  <ler  Schilddrüse. 

Davor  kurzem  der  III.  Teil  von  Wölfl  er  s Monographie:  Die  chirurgische 
Behandlung  des  Kropfes  (Berlin  1891,  August  Hirschwald)  erschienen  ist,  kann 
ich  auf  das  daselbst  gegebene  erschöpfende  Litteratur-Verzeichnis  verweisen  und 
beschränke  mich  auf  die  Angahen,  welche  in  unmittelbarer  Beziehung  zu  meiner 
Arbeit  stehen. 


372 


iVnton  Freiherr  von  Eiselsherg. 


die  verschiedene  Rolle,  welche  der  Schilddrüse  bei  jugendlichen 
Individuen  und  Erwachsenen  zukommt,  und  endlich  der  Umstand  vor- 
gebracht, dass  man  leicht  bei  der  Operation  Reste  der  Drüse,  wie 
dies  wiederholt  geschehen  ist,  übersehen  kann,  wonach  man  also 
gar  keinen  Fall  von  Totalexstirpation  vor  sich  hat  und  doch  glaubt, 
es  wäre  ein  solcher.  Dass  wirklich  besonders  letzterer  Umstand  i 
häufig  den  Widerspruch  mit  der  jetzt  als  richtig  angenommenen  | 
Lehre  bedingt,  geht  vor  allem  aus  der  wiederholt  gemachten  Be- 
obachtung hervor  (v.  Bruns),  dass  bei  bereits  bestehender  Cachexie, 
die  infolge  von  vermeintlicher  Totalexstirpation  aufgetreten  ist, 
das  Wachsen  einer  Kropfrecidive  mit  einemmale  alle  Symptome 
beseitigte.  Trotzdem  bleibt,  wie  Wölf  1er  in  seinem  oben  citierten 
klassischen  Werke  hervorhebt,  die  moderne  Anschauung  für  viele 
Fälle  die  Erklärung  schuldig,  indem  Wölf  1er  gestützt  auf  die  Unter- 
suchung der  bis  zum  Jahre  1885  an  der  Klinik  Billroth  beobachteten 
Fälle  von  TotalexsRrpation  zum  Schlüsse  kam,  dass  in  etwa  “/a  der 
Fälle  der  Totalexstirpation  keine  schädlichen  Erscheinungen  folgten 
und  zwar  auch  in  Fällen,  welche  selbst  in  späterer  Zeit  frei  von 
Kropfrecidive  blieben,  anderseits  manchmal  trotz  Wiederauf  treten 
der  Kropfrecidive,  ja  wie  es  fast  scheinen  möchte,  ab  und  zu  mit 
der  Entwicklung  des  Knotens  cachektische  Symptome  sich  einstellten. 
Auch  ist  es  im  höchsten  Grade  merkwürdig,  warum  das  eine  Mal 
gleich  nach  der  Operation  die  schwersten  Krämpfe  auftreten,  das 
andere  Mal  erst  Monate  nachher  in  ganz  latenter  Weise  die  schäd- 
lichen Folgen  sich  geltend  machen. 

Es  scheint  deshalb  noch  immer  wünschenswert,  die  Kropf- 
operierten in  Bezug  auf  ihr  weiteres  Schicksal  zu  verfolgen; 
deshalb  habe  ich  einerseits  über  die  von  Wölf  1er  schon  publizierten 
ersten  Fälle  von  Totalexstirpation  weitere  Erkundigungen  einge- 
holt und  anderseits  die  vom  Jahre  1885  bis  1892  operierten  Fälle 
in  dieser  Richtung  untersucht  und  möchte  im  Nachfolgenden  das 
Resultat  dieser  Untersuchung  kurz  mitteilen. 

Was  zunächst  die  von  Wölfler  schon  erörterten  Fälle  anlangt, 
stützt  sich  seine  Beschreibung  auf  4(3  Fälle  von  Totalexstirpation 
und  konnte  ich  über  eine  Reihe  dieser  Kranken  teils  brieflich, 
teils  durch  persönlichen  Augenschein,  Nachrichten  bekommen,  aus 
denen  zunächst  sich  ergiebt,  dass  sowohl  seit  dem  Abschlüsse 
meiner  einschlägigen  Arbeit ')  (Herbst  89)  als  nach  der  oben  citierten 
von  Wölfler  (Sommer  90)  das  Befinden  mancher  Patienten  im  wei- 
teren Verlauf  sich  geändert  hat,  so  dass  sich  das  Verhältnis  fol- 

9 Ueber  Tetanie  im  Anschlüsse  an  Kropf  Operationen.  Wien.  Alfred  Hol- 
der, 1890.  8anunlung  ined.  Schriften. 


1 


AVeitere  Beiträge  zur  Lehre  von  den  Folgezuetänden  der  Kropf  Operationen.  3 /'S 

gendermassen  gestaltet  (wobei  gleich  die  seit  1885  gemachten  6 
Totalexstirpationen  mit  einbezogen  sind) : 

Von  den  52  Totalexstirpationen,  die  bis  Juli  1892  an  der 
Klinik  Billroth  ausgeführt  wurden,  sind  : 

1)  An  den  Folgen  der  Operation  (Collaps,  Sepsis,  Lufteintritt) 

rasch  gestorben 3 

an  foudroyanter  Tet.  gestorb.  5 

an  chron.  Tet.  ohne  Recidiv 

gestorben 3 

an  chron.  Tet.  krank  geblie- 
ben ohne  Recidiv-Entwick- 

lung 2 

an  chroii.  Tetanie  erkrankt, 
später  Kropfrecidiv  und 

Heilung 1 

an  chron.  Tetanie  erkrankt, 
später  Heilung,  nach  zwei 
Jahren  Tod 1 

ohne  Kropfrecidive  ...  8 

trotz  Kropfrecidive  ...  3 


Form)  ' 

3)  Gesund  verblieben  j ohne  Kropfrecidive 3 

10  I mit  Kropfrecidive 7 

4)  Cachexie  nach  wie  vor  der  Operation 1 


5)  Keine  Nachricht  oder  ungenügend  kurze  Beobachtungszeit  15 

Summa  52 

Betrachten  wir  nunmehr  nach  Hinweglassung  der  drei  kurz 
nach  der  Operation  infolge  derselben  Verstorbenen , sowie  des 

0 In  der  eben  citierten  Arbeit  bal)e  ich  angeführt,  dass  seit  1885  an  der 
Klinik  Hiel>en  Totalexstirpationen  gemacht  wurden.  Zwei  von  diesen  Fällen 
sind  jedoch  ansznscheiden,  weil  beidesmal  die  Sektion  der  wenige  Tage  post 
operationein  an  Collaps  und  Sepsis  verstorbenen  Kranken  noch  geringe  Reste  von 
zurückgebliebenem  Strnmagewebe  anfdeckte.  Diese  beiden  Fälle  werden  daher 
in  der  nächsten  Rubrik:  Exstirpation  von  mehr  als  der  Drüse,  geführt. 

'■*)  Unter  diesen  5 Rat.  sind  2 , welche  eigentlich  mehr  die  Symptome  der 
chronischen  Tetanie  zeigen  und  nur  mit  Rücksicht  auf  die  veränderte  geistige 
Beschaffenheit  zur  Cachexie  gezählt  sind.  Dass  übrigens  trotz  äusserer  Ver- 
schiedenheiten diese  beiden  Folgeznstände  grosse  Aehnlichkeit  miteinander  haben, 
ja  direkt  die  Tetanie  in  die  Cachexie  übergehen  kann,  ist  bekannt. 


Tetanie 

12 


2)  An  den  Folgezu- 
ständen der  Total- 
exstirpation er- 
krankt (23). 


Cachexia 
strumipriva  | 

11 

(darunter  6 
an  typischer, ' 
5-)  an  rudi-i 
m entärer 


374 


Anton  Freiherr  von  Eiseisberg. 


Patienten,  der  schon  vor  der  Operation  die  Erscheinungen  der 
Cachexie  darbot,  diejenigen  Patienten,  über  deren  weiteres  Schicksal 
in  genügend  langer  Zeit  etwas  bekannt  geworden  ist,  so  ergiebt  sich, 
dass  von  33  Totalexstirpierten  10  Patienten  gesund  geblieben 
sind,  23  Patienten  an  Folgezuständen,  teils  acuter,  teils  chronischer 
Natur  erkrankt  sind,  wobei  allerdings  auch  5 rudimentäre  Formen 
von  Cachexia  mitgezählt  sind ; andererseits  jedoch  nicht  vergessen 
werden  darf,  dass  bei  einigen  Kranken,  über  welche  jetzt  noch  gute 
Nachrichten  eingelaufen  sind,  die  für  die  Entstehung  der  Cachexie 
kritische  Zeit  noch  nicht  abgelaufen  ist.  Auch  ist  der  eine  Fall 
von  Tetanie,  der  nach  Totalexstirpation  aufgetreten,  sich  als  solcher 
erst  in  der  Heimat  entwickelte  und  dann  wieder  gesund  wurde, 
weggelassen,  weil  die  Beobachtung  doch  ausschliesslich  auf  dem 
brieflichen  Berichte  der  Kranken  beruhte. 

Von  den  10  Gesundgebliebenen  wurde  7 mal  eine  Kropf- 
recidive^)  konstatiert,  3 mal  fehlte  dieselbe. 

Es  ergiebt  sich  somit,  dass  70  °/o  der  Patienten  mit  Total- 
exstirjDation,  über  deren  weiteres  Schicksal  etwas  bekannt  wurde, 
an  Folgezutänden  des  Ausfalls  der  Drüse  erkrankt  sind  (leichte 
Erkrankungen  mit  eingeschlossen).  Dieser  Prozentsatz  ist  er- 
schreckend hoch,  besonders  im  Vergleiche  zu  den  Angaben  des 
Londoner  Myxoedem-Berichtes  -),  nach  welchem  bloss  24  °/o  der- 
jenigen Totalexstirpierten  erkrankt  sind,  über  deren  weiteres 
Schicksal  Erkundigungen  eingeholt  werden  konnten.  Dieser  grosse 
Unterschied  mag  zum  Teil  auch  dadurch  zu  erklären  sein,  dass 
zur  Zeit,  als  die  einzelnen  Chirurgen  an  das  Londoner  Comite  be- 
richteten (1886,  1887),  die  Totalexstirpationen  noch  nicht  allgemein 
verpönt  waren,  also  gewiss  viele  frisch  operierte  Fälle  als  gesund 
geblieben  in  den  verschiedenen  Berichten  aufgezählt  wurden,  die 
vielleicht  noch  nachträglich  an  Cachexie  erkrankten. 

Untersuchen  wir  nun  diese  Fälle  darauf,  inwieweit  sie  mit  unsern 
modernen  Anschauungen  über  die  Funktion  der  Schilddrüse  über- 
einstimmen, so  müssen  wir  zunächst  betonen,  dass  von  den  3 Pa- 
tientinnen, welche  längere  Zeit  an  Tetanie  litten,  bis  ‘sie  daran 
zu  Grunde  gingen , keine  eine  Kropfrecidive  zeigte , ebensowenig 


0 01)wo]il  in  diesen  Fällen  das  Wachsen  einer  Kropfrecidive  es  wahrschein- 
lich macht,  dass  es  sich  nm  keine  Totalexstirpationen  handelte,  müssen  sie  doch 
denselben  zugezählt  werden,  zumal  es  ja  denkbar  ist,  dass  manchmal  die  Recidive 
von  einer  accessorischen  Drüse  ausging. 

Report  of  a Comitee  of  the  clinical  Society  of  London  nominated  De- 
cemher  14,  1883  to  investigate  the  sul)ject  of  myxoedema.  London.  Longmans, 
Green  ck  Co,,  1888. 


37  ^ 


wie  die  beiden  iiuiinielir  schon  seit  mehr  als  10  Jahren  an  chro- 
nischer Tetanie  leidenden  Kranken.  Eine  Patientin  mit  chronischer, 
allerdings  nicht  schwerer  Tetanie  verlor  dieselbe,  als  sich  ein 
Kropfknoten  wieder  entwickelte.  Bei  einer  weiteren  Patientin  mit 
Tetanie  endlich  verlor  sich  dieselbe,  doch  konnte,  (die  Kranke  ist 
2 Jahre  post  operationem  in  ihrer  Heimat  verstorben)  nicht  er- 
mittelt werden,  ob  eine  Pecidive  aufgetreten  war,  oder  nicht. 

Was  die  Fälle  von  Cachexia  strinnipriva  anlangt,  ist  bei  8 
unter  11  eine  Recidive  ausgeblieben,  während  sich  bei  7 unter  10 
trotz  der  Totalexstirpation  Gesundverbliebenen  Kropf-Recidive  fand. 

Somit  bleiben  nur  0 Fälle,  welche  mit  unserer  jetzigen  Ansicht 
über  die  Funktion  der  Schilddrüse  nicht  in  Einklang  zu  bringen 
sind,  es  sind  dies  3 Fälle  von  Cachexie  mit  Recidive,  und  3 Pa- 
tienten, welche  trotzdem,  dass  eine  Recidive  ausblieb,  gesund 
verblieben. 

Vielleicht  können  wir  uns  diese  wechselnden  Erscheinungen, 
welche  das  Wachsen  der  Recidive  begleiten,  so  erklären,  dass  in 
den  meisten  Fällen  durch  das  Wiederwachsen  aus  einem  mini- 
malen Reste  oder  einer  accessorischen  Drüse  auch  neues  Schild- 
drüsengewebe gebildet  wird  und  damit  die  Ausfallserscheinungen 
schwinden,  in  vereinzelten  Fällen  aber  kleine , noch  bestehende 
halbwegs  normale  Schilddrüsenreste,  welche  bei  der  Untersuchung 
des  Halses  nicht  einmal  nachweisbar  zu  sein  brauchen , den 
Patienten  von  den  schädlichen  Folgen  zu  bewahren  im  Stande 
sind.  Von  dem  Momente  an  jedoch,  wo  dieser  Rest  colloid  zu 
entarten  beginnt,  und  dieser  Akt  ist  ja  bekanntlich  immer  mit 
einer  Vergrösserung  des  Organs  verbunden  und  wird  äusserlich 
als  Struma -Recidive  imponieren,  kann  möglicherweise  für  den 
Organismus  der  letzte  Rest  funktionierenden  Drüsengewebes  zu 
Grunde  gehen  und  damit  die  Ausfallerscheinungen  sich  einstellen. 

Diese  Hypothese  vermag  vielleicht  den  einen  oder  anderen 
der  Fälle  zu  erklären,  in  welchen  mit  dem  Auftreten  einer  Kropf- 
recidive  sich  cachektische  Symptome  einstellten.  Denken  wir 
ausserdem  an  die  oben  erwähnten  Fälle  von  vermeintlicher  Total- 
exstirpation (mit  Zurücklassung  von  Resten)  und  an  das  Vorhanden- 
sein von  accessorischen  Scliilddrüsen,  so  werden  dadurch  die  Fälle, 
welche  durch  ihren  Verlauf  mit  unsern  durch  die  klinische  Be- 
obachtung und  das  Tierexperiment  gewonnenen  Anschauungen  über 
die  Schilddrüsenfunktion  nicht  harmonieren,  in  ihrer  Zahl  a:anz 
wesentlich  reduziert. 

Gehen  wir  nunmelir  zur  Betrachtung  der  übrigen  seit  dem 
Jahre  1885  bis  Juli  1892  gemachten  Kropfoperationen  über,  so 


376 


Anton  Freiherr  von  Eiseisberg. 


möchte  ich  dieselben,  nachdem  die  6 Fälle  von  Totalexstirpationen 
(Gruppe  I.)  bereits  in  Zusammenhang  mit  den  von  Wölfler  be- 
sprochenen 46  eben  kurz  erwähnt  sind,  des  Weiteren  einteilen  in: 

Gruppe  II.:  Exstirpation  von  mehr  als  des  Kropfes. 

Gruppe  III.:  Partielle  Exstirpation,  wobei  mindestens  7-t  des 
Kropf- Volumens  zurückgelassen  wurde. 

Gruppe  IV.:  Enucleationen. 

Gruppe  V.:  Ligaturen  der  Arterie  und  anderweitige  Eingriffe 
als  Punktionen,  Injektionen,  Incisionen  von  Eiterungen. 

Gruppe  II. 

Exstirpation  von  mehr  als  des  Kropfes  (12  Fälle). 

a)  5 Fülle  gestorben,  1 an  Tetanie,  4 b an  Collaps,  Sepsis,  Pneumonie. 

b)  4 Fälle  an  Tetanie  erkrankt;  später  jedoch  teils  ganz  geheilt,  teils 
wesentlich  gebessert. 

c)  3 Fälle  geheilt  und  dies  auch  später  gehliehen. 

ad  a): 

lieber  die  an  Tetanie  erkrankte  und  verstorbene  Frau  habe 
ich  schon  seinerzeit  kurz  berichtet.  Die  Krankengeschichte  dieses 
Falles  ist  folgende: 

jMarie  T.,  54  Jahre  alt,  aus  Siebenbürgen,  litt  schon  seit  Jahren  an  einer 
Struma,  die  sich  im  Laufe  der  letzten  Monate  noch  vergrösserte  und  alle  Er- 
scheinungen einer  malignen  Neubildung  darbot.  Am  25.  ^lärz  1890  wurde  die 
Exstirpation  vorgenommen  und  dabei  die  nahezu  in  toto  carcinomatös  degene- 
rierte Struma  entfernt;  dabei  riss  die  markschwammartige  IMasse  ein,  sodass  im 
Jugulum  an  der  vorderen  AVand  der  Trachea  ein  etwa  wallnussgrosses  Stück 
carcinomatöser  Masse  zurückblieb.  Schon  nach  zwei  Tagen  steigerte  sich  der 
schon  vor  der  Operation  bestandene  Bronchialkatarrh  so  sehr,  dass  sich  seihst 
bei  ruhiger  Rückenlage  anfallsweise  heftige  Atemnot  einstellte.  Fünf  Tage  nach 
der  Operation  stellten  sich  Glottiskrämpfe  ein  und  am  folgenden  Tage  war  das 
Chvostek’sche  Facialis-Phänomen  deutlich  ausgeprägt.  Tags  darauf  gesellten  sich 
erhöhte  Eeflexerregharkeit  und  das  Trousseau’sche  Phänomen  hinzu.  Am  meisten 
litt  die  Kranke  immer  an  den  krampfartig  auftretenden  Erstickungsanfällen. 

Da  mithin  das  tj^pische  Bild  der  Tetanie  ausgeprägt  war  und 
zwar  in  so  schwerer  Form  (Glottiskrämpfe),  dass  eine  Heilung 
nicht  wahrscheinlich  erschien,  wurde  am  9.  Tage  post  operat.  der 
durch  Tierexperimente  erprobte  Versuch  einer  Transplantation 
gemacht.  Zu  diesem  Zwecke  wurde  je  ein  nussgrosses  Stückchen 
einer  eben  operierten  Struma  zwischen  Fascie  und  Peritoneum  und 
in  das  Peritoneum  verpflanzt;  leider  stammte  (Jas  Alaterial  von  einem 

b Unter  diesen  vier  sind  die  zwei  hei  den  Totalexstirpationen  ausgeschie- 
denen Fälle  aufgenommen. 

b üeber  erfolgreiche  Einheilung  der  Katzenschilddrüse  in  die  Bauchdecke 
und  Auftreten  von  Tetanie  nach  deren  Exstirpation.  (AATener  klin.  AVochen- 
schrift  1892.  5.) 


\ 


Weitere  Beiträge  zur  Lehre  von  den  Folgezuständen  der  Kropf  Operationen.  377 

älteren  Manne,  dein  wegen  einer  stark  colloid  degenerierten  Schilddrüse  die  halb- 
seitige Exstirpation  gemacht  wurde.  Es  enthielten  daher  auch  die  zur  Ueber- 
pflanzung  gewählten  Stückchen  vorwiegend  Colloid. 

Ini  weiteren  Verlaufe  war  absolut  keine  Besserung  zu  konstatieren  und 
ging  die  Kranke  unter  zunehmender  Bronchitis  infolge  von  partieller  Nekrose 
der  Trachea  — es  war  bei  der  Operation  das  innig  mit  derselben  verwachsene 
Carcinom  möglichst  gründlich  zu  entfernen  versucht  worden,  wobei  wohl  auch  von 
der  Tracheaiwandung  selbst  oberflächliche  Schichten  verloren  gingen  — 15  Tage 
post  operat.  zu  Grunde.  Die  tetanischen  Erscheinungen  hatten  bis  zuletzt  un- 
verändert bestanden.  Von  Seite  der  Bauchwunde  waren  keine  Keaktions- 
erscheinungen  aufgetreten. 

Bei  der  Sektion  zeigte  sich  das  im  Jugulum  zurückgebliebene  Stückchen 
Strumagewehe  ganz  durch  Aftermasse  substituiert,  weiter  fand  sich  eine  putride 
Bronchitis,  die  gewiss  auch  ohne  gleichzeitig  bestehende  Tetanie  die  Todesursache 
hätte  abgeben  können. 

Die  lieiden  verpflanzten  Drüsenteilchen  waren  nicht  eingeheilt,  sondern 
nekrotisch  und  an  einzelnen  Stellen  sogar  von  etwas  Eiterung  umgeben,  ohne 
dass  dieselbe  im  Peritoneum  progredienten  Charakter  angenommen  hätte.  Infolge 
eines  Fehlers  in  der  Asepsis,  vielleicht  begünstigt  durcli  die  starke  Colloid-Degene- 
ration  der  Stücke,  war  die  Einheilung  unterblieben.  AVährend  nun  die  Unter- 
suchung des  exstirpierten , nahezu  die  ganze  Struma  umfassenden  Stückes  fast 
ausschliesslich  Carcinom  ergab  und  nur  hie  und  da  kleine  Reste  von  Schild- 
drüsengewebe übrig  geblieben  waren,  konnte  in  dem  im  Jugulum  zurückgeblie- 
benen, wallnussgrossen  Stücke  keinerlei  Schilddrüsengewebe  mehr  nachgewiesen 
werden. 

Diese  Patientin,  deren  Schilddrüsengewebe  schon  seit  längerem 
durch  Carcinom  fast  ganz  ersetzt  war,  war  daher  nach  der  Ope- 
ration ebenso  schlecht  daran,  wie  wenn  eine  Totalexstirpation  an 
ihr  vorgenommen  worden  wäre.  So  scheint  mir  gerade  dieser  Fall 
den  Uebergang  zu  bilden  von  den  Fällen  von  Tetanie,  die  sich 
nach  der  Totalexstirpation  entwickelten,  zu  jenen,  welche  im  An- 
schlüsse an  partielle  Exstirpationen  eintraten. 

ad  1)): 

I.  Fall. 

Schiffer  AV  . . . .,  44  Jahre  alt,  Spenglermeister  aus  Stanislau  in  Galizien, 
hatte  wegen  einer  10  Jahre  zuvor  aufgetretenen,  wesentlichen  A’erdickung  des 
Halses  vor  drei  Jahren  eine  Jodwasserkur  gebraucht,  worauf  eine  bedeutende 
A’erkleinerung  erfolgte.  Da  jedoch  trotzdem  noch  bei  der  Arbeit  sich  Atem- 
beschwerden einstellten,  wünschte  er  die  Entfernung  des  Kropfes.  Derselbe  war 
entsprechend  dem  rechten  Schilddrüsenlappen  über  mannsfaust  gross,  während  die 
linke  Hälfte  auf  die  Grösse  eines  Gänseeies  angewachsen  erschien.  Zwischen 
beiden  Anschwellungen  war  eine  deutliche  Einschnürung  fühlbar.  Stimme  heiser, 
keine  Stimmbandlähmung,  A'erengerung  der  Trachea  von  beiden  Seiten  her  auf 
V2  des  Lumens.  Keine  Spur  von  Tetanie.  Dem  Kranken  wurde  zunächst,  da 
die  Anamnese  über  die  gute  AVirkung  iles  Jodes  berichtet  hatte,  innerlich  1,5  gr 
Jodnatrium  pro  die  verabreicht  und  Cataplasmen  von  30®/o  Jodnatrium  auf  den 
Hals  applizi(>rt.  Die  Geschwulst  verkleinerte  sich  bei  sechswöchentlichem  Ge- 


378 


Anton  Freiherr  von  JCiselöberg. 


))rauche  dieser  JMedikation  aljeriuals  Ijeträchtlieh,  sodass  der  IJalsninfang  ent- 
sprechend dein  oberen  Rande  der  Geschwulst,  der  liöchsten  Kuppe  derselben  und 
iiu  Juguluin  von:  44,  45,  47  ein  auf:  40,  43,  44  cm  zurückging. 

Nachdem  jedoch  der  Kranke  trotzdem  lieim  Stiegensteigen  noch  Atem- 
beschwerden verspürte,  wünschte  er  die  operative  Entfernung  der  Struma  und 
wurde  die  Operation  am  1.  Nov.  1890  ausgeführt.  Die  Geschwulst  wurde  mittels 


eines  entsprechend  dem  Sternocleidomastoideus  über  die  liöchste  Kuppe  geführten 
Längsschnittes  lilossgelegt,  das  Strumagewebe  sellist  incidiert  und  eine  Enucleation 
geplant;  dieselbe  war  jedoch,  da  es  sich  vorwiegend  um  eine  diffuse  Ver- 
grösserung der  Schilddrüse  handelte,  nnmöglich,  so  dass  die  rechte  Seite  mit  Aus- 
nahme eines  etwa  wallnussgrossen  Stückes  entsprechend  dem  Isth- 
mus, von  welchem  die  Alltrennung  mittels  Paiiuelin  erfolgte,  vollkommen  ent- 
ferntw  urde.  Da  die  laryngoskopische  Fntersuchung  eine  gleichmässige  Kompression 
von  lieiden  Seiten  her  ergeben  hatte,  wurde  nun  durch  einen  längs  des  Sterno- 
cleidomastoideus der  andern  Seite  verlaufenden  Schnitt  die  andere  Kropfhälfte 
freigelegt  und  ebenfalls  bis  auf  ein  kaum  wallnussgrosses  Stück  am  oberen 
Dole  (am  Eintritte  der  Art.  thyr.  sup.  gelegen)  entfernt.  Die  Versorgung  der 
Wunde  erfolgte  in  der  an  der  Klinik  typischen  Weise,  indem  ins  Jngulum  und 
nach  oben  zu  je  ein  weiches  Drain  und  daneben  noch  ein  schmaler  Jodoform- 
gazestreifen gelegt  wurde.  (Der  Streifen  wird  gewöhnlich  am  fünften,  das  Drain 
am  achten  Tage  entfernt.) 

Schon  gleich  bei  der  Operation  wurde  die  Befürchtung  laut,  dass  diese 
beiden  Stückchen,  besonders  mit  Rücksicht  auf  den  Umstand,  dass  sie  so  sehr 
aus  der  Verbindung  mit  der  Nachbarschaft  gelockert  waren,  vielleicht  nicht  aus- 
i’eichen,  und  durch  Necrose  derselben  Folgeerscheinungen  auftreten  würden.  Der 
Verlauf  in  Bezug  auf  die  Wunde  Avar  ein  vollkommen  glatter. 

Am  folgenden  Tage  jedoch  schon  klagte  der  Kranke  über  ziehende  Schmerzen 
in  den  Beinen  und  zAvei  Tage  später  stellte  sich  ein  Krampfanfall  in  den  Händen 
mit  deutlicher  Geburtshelferstellung  derselben  ein;  dabei  war  Facialis  — und 
Trousseau’sches  Phänomen  auf  das  deutlichste  ausgeprägt.  Diese  Erscheinungen 
dauerten,  ohne  das  Allgemeinbefinden  des  Kranken  besonders  zu  beeinträchtigen, 
noch  durch  drei  Tage  hindurch  an,  Avurden  hierauf  schAvächer,  um  dann  sieben 
Tage  nach  ihrem  Einsetzen  ganz  zu  A'erschAvinden. 

Drei  Wochen  op.  Avurde  der  Kranke  A'ollkommen  geheilt  ohne  eine  Spur 
von  Tetanie  entlassen;  über  sein  Aveiteres  Befinden  konnte  keine  Auskunft  er- 
halten Averden. 


II.  Fall. 

Ignaz  ]M.,  18  Jahre  alt,  aus  Wartberg  in  Ob. -Oesterreich,  bemerkte  seit 
l'/i  Jahren  ein  DickerAverden  des  Halses,  soAvie  AtembeschAverden  beim  Laufen 
und  Stiegensteigen.  Die  diffuse  Verdickung  ist  bedingt  durch  eine  gleichmässige 
’N'ergrösserung  der  Schilddrüse,  hauptsächlich  der  unteren  Hälften  und  des 
Isthmus.  Die  Struma  ist  Aveich  und  zeigt  an  A'ielen  Stellen  starke  Pulsa- 
tion. In  der  sonst  normalen  Haut  sind  deutlich  geschlängelte  Venen  sicht- 
bar. Stimme  nur  etAvas  umflort.  Die  laryngoskopische  Untersuchung  ergiebt  eine 
starke  Beschränkung  der  BoAveglichkeit  des  linken  Stimmbandes  und  freie  Be- 
Aveglichkeit  des  anderen.  Der  Einblick  in  die  Trachea  Avar  Avegen  der  grossen 
Unruhe  des  Patienten  nicht  möglich,  eine  Verengerung  des  Lumens  jedoch  mit 
Sicherheit  zu  A'ormuten.  Der  Patient,  der  anfangs  A'on  einem  operativen  Eingriff 
nichts  Avissen  Avollte,  erhielt  zAveimal  Avöchentlich  Jodtinktur-Injektionen  in  den 
Kropf  (im  ganzen  fi),  Avünschte  jedoch  hierauf  selbst,  da  er  keine  Besserung  sah 


Weitere  Beiträge  zur  Lehre  von  den  Folgezuständen  der  Kropfoperationen. 


379 


und  unserer  ^"orstellung,  die  \"erkleinerung  würde  im  Laufe  von  iMonaten  ein- 
treten,  nicht  genügend  Zutrauen  zu  schenken  vermochte,  die  Entfernung  durch 
eiue  Operation. 

I)ie  am  3.  iNIai  1892  ausgefülirte  Exstirpation  war  recht  schwer  wegen  der 
starken  Ausdehnung  des  Ki'opfes  hinter  das  Jugulum  und  des  grossen  Gefäss- 
reichtums.  Eine  Enucleation  war  schon  mit  Rücksicht  auf  ilie  vorher  genannten 
Jodinjektionen  nicht  durchführbar,  weshall)  die  ganze  Struma  J)is  auf  ein 
hühnereigrosses  Stück  am  rechten  olderen  Pole  (die  Abtrennung  erfolgte  niit  dem 
Thermocauter)  exstirpiert  wurde.  Auch  hier  hätte  man  es  nicht  bei  (der  halb- 
seitigen Strumectomie  bewenden  lassen  können,  da  die  Trachea  von  beiden  Seiten 
her  gleichmässig  stark  abgeplattet  war.  Die  Atmung  war  während  der  ganzen 
Operation  eine  schlechte  und  hatte  der  Kraidce  durch  sein  stark  cyanotisches 
Aussehen  wiederholt  zu  Besorgnis  Veranlassung  gegeben. 

Die  Wunde  heilte  ohne  Reaktion  per  primam. 

Während  der  ersten  Tage  nach  der  Operation  war  an  dem  Kranken  eine 
beträchtliche  Unruhe  zu  bemerken,  am  vierten  Tage  klagte  er  über  ein  Gefühl 
von  Starre  in  den  Händen,  und  konnte  leicht  das  Facialis-Phänomen  ausgelöst 
werden.  Am  selben  Nachmittage  noch  stellten  sich  unter  lebhaften  Schmerzen 
und  Starregefühl  in  Händen  und  Füssen  Krämpfe  ein,  so  dass  der  Kranke  laut 
stöhnend  im  Bette  sich  wälzte.  Das  Gesicht  war  wiederholt  krampfhaft  verzogen, 
die  Hände  in  typischer  Geburtshelferstellung.  Trousseau’sches  Phänomen  nicht 
auslösl)ar,  doch  wurde  dasseHje  mit  Rücksicht  auf  den  Umstand,  dass  die  Kom- 
pression des  Gefässnervenbündels  Schmerzen  l)ereitete,  nicht  öfters  auszulösen 
versucht.  Erst  gegen  Abend  besserte  sich  dieser  Zustand  und  liessen  die 
Anfälle,  Avelche  mit  kurzen  Unterbrechungen  3 Stunden  gedauert  hatten,  etwas 
nach,  vielleicht  infolge  einer  grösseren  Quantität  Jändenblütenthee  *),  welche  der 
Kranke  trank,  so  dass  er,  da  ihm  Bewegung  Erleichterung  zu  verschaffen  schien, 
auf  den  Arm  der  Wärterin  gestützt,  etwas  umhergehen  konnte. 

Um  9 Uhr  Abends  waren  jedoch  die  schmerzhaften  Krämpfe  ebenso  stark, 
vielleicht  noch  im  gesteigerten  IMasse,  wieder  vorhanden,  Hände  und  Füsse  be- 
fanden sich  in  ty])ischer  Tetanie-Stellung;  eine  Injektioir  von  0,01  Gr.  IMorfin 
konnte  nur  vorübergehend  die  Krämpfe  mildern ; nach  ^Mitternacht  steigerten  sie 
sich  abermals  und  es  war  sogar  ein  deutlich  ausgesprochener  Opisthotonus  und 
Trismus  vorhanden,  gegen  welchen  sich  eine  zweite  Injektion  erfolglos  erwies, 
erst  ein  Clysma  von  2 Gr.  Chloralhydrat  konnte  den  Kranken  etwas  beruhigen. 
Gegen  IMorgen  waren  neuerdings  die  Erscheinungen  so  schwer  Avie  früher  aus- 
geprägt und  sogar  das  Sensorium  etwas  l)enommen;  die  Airgenlider  leicht  öde- 
matös  gescliAvellt.  Jeder  Versuch  des  Aufsetzens  im  Bette  löste  in  den  Füssen 
sehr  schmerzhafte,  tonische  Krämpfe  aus. 

Diese  fast  fortwährend  andauernden  tonischen  Krämjife,  die  nur  durch 
Morfin  und  Chloralhydrat  für  Stunden  gemildert  Averden  konnten , hielten  in 
nahezu  unveränderter  Weise  vier  Tage  hindurch  an,  bis  endlich  am  fünften  Tage 
(also  9 Tage  post  Operationen!)  eine  Avesentliche  Besserung  eintrat. 

Leichte  Krämpfe,  sOAvie  das  Facialisphänomen  blieben  noch  durch  mehrere 
Tage  hindurch  bestehen,  um  am  Ende  der  zweiten  AVoehe  erst  ganz  zu  ver- 


’)  Seitdem  Aviederholt  beobachtet  Avurde,  dass  die  Tetanie  A'orüber- 
gehend  sich  besserte,  Avenn  profuse  Schweisse  spontan  oder  mit  Hilfe  von  Medi- 
kamenten eintraten,  wurde  stets  reichlich  für  Diaphorese  in  allen  .solchen  Fällen 
gesorgt.  (Siehe  speziell  Fall  XII  meiner  oben  citierten  Arbeit.) 


380 


Anton  Freilierr  von  Eiseisberg. 


schwinden.  Der  Kranke  Avurde  absichtlich  noch  längere  Zeit  in  Behandlung 
behalten  und  erst  7 Wochen  nach  der  Operation  entlassen.  Beim  Austritte  aus 
dem  Spitale  war  keine  Spur  von  Tetanie  nachzuAveisen,  das  Allgemeinbefinden 
ein  vorzügliches  und  das  Stückchen  zurückgelassener  Schilddrüse  deutlich  am 
oberen  Ende  der  Halsnarbe  zu  lAalpieren. 

III.  Fall. 

Josef  K.,  24  Jabre  alt,  Schuster  aus  Steinach  in  Bayern,  seit  einigen  Jahren  in 
iMödling  bei  Wien  sesshaft,  bemerkte  seit  seinem  21.  Lebensjahre  eine  Zunahme 
seines  Ilalsumfanges,  soAvie  in  den  letzteren  ^Monaten  AtembescliAverden  beim 
Stiegensteigen  und  sclnverer  Arbeit,  zudem  schnarchte  und  pfiff  er  bei  Nacht 
so  laut,  dass  niemand  Anderer  neben  ihm  im  Zimmer  schlafen  konnte. 

Die  L’'^ntersuchung  ergiebt  einen  mächtigen,  beide  Seiten  des  Halses  ein- 
nehmenden Kropf.  Derselbe  sehr  Aveich,  keine  circumskripten  härteren  Partien  in 
seinem  Innern  zu  fühlen.  Stimme  klar,  keine  Stimmbandlähmung;  Verengerung 
der  Trachea  von  beiden  Seiten  Iier  auf  */2  ihres  Lumens.  Am  30.  Juni  1890 
Avurde  die  Operation  gemacht.  Zuerst  Avurde  die  rechte  Kropfhälfte  blossgelegt 
und  nach  LTnterbindung  der  beiden  Arterien  total  exstirpiert,  gegen  den  Isthmus 
zu  mittels  Thermocauter  abgetrennt.  Derselbe  Eingriff  Avurde  nunmehr  durch 
einen  zweiten,  entlang  dem  andern  Sternocleidomastoideus  A’erlaufenden  Schnitt 
auf  der  linken  Seite  ausgeführt,  dabei  jedoch  A’ergeblich  nach  einer  Art.  thyr. 
inf.  gesucht.  (Das  exstirpierte  Präparat  rechtfertigte  dieses  erfolglose  Suchen, 
indem  sich  zeigte,  dass  dieselbe  fehlte  und  die  Versorgung  der  linken  unteren 
Kropfhälfte  mit  Blut  von  einem  starken  Aste  der  Art.  thyroid.  sup.  aus  erfolgte.) 
Gegen  den  Isthmus  zu  Avurde  in  der  gleichen  Weise  abgetrennt,  so  dass  der 
Kranke  Amn  seiner  ganzen  Schilddrüse  nur  mehr  ein  etAva  kaum 
taubeneigrosses  Stück,  entsprechend  dem  Isthmus  besass,  Avelches 
geAviss  sehr  stark  bei  den  verschiedenen  Alanipulationen  der  recht 
mühsamen  Operation  aus  der  Umgebung  gelockert,  vielleicht  auch 
gedrückt  Avar  und  zudem  noch  rechts  und  links  je  einen  Brandschorf 
trug.  Der  WundA^erlauf  Avar  reaktions-  und  fieberlos. 

Erst  am  dritten  Tage  klagte  der  Kranke  über  Kriebeln  und  Ziehen  in  der 
Hand  und  in  den  unteren  Extremitäten  und  stellte  dabei  die  Hand  in  die  für 
Tetanie  typische  Stellung,  die  jedoch  diesmal,  soAvie  im  Aveiteren  Verlaufe  inso- 
ferne  etAvas  a’Oui  Typus  abwdch,  als  der  Daumen  stark  in  die  Hohlhand  einge- 
schlagen und  nicht,  wie  bei  der  Geburtshelferhandstellung,  einfach  in  gestreckter 
Stellung  adduciert  Avar. 

Gleichzeitig  stellte  sich  starke  Unruhe  ein,  so  dass  eine  ^lorfin-Einspritzung 
gegeben  Avurde,  die  dem  Kranken  eine  gute  Nacht  A^erschaffte.  Im  Laufe  des 
nächsten  Tages  Avar  das  Facialis-  und  Trousseau’sche  Phänomen  deutlich  ausge- 
prägt, es  stellten  sich  spontan  zu  Aviederholtenmalen  die  schmerzhaften  Krämpfe, 
vorAviegend  in  der  Hand  ein.  Dieser  Zustand  hielt  bis  zum  achten  Tage  post 
operat.  an,  als  eine  entschiedene,  jedoch  nur  kurz  andauernde  Besserung  erfolgte, 
indem  am  10.  Tage  neuerdings  alle  Erscheinungen  der  Tetanie  in  gesteigertem 
Grade  Amrhanden  waren  und  sich  erst  nach  Ausbruch  eines  starken  ScliAA-eisses 
etAvas  besserten ; abermals  hielt  die  Erleichterung  nur  Avenige  Tage  an.  Am 
17.  Tage  war  post  operat.  die  Tetanie  in  ihrem  ganzen  scliAveren  Symptomkom- 
plexe ausgebildet.  Erst  jetzt  erfolgte  eine  andauernde  Besserung,  so  dass  der 
Kranke  auf  eigenen  Wunsch  28  Tage  post  operat.  entlassen  Avurde.  Zur  Zeit 
der  Entlassung  bestand  noch  immer  das  CliAmstek’sche  und  Trousseau’sche  Phä- 
nomen fort,  ja  es  traten  sogar  noch  leichte  Anfälle  ein. 


Weitere  Beitrüge  zur  Lehre  vuu  den  Folgezuständen  der  Kropfoperationen.  381 

Auch  iin  Laufe  des  nun  folgenden  Jahres  stellten  sich  diese  leichten 
Anfälle  noch  2 — 3 mal  wöchentlich,  besonders  bei  feuchter  und  kalter  Witterung, 
sowie  nach  irgendwie  erheblichen  Anstrengungen  ein.  Der  Kranke,  der 
früher  eine  ausgespro  diene  Vorliebe  für  Fleischspeisen  hatte,  nährte 
sich  die  ganze  Zeit  über  ausschliesslich  von  Vegetabilien  und  Milch. 
Im  ersten  Winter  nach  der  Operation  verlor  der  Kranke  ohne  Ver- 
anlassung alle  Haare,  dieselben  wuchsen  wieder  gut  nach,  die 
Nägel  haben  sich  seit  der  Operation  spontan  nunmehr  schon  zum 
drittenmale  vollkommen  abgestossen  und  sind  stets  wieder  nach- 
gewachsen. Gedächtnis  und  Gemütszustand  lilieben  nach  der  (Operation  un- 
verändert, nur  glaubt  die  iSchwester  des  Patienten  zu  bemerken,  dass  derselbe 
in  letzterer  Zeit  heiterer  wurde. 

Diese  Besserung  des  Gemütszustandes  mag  wohl  mit  der  entschiedenen 
Besserung  des  xLllgemeinbetindens  Zusammenhängen,  welche  ein  Jahr  nach  der 
Operation  auftrat  und  der  Kranke  auf  eine  Kaltwasserkur,  der  er  sich  durch 
einige  Wochen  unterzog,  zurückführt.  Wahrscheinlicher  ist  mir  jedoch, 
das  diese  entschiedene  Besserung  auf  die  Vergrösserung  des  vom 
Isthmus  zurückgebliebenen  Kropfrestes  zurückzuführen  ist.  Dieser 
Rest  war  stets  deutlich  fühlbar  und  nahm  gerade  vor  einem  Jahre 
merklich  zu;  da  der  Kranke  mindestens  alle  acht  Wochen  seit  der  Operation 
in  der  Klinik  sich  vorstellte,  war  ich  in  der  Lage,  das  Verhalten  dieses  Kropf- 
stückchens genau  zu  überwachen. 

Im  Juni  1891  wurde  an  dem  Kranken  an  der  Augenklinik  eine  Staar- 
operation  vorgenommen  und  behauptet  er,  seit  dieser  Zeit  abgemagert  zu  sein. 
Erwähnenswert  scheint  noch,  dass  nach  Angabe  des  Patienten,  der  niemals  einen 
geschlechtlichen  ^'erkehr  gepflogen  haben  will,  seit  der  Kropfoperation  die  Pol- 
lutionen auffallend  selten  Avurden ; die  Hoden  sind  sehr  klein  (allerdings  Avurden 
dieselben  vor  der  Operation  nicht  untei’sucht). 

Jetzt  (mehr  als  2 Jahre  nach  der  Opei’ation)  ist  der  Patient  geistig  a'oII- 
kommen  frisch,  zeigt  noch  ChA'Ostek’-  und  Trousseau’sches  Phänomen,  leidet  bloss 
selten  an  leichten  jMahnungen  an  die  damaligen  Krämpfe  und  hat  noch  ent- 
schiedene Vorliebe  für  Mehlspeisen,  Er  hat  seinen  Beruf  geAvechselt,  ist  Gärtner 
geworden  und  arbeitet  als  solcher  ganz  gut,  soAveit  ihm  dies  der  am  andern 
Auge  sich  entAA'ickelnde  Staar  gestattet. 

IV.  Fall. 

Antonie  W. , 10  Jahre  alt ; Geburtsort  und  ständiger  Aufenthaltsort : 
Kritzendorf  an  der  Donau.  Pat.  litt  seit  ilu-em  fünften  Lebensjahre  an  einem 
Kropfe,  der  mit  dem  Eintritte  der  Menses  rasch  zunahm  und  die  Atmung  l)e- 
sonders  beim  Arbeiten  beeinträchtigte. 

Die  Schilddrüse  ist  l)edeutend  A'ergrössert,  rechte  Hälfte  etAva  apfelgross, 
linke  diffus  gescliAvellt,  jedoch  nicht  so  stark  wie  rechts,  erst  beim  Schluckakte 
tritt  aus  dem  Jugulum  eine  mächtige  Kropfmasse  lierA’or,  so  dass  die  Struma 
hauptsächlich  retrosternal  liegt.  Stimme  klar,  Stimmbänder  gut  beweglich,  starke 
VorAAölbung  der  Trachea  und  Reducierung  ihres  Lumens  auf  *, » in  der  Höhe  des 
Jugulum  von  der  linken  Seite  her,  also  derjenigen,  Avelche  bei  der  äusseren 
Untersuchung  als  die  weniger  vergrösserto  imponierte  '). 

b Aehnliche  Beobachtungen  Avurden  oft  gemacht  und  zeigen,  Avie  ungemein 
AA’ichtig  es  ist,  in  allen  Fällen  A’on  Kropfoperationen  zuA’or  durch  die  larA'ugoskopische 
Untersuchung  festzustellen,  von  Avelcher  Seite  die  stärkere  VorAvölljung  sichtbar 
ist,  indem  ja  in  der  Regel  die  Exstirpation  dieser  einen  Hälfte  genügt. 


382 


Anton  Freiherr  von  Eiseisberg. 


Am  24.  Oktober  1889  vnrde  die  ganze  sehr  gef ässreiche,  haupt- 
sächlich retrosternal  liegende  Struma  bis  auf  ein  kaum  wallnuss- 
grosses Stück  entsprechend  dem  rechten  oberen  Pole,  welches  ab- 
sichtlich zurückgelassen  wurde,  exstirpiert. 

Die  Wundheilung  erfolgte  ohne  Reaktion. 

Schon  nach  zwei  Tagen  traten  leichte  Krämpfe  in  beiden  unteren  Extre- 
mitäten auf  und  konnte  deutlich  das  Chvostek’sche  Phänomen  nachgewiesen 
werden.  Dieser  Zustand  verschlimmerte  sich  etwas  in  den  folgenden  Tagen, 
weshalb  Mortin  und  Chloralhydrat  gegeben  wurden  und  eine  6 tägige  Ruhei)ause 
folgte.  Hierauf  stellte  sich  die  Tetanie  von  neuem  ein  und  steigerte  sich  im 
Laufe  der  nächsten  zwei  Monate  bis  zur  höchsten  Intensität:  Facialis-,  Trousseau’sches 
Phänomen  war  auf  das  deutlichste  vorhanden,  zu  den  schmerzhaften  tonischen 
Krämpfen  in  Händen  und  Füssen  gesellten  sich  noch  höchst  beunruhigende 
Zwerchfellkrämpfe.  Wiederholt  stieg  dabei  die  Temperatur  ohne  bekannte  Ur- 
sache auf  40,1°  (zu  einer  Zeit,  wo  die  "Wunde  bereits  solid  vernarbt  war). 

Am  meisten  subjektive  Erleichterung  gewährte  nebst  dem  Karcoticum  die 
Erregung  der  Hautthätigkeit.  Anfangs  waren  zu  diesem  Zwecke  Pilocarpin- 
Injektionen  gemacht  worden,  selbe  wurden  bald  aus  Vorsicht  durch  den  täglichen 
Gebrauch  des  Schwitzkastens  ersetzt.  Auch  schien  eine  Schmierkur  mit  grauer 
Salbe  von  günstigem  Einfluss  gewesen  zii  sein. 

Erst  zu  Beginn  des  dritten  Monates  trat  eine  Besserung  in  Bezug  auf  die 
Häufigkeit  und  Intensität  der  tetanischen  Anfälle  ein , so  dass  die  Patientin  am 
Ende  des  dritten  Monates,  nachdem  sie  eine  Woche  hindurch  anfallsfrei  geblieben 
war,  in  ihre  Heimat  entlassen  wurde.  Daselbst  Avar  sie  angeblich  drei  Monate 
hindurch  gesund,  dann  stellten  sich  wohl  öfters  Avieder  bei  kalter  AVitterung  und 
zur  Zeit  der  Menses  die  Anfälle  ein , jedoch  angeblich  niemals  in  derselben 
Intensität  Avie  seinerzeit,  als  die  Kranke  noch  in  Spitalsbehandlung  sich  befand. 
Circa  ein  Jahr  ])ost  operat.  änderte  sich  nur  der  Charakter  der  Anfälle  inso- 
feime,  als  sie  seltener  eintraten,  jedoch  mit  BeAA'usstlosigkeit  A'erbunden 
waren,  ein  Symptom , Avelches  früher  niemals  Arnrhanden  Avar.  Als  die  Kranke 
behufs  genauerer  Beobachtung  dieses  Leidens  zu  Beginn  des  Jahres  1892 
für  10  Tage  an  der  Klinik  Aufnahme  fand,  AA'urde  konstatiert,  dass  den  Anfällen 
eigentümliche  athetotische  BeAvegungen  der  Finger  vorausgingen,  die  Finger  sich 
hierauf  in  der  tetanischen  Stellung  flxierten , und  unter  starker  lordotischer 
Krümmung  der  AATrbelsäule  und  BeAA'usstlosigkeit  der  Anfall  auftrat.  Chvostek’sclies 
und  Trousseau’sches  Phänomen  waren  nahezu  A'erschwunden,  auch  machte  es  den 
Eindruck,  als  ob  die  Kranke  den  Anfall  Avillkürlich  herA’orrufen  könnte , so  dass 
das  Krankheitsbild  entschieden  als  kombiniert  mit  hysterischen  Anfällen  gedeutet 
Averden  musste. 

Derlei  Anfälle  traten  im  Aveiteren  A" erlaufe  noch  öfters  auf  und  sind  erst 
seit  4 Monaten  bis  auf  ganz  leichtes,  selten  einsetzendes  Gefühl  von  Starre  in 
den  Händen  gescliAvunden. 

AAdihrend  ihres  Aufenthaltes  im  Spitale  hatte  die  Kranke  sehr  Avenig  ge- 
gessen, zu  Hause  soll  sie  Avährend  der  folgenden  zwei  Jahre  gar  kein 
Fleisch  genossen,  sondern  bloss  Mehlspeisen  gegessen  und  mit  AMrliebe  Bier 
getrunken  haben.  Erst  in  letztem  INIonate  isst  sie  Aviederum  Fleisch , giebt 
jedoch  noch  immer  den  Mehlspeisen  den  A^orzug. 

Schon  ein  Jahr  nach  der  Operation  war  der  Hals  etAvas  A'oller  geworden, 
ohne  dass  jedoch  etAvas  A'on  der  Schilddrüse  fühlbar  geAvesen  Aväre,  in  den 
letzten  Monaten  bemerkt  die  Kranke  ein  entscbiedene s Dicker- 


'Weitere  Beiträge  zur  Lehre  von  den  Folgezuständen  der  Kropfoperationen.  38b 


werden  des  Halses  und  giebt  sie  an,  dass  auch  seit  dieser  Zeit  die 
Krampfanfälle  ganz  entschieden  sich  bessern,  so  dass  im  Laufe  der 
letzten  2 Monate  überhaiipt  keine  Krämpfe  mehr  da  waren.  Bei  der  Untersuchung 
findet  sich  entsprechend  dem  oberen  rechten  Schilddrüsenpole  ein  taubeneigrosser 
Knoten,  auf  •welchem  ein  zweiter  haselnussgrosser  sitzt  und  unzweifelhaft  der 
Schilddrüse  angehört.  Der  kleinere  Knoten  war,  als  Bat.  zu  Beginn  dieses 
Jahres  zum  zweitenmale  an  der  Klinik  aufgenommen  war,  noch  gar  nicht,  der 
erste  als  eben  merkliche  Schwellung  fühlbar.  Auch  hier  konnte  das  Wieder- 
wachsen  des  Kropfes  deutlich  verfolgt  w'erden,  da  die  Kranke  mindestens  jeden 
Monat  einmal  in  die  Klinik  kam.  Das  Allgemeinbefinden  der  Kranken,  die  jetzt 
in  bester  Gemütsstimmung  sicli  befindet,  ist  ein  vortreffliches,  Intellekt  ganz  un- 
getrübt. Facialisphänomen  noch  vorhanden. 


Gruppe  III. 

Partielle  Exstirpationen,  woliei  mindestens  Kropf- 

volnniens  znrückgelassen  wurde. 

47  Operationen  mit  42  Heilungen.  Nur  einmal  folgten  der 
» Operation  tetanische  Erscheinungen  und  zwar  in  mildester  Form. 
Der  Fall  ist  folgender: 

Therese  S.,  34  Jahre  alt,  aus  Pisecna  in  Böhmen,  einem  kleinen  Orte,  in 
welchem  noch  vier  andere  Personen  grosse  Kröpfe  haben  sollen,  merkt  seit  ihrem  15. 
i,  Lebensjahre  eine  Verdickung  des  Halses,  die  in  letzterer  Zeit  zu  Atembeschwerden 
I bei  der  Arbeit  Veranlassung  gab.  Bei  der  üntersuchung  findet  sich  die  rechte 
I Schilddrüse  von  einem  gänseeigrossen,  beweglichen  Tumor  eingenommen,  Stimme 
l klar,  Stimmbänder  frei  beweglich,  Vorwölbung  der  rechten  Trachealwand  in  der 
I Höhe  des  3.  und  4.  Ringes , wodurch  das  Lumen  auf  Vs  reduciert  erscheint. 
Am  11.  März  90  wurde  die  typische  Exstirpation  der  rechten  Seite  ohne  Schwierig- 

I keit  ausgeführt. 

Der  Wundverlauf  war  vollkommen  glatt. 

Am  3.  Tage  stellten  sich  spontane  Zuckungen  im  Gesichte  ein  und  war 
• das  Facialisphänomen  leicht  auszulösen.  Die  Kranke  bekam  prophylaktisch  etwas 

II  IMorphin.  Koch  durch  weitere  9 Tage  bestand  dieses  eine  Symptom  der  Tetanie 
I fort;  das  Ti'ousseau’sche  Phänomen  konnte  jedoch  niemals  nachgewiesen  werden. 
. Nach  Ablauf  dieser  Zeit  war  auch  das  Facialisphänomen  verschwunden. 

Die  Kranke  nahm  20  Tage  nach  der  Operation  wieder  ihre  schwere  Arbeit 
1 auf  und  fühlte  sich  vollkommen  wohl.  .Jetzt  ist  bei  ihr  die  linke  Schilddrüse 

ii  in  normaler  Grösse  (so  ’vvie  damals)  zu  tasten  und  am  Rande  des  Isthmus  zwei 

I haselnussgrosse,  ziemlich  bewegliche  Knoten  zu  fühlen 

i 

*)  Hier  verdient  die  Beobachtung  von  J.  AVolff  Erwähnung,  welche  vor 
!j  kurzer  Zeit  durch  Köhler  (Berl.  klin.  Woch.  1892,  Nr.  24)  bestätigt  wurde:  dass 

1 nach  Exstirpation  eines  Teiles  der  Struma  auch  die  noch  zurückgelassenen 

Kropfteile  spontan  sich  rücklfilden.  Anlässlich  der  Vorarbeiten  zu  dieser  Publi- 
kation hatte  ich  vor  kurzem  Gelegenheit  einen  grossen  Teil  [der  Pat.  dieser 
‘ Gruppe  zu  sehen,  konnte  jedoch  den  Wolff 'sehen  Befund  im  allgemeinen  an  den- 
( selben  nicht  bestätigt  finden,  -wenn  auch  bei  einigen  eine  Abnahme  des  Kropf- 
restes aufzufinden  war.  Es  mag  dies  wohl  unter  anderem  mit  dem  weiteren 
' Aufenthaltsorte  der  Patientin  (Kropfgegend)  Zusammenhängen. 


384 


Anton  Freiherr  von  Eiseisberg. 


Gruppe  IV. 

Eimcleatioiieii  von  Kropfkiioteii. 

40  Fälle  mit  38  Heilungen.  Diese  Fälle  betreffen  entweder 
Kropfcysten,  welche  sich  ja  bekanntlich  besonders  zur  Enucleation 
eignen,  oder  harte  Knoten  im  Struma-Gewebe. 

Es  ist  hier  nicht  der  Platz,  um  eingehender  über  den  Wert 
dieser  Operationsmethode  zu  sprechen;  nur  so  viel  mag  erwähnt 
werden,  dass,  so  vorzüglich  die  Enucleation  bei  Kropfcysten  und 
ganz  oberflächlichen  Knoten  sich  bewährt,  dieselbe  bei  festen  und 
einigermassen  tiefer  sitzenden  Kropfknoten  wiederholt  so  schwere 
Nachblutungen,  die  meist  ^2 — 1 Stunde  nach  Anlegen  des  Verbandes 
auftraten,  veranlasste,  dass  dadurch  die  Patienten  schwer  gefährdet 
waren  und  nur  durch  schleuniges  Vorziehen  der  Innenwand  des 
Sackes  mit  Pinces,  Umstechungen  und  Vornähen  ein  schlimmer 
Ausgang  verhütet  wurde.  Deshalb  wird  in  solchen  Fällen  an  der 
Klinik  die  Enucleation  meist  mit  jDartieller  Exstirpation  oder  Re- 
section  des  Kropfes  combiniert,  resp.  durch  dieselbe  ersetzt,  wobei 
die  Blutung  aus  der  Schnittfläche,  entweder  durch  den  Thermo- 
cauter,  oder  durch  vorherige  Abbindung,  gestillt  wird.  Aus  dieser 
Gruppe  ist  wiederum  nur  ein  Fall  in  unserer  Richtung  von  In- 
teresse : 

Franz  G.,  20  Jahre  alt,  aus  Wessieden  in  Schlesien,  seit  mehreren  Jahren 
in  Wien  bedienstet,  bemerkte  seit  zwei  Jahren  eine  rasch  sich  vergrössernde 
Schwellung  des  Flalses.  Vor  einem  Jahre  nahm  dieselbe  ganz  besonders 
schnell  zu,  und  giebt  der  Patient  an,  dass  zur  selben  Zeit  öfters 
Zuckungen  im  Gesichte,  sowie  spontane  Krämpfe  in  den  Händen  be- 
sonders bei  kalter  Witterung  sich  einstellten.  Er  zeigt  mit  den 
Händen  die  Fingerstellung  zur  Zeit  der  Krämpfe,  und  bringt  dabei 
dieselben  in  die  typische  Tetanie-Stellung.  Im  Laufe  des  letzten  Jahres 
traten  hei  der  Arbeit  Atembeschwerden  auf. 

Bei  der  Untersuchung  findet  sich  in  der  Medianlinie  des  Halses  ein  nahezu 
kindskopfgrosser,  prall  gespannter,  fast  fluctuierender  Tumor,  der  deutlich  als 
der  Schilddrüse  angehörig  angesprochen  werden  muss.  Stimme  klar,  geringe 
Abflachung  der  Trachea  unterhalb  des  ersten  Ringes  von  vorne  her.  Kein 
Facialisphänomen.  Am  23.  April  1891  wurde  der  Tumor  ohne  wesentliche 
Blutung  ausgeschält.  Er  erwies  sich  als  Colloidkropf,  der  einige  grössere  Cysten 
im  Innern  zeigte.  Der  Tumor  war  vom  Isthmus  ausgegangen,  sodass  beide  ziem- 
lich kleine  Schilddrüsenlappen  intakt  zurückl)liehen.  Der  Wund  verlauf  ging  ganz 
glatt  vor  sich. 

Am  Tage  nach  der  Operation  war  deutlich  das  Facialisphänomen  nach- 
weisbar. Am  folgenden  Tage  konnte  wiederholt  ein  spontan  auftretendes,  blitz- 
artiges Zucken  im  Facialisgebiete,  ganz  so,  wie  wenn  sein  Stamm  hekloi^ft  wor- 
den wäre,  beobachtet  werden,  und  fühlte  sich  der  Kranke  dabei  ziemlich  unwohl,, 
indem  er  besonders  über  ziehende  Schmerzen  im  Gesichte  klagte.  Er  bekam 
reichlich  Lindenhlütenthee  zu  trinken  und  transpirierte  sehr  stark.  Schon  am 


Weitere  Beiträge  zur  Lehre  von  den  Folgezuständen  der  Kropfoperationen. 


385 


folgenden  Tage  blieben  die  spontan  aufgetretenen  Krämpfe  aus.  Der  weitere 
Verlauf  war  sonst  ganz  normal,  subjektiv  fühlte  sich  der  Kranke  stets  vorzüglich 
gut,  nur  konnte  nach  A^e  vor  das  Facialisphänomen  auf  das  leichteste  ausgelöst 
werden.  Nach  14  Tagen  verliess  der  Kranke  das  Spital  und  nahm  seinen  Beruf 
als  Schneider  Aviederum  auf.  Als  er  sich  ül^er  schriftliche  Aufforderung  vor 
kurzer  Zeit,  also  V4  Jahre  post  operationem,  vorstellte,  zeigte  sich  die  Narbe 
etAvas  hypertrophisch,  Schilddrüse  rechts  und  links  deutlich  fühlbar,  auf  der 
rechten  Seite  am  oberen  Pole  ein  etwa  kleinapfelgrosser,  Aveicher  Kropfknoten, 
der  jedoch  keinerlei  BeschAA'erden  A'erursacht,  nachgeAvachsen.  Stimme  klar,  aus- 
gezeichnetes Allgemeinbeünden.  Nur  das  Facialisphänomen  i.st  noch  ungemein 
exquisit  A'orhanden  und  nach  kaum  eine  Minute  lang  andauernder  Kompression 
auf  den  Gefässnervenplexus  tritt  in  vollendeter  Weise  das  Trousseau’sche  Phä- 
nomen ein. 


Gruppe  V. 

Ligaturen  der  Arterie  und  anderweitige  Eingriffe  (Punktionen, 
Jodiiijektionen,  Incisionen  von  Strninitiden. 

Die  Ligaturen  der  4 Arterien  nach  Wölfler,  wurden  im  ganzen 
siebenmal  wiegen  diffuser  grosser  Strumen  ausgefülirt  mit  jedesmaliger 
Verkleinerung  des  Kropfes.  Dreimal  w^ar  das  Resultat  ein  dauernd 
vorzügliches  und  haben  sich  vor  w^enigen  Wochen  zwei  dieser 
Kranken  vorgestellt,  an  denen  man  von  Schilddrüsenge'W'ebe  kaum 
mehr  fühlte,  als  bei  einem  normalen  Individuum.  Der  Kropf 
war  vollkommen  geschwunden.  Im  dritten  Falle  (eine  Frau  von 
40  Jahren)  war  die  Struma  ebenfalls  vollkommen  zurückgegangen 
und  nach  dem  Berichte  des  Hausarztes  das  Resultat  ein  ausge- 
zeichnetes. 37^  Jahre  nach  der  Operation  starb  die  Kranke  an 
Influenza. 

Bei  zwei  Patienten  jedoch  hatte  sich  nach  Jahresfrist  das 
alte  Kropfleiden  im  selben  Umfange  wieder  eingestellt,  so  dass  die 
partielle  Exstirpation  ausgeführt  werden  musste. 

Ein  achter  Fall  von  Unterbindung  der  l^eiden  Art.  thyr.  inf. 
wegen  Sarconi  endete  letal  am  Tage  nach  der  Operation. 

Von  den  übrigen  unter  diese  Gruppe  zusammengefassten  Fällen 
ist  der  nachfolgende  von  ganz  besonderem  Interesse: 

Josefa  Sch.,  43  .Jahre  alt,  soll  schon  vor  vielen  Jahren  einen  dicken  Hals 
, gehabt  haben,  der  sich  aber  im  Jjanfe  der  letzten  sechs  IMonate  auffallend  schnell 

' vergrösserte.  Vor  drei  Wochen  erkrankte  die  Frau  an  Diphteritis  mit  schweren 
Allgemeinerscheinungen,  seit  A'ier  Tagen  stellte  sich  in  der  Halsgegend  eine 
I'  schmerzhafte  Rötung  und  Sclnvellung  ein,  Avährenddeni  schon  einige  Tage  zuvor 
i im  rechten  Ellbogengelenke  eine  schmerzhafte  ScliAvellung  aufgetreten  Avar.  Die 
I Kranke  wurde  in  sehr  elendem  Zustande  in  die  Klinik  gebracht  (21.  April  1891), 
daselbst  sofort  narkotisierd  und  die  Metastase  am  Ellbogen,  soAvie  am  Halse  er- 
öffnet. Aus  beiden  Incisionen  entleerte  sich  Eiter,  am  Halse  eine  beträchtliche 
n Quantität.  Man  gelangte  daselbst  mit  dem  kleinen  Finger  in  eine  so  ausgedehnte 

25 


386 


Anton  Freiherr  von  Eiseisberg. 


Höhle,  dass  man  vermuten  konnte,  es  sei  die  ganze  Struma  zur  Vereiterung  ge- 
kommen. Im  Rachen  war  nur  mehr  Rötung  zu  sehen.  Die  Kranke,  deren  Ver- 
band wegen  reichlicher  Sekretion  der  Halswunde  täglich  gewechselt  werden 
musste,  wurde  regelmässig  kalt  eingepackt  und  die  dadurch  angeregte  Diapho- 
rese  durch  Lindenblütenthee  noch  unterstützt.  Trotzdem  fiel  das  Fieber  nur 
wenig  ab  und  war  speziell  die  Sekretion  und  Abstossung  von  nekrotischen  Fetzen 
aus  der  Hals  wunde  eine  sehr  intensive.  Da  'zeigte  sich  mit  einem  Male 
am  fünften  Tage  nach  der  Incision  zuerst  auf  der  linken  und  am 
folgenden  Tage  auch  auf  der  rechten  Seite  das  Facialisphänomen 
aufs  deutlichste.  Weiter  traten  spontan  tetanische  Krampfanfälle 
in  der  Hand  mit  typischer  Stellung  derselben  auf,  sodass  die  Kranke 
dadurch  oft  sogar  am  Fassen  des  Glases  gehindert  war. 

Zwölf  Tage  nach  der  Incision  entleerte  sich  aus  der  Wunde  etwas  von  der 
eben  genossenen  Milch,  bedingt  durch  eine  Spontanperforation  des  Oesophagus 
und  wenige  Tage  später  stellte  sich  ein  heftiger  Erstickungsanfall  ein,  dessen 
Ursache  eine  Spontanperforation  der  Eiterhöhle  in  die  Trachea  war,  sodass  unter- 
halb dieser  Kommunikation  eine  Kanüle  eingelegt  und  die  Trachea  oberhalb,  um  das 
Einfiiessen  von  Eiter  in  die  Lunge  zu  hindern,  tamponiert  wurde.  Die  Kranke 
ging  gerade  einen  Monat  nach  der  Aufnahme  an  zunehmendem  Marasmus  zu  Grunde; 
bis  zwei  Tage  vor  dem  Tode  war  Chvostek’sches  und  Trousseau’s ches 
Phänomen  leicht  auslösbar  und  hatte  die  Kranke  oft  an  den  tetani- 
schen  Anfällen  recht  gelitten. 

Die  Sektion  ergab,  dass  die  Eiterhöhle  am  Halse  dem  linken  Schilddrüsen- 
lappen angehörte,  welcher  mit  Trachea,  Oesophagus  und  den  grossen  Hals- 
gefässen  innigst  verwachsen  war  und  nach  abwärts  bis  an  die  Clavicula  reichte. 
Die  Begrenzung  dieses  Schilddrüsenlappens  stellte  gleichzeitig  die  Wandung  der 
Eiterhöhle  dar  und  war  von  einer  1,5  cm  dicken  Schichte  gebildet,  welche  nach 
innen  zu  wulstige  Vorsprünge  und  auf  dem  Querschnitte  eine  saftige,  homogene 
Masse  zeigte.  Dieselbe  erwies  sich  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung 
als  Sarcom.  In  der  Tiefe  des  Eitercavums  gegen  die  Trachea  zu  waren  diese 
trabecelai’tigen  Vorsprünge  der  Innenwand  der  Geschwulst  missfarbig  und  zer- 
fallen ; innerhalb  dieser  weichen  Partien  fanden  sich  auch  die  beiden  Perforations- 
Öffnungen.  Das  äusserste  Ende  des  oberen  linken  Schilddrüsenpoles  bildete  ein 
haselnussgrosser  Rest  von  stark  colloid  durchsetztem  Drüsengewebe.  Die 
rechte  Schilddrüsenhälfte,  etwa  5 cm  lang,  3 cm  breit,  an  normaler 
Stelle,  war  vollkommen  von  zahlreichen,  dicht  nebeneinander  ge- 
stellten hirsekorn-  bis  haselnussgrossen  Colloidknoten  durchsetzt. 
In  der  Lunge  ausgedehnte  Sarcommetastasen.  Reichliche  Eiteransammlung  im 
linken  Ellbogengelenke.  Ulcus  ventriculi  rotundum. 


Betrachten  wir  nunmehr  die  oben  berichteten  8 Fälle  von 
Tetanie  nach  mehr  oder  weniger  ausgedehnten  Kropfoperationen, 
so  geht  aus  selben  zunächst  hervor,  dass  nicht  nur  die  Total- 
exstirpation die  specifischen  Folgeerscheinungen  nach  sich  zieht, 
sondern  auch  unter  Umständen  die  Entfernung  des  grössten  Teiles 
des  Organes  oder  Zerstörung  desselben  auf  anderem  AVege  (Eite- 
rung) dies  bewirken  kann  und  zwar  in  demselben  Masse  in  mil- 
derer Form,  als  eben  mehr  vom  normalen  Gewebe  erhalten  bleibt. 


Weitere  Beiträge  zur  Lehre  von  den  Folgezuständen  der  Kropfoperationen.  38  i 

Schon  vor  Jahren  hat  Szuman^)  über  einen  Fall  berichtet, 
in  welchem  nach  einer  Kropfexstirpation  mit  Zurücklassung  eines 
kleinen  Restes  desselben  Tetanie  auftrat,  die  jedoch  zur  Aushei- 
lung kam. 

Die  ersten  7 unserer  8 Fälle  stellen  verschiedene  Inten- 
sitäts-Grade der  tetanischen  Erkrankung  von  der  schwersten  Form 
bis  zur  ganz  milden  dar.  Im  ersten  (tödlich  verlaufenen)  Falle  war 
ja  nach  der  Operation  wirklich  nichts  von  der  Schilddrüse  zurück- 
geblieben, als  ein  kleines,  vollkommen  carcinomatös  entartetes 
Stückchen  der  Struma. 

In  den  nun  folgenden  4 Fällen  (Gruppe  II,  b)  war  jedesmal 
ein  kleines  Stück  Strumagewebe  und  zwar  viel  weniger  als  V-» 
der  Struma  zurückgeblieben  und  dasselbe  bei  der  Operation  (die 
stets  recht  schwierig  war)  jedenfalls  stark  aus  der  Umgebung  ge- 
lockert, ja  vielleicht  durch  Anfassen  und  Zerren  gedrückt  oder  gar 
gequetscht  worden.  Es  liegt  dabei  nahe  anzunehmen,  dass  durch 
alle  diese  Manipulationen  die  Zirkulation  und  damit  die  Funktion 
des  Drüsenrestes  beeinträchtigt  war,  wodurch  die  Ausfallserschein- 
ungen veranlasst  waren.  In  den  beiden  ersten  Fällen  dieser 
Gruppe  (Schiffer  W.,  Ignaz  M.),  besonders  im  zweiten,  war  offenbar 
diese  Stase  vorhanden,  indem  es  ja  bei  Ignaz  M.  zu  so  stürmischen 
Ausfallserscheinungen  kam,  dass  wir  für  das  Leben  des  Pat.  schon 
fürchten  mussten ; allerdings  verschwanden  diese  bedrohlichen  Symp- 
tome nach  einigen  Tagen  ganz.  Es  scheint  also  die  gestörte 
Funktion  in  dem  zurückgebliebenen  Stücke  keine  langandauernde 
gewesen  zu  sein  und  enthielt  dasselbe  zudem  wahrscheinlicher- 
weise noch  genügend  an  normal  funktionierendem  Gewebe,  um 
die  Thätigkeit  des  ganzen  Organes  zu  übernehmen.  In  den  beiden 
andern  Fällen  dieser  Gruppe  (Josef  K.,  Antonie  W.)  waren  noch 
kleinere  Stückchen  zurückgeblieben,  als  in  den  beiden  ersteren 
und  war  die  Tetanie  sehr  schwer  und  vor  allem  bedeutend  hart- 
näckiger in  ihrem  Verlauf:  hielt  sie  ja  doch  (während  sie  in  den 
beiden  ersten  Fällen  nach  mehrtägiger  Dauer  schwand),  hier  jahre- 
lang an  und  besserte  sich  erst  dann  wesentlich,  als  wieder  der 
Hals  dicker  wurde  und  die  objektive  Untersuchung  ein  neuerliches 
Wachstum  des  zurückgebliebenen  Kropfrestes  konstatieren  liess. 
Hier  fällt  das  Einsetzen  der  Besserung  so  sehr  mit  der  Entwick- 
lung einer  äusserlich  nachweisbaren  Kropfgeschwulst  zusammen,  dass 
wohl  sicherlich  mehr  als  ein  zufälliges  Nebeneinander,  vielmehr 
ein  causaler  Zusammenhang  dieser  beiden  Faktoren  angenommen 


’)  Centnilblatt  für  Cliinir<rio  lH8t.  29. 


388 


Anton  Freiherr  von  Eiseisberg. 


werden  muss.  Ausserdem  verdient  hervorgehoben  zu  werden,  dass 
bei  Pat.  Josef  K.  (Gruppe  II,  h,  3.  Fall)  im  chronischen  Verlaufe 
der  Tetanie  eine  Reihe  von  Symptomen  sich  einstellte,  welche  man 
bisher  wiederholt  nach  totalem  Ausfälle  der  Schilddrüse  (besonders 
bei  der  Cachexia  strumipriva  und  dem  Myxoedeme)  beobachtet 
hat,  wie:  Ausfallen  der  Haare,  Wechsel  der  Nägel;  vielleicht  ist 
auch  hier  die  starke  Abnahme  des  Geschlechtstriebes  erwähnens- 
wert. Endlich  ist  nicht  uninteressant,  dass  in  diesem  und  dem 
nächsten  Falle  über  ein  Jahr  nach  der  Oj^eration  hindurch  ein 
exquisiter  Ekel  gegen  Fleischspeisen  andauerte  ^).  Dass  bei  An- 
tonie W.  im  Laufe  der  Jahre  die  tetanischen  Anfälle  mehr  den 
Charakter  von  hysterischen  bekamen,  wurde  bereits  hervorgehoben. 

Zu  den  beiden  Fällen  von  Tetanie  (Gruppe  III.  und  IV.) 
nach  Exstirpation  einer  Hälfte  resp.  Enucleation,  wobei  jedesmal 
ein  grosser  Teil  anscheinend  normalen  Schilddrüsengewebes  zurück- 
blieb, ist  vor  allem  zu  bemerken,  dass  beidemale  die  Tetanie  so 
milde  verlief,  dass  diese  überhaupt  als  die  leichtesten-),  bisher  an 
der  Klinik  beobachteten  Formen  bezeichnet  werden  können.  Be- 
sonderes Interesse  verdient  hiebei  die  präzise  Angabe  des  Patienten, 
dem  die  Enucleation  gemacht  war : Franz  G.  (Gruppe  IV),  dass  sich 
schon  mit  dem  rascheren  Wachstume  des  Kropfes  tetanische  Symp- 
tome, die  der  Kranke  zutreffend  beschrieb,  einstellten.  Analoge 
Beobachtungen  wurden  von  Witzei,  Czerny,  Wölfler^)  gemacht, 
welche  während  des  Wachstums  des  Kropfes  cachektische  Symp- 
tome auftreten  sahen.  In  Bezug  auf  diesen  Fall  ist  noch  zu  be- 
tonen, dass  das  enucleierte  Stück  gewiss  mehr  als  der  ganzen 
Struma  betraf  und  Spuren  der  Tetanie,  wenn  auch  in  mildester 
Form  noch  jetzt  Jahre  nach  der  Operation  nachweisbar 
sind.  Vielleicht  hat  es  sich  in  diesen  beiden  Fällen  (Gruppe  III. 
und  IV.)  um  Individuen  gehandelt,  welche  ganz  besonders  fein 
auf  den  Ausfall  schon  eines  Teiles  ihres  Schilddrüsengewebes 
reagierten,  wobei  wir  annehmen,  dass  beim  Menschen , dessen 
Schilddrüse  ja  ungleich  häufiger,  als  beim  Tiere,  kropfig  erkrankt, 

b Schon  früher  konnte  ich  über  einen  Patienten  berichten,  der  nach  Total- 
exstirpation Zinn  Vegetarianer  geworden  war.  Diese  Beobachtung  ist  deshalb 
von  Interesse,  weil  ja  bekanntlich  die  Pflanzenfresser  viel  leichter  den  Ausfall 
der  Schilddrüse  ertragen  als  die  Fleischfresser.  Allerdings  behauptet  in 
neuester  Zeit  Gley  (Effets  de  la  thyroidectoniie  chez  le  lapin , Archives  de 
Physiologie  1892),  dass  auch  dem  Kaninchen  die  Exstirpation  ebenso  verderblich 
werde,  vorausgesetzt,  dass  man  die  unterhalb  der  Drüse  gelegenen  Nehendrüschen 
(Glandules')  mit  entfernt. 

‘b  ^'ergleiche  Fall  V meiner  oben  citierten  Publikation. 

b 1.  c. 


Weitere  Beiträge  zur  Lehre  von  den  Folgezuständen  der  Kropfoperationen.  389 

individuelle  Dispositionen^)  vorliegen,  wonach  das  einemal  ein 
Individuum  selbst  nach  Entnahme  des  ganzen  Organs  längere  Zeit, 
vielleicht  (?)  immer  gesund  bleibt,  ein  anderes  schon  auf  die  Ent- 
fernung eines  Teiles,  wenn  auch  nur  in  milder  Form,  mit  Ausfalls- 
erscheinungen reagiert. 

Wenn  auch  bis  jetzt  die  Erkenntnis  der  Schilddrüsen-Funktion, 
speziell  mit  Rücksicht  auf  die  nach  Exstirpation  der  erkrankten 
Drüse  (Kropf)  auftretenden,  wechselnden  Folgenzustände  noch  lange 
nicht  vollkommen  klar  zu  Tage  liegt,  meine  ich  doch,  dass  diese 
Beobachtungen,  die  beim  ersten  Blicke  vielleicht  unsere  Anschau- 
ungen noch  mehr  zu  verwirren  scheinen,  im  Gegenteil,  bei  auf- 
merksamer Betrachtung  die  gegenwärtigen  Ansichten  über  die 
Funktion  der  Schilddrüse  nur  bestärken.  Wir  müssen  ja  an- 
nehmen, dass  das  zurückgebliebene  Stückchen  funktionierenden 
Schilddrüsengewebes  doch  eine  gewisse  Grösse  haben  muss,  um 
alle  die  bekannten,  schrecklichen  Ausfallserscheinungen  hintan- 
zuhalten, denn,  sollte  schon  ein  minimaler  Rest  Schilddrüsengewebes 
dazu  ausreichend  sein,  so  müsste  man  sich  die  Vorstellung  bilden, 
dass  die  physiologische  Wirkung  der  Schilddrüse  der  eines  Fer- 
mentes analog  wäre,  eine  Annahme,  zu  der  uns  nicht  einmal  eine 
plausible  Flypothese  berechtigt. 

Dass  es  neben  der  Qualität  der  zurückgebliebenen  Schild- 
drüsenstückchen vor  allem  auch  auf  die  Quantität  ankommt,  wird, 
meiner  Ansicht  nach,  durch  den  milderen  Verlauf  der  Tetanie 
nach  partiellen  Exstirpationen,  beinahe  zur  Gewissheit  erhoben. 
Denn,  während  wir  oben  sahen,  dass  von  12  Fällen  von  nach 
Totalexstirpation  aufgetretener  Tetanie  8 letal  endeten,  2 durch 
Chronischwerden  der  Tetanie  schon  seit  mehr  als  ein  Decennium 
die  Kranken  schwer  schädigen,  bei  einer  weiteren  Patientin  die 
Krämpfe  erst  nach  dem  Wachsen  einer  Recidive  auf  hörten,  und 
bloss  in  einem  einzigen  Falle  die  Tetanie  schwand  (diese  Patientin 
ist  übrigens  nach  zwei  Jahren  an  Tetanie  gestorben)  — sehen 
wir  in  unsern  eben  sub  II.  b.  beschriebenen  4 Fällen  einen  ent- 
scliieden  milderen  Verlauf,  ja  in  den  zwei  Fällen  von  halbseitiger 
Exstirpation  und  Enucleation  eigentlich  nur  die  leichtesten  Formen 
der  Tetanie. 

Uebereinstimmend  mit  diesen  Beobachtungen  am  Kranken- 
bette erweist  sich  das  Tierexperiment.  Schon  seinerzeit  konnte 
ich  über  7 einschlägige  Versuche  an  Katzen  berichten,  wonach 
bei  Entfernung  von  etwa  V»  ^^^s  ganzen  Organes  Tetanie  eintrat, 

')  Lu  .Sinne  der  von  Wölfler  (1.  c.  Seite  K3G)  gegebenen,  sehr  plausiblen 
Anschauung  über  das  Entstehen  von  Tetanie  und  ^lyxoedein. 


390 


Anton  Freiherr  von  Eiseisberg. 


die  jedoch  nicht  jedesmal  tödlich  endete,  während  sonst  stets  die 
Tetanie,  die  nach  ein-  oder  zweizeitiger  Totalexstirpation  auftrat, 
ohne  Ausnahme  tödlich  ablief.  (Eine  Hypertrophie  des  restierenden 
Stückchens  konnte  in  den  gut  abgelaufenen  Fällen  nicht  sicher 
konstatiert  werden.)  Zur  Ergänzung  dieser  Versuche  habe  ich  im 
Laufe  der  letzten  Monate  einige  neue  bei  Katzen  ausgeführt,  welche 
hier  kurz  Erwähnung  finden  sollen: 

1.  Versucli. 

Totalexstirpation  der  einen  Hälfte  und  Exstirpation  der  andern  zu  bei- 
läufig Teilen , so  dass  ])loss  entsi)recbend  dem  oberen  Pole,  wo  die  Arterie 
eintritt,  ein  kleines  Stückchen  zurückgelassen  wurde ; die  Blutstillung  der  Drüsen- 
scbnittfiäcbe  erfolgte  mit  Hilfe  einer  glühenden  Platinnadel.  Es  folgten  keine 
Ausfallerscheinnngen,  die  Katze  blieb  ganz  gesund  ; nach  4 Wochen  wurde  das  Tier 
abermals  narkotisiert  nnd  der  Drüsenrest  durch  einen  Längsschnitt  blossgelegt ; 
das  Stückchen  erwies  sich  normal  aussehend  und  nicht  merklich  vergrössert. 
Nunmehr  wurde  dasselbe  exstii’piert , worauf  sich  eine  innerhalb  5 Tage  zum 
Tode  führende  typische  Tetanie  entwickelte. 

2.  Versuch. 

Analog  dem  vorhergehenden,  nur  wurde  die  Katze,  nachdem  sie  3 AVochen 
ohne  Folgeerscheinungen  die  erste  Operation  üherstanden  hatte,  getötet,  wobei 
man  sich  wieder  vom  guten  Erhaltensein  des  restierenden  Stückes  überzeugen 
konnte ; dasselbe  schien  etwas  vei'grössert  zu  sein. 

3.,  4.,  5.  Versuch. 

Es  wurde  noch  mehr  von  der  Schilddrüse  fortgenommen,  als  beim  1.  und  2. 
Versuche,  so  dass  nur  ein  etwa  hanf korngrosses  Stückchen,  entsprechend  dem 
oberen  Pole,  zurückgeblieben  war.  Dieser  Versuch  wurde  an  einem  Tage  hei 
drei  Katzen  (einer  ausgewachsenen  und  zwei  etwa  3 — 4 IMonate  alten)  gemacht. 
Alle  drei  Tiere  bekamen  Tetanie , die  alte ')  iind  eine  junge  Katze  gingen  daran 
am  5.  und  6.  Tage  zu  Grunde ; die  Sektion  zeigte  das  kleine  Stückchen  Drüse 
erhalten,  jedoch  gewiss  nicht  vergrössert,  das  zweite  junge  Tier  überstand  die 
Tetanie,  erholte  sich  ganz  nnd  ist  noch  am  Leben.  (Ueher  den  weiteren  Befund 
in  diesem  Falle,  sowie  über  eine  Reihe  einschlägiger  Versuche  soll  später  be- 
richtet werden,  da  ich  es  betreffs  Entscheidung  der  Frage,  ob  in  dem  restierenden 
Stücke  Hypertrophie  eintritt  oder  nicht,  für  wichtig  erachte,  die  Tiere  lange 
Zeit  am  Leben  zu  erhalten.) 

().  A'ersuch. 

Versuchsanordnung  wie  heim  ersten  Versuche  , nur  wurde  das  ebenso 
grosse  Stückchen  anstatt  entsprechend  dem  oberen  am  unteren  Pole,  der 

b Bei  Vergleichung  dieser  Ergel)nisse  mit  den  Beobachtungen  am  Menschen, 
wonach  ja  l)ekanntlich  die  Entfernung  der  Schilddrüse  bei  jugendlichen  Individuen 
häufiger  von  schweren  Folgen  begleitet  ist,  als  bei  Erwachsenen,  wird  man  keine 
Analogie  finden.  Ich  habe  stets  nach  Totalexstirpation  der  Schilddrüse  bei  er- 
wachsenen Katzen  ebenso  sicher  zum  Tode  führende  Tetanie  beobachtet,  wie 
nach  dem  gleichen  Eingriffe  bei  Kätzchen.  Daher  ist  es  nicht  so  zu  verwundern, 
dass  eine  junge  Katze  nach  Zurücklassung  eines  kleinen  Stückchens  Schilddrüse 
davonkommt , eine  erwachsene  nach  Zurücklassung  eines  ebenso  grossen  an 
Tetanie  zu  Grunde  geht,  indem  ja  im  letzteren  Falle  im  Verhältnisse  zum  Körper- 
volumen ein  kleinei'es  Stück  Drüsengewebes  verbleibt. 


Weitere  Beiträge  zur  Lelire  von  den  Folgezuständen  der  Kropf  Operationen. 


391 


Drüse  zurückgelassen.  Die  Katze  erkrankte  an  Tetanie  und  ging  nach 
fünf  Tagen  daran  zu  Grunde.  Die  Sektion  erwies,  dass  das  Stückchen  blau- 
schwarz aussah,  also  infolge  mangelhafter  Ernährung  nekrotisch  geworden  war. 

7.  Versuch. 

Derselbe  S^ersuch  wie  Nr.  G.  Das  Tier  erkrankte  an  schwerer  Tetanie, 
erholte  sich  nach  14  Tagen  und  ist  jetzt  nach  2 Monaten  noch  am  Leben. 

Diese  Tierexperimente  ergeben  in  Uebereinstimmung  mit  den 
seinerzeit  angestellten,  dass  in  den  Fällen,  wo  bloss  7«  oder  sogar 
7ö  der  Drüse  Zurückbleiben,  tetanische  Symptome  auftreten,  die  jedoch 
zur  Ausheilung  gelangen  können,  anderseits  es  nicht  gleichgültig 
ist,  ob  dieses  Stück  am  oberen  oder  unteren  Pole  belassen  wird. 
Dieses  Verhalten  bei  der  Katze  entspricht  dem  Eintritte  der 
Arterie  am  oberen  Pole,  während  längs  der  unteren  die  Vene  die 
Drüse  verlässt.  Beim  Menschen  dürfte  dieser  Unterschied  nicht 
so  sehr  in  Betracht  kommen,  da  ja  jederseits  eine  Art.  thyreoid. 
sup.  und  inf.  existiert;  sicherlich  gilt  jedoch  ähnliches  in  Bezug 
auf  bessere  oder  schlechtere  direkte  Gefässversorgung  des  zurück- 
gebliebenen Stückchens,  in  dem  bereits  oben  erörterten  Sinne. 


Ganz  besonderes  Interesse  verdient  der  Fall  von  Tetanie 
nach  akuter  Vereiterung  der  Schilddrüse,  welche  schon  in  früherer 
Zeit  teilweise  colloid,  in  letzterer  Zeit  sarcomatös  degeneriert  war. 
Durch  die  Vereiterung  waren  wahrscheinlich  die  letzten  Reste  nor- 
malen Drüsengewebes  rasch  zu  Grunde  gegangen,  so  dass  dieselben 
Erscheinungen  auftraten , als  wenn  die  Schilddrüse  durch  eine 
Operation  ganz  oder  grösstenteils  entfernt  worden  wäre. 

Dieser  Fall  findet  sein  Analogon  in  dem  bei  Kocher^)  citierten 
Falle  Demme’s  von  Auftreten  von  Cretinismus  nach  Vereiterung 
der  Schilddrüse. 

Hier  wäre  \delleicht  auch  die  nach  längerem  innerlichen 
Gebrauche  von  .Jod  auf  tretende  .Jodcachexie  zu  erwähnen.  Durch 
dieses  Mittel,  welches  ja  bekanntermassen  eine  spezifische  Wirkung 
auf  den  Kropf  besitzt,  ist  es  ja  schon  zu  wiederholtenmalen  ge- 
lungen, grosse  Kröpfe  innerhalb  kurzer  Zeit  bedeutend,  ja  ganz 
zum  Schwinden  zu  bringen;  trotzdem  wird  nur  selten  diese 
Therapie  eingeschlagen,  indem  die  Erfahrung  gezeigt  hat,  dass 
gerade  in  den  Fällen,  in  welchen  das  Jod  als  wirksam  sich  er- 
weist, wiederholt  schwere  cachektische  Symptome  auftraten,  die 
man  meist  als  .Jodintoxication  aufzufassen  geneigt  war. 


*)  Zur  Verhütung  des  Cretinismus  und  cretiuoider  Zustände  nach  neueren 
Forschungen.  (Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie  XXXIV.  Band.  Festband  zu 
Ehren  des  70.  Geburtstages  von  Prof.  Thiersch.  1892.) 


392 


Anton  Freiherr  von  Jiiselsberg. 


Da  aber  anderseits  das  Jod  bei  anderen  Erkrankungen  z.  B, 
der  Lues  viel  länger  und  in  grösseren  Dosen,  ohne  derlei  Symp- 
tome zu  veranlassen,  gegeben  wird,  scheint  mir  die  von  Deininger') 
und  Wölf  1er -)  ausgesprochene  Vermutung  gerechtfertigt,  dass  in 
diesen  Fällen  die  Cachexie  nicht  so  sehr  durch  das  Jod,  als  da- 
durch bedingt  ist,  dass  infolge  des  Jodes  ein  Teil  des  Schilddrüsen- 
gewebes verschwindet,  ebenso  wie  in  dem  früher  geschilderten 
Falle  die  Tetanie  durch  Vereiterung  der  Drüse  veranlasst  war. 

Somit  sehen  wir,  dass  nicht  etwa  bloss  durch  einen  operativen 
Eingriff  das  Schilddrüsengewebe  ganz  oder  grösstenteils  entfernt 
werden  muss , um  Ausfallserscheinungen  zu  bedingen , sondern 
dass  auch  die  einfache  Degeneration  (Colloid,  Vereiterung)  der 
Drüsensubstanz  gleiches  bewirken  kann. 


Wesentlich  ist  unsere  Anschauung  über  die  Funktion  der 
Drüse  durch  die  einheitliche  Auffassung  von  den  der  Operation 
folgenden  Zuständen  (Tetanie,  Cachexie)  mit  Myxoedem  und  Cre- 
tinismus  gefördert  worden.  Die  grosse  Aehnlichkeit  des  Symp- 
tomencomplexes  der  Cachexia  strumipriva  und  des  Myxoedems 
(als  dessen  einzig  charakteristischer  pathologisch  anatomischerBefund 
der  spontane  Schwund  der  Schilddrüse  gefunden  wurde),  war 
schon  längere  Zeit  hindurch  bekannt ; in  neuester  Zeit  hat  jedoch 
Kocher  in  einer  vor  wenigen  Monaten  erschienenen  Arbeit  betont, 
dass  auch  beim  Cretinismus  stets  in  erster  Linie  eine  Erkrankung 
der  Schilddrüse  vorliegt,  deren  häufigste  Erkrankung  eben  der 
Kropf  ist.  Weiter  hat  Kocher,  der  sich  mit  dieser  Arbeit^)  neuer- 
dings ein  grosses  Verdienst  um  die  Erforschung  der  in  Rede 
stehenden  Frage  erworben  hat,  als  Erster  gezeigt,  dass  es  Cretins 
giebt,  welche  nicht  nur  keinen  Kropf,  sondern  — soweit  dies  aus 
der  äussern  Untersuchung  des  Halses  zu  schliessen  erlaubt  ist  — 
überhaupt  keine  Schilddrüse  haben. 

Dieselbe  Beobachtung,  wie  Kocher,  konnte  ich  zu  Ostern  dieses 
Jahres  (zu  einer  Zeit,  als  Kocher’s  Arbeit  noch  nicht  publiziert 
war)  machen,  als  ich  die  Cretins  in  dem  Asyl  zu  Gallneukirchen 
bei  Linz  (meist  aus  Hallstadt  stammend),  ferner  in  Hallstadt, 
Goisern  und  Admont  untersuchte.  Unter  13  typischen  Cre- 
tins, die  in  ihrem  körperlichen  und  geistigen  Ver- 
halten das  bekannte  traurige  Bild  darboten  und  welche 

b Uel)or  die  Naditeile  der  .Todbehandlung  des  Kropfes  (Bayr.  ärztliches 
Litelligenzhlatt  187ö.  2G). 
b 1.  c.  Seite  12. 
b 1.  c. 


Weitere  Beiträge  zur  Lehre  von  den  Folgezuständen  der  Kropfoperationen. 


393 


ich  genau  zu  untersuchen  in  der  Lage  war,  war  zehn- 
mal ein  mehr  weniger  deutlicher  Kropf,  darunter  mehr- 
mals mächtige  Knoten  vorhanden,  dreimal  schien  die 
Schilddrüse  total  zu  fehlen.  Bei  der  schlaffen  Haut  und 
dem  torpiden  Verhalten  dieser  Individuen  (keine  Ans]3annung  der 
Halsmuskulatur)  war  es  besonders  gut  möglich  in  der  Tiefe  des 
Halses  rechts  und  links  von  der  Trachea  Alles  abzutasten,  wobei 
sich  dieser  negative  Befund  ergab.  Hier  will  ich  nur  nebenbei  er- 
wähnen, dass  sich  bei  einem  dieser  Cretins  deutlich  das  Chvo- 
stek’sche  Facialisphänomen  auslösen  liess. 

Eine  Aenderung  im  bisher  geübten  Operationsverfahren  wird 
durch  die  vorliegenden  Beobachtungen  wohl  nicht  nötig  werden; 
wir  werden  nach  wie  vor  die  Totalexstirpation,  wenn  dies  nur 
irgendwie  angeht,  vermeiden  und  dafür  Sorge  tragen,  dass  ein  nicht 
zu  kleines,  wo  möglich  nicht  stark  aus  der  Umgebung  gelöstes, 
genügend  ernährtes  Stück  des  Kropfes  oder  noch  besser  des  nor- 
malen Drüsengewebes  zurückbleibt. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Tubo- 
Ovarial-Oysten 

von 


Dr.  Alfons  von  ßostliorn, 

Professor  der  Gynäkologie  und  Geburtsliülfe  in  Prag. 
Mit  Tafel  VIII  und  15  Holzschnitten. 


Seitdem  mir  Gelegenheit  geboten  war,  die  entzündlichen  Ver- 
änderungen der  Gebärmutteranhänge  etwas  eingehender  kennen 
zu  lernen,  hatte  mich  bei  der  verhältnismässigen  Häufigkeit  jener 
Gebilde,  die  man  gemeinhin  als  »Tuboovarialcysten«  zu  be- 
zeichnen gewohnt  ist,  die  Frage,  wie  diese  ihre  Entstehung  nehmen, 
wiederholt  beschäftigt.  Die  Beantwortung  derselben  war  nicht  so 
einfach  durchzuführen,  als  man  von  vornherein  vermuten  sollte.  Erst 
eine  Reihe  von  Detailbeobachtungen,  vor  allem  das  Antreffen  von 
entsprechenden  Präparaten  aus  den  Anfangsstadien  konnte  zu 
endgültigen  Schlüssen  in  dieser  Richtung  führen. 

Das  Material  für  die  anzuführenden  Beobachtungen  habe  ich 
als  Assistent  an  der  Frauenklinik  Professor  Chrobak’s  im  Laufe 
mehrerer  Jahre  gewonnen;  ausserdem  verdanke  ich  einige  schöne 
Präparate  der  besonderen  Liebenswürdigkeit  meines  hochverehrten 
Lehrers,  da  dieselben  seiner  Privatpraxis  entstammen,  sowie  meines 
verehrten  Freundes,  des  Herrn  Professor  Richard  Paltauf,  der 
durch  Ueberlassung  des  lehrreichen  Falles  Nr.  5,  welcher  dem 
Materiale  des  Wiener  pathologisch  - anatomischen  Institutes  ent- 
nommen ist,  meine  Arbeit  auch  diesmal  wesentlich  gefördert  hat. 
— Beiden  sage  ich  hiemit  besten  Dank.  — 

Ich  habe  mich  in  dem  folgenden  mehr  auf  die  Anatomie 
der  Tuboovarialcysten  beschränkt  und  Klinisches,  insbesondere 
Krankengeschichten  u.  dgl.  weggelassen. 

Durch  diese  Veröffentlichung  soll  eine  Ergänzung  zu  jenen 
andeutenden  Bemerkungen  geboten  werden,  von  welchen  meine 


Beitrüge  zur  Kenntnis  der  Tubo-Üvarial-Cysten. 


395 


Demonstrationen  am  vorjährigen  Gynäkologen-Kongresse  zu  Bonn 
begleitet  waren,  indem  ich  die  eingehende,  anatomische  Beschrei- 
bung der  von  mir  gezeigten  einzelnen  typischen  F ormen  und  meine 
eigene  Anschauung  über  die  Entstehungsweise  dieser  Geltilde,  wie 
sie  sich  mir  auf  Grund  nun  mehrfacher  Beobachtungen  überzeugend 
aufgedrängt  hat,  folgen  lasse. 

Seitdem  Richard  in  den  50er  Jahren  diese  ganz  eigentüm- 
liche Verbindung  zwischen  Eileiterlichtung  und  dem  Hohlraume 
von  Eierstockscysten  in  mehreren  Mitteilungen,  sjteziell  auch  zu- 
sammen mit  Labbe  beschrieben,  und  damit  den  Begriff  der  Tubo- 
ovarialcyste  geschaffen  hat,  wurde  das  \^orkonnnen  dieser  Gebilde 
durch  einzelne  Beobaclitungen,  insbesonders  aus  der  letzten  Zeit, 
wiederholt  bestätigt.  Nach  Kl  ob  soll  es  jedoch  keinem  Zweifel 
unterliegen,  dass  Blasius  bereits  im  Jahre  1834  in  seiner,  »de 
hydrope  ovariorum  profluente«  betitelten  Arbeit  einen  hierher  ge- 
hörigen Fall  erwähnt  habe. 

Der  Besclireibung  seiner  11  Fälle  hat  Ad.  Richard  bereits 
eine  Theorie  der  Genese  angefügt,  welche  als  sog.  »Ovulations- 
Theorie«  weitergeführt  wurde.  Dieselbe  hat  zur  Voraussetzung 
die  physiologische  Annahme,  dass  zur  Zeit  der  Ovulation  der  Ei- 
leiter mit  seinen  Fransen  den  Eierstock  umgreife,  um  beim  Platzen 
des  Graaf’schen  Bläschens  das  ausgestossene  Eichen  in  Empfang 
zu  nehmen.  Mit  diesem  physiologischen  Akte  müsse  sich  ein 
pathologischer  Vorgang  kombinieren,  um  zur  Bildung  einer  Tubo- 
ovarialcyste  zu  führen.  Der  Follikel,  der  als  krank  bezeichnet 
wird,  dürfe  sich  nicht  schliessen,  er  müsse  weiter  secernieren ; nur 
so  könne  es  zur  Verwachsung  von  Fimbrien  mit  der  geborstenen 
Follikel  wand  kommen. 

Diese  Hypothese  ist  in  der  Art,  wie  sie  von  Richard  aus- 
gesprochen wurde,  nicht  haltbar.  Eine  zweckmässige  Umklam- 
merung des  Eierstockes  seitens  des  Pavillons  zur  Ovulationszeit, 
wie  selbe  zuerst  von  Baer  in  seiner  Entwickehmgsgeschichte  (1837) 
gelehrt  wurde,  hat  durch  keine  Beobachtung  Bestätigung  gefunden. 
Diese  aber  zugegeben,  findet  sich  ein  Widerspruch  in  dem  anato- 
mischen Verhalten,  indem  die  Fimbrien  nach  der  Erfahrung  Aller 
regelmässig  an  die  Innenfläche  der  Cysten  zu  liegen  kommen, 
statt,  wie  nach  jener  Annahme  zu  vermuten  wäre,  sich  an  der 
Aussenseite  derselben  vorzufinden. 

Eine  wesentliche  Förderung  hat  die  Lehre  von  den  Tubo- 
ovarialcysten  durch  Rokitansky  im  Jahre  1859  erfahren,  indem 


b Siehe  LitteraturzusamiuenstelUmg  am  Schlüsse. 


396 


Alfons  von  Rosthoni. 


derselbe  im  Stande  war,  die  cystisclie  Degeneration  des  Corpus 
luteum  nachzuweisen  und  auf  Grund  von  zwei  Beobachtungen  die 
Entstehung  jener  abnormen  Verbindung  zwischen  Eierstock  und 
Eileiter  mit  dem  Ovulationsprozesse  in  Zusammenhang  zu  bringen. 
In  beiden  Fällen  handelte  es  sich  um  kleinere,  dickwandige  Cysten 
des  Eierstockes  — die  grössere  erreichte  nur  Walnussgrösse  — 
deren  Innenfläche  pigmentiert  erschien.  Die  Tube  mündete  mit 
erweitertem  Pavillon  ein  und  bildete  der  ganzen  gemeinsamen 
Cyste.  Die  zarten,  atrophischen  Schleimhautfalten  fanden  sich  an 
der  Innenfläche  auseinanderweichend  und  die  Enden  der  Fransen 
waren  als  kleine  Wärzchen  erkenntlich. 

Diese  Lehre  Rokitansky ’s  wurde,  nachdem  dieselbe  in  sein 
vielverbreitetes  Lehrbuch  aufgenommen  worden  war,  von  Seiten 
der  Zeitgenossen  wohl  gewürdigt  — sie  findet  sich  z.  B.  noch  in 
der  5.  Aufl,  von  Scanz  oni’s  Lehrbuch  (1875)  als  einzige  Erklärungs- 
art für  die  Genese  der  Tuboovarialcysten  — doch  scheint  sie  mir 
in  der  Neuzeit  viel  zu  wenig  berücksichtigt  worden  zu  sein.  — In 
den  neueren  ELand-  und  Lelnhüchern  vermissen  wir  dieselbe  ent- 
weder gänzlich  oder  wir  finden  dieselbe  zu  wenig  hervorgehoben. 

Man  brachte  in  der  damaligen  Zeit  den  klinischen  Erschei- 
nungen mehr  Interesse  entgegen  als  den  anatomischen  Formen 
und  so  erklärt  es  sich , dass  die  wenigen  und  auch  dürftigen  ca- 
suistischen  Mitteilungen  über  diesen  Gegenstand  mit  »Hydrops 
tubae  profluens«  überschrieben  sind.  So  wird  diese  von  Blasius, 
Sachse  und  Kiwis ch  zuerst  beschriebene  Erscheinung  auf  das 
Vorhandensein  von  beiderseitigen  Tuboovarialc^’sten  von  Hennig 
gelegentlich  eines  in  der  Leipziger  gehurtshilflichen  Gesellschaft 
am  19.  Oktober  1860  gehaltenen  Vortrages  und  in  seinen  späteren 
Publikationen  zurückgeführt.  Letzterer  bezeichnet  diese  Form 
als  »Hydrops  ovariotubaris«,  ohne  eine  eingehende  Schilderung  der 
anatomischen  Verhältnisse  zu  geben.  Er  beschränkt  sich  vielmehr 
darauf,  zu  konstatieren,  dass  die  beiden  Eileiter  mit  ihren  E"ransen- 
enden  dergestalt  in  Ovariencysten  eingeschmolzen  sind,  dass  die 
Grenze  nur  durch  einen  einspringenden  Ring  angedeutet  blieb.  — 
Doch  bringt  er  bereits  gute  Beschreibungen  des  Hydrops  tubae 
saccatus. 

In  seiner  zur  damaligen  Zeit  (1864)  Aufsehen  erregenden 
pathologischen  Anatomie  der  weiblichen  Sexualorgane  schliesst 
sich  Kl  ob  ganz  den  Anschauungen  Richard ’s  und  Rokitansky’s 
an.  Er  hat  die  gleichen  Formen  wiederholt  beobachtet  und  glaubt, 
dass  die  Entstehung  derselben  mit  dem  Ovulationsprozess  in  Zu- 
sammenhang zu  bringen  sei.  Doch  meint  er,  dass  immerhin  auch 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Tubo-Ovarial-Cysten. 


397 


an  die  Möglichkeit  der  13erstung  einer  aus  dem  CorjDUs  luteum 
liervorgegangenen  Ovarialcyste  in  das  angelötete  Tubareiide  ge- 
dacht werden  müsse.  Auffallend  erscheint  es  ihm  auch,  dass  der 
dem  Eierstock  angehörige  Teil  der  Cyste  immer  der  bei  weitem 
p-rössere  ist. 

Eine  ganz  neue  Richtung  in  der  Lehre  von  der  Genese  der 
Tuboovarialcysten  war  gegeben  durch  die  zunehmenden  Kennt- 
I nisse  von  den  Entzündungen  des  Beckenbauchfells  und  »von  der 
Bedeutung  der  Residuen  derselben,  der  perimetralen  Adhäsionen. 

Wenn  auch  einzelne  Eorscher,  so  z.  B.  Panck^)  sich  damals 
gegen  die  entzündliche  Entstehung  dieser  Adhäsionen  aussiDrachen, 
so  hat  doch  immer  mehr  die  Anschauung  festen  Fuss  gefasst, 
dass  diese  abnormen  Verklebungen  und  ^’'erwachsungen  der  Becken- 
organe untereinander  die  Folge  von  Tubenkatarrhen  sei  und  dass 
' diese  Adhäsionsbildung  sekundär  grossen  Einfluss  auf  die  Gestal- 
tung und  Lage  insbesonders  der  Gebärmutter  und  ihrer  Anhänge 
I nehmen  müsse.  So  trat  denn  auch  G.  Veit  mit  ziemlicher  Be- 
stimmtheit dafür  ein,  dass  bei  der  Entstehung  der  Tuboovarial- 
cysten der  Katarrh  der  Tube  und  des  F ollikels  den  Ausgangspunkt 
bilde,  so  zur  Verlötung  beider  Nachbarorgane  führe  und  es  erst 
, sekundär  zu  einer  Kommunikation  zwischen  den  sich  bildenden 
Säcken  komme.  Diese  sog.  »Katarrhtheorie«  von  Veit  bildete 
nunmehr  die  Grundlage  für  alle  weiteren  Untersuchungen  in  dieser 
Richtung. 

Ich  unterlasse  es,  alle  seither  über  diesen  Gegenstand  er- 
schienenen kasuistischen  Mitteilungen  aufzuzählen.  Dieselben  sind 
allerdings  nicht  zahlreich,  immerhin  häufen  sie  sich  in  der  letzten 
* Zeit,  seitdem  man  diesen  Gebilden  mehr  Aufmerksamkeit  zuge- 
^ wendet  und  gelernt  hat,  auch  kleinere  Geschwülste  der  Gebärmutter- 
anhänge, ohne  grosse  Gefahren  für  die  Trägerin,  zu  entfernen.  — 
Ich  will  in  dem  Folgenden  nur  jene  herausgreifen,  welche  ent- 
/ weder  genauere  anatomische  Details  oder  Momente  brachten,  die 
: für  die  Genese  der  Tuboovarialcysten  verwertbar  erscheinen.  — 

' Desgleichen  übergehe  ich  einige  ganz  alte  Publikationen.  Die  sehr 
schwierige  Beschaffung  dieser  Litteratur  steht  in  keinem  Verhältnisse 
' zu  dem  daraus  \Trwertbaren.  Die  Beschreibungen  der  Präparate 
j sind  zumeist  vollkommen  unzulänglich  und  soGel  sie  ausnutzbar 
I erschienen,  sind  dieselben  in  der  gleich  zu  besprechenden  Arbeit 
von  Burnier,  in  der  die  gesamte  Litteratur  bis  1880  zusammen- 
gestellt ist,  in  Betracht  gezogen  worden. 


*)  Monatsschr.  f.  Geb. -Kunde,  18b”2,  19.  Bd.,  p.  472. 


398 


Alfons  von  Rosthorn. 


Schröder,  ohenbar  nicht  befriedigt  durch  die  bis  damals 
gangbaren,  genetischen  Erklärungen,  liess  dieses  Thema  in  jenem 
Jahre  durch  ßurnier  neu  und  grundlegend  bearbeiten,  resp. 
auf  Grund  von  sorgfältiger  anatomischer,  und  zw.  auch  mikro- 
skopischer Untersuchung  eines  durch  Operation  gewonnenen  Prä- 
parates eine  eigene  Theorie  für  die  Entstehung  der  Tuboovarial- 
cysten  aufstellen,  die  seither  in  alle  Lehr-  und  Handbücher  auf- 
genommen wurde. 

Ich  kann  anderen  nicht  beistimmen,  wenn  sie  behaupten, 
dass  diese  Erklärungsart  Sehr  öd  er ’s  eine  so  komplizierte,  ge- 
künstelte sei.  Sie  unterscheidet  sich  auch  nur  in  Wenigem  von 
anderen  Theorien.  Stets  wird  von  ihm  die  überstandene  Perime- 
tritis als  Grundlage  für  die  Entstehung  dieser  Anomalie  (wie  von 
anderen)  angesehen.  Er  stützt  seine  Lehre  doch  im  Wesen  auf 
die  Veit 'sehe  und  verwirft  jene  Richard ’s. 

Als  gekünstelt  kann  nur  das  Auseinanderweichen  der  schon 
verwachsenen  Fransen  des  Pavillons  bezeichnet  werden.  Doch  die 
Beobachtungen,  wie  die  Atresie  der  Eileiter  zu  stände  kommt, 
und  jene  Fälle,  bei  welchen  noch  flottierende  Fimbrien  im  Cysten- 
raume vorgefunden  wurden,  lassen  jene  Annahmen  nicht  von  vorn- 
herein zurück  weisen. 

Das  Zustandekommen  einer  Kommunikation  erklärt  Burnier 
folgendermassen : Die  regelmässige  Folge  der  Perimetritis  sei  der 
Verschluss  des  Ostium  abdominale  tubae.  Derselbe  geschehe  so, 
dass  die  Fimbrien,  da  sie  nicht  mit  ihrer  Cylinderepithelfläche 
verwachsen  können,  umgestülpt  werden  und  sich  mit  ihren  Serosa- 
flächen  aneinanderlegen.  Dadurch  komme  es  zur  Anstauung  des 
Tubensekretes,  zur  Bildung  einer  Hydrosalpinx.  Bei  Steigerung 
der  Sekretion  entwickle  sich  ein  grosser  cystischer  Tubensack.  — 
Durch  die  Perimetritis  war  aber  zugleich  auch  eine  Anlötung  des 
Pavillons  an  die  Oberfläche  des  Eierstockes  gegeben ; befindet  sich 
nun  an  dieser  Verwachsungsstelle  ein  reifer  Follikel,  so  wird  dessen 
Platzen  unmöglich  gemacht  und  dadurch  die  Entstehung  eines 
Hydrops  folliculi  gefördert,  bei  dessen  zunehmender  Ausdehnung 
das  übrige  Eierstocksgewebe  immer  atroiDhischer  wird  und  endlich 
dem  vollkommenen  Schwunde  anheimfallen  kann.  Bei  dieser 
Ausdehnung  kommt  die  Oberfläche  der  Cyste  in  weiterem  Um- 
fange mit  dem  angewachsenen  Tubensacke  in  Berührung.  Die 
trennende  Wand  wird  bei  der  gesteigerten  Sekretion  immer  mehr 
gedehnt,  verfällt  endlich  der  Resorption  und  die  Kommunikation 
ist  in  einem  bestimmten  Masse  hergestellt.  Die  Fimbrien  werden 
aber  bei  diesem  Prozess  wieder  frei,  kehren  in  ihre  alte  Lage 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Tubo-Ovarial-Cysten. 


399 


zurück  und  kommen  dadurch  in  die  Flüssigkeit  des  hydropischen 
Follikels  zu  flottieren.  Sie  legen  sich  durch  den  Druck  innerhalb 
der  nunmehr  gemeinsamen  Höhle  an  die  Innenfläche  der  Cysten- 
wand an,  verwachsen  mit  dieser  und  strecken  sich  entsprechend 
einem  noch  späteren  Wachstume  der  Follikularcyste  in  die  Länge, 
so  dass  sie  sich  manchmal  am  entgegengesetzten  Cystenpole  noch 
begegnen. 

Die  Fälle  Rokitansky ’s,  Hildebrandt’s  und  Hennig’s  bringt 
Burnier  nun  mit  seiner  Theorie  in  Einklang,  indes  er  die  übrigen 
Fälle  der  Litteratur  als  zu  wenig  genau  beschrieben  nicht  zu  ver- 
werten im  Stande  ist.  Der  einzige  Fall  von  Blasius  passt  nicht 
in  sein  Schema,  indem  bei  jenem  die  Fransen  an  die  Aussenseite 
der  Cyste  zu  liegen  kamen. 

Die  Folgezeit  brachte  eine  ganze  Reihe  wertvoller  Detail- 
beobachtungen, von  denen  ich  besonders  die  Dissertationen  von 
Wachsmuth,  Reboul,  Lober,  die  Archivarbeiten  von  Runge- 
Thoma  und  Schramm-Neelsen,  den  Vortrag  von  Kötschau, 
von  ausländischen  Publikationen  jene  von  Do  ran,  Griffith  und 
Terillon  erwähnen  möchte.  Alle  fügen  der  Beschreibung  eines 
bestimmten  Falles  kritische  Bemerkungen  über  die  bestehenden 
Theorien  und  eigene  Mutmassungen  über  die  Entstehung  der 
Tuboovarialcysten  an.  Fast  alle  sprechen  sich  vollkommen  über- 
einstimmend dahin  aus,  dass  diese  Gebilde  genetisch  auf  entzünd- 
liche Zustände  der  Gebärmutteranhänge  zurückzuführen  seien. 
Doran  legte  der  Londoner  pathologischen  Gesellschaft  eine  ganze 
Reihe  von  Präparaten  vor,  die  alle  Stadien  der  Umwandlung  von 
entzündeten  Gebärmutteranhängen  in  Tuboovarialcysten  erkennen 
Hessen  und  tritt  zum  Schlüsse  mit  aller  Energie  dafür  ein,  dass 
letztere  nur  auf  entzündlicher  Basis  entstehen,  eine  Ansicht,  welche 
auch  von  Lawson  Tait  geteilt  wurde.  — Griffith  kommt  auf 
Grund  seiner  Beobachtungen  zu  dem  Resultate,  dass  das  Primäre 
in  der  Regel  eine  entzündliche  Fixation  des  Tubentrichters  an  den 
Eierstock,  die  Erweiterung  des  Eileiters  und  Cystenbildung  im 
Eierstock  sekundäre  Vorgänge  darstellen.  In  dem  Falle  von 
R u n g e - T h o m a ist  der  Anteil  an  der  Cystenwandung  seitens  des 
Eierstockes  der  kleinere  und  entspricht  die  Kommunikationsöffnung 
nicht  dem  Ostium  abdominale  der  Tube.  Auch  diese  Autoren 
nehmen  den  Verschluss  des  letzteren  als  das  Primäre,  den  Hy- 
drops tubae,  die  Verlötung  dieses  mit  dem  Ovarium  und  die 
consecutive  Entwickelung  einer  Follikularcyste  als  das  Sekundäre 
an.  Terillon  führt  in  seinem  interessanten  Falle  die  Entstehung 
der  einen  Zeigefinger  durchlassenden  Kommunikationsöffnung  auf 


400 


Alfons  von  Kosthorn. 


Durchbruch  von  \"egetationen  der  Ovarialcyste,  analog  den  Beob- 
achtungen Sin  ety ’s,  zurück.  Für  andere  Fälle  möchte  er  die  Er- 
klärungsweise Rokitansky ’s,  wie  selbe  auch  Spencer  Wells 
in  seinem  bekannten  Werke  über  die  Eierstockserkrankungen  accep- 
tiert  hat,  aufstellen,  und  so  die  Entstehung  der  Tuboovarialcysten 
mit  der  Entwickelung  der  Corpusluteumcyste  in  Verbindung  bringen. 

Gegen  die  Burnier’sche  Lehre  kehren  sich  fast  alle  Forscher, 
die  sich  mit  dem  Studium  einzelner  Fälle  beschäftigt  haben,  ganz 
besonders  in  neuerer  Zeit  Kö tschau  und  Schramm-Neelsen. 
Ersterer  nimmt  auch  an,  dass  in  dem  von  ihm  beschriebenen  Falle 
die  Cyste  sich  nach  Verschluss  des  Ostium  abdominale  tubae  ge- 
bildet hat.  Gleichzeitig  liegen  Reste  entzündlicher  Vorgänge  vor. 
Die  Fimbrien  sind  fast  ganz  geschwunden,  nur  in  Andeutungen 
erhalten.  Für  die  komplizierte  und  gewagte  Hypothese  Burnier’s 
müsse  die  Präexistenz  einer  fötalen  oder  acquirierten  Ovarialtube 
vorausgesetzt  werden.  Wertvoll  aus  seinem  Befunde  ist  der  Nach- 
weis von  Muskelfasern  in  den  Residuen  der  Fimbrien.  Aufschluss 
über  die  Genese  gewinnen  wir  aus  seinem  Vortrage  aber  auch 
nicht.  — So  ganz  einfach  und  gleichartig  gestaltet  sich  der  Vor- 
gang nicht,  wie  dies  aus  der  nachfolgenden  Darstellung  erhellen  soll. 

In  den  Fehler,  für  die  Entwicklung  aller  Fälle  den  ganz 
gleichen  genetischen  Modus  vorauszusetzen,  verfallen  auch  Schramm 
und  Ne  eisen.  Sie  stellen  am  Schlüsse  ihrer  kurzgefassten  Dar- 
stellung der  klinischen  und  anatomischen  Verhältnisse  folgenden 
Satz  auf:  »Wir  glauben  es  aussprechen  zu  dürfen,  dass  alle  in 
neuerer  Zeit  beobachteten  und  genau  beschriebenen  Tuboovarial- 
cysten in  ihrer  Entstehung  gl  ei  chm  äs  sig  durch  den  geschilderten 
Vorgang  erklärt  werden  können , dessen  Beschreibung  wir  kurz 
in  folgende  Worte  zusammenfassen:  Eine  Tuboovarialcyste , d.  h. 
eine  Cyste,  deren  Wandung  zum  Teile  aus  Tubenschleimhaut,  zum 
Teile  aus  Ovarialgewebe  besteht,  bildet  sich,  wenn  bei  entzünd- 
lichem Tubenhydrops  das  periphere  Tubenende  infolge  einer 
Knickung  der  Tube  mit  klappenartigem  Verschlüsse  ihrer 
Höhlung  in  Gestalt  einer  von  der  übrigen  Tube  getrennten  Cyste 
erweitert  wird  und  mit  dem  Ovarium  verwächst,  durch  Schwund 
der  verdünnten  Tubenwandung  an  der  Verwachsungsstelle.« 

Durch  allmähliche  Erweiterung  des  Cystensackes  der  Tube 
wh’d  nach  Schramm-Neelsen  auch  das  Ovarium  ausgezerrt  und 
kann  schliesslich  so  platt  der  Aussenfläche  der  hydropischen  Tube 
anliegen,  dass  es  als  solches  kaum  mehr  kenntlich  ist.  Der 
grosse  Hohlraum,  dessen  Wandung  von  den  Rudimenten  der  Fim- 
brien innen  austapeziert  ist,  wäre  demnaeh  stets  nur  Tube.  Vom 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Tubo-Ovarial-Cysten. 


401 


Ovarium  können  eventuell  später  cystisch  entartete  Follikel  in 
denselben  perforieren.  Die  starke  Ausdehnung  des  ampullären 
Tubenabschnittes  sei  durch  eine  Knickung  bedingt. 

So  bescheiden  der  Schlusssatz  dieser  beiden  Autoren  aucli 
abgefasst  ist,  so  lässt  er  sich  doch  leicht  anfechten  und  durch 
Präparate  widerlegen.  Das  Anfechtbare  liegt  in  dem  Generali- 
sierungsprinzipe.  Dass  nach  jenem  Modus  Tuboovarialcysten  ihre 
Entstehung  nehmen  können,  ist  nicht  anzuzweifeln.  • 

Ich  möchte  bei  dieser  Gelegenheit  mit  Rücksicht  auf  diese 
Erklärungsart  nur  anführen,  dass  die  auch  bedeutende  hydropische 
Ausdehnung  des  ampullären  Tubenabschnittes  durchaus  nicht 
immer  die  Form  und  Lage  des  Eierstockes  zu  beeinflussen  braucht. 
Im  Gegenteile : nicht  nur  bei  kleinen  Hydrosalpinxformen,  sondern 
auch  bei  den  mächtig  aufgetriebenen,  hydropischen  Tubensäcken 
bis  zu  Kindskopfgrösse  lässt  sich  zumeist  der  Eierstock  in  Form 
und  Lage  als  unverändert  nachweisen. 

Es  erscheint  ferner  bei  der  Schramm-Neelsen’schen  An- 
nahme das  vollständige,  gieichmässige  Aufgehen  des  Eierstockes 
in  der  Tubensackwandung,  ohne  dass  an  der  Konfiguration  der 
Cyste  h’gend  etwas  bemerkbar  wäre,  was  auf  die  ursprünglich 
seitliche  xVnlagerung  des  Eierstocks  hinweisen  würde,  auffallend. 

Andrerseits  wissen  wir  wohl  auch,  welchen  Grad  von  Dünn- 
heit die  Wandung  einer  Follikelcyste  erreichen  kann.  Sie  kann 
vollkommen  jener  beim  Hydrosalpinx  gleichkommen,  so  dass  es 
dann  sogar  schwer  werden  kann,  selbst  mit  dem  Mikroskope  eine 
Entscheidung  mit  Rücksicht  auf  die  Genese  der  Cystenwandung 
zu  treffen.  — Das  Epithel  kann  bei  beiden  zu  einem  platten  ge- 
worden sein,  die  charakteristischen  Befunde  einer  Muskelschichte, 
einer  ovigenen  Schichte  können  fehlen  und  der  histologische  Be- 
fund uns  so  im  Stiche  lassen. 

Höchst  wertvoll  erscheint  mir  die  der  letzten  Zeit  entstam- 
mende Beobachtung  Gottschalk ’s.  Dieser  demonstrierte  am 
13.  März  des  vorigen  Jahres  in  der  Berliner  geburtshilflichen  Ge- 
sellschaft eine  einkämmerige , orangegrosse  Cyste,  welche  in  ihrer 
dünnen  Wandung  vom  eigentlichen  Eierstocksgewebe  nichts  mehr 
auffinden  liess.  In  diese  ragte  die  Ampulle  des  nur  wenig  ver- 
änderten Eileiters  hinein  und  zwar  so,  dass  dieselbe  wie  von 
der  Cystenwand  umschnürt  erschien , auch  thatsächlich  von 
dieser  von  aussen  rings  umwachsen  war.  Die  Fimbrien  waren 
auch  hier  in  die  Ovariencyste  hineingeschlagen.  — Man  muss  für 
diesen  Fall  Gottschalk  vollkommen  beistimmen,  wenn  er  an- 
nimmt, dass  hier  das  Primäre  nicht  in  der  Erkrankung  des  Ei- 

•2t) 


402 


Alfons  von  Eosthorn. 


leiters  gesucht  werden  kann,  und  er  für  diese  Formen  die  Erklä- 
rung von  Schramm-Neelsen  unbedingt  verwirft. 

Auf  Grund  des  Vor  aus  ge  schickten  lässt  sich  fol- 
gendes nun  übereinstimmend  feststellen: 

1)  In  allen  sorgfältiger  beobachteten  Fällen  von  Tuboovarial- 
cysten  wurde  das  Vorhandensein  von  Perimetritis  resp.  von  Re- 
siduen einer  abgelaufenen,  umschriebenen  Entzündung  des  Becken- 
bauchfells, die  sich  in  Form  von  Adhäsionen  und  Verwachsungen 
der  einzelnen  Organe  des  Beckens  untereinander  manifestieren, 
nachweisen. 

2)  Es  lässt  sich  daher  die  Entstehung  jener  Gebilde  immer 
auf  entzündliche  Vorgänge  des  Beckenbauchfells  und  der  Gebär- 
mutteranhänge  zurückführen.  Ob  das  Primäre'  in  einer  Erkran- 
kung der  Eileiter,  das  Sekundäre  in  jener  des  Bauchfells  und  des 
Eierstocks  zu  suchen  ist,  lässt  sich  nach  den  gemeinsamen  Be- 
obachtungen nicht  mit  absoluter  Sicherheit  feststellen,  aber  nach 
unseren  heutigen  Erfahrungen  als  das  AVahrscheinlichste  anneh- 
men. Damit  erscheint  dieVeit’sche  Theorie  allgemein  acceptiert. 

3)  In  allen  Fällen  fanden  sich  die  Reste  der  Fransen  und 
Falten  des  Pavillons  an  der  inneren  Fläche  der  Cyste  vor.  Die 
einzige  Ausnahme  bildet  der  Fall  von  Blasius.  Da  jener  Beobach- 
tung sämtliche  sorgfältig  beschriebenen  Fälle  der  letzten  Jahr- 
zehnte entgegengehalten  werden  können,  so  ist  ein  Zweifel  an  deren 
Richtigkeit  berechtigt.  Diese  Lage  der  Fimbrienreste  kann  nur 
so  erklärt  werden,  dass  in  die  geplatzte  Eierstockscyste  durch  die 
Rissstelle  der  Pavillon  des  schon  vorher  angelöteten  Eileiters  in  die 
Höhle  des  ersteren  hineingeschlüpft  ist  oder  so,  dass  der  hoch- 
gradig erweiterte  Eileiter  mit  der  Cyste  derart  in  Kommunikation 
getreten  ist,  dass  beide  Hohlräume  ineinander  übergehend  eine 
Abgrenzungslinie  nicht  mehr  erkennen  lassen,  die  verbindende 
Lücke  die  A¥eite  des  ganzen  Cavums  erreicht  hat. 

4)  Nur  betreffs  der  Entstehungsart  der  Kommunikation  stehen 
sich  zwei  Ansichten  gegenüber.  Die  einen  nehmen  eine  Perfo- 
ration der  trennenden  Membran  durch  Druckatrophie  an;  die  an- 
dern das  Hineinschlüpfen  des  Pavillons  in  den  geplatzten  Follikel. 

Ich  glaube,  dass  es  richtig  ist  anzunehmen,  dass  Tuboova- 
rialcysten  auf  beide  Arten  ihre  Entstehung  nehmen  können,  möchte 
aber,  wie  schon  eingangs  erwähnt,  die  letztere  Erklärung  mehr 
hervorgehoben  wissen.  Die  Beobachtungen  R o k i t a n s k y ’s,  Gott- 
schalk’s  und  endlich  der  von  mir  im  folgenden  unter  Nr.  5 be- 
schriebene Fall  sprechen  unzweifelhaft  für  diesen  Alodus  der  Ge- 
nese. Man  kann  sich  nun  vorstellen,  dass  dies  nur  Anfangsstadien 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Tubo-Ovarial-Cysten. 


403 


seien.  Im  weiteren  Verlaufe,  bei  langem  Bestände  kann  daraus 
ein  Stadium  resultieren,  welches  das  typische  Verhalten  des  Hydrops 
ovariotubaris  zeigt,  ganz  analog  wie  aus  einer  entzündlich  affizierten 
, Tube  mit  dickeren  Wandungen  schliesslich  die  dünnwandige  Blase 
des  Hydrosalpinx  infolge  von  Druckatrophie  werden  kann.  Damit 
wären  dann  alle  Schwierigkeiten  der  Erklärung  des  Umstandes, 
wie  die  Fimbrienreste  an  die  Innenfläche  der  Ovariencyste  zu  liegen 
kommen,  ein  für  allemal  beseitigt. 

Ich  habe  schon  in  Bonn  gelegenthch  meiner  Demonstration 
darauf  hingewiesen,  dass  unter  dem  Sammelnamen  »Tuboovarial- 
cyste«  morphologisch  ganz  ungleichwertige  Formen  zusammen- 
geworfen worden  sind,  so  dass  zunächst  in  anatomischer  Beziehung 
eine  Sichtung  notwendig  ist. 

Man  muss  einen  weiteren  und  engeren  Begriff  für  alles  das, 
was  unter  jener  Bezeichnung  geführt  wird,  aufstellen.  Danach 
setzt  man  für  ersteren  nur  überhaupt  eine  Kommunikation  zwischen 
einem  Hohlraum  im  Eierstocke  mit  der  Eileiterlichtung  voraus. 
Für  letzteren  muss  als  Bedingung  angenommen  werden,  dass  an 
dem  Aufbau  der  Cyste  sowohl  Eierstock  als  Eileiter  thatsächhch 
teilnehmen , der  gemeinsame  Hohlraum  demnach  sowohl  vom 
cystisch  veränderten  Eierstock  als  von  der  Tubensackwandung 
begrenzt  werde  und  das  Ganze  den  Eindruck  nur  einer  Cyste 
gewähre. 

Meiner  Ansicht  nach  wären  in  die  I.  Gruppe  (also  Tubo- 
0 varialcy sten  im  weiteren  Sinne)  der  Genese  nachfolgende 
Formen  einzureihen: 

1)  Schwere  Gonococcen-  oder  Streptococcen-Salpingitis,  conse- 
cutiv  Perisalpingitis,  Atresie  der  Tube:  Pyosalpinx.  Gleichzeitig 
Oophoritis,  Pyovarium,  Perioophoritis.  — Endlich  Perforation 
der  Scheidewand  zwischen  den  beiden  Eiterhöhlen  infolge  eitriger 
Einschmelzung  jener.  — (Eigene  Beobachtung,  Fälle  von  Martin, 
Ortmann  u.  s.  w.) 

2)  Echte,  glanduläre  Ovarialcyste  (Waldeyer).  Vereiterung  des 
Inhalts  durch  Infektion  auf  dem  Wege  der  Blutbahn.  Perioopho- 
ritis mit  Anlötung  des  Pavillons  und  konsekutiver  Atresie  der  Tube. 
Hydrops  tubae.  Perforation  der  Cyste  in  den  Tubensack.  Entlee- 
rung des  Cysteninhaltes  durch  Eileiter  und  Gebärmutter  nach 
aussen.  Klinische  Erscheinungen  des  Hydrops  ovarii  profluens. 
(Eigene  Beobachtung,  Hildebrandt,  Olshausen.) 

3)  Echte  Ovarialcyste  mit  papillären  Excrescenzen.  Diese 
letzteren  durchbrechen  die  Cystenwandung  an  einer  Stelle,  an  der 
die  hydropische  Tube  an  der  Oberfläche  des  Eierstocks  angewachsen 


404 


Alfons  von  Rosthorn. 


war.  Herstellung  einer  Kommunikation  zwischen  beiden  Hohl- 
räumen, Wucherung  der  Excrescenzen  in  die  Eileiterlichtung.  (Fall 
Terill  on’s.) 

In  die  II.  Grupj^e,  also  eigentliche  Tuboovarial- 
cy steil  im  engeren  Sinne  des  Wortes,  wären  zu  stellen: 

1)  Jene  Fälle,  bei  denen  ein  Hydrops  tubae  mit  einem  Hy- 
drops folliculi  in  Verbindung  getreten  ist.  Der  Genese  nach  pri- 
märe Perimetritis,  die  zur  Atresie  der  Tube  und  Anlötung  des 
Pavillons  an  die  Oberfläche  des  Eierstockes  führt.  Hydrops  tubae 
als  Folge.  Durch  die  gleichzeitig  vorhandene  Perioophoritis  Hy- 
drops folliculi.  Druckatrophie  der  dünnen  Scheidewand  an  der 
Verlötungsstelle,  allmähliche  Erweiterung  jener  Kommunikations- 
öflnung,  deren  Lage  aussen  als  Ringfurche  angedeutet  bleiben 
kann.  — (Hydrops  ovariotubaris  Hennig’s.)  (Eigene  Beobachtungen. 
Fälle  von  Griffith,  Runge-Thoma,  Schramm-Neelsen,  Kötschau, 
Burnier,  Doran.) 

2)  Gelegentlich  des  Ovulationsprozesses  schlüpft  die  vorher 
katarrhalisch  erkrankte  Tube  in  den  geplatzten  Follikel.  Der 
Pavillon  verwächst  mit  der  Follikelwandung  und  es  entwickelt 
sich  eine  Corpusluteumcyste.  (Eigene  Beobachtung.  Fälle  von 
Rokitansky,  Klob,  Gottschalk.) 

Eigene  Beobachtungen. 

Zur  Gruppe  I.  1. 

1)  (Fig.  1.)^)  Linksseitige,  orangegrosse  Ovarialcyste  von  runder 
Gestalt  und  glatter  Oberfläche.  Das  untere  Ende  des  grossen  Netzes 
an  die  vordere  Fläche  der  Cyste  angewachsen.  Wandung  bis  6 mm 
dick,  derb,  fibrös,  Ovarialgewebe,  zahlreiche  plattgedrückte  Fol- 
likel. Die  Innenfläche  rauh.  Die  eigentliche  Cystenwand  dünn, 
von  dem  dieselbe  umgebenden  Eierstocksgewebe  leicht  ablösbar. 
An  einzelnen  Stellen  der  Innenfläche  nischenartige  Vertiefungen 
und  Buchten  («).  In  einer  derselben  eine  stecknadelkopf grosse 
Perforationsöflnung  (p).  lieber  diese  Cyste  nun  verläuft  im  Bogen, 
mit  mehrfachen  Windungen,  der  schön  geblähte,  geschlossene  Ei- 
leiter. Dessen  atretisches  Bauchfellende  steht  durch  jene  oben 
erwähnte  Perforationsöffnung  mit  dem  Hohlraume  der  Cyste  in 
Verbindung.  Bei  leisem  Druck  auf  die  Tube  schwillt  die  Cyste 
an  und  umgekehrt.  Der  Inhalt  beider  kommunizierender  Räume 


')  Sämtliche  Präparate  stammen  aus  der  Klinik  oder  Privatpraxis  des  Herrn 
Prof.  Chrobak. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Tubo-Üvarial-Cysten. 


405 


ist  dünner  Eiter.  Die  Eileiterwandung  verdickt.  Die  Verände- 
rungen analog  jenen  bei  Pyosalpinx. 

Es  handelt  sich 
hier  demnach  um  ei- 
nen Eiterungsprozess, 
der  zur  Perforation  der 
Zwischenwand  und  so 
zu  dieser  abnormen  Ver- 
bindung geführt  hat. 

2)  (Fig.  2.)  Echter 
Pyosalpinx  und  Pyova- 
rium. Perforation  infolge 
des  Eiterungsprozesses. 

Die  Kommunikations- 
Öffnung  bedeutend  wei- 
ter als  im  vorigen  Falle. 

Der  kranke  Eileiter  und 
der  gleichzeitig  er- 
krankte Eierstock  sind 
durch  den  auf  das 
Beckenbauchfell  über- 
greifenden, schweren 
Entzündungsprozess  zu  einer  untrennbaren  Masse  verbunden,  ein 
bei  der  ascendierenden  G-onorrhoe  ausserordentlich  häufiger  Be- 
fund. Die  Wandungen  des 


Fig.  1.  Die  Cyste  aufgeschnitten , um  Einblick  zu 
gewähren.  — Erklärung:  tu—  uterines  Tubenende, 
ta  = abdominales  Tubenende,  cw  = Cystenwandung 
mit  Follikeln,  n = die  besprochene  Nische,  p = Per- 
f or  ati  on  söft'nu  n g. 


Eileiters  hochgradig  verdickt, 
sclero tisch ; die  Schleimhaut, 
besonders  im  abdominalen  Ab- 
schnitt zerstört,  einer  Abscess- 
membran  ähnlich.  (Salpingitis 
interstitialis.)  Schwere  Pelveo- 
peritonitis. 

Ich  unterlasse  es , eine 
weitere  Zahl  von  Beobachtun- 
gen dieser  Art  hier  anzuführen, 
wie  solche  bei  der  heute  aus- 
geführten Menge  von  soge- 
nannten Adnexoperationen 
nicht  schwierig  zu  gewinnen 


sind,  mid  begnüge  mich  da- 
mit, diese  beiden, 
angeführt  zu  haben. 


Fig.  2.  Längsschnitt  durcli  das  betreffende 
Präparat,  t = Tube.  Ov  = Ovarium.  c = 
Follikelcyste,  etwas  platt  gedrückt,  p = Per- 
forationsöffnung. 

ziemlich  typisch  wiederkehreiulen  Befunde 


406 


Alfons  von  Rosthorn. 


Fig.  3.  Einmündung  der  Tube  in  die  rechtseitige  Ovarialcyste.  Gitterartiges 
Aussehen  der  Cysteninnenfläche.  Strahlenfigur  der  innen  ausgebreiteten  Fimbrien. 


Zur  Gruppe  I,  2. 

3)  Beiderseits  über  kindskopfgrosse  Ovarialcysten 
mit  dem  amputierten,  myomatösen  Uterus. 

Die  Cystenwand  derb,  aus  fibrösem  Gewebe  aufgebaut,  1 mm 
dick.  Die  Innenfläche  sehr  uneben,  rauh,  von  grubigen  Vertiefungen 
unterbrochen,  welche  dem  Ganzen  ein  gitterartiges  Gepräge  ver- 
leihen und  auf  abgelaufene  Entzündungen  der  Cystenwand  hin- 
weisen.  Das  Ligamentum  ovarii  beiderseits  erhalten.  Das  Par- 
ovarium  durch  Pseüdomembranen  gedeckt,  nur  auf  einer  Seite  im 
durchfallenden  Lichte  erkennbar.  Die  Aussenfläche  der  Cysten 
von  einem  Strickwerk  von  zerrissenen  Adhäsionen  bedeckt. 

Beide  Eileiter  gestreckt  verlaufend,  nur  der  linke  die  Normal- 
länge um  2 cm  überschreitend.  Lichtung  desselben  bedeutend 
erweitert,  stellenweise  3 cm  Umfang.  Uterinenden  ziemlich  nor- 
mal, die  Erweiterung  allmählich  gegen  das  Bauchfellende  zuneh- 


Beiträge  zur  Kenutiiis  der  Tubo-Ovarial-Cysten. 


407 


mend,  so  dass  der  linke  Eileiter  unmittelbar  vor  Einmündung  in 
die  Cyste  5 cm  Umfang  gewinnt.  Dicke  der  Wandung  bis  zu 
2 mm.  Die  Schleimhaut  wenig  geschwellt,  die  Farbe  derselben  im 
Alkoholpräparat  noch  einen  Stich  ins  Gelbliche  zeigend,  die  Falten 
leistenförmig,  stark  vorspringend. 

Die  Einmündung  der  rechten  Tube  in  den  Cystenraum  (Fig.  3) 
in  Form  eines  Querspaltes  von  V/-i  cm  Breite.  Ausbreitung  der  Fim- 
brien schön  radiär,  strahlenförmig  an  der  Innenwand  der  Cyste. 
Zwischen  den  stark  vorspringenden,  bis  zu  2 cm  langen  Resten 
der  Fimbrien  narbig  aussehendes,  starres  Gewebe  der  Cystenwand, 
wodurch  sich  erstere  noch  viel  schärfer  abheben  und  auch  farblich 
contrastieren.  Einmündung  der  linken  Tube  in  die  Cyste  (Fig.  4) 
dieser  Seite  fast  kreisrund.  Durchmesser  der  Oeffnung  3 cm.  Diese 
scharfrandig  begrenzt.  Schon  die  andere  Farbe  kennzeichnet  die 
Eileiterschleimhaut  von  der  rein  weissen,  glänzenden  Cystenwand. 
Erstere  hebt  sich  an  dem  Rande  in  gekräuselten  Falten  ab.  Die 
Fimbrienenden  ragen  umgekrempelt  in  das  Lumen  und  über  den 
Rand  vor. 


Fig.  4.  Einnüiiiduiig  der  linken  Tube  in  die  Cyste  mittels  scharf- 
randiger,  runder  Oeffnung. 

Es  ist  dieser  Fall  von  grossem  Interesse;  dass  unter  gleichen 
Verhältnissen  durch  den  gewiss  für  beide  Seiten  analogen  Prozess 
so  verschiedene  Kommunikationsöffnungen  geschaffen  wm’den, 
muss  auf  fallen.  Dass  Perforation  auf  der  linken  Seite  die  Ver- 
bindung hergestellt  habe,  erscheint  mir  als  nicht  anzweifelbar. 


408 


Alfons  von  Rosthorn. 


Zur  Gruppe  II,  1. 

4)  Eileiter  und  Eierstock  der  rechten  Seite  sind  zu  einer  gemein- 
samen Cyste  verbunden,  die  nahezu  die  Grösse  des  Kopfes  eines 
Neugeborenen  erreicht  hat.  Der  Eileiter  verläuft  von  der  Ab- 
tragungsstelle aus  eine  kurze  Strecke  ( — 8 cm)  ganz  gerade,  um 
sich  dann  im  Winkel  in  die  grosse  Cyste  einzusenken.  Derselbe 
zeigt  die  für  Hydrosalpinx  charakteristischen  Veränderungen,  nur 
ist  er  nicht  geschlängelt.  Seine  Wandungen  sind  papierdünn, 
durchscheinend ; seine  Höhle  erweitert  sich  allmählich  gegen  das 
Baue  ^feilende  zu.  Die  Schleimhaut  entsprechend  der  Atrophie 

der  gesamten  Wandung- 
zart  , stellenweise  kaum 
mehr  als  solche  kennt- 
lich, serosaähnlich,  in 
ihrer  Färbung  sich  unter- 
scheidend ; deren  Fal- 
tung verstrichen , oder 
nur  durch  schmale,  nie- 
dere,parallel  verlaufende, 
aber  auseinander  ge- 
rückte Leistchen  ange- 
deutet, Die  Einmündung 
in  die  Cyste  rundlich, 
weit,  scharfrandig.  Eine 
vorspringende  Leiste  deu- 

Fig.  5,  Das  Präparat  von  oben  gesehen,  tu  = uterines,  diese  Stelle  innen 

ta  = abdominales  Tubenemle.  o = Ovarialgea  ebe.  ■ schwache  Ring- 

11  = Ligamentum  latum.  (Abtragungsstelle.)  „ , 

lurche  aussen  an.  Die 
Fimbrien  als  solche  nicht  zu  entdecken,  deren  Reste  als  feine 
Ausläufer  an  der  Cysteninnenfläche  zu  finden.  Diese  Reste  präsen- 
tieren sich  teils  als  leistenartige  Gebilde,  welche  radiär  verlaufend 
die  Innenwand  austapezieren , teils  als  eigentümlich  sternartige 
Figuren,  teils  sind  sie  sehr  in  die  Länge  gezogen  und  durchqueren 
den  ganzen  Hohlraum  bis  zum  entgegengesetzten  Cystenpol, 
woselbst  sie  fixiert  sind.  (Fig.  (5.)  — Die  früher  beschriebene  vor- 
springende, halbmondförmige  Kante  entspricht  der  von  den  Autoren 
beschriebenen  Klappe  (Kö  tschau.  Schramm -Ne  eisen).  Der  An- 
teil, den  die  Eierstockscyste  an  dem  Aufbau  des  ganzen  Gebildes 
nimmt,  ist  der  weitaus  bedeutendere. 

Die  Oberfläche  der  weissen,  bläulich  schimmernden  Blase  ist 
glatt,  und  hat  an  mehreren  Stellen  kleine  Tochterblasen  auf- 
sitzen.  Die  Wandung  ist  in  der  Gegend  bei  o stark  verdickt  (Fig.  5). 


409 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Tnbo-Ovarial-Cysten. 


Hier  findet  sich  noch  Ovarialstroina  mit  einigen  kleinen  Follikel- 
cysten. 

Von  der  Seite  betrachtet  gewinnt  das  Gebilde  die  wiederholt 
beschriebene  Retortengestalt  und  zwar  würde  die  hydropische  Tube 


Fig.  6.  Das  auf  geschnittene  Bräjjarat  in  nat.  Gr.  Cyste  von  innen  gesehen  an  der 
Einmündnngsstelle  der  Tube,  ab  = scharf  vorspringende  Seite  an  der  Ueber- 
gangsstelle.  ff  = Reste  der  Fransen  des  Pavillons  an  der  Innenseite  der  Cyste. 


dem  Retortenhalse,  die  Cyste  der  eigentlichen  Retortenkugel  ent- 
sprechen. — 

Dieser  Fall  ist  sehr  analog  dem  von  Sehr amm-Neelsen 
beschriebenen  und  möchte  ich  auch  den  von  jenen  gegebenen 
Entstehungsmodus  für  denselben  beanspruchen.  — 

Doch  giebt  es  F"ormen  von  Hydrops  ovariotubaris,  die  ganz  das 
von  Kö  tschau  gezeichnete  Bild  wiedergeben  und  sich  nicht  in  die  von 
Schramm-Neelsen  als  typisch  bezeichnete  einreihen  lassen.  Solche 
habe  ich  melirfach  gesehen.  Sie  stellen  die  häufigste  Form  dar.  — 

Zur  Gruppe  II,  2. 

5 Wallnussgrosse  Corpus-luteum-Cyste  von  3 — 4 cm  Durch- 
messer mit  der  derben,  starren  Wand  von  3 mm  Dicke.  Die  Innen- 
fläche derselben  glatt  und  glänzend.  Von  dem  übrigen  Eierstocks- 
gewebe unterscheidet  sich  die  Cystenwand  auffallend.  Im  Stroma 
mehrere  Follikel  von  Erbsengrösse.  Die  nur  8 cm  lange  Tube  ist 
mit  der  Oberfläche  des  Eierstockes  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung, 
besonders  aber  durch  den  Ravillon  innig  verwachsen,  fast  ver- 

’)  Dieses  Präparat  verdanke  ich  dem  üäener  pathologischen  Institute, 
speziell  der  Güte  des  II  rn.  Prof.  Dr.  Richard  Pal  tauf,  Assistenten  am  obigen 
Institute. 


410 


Alfons  von  Rosthorn. 


schmolzen  zu  nennen.  Letzterer,  bildet  mit  dem  Eierstocksgewebe 
eine  kontinuierliche  Masse.  Die  Lichtung  derselben  mündet  mittels 
querovaler  Oeffnung  in  die  Cyste.  — Die  Uebergangsstelle  misst 
im  Umfange  ausgebreitet  2‘/2  cm.  — Die  Fransen  des  Pavillons 
ragen  über  die  Kante  herüber  in  die  Cystenhöhle  herein  und  sind 
starr,  unbeweglich  mit  der  Cystenw^and  verbunden.  Die  Fimbrien 
sind  kürzer  und  plumper  als  normal,  aber  in  ihrer  Form  noch  er- 
halten. Sie  bilden  an  der  Innenfläche  der  Cyste  eine  kontinuier- 
liche Krause,  deren  Rand  nur  an  einer  Stelle  durch  einige  ver- 
längerte und  weiter  hereinragende  Fransen  unterbrochen  ist.  Die 
Schleimhaut  des  Eileiters  ist  entzündlich  geschwellt,  die  übrigen 
Konstituentien  der  Eileiterwand  verdickt.  Die  Tube  zeigt  nur  in 
der  uterinen  Hälfte  einige  flache  Windungen.  Die  Einmündung 
in  den  Eierstock  erfolgt  in  schwachem  Bogen.  Die  Aussenfiäche 
der  miteinander  verwachsenen  Gebilde  sind  von  zahlreichen 
Adhäsionen  bedeckt.  Diese  sowohl,  als  die  Verschmelzung  beider 
Organe  zeugen  für  den  abgelaufenen,  schwer  entzündlichen  Prozess 
am  Bauchfellüberzuge  beider.  (Siehe  Tafel  VIII,  Fig.  1.)  Ich  habe  auf 
dieser  Tafel  Fig.  2 das  Durchshchnittsbild  einer  kleinen  Corpus- 
luteum-Cyste  in  Lupenvergrösserung  zur  Darstellung  gebracht. 

Um  zu  zeigen,  dass  die  Verhältnisse  nicht  immer  so  einfach  sich 
gestalten,  als  dies  einzelne  Forscher  meinen,  habe  ich  noch  die 
Beschreibung  eines  Präparates  angefügt,  dessen  Deutung  viele 
Schwierigkeiten  bereitet.  Schon  eine  klare  Darstellung  davon  zu 
geben,  fällt  nicht  leicht.  Ich  habe  mich  bemüht,  in  dem  folgen- 
den dieser  Aufgabe  so  gut  als  möglich  zu  entsprechen. 

6)  Es  findet  sich  zunächst  eine  ungefähr  mannsfaustgrosse, 
glatt-  und  dünnwandige  Eierstockscyste.  Ein  grosser  Teil  des 
Ovarialstromas  ist  in  Form  einer  plattgedrückten  Masse  in  der 
Cystenwandung  erhalten  und  verdickt  dieselbe  bis  zu  4 mm.  — 
Der  Inhalt  ist  wasserklar  serös.  Der  entsprechende  Eileiter  zeigt 
so  ziemlich  normale  Länge,  ist  in  der  uterinen  Hälfte  mehrfach 
gewunden  und  verläuft  in  schwachem  Bogen  über  die  Konvexität 
des  oberen  Cystenpols.  Derselbe  ist  im  ganzen  ödematös  aufge- 
quollen, die  Serosa  etwas  verdickt,  dunkelrot  injiciert.  Die  beträcht- 
liche Dickenzunahme  des  Eileiters  ist,  wie  der  Querschnitt  lehrt, 
hauptsächlich  durch  die  starke  Schwellung  und  Wulstung  der 
ebenso  hochgradig  geröteten  Scldeimhaut  bedingt.  Bei  dem  An- 
schneiden fiiesst  aus  der  Lichtung  dünnflüssiges,  eitriges  Sekret 
ab.  Desgleichen  bei  leisem  Druck.  Mesosalpinx  und  die  oberen 
Abschnitte  des  Ligamentum  latum  frei.  Parovarium  an  typischer 
Stelle  nachweisbar.  Das  Bauchfellende  des  Eileiters  ist  an  die 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Tul)0-üvarial-Cysten. 


411 


Oberfläche  der  Cyste  angelötet,  zum  Teil  aber  bei  der  Entfernung 
losgerissen.  Die  Anlötungsstelle  ist  als  ein  seichter  unebener  Trich- 
ter kenntlich,  in  dem  die  Reste  der  abgerissenen  Fransen  deutlich 
nachweisbar  sind.  Diese  letzteren  plump,  geschwollen,  und  sowie  die 
ganze  Umgebung  dieser  Stelle  dunkelrot  gefärbt.  Die  Serosa  von 
dünnen  Exsudatlamellen  bedeckt.  In  der  Tiefe  dieses  beschrie- 
benen Trichters  findet  sich  ein  linsengrosser  Defekt  der  Cysten- 
wandung, aus  welchem  eine  gefaltete  Membran  hervorsteht.  Die 
Ränder  dieser  Oeffnung  sind  narbig  verändert.  Unter  dem  Trich- 
ter ist  die  Cystenwandung  zu  einem  sehr  derben,  breiten  Ring 
umgewandelt,  dessen  Dimension  die  Grösse  eines  Silberguldenstückes 
erreicht  und  der  am  ehesten  einem  incarcerierenden  Bruchsack- 
ringe zu  vergleichen  wäre.  Durch  diese  Pforte  ragt  in  die  Cysten- 
höhle eine  zweite,  walnussgrosse,  vollkommen  runde  Cyste,  die 
prall  gespannt,  sehr  dünnwandig  und  an  der  glatten  Oberfläche 
von  feinen  Gefässen  durchzogen  ist.  — Dieser  kleine  cystische  Sack 
flottiert  frei  in  der  Höhle  der  grossen.  Bei  Druck  auf  ersteren 
entleert  sich  das  gleich  serös  eitrige  Sekret  wie  aus  dem  Eileiter. 
Wie  die  Abbildung  auf  Tafel  VIII,  Fig.  3 zeigt,  ist  dieser  Ring  hohl 
und  steht  dessen  Höhle  in  Kommunikation  mit  dem  kleinen  Cy- 
stencavum.  — Der  Wandung  dieses  Hohlringes  entlang  verlaufen 
fimbrienartige  Gebilde,  welche  sich  thatsächlich  bis  an  den  Pa\dl- 
lon  des  Eileiters  in  einem  Kanäle  der  Cystenwandung  verlaufend 
verfolgen  lassen.  Der  Lage  nach  entsprechen  diese  zweifellosen 
Fimbrien,  die  bedeutend  ausgezogen  erscheinen,  der  Fimbria  ovarica. 

Wie  jene  einzelnen  Hohlräume  miteinander  in  Verbindung 
stehen,  kann  nur  die  Zeichnung  erläutern,  woselbst  die  Verbin- 
dungen durch  Sonden  markiert  sind.  — 

Es  handelt  sich  hier  um  eine  ganz  eigentümliche  Verbindung 
von  Tube  und  Ovarium  und  um  eine  Cyste  in  einer  Cyste.  Einen 
Einblick  in  den  Zusammenhang  dieser  verwickelten  ^"erhältnisse 
zu  gewinnen  ist  mir  und  einer  Reihe  von  Kollegen,  die  sich  das 
Präparat  sehr  eingehend  besehen  haben,  nicht  gelungen.  — 

Zur  Entstellung  der  Atresie  der  Tuben. 

Mit  Rücksicht  auf  die  Lehre  Burnier’s  war  ich  bemüht,  mir 
selbst  Klarheit  darüber  zu  verschaffen,  wie  der  Verschluss  der 
Eileiter  zu  Stande  kömmt.  Rollen  sich  die  Fransen  thatsächlich 
so  ein,  um  erst  durch  Berührung  ihrer  Serosaflächen,  wie  dies 
Bur  liier  beschreibt,  miteinander  zu  verwachsen? 

Bei  der  Durchsicht  einer  grossen  Zahl  atretischer  Eileiter 
liess  sich  folgendes  feststellen: 


412 


Alfons  von  Eostborn. 


1.  Die  Fixation  der  Tube  ans  Ovarium  geschieht  durchaus 
nicht  immer,  wie  man  dies  vermuten  sollte,  mittels  des  Pavillons. 
Der  letztere  bleibt  trotz  hochgradiger  Perisalpingitis,  Periophoritis 
und  schwerer  Veränderungen  in  der  Eileiterwandung  häufig  ganz 
frei.  In  den  die  Tube  umhüllenden  Entzündungsprodukten  ist  eine 
Lücke  geblieben,  durch  welche  die  Fimbrienenden  gleich  einer 
Rosette  hervorragen,  wie  dies  die  nebenanstehenden  Abbildungen 
am  besten  versinnlichen  dürften. 


Fig.  7.  t = Tube.  Ov  = Ovarium.  oa  = ostium  abdominale 
tubae  mit  den  rosettenartig  bervorragenden  Fimbrien. 

Der  Eileiter  ist  wohl  an  den  Eierstock  angewachsen,  nur  sein 
äusserstes  Ende  mit  dem  Pavillon  ist  frei. 

Die  Neomembranen,  welche  als  Residuen  des  Exsudates  den 
Eileiter  wie  mit  einer  Kappe  überkleiden,  enden  mit  einem  scharfen 
Rande  am  Fimbriensaume. 

Angaben  über  diese  Verhältnisse  kann  ich  aus  der  Litteratur 
nur  wenige,  welche  jedoch  mit  meinen  Beobachtungen  vollkom- 
men übereinstimmen,  anführen.  Rokitansky  spricht  sich  in 
dem  Kapitel  »Erworbener  Verschluss  des  Ostium  abdominale 
tubae«  seines  Lehrbuches,  das  für  jeden  noch  immer  eine  un- 
erschöpfliche Fundgrube  der  schärfsten  Beobachtungen  darbietet, 
darüber  folgendermassen  aus : »Die  Verwachsung  des  gefransten 
Randes  des  Ostium  geschieht  von  der  Peritonealfläche  her,  so  dass 
die  Fransen  einwärts  gestülpt  und  das  Tubenende  abgerundet  und 
aussen  glatt  erscheint.  Dabei  ist  die  Tube  gemeinhin  in  einer 
regelwidrigen  Lage  durch  Adhäsionen  fixiert  (jDseudomembranöse 
Adhäsion).«  — Als  ätiologisches  Moment  für  die  Anomahen  dieser 
Verbindung  nennt  er  puerperale  Peritonitis,  anomale  Reifungs-  und 
Ovulationsvorgänge  im  Eierstock  und  Tubenkatarrh. 

Klebs  beschreibt  jenen  Befund  in  seinem  Lehrbuche  der 
pathologischen  Anatomie  auch  ziemlich  analog:  »Der  ausgefranste 
Rand  der  Tubenmündung  hat  eine  gewisse  Neigung  zu  selbstän- 
diger Erkrankung,  die  mit  Cirkulationsstörungen  zusammenhängt. 


Beiträge  /Air  Kenntnis  der  Tubo-Ovarial-Cysten. 


413 


Auf  diese  Lokalität  beschränkte  Entzündungen  sind  häufig.  Der 
freie  Tubenrand  erscheint  dann  eingeschnürt  durch  bindegewebige 
Neubildungen  der  serösen  Fläche,  die  Oelfnung  verengert  oder 
auch  verschlossen,  die  Fimbrien  selbst  in  die  Höhlung  eingestülpt. 
In  anderen  Fällen  verwächst  der  Ring  der  Fimbrien  mit  den 
Nachbarteilen,  namentlich  mit  der  Oberfläche  der  Ovarien,  wenn 
dieses  gleichzeitig  erkrankt  ist.« 

Endlich  äussert  sich  Kl  ob  in  ganz  gleicher  und  bestimmter 
Weise:  »Der  Verschluss  des  Abdominalostiums  ist  die  häufigste 
erworbene  Atresie  der  Tube,  und  entwickelt  sich  entweder  aus 
einem  Tubar-Catarrh,  der  auf  das  Peritoneum  übergreift,  oder  aber 
aus  einer  Peri-oophoritis  oder  Pelveoperitonitis.  Dabei  sind  immer 
die  Peritonealflächen  des  Ostiums  miteinander  verwachsen,  und 
man  findet  deshalb  die  Fransen  nach  einwärts  in  die  Höhle  der 
Tuben  gerollt,  das  Ostium  demnach  trichterförmig  eingestülpt, 
und  in  dieser  Weise  die  Verwachsung  der  Peritonealseite  zu  Stande 
gekommen.  Es  ist  möglich,  dass  diese  Inversio  ostii  tubarum 
abdominalis  das  Primäre  ist  und  durch  einen  abnormen  Kontrak- 
tionsvorgang zu  Stande  kömmt,  worauf  sich  dann  Verlötung  der 
einander  zugekehrten  Peritonealflächen  entwickelt.« 

Ich  habe  die  Ansichten  über  das  Zustandekommen  der 
Tubenatresie  dieser  drei  gewichtigen  Beobachter  aus  dem  Grunde 
so  weitläufig  angeführt,  um  zu  zeigen,  dass  dieselben  nicht  nur 
untereinander,  sondern  auch  mit  den  Beobachtungen  Burnier’s 
und  den  von  mir  hier  angeführten  fast  vollkommen  übereinstiminen. 

Das  Einrollen  der  Fimbrien  findet  also  zweifellos  statt.  Und 
der  definitive  Verschluss  wird  durch  V erklebung  der  serösen 
Fimbrien  flächen  bewerkstelligt.  Ich  möchte  sogar  annehmen,  dass 
die  gebildeten  Neomembranen  das  invertierte  Ostium  überbrücken. 
Dies  angenommen , würden  die  innersten 
Fimbrienenden  frei  bleiben  und  die  Ansicht 
Burnier’s  betreffs  des  späteren  Wiederfrei- 
werdens der  Fransen  gelegenthch  der  Ruptur 
der  trennenden  Membran  erschiene  dadurch 
leichter  erklärlich  und  nicht  so  gekünstelt. 

Nur  sehr  selten  kömmt  es  zu  einer  Fixa- 
tion wie  in  der  nebenstehenden  Fig.  8.  Die  Fimbrien  gehen  dann 
gewöhnlich  atrophisch  zu  Grund  inmitten  der  entzündlichen  Ein- 
bettungsmassen. 

2.  Bei  hochgradigen,  eitrigen  Entzündungen  der  Eileiter  findet 
man  gelegentlich  der  Operationen  die  Bauchfellenden  derselben 
tief  nach  dem  Douglas’schen  Raume  verlagert,  daselbst  leicht  an- 


r 


Fig.  8. 


414 


Alfons  von  Rosthorn. 


gelötet  an  das  Bauchfell  jener  Grube,  die  Ampulle  ausgedehnt, 
dünnen  Eiter  enthaltend.  Durch  Druck  mit  den  Fingern  lässt 
sich  auf  stumpfem  Wege  ein  solches  Ende  von  seiner  Unterlage 
loslösen  und  so  die  Tube  oft  ohne  besondere  Schwierigkeit  ab- 
tragen. Wir  begegnen  dabei  regelmässig  einer  Art  Einkrämpe- 
lung  der  entzündlich  geschwellten,  plump  aussehenden  Fransen- 
enden. — Der  Pavillon  gleicht  einem  in  Einziehung  begriffenen 
Blumenkelche.  Erst  bei  Druck  entleert  sich  Inhalt.  Es  besteht 
demnach  »relative«  Atresie. 

3.  Bei  seit  lange  bestehendem  Verschlüsse  der  Eileiter  lässt 
sich  aus  der  Betrachtung  der  anatomischen  Verhältnisse  kein 
sicherer  Schluss  über  die  Art  des  Zustandekommens  der  Atresie 
ziehen.  Bei  vielen  Fällen  von  Hydrosalpinx  finden  wir  an  der 
Innenfläche  der  blasig  aufgetriebenen,  zartwandigen  Ampulle  eine 
eigenartige  Zeichnung,  welche  durch  die  nach  einem  Centrum  hin 
convergierenden  atrophischen  Schleimhautfalten  und  Fimbrienreste 

gegeben  ist.  Dieses  Centrum 
dürfte  'dem  ehemaligen  Ostium 
abdominale  entsprechen  (Fig.  9). 

In  anderen  Fällen  von  Hy- 
drops der  Tuben  lässt  sich  keine 
Spur  mehr  von  jener  Zeichnung, 
resp.  von  Leisten  oder  Falten 
auffinden.  Das  blind  geschlos- 
sene Eileiterende  ist  eine  glatt- 
wandige,  oft  durchscheinende 
Cyste  geworden.  Die  beifolgenden 
Abbildungen  stellen  solche  Ver- 
hältnisse dar.  Die  erstere  (Fig.  10) 
zeigt  eine  hydropische  Tube  im 
Längsschnitt.  Man  sieht  die 
dünne  Wandung  von  einer  gros- 
sen Zahl  von  kleinen  Buchten  durchsetzt,  ja  stellenweise  sieht  es 
aus,  als  ob  in  die  Wandungen  kleine  cystische  Räume  oder 
Lakunen  eingelagert  wären.  Die  Wandung  ist  thatsächhch  sinuös. 
Diese  Buchten  entsprechen  den  ursprünglichen  Vertiefungen 
zwischen  den  grösseren  Zottenstämmchen.  Ausserdem  zeigt  dei 
Eileiter  die  für  Hydrosalpinx  charakteristischen  Windungen,  ist  da- 
her mehrfach  iin  Schnitte  getroffen. 

Die  zweite  (Fig.  11)  habe  ich  deshalb  gewählt,  da  dieselbe  mehi- 
faches  Interesse  bietet.  Es  handelt  sich  auch  um  eine  atretische  Tube. 
Hydropisch  verändert  ist  jedoch  nur  das  äusserste  Drittel,  das 


Fig.  9.  Aufgeschuittenes  ampulläres  Ende 
eines  Hydrosalpinx . oa  = ursprüngliches 
Ostium  abdominale  tubae.  Von  da  aus 
radiäre,  zarte  Fältchen  der  ausnehmend 
dünn  gewordenen  Schleimhaut. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Tubo-Ovarial-Cysten. 


415 


dem  Bauchfellende  entspricht.  Dieses  ist  dünnwandig,  von  einer  An- 
deutung der  Gegend  des  ursprünglichen  Ostiuin  abdominale  nichts  zu 
entdecken.  Der  uterinwärts  gelegene  Eileiterabschnitt  zeigt  eine  hoch- 
gradige Verdickung  seiner  Wandung  (Salpingitis  interstitialis) . 
Dieselbe  ist  sclerotisch,  starr 
und  die  sonst  weite  Lichtung 
ist  an  mehreren  Stellen  ver- 
engt, so  dass  man  den  Ein- 
druck von  callösen  Stricturen 
gewinnt.  Da  es  sich  in  diesem 
Falle  um  ascendierende  Gonor- 
rhoe handelte , so  liegt  der 
Vergleich  mit  den  Tripper- 
Strikturen  in  der  männlichen 
Harnröhre  nahe,  wenn  auch 
letztere  zumeist  nicht  so  ring- 
förmig und  kurz  zu  sein  pfle-  Fig.  10.  tu  = uterines,  ta  = abdominales 
gen.  — Das  Präparat  lehrt  Tubenende, 

uns  aber  mehr.  Entsprechend  verschiedenen  lokalen  Verhältnissen 
können  an  einer  und  derselben  Tube  verschiedene  Veränderungen 
auftreten.  Callositäten  und  damit  Stenosen  begegnet  man  zu- 
meist an  den  dem  Uterus  zunächst  gelegenen,  hydropischen  Er- 


Fig.  11.  Aufgesclinittene,  gonorrhoisch  inficierte,  atretischc  Tube 
mit  Strikturen  in  der  uterinen  Hälfte,  t = Tube,  st  = Strikturen, 
ae  = Abdominalende  der  Tube,  atretisch , blasig  aufgetrieben. 

Ov  = Ovarium. 

Weiterungen  am  Bauchfellende.  Beides  ist  an  diesem  Präparate 
schön  vereinigt. 

Die  ersteren  Beobachtungen,  aus  den  Stadien,  welche  den 
Verschluss  vorbereiten,  sprechen  dafür,  dass  dem  Verschlüsse  des 


416 


Alfons  von  Kosthorn. 


Eileiters  thatsäclilicli  eine  Art  Einziehung  der  Fimbrien,  wenn 
auch  nicht  gänzliche  Einrollung  im  Sinne  Burnier’s  vorausgehe- 
Dabei  braucht  keine  aussergewöhnliche  Bewegung  (besondere 
Bewegung  der  Eileitermuskulatur)  vorausgesetzt  zu  werden.  Es 
hat  nur  die  Verkürzung  der  Aussenfläche  der  Tube  mit  jener  der 
Innenfläche,  also  jene  des  Bauchfellüberzuges  mit  jener  der 
Schleimhaut  nicht  Schritt  gehalten. 

Bei  intensiven  Graden  von  Pelveoperitonitis,  wie  nach  schweren 
puerperalen  oder  gonorrhoischen  Infektionen,  bei  denen  sämtliche 


Fig.  12. 


Fig.  13. 


c 2 


Fig.  14. 


Durchschnitte  der  Länge  nach  durch  unterein- 
ander verschmolzene  Gebärmutteranhänge  nach 
intensiven  Graden  von  Beckenbauchfellentzün- 
dung zur  Darstellung  der  Art  der  Verwachsung, 
t = Tube,  oa  = Gegend  des  Ostium  abdominale 
tubae,  pc  = Pseudocysten  zwischen  den  Ad- 
häsionen an  den  verwachsenen  Partien,  c = 
Cystische  Follikel.  Ov  = Ovarium.  q = Quer- 
schnitte durch  den  gewundenen  und  daher  mehr- 
fach getroffenen,  schwer  erkrankten  Eileiter. 

Beckeiiorgane  innig  miteinander  ver- 
wachsen sind,  kann  es  zu  derartigen 
Verschmelzungen  zwischen  Eileiter  und 


Eierstock  kommen,  dass  nur  noch  durch  das  Mikroskoj)  eine  Grenze 
zu  ziehen  ist. 


In  wie  verschiedener  Art  diese  Verschmelzung,  Conglobierung 
statthat,  möge  durch  die  Darstellung  der  makroskopischen  Verhält- 
nisse von  drei  solchen  Präparaten  zum  Ausdruck  gebracht  werden 
(Fig.  12,  13,  14).  Wenn  der  Eierstock  noch  nicht  atrojihisch  zu  Grunde 
gegangen  ist,  so  zeigt  er  regelmässig  ziemlich  bedeutende  Grade 
von  Erkrankung,  vor  allem  und  zumeist  cystische  Entartung.  Auf 


Beiträge  /Air  Kenntnis  der  Tnbo-Ovarial-Cysten. 


417 


dem  angefügten  mikroskopischen  Bilde  zeigt  sich  der  innige  Zu- 
sammenhang zwischen  Eileiter  und  Eierstock  an  der  Verwach- 
sungsstelle. Das  Bild  wird  durch  die  an  letzterer,  zwischen  Ad- 
häsionen entwickelten  Pseudocysten  kompliziert. 


Fig.  15.  Schnitt  durch  die  Verwachsungsstelle  von  Ovarium  und  Tuhe. 

Lupenvergrösserung.  o = Ovarium,  t = Tuhenwand.  g — g,  Verwachsungs- 
stelle. i = Pseudocysten,  m = Ringmuskulatur  der  Tuhe.  f = Follikel. 

a = fadenförmige  Adhäsion. 

Ich  habe  versucht,  auf  experimentellem  Wege  Atresie 
der  Tube  zu  erzeugen.  Die  ungünstigen  Momente  für  solche  Ex- 
perimente sind  in  der  so  verschiedenen  Beschaffenheit  des  Eileiters 
bei  den  zur  Verfügung  stehenden  Tieren  gegeben,  andererseits  in 
dem  Umstande,  dass  Eierstock  und  Eileiter  vielfach  nicht  frei 
nebeneinander  liegen , sondern  schon  physiologisch  Zusammen- 
hängen. 

Bei  Durchsicht  der  verschiedenen  Formen  der  weiblichen 
Geschlechtsorgane  unserer  Haussäugetiere  liess  sich  feststellen,  dass 
keines  derselben  für  unsere  Versuche  auch  nur  einigermassen  ge- 
eignet sei.  Trotz  der  oft  sehr  grossen  Tragsäcke  und  mächtigen 
Hörner  derselben  fanden  sich  ganz  kurze,  dünne,  vielfach  ge- 
schlängelte Eileiter.  Am  geeignetsten  erwiesen  sich  noch  grosse 
Hunde,  obgleich  auch  hier  das  Fehlen  einer  Abgrenzung  von  Horn 
und  Eileiter  und  die  Fixation  des  PaHllons  in  der  Eierstocktasche 
die  Verhältnisse  wesentlich  ungünstiger  gestalten. 

Ich  konnte  daher  keine  für  die  Verhältnisse  beim  Menschen 
analogen  schaffen. 


27 


418 


Alfons  von  Rosthorn. 


Die  Versuche  bei  den  Affen,  deren  innere  Genitahen  den 
menschlichen  ausserordentlich  nahe  kommen,  missglückten,  indem 
die  Tiere  an  intercurrenten  Krankheiten  spez.  Tuberkulose  zu  rasch 
zu  Grunde  gingen.  Ich  werde  dieselben  wieder  aufnehmen  und 
über  die  Resultate  derselben  an  anderer  Stelle  berichten. 

Andererseits  sind  die  Versuchsobjekte  zumeist  so  klein,  dass 
es  schwer  fällt,  Veränderungen  an  denselben  zu  studieren.  Eine 
Versuchsreihe  wurde  so  ausgeführt,  dass  der  Eileiter  bei  dem  in 
Narkose  laparotomierten  Tiere  mit  aseptisch  präparierter  Seide  ab- 
gebunden wurde  und  zwar  in  einzelnen  Fällen  central,  in  anderen 
peripher  nahe  dem  Abdominalostium,  in  anderen  endlich  doppelt. 
6 — 8 Wochen  nach  erfolgter  Abbindung  wurde  die  Bauchhöhle 
neuerlich  eröffnet  und  die  Veränderung  besehen,  welche  durch 
den  ersten  Eingriff  zu  Stande  gekommen  war.  Ich  fand  in  keinem 
der  Fälle  irgend  eine  Spur  von  Sekretstauung.  Es  lässt  sich  dar- 
aus deducieren,  dass  durch  einfache  centrale  oder  periphere 
oder  sogar  doppelte  Abbindung  des  Eileiters  Hydrosalpinx 
innerhalb  des  erwähnten  Zeitraums  nicht  zur  Entwicklung 
komme. 

Regelmässig  kam  es  zu  solcher  resj^.  zu  Sekretstauung  und 
Aufblähung  der  Tube,  wenn  ich  in  das  doppelt  abgebundene 
Stück  mittels  feiner  Canülen  durch  die  Wandung  hindurch  Gono- 
coccen-^)  oder  Streptococcen-Reinkulturen  einbrachte.  Es  würde 
dieser  Versuch,  ganz  abgesehen  von  anderen  Dingen,  die  Schluss- 
folgerung gestatten,  dass  es  zur  Entstehung  eines  Hydrops  tubae 
eines  intensiveren  Schleimhautreizes  bedürfe,  eine  einfache  Stenose 
oder  Abknickung  des  Eileiters  hiezu  nicht  genüge. 

Regelmässig  war  mit  dieser  Veränderung  der  Tube  auch  eine 
ausgedehntere  Affektion  des  Bauchfellüberzuges  kombiniert,  so  dass 
Netz,  Darmschlingen  an  das  abgebundene  Eileiterstück  angewachsen 
waren. 

Ich  behalte  mir  vor,  die  nach  Abschluss  der  Versuche  de- 
taillierten Befunde  mit  Rücksicht  auf  die  Enstehung  der  Eileiter- 
erkrankungen und  der  Gonococcen-Peritonitis  in  ausführlicher 
Weise  anderen  Orts  zu  veröffentlichen. 


Zur  Symptomatik  der  Tuboovarialcysten  wäre  schliesshch 
noch  folgendes  in  Kürze  beizufügen:  In  anamnestischer  Hinsicht 
sind  Angaben  über  plötzlich  erfolgten  Abgang  von  grösseren  Sek- 
retmengen durch  die  Scheide  höchst  beachtenswert.  Derselbe  mag 

')  Nach  den  bekannten  Angaben  Wert  heim ’s  ohne  Schwierigkeit  ge- 
wonnen. 


l>oiträtre  zur  Kenntnis  der  Tnl)0-Ovarial-Cysten. 


419 


sowohl  durch  Hydrops  tubae  als  ovarii  profluens  bedingt  sein. 
Mehreren  Operateuren  war  es  gelungen,  auf  Grund  dieser  Erschei- 
nungen die  Diagnose  gelegentlich  der  Laparotomie  zu  bestätigen. 
Die  Diagnose  bloss  auf  Grund  des  Tastbefundes  zu  stellen,  wird 
wohl  ausserordentlich  selten  gelingen.  Nur  bei  Nachweis  eines 
normalen  Eierstocks  neben  einer  retortenartigen,  cystischen  Ge- 
schwulst kann  bei  vorliegenden  Erscheinungen  eines  Hydrops 
profluens  das  Vorhandensein  einer  Tuboovarialcyste  sicher  aus- 
geschlossen werden.  Der  Tumor  ist  dann  zweifellos  als  Hydrosal- 
pinx  anzusehen.  Bei  der  Eigentümlichkeit,  dass  der  ampulläre 
Eileiterabschnitt  immer  viel  mächtiger  ausgedehnt  wird  als  der 
uterinwärts  gelegene,  darf  nicht  gleich  mit  Rücksicht  auf  die  be- 
sprochene Gestalt  des  Adnexentumors  eine  Tuboovarialcyste  an- 
genommen werden. 

Ich  möchte  unsere  Gesamterfahrungen  über  die  Entstehung 
der  Tuboovarialcysten  in  folgende  Schlusssätze  zusammenfassen : 

1.  Als  Vorbedingung  für  dieselbe  ist  die  entzündliche 
Veränderung  der  Gebärmutteranhänge  und  deren  Bauchfellüber- 
zuges festzuhalten. 

2.  Die  Versuche  einzelner  Forscher,  dieselbe  auf  die  con- 
genitale Ovarialtube  zurückzuführen,  muss  zurückgewiesen 
werden.  So  interessant  die  Beobachtungen  Schneidemühls^) 
über  solche  Anomalien  beim  Pferde  und  Anderer  über  ähnliche 
Verhältnisse  bei  verschiedenen  Tieren  sind,  so  lassen  sich  dieselben 
auf  den  Menschen  nicht  übertragen,  da  bislang  nichts  Aehnliches 
beim  letzteren  konstatiert  werden  konnte. 

3.  Echte  Ovarialkystome  (epitheliale  Neubildungen)  und  sogen. 
Follikelcysten  können  mit  einer  schon  vorher  angelöteten,  kranken 
Tube  durch  Eiterung  oder  durch  Druckatrophie  der  gedehn- 
ten Zwischenwand  in  Kommunikation  treten.  Die  verbindende 
Oeffnung  kann  dabei  an  verschiedene  Punkte  zu  liegen  kommen. 

4)  In  jenen  Fällen,  bei  welchen  die  Fimbrien  oder  deren 
Reste  schön  an  die  Innenfläche  der  Cystenwand  zu  liegen  kommen, 
muss  angenommen  w'erden,  dass  die  vorher  schon  abnorm  ge- 
lagerte Tube  mit  ihrem  Pavillon  während  des  Ovulations- 
prozesses in  den  hiebei  geplatzten  F ollikel  hineinfällt  oder 
hin  ein  schlüpft,  in  dieser  Stellung  mit  der  Cystenwand  verwächst 
und  so  zur  Bildung  eines  gemeinsamen  Raumes  führt.  Kommt  es  nun 
zu  bedeutender  Sekretstauung  und  damit  zu  Dehnung  der  Wand,  dann 
bildet  sich  die  von  den  meisten  Autoren  beschriebene  Form  des 


b Deutsche  Zeitschr.  f.  Tiermedizin  etc.,  Bd.  IX,  pag.  279. 


420 


Alfons  von  Kosthorn. 


Hydrops  ovario-tubaris,  wie  sie  schon  Hennig  Vorgelegen  ist.  Wir 
greifen  damit  auf  die  alte  Ovulationstheorie,  allerdings  nicht  im  ur- 
sprünglichen Sinne  Richard ’s,  zurück,  kombinieren  dieselbe  mit  der 
Katarrhtheorie  Veit’s,  ohne  dass  jedoch  eine  schwere  Eileitererkran- 
kung vorausgesetzt  zu  werden  braucht.  Wir  bedürfen  hiezu  der 
wichtigen  Beobachtungen  Rokitansky ’s  über  die  cystische  De- 
generation des  Corpus  luteum  und  berühren  damit  das  Kapitel 
von  der  Genese  der  kleineren  Cysten  des  Eierstocks.  Ohne  dass 
ich  mir  eine  Kritik  der  Nagel’schen  Anschauung^)  hier  erlaube, 
möchte  ich  doch  darauf  verwiesen  haben,  dass  seine  Annahme, 
die  einkämmerigen  Cysten  nicht  epithelialen  Ursprungs  seien  fast 
ausnahmslos  auf  cystische  Entartung  des  Corpus  luteum  zurück- 
zuführen, vortrehlich  für  meine  Deduktionen  über  die  Genese  der 
Tuboovarialcysten  zu  verwerten  wäre. 


L i 1 1 e r a t u r. 

Rosthorn,  Verhandlungen  der  deutschen  Gesellschaft  f.  Gynäk.  Bd.  IV. 
1891,  pag.  327. 

Richard,  A.,  Sur  la  communication  des  certains  kystes  de  l’ovaire  dans 
la  trompe  uterine  (Kystes-tuho-ovariens).  M6m.  de  la  soc.  de  chir.  1853,  t.  III., 

p.  121. 

Richard,  A.,  Bull,  de  l’acad.  de  med.  1856,  t.  XXI,  p.  356. 

Richard,  A.,  Bull.  g6n.  de  thörapie  1857,  t.  LII,  p.  152. 

Lab  he.  Bull,  de  la  soc.  Anat.,  Mai  1857,  j).  141. 

Rokitansky,  C. , Ueher  Abnormitäten  des  Corpus  luteum.  Allgem. 
Wien,  mediz.  Zeitung,  1859,  Nr.  35. 

Hennig,  C.,  Monatsschrift  für  Geb.  K.,  1862,  t.  XX.  p.  128. 

Hennig,  G.,  Archiv  für  Heilkunde,  1863,  3.  H. 

Klob,  Jul.,  Patholog.  Anatomie  der  weibhchen  Sexualorgane,  Wien  1864,, 
Braumüller. 

Hildebrandt,  Die  neue  gynäkologische  Universitätsklinik  und  Hebammen- 
lehranstalt in  Königsberg,  Leipzig  1876,  p.  109. 

Thornton,  Trans,  of  obstetr.  soc.  of  London  1879,  t.  XXI,  p.  119. 
Burnier,  H.,  Ueher  Tuboovarialcysten.  Zeitschr.  f.  Geb.  u.  Gyn.,  1880, 
Bd.  V,  p.  357  u.  1881,  Bd.  VI,  p.  90. 

Reboul,  Berlin,  1885.  Inaug.-Dissert. 

Wachsmuth,  Halle,  1885.  Inaug.-Dissert. 

Loher,  Berlin,  1886  (doppelseitige  Tuhoovarialcyste),  Inaug.-Dissert. 
Runge-Thoma.  Ein  Fall  von  Tuhoovarialcyste.  Arch.  f.  Gynäk.  1885, 
Bd.  26,  p.  72. 


b Beitrag  zur  Anatomie  gesunder  und  kranker  Ovarien.  Arch.  f.  Gynäk.. 
1887,  Bd.  XXXI,  p.  327. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Tubo-Ovarial-Cysten. 


421 


Terillon.  Kyste  tubo-ovarien,  avec  öcouleinent  du  liquide  kystique  par 
l’uterus  et  le  vagin.  Le  Progres  mödical , 1888,  8.  dec. , t.  VIII,  Nr.  49,  p.  472. 

Do  ran.  Speciiuens  illustrating  the  development  of  tuboovarian  cysts 
as  a result  of  Inflammation  of  the  uterine  appendages  (British  med.  Journ.  1887, 
p.  781). 

Griffith.  Tubo-ovarian  cysts  (Trans,  obstet,  soc.  of  London,  1.  july  1887 
und  Brit.  med.  Journ.  1887,  p.  1277). 

Elliot.  A case  of  chronic  Salpingitis;  tubo-ovarian  cysts  acutely  inflamed; 
hemorrhage  in  the  cyst ; Operation,  recovery  (Am.  Journ.  of  obstet.  1887,  p.  141). 

Kötschau.  Zur  Pathogenese  der  Tuboovarialcysten  (Verhandlungen  der 
deutschen  Gesellschaft  für  Gynäkologie.  III.  Kongress  zu  Freiburg,  1889,  p.  344). 

Schramm,  Centralblatt  f.  Gyn.  1890,  Nr.  33. 

Robinson,  F.  B.  Tubo-ovarian  cysts  (Am.  Journ.  of  obstet.  1890,  t.  XXIV, 
p.  1311). 

Schramm  und  Ne  eisen.  Zur  Kenntnis  der  Tuboovarialcysten  (Ai'ch.  f. 
Gynäk.  1891,  Bd.  XXXIX.  p.  IG). 

Gottschalk,  Centralbl.  f.  Gyn.  1891,  Nr.  22. 

Siehe  ferner  die  Diskussion  über  diesen  Gegenstand  in  der  Sitzung  vom 
21.  Juli  1890  in  der  Leipziger  geburtshilflichen  Gesellschaft  im  Anschluss  einer 
Demonstration  Tischendorf ’s  (Centralblatt  f.  Gynäk.  1891). 

Ausserdem  die  Hand-  und  Lehrbücher  der  Gynäkologie  von  K i w i s c h, 
G.  Veit,  Scanzoni,  Schröder,  Martin;  jene  der  imthologischen  Anatomie 
von  Rokitansky  und  Klebs;  endlich  die  Zusammenstellung  der  Litteratur 
bis  1880  in  der  oben  genannten  Arbeit  Burnicr’s. 

Da  in  einigen  Arbeiten  über  Tu boovarial -Gravidität  mehrfach  über 
die  Genese  der  Tuboovarialcysten  die  Rede  ist,  so  verweise  ich  noch  auf  die 
bekanntesten  derselben:  Cazeaux,  Traitd  theorötique  et  practique  de  l'art  des 
accouchements,  Paris  1876. 

Vulliet,  lieber  einen  Fall  von  Tulmovarialcysten-Schwangerschaft.  Arch. 
f.  Gynäkol.  Bd.  XXII,  1884,  p.  427. 

Be  au  camp,  lieber  Tuboovarial-Schwangerschaft.  Zeitschr.  f.  Geb.  ii.  Gyn. 
Bd.  X,  1889,  p.  212. 

Genaue  Beschreibungen  solcher  Präparate  finden  sich  in  den  Arbeiten  von 
A.  Pal  tauf  (Arch.  f.  Gynäk.)  über  Tuboovarialschwangerschaft  und  von  G. 
Lihotzky  (AVr.  klin.  Wochenschr.  1890,  Nr.  X). 


Ueber  die  an  der  Heidelberger  chirur- 
gischen Klinik  ausgeführten  Operationen 
am  Magen  und  Darm 

von 


Prof.  Dr.  Y.  Czerny  und  l)r.  Walter  Rindfleisch. 


Ueber  elf  Jahre  ist  es  her,  seitdem  Billroth  durch  seine 
gelungene  Pylorusresektion  der  Unterleibschirurgie  ein  neues  Ge- 
biet erobert  hat.  Für  seine  Schüler  ist  es  ein  Gefühl  hoher  Be- 
friedigung, dieses  fruchtbare  Gebiet  durch  ihren  Lehrer  angeregt, 
sowohl  mit  experimentellen  als  auch  klinischen  Arbeiten  ausgebaut 
zu  haben. 

Die  Experimente  von  Gussenbauer  und  von  v.  Winiwarter, 
von  Czerny  und  Kaiser,  dann  die  statistischen  Arbeiten  der 
Erstgenannten  waren  es,  welche  Billroth  zu  seiner  kühnen  That 
entflammten.  Die  Cholecystenterostomie  von  v.  Winiwarter , die 
Ausbildung  der  Darmnaht  durch  Gussenbauer,  Czerny  und 
Wölfl  er,  die  Gastroenterostomie  von  Wölf  1er  und  von  Hacker, 
die  Pyloroplastik  von  Heineke- Mikulicz,  die  Erweiterung  der 
B i 1 1 r 0 th  sehen  Ileocolostomie  zurEnteroanastomose  durch  v.  H a c k e r, 
und  Darmausschaltung  durch  Salzer,  die  klinischen  Mitteilungen 
von  Wölf  1er,  v.  Eiseisberg  und  Billroth  u.  A.  sind  Marksteine, 
welche  den  Fortschritt  auf  diesem  Gebiete  bezeichnen. 

Wenn  diese  Operationen,  obgleich  sie  von  zahlreichen  Opera- 
teuren mit  Begeisterung  erfasst,  nachgemacht  und  vervollkommnet 
worden  sind,  noch  immer  nicht  allgemein  als  vollberechtigt  aner- 
kannt werden,  so  liegt  es  daran,  dass  wie  bei  allen  neuen  Operationen 
anfangs  zu  viel  von  denselben  erwartet  wurde,  dass  die  Pfadfinder 
zu  vielerlei  probieren  mussten,  um  den  rechten  Weg  zu  finden, 
und  dass  namentlich  häufig  zu  weit  vorgeschrittene  Fälle  der 


Ueb.  die  an  der  Ileidelb.  chir.  Klin.  ausgef.  Operationen  am  Magen  n.  I>arm.  423 

Operation  unterzogen  worden  sind  und  dadurch  die  Resultate  be- 
einträchtigten. 

Wenn  wir  Fortschritte  auf  diesem  Gebiete  erzielen  wollen,  so 
müssen  wir  dem  praktischen  Arzte  präzise  Indikationen  an  die  Hand 
geben  und  müssen  in  diesen  Fällen  möglichst  gute  Resultate  erzielen. 

So  wenig  uns  eine  blosse  Zahlenstatistik  fördern  kann,  so 
müssen  wir  doch  die  Kasuistik  vervollständigen  und  bei  ihrer 
Revision  feststellen,  in  welchen  Fällen  wir  die  besten  Resultate  er- 
zielt haben,  und  ob  der  unglückliche  Ausgang  von  der  schlechten 
Auswahl  oder  von  Fehlern  in  der  Technik  abhing. 

Bei  der  Heidelberger  Naturforscherversammlung  1889  wurde 
zwar  eine  kurze  Statistik  der  in  Heidelberg  ausgeführten  Opera- 
tionen mitgeteilt,  aber  wir  wollen  dieselbe  bis  zum  Sommer  1892 
ergänzen  und  durch  kurze  Krankengeschichten  den  Leser  in 
Stand  setzen,  sich  ein  eigenes  Urteil  zu  bilden. 

Sämtliche  Operationen  bis  auf  die  zweite,  welche  von  Herrn 
Dr.  Maurer  ausgeführt  worden  ist,  sind  von  Czerny  gemacht 
worden. 

A.  Operationen  am  Magen. 

Wir  werden  die  Fälle  von  Gastrostomie,  die  Fremdkörper  im 
Magen  sowie  die  akuten  Perforationen  desselben  weglassen,  dagegen 
die  Operationen  wegen  Tumoren  und  Stenosen  am  Magen,  die 
diagnostischen  Incisionen  und  falschen  Diagnosen  mitteilen. 

I.  Mageiiresektioiien. 

Magenresektionen  wegen  Krebs  wurden  in  der  Heidel- 
berger chirurgischen  Klinik  von  1881  bis  Sommer  1892  12  an  11 
Patienten  ausgeführt. 

Schon  diese  kleine  Zahl,  namentlich  im  Verhältnis  zu  den 
später  erwähnten  Probelaparotomieen  (10)  und  Gastroenterostomieen 
(20),  zu  denen  eine  nicht  bestimmbare  Zahl  von  als  unoperabel 
zurückgewiesenen  Patienten  zu  rechnen  wäre,  zeigt,  dass  wir  in  der 
Indikationsstellung  zur  Resektion  sehr  vorsichtig  waren.  Dem- 
entsprechend waren  auch  die  unmittelbaren  Erfolge  der  Pylorus- 
resektion  wegen  Krebs  relativ  befriedigend. 

7 Operationen  (mit  3 -f)  wurden  an  Männern,  5 (mit  2 -f) 

0 Czerny.  lieber  Magen-  und  Darmresektionen.  Deutsche  med.  "Wochen- 
schrift 1889.  Nr.  45. 

Ausführlichere  Krankengeschichten  werden  dem  Abdrucke  obiger  Arbeit 
in  den  Beiträgen  zur  klinischen  Chirurgie  (Tübingen  bei  Laupjb  beigegeben 
werden. 


424 


V.  Czerny  und  Walter  Rindfleisch. 


an  Frauen  ausgeführt.  Das  Alter  schwankte  zwischen  28  und  61 
Jahren  und  gerade  die  extremsten  Alterstufen  genasen  von  der 
Operation.  Das  Durchschnittsalter  betrug  49  Jahre.  Viermal  ist 
Gallertkrebs,  je  dreimal  Skirrhus  und  Drüsenkrebs  notiert. 

Es  starben  Nr.  2 an  Collaps,  weil  der  Kräftevorrat  zu  gering 
war,  Nr.  4 und  5 am  4.  und  7.  Tage  an  Colongangrän,  weil  das 
verwachsene  Mesocolon  mit  reseciert  werden  musste.  Nr.  9 nach  der 
sehr  schwierigen  Kecidivoperation  an  septischer  Peritonitis,  nach- 
dem der  Patient  die  erste  Pylorusresektion  nicht  nur  glücklich 
überstanden,  sondern  sich  auch  10  Monate  lang  nach  derselben 
ziemlich  wohl  befunden  hatte.  Nr.  12  starb  an  secundärer  Perfo- 
ration der  Nahtstelle  und  war  durch  Verwachsungen  mit  dem 
Pancreas  sehr  erschwert. 

Alle  5 Operationen  hätten  lieber  unterbleiben  oder  durch  die 
schneller  ausführbare  Gastroenterostomie  ersetzt  werden  sollen. 

7 Patienten  verliessen  nach  der  Pylorectomie  genesen  die 
Klinik  und  hatten  alle  das  Gefühl  der  Befreiung  von  einem  schweren 
Leiden  mit  sehr  erheblicher  Besserung  der  Verdauung  und  des 
iVllgemeinbefindens.  Freilich  dauerte  die  Besserung  bei  der  Mehr- 
zahl bloss  einige  Monate  und  zwar  namentlich  dann,  wenn  schon  bei 
der  Operation  metastatische  Drüsen  und  am  Pesektionsschnitt  ver- 
dächtige Stellen  gefunden  worden  waren.  Die  angegebenen  Ge- 
wichtszunahmen betrugen  15,  21,  24  bis  28  Pfund. 

Zwei  (Nr.  10  und  11)  leben  noch  15  und  16  Monate  nach 
der  Operation  in  voller  Gesundheit  und  Arbeitsfähigkeit  und  haben 
keine  Zeichen  von  Recidiv. 

Fünf  sind  18,  2,  15,  7,  10  Monate  nach  der  Operation  unter 
den  Erscheinungen  des  Recidivs  gestorben;  allerdings  eine  kurze 
Frist,  wenn  man  bedenkt,  dass  sie  durch  eine  gefährliche  Opera- 
tion und  ein  schweres  Krankenlager  erkauft  ist  und  dass  von  der- 
selben durchschnittlich  bloss  die  erste  Hälfte  als  whkliche  Ge- 
nesungszeit gerechnet  werden  kann,  während  die  zweite  Hälfte  in  der 
Regel  schon  durch  die  wiederkehrenden  Erscheinungen  des  Recidivs 
getrübt  wurde.  Trotzdem  darf  dieser  Erfolg  nicht  gering  ge- 
schätzt werden  bei  einem  unerbittlich  und  unaufhaltsam  zum  Tode 
führenden  Leiden  und  bei  Kranken , welche  schon  alle  Hoffnung 
auf  Besserung  ihres  Zustandes  aufgegeben  haben,  namentlich  wenn 
wir  die  zwei  überlebenden  Fälle  als  dauernd  genesen  betrachten 
dürften,  wofür  die  Frist  allerdings  noch  etwas  zu  kurz  ist.  Mehr 
als  20  "/o  Dauerheilungen  bei  Magenkrebs  wird  der  sanguinischeste 
Operateur  bei  Magenkrebsen  wohl  kaum  je  zu  hoffen  wagen. 

Wie  schon  Billroth  bemerkt  hat,  verhält  sich  der  Magen- 


Ueb.  die  iui  der  iieidelb.  cdiir.  Klin.  ausgef.  Operationen  am  Klagen  u.  Darm.  425 

krebs  gegen  unsere  Heilversuche  genau  so  wie  jeder  andere  Krebs. 
Nur  wenige  Kranke  werden  für  mehrere  Jahre  oder  gar  dauernd 
geheilt,  die  Mehrzahl  derselben  erhält  nach  der  Operation  eine 
kürzere  oder  längere  Frist  des  Gefühles  der  Rekonvalescenz, 
welches  nach  der  Pylorusresektion  ungetrübter  ist,  als  z.  B.  nach 
der  Mammaamputation,  weil  bei  dieser  die  Entstellung,  Narben- 
schmerzen, Schwerbeweglichkeit  des  Armes  die  Kranken  oft  lange 
an  die  überstandene  Operation  mahnen,  während  die  am  Magen 
Operierten  in  der  Regel  von  schweren  Leiden  und  Verdauungs- 
beschwerden befreit  sind.  Während  die  Frau,  welcher  der  Chirurg 
wegen  eines  kaum  empfindlichen  Knotens  die  Mamma  wegschneiden 
musste,  denselben  immer  mit  einem  sehr  gemischten  Gefühle  be- 
trachtet, überströmt  der  von  der  Magenoperation  Genesene  von 
dem  Gefühle  der  Dankbarkeit,  weil  er  die  Freude  am  Essen  und 
Trinken,  für  Viele  also  den  höchsten  Lebensgenuss,  wiedergewonnen 
hat.  Der  einzig  berechtigte  Vorwurf,  welchen  man  den  Operationen 
des  Magenkrebses  machen  kann,  ist  die  bis  jetzt  noch  zu  grosse 
Gefahr  derselben.  Wie  können  wir  dieselbe  vermeiden?  Wahr- 
scheinlich nur  durch  weitere  Einschränkung  der  Indikation  für 
die  Resektion  des  Pylorus.  So  paradox  es  klingt,  möchten  wir 
fast  behaupten,  dass  der  Magenkrebs  nicht  mehr  radikal  operiert 
werden  sollte,  wenn  man  ihn  als  Tumor  sicher  diagnosticieren  kann. 
Wenn  schon  bei  den  äusserlich  sichtbaren  Krebsen  die  Radikal- 
heilung nach  der  Operation  eine  Ausnahme , das  Recidiv  die 
Regel  ist,  so  gilt  das  noch  mehr  für  die  verborgenen  Krebse 
der  inneren  Organe.  Wenn  ein  Magenkrebs  einen  höckerigen 
durch  die  Bauchwand  deutlich  palpablen  Tumor  bildet,  ist  er  fast 
immer  schon  fest  verwachsen  mit  dem  Colon  oder  Pancreas,  oder 
es  bestehen  schon  metastatische  Lymphdrüsen,  Umstände,  welche 
eine  radikale  Heilung  ausschliessen  und  die  Gefahr  der  Operation 
ausserordentlich  steigern. 

Was  wir  durch  die  Operation  heilen  können,  ist  nur 
in  den  seltensten  Fällen  der  Krebs,  dagegen  fast  immer 
das  Hindernis,  welches  durch  das  Krebsgeschwür  für  die 
Fortschaffung  des  Mageninhalts  gebildet  wird. 

Die  Erscheinungen  der  Pylorusstenose  und  der  secundären 
Magenerweiterung  sind  es,  welche  uns  zu  mechanischen,  operativen 
Eingriffen  auf  fordern  müssen,  wenn  sie  durch  die  üblichen  Be- 
handlungsmethoden mit  Diät,  Magenpumpe,  Massage,  Elektrizität, 
Medikamente  sich  nicht  bald  bessern.  N.  Senn  hat  diese  Indi- 
kation ganz  richtig  hervorgehoben.  Findet  man  bei  der  Laparotomie 
einen  operablen  Pyloruskrebs , so  ist  das  ein  Glücksfall.  Ist  er 


426 


V.  Czerny  und  Walter  Rindfleisch. 


inoperabel,  so  kann  man  die  meisten  Beschwerden,  welche  weniger 
durch  den  Krebs,  als  durch  das  mechanische  Hindernis  bedingt 
sind,  durch  die  Gastroenterostomie  beseitigen  und  zwar  oft  in  so 
hohem  Grade,  dass  sich  der  Kranke  für  längere  oder  kürzere  Zeit 
als  genesen  betrachtet.  Bei  gutartigen  Stenosen  ist  die  günstige 
Wirkung  der  Gastroenterostomie  eine  dauernde,  wenn  die  Oeff- 
nung  weit  genug  angelegt  w^orden  ist: 

Wegen  gutartiger  Stenosen  wurden  5 Patienten  mit  der 
Magenresektion  behandelt,  davon  einer  (Philipp  Moses)  mit  der 
eliptischen  Excision  des  stenosierenden  Geschwürs,  welcher  sich 
noch  jetzt  10  Jahre  nach  der  Operation  bei  voller  Ge- 
sundheit und  Arbeitsfähigkeit  befindet.  Die  voraus- 
gehende Ectasie  des  Magens  ist  verschwunden.  Von  be- 
sonderem Interesse  ist  der  Fall  der  Frau  Auguste  G.  Sie  hatte 
durch  Laugenessenzvergiftung  eine  Stenose  des  Pylorus  und  des 
Oesophagus  davongetragen.  Ich  verweise  auf  die  Details  in 
der  Krankengeschichte  und  mache  hier  bloss  darauf  aufmerk- 
sam, dass  sowohl  die  stumpfe  Dilatation  des  verengten  Pförtners 
nach  Loretta,  als  auch  der  Versuch  der  Pyloroplastik  nach 
Heineke-Mikulicz  misslang,  und  dass  deshalb  die  Resektion  der 
ringförmigen  Narbe  ausgeführt  werden  musste.  Die  kompli- 
cierten  Operationen  führten  zur  dauernden  Heilung,  da 
die  Patientin  sich  jetzt  4 Jahre  nach  der  Verletzung  ganz  wohl 
befindet  und  sogar  einmal  entbunden  hat. 

Bei  den  drei  übrigen  Fällen  essentieller  Hypertrophie  des 
Pylorus  wurde  unter  der  Voraussetzung,  dass  ein  Carcinom  vor- 
liege, die  Resektion  vorgenommen,  welche  bei  dem  langen  Be- 
stehen des  Leidens , dem  sehr  reducierten  Kräftezustand  wohl 
besser  durch  die  Gastroenterostomie  oder  Pyloroplastik  hätte  er- 
setzt werden  sollen,  wenn  die  Diagnose  richtig  erkannt  worden 
wäre.  In  zwei  Fällen  trat  der  Tod  nach  der  Operation  ein  und  zwar 
einmal  durch  Nahtnekrose  und  das  andere  Mal  dru'ch  Schluck- 
pneumonie und  Herzschwäche.  Aber  auch  der  3.  Fall  kam  nicht 
zu  dauernder  Heilung,  da  durch  Narben verziehung  abermals  eine 
Abknickung  des  Duodenums  entstand , welche  die  anfängliche 
Gewichtszunahme  von  18  Pfund  bald  wieder  beseitigte  und 
9 Monate  nach  der  Operation  den  Tod  herbeiführte. 

Diese  eine  Geschwulst  vortäuschende  Hypertrophie  des  Pylo- 
rus scheint  die  Folge  von  kleinen  Geschwüren  zu  sein,  welche  an 
der  kleinen  Curvatur  dicht  am  Pylorus  ihren  Sitz  haben  und 
ähnlich  wie  Fissuren  am  Mastdarm  oder  der  Blase  zu  einer 
Hypertrophie  des  Schliessmuskels  führen.  Auch  in  den  Fällen  von 


Ueb.  die  an  der  Heidelb.  cbir.  Klin.  ausgef.  Operationen  am  IMagen  u.  Darm.  427 


Mikulicz  (Ort mann,  Pylorusstenose,  Deutsche  med,  Wochens. 
Nr.  9,  1889,  und  Lauenstein  (Centralbl.  für  klin.  Medizin,  Bei- 
lage S.  33),  sassen  die  Geschwüre  jeweils  am  Pylorus  entsprechend 
der  kleinen  Curvatur  und  die  konsekutive  Hypertrophie  verleitete 
zu  der  falschen  Annahme  eines  Carcinoms.  In  beiden  Fällen, 
wie  bei  zwei  von  unseren  drei  Fällen,  fehlte  freie  Salzsäure,  wäh- 
rend dieselbe  bei  Ulcus  simplex  meistens  vermehrt  zu  sein  pflegt. 
Es  muss  Aufgabe  feinerer  Diagnostik  bleiben,  nach  neuen  Unter- 
scheidungsmitteln zwischen  dieser  essentiellen  Hypertrophie  und 
dem  Krebs  des  Pylorus  zu  suchen,  welche  offenbar  häufig  zu  Täu- 
schungen Veranlassung  gegeben  hat,  da  z.  B.  Lauenstein  allein 
fünf  gutartige  Stenosen  unter  20  Pylorusgeschwülsten  beobachtet  hat. 

Wenn  diese  Fälle  richtig  diagnostiziert  werden  könnten,  wür- 
den sie  sich  jedenfalls  mehr  zur  Pyloroplastik  oder  Gastroentero- 
stomie eignen  als  zur  Resektion. 

Die  zwei  eliptischen  Excisionen  wegen  auf  die  Magen- 
wand übergreifender  Sarcome  sind  beide  genesen.  Während  in 
dem  einen  Falle  (Nr.  18)  13  Monate  nach  der  Operation  der  Tod 
an  Recidiv  erfolgte,  ist  der  andere  (Nr.  19)  2 Jahre  nach  der  Ope- 
ration noch  ganz  gesund. 

Von  19  Resektionen  am  Magen  sind  zunächst  die  drei  elip- 
tischen Excisionen  auszuscheiden,  welche  sämmtlich  genesen  sind. 
Von  den  16  Pylorectomien  sind  7 im  Anschluss  an  die  Operation 
gestorben  (43,7  ”/o). 


II.  Oastroeuterostomieeii. 

Wohl  nach  keiner  Operation  ist  es  so  schwer  zu  sagen,  welche 
Fälle  man  als  genesen  ansehen  soll,  wie  nach  der  Gastroenterosto- 
mie, da  wir  dieselbe  fast  immer  wegen  unheilbaren  Krebsleidens 
ausführen  und  die  Kranken  auch  im  günstigen  Falle  einige  Monate 
nach  der  Operation  sterben.  So  passierte  es  N.  Senn,  dem  ver- 
dienstvollen Chirurgen  in  Chicago,  dass  er  in  seiner  jüngsten  Publi- 
kation (The  surgical  treatment  of  Pyloric  Stenosis.  Medical  Record 
Nov.  7 and  14,  1891)  13  Fälle  von  Gastroenterostomie  nntteilt  und 
davon  8 als  genesen  bezeichnet,  obgleich  4 von  denselben  am  5., 
9.,  12.  und  18.  Tage  an  Exhaustion,  Hämorrhagie  (Sektion  wurde 
nicht  gemacht),  Pneumonie  und  Marasmus  zu  Grunde  gingen. 
Das  geht  denn  doch  zu  weit,  und  beim  besten  Willen  müssen  wir 
eine  Mortalität  mit  69,23*^/o  feststellen,  deshalb,  weil  er  sonst  leicht 
geneigt  sein  dürfte,  seine  Erfolge  zu  Gunsten  der  Methode  mit 
entkalkten  Knochenringen  zu  verwerten.  Doch  davon  später.  Wir 
glauben,  dass  man  bloss  diejenigen  Kranken  als  genesen  bezeich- 


428 


V.  Czerny  und  Walter  Rindfleisch. 


nen  kann,  bei  denen  der  Wundheilungsprozess  beendet  und  wenig- 
stens einige  Tage  normale  Ernährung  möglich  gewesen  ist. 

Dieses  vorausgeschickt,  sind  von  unseren  20  Fällen  12  ge- 
nesen und  8 gestorben.  (407o  Mortalität).  Von  diesen  20  Ope- 
rationen wurden  in  den  Jahren  1885 — 88  7 mit  4 Todesfällen,  in 
den  Jahren  1889 — 91  13  mit  4 Todesfällen  ausgeführt.  Wenn  man 
so  kleinen  Ziffern  trauen  darf,  so  scheint  sich  an  unserer  Klinik 
die  Indikation  zur  Operation  etwas  vermehrt  und  das  Heilresultat 
etwas  gebessert  zu  haben.  Im  Jahre  1890  und  1891  sind  6 Fälle 
hintereinander  genesen.  Es  befanden  sich  unter  den  Operierten 
7 Frauen  und  13  Männer.  Das  Alter  schwankte  zwischen  28  und 
57  Jahren  und  betrug  im  Durchschnitt  41,5  Jahre. 

Die  Indikation  gaben  die  Erscheinungen  der  Pylorusstenose, 
welche  seit  3 Monaten  bis  zu  14  Jahren  sich  schon  gezeigt  hatten. 
Fünfmal  wurde  die  Dauer  des  Leidens  auf  2 Jahre,  zweimal  auf  4, 
einmal  auf  3 Jahre  taxiert.  Einmal  wurden  die  Anfänge  sogar 
auf  20  Jahre  zurückgeführt.  In  diesem  Falle  bestand  das  Leiden 
ebenso  wie  in  zwei  anderen  Fällen  von  langer  Dauer  in  Magen- 
geschwüren mit  narbiger  Verengerung  des  Pförtners.  In  allen  17 
anderen  handelte  es  sich  aber  um  Carcinome.  Die  lange  Dauer 
der  Krankheit  ist  wohl  bloss  so  zu  verstehen,  dass  der  Krebs  zu 
einem  alten  Geschwüre  oder  Magenkatarrh  sich  hinzugesellt  hat. 

Die  Erscheinungen  des  Pförtnerschlusses  waren  Magenschmer- 
zen, Gefühl  von  Völle,  Uebelkeiten  namentlich  nach  dem  Essen, 
Erbrechen,  Stuhlverhaltung,  in  seltenen  Fällen  bei  Gegenwart  von 
blutenden,  jauchenden  Geschwüren  abwechselnd  mit  Diarrhöen,  ver- 
minderte Diurese,  starke  Abmagerung,  welche  freilich  durch  zweck- 
mässig gewählte  Diät,  Auswaschung  des  Magens,  Nährklystiere 
temporär  gebessert  werden  kann.  Endlich  die  Erscheinungen  der 
langen  Zurückhaltung  der  Nahrung  im  Magen.  Auf  die  genaue 
physikalisch-chemische  Untersuchung  wurde  das  grösste  Gewicht 
gelegt.  Die  Magengrenzen  wurden  zunächst  palpatorisch  und 
percutorisch  möglichst  genau  bestimmt.  Der  Unterschied  der  Per- 
cussion im  Stehen  und  Liegen  giebt  namentlich  in  der  Sprech- 
stunde oft  schon  einen  bedeutsamen  Fingerzeig,  ob  eine  erhebhche 
Dilatation  besteht,  indem  bei  gefülltem  Magen  im  Stehen  die  grosse 
Curvatur  als  nach  abwärts  convexe  Dämpfung  sich  deutlich  ab- 
grenzt und  im  Liegen  tympanitischem  Schalle  Platz  macht.  Ent- 
weder nach  einer  Probemahlzeit  oder  am  Morgen  wurde  der  Magen- 
inhalt ausgepumpt,  auf  vorhandene  Speisereste  untersucht  und 
chemisch  geprüft.  Die  van  den  Velden 'sehe  Prüfung  auf  freie 
Salzsäure  hat  uns  ausserordentlich  wertvolle  Resultate  gegeben. 


Ueb.  die  an  der  lleidelb.  diir.  Klin.  ausgef.  Operationen  ani  Magen  u.  Darm.  429 

Unter  15  Fällen,  bei  denen  mir  die  Aufzeichnungen  vorliegen, 
war  dreimal  die  Salzsäure  reichlich  vorhanden  und  jedesmal  han- 
delte es  sich  um  einfache  Geschwtirsbildungen  mit  Narbenverenge- 
rung des  Pförtners.  Bei  12  Carcinomen  war  bloss  einmal  Ver- 
dacht auf  freie  Salzsäure  vorhanden.  Da  es  aber  der  erste  Fall 
war  und  die  verschiedenen  Methoden  der  Bestimmung,  welche 
sämtlich  durchprobiert  werden  müssen,  noch  nicht  ausgebildet  und 
I geübt  waren,  möchte  ich  darauf  kein  grosses  Gewicht  legen.  Im 
allgemeinen  hat  sich  uns  die  Salzsäurebestimmung  als  ein  sehr 
wertvolles  Mittel  zur  Diagnose  bewährt.  Nur  bei  den  essentiellen 
Hypertrophien  des  Pylorus  scheint,  wie  oben  bei  den  Resektionen 
bemerkt  wurde,  die  Salzsäure  regelmässig  zu  fehlen.  Dass  das  Symp- 
tom unfehlbar  ist,  wird  billigerweise  Niemand  erwarten. 

Das  Volumen  des  Magens  wurde  bei  verschiedener  Füllung 
percutorisch  und  palpatorisch  festgestellt,  die  Menge  der  Füllungs- 
flüssigkeit bestimmt  und  die  Verschiebung  des  allenfalls  fühlbaren 
Tumors  bei  Aufblähung  des  Magens  mit  Gas  oder  Flüssigkeit  und 
dann  wieder  im  leeren  Zustande  beobachtet.  Trotz  hochgradiger 
Stenose  des  Pylorus  kann  dennoch  manchmal  die  Dilatation  des 
Magens  ausbleiben.  Ein  charakteristisches  Beispiel  ist  Fall  Nr.  5. 
Es  handelt  sich  offenbar  um  eine  kleinzellige,  alveoläre,  krebsige 
Infiltration,  welche  in  der  Submucosa  und  Subserosa  ähnlich  wie 
beim  Carcinoma  lenticulare  der  Mamma  schrumpfend  weiter  wächst 
und  die  Dehnbarkeit  des  Magens  beeinträchtigt.  Manchmal  kann 
auch  eine  kompensatorische  Hypertrophie  der  Muscularis  der  Ueber- 
dehnung  lange  Zeit  Widerstand  leisten.  Andererseits  finden  sich 
unter  unseren  Probeincisionen  Fälle  von  Erweiterung  des  Magens 
und  Pyloruskrebs,  ohne  dass  die  Erscheinungen  der  Stenose  in  den 
V ordergrund  getreten  wären : Der  Appetit , die  Verdauung  ge- 
nügend, Stuhlgang  in  Ordnung.  In  diesen  Fällen  halte  ich  auch 
die  Gastroenterostomie  nicht  für  angezeigt,  und  wenn  nach  der 
Eröffnung  der  Bauchhöhle  der  Krebs  zu  einer  radikalen  Exstir- 
pation nicht  mehr  geeignet  ist,  ist  es  wohl  am  besten,  wieder  die 
Bauchhöhle  zu  schliessen.  Da  uns  die  Pylorectomie  fast  dieselben 
Heilresultate  (43°/o)  ergeben  hat,  als  die  Magendarmfistelbildung, 
da  sie  aber  offenbar  mehr  zur  Verlängerung  der  Lebensdauer  bei- 
trägt, so  ist  es  selbstverständlich,  dass  wir  der  ersteren  den  V or- 
zug  geben,  solange  sie  ausführbar  ist.  Das  hängt  aber  wesentlich 
davon  ab,  ob  der  Pylorustumor  sich  ohne  allzugrosse  Mühe  und 
Lösung  von  Adhäsionen  (namentlich  am  Pancreas)  aus  der  Bauch- 
höhle hervorheben  lässt  und  ob  er  noch  lokalisiert  ist,  d.  h.  ob 
noch  keine  Metastasen  vorhanden  sind. 


430 


V.  Czerny  und  Walter  Kindtleisch. 


Für  eine  palliative  Operation,  wie  sie  die  Magenclarmfistel- 
bildung  wegen  Krebs  einmal  ist,  ist  die  Mortalität  von  40  "/o  ent- 
schieden zu  gross  und  wenn  es  nicht  gelingt,  dieselbe  herabzudrücken, 
könnte  man  Denjenigen  nicht  ganz  unrecht  geben,  welche  ihre 
Berechtigung  ganz  bestreiten.  Wir  glauben  aber,  dass  sich  die 
Mortalität  erheblich  vermindern  lassen  wird,  und  die  von  Lücke 
erzielten  glänzenden  Resultate,  ebenso  unsere  letzten  sechs  Fälle, 
welche  hintereinander  genesen  sind,  lassen  daran  nicht  zweifeln. 
Prüfen  wir  zunächst  die  Todesursachen. 

Es  starben  zwei  Fälle  (1  und  2 am  2.  und  5.  Tage)  an  sep- 
tischer Peritonitis,  vier  (Nr.  4,  9,  13  und  14  am  1.,  4.,  2.  und  5. 
Tage)  an  Collaps.  Bei  9,  13  und  14  war  vielleicht  eine  beginnende 
Schluckpneumonie  beteiligt.  Zweimal  (Nr.  6 am  6.  und  10  am 
12.  Tage)  war  Schluckpneumonie  die  Todesursache.  Dass  die 
septische  Peritonitis  zwar  bei  den  ersten  Operationen  vorkam  und 
später  nicht  mehr,  ist  interessant. 

Wir  lernten  offenbar  dieses  Unglück  vermeiden,  weil  der 
Magen  besser  ausgewaschen  und  mit  Salicylwasser  oder  Borwasser 
gespült,  weil  die  Umgebung  des  Operationsfeldes  besser  durch 
aseptische  Gaze  oder  Jodoformkompressen  geschützt  wurde.  Viel- 
leicht benützten  wir  früher  zu  ausschliesslich  Schwämme  zum 
Tupfen  der  Wundränder.  Gerade  für  Magen-  und  Darmoperationen 
dürften  die  Schwämme,  trotz  ihrer  Vorzüge  und  trotzdem  ihre  i 
Desinfektion  für  jDraktische  Zwecke  offenbar  ausreicht,  möglichst 
zu  vermeiden  sein.  Es  passiert  zu  leicht,  dass  ein  Schwamm  zum 
Abtupfen  von  Darminhalt  benutzt  und  dann  nach  ungenügender 
Reinigung  abermals  mit  dem  Peritoneum  in  Berührung  gebracht  wird, 
so  dass  er  es  inficiert.  Wir  haben  deshalb  die  Schwämme  seit  Ok- 
tober 1891  für  die  Laparotomien  ganz  durch  asej3tische  Tupfer  ersetzt. 

Die  Hälfte  der  Fälle  sind  an  Collaps  gestorben  und  selbst 
die  Schluckpneumonieen  gehören  in  die  Reihe,  wo  die  Patienten 
mit  zu  geringer  Widerstandsfähigkeit  zur  Operation  kamen.  Wenn 
die  Kranken  schon  zu  schwach  sind,  um  Nährklystiere  zu  halten, 
muss  man  sie  vom  Munde  aus  ernähren.  Am  besten  heilen 
aber  die  Magenoperationen,  bei  welchen  man  die  Magen- 
ernährung durch  die  ersten  8 Tage  ganz  durch  Klystier 
ersetzen  kann.  Obgleich  Erbrechen  nach  der  Gastroenterostomie 
selten  vorkommt,  so  stellt  es  sich  doch  ein,  sobald  man  bei  sehr  ge- 
schwächten Individuen  grosse  Flüssigkeitsmengen  in  den  Magen  bringt.  ■ 

Daraus  folgt  die  dringende  Mahnung,  dass  man  mit  der  Ope- 
ration nicht  so  lange  wartet,  bis  der  Kräftezustand  auf  eine  \dta 
minima  gesunken  ist.  Wenn  die  Leute  kaum  mehr  stehen  können. 


Ueb.  die  au  der  Heidelb.  ehir.  Kliu.  ausgef.  Operationen  am  Magen  u.  Dann.  431 

wenn  sie  keine  Klystiere  mehr  halten  können,  wenn  schon  Hypo- 
stasen und  Oedeme  (die  übrigens  ebenso  wie  Ascites)  bei  Pylorus- 
stenosen wegen  mangelhafter  Flüssigkeitsaufnahme  sehr  selten 
sind),  wenn  kaum  fühlbarer  beschleunigter  Puls  besteht,  soll  man 
nicht  mehr  operieren.  Die  Patienten  müssen  noch  im  Stande 
sein,  es  nach  der  Operation  8 Tage  ohne  Nahrung  mit 
Nährklystier en  auszuhalten.  Ich  glaube,  dass  wir  bei  Beobach- 
j tung  dieser  Regel  die  Mortalität  der  Operation  auf  ein  Minimum 
herabdrücken  können  und  dass  Lücke  seine  glänzenden  Erfolge 
wesentlich  dem  Umstande  zu  verdanken  hatte,  dass  seine  Kranken 
noch  nicht  in  extremis  waren. 

Bloss  einen  Fall  muss  ich  der  Technik  zur  Last  legen. 
Bei  Nr.  6 erwies  die  Sektion,  dass  der  Mageninhalt  leichter  in  die 
zuführende  Schlinge  des  Jejunum  drang  und  durch  den  Pylorus 
in  den  Magen  zurückströmte.  Dieser  Circulus  vitiosus,  welcher 
das  tödliche  Erbrechen  verursachte,  beruht  auf  einem  technischen 
Fehler.  Bekanntlich  bemühte  man  sich  anfangs,  die  zuführenden 
Darmschenkel  durch  Faltung  oder  Catgut-Ligatur  zu  verengen,  ist 
aber  davon  abgekommen,  seitdem  Lücke  (Rockwitz)  gezeigt 
hat,  dass  eine  halbe  Achsendrehung  der  einzunähenden  Darm- 
schlinge allein  genügt,  um  in  der  Regel  den  iVbfluss  in  der  ge- 
wünschten Richtung  zu  erzielen.  Bei  der  von  uns  geübten  Methode, 
den  Dünndarm  an  der  Plica  duodenojejunalis  aufzufinden  und  an 
die  Magenw'and  von  links  nach  rechts  heranzuziehen,  ergiebt  sich 
dieses  Resultat  von  selbst  und  macht  auch  das  von  J a b o u 1 a y 
und  Braun  kürzlich  empfohlene  Auskunftsmittel  der  Jejuno-Duo- 
denostomie  überflüssig  (Arch.  provinc.  de  Chhurgie  Nr.  1 und 
Chirurgencongress  1892).  Nach  den  Wölflerschen  Angaben  haben 
wir  von  dem  2.  Falle  an  das  Jejunum  in  folgender  Weise  stets 
rasch  gefunden.  (Vgl.  die  Mitteilung  an  der  Heidelberger  Natur- 
forscherversammlung, Deutsche  medic.  Wochenschrift  Nr.  45,  1889.) 
Nachdem  die  Bauchhöhle  eröffnet  ist,  wird  das  Colon  trans- 
versum  mit  dem  Magen  in  die  Höhe  geschlagen,  die  Dünndärme 
vom  Assistenten  nach  abwärts  gedrängt.  Dicht  am  Mesocolon 
transversum  greift  man  in  den  Winkel,  welchen  dasselbe  links 
von  der  Wirbelsäule  mit  dieser  bildet,  und  ergreift  die  in  der 
Tiefe  liegende  Dünndarmschlinge.  Das  ist  fast  immer  sofort  der 
Anfangsteil  das  Jejunum,  welcher  an  seiner  Fixierung  am  j)roximalen 
Ende  leicht  zu  erkennen  ist.  Nun  kann  man  sofort  zu  der  Aus- 
führung der  Operation  nach  v.  Hack  er ’s  Methode  schreiten:  Der 
I Assistent  drängt  mit  beiden  Daumen  die  hintere  Magenwand  gegen 
das  Mesocolon  vor,  während  seine  Fingerspitzen  das  Colon  trans- 


432 


V.  Czerny  und  Walter  Kindfleisch. 


versum  zurückhalten.  Das  Mesocolon  wird  an  einer  gefässlosen 
Stelle  durchschnitten  und  die  Dehnung  auf  5 cm  Durchmesser 
erweitert.  Nun  schlägt  man  das  Jejunum  von  links  nach  rechts 
herüber  und  befestigt  seine  Convexität  in  der  Längsaxe  des  Darms 
mit  einer  fortlaufenden  Naht  an  die  Hinterfläche  des  Magens 
parallel  seiner  Längsaxe.  Parallel  dieser  Naht  werden  die  beiden 
Därme  4 cm  lang  incidiert  und  sofort  die  hinteren  Schleimhaut- 
säume durch  eine  Reihe  innerer  Knopfnähte  genau  vereinigt  und 
die  Fäden  kurz  geschnitten. 

Nun  legt  man  am  besten  zuerst  die  mittelste  Knopfnaht  der 
vorderen  Schleimhautnahtreihe  an,  um  mittels  derselben,  die  vor- 
dere AVundlefze  von  der  hinteren  etwas  abzieh en  zu  können ; dann 
näht  man  nach  rechts  und  links,  bis  die  Dehnungen  durch  die 
erste  vordere  Nahtreihe  vereinigt  sind.  Diese  Schleimhautnähte 
werden  möglichst  genau  im  Schleimhautrande  eingestochen  und 
fassen  noch  ca.  2 mm  von  der  Serosa  mit.  Für  den  ganzen  Um- 
fang der  etwa  4 cm  langen  Dehnung  braucht  man  16 — 20  Knopfnähte. 

Nachdem  auch  die  vorderen  Knopfnähte  kurz  geschnitten 
sind,  legt  man  noch  eine  vordere  Reihe  Serosanähte  entweder 
fortlaufend  oder  in  Knopfnähten  an.  Einige  Hilfsnähte  nament- 
lich an  den  Winkeln  verstärken  die  Naht  und  befestigen  zugleich 
die  Ränder  der  Dehnung  im  Mesocolon.  Die  Dperation  lässt  sich 
bequem  in  einer  Stunde  ausführen. 

AVenn  die  Därme  zurückgebracht  sind,  liegen  sie  in  ganz 
natürlicher  Lage,  nur  dass  der  angenähte  Jejunalteil  von  seinem 
Abgänge  am -Duodenum  von  links  nach  rechts  herübergeschlagen 
ist  und  deshalb  die  Peristaltik  des  Magens  sich  direkt  in  die 
Peristaltik  des  abführenden  Schenkels  fortsetzt.  Diese  natürhche 
Stellung  der  Eingeweide  war  der  Grund,  dass  wir,  wenn  immer 
möglich,  die  v.  Hacker’sche  Modifikation  der  ursprünglichen 
AVölfler 'sehen  Angabe,  den  Dünndarm  in  die  vordere  Magenwand 
einzupflanzen,  vorgezogen  haben.  AVenn  der  Alagen  erweitert 
ist  und  keine  pathologischen  A'’erwachsungen  des  Fundus  dar- 
bietet, ist  die  V.  Hacker’sche  Dperation  ebenso  leicht  auszuführen, 
wie  die  AVölfler’sche.  Darauf,  dass  von  6 AVölfler’schen  Dperationen 
uns  4 und  von  14  v.  Hacker’schen  ebenfalls  bloss  4 gestorben 
sind,  möchten  wir  kein  grosses  Gewicht  legen,  da  naturgemäss  die 
schlimmen  Fälle  nach  der  AVölfler’schen  Alethode  operiert  worden 
sind  und  dieselben  auch  noch  in  unsere  Lehrzeit  fielen.  Bekannt- 
lich hat  ja  Lücke  gerade  mit  der  AVölfler’schen  Methode  ausge- 
zeichnete Erfolge  erzielt. 

Zum  Schlüsse  möchten  wh’  noch  darauf  hinweisen,  dass  die 


f 


Ueb.  die  an  der  Heidelb.  chir.  Klin.  ausgef.  Operationen  am  Magen  u.  Darm.  43d 

doppelreihige  Darmnalit  mit  Seide  in  allen  Fällen  die  Probe  be- 
standen hat,  dass  auch  bei  starkem  Wasserdruck  im  Cadaver  kein 
Lecken  zu  beobachten  war  und  dass  auch  erhebliche  Randnekrosen 
nicht  vorgekommen  sind. 

Seit  lange  waren  wir  begierig , zu  sehen , wie  sich  die 
vonSenn  u.  A.  experimentell  studierte  Methode,  dieEnteroanastomose 
durch  decalcinierte  Knochen(Catgut  oder  Gummijringe  rascher  zu 
bewerkstelligen,  am  Menschen  bewähren  werde.  Wir  hatten 
keinen  Grund  von  unserer  bewährten  Methode  abzugehen  und  die 
oben  mitgeteilten  Erfahrungen  von  Senn  geben  uns  Recht.  Auf 
die  grosse  Mortalität  wollen  wir  kein  grosses  Gewicht  legen,  da 
Senn  offenbar  recht  schlechte  Fälle  zur  Operation  bekommen  hat. 
Allein  bei  Verwendung  trockener  Platten  bekam  er  Decubitus  und 
sah  sich  genötigt,  zunächst  die  Schleimhaut  mit  der  Serosa  lippen- 
förmig zu  unisäumen  und  dann  noch  eine  fortlaufende  Serosanaht 
hinzuzufügen.  Trotzdem  beobachtete  er  in  seinem  5.  Falle  Perfo- 
rationsperitonitis. Da  in  seinem  8.  Falle  die  feuchten  Beinplatten 
schon  40  Stunden  nach  der  Operation  erbrochen  wurden,  ist  es 
schwer  zu  glauben,  dass  diese  Modifikation  seines  Verfahrens  eine 
grössere  Sicherheit  gewähren  wird.  Die  Plattenmethode  ist  also 
unsicher  und,  wenn  sie  gut  und  schnell  ausgeführt  werden  soll, 
erfordert  sie  mehr  Uebung  von  seiten  des  Operateurs  und  Assi- 
stenten als  die  zweireihige  Darmnaht.  Es  soll  uns  herzlich  freuen, 
wenn  eine  bessere  und  einfachere  Methode  der  Darmnaht,  als  die 
zweireihige  erfunden  wird,  aber  dieselbe  ist  einfach  und  gut,  und 
wie  wir  an  anderem  Orte  betont  haben,  kommt  es  jetzt  weniger 
darauf  an,  neue  Methoden  zu  erfinden,  als  die  indmduelle  Technik 
des  Operateurs  in  der  Ausführung  der  Darmnaht  durch  fleissige 
Uebung  am  Cadaver  und  am  lebenden  Tiere  möglichst  sorgfältig 
auszubilden. 

Von  der  grössten  Wichtigkeit  für  die  Frage  der  Berechtigung 
der  Gastroenterostomie  sind  die  Endresultate  der  sogenannten 
genesenen  Fälle.  Es  ist  ja  schwer  zu  sagen,  wie  viel  einige 
Monate  des  Gefühles  der  Reconvalescenz  und  der  Sättigung  im 
individuellen  Leben  wert  sind.  Es  bleibt  bei  dieser  Operation  im 
Gegensatz  zu  der  Gastrostomie  und  der  Colostomie  keine  ekhge 
Fistel  zurück.  Man  wird  ihr  also  einen  höheren  ethischen  Wert 
beilegen  müssen,  als  diesen  ebenfalls  bloss  palliativen  Operationen. 
Trotzdem  müssen  wir  gestehen,  dass  die  Dauer  des  Erfolges,  so 
schön  er  sich  in  einigen  Fällen  auch  darstellt,  allzukurz  und  bis 
jetzt  wenigstens  durch  ein  zu  hohes  Risiko  erkauft  ist.  Das 
Risiko  wird  voraussichtlich  abnehmen,  und  die  Dauer  der  Erfolge 

28 


434 


V.  Czerny  und  Walter  Rindfleisch. 


bei  Krebsleiden  kann,  so  lange  kein  inneres  Mittel  dagegen  er- 
funden ist,  bloss  dadurch  erhöht  werden,  dass  man  nicht  zu  lange 
wartet,  sondern  schon  eher  den  armen  Kranken  die  lindernde 
Operation  vorschlägt. 

Von  unseren  12  genesenen  Fällen  sind  sogar  2 noch  in  der 
Klinik  gestorben,  Nr.  11  am  25.  Tage,  nachdem  sich  bei  beginnen- 
der Reconvalescenz  einmal  Erbrechen  einstellte,  wobei  eine  frische 
Blutung  aus  einer  Adhäsion  in  der  Nähe  des  Nabels  den  geringen 
Kräftevorrat  verzehrte.  Es  fanden  sich  metastatische  Knoten  im 
Peritoneum,  beiden  Ovarien  und  Tuberkulose  beider  Lungenspitzen, 
Schluckpneunomie  des  linken  Unterlappens.  Ob  man  diesen  Fall 
noch  den  »Genesenen«  zurechnen  darf,  mag  zweifelhaft  sein. 

Nr.  12  hatte  schon  14  Pfund  an  Gewicht  zugenommen,  dann 
kamen  Metastasen  in  die  Wirbelsäule  und  Decubitus,  dem  er  10 
Wochen  nach  der  Operation  erlag. 

Auch  Nr.  19  und  3 starben  schon  42  resp.  39  Tage  nach 
der  Operation  bald  nach  ihrer  Entlassung.  Bei  Nr.  19  kam  es  zu 
keiner  rechten  Reconvalescenz,  während  Nr.  3,  in  recht  gutem 
Zustande  entlassen,  wahrscheinlich  in  der  Freude  der  Heimkehr 
durch  einen  Diätfehler  sich  den  Tod  holte. 

Mehr  Freude  machten  uns  die  übrigen  Fälle. 

Nr.  5 lebte  11  Monate  und  hatte  in  den  ersten  Monaten  eine 
so  gute  Reconvalescenz,  dass  mir  sein  New- Yorker  Arzt  in  allem 
Ernste  seine  Zweifel  ausdrückte,  ob  unsere  Diagnose  richtig  war. 
Sein  Körpergewicht  nahm  von  44,5  wieder  bis  auf  70  Kilogramm 
zu.  Nach  fünf  Monaten  begannen  die  alten  Beschwerden,  welche 
allmählich  zunehmend  den  Tod  herbeiführten. 

Nr.  7 nahm  um  die  Hälfte  ihres  Gewichts  (von  67  auf  9972 
Pfund)  zu  und  hatte  soviel  Fettpolster  zugelegt,  dass  man  fünf 
Monate  nach  der  Operation  die  Geschwulst  des  Pförtners  kaum 
fühlen  konnte.  Die  letzten  2 Monate  ihres  11 72  Monate  nach  der 
Operation  dauernden  Lebens  waren  wieder  diu’ch  den  Rückfall  der 
Beschwerden  verbittert. 

Auch  Nr.  8 hatte  5 gute  Monate  und  starb,  nachdem  durch  sechs 
AVochen  wieder  die  alten  Beschwerden  eingetreten  waren.  Der 
interessante  Sektionsbefund  dieses  Falles,  bei  dem  die  Oeffnung 
3 cm  lang  angelegt  und  auf  8 Millimeter  Durchmesser  ge- 
schrumpft war,  mahnt  uns,  die  Anastomose  möglichst  weit  zu 
machen,  da  sie,  wie  jeder  Narbenring,  die  Neigung  hat,  sich  zu- 
sammenzuziehen und  infolgedessen  den  Nutzen  der  Anastomose 
in  Frage  zu  stellen.  Genaue  Nachrichten  fehlen  über  Nr.  15 
(9  Monate),  16  (572  Monate)  und  18  (keine  Antwort).  Die  durchschnitt- 


Ueb.  die  an  der  Heidelb.  chir.  Klin.  ausgef.  Operationen  am  iMagen  n.  Darm.  435 

liclie  Lebensdauer  nach  der  Operation  betrug  bei  den  neun  Krebs- 
fällen, über  deren  Ende  genaue  Nachrichten  vorliegen,  5 — 6 Monate. 

Aber  mit  Krebskranken,  deren  Tage  immer  gezählt  sind, 
lässt  sich  der  Wert  der  Gastroenterostomie  nicht  beweisen.  Um 
so  wertvoller  ist  es,  dass  unter  unseren  genesenen  Fällen  auch 
zwei  gutartige  durch  Magengeschwüre  bedingte  Stenosen  des 
Pylorus  sich  befinden  (Nr.  17  und  20).  Die  beiden  Kranken, 
welche  jahrelang  durch  ihr  Magenleiden  arbeitsunfähig  waren, 
fortwährend  mit  Schmerzen , Erbrechen , Blutungen , Stuhlver- 
stopfung etc.,  zu  leiden  hatten,  sind  durch  die  Operation  wie 
mit  einem  Schlage  von  ihren  Leiden  befreit,  haben  über 
40  Pfund  an  Gewicht  zugenommen  und  sind  seit  2 resp. 
1 Jahre  wieder  arbeitsfähig  und  voraussichtlich  dauernd 
genesen.  Offenbar  sind  auch  die  Magengeschwüre,  welche  frü- 
her durch  die  faulen  Zersetzungen  im  Magen  fortwährend  gereizt 
wurden,  spontan  geheilt  und  die  Dilatation  des  Magens  hat  sich  ganz 
zurückgebildet,  fürwahr  ein  glänzender  Erfolg  der  modernen  Chirurgie ! 

III.  Die  Probelaparotoinieen  wegen  Magenkrebs 

(Nr.  1 — 9 u.  n der  Tabelle). 

Aus  verschiedenen  Gründen  haben  wir  kurze  Kranken- 
geschichten derjenigen  Fälle  angeschlossen,  bei  welchen  wir,  sei 
es  auf  dringenden  Wunsch  des  Patienten,  sei  es  in  der  Hoffnung, 
die  Leiden  derselben  beseitigen  zu  können,  Probelaparotomieen  aus- 
geführt haben  und  die  Bauchhöhle  wieder  schliessen  mussten, 
weil  sich  eine  Exstirpation  als  unthunlich  und  eine  IMagendarm- 
fistelbildung  als  überflüssig  herausstellte,  da  Stenosenerscheinungen 
fehlten.  Die  Probelaparotomieen  sind  seltener  geworden,  als  wir 
durch  zunehmende  Erfahrungen  die  Grenzen  der  Möglichkeit,  beim 
Magenkrebs  operative  Hilfe  zu  leisten,  genau  kennen  lernten  und 
nachdem  wir  seit  dem  Jahre  1885  häufiger  zu  der  Gastroentero- 
stomie unsere  Zuflucht  nahmen.  Es  fallen  deshalb  auf  die  erste 
Hälfte  unserer  Berichtszeit  7,  auf  die  zweite  Hälfte  bloss  3 Probe- 
laparotomieen. Wenn  wir  die  Gastroenterostomieen  den  Probe- 
laparotomieen hinzuzählen,  bekommen  wir  für  die  erste  Hälfte  14, 
für  die  zweite  Hälfte  16  Operationen. 

Zunächst  wollten  wir  dem  Leser  durch  die  Krankengeschichten 
die  Möglichkeit  eröffnen,  durch  eigene  Lektüre  sich  ein  Urteil  zu 
bilden,  warum  wir  im  einzelnen  Falle  vor  dem  Versuche  der  radi- 
kalen oder  palliativen  Operation  zurückgeschreckt  sind.  Schon  das 
Zahlen  Verhältnis : 19  Resektionen  am  Magen,  20  Gastroenterosto- 
mieen, 10  Probelaparotomieen  ist  nicht  ohne  Interesse. 


436 


Czerny  und  Walter  Rindfleisch. 


Die  Frage,  ist  eine  Probelaparotomie  ohne  Gefahr,  können 
wir  nicht  unbedingt  mit  ja  beantworten,  denn  drei  Patienten  sind 
nach  der  Operation  am  7.,  8.  und  15.  Tage  gestorben.  Freilich 
hatten  sie  alle  Metastasen  im  Netz  oder  blutigen  Ascites,  Kompli- 
kationen, welche  jeden  operativen  Eingriff,  'selbst  die  einfache 
Punktion  des  Ascites,  gefährlich  erscheinen  lassen.  Ob  eine  noch 
sorgfältigere  Asepsis,  bei  Vermeidung  von  antiseptischen  Mitteln, 
diese  Gefahr  vermindert  hätte,  wagen  wir  nicht  zu  entscheiden. 

Von  den  7 Ueberlebenden , welche  die  Klinik  mit  der  leider 
trügerischen  Hoffnung,  Nutzen. von  der  Operation  davon  zu  tragen, 
verlassen  hatten,  konnten  wir  bei  5 das  genaue  Datum  des  Todes- 
tages ermitteln.  Sie  überlebten  die  Operation  53  Tage,  7 Monat 
20  T.,  6 M.  16  T.,  13  M.  2 T.  und  4 M.  16  T.,  also  im  Durch- 
schnitt 6'/2  Monate.  Da  die  mittlere  Lebensdauer  der  wegen 
Pyloruskrebs  mit  der  Magendarmfistelbildung  Behandelten  bloss  auf 
572  Monate  berechnet  wird  und  da  keiner  der  letzteren  mehr  als 
1172  Monate  lebte,  könnte  man  leicht  den  Schluss  ziehen,  dass 
die  Probelaparotomie  allein  bei  Krebskranken  mehr  leistet  als  die 
Gastroenterostomie.  Bekanntlich  haben  La wson  Tait  und  andere 
Chirurgen  im  Anschluss  an  die  wunderbaren  Wirkungen  nach  der 
Incision  bei  Bauchfelltuberkulose  behauptet,  sie  hätten  einen  ähnlich 
günstigen  Erfolg  auch  bei  bösartigen  Neubildungen  nach  der  Probe- 
incision  der  Bauchhöhle  beobachtet.  Es  ist  nun  nicht  einzusehen, 
warum  die  Gastroenterostomie  nicht  in  erhöhtem  Masse  diesen 
günstigen  Einfluss  auf  die  Rückbildung  maligner  Tumoren  aus- 
üben sollte,  wie  die  einfache  Laparotomie.  Ist  doch  auch  von  der 
Colostomie  ein  solch  günstiger  Einfluss  auf  den  Verlauf  des  Mast- 
darmkrebses behauptet  worden.  Da  wir  weder  bei  der  einen  noch 
bei  der  andern  Operation  eine  Rückbildung  maligner  Neubildungen, 
wenn  sie  nicht  radikal  entfernt  worden  sind,  beobachten  konnten, 
müssen  wir  uns  über  diesen  Mangel,  an  Glück  mit  der  Hoffnung 
trösten,  dass  unsere  Diagnosen  etwas  genauer  waren,  als  diejenigen 
jener  glückhchen  Operateure. 

Der  einzige  Schluss,  welchen  wir  aus  der  traurigen  Erfahrung, 
dass  die  Gastroenterostomie  nicht  mehr  leistet,  als  die  Probeinci- 
sion,  zu  ziehen  wagen,  ist  der  schon  oben  wiederholt  ausges]Drochene, 
dass  unsere  operative  Thätigkeit  sich  nicht  gegen  den  Magenkrebs 
als  solchen,  sondern  gegen  die  mechanischen  Hindernisse,  welche 
er  der  Fortschaffung  der  Nahrung  aus  dem  Magen  entgegensetzt, 
richten  soll,  dass  wir  also  wesentlich  die  sekundäre  Magen- 
erweiterung mit  ihren  Folgen  operativ  bekämpfen  sollen. 
Finden  wir  dabei  einen  Pyloruskrebs,  welcher  sich  radikal 


Ueb.  die  an  der  Heidelb.  chir.  Klin.  ausgef . Operationen  am  Magen  n.  Darm. 


437 


exstirpieren  lässt,  so  ist  das  ein  Glücksfall,  welcher,  wie 
die  oben  angeführten  Fälle  (Nr.  10  und  11  der  Resektionen)  be- 
weisen, zu  einer  Verlängerung  des  Lebens  und  zur  Besei- 
tigung der  Beschwerden  führen  kann.  Ist  der  Krebs  nicht 
mehr  radikal  zu  beseitigen,  so  wird  die  Gastroentero- 
stomie wenigstens  temporär  die  Qualen  der  Magendila- 
tation beseitigen  und  das  Befinden  des  Kranken  verbes- 
sern. Ihre  glänzendsten  Triumphe  feiert  die  moderne 
Magenchirurgie  bei  den  gutartigen  Stenosen  und  Ge- 
schwürsbildungen am  Magen. 

Von  den  Probelaparotomieen  verdient  vielleicht  Nr.  11  der 
Tabelle  eine  besondere  Erwähnung,  weil  der  im  linken  Leber- 
lappen gefundene  Krebs  die  Bauchwunde  durchbrach  und  zu  der 
Behandlung  mit  Chlorzinkpasta  nötigte,  ein  früher  (1882)  Ver- 
such von  Leberchirurgie,  den  wir  allerdings  mehr  der  Not  als 
dem  eigenen  Triebe  gehorchend  unternommen  haben. 


A n h a n g. 

1.  Eine  Probelapavotoinie  wegen  Verdacht  anf  Ulcus. 

An  die  Probelaparotomieen  wegen  Krebs  scbliessen  wir  einen  Fall  (Nr.  10 
der  Tabelle)  an , bei  welchem  seit  7 Jahren  heftige  Magenbescbwerden , Sod- 
brennen, Hyperacidität,  welche  bloss  durch  grosse  Klengen  Soda  gemildert  werden 
konnte,  Schmerzen  und  Druck  im  Fipigastrium  die  Arbeit  des  Architekten  am 
Zeichentische  unmöglich  machten.  Dagegen  konnte  der  junge  iMann  die  an- 
strengenden Uebungen  als  Reserveoffizier  mitmachen.  Nachdem  alle  möglichen 
Knrversnche  von  hervorragenden  iMagenspezialisten  vergeblich  waren,  verlangte 
er  dringend  operative  Hilfe.  Nach  langem  Zögern  und  im  Besitze  eines  Reverses, 
dass  wir  für  den  Nutzen  und  Schaden  der  Operation  nicht  einstehen  könnten, 
entschlossen  wir  uns  zu  einer  Probelaparotomie  in  der  Holfnung,  vielleicht  an 
einem  Druckpunkte  eine  Narbe  oder  Adhäsion  zu  finden. 

Es  fand  sich  nichts  Krankhaftes  ausser  etwas  lebhafter  Pulsation  in  der 
Gegend  des  Arteria  linealis.  In  den  ersten  Wochen  nach  der  Operation  be- 
hauptete der  Kranke  offenbar  unter  dem  suggestiven  und  diätetischem  Einfiusse 
der  Operation  Besserung  zu  verspüren.  Bald  jedoch  traten  die  alten  Beschwerden 
M ieder  hervor,  und  als  der  Patient  abermals  eine  Incision  in  den  Magen  stürmisch 
verlangte,  M urde  er  an  Herrn  Prof.  Mikulicz  zu  M’eiterer  Behandlung  empfohlen. 

2.  Laiiarotomieeii  wegen  Tumoren  neben  dem  Magen. 

Von  den  3 Fällen  der  Tabelle  (11—14)  ist  der  erste  schon  bei  Gelegenheit 
der  Probeeinschnitte  wegen  Kreljs  kurz  erwähnt,  die  anderen  beiden  scbliessen 
sich  ganz  eng  an  die  oben  unter  HI.  angeführten  2 ^lagenresektionen  wegen  über- 
greifenden Tumoren  an,  denn  der  Fall  Elisabeth  B.  (,12)  stellt  ein  Myxosarcom  des 
grossen  Netzes  vor,  ähnlich  -wie  die  ebenerwäbnten  2 Fidle,  nur  dass  die  Vernarbungen 
so  ausgedehnte  M'aren,  dass  eine  radikale  Ojieration  nicht  mehr  ausfiUirbar  war. 

Wilhehnine  II.  (1.3)  litt  an  einem  Fibrosarcom,  Meiches  von  den  Lymph- 


438 


V.  Czerny  und  Walter  Rindfleisch. 


drüsen  der  kleinen  Curvatur  des  i\Ia,ü:ens  ausging,  mit  der  Hinterfläche  des 
IMagens  breit  aber  trennbar  verwachsen  war  und  seinen  Gefässstiel  am  Tripus 
Halleri  hatte.  Die  erste  Operation  mit  Schonung  der  IMagenwand  hatte  einen  so 
glänzenden  Erfolg,  dass  die  Patientin  noch  zweimal  normal  niederkam.  Erst 
dann  stellte  sich  ein  Recidiv  ein , das  so  ausgedehnte  Verwachsungen  zeigte, 
dass  seine  radikale  Entfernung  vielleicht  lieber  unterblieben  wäre. 

Diese  4 Fälle  von  S a r c o m e n a m M a g e n scheinen  uns  zu  beweisen, 
dass  diese  Geschwülste  von  den  lymphatischen  Elementen  der  grossen  oder 
kleinen  Curvatur  ausgehen  und  erst  secundär  auf  die  IMagenwand  übergreifen, 
welche  sie  schliesslich  selbst  perforieren  können  (Fall  I.,  19).  Die  mehrjährige 
Heilung  in  diesem  und  das  späte  Recidiv  in  den  Fällen  IH.,  13  und  I.  18 
schliessen  sich  an  die  Erfalirungen  an,  welche  wir  auch  sonst  bei  Sarcomen 
zu  machen  Gelegenheit  haben. 


Resultate. 

Wenn  wir  nocheininal  die  Erfolge  der  Magennähte  und 
Resektionen  zusammenfassen,  so  sind  von 

19  Magenresektionen  (an  18  Ratienten)  7 gestorben. 

Der  Tod  erfolgte  einmal  an  Collaps,  zweimal  an  Colongangrän, 
dreimal  an  Peritonitis,  welche  zweimal  einer  Nahtnekrose 
oder  einem  technischen  Fehler  zugeschrieben  werden  musste,  und 
einmal  an  Schluckpneumonie. 

^^on  den  genesenen  12  Fällen  sind  zunächst  5 Magenkrebse 
nach  2 — 18,  im  Durchschnitt  nach  10,2  Monaten  an  Recidiv  gestorben. 

Zwei  an  Magenkrebs  Operierte  leben  noch  15  und  26 
Monate  nach  der  Operation  ohne  Recidiv. 

Zu  den  zwei  eliptischen  Excisionen  wegen  Sarcomen  sind  die 
zwei  Sarcome  hinzuzugesellen,  von  denen  eines  bloss  einer  Probe- 
laparotomie unterzogen  werden  konnte,  während  der  andere  Fall  noch 
4 Jahre  nach  der  ersten  Operation  ganz  gesund  blieb  und  zweimal 
Kinder  erzeugte,  dann  aber  im  fünften  Jahre  an  einer  Recidiv- 
operation  starb.  Von  den  zwei  ehp tischen  Magenresektionen  ist 
einer  nach  13  Monaten  am  Recidiv  gestorben,  einer  lebt  noch 
nach  2 Jahren  ohne  Recidiv. 

Von  den  gutartigen  Stenosen  ist  ein  Fall  nach  9 Monaten 
am  Recidiv  der  Verengerung  gestorben  und  2 Fälle  leben  noch 
nach  4 und  10  Jahren  in  voller  Gesundheit. 

Von  20  Gastroenterostomieen  sind  8 gestorben  und  zwar 
2 an  Peritonitis,  4 an  Collaps  und  2 an  Schluckpneumonie.  Bei  einem 
Falle  spielte  ein  technischer  Fehler  mit,  aber  die  Naht  hielt  stets. 
Die  überlebenden  Krebskranken  überlebten  die  OjDeration  teilweise 
mit  bedeutender  Besserung  des  Befindens  1 — 11  ’/a  Monate.  Zwei  mit 
gutartigen  Stenosen  behaftete  sind  seit  1 und  2 Jahren 
frei  von  Beschwerden  und  vollkommen  arbeitsfähig. 


I.  ^Lageiireselitioueii. 

la.  Magenresektionen  wegen  Pyloruskrebs. 


L'eb.  die  an  der  Heidelb.  chir.  Klin.  ausgef.  Operationen  am  Magen  u.  Darm.  439 


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Ueb.  die  an  der  Heidelb.  chir.  Klin.  ansgef.  Operationen  am  Magen  u.  Darm.  451 

B.  Darmnähte  und  Darmresektionen. 

Von  der  nachfolgenden  Besprechung  haben  wir  die  acuten 
Perforationen  des  Darmes,  die  Resektion  des  Wurmfortsatzes,  die 
acuten  inneren  Incarcerationen , ebenso  wie  die  incarcerierten 
Hernien,  welche  die  Resektion  gangränösen  Darmes  nötig  machten, 
ferner  die  Enterostomien  wegen  Kotstauung  und  inoperablen  Ge- 
schwülsten, die  Lösung  von  Knickungen  und  Adhäsionen  des 
Darmes,  sowie  die  zufälligen  Verletzungen,  welche  bei  Operation 
von  Bauchtumoren  vorkamen,  ausgeschlossen. 

Es  beschränkt  sich  die  Arbeit  demnach  auf  die  Darmnaht 
und  Resektionen  wegen  Geschwülsten,  tuberkulösen  und  Narben- 
Stenosen,  Invaginationen  und  Kotfisteln,  welche  nach  Hernioto- 
mieen  zurückgeblieben  sind. 

1.  Darmresektioneii  wegen  bösartiger  Geschwülste. 

Zehn  maligne  Darmtumoren,  welche  sämtlich  vom  Dickdarm 
(Coecum  4,  Flexura  sigmoidea  2,  Colon  transversum  3,  Colon  des- 
cendens  1)  ausgingen,  wurden  der  Operation  unterzogen.  Dreimal 
war  das  Carcinom  auf  einen  anderen  Darmteil  übergegangen  und 
erforderte  eine  doppelte  Darnmaht.  Zw’eimal  vom  Colon  trans- 
versum auf  die  Flexura  sigmoidea  und  den  Dünndarm,  einmal 
vom  Coecum  auf  das  Duodenum. 

Was  die  Natur  der  Geschwülste  betrifft,  so  war  einmal  (1) 
ein  medulläres,  einmal  ein  papilläres  (3),  viermal  (6,  7,  8,  9)  ein 
einfaches  Drüsencarcinom  diagnosticiert,  von  denen  die  3 letzten 
mehr  der  derben  skirrhösen  Form  angehörten  und  deshalb  wohl 
auch  eine  bessere  Prognose  boten. 

Es  liegt  wohl  nahe,  anzunehmen,  dass  auch  der  Drüsenkrebs 
des  Darmes  ähnlich  wie  der  Drüsenkrebs  der  Mamma  nicht  selten 
als  derber,  langsam  wachsender  Knoten  beginnt  und  erst  später 
durch  raschere  Zellenproliferation  mehr  die  medulläre  Form  an- 
nimmt. 

Dreimal  (2,  4,  5)  wurde  ein  Gallertcarcinom  festgestellt.  End- 
lich fand  sich  einmal  ein  alveolares  Lymphosarcom  des  Colon 
transversum  (10),  welches  noch  dadurch  eine  besondere  Stellung 
einnimmt,  weil  es  5 Jahre  nach  der  Entfernung  eines  Ovarial- 
sarcoms  auftrat  und  weil  die  Patientin  noch  jetzt  sechs  Jahre 
nach  der  Darmresektion,  11  Jahre  nach  der  Operation  des 
primären  Sarcoms  ganz  gesund  ist. 

Was  die  Resultate  der  Operation  betrifft,  so  kamen  auf  den 
ersten  glänzenden  Erfolg  leider  mehrere  Misserfolge.  Im  ganzen 


452 


V.  Czerny  und  Walter  Rindfleisch. 


sind  5 Genesungen  und  5 Todesfälle  zu  verzeichnen.  Der  Tod 
erfolgte  einmal  (2)  durch  Collaps  nach  der  sehr  schweren  und 
langdauernden  Operation  und  viermal  durch  septische  Peritonitis. 
Wenn  auch  bei  diesen  Fällen  Herzschwäche  manchmal  mitge- 
spielt haben  mag,  so  ist  doch  wohl  hauptsächlich  die  Infektion 
des  Bauchfelles  durch  Darminhalt  während  der  Operation  als 
Todesursache  anzuklagen.  Dem  entsprechend  erfolgte  der  Tod 
auch  schon  am  1. — 3.  Tage.  Die  Darmnaht  that  jedesmal  ihren 
Dienst. 

Von  3 Doppelresektionen  des  Darmes  trugen  2 zu  der  Ver- 
mehrung der  Todesfälle  bei  und  müssten  eigentlich  bei  der  Be- 
rechnung der  Mortalität  der  Darmresektion  wegen  Geschwülsten 
besonders  gezählt  werden. 

Von  den  5 nach  der  Operation  genesenen  Kranken  ist  eine  (1)  schon 
nach  6 Monaten  11  Tagen  an  kontinuierlichem  Recidiv  gestorben. 
Vier  leben  noch  (seit  6,15,  19  Monaten  und 6 Jahren)  in  voller  Ge- 
sundheit und  sind  durch  die  Operation  von  ihren  grossen 
Beschwerden  vollkommen  befreit. 

Das  bedeutet  freilich  noch  keine  definitive  Heilung  von  dem 
Krebsleiden,  aber  immerhin  zeigen  die  Fälle,  dass  die  Darmresek- 
tion bei  richtiger  Auswahl  und  guter  Ausführung  grossen  Nutzen 
zu  schaffen  im  Stande  ist.  Wenn  die  Kranken  schon  seit  Jahren 
durch  ihre  Leiden  geschwächt  und  ein  grosser  nur  schwer  be- 
weglicher Tumor  (Fall  1,  2,  4,  5,  6)  vorhanden  ist,  wird  man  besser 
von  der  Radikaloperation  abstehen  und  bloss  dann  zu  derselben 
greifen,  wenn  es  gelingt,  durch  eine  vorausgehende  Enterostomie 
die  Kräfte  des  Patienten  zu  heben.  Am  günstigsten  werden 
immer  die  Fälle  sein,  bei  denen  ein  kleiner  Skirrhus  schon  früh- 
zeitig Stenosenerscheinungen  macht  und  deshalb  zum  Handeln 
auffordert.  Bei  Nr.  7,  8 und  9 konnten  wir  vol  der  Operation 
keinen  Tumor  nachweisen  und  bloss  aus  dem  Symptomenkomplexe 
einen  malignen  Tumor  vermuten.  Bei  7 und  8 gelang  es  nach 
der  dringend  erforderlichen  Enterostomie  den  kleinen  Tumor  zu 
finden  und  ihn  durch  eine  2.  Operation  zu  beseitigen. 

Im  Falle  9,  wo  der  Meteorismus  noch  nicht  allzugross  war, 
konnten  wir  den  vermuteten  kleinen  Tumor  der  Flexura  sigmoidea 
durch  die  Probeincision  feststellen  und  schritten  sofort  auch  zu 
seiner  Entfernung  durch  die  primäre  Darmresektion. 

Sechs  von  den  Kranken  waren  weiblichen,  vier  männlichen 
Geschlechtes.  Die  Männer  gingen  nach  der  Operation  sämtlich 
zu  Grunde,  während  von  den  6 Frauen  5 gerettet  wurden.  Das 
Alter  bewegte  sich  zwischen  .34  und  52  Jahren  und  war  im  Durch- 


IJeb.  die  an  der  Heidelb.  chir.  Klin.  aiisgef.  Operationen  am  Magen  u.  Darm.  453 

schnitt  45  Jahre.  Das  niedrigste  Alter  (34  Jahre)  hatte  die  Patien- 
tin mit  dem  Sarcom. 

2.  Tuberkulöse  Darintumoren. 

Von  besonderem  Interesse,  weil  noch  wenig  bekannt,  sind 
die  Resektionen  wegen  tuberkulöser  Darmgeschwüre.  Zu  den 
5 Fällen,  welche  Czerny  bei  Besprechung  der  Bauchfelltuberkulose 
mitgeteilt  hat  (Beiträge  zur  klin.  Chirurgie,  VI.  Band,  Tübingen  1890), 
sind  noch  6 neue  hinzugekommen.  Seitdem  hat  König’)  auf 
die  Bedeutung  der  tuberkulösen  Ileocoecalstenosen  aufmerksam 
gemacht  und  interessante  Beobachtungen  darüber  mitgeteilt. 

Von  unseren  11  Fällen  betrafen  9 das  Coecum,  von  denen 
.•)  mit  Fisteln  nach  aussen  sich  geöffnet  hatten  (17,  18,  19).  Auch 
bei  13  bestand  eine  Dünn-  und  Dickdarm-  (wahrscheinlich  Coecal-) 
fistel,  während  bei  15  eine  kleinknotige  Bauchfelltuberkulose  wohl 
erst  secundär  zur  Dünndarmperforation  geführt  hatte. 

Die  2 Fälle,  bei  welchen  durch  Spaltung  der  Fistelgänge, 
eliptische  Anfrischung  und  lineäre  Naht  der  Darmfistel  die  Hei- 
lung versucht  wurde  (Nr.  13,  17),  kamen  niclit  zur  Genesung. 

Von  den  Darmresektionen  ist  zunächst  Nr.  15  besonders  zu  be- 
trachten, da  bei  derselben  5 Fisteln  durcli  lineäre  Naht  und  2 Fisteln 
durch  Resektion  von  9 cm  Dünndarm  zu  heilen  versucht  wurden.  Da 
die  Patientin  ausserdem  schon  Allgemeintuberkulose  und  Amy- 
loiddegeneration hatte,  erlag  sie  dem  schweren  Eingriffe. 

Nach  den  8 typischen  Resektionen,  welche  wegen  stenosieren- 
der  Geschwüre  der  Ileocoecalgegend  ausgeführt  worden  sind, 
starb  ein  Patient  (12)  von  54  Jahren , bei  welchem  der  fest  ein- 
gewachsene Ureter  verletzt  wurde,  so  dass  sofort  die  Niere  exstir- 
piert  werden  musste.  Er  überstand  den  Shock  der  Operation  und 
ging  erst  am  7.  Tage  an  Peritonitis  zu  Grunde,  welche  durch 
secundäre  Nekrose  der  Nahtränder  entstanden  war. 

Da  dieser  ein  sehr  schwieriger  Fall  im  vorgerückten  Lebens- 
alter war,  welcher  der  eingreifenden  radikalen  Operation  bloss 
deshalb  unterzogen  wurde,  weil  wir  einen  Darmkrebs  vor  uns  zu 
haben  glaubten,  beweisen  die  übrigen  7 Fälle,  welche  sämtlich 
zunächst  geheilt  sind,  dass  die  als  sehr  gefährlich  ver- 
schrieene Resektion  der  Ileocoecalpartie  des  Darmes, 
wenn  sie  richtig  ausgeführt  wird,  von  jugendlichen  Indi- 
viduen, und  um  solche  handelt  es  sich  meistens  bei  der 
Darmtuberkulose,  relativ  leicht  vertragen  wird. 

0 Deutsche  Zeitschr.  f.  Cliir.  Bd.  XXXIV  p.  65 , Die  striktnrierende  Tuber- 
kulose des  Darmes  und  ihre  Behandlung. 


454 


V.  Czerny  und  Walter  Rindfleisch. 


Freilich  ist  Nr.  19  bald  nach  seiner  Heimkehr  an  einer 
profusen  Mastdarmblutung  gestorben.  Wenn  aber  ein  Kranker, 
wie  dieser,  an  Lungenphthise  und  paraproctalen,  tuberkulösen  Ab- 
scessen  leidet,  wird  man  vielleicht  besser  thun,  die  immerhin  ein- 
greifende Operation  zu  unterlassen.  Wir  haben  sie  auch  nur 
unternommen,  weil  der  Patient  sich  jedem  Versuche  unterziehen 
wollte,  welcher  ihm  die  Möglichkeit  der  Genesung  darbieten  würde. 
Von  4 Kranken  ist  festgestellt,  dass  sie  durch  6,  14  Monate,  2 
und  5 Jahre  von  ihren  Darmbeschwerden  ganz  befreit,  einer  guten 
Ernährung  vollkommen  zugänglich  waren.  Leider  waren  bei  3 
(11,  16,  18)  derselben  die  Verhältnisse  so  ärmlich,  dass  sie  sich 
fast  nur  von  Kartoffeln  ernähren  mussten.  Es  ist  deshalb  nur  zu 
wundern,  dass  die  Erscheinungen  der  Phthise  nicht  noch  raschere 
Fortschritte  gemacht  haben.  Bei  2 Kranken  (20,  21)  ist  die  Be- 
obachtungsdauer zu  kurz , um  schon  ein  endgültiges  Urteil  zu 
fällen,  allein  auch  hier  war  die  Besserung  der  Symptome  und  die 
Zunahme  des  Körpergewichts  nach  der  Operation  ganz  auffallend. 

Im  allgemeinen  kann  man  wohl  sagen,  dass  die  Resultate 
der  Resektion  der  Ileocoecaltuberkulose  recht  befriedigende  sind. 
Es  wird  sich  darum  handeln,  festzustellen,  woran  man  die  Krank- 
heit erkennt,  welche  Fälle  für  die  Operation  geeignet  sind  und 
wie  die  Technik  derselben  einzurichten  ist. 

Das  Alter  unserer  Patienten  schwankte  zwischen  17  und  54 
Jahren  und  betrug  im  Durchschnitte  34  Jahre.  Vier  waren  weib- 
lichen, 7 männlichen  Geschlechtes.  Meistens  gingen  der  Darm- 
erkrankung andere  Erkrankungen  voraus ; Influenza , Lungen- 
entzündung , Typhus ; oder  es  waren  in  der  Jugend  Drüsen- 
schwellungen vorhanden,  Narben  von  solchen  oder  an  der  Horn- 
haut, am  Periost,  Knochen  oder  Gelenken  deuteten  auf  das  Vor- 
handensein tuberkulöser  Infektion. 

Die  Kranken  kommen  zum  Arzt,  weil  sie  entweder  die  Er- 
scheinungen einer  Darmgeschwulst  mit  Stenose  haben,  oder  weil 
Fistelbildungen  mit  Eiter  und  Kotentleerung  sie  dazu  treiben. 

In  der  ersten  Reihe  findet  man  bei  genauer  Palpation  mit 
angezogenem  Oberschenkel,  tiefer  regelmässiger  Respiration,  nach 
Entleerung  des  Darmes  ohne  oder  mit  Narkose  in  der  Ileocoecal- 
gegend  einen  walzenförmigen  Tumor,  der  gedämpft  tympanitischen 
Schall  zeigt,  mehr  oder  weniger  beweglich  ist  und  beim  Drücken 
sehr  häufig  gurrende  Geräusche  hören  oder  fühlen  lässt.  Die 
genaue  Erhebung  der  Symptome  und  der  Anamnese,  die  Beob- 
achtung des  Urins  wird  vor  Verwechslung  mit  Nieren-  und  Gallen- 
blasengeschwülsten schützen. 


Ueb.  die  an  der  Heidelb.  chir.  Klin.  ausgef.  Operationen  am  Magen  u.  Darm.  455 

Je  beweglicher  so  ein  Tumor  ist,  je  mehr  Beschwerden  der- 
selbe bei  der  Verdauung  macht,  je  mehr  man  annehmen  darf,  dass 
es  sich  um  eine  solitäre  Lokalisation  der  Tuberkulose  handelt,  um 
so  eher  wird  man  eine  Operation  in  Betracht  ziehen  dürfen.  Ge- 
wöhnlich ist  ja  schon  der  Schatz  innerer  Mittel  erschöpft,  wenn 
die  Kranken  zum  Chirurgen  kommen,  und  eine  wiederholte  Ge- 
wichtsbestimmung hat  bewiesen,  dass  trotz  aller  diätetischen  und 
inneren  Mittel  die  Ernährung  des  Patienten  kontinuierlich  abnimmt. 
Erst  dann  halten  wir  den  operativen  Eingriff  für  gerechtfertigt. 

In  der  2.  Reihe  haben  die  tuberkulösen  Geschwüre  mit  oder 
ohne  Stenose  zu  paratyphlitischen  Abscessen  geführt,  welche  all- 
mählich weiter  kriechend  endlich  die  Haut  perforierten.  Man 
wird  in  diesen  Fällen  zunächst  versuchen,  durch  Spaltung  der 
Fistelgänge , Ausschabung  und  Aetzung  derselben  die  Heilung 
herbeizuführen.  Nichttuberkulöse,  paratyphhtischeAbscesse  sieht  man 
ja  nicht  selten  auf  diese  Weise  ausheilen.  Bei  tuberkulösen  Ab- 
scessen und  wenn  die  Spaltung  direkt  auf  die  Darmgeschwüre 
führt,  ist  wohl  nur  äusserst  selten  ohne  typische  Resektion  des 
Darmes  eine  Heilung  der  Fisteln  gelungen,  wie  unsere  und  nament- 
lich Billroth’s  Erfahrungen  zeigen^).  Eine  Contraindikation  geben 
in  diesen  Fällen  die  starken  Schwielenbildungen  in  der  Umgebung 
des  Darmes,  seine  feste  Verwachsung  mit  Netz  und  anderen 
Därmen , welche  die  Resektion  dieser  Blinddarmgeschwülste  oft 
ausserordentlich  erschwert,  ja  unmöglich  machen  kann. 

Wenn  man  die  durch  die  Operation  gewonnenen  Präparate 
durchmustert,  so  hat  man  den  Eindruck,  dass  die  Geschwürs- 
bildung fast  immer  an  der  Ileocoecalklappe  beginnt,  gegen  das 
Ileum,  welches  stets  frei  bleibt,  scharf  abgegrenzt  ist  und  gegen 
das  Coecum,  dann  Colon  ascendens  serpiginös  fortschreitet.  Die 
Grenzen  des  Geschwüres  sind  buchtig  ausgezackt,  die  Ränder  oft 
unterminiert.  Schleimhautinseln  und  Brücken  bleiben  mitten  im 
Gescliwmr  intakt  stehen.  Der  Wurmfortsatz  und  der  Blindsack 
schrumpfen  und  gehen  schliesslich  in  der  narbigen  Geschwulst- 
masse ganz  verloren.  Während  der  Geschwürsrand  gegen  das 
Colon  ascendens  fortschreitet,  benarben  die  alten  Geschwürsstellen 
und  lassen  zwischen  sich  polypöse  Schleimhautinseln,  welche  oft 
der  ganzen  Fläche  ein  warziges  Aussehen  verleihen,  stehen. 

Die  Vernarbung  führt  zu  Verengerungen  des  Lumens,  welches 
namentlich  an  der  Ileocoecalklappe  bis  auf  Bleistiftdicke  schrumpfen 
oder  durch  eine  stehen  gebliebene  Schleimliautbrücke  in  zwei  enge 

*)  Fritz  Salzer,  Beiträge  zur  Pathologie  u.  chirurgischen  Therapie  chronischer 
Coecumerkrankungen.  Arch.  f.  klin.  Chirurgie  4.3.  Bd.  S.  101. 


456 


V.  ('zerny  und  Walter  Kindfleisch. 


Kanäle  umgewaiidelt  sein  kann.  Es  braucht  sich  bloss  ein  Kot- 
stein oder  Fremdkörper  in  dieser  engen  Oeffnung  festzusetzen,  um 
das  Bild  des  Ileus  hervorzurufen.  Gewöhnlich  sind  diese  Kranken 
durch  die  lange  Dauer  des  Leidens  schon  so  vorsichtig  in  der 
Wahl  ihrer  Nahrung,  dass  es  erstaunlich  ist,  wie  sie  sich  bei  der 
hochgradigen  Enge  der  Striktur  doch  noch  auf  einem  minimalen 
Körpergleichgewicht  halten  konnten. 

Diese  Geschwüre  können  in  seltenen  Fällen  direkt  die  Darm- 
wand durchfressen  oder,  was  häufiger  der  Fall  zu  sein  scheint,  es 
entwickeln  sich  in  dem  lockeren  Zellgewebe  in  der  Umgebung 
des  Darmes  entweder  fibrinöse  oder  eitrige  Exsudate,  welche  den 
Durchbruch  nach  aussen  vorbereiten.  Nach  der  Bauchhöhle  er- 
folgt die  Perforation  selten,  weil  das  langsame  Fortschreiten  der 
Entzündungsprozesse  fast  immer  den  Nachbarorganen  Zeit  lässt, 
durch  entzündliche  Verklebungen  diesen  schlimmsten  Ausgang 
zu  verhindern.  Man  findet  dann  nicht  selten  Dünndarmschlingen 
verlötet  und  manchmal  auf  dem  Wege  dieser  Verlötungsstellen 
mit  tuberkulösen  Geschwüren  besetzt,  welche  unter  Umständen 
zu  einer  Verbindung  zwischen  Dünndarm  und  Dickdarm,  also  einer 
Art  natürlichen  Enteroanastomose  führen  können. 

Für  die  Technik  dieser  Operationen  ergiebt  sich  daraus  die 
Regel,  dass  es  im  allgemeinen  besser  ist,  die  Fisteln  zunächst  aus- 
zuschaben, zu  desinficieren  und  mit  Jodoformgaze  zu  tamponieren, 
dann  aber  durch  einen  neuen  Schnitt  (pararectal  oder  schief,  wie  für 
die  Unterbindung  der  A.  iliaca  interna)  das  Coecum  von  innen 
freizulegen.  Wenn  es  gelingt,  die  Adhäsionen  zu  lösen,  den  Darm- 
tumor vor  die  Bauch  wunde  zu  ziehen,  so  ist  die  t}^pische  Resek- 
tion und  circuläre  Naht  des  Ileum  mit  dem  Colon  ascendens  am 
Platze. 

Sind  die  Schwarten  zu  fest , der  Darmtumor  unbeweglich 
fixiert,  so  wird  eine  Ileocolostomie  zweifellos  die  Beschwerden  am 
sichersten  beseitigen.  Leider  hatten  wir  bisher  bloss  einmal  Gelegen- 
heit gehabt,  diese  Operation  und  zwar  mit  schlechtem  Erfolge 
auszuführen,  möchten  aber  doch  schon  an  dieser  Stelle  ihre  Be- 
rechtigung voll  und  ganz  anerkennen. 

Eine  grosse  Schwierigkeit  für  die  Feststellung  der  Indikation 
bildet  die  Frage,  ob  wir  es  mit  einer  solitären  Lokalisation  der 
Tuberkulose  zu  thun  haben.  Bekanntlich  wird  von  den  patho- 
logischen Anatomen  behauptet,  dass  die  Darmtuberkulose  selten 
isoliert  vorkomme.  Das  mag  auch  für  den  Sektionstisch  richtig 
sein,  wo  ja  die  Darmgeschwüre  so  sehr  häufig  als  Begleiterschei- 
nung allgemeiner  Tuberkulose  beobachtet  werden,  aber  dem  Chi- 


Ueb.  die  an  der  Heidelb.  chir.  Klin.  ausgef.  Operationen  am  Magen  u.  Darm.  457 

rurgen  stossen  isolierte,  tuberkulöse  Darmgeschwüre,  welche  wenig- 
stens den  Kranken  mehr  belästigen , als  die  Begleiterscheinungen 
in  anderen  Organen,  nicht  allzu  selten  auf.  Freilich  sieht  man 
an  der  fortschreitenden  Grenze  des  tuberkulösen  Geschwüres  gegen 
das  Colon  ascendens  zu  nicht  selten  die  meist  ringförmig  angeord- 
neten Vorposten  des  tuberkulösen  Prozesses  in  der  sonst  noch  ge- 
sunden Schleimhaut  verstreut,  und  bei  dem  einen  oder  andern  der 
von  uns  operierten  Patienten  mögen  noch  isolierte  Schleimhaut- 
geschwüre zurückgeblieben  sein.  Allein  seit  dem  offenherzigen 
Vortrage  von  König  am  diesjährigen  Chirurgenkongress  darf  man 
es  ja  wieder  aussprechen,  dass  wir  bei  unseren  operativen  Eingriffen 
nicht  alle  Tuberkelbazillen  auszuputzen  brauchen  und  dass  trotz- 
dem Heilungen  zu  stände  kommen,  weil  wir  die  Ernährungs- 
bedingungen des  Patienten  durch  die  Operation  bessern  und  weil 
wir  dadurch  dem  Organismus  die  Möglichkeit  bieten,  die  noch 
übrigen  Infektionskeime  zu  eliminieren  oder  unschädlich  zu  machen. 
Bei  welcher  Lokalisation  der  Tuberkulose  könnte  man  aber  wohl 
dieser  Indikation  besser  gerecht  werden,  als  wenn  die  Geschwüre 
im  Darm  sitzen  und  durch  die  Verengerung  die  Fortschaffung 
seines  Inhaltes  unmöglich  machen.  Von  dieser  Seite  aus  wird 
man  die  Berechtigung  der  Darmresektion  wegen  stenosierender, 
tuberkulöser  Geschwüre  anerkennen  müssen. 

Immerhin  wird  es  gut  sein,  die  Grenzen  dieser  Indikation 
nicht  allzu  weit  zu  stecken  und  die  Operation  bloss  auf  das  Not- 
wendigste zu  beschränken,  wenn  in  Lymphdrüsen,  Peritoneum, 
Lungen  oder  anderen  Organen  progressive  Formen  von  Tuber- 
kulose bestehen,  oder  wenn  der  Verdacht  vorhegt,  dass  der  Darm 
an  mehr  als  einer  Stelle  erkrankt  ist. 

3.  Iiivagiiiatioiieii  des  Darmes. 

Unter  den  fünf  angeführten  Fällen  der  Tabelle  finden  sich 
welche,  die  nicht  ganz  in  den  Rahmen  der  Arbeit  gehören,  allein 
wir  wollten  doch  unsere  gesamten  Erfahrungen  auf  diesem  inter- 
essanten Gebiete  der  Unterleibschirurgie  mitteilen.  Es  wären  noch 
zwei  Fälle  hinzuzufügen  von  Kindern,  welche  am  zweiten  Tage 
nach  Beginn  der  Incarcerationserscheinungen  mit  einem  wurst- 
förmigen  Tumor  im  Unterleibe  in  die  Klinik  gebracht  wm’den, 
und  bei  denen  in  einem  Falle  durch  Massage  in  Narkose  und 
bei  dem  andern  durch  hohe  Eingiessungen  in  den  Mastdarm  die 
Beseitigung  der  Geschwulst  und  der  Erscheinungen  gelang. 

Endlich  vermuten  wir,  dass  in  einem  Falle,  bei  dem  in  ex- 
tremis bei  iMiserere  die  Ileostomie  gemacht  wurde,  dann  spontane 


458 


V.  Czerny  und  Walter  Rindfleisch. 


Stuhlentleerung,  Genesung  mit  Schluss  der  Darmfistel  im  Ileum 
durch  die  Naht  erfolgte,  wahrscheinlich  ebenfalls  eine  Invagination 
die  Ursache  der  inneren  Einklemmung  gewesen  sein  mag,  welche 
nach  der  Entleerung  des  supracarcerierten  Darmteiles  spontan 
zurückging. 

So  klein  die  Zahl  dieser  Erfahrungen  ist,  so  rejDräsentieren 
sie  doch  die  ganze  Reihenfolge  chirurgischer  Eingriffe,  w'elche  bei 
Intussusceptionen  des  Darmes  in  Frage  kommen  können. 

Ja  noch  mehr,  die  fünf,  durch  die  Operation  anatomisch  fest- 
gestellten Invaginationen  stellen  die  drei  häufigsten  Typen  mit 
ihren  verschiedenen  Varianten  dar.  Dreimal  war  das  Ileum  mit 
dem  Coecum  in  das  Colon  invaginiert,  einmal  war  das  Ileum  allein 
in  das  feststehende  Colon  eingedrungen  und  einmal  war  wahr- 
scheinlich die  Flexura  sigmoidea  in  das  Rectum  geschlüpft. 

Die  Invaginationen  hatten  zum  Teil  ganz  akute,  zum  Teil 
chronische  Einklemmungserscheinungen  verursacht. 

Bei  Barbara  W.  (22)  war  nach  9tägiger  Dauer  der  Einklemmung 
ausgedehnte  Gangrän  des  Darmes  entstanden  und  machte  die 
Resektion  von  72  cm  nötig.  Da  solche  Einklemmungen  mit  Darm- 
gangrän schon  bei  äusseren  Brucheinklemmungen  von  schlechte- 
ster Prognose  sind,  so  ist  auch  hier  der  unglückliche  Ausgang 
ganz  begreiflich,  und  da  wir  die  Darmresektionen  bei  gangränösen 
Hernien  von  dieser  Uebersicht  ausgeschlossen  haben,  muss  von 
Rechts  wegen  auch  dieser  Fall  ausser  Berechnung  bleiben,  wenn 
wir  die  Prognose  der  einfachen  Darmresektion  feststellen  wollen. 

Auch  bei  Anton  F.  (24)  hatten  die  Zerstörungen  im  Intussus- 
ceptum,  welches  sich  umgestüli^t  hatte,  nachdem  die  innere  Scheide 
desselben  sich  am  Schnürringe  abgestossen  hatte,  die  Entwicke- 
lung der  seit  5^2  Monaten  bestehenden  Invagination  unmöglich 
gemacht  und  erforderten  die  Resektion  von  51  cm  Darm,  wodurch 
die  dauernde  Heilung  des  Patienten  herbeigeführt  wurde. 

Dagegen  konnte  bei  Carl  H.  (23)  und  Philippine  N.  (26)  trotz 
2 resp.  6 Monate  langen  Bestehens  der  Invagination  dieselbe  voll- 
kommen entwickelt  werden.  Bloss  wegen  des  Verdachtes  auf  einen 
Tumor  an  der  Ileocoecalklappe  wurde  in  dem  ersten  Falle  die  Resek- 
tion und  in  dem  zweiten  eine  Probeincision  in  das  Coecum  gemacht. 
Auch  diese  beiden  Fälle  kamen  zur  dauernden  Heilung.  Wie  man 
sieht,  steht  und  fällt  das  Schicksal  der  Invagination  und  damit 
auch  meistens  des  Patienten  mit  der  Frage,  ob  in  dem  invaginierten 
Darmteil  eine  bis  zur  Stase  und  Gangrän  führende  Zhkulations- 
störung  eintritt.  Wenn  die  Einklemmung  so  heftig  ist,  dass  der 
supracarcerierte  Darmteil  stark  gebläht  und  dadurch  in  der  Er- 


Ueb.  die  an  der  Heidelb.  chir.  Klin.  ausgef.  Operationen  am  i\Iagen  u.  Darm.  459 

nähriing  gestört  wird  (Kocher),  so  erstreckt  sich  auch  die  Gan- 
grän über  die  Grenzen  der  Invagination  auf  den  Peritonealraum 
(Nr.  22),  und  der  Patient  geht  an  Peritonitis  zu  Grunde,  wenn  es 
nicht  sehr  früh  gelingt,  die  akute  Einklemmung  durch  die  Ope- 
ration zu  heben.  Beschränkt  sich  die  Gangrän  auf  den  invagi- 
nierten  Darmteil,  so  kann  sich  das  Gangränöse  spontan  abstossen, 
und  somit  eine  Art  Naturheilung,  allerdings  in  der  Regel  mit 
Zurücklassung  einer  Striktur  am  Halse  (vgl.  unten  den  Fall  von 
Enteroanastomose),  der  Invagination  eintreten,  oder  die  Invagi- 
nation tritt  durch  partielle  Abstossung  und  teilweise  Freigebung 
der  Passage  fm  den  Darminhalt  in  ein  chronisches  Stadium  (Anton  F. 
24)  und  wird  darum  unserer  chirurgischen  Behandlung  wieder  zu- 
gänghcher,  als  es  während  des  akuten  Stadiums  der  Fall  war,  wo 
starker  Meteorismus , Reizung  des  Peritoneums , septische  Intoxi- 
kation und  Herzschwäche  jeden  grösseren  Eingriff  gefährlich  er- 
scheinen lassen.  Unter  solchen  Umständen  würden  wir  die  Ileo- 
stomie  empfehlen  und  der  Laparotomie  nur  den  Vorzug  geben 
bei  den  chronisch  gewordenen  oder  bei  jenen  akuten  Fällen,  wo 
die  Invagination  noch  ganz  frisch,  die  Empfindlichkeit  lokal,  der 
Tumor  deutlich  fühlbar,  der  Meteorismus  noch  gering  ist  und 
wo  die  milderen  Mittel,  wie  Opiate,  Massage,  Elektrizität,  Eis- 
umschläge, Einläufe  versagen. 

Unsere  relativ  guten  Erfahrungen  bei  der  kleinen  Zahl  von 
uns  beobachteter  Invaginationen  des  Darmes  hängen  davon  ab, 
dass  die  akuten  Formen  am  Lande  meistens  sterben,  bevor  die 
Leute  und  auch  die  zugezogenen  Aerzte  den  Entschluss  fassen, 
den  Kranken  in  die  entfernte  chirurgische  Klinik  zu  schicken.  Die 
chronischen  Formen  der  Invagination,  welche  uns  häufiger  zu- 
gehen, sind  aber  günstige  Objekte  der  chirurgischen  Kunst.  Ist 
es  uns  doch  gelungen,  in  vier  Fällen  die  Heilung  durch  die  Ope- 
ration herbeizuführen  und  zwar  dreimal  durch  die  Resektion  und 
einmal  nach  ßmonatlicher  Dauer  der  Invagination  durch  die  Ent- 
wickelung des  eingestülpten  Darmes.  Was  die  Aetiologie  der  In- 
vaginationen anbetrifft,  so  konnte  bloss  bei  Nr.  25  ein  papilläres 
Adenom  mit  Sicherheit  als  Ursache  festgestellt  werden.  Auch  unter 
den  Carcinomen  des  Coecum  befindet  sich  ein  Fall,  bei  welchem 
das  Carcinom  eine  Invagination  verschuldet  hatte  (Nr.  3). 

Anhang.  Eine  Enteroanastomose. 

Im  Anschluss  an  die  bei  tuberkulösen  Darmtumoren  und 
Invaginationen  ausgeführten  Resektionen  möchten  wir  noch  un- 
seren einzigen  Fall  von  Enteroanastomose,  welcher  leider  einen 
unglücklichen  Ausgang  nahm,  kurz  anführen : 


460 


V.  Czerny  und  Walter  Kindfleisch. 


Knteroanastomose  wegen  einer  seit  vielen  Jahren  bestehenden 
hochgradigen  Stenose  an  der  Ileocoecalklappe. 

Herr  Julius  L.  (12  J.  a. 

Anamnese.  Die  Leiden  des  in  seiner  Jugend  stets  gesunden  Patienten 
begannen  Sept.  1888  mit  plötzlich  auftretenden  Durchfällen  nach  Genuss  ver- 
dorbener IMuscheln.  Abmagerung , wechselndes  Befinden , Verstopfung  und 
Diarrhöen.  Januar  1890  steigerten  sich  die  Schmerzen  im  Leib,  Gewichtsabnahme 
von  Sept.  1888  bis  Sej)!.  1890  30  Pfd.  2-1.  VI.  91  Untersuchung  in  Narkose  und 
Feststellung  einer  strangförmigen  Kesistenz  in  der  Ileocoecalgegend.  Bauchmassage 
emi)fohlen  und  zur  eventuellen  (^)}>eration  wiederbestellt. 

Status  pi’äsens  am  22.  Juni  1892.  Stark  abgemagerter,  blasser  Mann,  dessen 
Haut  unzählige  IMorphiuminjektionsnarben  trägt.  Stuhlgang  sehr  unregelmässig, 
gleich  nach  dem  Stuhlgang  heftige,  kolikartige  Schmerzen  im  ganzen  Leibe,  während 
sie  früher  wesentlich  von  der  rechten  Bauchgegend  ausgingen  und  beschränkt 
blieben. 

0])eration  am  24.  VI.  92.  Seitlicher  Bauchschnitt  rechts.  Die  regio 
coecalis  von  sehr  stark  erweiterten  Dünndarmschlingen  bedeckt ; an  der  Ileo- 
coecalklappe umgab  eine  narbige  Einziehung  das  Coecum.  Ileum  stark  ausge- 
dehnt, Coecum  atrophisch.  Ascites.  Anlegung  einer  Enteroanastomose  zwischen 
Ileum  und  Coecum.  Das  Ileum  wurde  ziemlich  nahe  der  Striktur  durch  eine 
fortlaufende  Naht  an  das  Colon  ascendens  befestigt,  dann  beide  Darinteile  er- 
öffnet und , wie  bei  der  Gastroenterostomie  beschrieben , aneinander  genäht 
(40  Knopfnähte).  Drainage  der  Wunde  mit  Jodoformdocht.  Bauchnaht  nach  üb- 
licher Toilette. 

24.  VI.  abends , unter  zunehmenden  Schmerzen  zwei  kolossale  Stuhlent- 
leerungen und  schliesslich  Collaps.  Tod  um  10  Uhr. 

Sektion  ergiebt  Peritonitis.  Die  Naht  ist  nicht  ganz  suffizient;  aus  einer 
Stelle  tritt  eine  geringe  IMenge  Kot  hervor.  Der  Darm  ist  mit  Kot  gefüllt. 

Sektionsbefund. 

Hoher  Zwerchfellstand.  Die  Dünndarmschlingen  sind  fast  armdick  aufgebläht. 

Herz  klein,  schlaff,  Arterien  rigide,  stark  atheromatös.  Lungen  frei,  Milz 
ganz  klein.  Leber  mit  dem  rechten,  unteren  Kand  an  die  Ileocoecalgegend 
herangezogen. 

Wasser,  das  mit  mässigem  Druck  ins  Ileum  läuft,  füllt  nach  und  nach 
auch  das  Colon  ascendens.  Ileum  mit  Colon  durch  ringförmige  Naht  verbunden, 
unmittelbar  neben  der  Naht  ist  der  Processus  vermiformis.  Neben  dieser  künst- 
lichen Kommunikation  vor  und  etwas  über  derselben  ist  die  stenotische  Klappen- 
gegend, durch  die  kaum  die  Nagelphalanx  des  kleinen  Fingers  hindurchkommt. 
Ungeheure  Verdickung  der  Muscularis  ilei. 

Anat.  Diagnose : Narbige  Stenose  der  Bauhin’schen  Klappe,  vermutlich 
durch  frühere  Invagination.  Dilatation  und  Hyiiertrophie  des  Dünndarms. 

lieber  10  Jahre  hatte  sich  der  arme  Mann  mit  seiner  Darm- 
verengerung gequält,  da  zahllose  Consilien  mit  den  hervorragend- 
sten Klinikern  Deutschlands  die  widersprechendsten  Diagnosen  zu 
Tage  förderten.  Neurasthenie,  nervöse  peristal tische  Unruhe,  ner- 
vöse Krämpfe  des  Darmes  mit  Tachycardie  des  Herzens  meinte 
die  eine  Partei,  während  die  andere  auf  die  lokalen  Darmerschei- 
nungen ein  grösseres  Gewicht  legte  und  Atonie  des  Darmes,  cliro- 


Ueb.  die  an  der  Heidelb.  chir.  Klin.  aiisgef.  Operationen  am  Klagen  u.  Darm.  461 

nischen  Dickdarmkatarrh  oder  Geschwüre,  ja  selbst  Geschwulst- 
bildungen ini  Darme  annahm. 

Als  wir  den  Kranken  vor  Jahresfrist  (mit  Herrn  ür.  Neu- 
bürger sen.)  sahen  mit  kolossal  aufgetriebenem  Leib,  durch  die 
Bauchdecke  sichtbarer  Peristaltik  der  armdick  geblähten  Dünii- 
darnischlingen,  konnte  man  nicht  zweifeln,  dass  ein  mechanisches 
Hindernis  im  Darme  bestehen  müsse,  aber  welches?  Das  in  der 
Coecalgegend  fühlbare  Gurren  machte  den  Sitz  der  Stenose  in  dieser 
Gegend  am  wahrscheinlichsten  und  erklärte  auch  am  besten  die 
sehr  auffällige  Erscheinung,  dass  der  Patient  zu  manchen  Zeiten 
ganz  kolossale  Mengen  gutgeformten  Stuhles  durch  Klystier  ent- 
leerte. Eine  Geschwulst  war  nicht  fühlbar  und  eine  gründliche 
Entleerung  durch  Abführmittel  unmöglich.  Die  lange  Dauer  der 
Leiden  sprach  für  eine  gutartige  Striktur.  Wir  schlugen  zunächst 
eine  Ileostomie  vor  und  bloss  für  den  Fall,  dass  der  Schnitt  direkt 
auf  eine  Striktur  des  Coecums  führen  sollte,  eventuell  eine  Resek- 
tion desselben  oder  eine  Enteroanastomose  daselbst. 

Da  der  Patient  durch  die  sorgfältige  Pflege  seiner  Frau  und 
zahlreiche  Morphiumeinspritzungen  (6 — 8 im  Tage)  ein  subjektiv 
erträgliches  Dasein  führte,  konnte  er  sich  damals  nicht  zu  der 
Operation  entschliessen  und  kam  erst,  nachdem  Oedeme  der  Füsse 
und  beginnender  Ascites,  hochgradige  Anämie  und  Atemnot  es 
klar  machten,  dass  der  Anfang  vom  Ende  nicht  mehr  ferne  sei. 
Auch  da  stellte  er  die  Bedingung,  jedenfalls  keinen  künstlichen 
After  zu  behalten.  Wir  entschlossen  uns  deshalb  zur  Ileocolosto- 
inie  und  fanden'  in  der  That  gleich  nach  dem  Einschnitt  die  nar- 
bige Einziehung  des  Ileum  in  das  Coecum  mit  parietalen  Ver- 
wachsungen des  Darmes.  Die  Operation  wurde  glatt,  fast  ohne 
dass  andere  Därme  zu  Gesicht  kamen,  ausgeführt.  Nun  begannen 
aber  die  Schwierigkeiten.  Der  Kranke  hatte  uns  bloss  einen  Tag 
zur  Vorbereitung  gestattet.  Das  Rizinusöl  hatte  nicht  gewirkt,  der 
Darm  oberhalb  der  Striktur  war  prall  gespannt  und  die  stürmische 
Peristaltik  nach  der  Operation  liess  sich  weder  durch  Opium,  noch 
durch  Injektionen,  welche  durch  langen  Gebrauch  ihre  Whksam- 
keit  verloren  hatten,  stillen.  Endlich  erfolgten  zwei  kolossale  Ent- 
leerungen, welche  genügten,  um  bei  dem  geschwächten  Patienten 
den  Collaps  herbeizuführen. 

Vielleicht  hätte  eine  bessere  Vorbereitung,  vielleicht  die  ein- 
fache Ileostomie  oder  die  gründliche  Entleerung  des  Darmes  wäh- 
rend der  Operation  den  unglücklichen  Ausgang  verhindern  können, 
aber  nach  der  Sektion  ist  man  ja  immer  klüger  als  vorher.  Für 
die  Entstehung  der  Striktur,  welche  kaum  für  einen  Bleistift  den 


462 


V.  Czerny  und  Walter  Eindfleisch. 


Durchgang  gestattete,  liegt  die  Annahme  einer  sogenannten  ge- 
heilten Intussusception,  bei  der  sich  das  Intussusceptum  gangränös, 
abgestossen  hatte,  am  nächsten,  denn  das  Leiden  war  plötzlicL 
entstanden  und  anfangs  von  blutigen  Diarrhöen  gefolgt. 


4.  Dariimähte  und  liesektioiien  wegen  Kotflstelii,  welche  nach  | . 
incarcerierten  Hernien  ziirtickgebliehen  sind.  * ^ 


Sieben  Fälle,  welche  bis  auf  den  ersten  zur  Heilung  kamen  ^). 
Bei  diesem  (27.)  wurde  die  Operation  in  extremis  vorgenommen, 
nachdem  es  nicht  gelungen  war,  die  durch  schmerzhaftes  Eczem 
in  der  Umgebung  der  Fistel,  durch  Decubitus  und  ungenügende 
Ernährung  auf  das  äusserste  herabgekommene  und  tuberkulös  ge- 
wordene Patientin  durch  Pflege  und  Bäder  etwas  zu  kräftigen., 
Der  Tod  erfolgte  an  Peritonitis.  Da  die  Sektion  nicht  gestattet 
war,  muss  es  unentschieden  bleiben,  ob  die  Infektion  bei  der  Ope- 
ration von  der  eczematösen  Haut  aus  oder  erst  sekundär  durch 
Insuffizienz  der  Nähte  erfolgt  war.  Das  letztere  ist  möglich,- 
weil  erst  am  Abende  des  der  Operation  folgenden  Tages  plötzlich  ^ 
Collaps  eintrat. 

Von  Interesse  waren  zunächst  die  zwei  Nabelbrüche  (28,  32). " ■ 
Bei  Frau  Rosine  M.  (Nr.  28)  musste  nach  4tägiger  Incarceration  des 
grossen  Nabelbruches  eine  Kotfistel  im  Colon  transversum  angelegt 
werden.  Zwei  Monate  später  wurde  eine  linksseitig  eingeklemmte  ^ 
Schenkelhernie  operiert.  Der  Kot  kam  vollständig  aus  der  Nabel- 
fistel, da  der  rückläufige  Schenkel  des  Colon  transversum  allmäh- 
lich ganz  zugewachsen  war.  Da  auch  die  Fistel  des  zuführenden  . ' 
Schenkels  so  eng  wurde,  dass  sie  für  die  Kotentleerung  nicht  ^ ' 
mehr  ausreichte,  wurde  durch  Laparotomie  das  Colon  transversum  - 1 
von  seinen  Adhäsionen  befreit,  die  verengten  Teile  reseciert  und  ; 
der  Darm  durch  die  zirkuläre  Naht  geschlossen.  Zwei  Jahre  ' ■ 
später  starb  die  Patientin  an  einer  abermaligen  Einklemmung  der  > 
linken  Schenkelhernie.  Die  Darmnarbe  am  Colon  transversum  war  • 
kaum  sichtbar,  die  unterhalb  der  Nahtstelle  liegende  Darmpartie, 

1 T 

welche  bei  der  Operation  hochgradig  atropisch  war,  ganz  normal, 

Bei  Frau  H.  (32)  war  eine  Dünndarmschlinge  durch  Achsen-  /'j 
drehung  im  Nabelbruche  gangränös  geworden  und  entleerte  den 
gesamten  Kot  nach  aussen.  Auch  hier  wurde  die  Oeffnung  all-  ^ ' 
mählich  zu  eng  für  diesen  Zweck  und  erforderte  die  Laparotomie  ; i 
zur  Erhaltung  des  Lebens.  Die  gedrehte  Darmschlinge  wurde  aus  | ' 


’)  Es  wären  noch  2 Kotfisteln  in  Brüchen  hinzuzufügen , deren  Heilung  ^ 
durch  direkte  Naht  schon  in  den  Beiträgen  zur  Kadikalbehandlung  der  Brüche 
mitgeteilt  ist  (Beiträge  zur  operat.  Chirurgie  1878  S.  28  u.  ff.) 


Ueb.  die  an  der  Heidelb.  cbir.  Klin.  ausgef.  Operationen  am  Magen  u.  Dann.  46B 

iliren  Verwachsungen  befreit,  die  Oefinung  im  Darme  vernäht  und 
die  Radikaloperation  des  Nabelbruches  angeschlossen  ^). 

Was  die  drei  Schenkelbrüche  betrifft,  so  war  bei  dem 
oben  erwähnten,  unglücklichen  Falle  (27)  durch  den  Sporn  der 
rückführende  Schenkel  des  Darmes  ganz  verlegt,  so  dass  die  Darm- 
schlinge durch  Bauchschnitt  abgelöst  und  reseciert  werden  musste. 
Dabei  riss  eine  zweite,  adhärente  Darmschlinge  ein  und  musste 
übernäht  werden.  In  ähnlicher  Weise  wurde  bei  Fall  30  die  Fistel 
Umschnitten,  der  Schnitt  parallel  der  Art.  epigastrica  nach  oben  ver- 
längert, die  Darmschlinge  vom  Schenkelkanale  abgelöst,  6 cm 
reseciert  und  zirkulär  genäht.  Heilung  ohne  Drainage. 

Bei  31  wurde  durch  einen  dem  Poupart’schen  Bande  parallelen 
Schnitt  der  fixierte  Darm  abgelöst  und  die  Oeffnung  in  querer 
Richtung  vernäht.  Ebenfalls  Heilung  ohne  Drainage. 

Von  den  zwei  Leistenbrüchen  war  29  von  besonderem  In- 
teresse, da  3 Monate  nach  der  Herniotomie  des  linken  Leisten- 
bruches sich  eine  innere  Einklemmung  durch  einen  angewachsenen 
Netzstrang  entwickelte,  welche  wohl  durch  Laparotomie  beseitigt 
wurde,  aber  zu  einer  Kotfistel  in  der  Mittellinie  führte.  Da  fort- 
währende Bauchschmerzen  auf  eine  Verengerung  des  Darmes  hin- 
deuteten, wurde  durch  eine  abermalige  Laparotomie  3 Monate 
später  ein  Netz.strang  nochmals  reseciert,  die  angewachsene  fistu- 
löse Dünndarmschlinge,  15  cm  lang,  reseciert  und  der  Patient  durch 
die  zirkuläre  Darmnaht  ohne  Drainage  definitiv  geheilt. 

Bloss  der  letzte  (33)  von  den  7 Fällen  hätte  vielleicht  nach 
der  alten  Methode  mit  der  Dupuytren’schen  Darmschere  durch 
mehrmonatliche  Behandlung  zur  Heilung  gebracht  werden  können. 
Durch  die  moderne  Ablösung  der  Darmfistelränder  und  direkte 
Naht  der  Darmöffnung  war  die  Kotfistel  in  14  Tagen  vollkommen 
geheilt.  Die  übrigen  6 Fälle  darf  man  wohl  getrost  als  unheilbar 
nach  der  alten  Methode  bezeichnen  und  von  diesen  sind  5 glatt 
und  ohne  Störung  geheilt.  Der  6.  Fall  war  mit  jeder  Methode 
unheilbar.  Das  beweist  mehr  als  die  statistische  Zusammenstellung 
von  zahlreichen  aus  der  Litteratur  zusammengestellten  Fällen  für 
die  neue  Methode.  Wir  dürfen  ganz  ruhig  behaupten,  dass  durch 
die  direkte  Naht  oder  Resektion  des  Darmes  auch  die 
schwierigsten  Fälle  von  Kotfisteln,  welche  nach  Hernio- 
tomieen  Zurückbleiben,  heilbar  sind,  während  die  einfachen 
Fälle,  welche  der  alten  Methode  zugänglich  waren,  durch 


9 O.  Vulpius.  Die  Radikaloperation  der  Hernien  der  vorderen  Bauchwand. 
Beiträge  zur  klin.  Chirurgie  IH.  Bd.  S.  109,  Tübingen  1891. 


464 


V.  Czerny  und  Walter  Rindfleisch. 


die  moderne  Enterorhaphie  viel  schneller  und  sicherer 
geheilt  werden  können. 

Wenn  wir  noch  einmal  die  Darmnähte  und  Resektionen  über- 


blicken, so  starben  von: 

10  wegen  maligner  Tumoren  ...  5 

11  wegen  Tuberkulose 2 

4 Invaginationen 1 

7 Kothfisteln 1 

32  "9 


Wenn  wir  3 Doppelresektionen  bei  Krebs  mit  1 Genesung, 
eine  multiple  Resektion  bei  Tuberkulose  und  eine  akute  Invagi- 
nation  mit  Darmgangrän  weglassen,  bleiben  27  Darmnähte  und 
Resektionen  mit  5 Todesfällen. 

Wenn  wir  die  erste  Hälfte  von  Operationen  als  der  Lehrzeit 
angehörig  betrachten  und  die  zweite  Hälfte  als  der  reiferen  Er- 
fahrung, so  starben  von  den  ersten  14:7,  von  den  letzten  18  (seit 
1888)  bloss  2 Fälle. 

Wir  möchten  deshalb  nochmals  unserer  Ueberzeugung  Aus- 
druck verleihen’),  »dass  die  Darmresektionen  in  der  Hand 
eines  geschickten  Operateurs  ähnliche  Fortschritte  aufweisen 
werden,  wie  die  Ovariatomie  in  der  Hand  von  Spencer- Wells. 
Mit  der  Verbesserung  der  Erfolge  werden  sich  die  Indikationen 
häufen,  welche  öfters  vorhanden  sein  dürften,  als  die  für  Entfer- 
nung eines  Eierstockes«. 

Durch  eine  sorgfältig  ausgebildete  Technik  und 
richtige  Auswahl  der  Fälle  werden  wir  wahrscheinlich 
die  Mortalität  der  Darmresektionen  auf  10°/'»  herab- 
drücken können. 

Was  die  Technik  der  Magen-  und  Darmresektionen 
betrifft,  so  wäre  zunächst  die  Aseptik  und  Antiseptik  kurz  zu  be- 
sprechen. Wh’  haben  alle  Operationen  bis  auf  die  wenigen  Privat- 
patienten im  klinischen  Operationssaale,  welcher  durchaus  nicht 
allen  Anforderungen  der  modernen  Aseptik  entspricht,  und  vor  den 
versammelten  Zuhörern,  denen  keinerlei  Carenz  auf  erlegt  ist,  aus- 
geführt. Das  Hauptgewicht  wurde  auf  die  Vermeidung  der  Kon- 
taktinfektion, also  auf  gründliche  Desinfektion  des  Operationsfeldes, 
der  Hände,  Instrumente,  Schwämme  und  Verbandsachen  gelegt. 
Der  Operationsraum  wird  vor  der  Operation  mit  dem  Carbolspray 
gereinigt,  welcher  in  der  Regel  auch  während  derselben,  aber 

')  Heidelberger  Naturforscherversammlung.  Deutsche  med.  Wochenschrift 
1889,  Nr.  4.5, 


Uel).  die  an  der  Heidelb.  chir.  Klin.  ausgef.  Operationen  am  Magen  u.  Harm.  465 

nicht  über  dem  Operationsfelde  im  Gange  ist,  mehr  mit  der  Ab- 
sicht, die  Luft  feucht  zu  erhalten,  als  dieselbe  zu  desinfizieren. 
Der  Patient,  welcher  wenigstens  2 Tage  auf  flüssige  Kost  gesetzt 
war,  wird  gründlich  entleert,  bei  Magenoperation  der  Magen  mit 
Salicyl  oder  Borwasser  vorher  mehrfach  ausgewaschen.  Bei  Darm- 
stenosen hat  die  Entleerung  des  Darmes  grosse  Schwierigkeiten, 
und  wenn  man  nicht  mehrere  Tage  Zeit  hat,  dieses  Geschäft 
durch  Mittel  von  oben  und  unten  milde  und  langsam  zu  besorgen, 
ist  es  vielleicht  besser,  wie  König  betont,  auf  die  Abführmittel 
ganz  zu  verzichten  und  lieber  während  der  Operation  aus  dem 
Besektionsschnitte  das  obere  Darmende  gründlich  zu  entleeren. 
Allerdings  wird  dabei  die  Gefahr  der  Kotinfektion  grösser,  als 
wenn  man  die  ganze  Naht  beenden  kann,  währenddem  der  zu- 
und  abführende  Schenkel  des  Darmes  abgeklemmt  ist.  Wenn  die 
Abführmittel  unvollkommen  gewirkt  haben,  ist  der  oberhalb  der 
Verengung  liegende  Darmteil  mit  schäumigem  Kot  prall  gefüllt 
und  die  frischen  Nähte  haben  dann  sofort  nach  ihrer  Anlegung, 
bevor  noch  Verklebungen  eintreten  konnten,  einen  hohen  Seiten- 
druck auszuhalten.  Wenn  einzelne  Stichkanäle  die  ganze  Darm- 
wand durchdringen,  was  niemals  ganz  sicher  vermieden  werden 
kann,  liegt  die  Gefahr  der  Infektion  des  Bauchfelles  durch  die 
Stichkanäle  sehr  nahe. 

Die  Hände  und  das  Operationsfeld  haben  wir  schon  lange, 
bevor  Fürbringer  die  Methode  wissenschaftlich  begründet  hat, 
mit  Seife,  Spiritus  und  Carbol-,  später  Sublimatwasser  desinfiziert. 
Ebenso  wurden  die  Instrumente  und  Nadeln  von  Anfang  an,  nach- 
dem Czerny  die  Kochmethode  zur  Desinfektion  der  Seide  an- 
gegeben hatte  (1878),  mit  2®/o  Carbolwasser  und  erst  seit  Schim- 
melbuschs Versuchen  mit  Sodalösung  gekocht. 

Die  Seide  wird  jetzt,  nachdem  sie  in  Carbolwasser  gekocht 
ist,  noch  im  Dampfe  sterilisiert.  Catgut  wird  für  intraperitoneale 
Operationen  gar  nicht  angewendet. 

Die  Umgebung  des  Operationsfeldes  wird  mit  sterihsierten 
Tüchern  gedeckt,  zum  Schutze  des  Darmes  werden  in  0,6  ”/o  Koch- 
salzlösung gekochte  KomjDressen  benützt  und  die  früher  gebrauch- 
ten Salicylkompressen  weggelassen,  seitdem  uns  die  Experimente 
von  Kinscherf^)  gezeigt  haben,  wie  sehr  die  Salicylsäure  die 
Darmserosa  reizt.  Wie  schon  oben  bemerkt,  haben  wir  bis  zum 
Jahre  1891  die  nach  Billroths  Methode  desinfizierten  Schwämme 


*)  Kinscherf  ül)er  die  Behandlung  der  akuten  Peritonitis.  Heidelberger 
. Dissertation  1892. 


30 


466 


V.  Czerny  und  Walter  Eindfleisch. 


benützt,  dann  aber  dieselben  durch  sterilisierte  Gazetupfer  ersetzt,  weil 
wir  den  Verdacht  hatten,  dass  mit  Darminhalt  benetzte  Schwämme 
bei  derselben  Operation  nach  ungenügender  Reinigung  in  Berüh- 
rung mit  dem  Bauchfelle  kamen  und  die  Infektion  desselben  ver- 
mittelten. Die  Gazetupfer  zum  Aufsaugen  von  Flüssigkeit  werden 
so  zusammengefaltet,  dass  die  Schnittränder  nach  innen  fallen 
und  hier  von  dem  zentral  durchgestochenen  Bindfaden,  welcher 
zum  Hervorziehen  des  Tupfers  benützt  wird,  fixiert  werden. 

Diese  sterilisierten  Tupfer  und  die  gekochten  Kompressen  ver- 
drängen allmählich  die  früher  gebrauchte  Jodoformgaze.  Wir 
haben  zwar  auch  von  der  aus  der  Fabrik  bezogenen  Jodoformgaze 
keine  üblen  Folgen  gesehen,  haben  sie  aber  im  letzten  Jahre 
meistens  vorher  im  Dampfe  sterilisiert,  wobei  sie  brüchig  wird 
und  eine  Menge  Jodoform  verloren  geht.  Dagegen  benützen  wir 
die  G er suny’ sehen  Jodoformdochte  sehr  häufig  zur  Drainage  der 
Wunden.  In  der  ersten  Zeit  verzichteten  wir  bei  Magen-  und 
Darmresektionen  fast  ganz  auf  die  Drainage , aber  allmählich 
häuften  sich  die  Fälle,  wo  wir,  der  vollkommenen  Aseptik  nicht 
trauend,  durch  einen  Jodoformdochttampon  ein  Sicherheitsventil 
füi’  die  ersten  Wundsekrete  offen  liessen.  Da  die  Resultate  dabei 
immer  besser  wurden,  müssen  wir  wenigstens  behaupten,  dass 
diese  Form  der  Drainage  nichts  schadet,  wenn  auch  ihr  Nutzen 
nur  schwer  ziffernmässig  festgestellt  werden  kann.  Die  Dochte 
werden  zuerst  im  Dampfe  sterilisiert,  dann  mit  Jodoformäther  ge- 
tränkt und  im  geschlossenen  Glase  aufbewahrt. 

Für  diese  meist  langdauernden  Operationen  benützen  wir  den 
Julliard’schen  erwärmten  Operationstisch  und  seit  etwa  vier  Jahren 
in  der  Regel  die  gemischte  Narkose:  Nach  einer  Morphiumein- 
spritzung wird  mit  Chloroform  begonnen  und  wenn  der  Kranke 
tief  schläft,  die  Narkose  mit  Aether  fortgesetzt.  Die  Nachwehen 
der  Narkose  sind  dadurch  entschieden  verringert  und  kürzer  und 
die  Gefahr  des  Collapses  während  und  nach  der  Operation  er- 
hebheh  gemindert. 

Das  Hauptgewicht  wird  auf  sorgfältige  Blutstillung  gelegt, 
welche  fast  ausschliesslich  durch  isolierte  Seidenligaturen  oder 
Massenunterbindungen  erzielt  wird.  Für  die  Isolierung  des  Magens 
und  Darms  vom  Mesenterium  leistet  uns  Czernys  krummer  Schieber 
sehr  gute  Dienste.  Wenn  irgend  möglich,  wird  der  zu  eröffnende 
Darmteil  so  weit  gelöst,  dass  man  ihn  vor  die  Bauchwunde  bringen 
kann.  Wenn  das  nicht  möglich  ist,  so  wird  doch  seine  Umgebung 
mit  Tupfern  und  Kompressen  so  ausgepolstert,  dass  eine  Infektion 
der  benachbarten  Darmteile  ausgeschlossen  ist. 


Ueb.  die  an  der  Heidelb.  chir.  Klin.  ansgef.  Operationen  am  iSIagen  u.  Darm.  467 

Für  den  Abschluss  des  Magens  benützen  wir  eine  Art  Wehr- 
scher Klemme : zwei  20  cm  lange,  vernickelte , im  Durchschnitte 
eliptische  Stahlstäbe  werden  in  einen  engen  Kautschukschlauch 
gesteckt,  der  eine  Stab  hinter,  der  andere  vor  dem  Magen  mit 
Seidenfaden  fest  zusammengebunden.  Für  die  Abklemmung  des 
Darmes  benützten  wir  in  den  letzten  Jahren  fast  ausschhesslich  eine 
lose  geknüpfte  elastische  Ligatur.  Für  die  Naht  benützen  wir 
meistens  feinste  Schrödernadeln  mit  Seide  Nr.  1,  bloss  für  atro- 
phischen Dünndarm  spindelrunde  Darmnadeln  mit  Seide  Nr.  0. 
Als  Nadelhalter  benützen  wir  einen  schlankgebauten  Schröder- 
schen  oder  den  Rein  er 'sehen  ^). 

Bei  den  circularen  Resektionen  des  Magens  und  Darmes  be- 
ginnen wir  die  hintere  Serosanaht  zuerst  nach  innen  knüpfend, 
schneiden  die  Fäden  ganz  kurz  bis  auf  die  zwei  Endfäden  zur 
Markierung,  dann  folgt  die  hintere  Mucosanaht,  ebenfalls  nach 
innen  geknüpft,  dann  die  vordere  Mucosanaht  nach  aussen  ge- 
knüpft, und  zwar  in  der  Regel  so,  dass  wir  zuerst  die  mittelste 
Naht  anlegen  und  mit  derselben  die  vorderen  Schleimhautränder 
von  der  Hinterfläche  abziehen,  dann  werden  die  Oeffnungen  links 
und  rechts  von  der  Mittelnaht  durch  Nähte  geschlossen,  welche 
so  verteilt  werden,  dass  kleine  Ungleichheiten  der  Randlängen 
dadurch  ausgeglichen  werden.  Grössere  Differenzen  müssen  frei- 
lich entweder  durch  Schiefschnitt  oder  seitlichen  Einschnitt  des 
engeren  Teiles,  oder  durch  Faltungen,  Occlusionsnähte  und  Zwickel- 
bildungen am  weiteren  Teile  ausgeglichen  werden.  Dann  folgt 
die  äussere  Serosanaht,  der  manchmal  noch  eine  3.  Nahtreihe  zur 
Verstärkung  schwächerer  Stellen  oder  zur  Uebernähung  mit  Netz 
oder  Mesenterium  hinzugefügt  wird. 

Wir  brauchen  für  1 cm  Wundlänge  1 — 3 Knopfnähte  und 
zwar  um  so  mehr,  je  dünner  der  Darm  ist.  Für  die  Serosanähte 
werden  die  Knopfnähte  häufig  durch  die  fortlaufende  Naht  ersetzt. 
Für  die  Mucosanähte  sind  Knopfnähte  vorzuziehen,  weil  sie  die 
Blutstillung  besser  besorgen  und  eine  Nekrose  der  Mucosa  weniger 
schadet.  Die  fortlaufende  Naht  lässt  sich  ja  schneller  ausfühi’en, 
macht  nicht  so  leicht  Nekrose,  liegt  aber  dafür  nicht  so  sicher 
und  verengt  leicht  das  Darmlumen.  Vom  Mesenterium  wird  bloss 
so  viel  als  erkrankt  ist,  also  wenn  möghch  kein  Keil,  reseziert  und 
nach  Beendigung  der  Darmnaht  das  Loch  mit  einigen  Knopf- 
nähten geschlossen.  Bei  den  vom  Peritoneum  entblössten  Teilen 
des  Darmes  wird  die  Obeidläche  der  Muscularis  so  behandelt  wie 

')  Die  Instrumente  und  Seide  liefert  uns  Instrumentenmacher  Dröll 
Mannheim-Heidelberg). 


468 


V.  Czerny  und  Walter  Kindfleisch. 


sonst  die  Serosa,  aber  wenn  möglich  gerade  an  diesen  Stellen  zur 
Sicherung  noch  eine  3.  entspannende  Nahtreihe  angelegt.  Für 
die  Bauchdecken  sind  wir  bei  der  alten  Simon 'sehen  resp.  Spencer- 
W e 11s 'sehen  doppelreihigen  Knoihseidennaht  stehen  geblieben,  da 
sie  uns  stets  gute  Dienste  leistet,  und  brauchen  die  Etagennaht  für 
die  Mittellinie  bloss  bei  sehr  fetten  Bauchdecken,  was  bei  diesen 
Operationen  kaum  vorkommt,  oder  bei  seitlichen  Schnitten  für  die 
verschiedenen  Muskelschichten. 

Eine  schwierige  Frage  ist  die  Ernährung  nach  diesen 
Operationen.  Bei  Magenoperationen  ist  es  am  besten,  wenn  die 
Kranken  8 Tage  ganz  mit  Nährkly stieren  erhalten  werden  können. 

Ein  Theelöffel  kalter  Thee  oder  einige  Tropfen  Cognac  in  Eis- 
wasser, Ausspülungen  des  Mundes  mit  Citronensaft  in  Wasser 
stillen  den  Durst.  Bei  Darmoperationen  lassen  wir  vom  3.  Tage 
schon  Beeftea,  Fleischgelee,  kalte  Milch,  selbst  Einser  Wasser 
geben  und  gehen  bald  zu  Schleimsuppen  und  Eiern  über.  Am 
Magen  Operierte  bekommen  noch  in  der  2.  Woche  flüssige  und 
in  der  3.  leicht  verdauliche,  breiige  Nahrung,  während  man  bei 
Kranken,  welche  am  Darm  operiert  sind,  schon  etwas  früher  mit 
sohder  Nahrung  beginnen  kann.  Auch  mit  der  Stuhlentleerung 
muss  man  individualisieren.  Kranke  mit  Darmstenosen  bekommen 
in  der  Regel  spontan  in  den  ersten  Tagen  nach  der  Operation 
reichliche  Entleerungen.  Bei  andern  muss  man  mit  Wasser,  Gly- 
cerin oder  Oelklystieren  nachhelfen  und  greift  in  der  Regel  erst 
spät  zu  den  milderen  Abführmitteln. 

Wir  haben  oben  die  Resultate  der  Magen-  und  Darmnähte 
offen  dargelegt,  um  an  der  Hand  derselben  einen  Massstab  für 
den  Wert  der  von  uns  geübten  dopjielreihigen  Darmnaht  zu  i 

gewinnen.  So  aufmerksam  wir  auch  die  Versuche  verfolgen,  welche 
die  Methoden  der  Darmnaht  zu  erleichtern,  zu  verbessern  und  zu  * 
vereinfachen  suchen,  so  whd  man  es  uns  doch  nicht  verübeln  ? 

können,  wenn  wir  diese  Vorschläge  erst  dann  am  Menschen  pro-  i 

bieren  wollen,  nachdem  die  betreffenden  Erfinder  den  Wert  ihrer  * 

Methoden  auch  an  diesem  wertvollsten  Objekte  unserer  Kunst  er-  | 
wiesen  haben.  S 

Die  aus  der  Heidelberger  chirurgischen  Klinik  hervorgegangenen  Arheiten  ■ 
über  Magen-  und  Darmchirurgie. 

Czerny,  Htudien  zur  Radikalbehandlung  der  Hernien.  Wiener  med. 
Wochenschr.  1877. 

Beiträge  zur  Radikaloperation  der  Hernien.  Beiträge  zur  operativen  Cbi- 
rnrgie.  Enke,  Stuttgart  1878. 

üeber  Darmresektion.  Berl.  klin.  Wochenschr.  1880,  Nr.  4ö  und  48. 


1 


Uel).  die  an  der  Ileidelb.  ehir.  Klin.  ausgef.  Operationen  am  Magen  u.  Darm.  469 


Ueber  die  innere  Naht  des  Bruehsackbalses.  Centralbl.  für  Chirurgie  1883, 

Nr.  8. 

Beitrage  zu  den  Operationen  am  iMagen.  Wiener  med.  Woclienschr.  1884, 
Nr.  17—19. 

Demonstration  von  Magenresektionspräparaten.  Deutscher  Chirurgenkon- 
gress 1884. 

Ueber  Magen-  und  Darmresektionen.  Deutsche  med.  AVochensclir.  1889, 
Nr.  45. 

Ueber  die  chirurgische  Behandlung  intraperitonealer  Tuberkulose.  (Beiträge 
zur  klin.  Chirurgie,  VI.  Bd.,  Tübingen  1890.) 

F.  F.  Kaiser,  Beiträge  zu  den  Operationen  am  Magen. 

Beiträge  zur  operativen  Chirurgie,  Stuttgart  1878. 

Edwin  Kuh,  Ueber  die  Resektion  des  Pylorus.  Arch.  f.  klin.  Chirurgie, 
X.XYII.  Bd.  4.  Heft. 

F.  Maurer,  Beiträge  zur  Chirurgie  des  Magens.  Arch.  f.  klin.  Chirurgie, 
XXX.  Bd.,  1.  Heft. 

H.  Braun,  Ueber  Endresultate  der  Radikaloperationen  von  Hernien.  Berl. 
klin.  Woclienschr,  1881.  No.  4. 

W.  Fleiner,  Zwei  Fälle  von  Darmgeschwülsten  mit  Invagination.  Vir- 
chows  Arch.  101.  Bd.  1885. 

C.  F.  Steinthal,  Ueber  die  chirurgische  Behandlung  der  ulcerösen 
Magen-  und  Darmperforation  1888.  Lang,  Arch.  f.  klin.  Chirurgie,  XXXHI.  Bd., 
4.  Heft. 

E.  Heuck,  Zur  Statistik  der  operat.  Behandlung  der  Mastdarmkrebse- 
Arch.  f.  klin.  Chir.,  Bd.  XXIX. 

E.  Herczel,  Beiträge  zur  operativen  Behandlung  der  Blasendarmfistel. 
Ibidem  1889. 

R.  Stern,  Durch  welche  Mittel  kann  man  das  Entstehen  von  intraperito- 
nealen Verwachsungen  verhindern.  Ibidem  1889. 

F.  Krumm,  Zur  Frage  der  primären  Darmresektion  wegen  Darmgangrän, 
Beiträge  zur  klin.  Chirurgie,  HI.  Bd.  Tübingen  1890. 

F.  Holder,  Ueber  Hernia  properitonealis.  Heidelberg  1890. 

L.  Orth,  Ueber  die  Sarkome  des  Darms,  Mesenterium  und  retroperitonealen 
Raumes.  Ibid.  1890. 

0.  Vulpius,  Die  Radikaloperation  der  Hernien  in  der  vorderen  Bauch- 
wand. Beiträge  zur  klin.  Chirurgie,  Tübingen  1890. 

R.  AV  0 1 f , Beiträge  zur  Radikalbehandlung  der  Leisten-  und  Schenkelhernien. 
Beiträge  zur  klin.  Chirurgie,  Tiibingen  1890. 

C.  H.  Sissingh,  die  sacrale  Operation  nach  Kraske  bei  Carcinoma  recti. 
Heidelberger  Dissertation  1890. 

Herrn.  A"tt  Ilers,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Gastrostomie.  Heidelberger 
Dissertation  1891. 

Kinscherf,  Ueber  die  Behandlung  der  acuten  Peritonitis.  Heidelberger 
Dissertation  1892. 

E.  B.  Schmidt,  Ueber  die  Operationsmethoden  bei  Rektumcarcinom  und 
deren  Enderfolge.  Beiträge  zur  klin.  Chirurgie,  Tübingen  1892,  9.  Bd. 


Darmresektionen. 

1)  Carcinome  und  Sarcome  des  Diclidarius. 


470 


V.  Czeruv  und  Walter  Rindfleisch. 


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Zur  Chirurgie  der  G-allenwege 

von 

Dr.  A.  von  Winiwai'ter, 

Professor  der  Chirurgie  an  der  Universität  Lüttich  (Belgien). 

Die  Literatur  über  die  Chirurgie  der  Gallenwege  ist  in  den 
letzten  Jahren  eine  sehr  reichhaltige  geworden;  abgesehen  von 
einer  Menge  kasuistischer  Mitteilungen  sind  grössere,  zusammen- 
fassende Arbeiten  zunächst  von  deutschen,  dann  von  französischen 
Chirurgen  erschienen  und  auf  dem  letzten  Chirurgenkongress  in 
Paris  (April  1892)  hat  Ferrier  ein  orientirendes  Referat  über  die 
Operationen  an  den  Gallenwegen  erstattet  *).  Man  sollte  glauben, 
dass  der  Gegenstand  an  und  für  sich  durch  die  eingehende  Be- 
handlung, die  er  von  verschiedenen  Seiten  erfahren  hat,  längst 
erschöpft  sei  und  dass  jeder  neue  Beitrag  nur  die  Operations- 
statistik vergrössern  könne.  Wenn  man  jedoch  die  betreffenden 
Publikationen  durchsieht,  so  ergiebt  sich  denn  doch,  dass  eine 
vollkommene  prinzipielle  Einigung  über  einige  der  wichtigsten 
Punkte  der  Chirurgie  der  Gallenwege  noch  nicht  erzielt  ist.  Ich 
glaube  daher  berechtigt  zu  sein,  meine  eigenen  Erfahrungen  eben- 
falls mitzuteilen.  Die  Zahl  meiner  Beobachtungen  ist  gering,  allein 
die  Verschiedenheit  der  einzelnen  Fälle  gestattet  doch  gewisse 
Schlüsse  aus  ihnen  zu  ziehen,  die  vielleicht  zur  Lösung  der  schwe- 
benden Fragen  beitragen.  Ich  bin  zufällig  in  der  Lage,  fast  über 
alle  einzelnen  Operationen  an  den  Gallenwegen  ein  Urteil  aus 

i E.  Ferrier,  Des  opi^rations  chirurgicales  sur  les  voies  biliaires, 
Questions  mises  ä l’ordre  du  jour  de  la  6ieme  session  du  Congres  Fraiu^.ais  de 
Chirurgie.  Paris  1892.  Das  Referat  enthält  ein  Literaturverzeichniss  der  be- 
deutenderen Arbeiten  über  den  Gegenstand  bis  Anfang  1892. 

Vgl.  ausserdem  die  höchst  wertvolle  Monographie  Riedel’s:  Erfahrungen 
über  die  Gallensteinkrankheit  mit  und  ohne  Icterus.  Berlin  1892,  und  Czerny. 
Treber  den  gegenwärtigen  Stand  der  Gallenblasenchirurgie.  Deutsche  medic. 
Wochenschr.  1892.  Xr.  23. 


480 


A.  von  Winiwarter. 


eigener  Anschauung  abgeben  und  die  Resultate  der  Behandlung 
miteinander  vergleichen  zu  können  und  habe  andererseits  bei 
meinem  ersten,  im  Jahre  1882  publizirten.  Falle  von  Gallen- 
retention und  Anlegung  einer  Gallenhlasendarmfistel  durch  das 
Misslingen  zahlreicher  therapeutischer  Versuche  mehr  gelernt,  als 
man  bei  einem  gewöhnlichen,  glatt  verlaufenden  Eingriffe  hätte 
lernen  können;  wer  aber  zu  seinem  Schaden  Lehrgeld  gezahlt 
hat,  der  thut  gut,  es  wenigstens  Anderen  zu  ersparen.  Die  von 
mir  operirten  Fälle  sind  folgende: 

1.  C h o 1 e 1 i t li i a s i s mit  Icterus.  Cliolecy  stostomie.  Heilung.  — 
K ec i (live  der  Clio  lelithiasis.  Exitus  letalis. 

Frau  W.,  3G  Jahre  alt,  hat  nach  Angabe  des  behandelnden  Arztes  seit  Jahren 
an  »Gallensteinkoliken«  gelitten,  d.  h.  es  traten  antallsweise  heftige  fichnierzen 
in  der  Lebergegend  auf,  verbunden  mit  galligem  Erbrechen,  doch  bestand  niemals 
Icterus  und  auch  die  Faeces  waren  niemals  entfärbt.  Patientin  hat  6 Kinder; 
vor  7 Monaten,  4 INIonate  nach  der  letzten  Entbindung  (Zwillinge),  traten  wieder 
starke  Magenschmerzen  auf,  aber  dieses  Mal  enthielt  das  Erbrochene  keine  Galle, 
es  entwickelte  sich  intensiver  Icterus  und  die  Faeces  wurden  entfärbt.  Seit  dieser 
Zeit  ist  der  Zustand  wesentlich  derselbe  geblieben ; die  Frau  stand  fortwährend 
in  ärztlicher  Behandlung  und  es  wurden  alle  möglichen  IMittel  fruchtlos  an- 
gewendet; die  Faeces  waren  täglich  untersucht  Avorden,  ohne  jemals  Spuren  von 
Gallenbeimengung  zu  zeigen.  Die  Ernährung  litt  dabei  sehr  bedeutend;  Patientin 
magerte  ab;  in  den  letzten  vierzehn  Tagen  hat  sie  2Va  Kilo  A'erloren. 

S t at US  pr äs  en 8 1.  März  1888.  Kleine,  schwächliche,  stark  abgemagerte 
Frau  mit  intensiv  icterischer,  dunkelgelbbrauner  Färbung  der  allgemeinen  Decke. 
Harn  dunkelbierbraun,  klar,  kein  Albuinen  enthaltend,  Stuhl  angehalten,  Faeces 
Aveissgrau,  thonartig.  Der  Unterleib  etAvas  aufgetrieben,  Leber  vergrössert,  die 
Dämpfung  reicht  etwa  Ader  Finger  breit  über  den  Eippenbogen  nach  abA\ärts ; 
daselbst  ist  ihr  stumpfer  Eand  zu  pal}iiren,  jedoch  fühlt  man  Aveder  die  Gallen- 
blase noch  eine  stärkere  Eesistenz  an  der  betreffenden  Stelle.  Der  Druck  auf 
die  Leber  ist  sehr  empfindlich,  besonders  in  der  Gegend  der  Incisur  und  a'Ou 
da  schräg  nach  aufwärts  rechts  eine  Handbreit  A'om  Nabel;  ausserdem  in  der 
Magengrube.  Die  Patientin  fiebert  nicht,  der  Appetit  ist  sehr  gering;  sehr 
häufiges,  jedoch  niemals  galliges  Erbrechen,  lebhaftes  Jucken,  Schlaflosigkeit; 
spontane  Schmerzen  in  der  Magengegend. 

Die  Diagnose  wurde  auf  Einklemmung  eines  Gallensteines  im  Ductus 
choledochus  gestellt. 

Operation  5.  März  1888.  Schnitt  entsprechend  dem  äusseren  Eande  des 
rechten  Eectus  abdominis  vom  Eippenbogen  bis  zur  Höhe  des  Nabels  reichend; 
Peritoneum  A’erdickt;  die  Leber  Avird  freigelegt  und  nach  oben  gedrängt.  Die 
Gallen) )lase  ist  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  mit  der  tmteren  Fläche  der  Leber 
A'erAA^achsen  und  in  dieselbe  gleichsam  eingebettet ; sie  ragt  nicht  über  den  Leber- 
rand herA’or,  ist  schlaff,  ihre  Wandung  anscheinend  nicht  A^erdickt;  durch  dieselbe 
schimmert  eine  weissliche  Flüssigkeit  durch.  Der  tastende  Finger  entdeckt  so- 
fort einen  Gallenstein  A'on  gut  Haselnussgrösse,  der  in  einiger  Entfernung  A'om 
Halse  der  Gallenblase  anscheinend  im  Anfangsteile  des  D.  choledochus  steckt. 
I)ersel))e  lässt  sich  leicht  nach  rückAVärts  gegen  die  Leber  zu,  in  den  Ductus 
hepaticus,  aber  auch  gegen  die  Gallenblase  zu,  in  den  Ductus  cysticus,  A'erschieben. 


Zur  Chirurgie  der  Gaiienwege. 


481 


Die  Gaiienbiase  wird  an  ihrer  Kuppe  initteis  des  Thermocauters  von  der  Leber 
abgeiöst,  dann  werden  zwei  Seidenfäden  durch  ihre  Wand  gelegt,  um  sie  vor- 
zuziehen; es  gelingt  jedoch  niclit  die  Kuppe  i)is  über  das  Niveau  der  Baucl)- 
wunde  nacli  aussen  zu  bringen;  deshalb  wird  sie  ringsum  mit  Gazekompressen 
umgeben  und  auf  diese  Weise  von  der  Peritonealhöhle  abgeschlossen.  Hierauf  wird 
unter  fortwährender  Berieselung  mit  Kochsalzlösung  (7  : 1000)  die  Kuppe  der 
Gallenblase  zwischen  den  beiden  Fadenschlingen  eröffnet:  es  entleert  sich  voll- 
kommen ungefärbtes,  schleimiges  Secret  in  mässiger  INIenge.  Nun  ward  eine 
Steinzange  eingeführt,  der  runde,  stark  haselnussgrosse  Stein  von  aussen  gegen 
die  Gallenblase  znrückgeschoben,  gefasst  und  extrahiert.  Derselbe  befand  sich 
ungefähr  an  der  Yereinigungsstelle  des  Ductus  hei^aticus  mit  dem  Ductus  cysticus; 
hinter  ihm  war  der  D.  hepaticus  zylindrisch  erweitert ; die  Kommunikation  der 
Leber  mit  dem  Darme  sowohl  wie  mit  der  Blase  war  aufgehoben  gewesen  : Beweis 
dessen  die  Gallenretention  in  der  Leber  und  das  Fehlen  von  Galle  in  der  Blase. 
Nach  Ausspülung  der  letzteren  mit  Kochsalzlösung  kommt  etwas  gelbrötliche, 
klare  Galle  aus  der  Tiefe  zum  Vorschein.  Trotz  genauen  Abtastens  von  aussen 
und  Einführung  einer  Steinsonde  in  der  Eichtung  des  D.  choledochus  ist  kein 
Stein  mehr  zu  fühlen. 

Jetzt,  nachdem  die  Gallenblase  entleert  war,  Hessen  sich  die  Känder  ihrer 
Incision  bis  an  das  Niveau  der  Bauchdecken  heranbringen ; sie  wurden  mit  dem 
Peritoneum  parietale  des  oberen  Wundwinkels  vernäht,  was  nur  mit  einiger  Mühe 
gelang,  denn  die  Bauchdecken  waren  straff’  gespannt  und  die  Leber  vergrössert. 
Der  übrige  Teil  der  Bauchwunde  wurde  geschlossen;  in  die  Gallenblase  wurde 
ein  dickes  Drainrohr  eingeführt  und  nach  aussen  geleitet  (äussere  Gallenblasen- 
üstel);  rings  um  dasselbe  wurde  die  Höhle  der  Gallenblase,  deren  Schleimhaut 
ziemlich  stark  blutete,  mit  Jodoformgaze  locker  tamponiert. 

6.  März  1888.  Keine  Reaktion,  kein  Erbrechen.  VeiBand  nicht  durchnässt, 
aus  dem  Drainrohr  ist  etwas  Galle  ausgeflossen.  Das  Jucken  hat  vollkommen 
auf  gehört. 

7.  März  1888.  Verband  gewechselt.  Der  Gazetampon  ist  nicht  mit  Galle 
getränkt,  Patientin  hat  ruhig  geschlafen.  Harn  bierbraun,  klar.  Es  fliesst  wenig 
Galle  aus  dem  Drainrohr  ab. 

In  der  nächsten  Zeit  nahm  der  Ausfluss  des  Seci’etes  allmählich  zu , so 
dass  innerhalb  24  Stunden  etwa  100  - 150  Gramm  dunkelgrüner , ziemlich 
dicker  Galle  entleert  wurden;  dementsprechend  wurde  die  icterische  Färlmng 
lichter,  das  Erbrechen  kehrte  nicht  wieder,  Appetit  stellte  sich  ein  und  die 
Patientin  erholte  sich  langsam,  aber  es  trat  keine  Spur  von  Galle  in  den  Darm 
über,  die  Faeces  blieben  thongrau.  Ich  vermutete  Anfangs,  dass  die  Galle  nur 
deshall)  nicht  in  den  Darm  abfliesse,  weil  die  Schleimhaut  des  I).  choledochus 
noch  angeschwollen  und  dadurch  der  Kanal  unpassierl)ar  sei,  wie  das  ja  ganz 
gewöhnlich  nach  Cholelithiasis  mit  länger  dauerndem  Retentionsicterus  der  Fall  ist. 
Es  wurden  daher  täglich  Auswaschungen  der  Gallenblase  mit  lauer  Kochsalzlösung 
vorgenommen,  das  Drainrohr  entfernt,  und  die  äussere  Gallenflstel  mittelst  eines 
feuchten,  in  Guttaiierchapapier  gewickelten  Schwammes  fest  komprimiert ; darauf 
hin  sammelte  sich  ein  gewisses  (juantum  Galle  in  der  Tiefe  an,  aber  nach  einigen 
Stunden  trat  ein  Gefühl  von  Völle  und  Druck  in  der  Lebergegend  auf,  welches 
sich  rasch  zu  intensiven  Schmerzen  steigerte;  die  Patientin  bekam  unter  Aus- 
bruch von  kaltem  Schweiss  Ueblichkeiten,  Erbrechen,  Ohnmachtsanfälle  und  der 
Verband  musste  entfernt  werden,  worauf  sich  eine  grcjsse  INIenge  von  angestauter 
Galle  entleerte  und  die  Symptonre  der  Seki-etretention  sofort  verschwanden. 

31 


482 


A.  von  Winiwarter. 


Icli  hatte  bei  meinem  Patienten  mit  Gallenblasendarmfistel  die  Beobacbtimg 
gemacht,  dass  der  Ansfliiss  durch  eine  äussere  Gallenfistel  lange  Zeit  hindurch 
dauern  könne  und  dass  schliesslich  die  Galle  doch  den  Weg  in  den  Darm  nehme, 
vorausgesetzt,  dass  nach  dieser  Kichtung  kein  Hindernis  vorliege,  — dass  jedoch 
bei  Vorhandensein  des  geringsten  Widerstandes  alle  Bemühungen , die  Galle  in 
den  Darm  abzuleiten,  absolut  fruchtlos  seien.  Deshalb  wartete  ich  zunächst  ruhig 
ab,  ohne  einen  weiteren  Eingriff  zu  unternelimen,  als  aber  Wochen  und  endlich 
zwei  Monate  vergingen  und  der  Zustand  immer  der  gleiche  blieb,  ohne  dass  je- 
mals eine  Spur  von  Galle  im  Darminhalt  aufgetreten  wäre,  musste  ich  annehmen, 
dass  ein  anderes  mechanisches  Hindernis  als  die  Schleimhautschwellung  im  D. 
choledochus  den  Uebertritt  der  Galle  in  den  Darm  verhindere.  Es  konnte  sich 
dabei  um  eine  Verwachsung  des  Ganges  oder  um  eine  Knickung  desselben  handeln ; 
weniger  plausibel  erschien  mir  die  Existenz  eines  zweiten  obstruierenden  Kon- 
ki’ementes , nachdem  während  der  Operation  absolut  nichts  von  einem  solchen 
zu  fühlen  geAvesen  war,  Aveder  durch  die  Palpation  A"on  aussen  noch  durch  die 
Sondierung. 

Um  die  Sachlage  autzuklären,  Avurde  zunäclist  die  äussere  Gallenlistel,  die 
sich  stark  verengert  und  trichterförmig  eingezogen  hatte,  durch  Einlegen  von 
Laminaria,  dann  durch  Tamponieren  mit  Gazestreifen  erAveitert  und  auf  diese 
Weise  die  Mündung  des  D.  cysticus  zugänglich  gemacht.  Ich  A'ersuchte  nun 
mittelst  einer  in  den  D.  cyst.  eingetührten  elastischen  Sonde,  durch  welche  ein 
permanenter  Strom  von  lauer  Kochsalzlösung  aus  einem  Irrigator  eingeleitet 
Avurde,  gegen  den  D.  choledochus  vorzudringen.  Kach  einigen  Tagen  konnte  ich 
auf  diese  Weise  bis  in  eine  Tiefe  A’on  etAva  15  Centimetern  gelangen,  ohne  auf 
ein  Hindernis  zu  stossen  — Aveiter  aber  ging  es  absolut  nicht.  Wenn  man  an 
dieser  Stelle  angelangt  war  und  man  den  Flüssigkeitsdruck  erhöhte,  Avurde  die 
Patientin  von  einem  Gefühl  der  SchAväche  und  Ohnmacht  befallen,  ganz  ähnlich 
dem,  Avelches  durch  die  Gallenretention  hervorgerufen  worden  Avar.  Gelangte  die 
Sonde  durch  Zufall  in  den  Duct.  hepaticus,  so  empfand  die  Patientin  bei  der 
Injektion  heftige  Schmerzen.  Trotz  zahlreicher,  mit  allen  möglichen  Instrumenten 
unternommener  Versuche  gelang  es  nicht,  den  D.  choledochus  zu  passieren,  ja 
nicht  einmal  die  Existenz  eines  Steines  nachzuweisen.  Ich  habe  mich  bei  dieser 
Gelegenheit  überzeugt,  dass  der  Catheterismus  der  Gallengänge  Amn  einer  äusseren 
Gallenfistel  aus,  wenigstens  unter  geAvöhnlichen  Umständen,  undurchführbar  ist') ; 
es  gelang  mir,  beiläufig  gesagt,  auch  niemals  bei  eröffneter  Bauchhöhle  A'on  der 
Gallenblase  aus  eine  Sonde  bis  in  den  Darm  A'orzuschieben,  Aveder  beim  Lebenden, 
noch  trotz  Aviederholter  Versuche  an  der  Leiche ; in  letzterem  Falle  auch  dann 
nicht,  Avenn  die  Permeabilität  des  Choledochus  an  den  aus  der  Bauchhöhle  ent- 
nommenen Organen  nach  Eröffnung  des  Duodenum  durch  den  bekannten  Hand- 
griff der  pathologischen  Anatomen,  das  Auspressen  der  Galle  aus  der  Blase  gegen 
den  Darm  zu,  nachträglich  festgestellt  Averden  konnte. 

Nach  dem  Misslingen  des  Catheterismus  wurden  die  Injektionen  von 
Flüssigkeit  mittelst  der  elastischen  Sonde  täglich  Aviederholt,  einmal  auch  in  der 
Narkose,  Aveil  ich  mir  Amrstellte,  dass  man  auf  diese  Weise  vielleicht  doch  eine 
allmähliche  Erweiterung  des  Choledochus  erzielen , respekth’e  einen  daselbst 
steckenden  Stein  delogieren  könne,  an  den  ich  nun  doch  Avieder  dachte.  Statt 
der  Kochsalzlösung  AVurde  später  mittelst  einer  Spritze  01i\’enöl,  dann  Glycerin 


')  Ich  habe  diese  Ansicht  bereits  bei  Gelegenheit  einer  Diskussion  auf  der 
Naturforsclieiwersammlung  in  Köln  1888  ausgesprochen. 


Zur  Chirurgie  der  Gallemvege. 


483 


injiziert;  ausserdem  gebrauchte  die  Patientin  täglich  Karlsbadersalz,  feuchte  Ein- 
wickelungen  des  Bauches  und  laue  Bäder.  Aber  Alles  war  umsonst,  die  Faeces 
blieben  ungefärbt;  der  Ausfluss  von  Galle  war  sehr  reichlich,  die  Frau  konnte 
sich  trotz  aller  Sorgfalt  nicht  immer  vor  Durchnässung  Ijewahren,  sie  war  in 
Verzweiflung  über  diesen  Zustand,  umsomehr,  als  sie  sich  im  übrigen  ganz  wohl 
fühlte,  und  verlangte  dringend  einen  neuen  operativen  Eingriff.  Es  waren  jetzt 
drei  ^Monate  seit  der  ersten  Operation  verflossen  und  ich  dachte  an  die  Not- 
wendigkeit der  Cholecystenterostomie.  Endlich,  am  23.  Juni,  als  ich  abermals 
durch  eine  konische  elastische  Sonde  einen  Strom  von  Flüssigkeit  injicierte, 
wurde  ein  Gallenstein  herausgeschleudert;  derselbe  war  etwa  von  der  Grösse 
eines  Kirschenkernes,  aber  von  länglicher  Form,  weissgelb,  das  dem  Darm  zu- 
gekehrte Ende  war  glatt,  glänzend,  das  andere  körnig,  rauh. 

Es  war  also  doch  im  D.  choledochus  ein  Steinfragment  vorhanden  gewesen, 
dessen  Gegenwart  durch  kein  anderes  Symptom  gekennzeichnet  wurde,  als  durch 
die  Im  Permeabilität  des  Kanales,  welche  eben  so  gut  von  Kompression  oder 
Atresie  desselben  herrühren  konnte.  Wenige  Tage  nach  der  Entfernung  des 
Steines  erschienen  zum  erstenmale  gefärbte  Faeces  und  eine  Woche  später  trat 
bereits  die  gesammte  Wenge  der  Galle  in  den  Darm  über,  obschon  die  äussere 
Fistel  noch  nicht  vollkommen  geschlossen  war. 

Die  Patientin  kehrte  Anfangs  Juli  in  ihre  Heimat  zurück ; ihr  Allgemein- 
zustand war  vortrefflich,  sie  sah  gut  aus,  ass  mit  Appetit  und  verdaute  ohne 
Schwierigkeit,  war  den  ganzen  Tag  auf  den  Beinen  und  konnte  längere  Spazier- 
gänge machen,  ohne  zu  ermüden  oder  Schmerz  zu  fühlen.  Die  Haut  war  aller- 
dings noch  etwas  gelblich  gefärbt;  die  Lebei'dämpfung  reichte  nicht  mehr  über 
den  Rand  des  Rippenbogens  hinaus,  die  Emptindlichkeit  gegen  Druck  war  voll- 
kommen verschwunden  ; das  Abdomen  nicht  aufgetrieben.  Die  Fistel  schloss  sich 
kurze  Zeit  darauf  von  selbst. 

Ueber  den  weiteren  Verlauf  dieses  Falles  kann  ich  nur  nach  brieflichen 
^litteilungen  berichten.  Unmittelbar  nach  ihrer  Rückkehr  in  die  Heimat  wurde 
die  Frau  schwanger;  der  Verlauf  der  Gravidität  war  anfangs  gut,  nur  bestand, 
wie  auch  während  der  früheren  fünf  Schwangerschaften,  eine  beträchtliche  Tendenz 
zur  Gbstipation.  Anfangs  Dezember  traten  abermals  Anfälle  von  heftigen  Schmerzen 
in  der  Leber-  und  IMagengegend  auf,  verbunden  mit  galligem  Erbrechen,  ganz 
ähnlich  jenen,  die  vor  der  Operation  bestanden  hatten,  — sehr  bald  von  Icterus 
und  Entfärbung  der  Faeces  gefolgt.  Der  Allgemeinzustand  verschlechterte  sich; 
ich  riet  der  Frau  dringend,  sich  sofort  wieder  in  die  Klinik  transportieren  zu 
lassen,  aber  sie  konnte  sich  zu  der  weiten  Reise  im  Winter  nicht  entschliessen. 
Ende  Dezember  erhielt  ich  die  Nachricht,  dass  die  Patientin  nach  einem  besonders 
heftigen , von  Fieber  begleiteten  Anfalle  von  Schmerzen  und  Erbrechen  unter 
den  Symjüomen  einer  akuten  Peritonitis  gestorben  sei ; wenige  Stunden  vor  dem 
Exitus  hätten  die  bis  dahin  kontinuirlichen,  ungemein  intensiven  Schmerzen  im 
rechten  Hypochondrium  plötzlich  aufgehört,  Patientin  sei  verfallen  und  bei  vollem 
Bewusstsein  unter  subjektiver  Euphorie  sei  der  Tod  eingetreten.  Keine  Sektion. 

Nach  der  Schilderung  des  Krankheitsverlaufes  und  seines  Ausganges  dun-h 
den  verständigen  und  aufmerksamen  Gatten  der  Patientin  unterliegt  es  wohl 
keinem  Zweifel,  dass  während  der  Schwangerschaft  und  vielleicht  begünstigt 
durch  dieselbe  sich  abermals  ein  Stein  gebildet  hatte,  welcher  zunächst  Anfälle 
von  Koliken,  dann  aber,  wahrscheinlich  im  D.  choledochus  eingekeilt,  Angio- 
cholitis  mit  circumscripter  I’eritonitis  hervorrief  und  zum  Schlüsse  vielleicht  zur 
Perforation  der  Gallenwege  führte.  Wenn  die  Frau  sofort,  als  die  Gallenretention 


484 


A.  von  Winiwarter. 


von  Neuem  auftrat,  sich  wieder  der  chirurgischen  Behandlung  unterzogen  hätte, 
so  wären  alle  Chancen  vorhanden  gewesen,  sie  durch  eine  zweite  Operation  zu 
retten. 

2.  Cho le  1 i t hi  asis  ini t I c t e r u s.  Cholecystostoinie.  Heilung. 

Pat.  ein  47  jähriger,  ziemlich  magerer,  kräftiger,  aber  früh  gealterter  Mann, 
ist  seit  einigen  Jahren  wiederholt  von  kleinen  Anfällen  von  Gallensteinkolik  heim- 
gesucht worden,  die  jedoch  stets  nach  kurzer  Zeit  vorübergingen;  Gallensteine 
sind  seines  Wissens  niemals  im  Stuhle  gefunden,  wahrscheinlich  aber  auch 
nur  ganz  oberflächlich  gesucht  worden.  Ausserdem  litt  der  Patient  an  habituellen 
Verdauungsstörungen,  Constipation,  Druck  in  der  Magengegend,  Gefühl  von  Völle 
im  r.  Hypochondrium ; seine  Gesiclitsfarbe  war  stets  etwas  gelbbraun  (»teint 
bilieuxt).  Vor  fünf  Wochen  (Ende  Dezember  1888)  trat  ein  besonders  starker 
Anfall  von  Kolik  auf,  welcher  nach  ein  paar  Tagen  von  Icterus  gefolgt  war; 
Faeces  entfärbt,  Harn  tiefdunkelgrünbraun ; starkes  Hautjucken.  Nach  der  An- 
gabe des  behandelnden  Arztes  war  die  Lel)er  vergrössert,  mässig  empfindlich 
gegen  Druck,  jedoch  verschwanden  die  Schmerzen  bald.  Das  Allgemeinbefinden 
war  stark  alteriert,  Patient  erbrach  fortwährend;  seit  8 Tagen  wurde  absolut 
Nichts  mehr  vertragen,  so  dass  die  Ernährung  nur  durch  Klysmen  unterhalten 
werden  konnte;  hartnäckige  Schlaflosigkeit,  zum  Teil  durch  das  Hautjucken 
verursacht.  Die  Behandlung,  u.  a.  ein  Versuch  durch  Eingiessen  von  Olivenöl 
(lüO  gr.)  mittels  der  Schlundsonde  Besserung  herbeizuführen , war  fruchtlos  ge- 
blieben. Als  ich  den  Patienten  zum  ersten  Male  sah  (1.  Fel)r.  1889),  war  er  sehr 
heruntergekommen  und  abgemagert ; Gefühl  von  Schwäche  und  fortwährende 
Deblichkeiten,  die  seit  der  Eingiessung  des  Olivenöles  sich  entschieden  gesteigert 
hatten ; die  Haut  und  die  Conj  unktivae  intensiv  gelb  gefärbt , Zunge  stark  be- 
legt, eintrocknend;  keine  Temijeraturerhöhung.  Das  Abdomen  eingezogen,  Bauch- 
decken gespannt ; die  untere  Grenze  der  Leberdämpfung  vier  Finger  breit  über 
dem  Kippenbogen  nach  abwärts,  Leberrand  daselbst  undeutlich  tastl)ar ; nirgends 
ein  schmerzhafter  Punkt,  auch  bei  tiefem  Drucke  nicht.  Man  fühlt  weder  die 
Gallenblase  noch  irgend  eine  resistentere  Partie.  Von  Zeit  zu  Zeit  Erbrechen 
schleimiger  Massen  und  aller  per  os  dargereichten,  auch  der  flüssigen  Ingesta.  — 
Diagnose:  Gallenretention  durch  einen  Stein,  Avelcher  sowohl  den 
Ductus  c y s t i c u s als  den  Ductus  h e p a t i c u s verlegt.  Die  Operation 
war  bei  dem  elenden  Allgemeinzustande  des  Patienten  unzweifelhaft  indiziert; 
längeres  Abwarten  konnte  hier  nur  die  Prognose  verschlechtern;  es  wurde  daher 
von  jeder  vorbereitenden  Behandlung  abgesehen,  der  Patient  erhielt  nur  ein  laues 
Bad,  um  ihn  von  den  Spuren  des  Blasenpflasters,  der  Kataplasmen  u.  s.  w.  zu  reinigen. 

0 p e r a t i o n.  Am  3.  Februar  1889  wurde  in  der  Narkose  die  Bauch- 
böhle  durch  einen  Längsschnitt  am  äusseren  Kande  des  r.  Rectus  abdom.  er- 
öffnet. Die  Leber  reicht  um  mebr  als  eine  Handbreite  über  den  Ripi^enbogen 
nach  abwärts ; sie  ist  schmutzig  blaurot  gefärlfl,  derb  anzufühlen ; die  Gallen- 
Iflase  ist  nicht  sichtbar;  erst  nachdem  leichte  A'erwachsungen  mit  dem  Netze 
getrennt  waren,  konnte  der  Leberrand  nach  aufwärts  geklappt  werden  und  nun 
zeigte  sich  in  grosser  Tiefe  die  Gallenblase,  etwa  auf  zwei  Drittel  ihrer  normalen 
Länge  reduziert,  vollkommen  ausgefüllt  durch  einen  rundlichen  Stein,  ungefähr  von 
der  Form  und  Grösse  einer  Kastanie.  Die  'Wandungen  scheinen  dem  Steine 
überall  ganz  glatt  anzuliegen ; man  fühlt  ausserdem  im  Ductus  choledochus  einen 
zweiten  Stein,  anscheinend  von  Erl)sengrösse.  Die  Kuppe  der  Gallenblase  wird 
eine  Strecke  weit  von  der  Leljersubstanz , in  welcher  sie  förmlich  eingel)ettet 


Zur  Chirurgie  der  CTallenwege. 


485 


ist,  mittels  des  Thermokauters  abgelöst,  doch  ist  es  ganz  unmöglich , sie  bis  an 
das  Niveau  der  straff  gespannten  Bauchdecken  zu  bringen.  Sie  wird  daher  in 
gewöhnlicher  Weise  isoliert  und  eröffnet.  Ihre  Wandung  ist  schwarzbraun  ge- 
färbt, sehr  dünn,  ihre  Schleimhaut  ist  ganz  trocken,  der  Oberfläche  des  Steines 
adhärierend,  doch  lässt  sich  derselbe  ohne  Mühe  lösen  und  extrahieren;  er  ist 
rundlich,  mit  leicht  mammelonierter  Oberfläche,  gelbbraun  gefärbt  und  wiegt 
13,5  gr.  In  der  entleerten  Blase  flndet  sich  ausserdem  in  einem  trichterförmigen 
Raume  gegen  den  D.  cysticus  zu  eine  mässigc  Menge  dicker,  schwärzlicher,  theer- 
artiger  Flüssigkeit,  welche  ausgelöff'elt  wird.  Nun  wird  die  (Tallenblase  mit 
Kochsalzlösung  ausgewaschen,  es  kommt  keine  frische  Galle  zum  Vorschein ; der 
Stein  im  Anfangsteile  des  D.  choledochus  wird  durch  Druck  von  aussen  gegen 
die  Gallenblase  geschoben  und  dim-h  die  injizierte  Flüssigkeit  herausgeschwemint. 
Er  ist  von  der  Grösse  einer  starken  Erbse,  rundlich  glatt,  ohne  Bruchfläche ; man 
fühlt  kein  Konkrement  mehr;  die  Spülflüssigkeit  fliesst  ganz  klar  ab.  Nun  wird 
vorläufig  ein  Gazestreifen  in  die  Gallenblase  eingeführt,  die  Tam])ons  werden 
entfernt  und  das  Operationsfeld  mit  einem  Strom  warmer  Kochsalzlösung  über- 
spült. Die  Gallenblase  lässt  sich,  nachdem  sie  entleert  ist,  allerdings  mit  grosser 
Mühe  bis  an  den  Rand  der  Bauchwunde  bringen,  so  dass  ihre  Kuppe  an  das 
Peritoneum  parietale  des  medialen  Randes  der  Incision  angenäht  werden  kann, 
am  lateralen  Rande  gelingt  die  Vereinigung  nicht.  Um  die  äussere  (fallenblasen- 
flstel  bilden  zu  können,  muss  die  Lel:)er  so  weit  um  ihre  Achse  gedreht  werden, 
dass  schliesslich  der  untere  Rand  vollkommen  parallel  mit  der  Medianlinie  steht 
und  die  Konvexität  der  Leber  lateralwärts  (nach  rechts),  die  Koncavität  median- 
wärts  i^nach  links)  gewendet  ist.  Besondei’s  schwierig  ist  es,  die  Ränder  des 
Peritoneum  parietale  des  oberen  Wundabschnittes  über  die  Leber  hinüberzu- 
bringen. Nun  wird  die  Bauchwunde  bis  an  die  Fistel  durch  Etagennähte  ge- 
schlossen. Zum  Schluss  wird  der  Gazestreifen  aus  der  Gallenblase  entfernt; 
statt  desselben  wird  ein  Drainrohr  in  ihr  Cavum  eingeführt,  durch  Gazestreifen 
locker  befestigt  und  nach  aussen  in  ein  mit  Karbollösung  gefülltes  Becken  ge- 
leitet ; dann  wird  die  ganze  Wunde  mit  Jodoformgaze  tamponiert  und  ein 
Kompressivverband  in  typischer  Weise  appliziert. 

Die  Diagnose  war  insofern  bestätigt  worden,  als  der  obstruierende  Chole- 
dochusstein nachgewiesen  wurde ; die  Gallenblase  aber  war  durch  den  grossen 
»Stein  derart  ausgefüllt,  dass  sie  nicht  mehr  als  Gallenreservoir  funktionieren  konnte. 

Das  Erbrechen  dauerte  noch  24  Stunden  nach  der  Operation  fort,  dann 
hörte  es  auf;  im  übrigen  war  der  \'erlauf  ein  vollkommen  reaktionsloser.  Der 
Verband  wurde  am  zweiten  Tage  gewechselt,  es  war  noch  keine  Galle  ausgetreten. 
Erst  vom  dritten  Tage  an  stellte  sich  ganz  allmählich  Ausfluss  von  Galle  ein, 
anfangs  spärlich,  dann  aber  immer  reichlicher,  so  dass  wohl  innerlialb  24  Stun- 
den durch  das  Drainrohr  gegen  200  gr.  entleert  wurden  und  ausserdem  noch 
der  Verband  täglich  stark  durchtränkt  war.  Der  Patient  erholte  sich  sehr  lang- 
sam, namentlich  weil  seine  ^"erdauungsorgane  in  einem  elenden  Zustande  waren; 
eine  hartnäckige  Koprostase  musste  durch  Eingiessungen  in  den  Darm  und 
schliesslich  durch  mechanische  Ausräumung  des  Rectum  behoben  werden;  die 
Faeces  blieben  vorläufig  ungefärbt.  1 )ie  Behandlung  bestand,  nachdem  die  ( tperations- 
wunde  verheilt  war,  in  täglichen  Ausspülungen  der  Gallenblase  mit  lauer  Kochsalz- 
lösung und  in  der  Applikation  von  feuchtwarmen  Einwickelungen  des  Bauches;  ausser- 
dem laue  Bäder  alle  zweiten  Tage,  jeden  Morgen  ein  iMffel  Karlsbadersalz  in  heissem 
Wasser  gelöst  und  eine  Darmirrigation.  Im  Verlaufe  der  nächsten  Wochen  hob 
sich  die  Ernährung  wesentlich,  der  Harn  war  normal,  die  Haut  verlor  allmählich 


486 


A.  von  ^Vini\vartel•. 


die  icterisclie  Färbung.  Ich  habe  aucli  hei  diesem  Patienten  wie  bereits  in 
früheren  Fällen  beobachtet,  wie  diese  Operierten  unter  den  Beschwer<len  der 
äusseren  Gallenfistel  leiden,  wenn  man  ihnen  auch  wieder  und  immer  wieder 
versichert,  dass  der  Zustand  ein  vorübergehender,  ja  dass  der  reichliche  Aus- 
fluss von  Galle  geradezu  von  Vorteil  für  sie  sei.  Ich  pflege,  sobald  die  Patienten 
das  Bett  verlassen  können,  den  Verband  so  einzurichten,  dass  das  Gallenblasen- 
drain in  eine  enghalsige  Flasche  geleitet  wird,  welche  an  einer  Schnur  getragen 
wird.  Rings  um  das  Drain  wird  die  Oeftnung  der  Gallenblase  sorgfältig  mit 
Jodoformgaze  tamponiert,  darüber  kommt  ein  Stück  Billrothbattist,  welches  nur 
in  der  Mitte  durchlöchert  ist,  um  das  Drain  passieren  zu  lassen,  und  die  Ränder 
dieses  Stückes,  sowie  die  der  Oett'nung  werden  durch  breite  Streifen  von  ameri- 
kanischem Kautschukpflaster  bedeckt  und  festgehalten.  Ueber  diesen  Verband 
appliziere  ich  zwei  grössere  Kissen,  die  mit  getheertem  Sägemehl  gefüllt  sind,  und 
das  Ganze  wird  durch  eine  breite,  dünne  Gummibinde  komprimiert.  Des  Nachts, 
wenn  die  Patienten  in  der  horizontalen  Rückenlage  schlafen  können,  geht  Alles  gut, 
die  Galle  fliesst  in  das  Reservoir  ab,  ohne  den  ^>rband  zu  durchdringen.  Müssen 
jedoch  die  Patienten  auf  der  Seite  liegen  oder  sind  sie  bei  Tag  ausser  Bett, 
dann  tritt  denn  doch  nach  5 — 6 Stunden  Sekret  auch  in  ilen  Verband  aus  und 
durchtränkt  ihn  allmählich,  und  das  Gefühl,  welches  der  dauernde  Kontakt  der 
(lalle  mit  der  Haut  verursacht,  ist  den  Patienten  so  unangenehm,  dass  sie  es 
nicht  lange  ertragen  können ; der  Verband  muss  erneuert  werden,  und  wenn  es 
mitten  in  der  Nacht  und  die  Manipulation  noch  so  umständlich  ist.  Diese  Ope- 
rierten mit  äusserer  Gallenfistel  werden  wahre  Hypochonder ; ihr  ganzes  Denken 
und  Trachten  dreht  sich  darum,  ob  ihre  Fistel  secerniert  oder  nicht,  und  sie  quälen 
den  Arzt  täglich  mit  der  Frage,  ob  sie  geheilt  werden  und  wann,  denn  für  sie 
hat  die  Operation  des  Gallensteines  jede  Bedeutung  verloren  und  dasjenige,  was 
ihnen  als  ihr  eigentliches  Leiden  und  zwar  als  ein  sehr  iieinliches  Leiden  er- 
scheint, das  ist  die  äussere  Gallenfistel. 

Bis  zum  23.  April  1889,  also  während  fast  zwölf  Wochen  dauerte  bei  dem 
Patienten  der  Ausfluss  aus  der  Gallenl)lasenfistel  in  unveränderter  Weise  fort, 
und  während  der  ganzen  Zeit  waren  die  Faeces,  die  täglich  durch  den  Arzt  und 
ausserdem  durcli'den  Patienten  selbst  mit  der  minutiösesten  Genauigkeit  unter- 
sucht wurden,  entfärbt ; wenn  der  Verband  entfernt  und  das  Drainrohr  aus  der 
Gallenblase  zurückgezogen  wurde , so  quoll  stets  noch  ein  gewisses  (Quantum 
klarer  Galle  aus  der  Tiefe  empor.  Als  ich  am  23.  April  den  Verband  wechselte, 
fehlte  zum  ersten  Male  diese  Ansammlung  von  Galle;  das  Drainrohr  wurde 
wieder  eingeführt  und  Alles  wie  gewöhnlich  geordnet,  aber  zum  grössten  Erstaunen 
des  Patienten  konnte  er  bis  spät  Abends  ausser  Bett  bleiben,  ohne  durchnässt 
zu  sein,  und  als  er  Abends  die  Flasche  revidierte,  fand  er  die  Karbollösung  fast 
ungefärbt  und  auch  am  nächsten  Morgen,  trozdem  der  Verband  nicht  gewechselt 
worden  war,  bestand  der  gleiche  Zustand.  Der  Verband  blieb  nun  während 
3 mal  24  Stunden  absichtlich  unberührt,  aber  auch  nach  dieser  Zeit  war  keine 
Galle  mehr,  weder  durch  das  Drainrohr,  noch  neben  demsell)en  ausgetreten  und 
die  Faeces  zeigten  am  25.  April  bereits  deutliche  Färbung,  so  dass  kein  Zweifel 
mehr  über  den  J)urchtritt  der  Galle  in  den  Darm  besteben  konnte.  Wie  mit 
einem  Schlage  war  der  Ductus  choledochus  permeabel  geworden  und  entsprechend 
der  Beobachtung,  die  ich  schon  früher  gemacht  hatte , dass  die  Existenz  einer 
äusseren  Gallenblasenfistel  an  und  für  sich  den  Abfluss  der  Galle  in  den  Darm 
nicht  hindert,  wenn  nach  dieser  Seite  zu  kein  mechanisches  Hindernis  vorhanden 
ist,  hatte  der  Ausfluss  der  Galle  nach  aussen  in  dem  ^Momente  ebenfalls  auf- 


Zur  Chirurgie  der  Galleiiwege. 


487 


gehört,  trotzdem  das  Draiiirohr  nocdi  iu  der  Gallen]>lase  steckte  und  das  Sekret 
friilier  trotz  aller  Bemühungen  es  zurückzuhalten,  neben  dem  Drain  hatte  pas- 
sieren können.  Das  Rohr  wurde  nun  definitiv  entfernt  und  die  Fistel  mit  Heft- 
pflaster überklebt;  sie  entleerte  noch  einige  Tage  hindurch  wenig  serös-eitrige 
Flüssigkeit  ohne  Spur  von  Galle,  dann  schloss  sie  sich  definitiv.  Dass  die  Per- 
meabilität des  I).  choledochus  nicht  durch  die  Elimination  eines  Konkrementes 
herbeigeführt  wurde,  kann  ich  zum  mimlesten  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit 
aussagen;  im  Verljande  und  beim  Ausspülen  der  Gallenblase  hatte  ich  Nichts 
gefunden  und  die  Faeces  waren  zu  der  betreffenden  Zeit  nicht  nur  wie  gewöhn- 
lich in  Wasser  aufgelöst  und  untersucht,  sondern  ausserdem  noch  durch  ein 
Sieb  passiert  worden.  Schmerzen,  welche  man  etwa  auf  den  Durchtritt  eines 
Konkrementes  durch  die  Papille  hätte  beziehen  können,  waren  ül>erhaupt  nicht 
vorhanden  gewesen. 

Ueber  den  ferneren  Verlauf  des  Falles  ist  wenig  zu  sagen ; der  Mann  be- 
fand sich,  nachdem  er  von  seiner  Cholelithiasis  befreit  war,  ausserordentlich 
wohl ; er  verlor  den  gelblichen  Teint,  den  er  früher  stets  gehabt  hatte,  seine 
Verdauungs-  und  Stuhlbeschwerden  waren  verschwunden,  er  konnte  wieder  reiten, 
was  ihm  vor  seinem  letzten  Kolikanfalle  nicht  mehr  möglich  gewesen  war  — 
kurz,  er  war  förmlich  verjüngt.  Während  des  nächsten  Sommers  ging  er,  mehr 
zur  Erholung  als  wegen  irgend  welcher  Beschwerden,  für  ein  paar  Wochen  nach 
Vichy.  Seit  der  Oi^eration  bis  zum  heutigen  Tage  ist  er  von  allen  Symptomen 
einer  Leber-  oder  Gallenaffektion  frei  gel)liel)on. 

o.  Cholelithiasis  mit  Icterus.  C h o 1 ecys  t o t o m i e.  Tod. 

Mann  von  (!4  Jaliren,  gut  genährt,  hat  früher  niemals  an  Gallenkoliken 
noch  an  Icterus  gelitten ; vor  circa  G Monaten  erlitt  er  einen  apoplektischen  An- 
fall mit  hall)seitiger  Lähmung  des  Körpers,  welche  jedoch  teilweise  zurückging, 
so  dass  der  Patient,  wenn  auch  mit  einiger  iNIühe,  auf  einen  Stock  gestützt  gehen 
konnte ; die  Sprache  blieb  etwas  schwerfällig.  Vor  sechs  Wochen  trat  nach 
einem  Ifiätfehler  unter  den  Symptomen  eines  akuten  Gastrointestinalkatarrhes 
Icterus  auf , ohne  dass  Kolikschmerzen  vorhanden  gewesen  wären ; die  Faeces 
waren  vollkommen  entfärlfi  und  l^lieben  es  auch  fernerhin.  Trotz  entsprechender 
Behandlung  besserte  sich  der  Zustand  nicht;  der  Icterus  wurde  dunkler,  die 
lieber  war  nach  Angabe  des  Arztes  stark  angeschwollen ; nebstdem  dauerten  die 
^Verdauungsstörungen  fort;  der  alte  Mann  konnte  wegen  des  intensiven  Haut- 
juckens nicht  schlafen  und  kam,  obwohl  er  keine  eigentlichen  Schmerzen  litt, 
<ladurch  sehr  herunter.  Als  ich  den  Patienten  zum  erstenmale  sah,  war  er  be- 
reits ziemlich  abgemagert,  die  Hautfarbe  tief  gelbbraun,  Bauchdecken  schlaff, 
Bauch  etwas  aufgetrieben,  besonders  nach  oben  zu;  die  Dämpfung  der  Leber  ragt 
mindestens  eine  Handbreite  über  den  Rippenbogen  nach  abwärts,  ihr  stumpfer 
Rand  ist  deutlich  zu  tasten,  doch  fühlt  man  Nichts  von  der  Gallenblase  noch 
von  einem  Steine.  Die  Arterien  an  den  p]xtremitäten  rigid,  geschlängelt.  Puls 
etwas  unregelmässig,  Herzdämpfung  vergrössert,  kein  Geräusch  wahrnehmbar; 
etwas  Bronchialkatarrh.  Diagnose : G a 1 1 e n r e t e n t i o n,  w a h r s c h e i n 1 i c h d u r c h 
einen  Stein,  der  gleichzeitig  den  D.  cysticus  und  den  D.  choledochus 
verlegt.  Der  Patient  verlangt  dringend  die  Operation,  und  da  ein  längeres 
Zuwarten  ohne  Zweifel  zu  einem  ungünstigen  Ausgange  führen  musste,  entschloss 
ich  mich  zu  derselben,  trotz  seines  Alters,  der  Atheromatose  der  Gefässe  und  trotz 
des  früheren  apoplektischen  Anfalles. 

Operation.  Am  27.  Oktober  1800  wurde  nach  gründlicher  Entleerung  des 


488 


A.  von  Winiwarter. 


Darmes  die  Bauchiiöhle  durch  den  typischen  Längssclinitt  wie  gewöhnlich  eröffnet. 

Die  Leber  ist  stark  vergrössert,  dunkelbraunrot  gefärbt,  sie  ragt  mehr  als  hand- 
breit über  den  Kippenbogen  nach  abwärts  und  ist  mit  dem  Colon  transversum  ' 
verwachsen;  ihr  Rand  ist  stumpf.  Nachdem  die  Adhäsionen  unterbunden  und 
getrennt  sind,  wird  sie  nach  aufwärts  gewälzt  und  es  erscheint  an  ihrer  unteren 
Fläche  die  Gallenblase,  vollkommen  geschrumpft,  einer  weissen  Schwiele  ähnlich; 
ihre  Kuppe  ist  vom  vorderen  Rande  der  Leber  mindestens  5 Centimeter  weit 
entfernt.  Im  Innern  fühlt  man  einen  anscheinend  nussgrossen  Stein.  Es  wird 
nun  zunächst  der  Scheitel  der  Gallenblase  mittels  des  Thermokauters  von  der 
unteren  Fläche  der  Leber  losgelöst ; trotzdem  dies  mit  grosser  Vorsicht  und  sein- 
langsam  geschieht,  reisst  doch  die  schwielige  Gallenblasenwand  ein.  Es  entleert 
sich  weder  Galle  noch  Schleim , die  Innenfläche  der  Blase  ist  ganz  trocken, 
schmutzig  schwarzbraun  gefärbt,  die  ganze  verdickte  Wandung  in  eine  starre, 
brüchige,  schalige  Masse  verwandelt,  welche  einigermassen  an  den  Balg  eines 
voluminösen  Atheroms  erinnert.  Die  eingerissene  Oeffnung  wird  daher  sofort  er- 
weitert und  der  wallnussgrosse,  rundliche,  mit  einem  conischen  Fortsatze  in  den  • 

D.  cysticus  reichende  Stein  mit  einiger  IMühe  extrahiert.  Es  entleert  sich  keine  ' , 
Galle,  die  injizierte  Kochsalzlösung  fliesst  klar  ab  und  spült  nur  ein  i)aar  schwärz- 
liche, blättrige  Konkremente  heraus,  welche  der  Innenfläche  der  Gallenblase  ad- 
härierten.  Die  entleerte  Blase  fällt  nicht  zusammen,  ihre  Schleimhaut  ist  in  der 
schwieligen  Wand  untergegangen.  Ich  suchte  nun  nach  einem  etwa  vorhandenen 
zweiten  Steine.  Die  ganze  Umgebung  der  Gallenblase,  der  D.  cysticus  und  D. 
hepaticus,  sowie  ihre  Fortsetzung  in  den  D.  choledochus  war  in  dicke,  harte, 
schwielige  Massen  eingeschlossen  und  mit  den  Nachbarorganen  verwachsen,  so 
dass  ich  einen  Augenblick  an  die  Existenz  eines  Tumors  dachte,  doch  konnte 
ich  weder  in  der  Leber  noch  im  Magen  und  im  Darm  eine  Geschwulst  fühlen. 
Durch  diese  peritonealen  Schwielen  wurde  jedoch  das  Tasten  eines  Steines  von 
geringem  Volumen  aiisserordentlich  erschwert  und  ich  versuchte  es  daher,  mit 
einer  Steinsonde  von  der  Gallenblasenöffnung  aus  gegen  den  Choledochus  vor- 
zudringen. Aber  auch  hier  spürte  ich  Nichts  als  die  rauhe  Wandung  der  Gallenwege. 

Die  schwieligen  Verdickungen,  in  denen  der  D.  choledochus  eingebettc-t  ' 
war,  liessen  die  Annahme  einer  Kompression  oder  Knickung  desselben  als  Ur-  , 
Sache  der  Gallenretention  als  möglich  erscheinen,  umsomehr  als  der  Patient  nie-  ,, 
mals  Gallensteinkoliken  gehabt  hatte  und  der  grosse  Stein  in  der  Blase  offenbar  { 
schon  seit  langer  Zeit  bestanden  haben  musste,  ohne  sich  von  der  Stelle  rühren  ^ 
zu  können.  Wenn  nun  der  Eintritt  der  Galle  in  den  D.  cysticus  verlegt  und  ^ 
andererseits  der  D.  choledochus  durch  die  Schwielen  verengert  und  vielleicht  f 
auch  verzogen  war,  so  bedurfte  es  nur  einer  geringen  Anschwellung  der  Schleim-  f 
haut,  um  die  Gallenreteution  in  der  Leber  zu  erklären.  I 

Ich  hätte  in  Berücksichtigung  aller  dieser  Umstände  am  liebsten  die  Cholc- 
cystenterostomie  ausgeführt,  allein  schon  die  ersten  Stiche,  die  ich  applizierte, 
um  den  Dünndarm  mit  der  Gallenblase  zu  vereinigen,  schnitten  die  schwielige 
Wandung  der  letzteren  durch,  so  dass  von  einer  sicheren  Nahtanlegung  nicht 
die  Rede  sein  konnte.  Andererseits  war  es  aber  ganz  unmöglich,  die  Ränder  der 
Gallenl)lasenöffnung  an  den  Rand  der  Bauchwuude  heranzubringen,  denn  die 
Gallenblase  war  dazu  viel  zu  kurz  und  die  Leber  viel  zu  voluminös.  Die  ganze 
bis  jetzt  beschriebene  0])eration  hatte  deshalb  im  Innern  der  Bauchhöhle  durch- 
geführt werden  müssen,  denn  die  Leber  hatte  sich  nicht  herausheben  lassen. 

Ich  musste  also  auch  von  der  Anlegung  einer  äusseren  Gallenblasenfistel  Abstand  ; 
nehmen.  Die  Vernähung  der  Gallenblasenincision  allein  schien  mir  nicht  sicher  | 


Zur  Cliirurgie  der  Gallenwege. 


489 


genug,  weil  die  Rilnder  derselben  schon  früher  durch  die  Versuche,  Nähte  an- 
zulegen, vielfach  ausgerissen  waren;  ich  entschloss  mich  daher  dieselben  ganz 
abzutragen,  dann  löste  ich  die  Gallenldasenwand  in  der  Nähe  des  Halses  von 
der  Leber  los,  so  dass  ich  wie  bei  der  Ligatur  eines  Gefässes  in  der  Kontinuität 
einen  Faden  unter  dem  Halse  durchziehen  konnte,  worauf  mit  Vorsicht  die  Unter- 
bindung ausgeführt  wurde.  Glücklicherweise  schnitt  der  Faden  nicht  durch. 
Jetzt  stülpte  ich  die  Ränder  der  angefrischten  Gallenblasenincision  nacli  einwärts 
und  vernähte  sie  mit  einem  feinen  Faden,  so  dass  peripherwärts  von  der  Ligatur 
die  Gallenblase  gewissermassen  in  einen  soliden  Stumpf  verwandelt  wurde,  dessen 
Ernährung  durch  die  noch  bestehende  Verwachsung  mit  der  unteren  Fläche  der 
Leber  gesichert  schien.  Dieser  Teil  der  Operation  war  ziemlich  mühsam,  weil 
ich  in  gi’osser  Tiefe  und  in  einem  sehr  beschränkten  Raume  arbeiten  musste. 
Ich  will  gleich  hier  bemerken,  obschon  ich  auf  diesen  Punkt  noch  zurückkommen 
werde,  dass  ich  den  vollständigen  Verschluss  der  Gallenblase  in  diesem  Falle 
als  einen  Fehler  betrachte,  den  ich  heute  nicht  mehr  begehen  würde.  Es  wurde 
nun  die  eingestopfte  Gaze  entfernt  und  eine  Irrigation  des  ganzen  Terrains  mit 
warmer  Kochsalzlösung  (7  : lOUO)  vorgenommen,  dann  das  Peritoneum  parietale 
der  Bauchwunde  zunächst  vom  unteren  AVundwinkel  aus  vereinigt.  Wie  schon 
erwähnt,  war  es  ganz  und  gar  unmöglich,  den  Gallenblasenstumpf  mit  der  vor- 
deren Bauchwand  in  Kontakt  zu  bringen ; ich  tamponierte  daher  durch  einen 
langen  Gazestreifen  den  ganzen  Raum  von  der  Gallenblase  aus  bis  zur  Bauch- 
wunde und  vernähte  dann  den  Rest  der  letzteren  in  gewöhnlicher  Weise.  Meine 
Absicht  war,  durch  die  Tamponade  den  üblen  Folgen  einer  möglichen  Perforation 
vorzubeugen,  andererseits  aber  die  Möglichkeit  zu  behalten,  später,  wenn  die 
Gallenstauung  nicht  behoben  sein  sollte,  eine  äussere  Gallenfistel  anzulegen.  — 
Keine  Reaktion  nach  der  Operation,  der  Patient  hat  nicht  einmal  erbrochen;  er 
fühlt  sich  am  Abend  ganz  wohl. 

27.  Oktober.  Nacht  war  ruhig.  Keine  Reaktion ; keine  Schmerzen ; Patient 
hat  reichlich  Harn  entleert,  der  bereits  viel  heller  ist,  auch  sind  Gase  abgegangen. 
Verband  in  gutem  Zustande.  -Vm  28.  Oktober  Morgens,  Allgemeinbefinden  gut. 
Da  der  Patient  Stuhldrang  verspürt,  wird  ein  Klysma  appliciert,  worauf  eine 
copiöse  Entleerung  erfolgt,  welche  bereits  Galle  enthält.  Es  schien  somit  der 
Zweck  der  Operation  erreicht  zu  sein.  Nachmittags  klagte  der  Patient  über  leichte 
kolikartige  Schmerzen,  die  jedoch  bald  nach  ein  paar  Tropfen  Tinctura  opii  ver- 
schwanden. Temperatur  Abends  38,4,  Puls  wie  vor  der  Operation  etwas  un- 
regelmässig, 88  Schläge  in  der  Minute.  Bauch  nicht  aufgetrieben,  nicht  schmerz- 
haft. Abends  befand  sich  der  Patient  wohl  und  schlief  ruhig  ein ; nach  Angabe 
der  Wärterin  auch  während  der  Nacht  ruhiger  Schlaf.  Des  iMorgens  (29.  Oktol)er) 
findet  man  den  iMann  in  einem  comatösen  Zustand,  tief,  stertorös  atmend; 
Temperatur  37,(),  kein  Schweiss  im  Gesicht,  keine  Kälte  der  schlaffen  Extremitäten. 
Puls  wie  gestern,  stark  und  voll.  Der  Verband  wird  entfernt.  Längs  des  in  die 
Bauchböhle  eingeführten  Gazestreifens  ist  etwas  rötliche  Flüssigkeit  ausgesickert, 
die  Tampons  sind  nicht  von  Galle  imbibiert.  Bauch  weich,  nicht  aufgetrieben, 
auf  Druck  anscheinend  nicht  .schmerzhaft.  Trotz  In  jektionen  von  Aether,  Kampher- 
öl,  Coffein  u.  s.  w.  tritt  gegen  ^littag  der  Tod  ein , ohne  dass  das  Bewusstsein 
wiedergekehrt  wäre. 

Bei  der  Sektion  konnte  nur  die  Brust-  und  Bauchhöhle,  nicht  aber  das 
Gehirn  untersucht  werden:  das  Herz  war  stark  vergrössert,  mit  Fett  bewachsen, 
sein  Fleisch  fettig  degeneriert;  die  grossen  Gefässe  überall  atheromatös.  Lungen 
emphysematös,  in  den  Bronchien  schleimiges  Sekret.  In  der  Bauchhöhle  zeigten 


490 


A.  von  Winiwarter. 


sich  rings  uni  den  Gazestreit'en  frische  peritoneale  Adhäsionen,  velche  den 
Tampons  fest  anhaften ; letztere  sind  von  derselben  etwas  rötlichen  Flüssigkeit 
imhibiert,  die  auch  in  den  Verband  ansgesickert  war,  absolut  geruchlos.  Die  Um- 
gebung der  Gallenblase  ist  nicht  gallig  imhibiert,  die  Nähte  der  Blase  schliessen 
fest,  die  Wunde  ist  vollständig  verklebt.  Das  Peritoneum  der  Bauchhöhle  von  nor- 
malem Aussehen.  Keine  Spur  von  Peritonitis.  Milz  von  normaler,  braunroter  Farbe 
und  Konsistenz,  nicht  angeschwollen.  Nieren  etwas  geschrumpft,  sonst  normal. 

Nach  den  Ergebnissen  der  Sektion  war  die  Ursache  des  plötzlichen  Todes 
eigentlich  nicht  aufgeklärt ; ich  dachte  an  einen  neuen  apoplektischen  Anfall, 
welcher  durch  die  Gallenretention  im  Organismus  begünstigt  sein  konnte;  an- 
dererseits konnte,  trotzdem  keine  INIilzschwellung  vorhanden  war,  wie  bei  allen 
derartigen  Fällen,  denn  doch  die  Snpposition  einer  ganz  akuten  Sepsis,  ohne 
Peritonitis,  nicht  absolut  widerlegt  werden;  jedenfalls  liess,  als  ich  den  Patienten 
zum  letztenmale  sah,  Nichts  einen  derartigen  Zustand  vermuten. 

Die  Untersuchung  des  aus  der  Bauchhöhle  entnommenen  Präparates  ergab 
Folgendes:  Die  Leber  war  sehr  blutreich,  derb,  gelbbraun  gefärbt,  fetthaltig 
(mässiger  Grad  von  cirrhotischer  Fettleber) ; die  Gallenblase  zeigte  an  ihrem  Hals- 
teile lind  bis  in  ilen  D.  cysticus  hinein  sich  fortsetzend  eine  Erweiterung,  ent- 
sprechend dem  extrahierten  Steine ; beim  Aufschneiden  des  D.  cvsticus  fand  sich 
noch  ein  zweiter  Stein  vor,  welcher  vollkommen  kugelrund  und  glatt,  von  der 
Grösse  einer  starken  Erbse  war  und  gerade  dort  lag,  wo  der  D.  hepaticus  und 
der  D.  cysticus  zusammenstossen  ; er  steckte  in  einer  divertikelartigen  Erweiterung 
des  D.  hepaticus,  welche  wie  eine  Nische  in  die  Lebersubstanz  eingebettet  war,  so  dass 
man  den  Stein  von  aussen  nicht  fühlen  konnte,  während  eine  von  der  Gallen- 
blase aus  eingeführte  Sonde  ihn  in  seine  Nische  zurückschob  und  höchstens 
seine  Oberfläche  streifte,  ohne  jedoch  aufgehalten  zu  werden.  Der  Stein  ver- 
stopfte auch  den  Ductus  choledochus  nicht,  welcher  in  seinem  ganzen  Verlaufe 
fast  so  weit  war,  dass  er  den  kleinen  Finger  aufnehmen  konnte ; er  hätte  auch, 
nachdem  der  grosse  Stein  entfernt  war,  leicht  aus  seiner  Nische  heraustreten 
können  und  wäre  wahrscheinlich  in  den  Darm  hinübergedrängt  worden. 

Der  Ductus  hepaticus  enthielt  Galle,  ebenso  der  D.  choledochus,  und  auch 
im  Darme  war  gallig  gefärbter  Inhalt  vorhanden.  Der  Mechanismus  der  Obstruk- 
tion war  auf  das  deutlichste  aus  dem  Präparate  zu  erkennen  und  sehr  inter- 
essant. Der  kleine  runde  Stein  lag,  wie  schon  erwähnt,  in  einer  nischenförmigen 
Ausbuchtung  der  Wandung  der  Gallenwege  und  zwar  so,  dass  die  IMündung  des 
1).  hepaticus  sich  am  tiefsten  Punkte  der  Nische  befand  und  der  Stein,  der  genau 
in  die  Nische  hineinpasste,  absolut  wie  ein  Kugelventil  die  IMündung  des  1).  he- 
paticus verlegte,  wenn  er  an  die  Wandung  angedrückt  wurde,  während  er,  wenn 
dies  nicht  geschah,  den  Austritt  von  Flüssigkeit  aus  dem  D.  heiiaticus  gestattete, 
ohne  deshalb  aus  seiner  Nische  herausgedi'ängt  zu  werden.  Ich  denke  mir  nun 
die  Sache  folgendermassen : Der  grosse  Stein  musste  seit  langer  Zeit  in  dem 
Halsteile  der  Gallenblase  gesteckt  und  den  Ueliertritt  von  Galle  in  die  Blase 
verhindert  halien,  worauf  deren  Wandung  allmählich  schrumpfte  und  sich  dem 
Stein  anlegte ; später  musste  sich  der  zweite  kleinere  Stein  gebildet  haben  an 
der  Erweiterung,  welche  der  Vereinigung  des  D.  hepaticus  und  des  D.  cysticus 
entsprach.  Oö'enliar  hatte  derselbe  eine  gewisse  Beweglichkeit,  er  störte  den 
Uebertritt  der  Galle  nicht,  l)is  zu  dem  IMomente,  wo  er  ohne  Kolikanfall,  nicht 
in  den  Ductus  choledochus  geschoben,  sondern  in  seine  Nische  zurückgedrängt 
und  der  Mündung  des  D.  heiiaticus  gewissermassen  aufgedrückt  wurde  (wie  ein 
Kugelventil,  nach  dem  früher  gebrauchten  Vei’gleiche).  Der  Druck  kann  aller- 


Zur  Chirurgie  der  Gallenwege. 


491 


dings  zunächst  durch  die  angeschwollene  Schleimhaut  der  Umgebung  ausgeübt 
worden  sein,  denn  es  bestand  ja  im  Beginne  ein  akuter  Gastrointestinalkatarrh, 
aber  wahrscheinlicher  ist  es  mir,  dass  es  der  in  den  I).  cysticus  hineinreichende 
Fortsatz  des  grossen  Gallenblasensteines  war,  der  sich  allmählich  vergrössert 
hatte  und  endlich  den  beweglichen  runden  Stein  berührte,  in  die  Nische  zurück- 
drückte und  daselbst  fixierte.  Ich  schliesse  das  aus  dem  Umstande,  dass  man 
nach  Extraktion  des  grossen  Steines  aus  der  Gallenblase  zunächst  keine  Galle 
zu  Gesicht  bekam,  dass  jedoch  bereits  nach  48  Stunden  gallige  Faeces  entleert 
wurden;  die  Gegenwart  des  kleinen  Steines  allein  war  demnach  kein  Hindernis 
für  die  Entleerung  der  Galle,  von  dem  Momente  an,  als  er  nicht  mehr  als  Ventil 
wirkte;  tlie  Galle  konnte  zwischen  ihm  und  der  Wandung  der  Nische  aus  dem  D.  liei^ati- 
cus  austreten  und  sich  durch  den  weiten  1).  choledochus  in  den  Darm  entleeren. 

Es  lässt  sich  selbstverständlich  nicht  mit  Bestimmtheit  sagen,  wie  sich 
die  Dinge  gestaltet  haben  würden,  wenn  der  Patient  nach  der  Operation  weiter- 
gelebt und  die  Ligatur  und  Naht,  wie  zu  vermuten,  gehalten  hätten.  Der  kleine 
Stein  hätte  zweifellos  durch  den  erweiterten  D.  choledochus  ohne  grosse  Schwierig- 
keit in  den  Darm  gelangen  können ; wäre  er  aber  an  Ort  und  Stelle  liegen  ge- 
blieben und  allmählich  grösser  geworden , so  musste  er  neuerdings  Verstopfung 
des  D.  hepaticus  und  zugleich  Impermeabilität  des  D.  choledochus  hervorrufen, 
mit  absoluter  Retention  der  Galle  in  der  Leber.  Durch  die  Operation,  welche 
ja  den  grösseren  Teil  der  Gallenblase  supprimiert  hatte,  wären  die  Raumverhält- 
nisse kaum  ungünstiger  gestaltet  worden,  denn  das  was  früher  Gallenblase  ge- 
wesen, war  ja  schon  seit  langer  Zeit  nicht  mehr  fähig  als  Reservoir  zu  dienen. 
Jedenfalls  aber  hätte  ich  nicht  nähen,  sondern  die  Drainage  der  Gallenblase  nach 
aussen  einleiten  sollen,  wie  es  später  gezeigt  werden  wird.  Der  Fall  beweist 
jedoch  meines  Erachtens  neuerdings  ein  sehr  wichtiges  Faktum,  nämlich  dass 
sich  Gallensteine  nicht  nur  innerhalb  der  Gallenblase,  sondern,  wenn  dieselbe 
für  die  Galle  nicht  mehr  zugänglich  ist,  auch  innerhalb  der  abfülirenden  Gallen- 
wege bilden  können,  respektive,  dass  kleine  Konkremente,  aus  dem  intrahepa- 
tischen Teile  der  Gallenwege  stammend,  in  den  D.  hepaticus  oder  choledochus 
gelangen,  und  sich  daselbst  vergrössern  können.  Ausserdem  kann  man  aus 
diesem  Falle  entnehmen,  wie  kompliziert  die  Verhältnisse  zuweilen  sind,  welche 
man  durch  den  einfachen  Befund  eines  in  der  Gallenblase  eingeschlossenen 
Steines  aufgeklärt  zu  haben  glaubt,  und  wie  schwer  es  ist,  im  ^lomente  der 
Operation  diese  Verhältnisse  vollkommen  zu  übersehen. 

4.  Cholelithiasis  mit  Icterus.  Cliolecystostomie. 

T o d a n I'i  r s c h ö p f u n g. 

Patientin,  eine  4(3 jährige  Frau,  empfand  vor  2 Jahren  zum  erstenmale 
Verdauungsstörungen,  Gefühl  von  Druck,  zuweilen  auch  Schmerzen  in  der  Magen- 
gegend. Vor  einem  Jahre  wurde  sie  nach  einem  Anfalle  von  Gallensteinkolik 
von  intensivem  Icterus  befallen,  welcher  nach  einiger  Zeit  verschwand,  um 
v3  Monate  später  in  derselben  AVeise  wiederzukehren ; auch  dieses  Alal  dauerte 
er  nicht  sein-  lange;  die  Patientin  erholte  sich  und  schien  ganz  wohl,  als  im 
Jänner  dieses  Jahres  (vor  5 Alonat('n)  unter  gastrointestinalen  Symptomen  neuer- 
dings Icterus  auftrat,  dieses  Alal  jedoch  ohne  Schmerzen.  In  den  Faeces 
fanden  sich  zu  dieser  Zeit  einige  kleine  Gallensteinkonkremente.  Unter  dem 
Einflüsse  einer  entsprechenden  J3eliandlung  besserte  sich  zwar  der  Allgemein- 
zustand  einigermassen,  der  Appetit  kehrte  zurück,  die  Hautfarbe  wurde  etwas 
lichter,  die  Harnsekretion  reichlicher,  der  Harn  weniger  dunkel,  allein  die  Faeces 


492 


A.  von  Winiwarter. 


blieben  grau,  thonartig,  obsehon  zuweilen  an  ihrer  Oberfläche  etwas  Galle  zu 
sehen  war.  Patientin  wurde  am  14.  ^lai  zur  Erholung  aufs  Land  geschickt ; vier 
Tage  später  empfand  sie  heftige  Schmerzen  in  der  rechten  Schulter ; dabei  stieg 
die  Temperatur  bis  auf  39"  \md  40"  an,  mit  geringen  Remissionen  des  Morgens, 
und  in  diesem  fieberhaften  Zustande  magerte  die  Kranke  rasch  ab  und  verfiel 
mehr  und  mehr.  Seitdem  hat  sich  ihr  Zustand  fortwährend  verschlechtert;  die 
Gallenretention  war  eine  vollkommene,  die  Hautfärbung  nahm  einen  braungrünen 
Teint  an;  Ekel  vor  jeder  Nahrung,  Verdauungs-  und  Stuhlbeschwerden,  dabei 
Schmerzen  in  der  Leber-  und  Magengegend  und  in  der  rechten  Schulter  und  eine 
kontinuierliche  febrile  Reaktion,  mit  abendlichen  Exacerbationen.  Am  auffallend-  ] 
sten  aber  war  eine  unzw'eifelhafte  Benommenheit  des  Sensoriums,  sozusagen 
eine  Verdämmerung  der  Intelligenz,  welche  auch  mir,  als  ich  die  Patientin  zum 
erstenmale  sah,  sofort  auffiel.  Sie  war  nicht  etwa  in  ihrem  Denkvermögen  gestört: 
im  Gegenteil,  sie  begriff  vollkommen,  als  man  ihr  sagte,  dass  eine  Operation 
notwendig  sei,  um  sie  gesund  zu  machen  u.  s.  w.  — dabei  aber  bewahrten  ihre 
Gesichtszüge  eine  maskenartige  Unbeweglichkeit,  sie  sprach  Nichts,  als  die  not- 
wendigsten AVorte,  und  lag  ruhig,  teilnahmslos,  init  offenen  Augen  den  ganzen  Tag 
da,  ohne  zu  klagen,  ohne  je  nach  ihrer  Familie,  nach  ihrem  Haushalte  zu  fragen  — 
kiirz,  sie  machte  den  Eindruck  einer  durch  ein  Narcoticum  halb  betäubten  Person. 

Bei  der  Untersuchung  am  8.  Juni  fand  ich  bei  der  stark  abgemagerten, 
kleinen,  schwächlichen  Frau,  von  tieficterischem , olivenfarbigem  Kolorit  die  Or- 
gane der  Brusthöhle  normal.  Puls  regelmässig,  100  Schläge  in  der  Minute  zeigend, 
die  Leberdämpfung  etwas  vergrössert ; man  fühlt  Aveder  den  festen  Rand  der 
Leber  noch  die  Gallenblase,  Druck  auf  das  rechte  Hypochondrium  nicht  empfind- 
lich. Faeces  vollständig  entfärbt,  Harn  dunkelgrünbraun,  nicht  eiweisshaltig.  Ich 
stellte  die  Diagnose  auf  Obstruktion  des  D.  choledochus  durch  einen  Stein,  der 
früher  von  Zeit  zu  Zeit  neben  sich  Galle  und  Fragmente  eines  oder  mehrerer  Gallen- 
blasensteine vorbeipassieren  liess,  also  auf  die  AuAvesenheit  A"on  mindestens 
zAvei,  wahrscheinlich  aber  mehreren  Steinen.  Es  konnte  in  diesem  Falle 
keinem  ZAveifel  unterliegen , dass  ein  operatiA'er  Eingriff  nur  mehr  sehr  geringe 
Chancen  bot,  die  marastische,  schwer  cholämische  Frau  zu  retten  — andererseits 
Avar  bei  längerem  Zuwarten  der  letale  Ausgang  mit  Sicherheit,  und  zAvar  in  der 
kürzesten  Zeit  zu  erAvarten.  Ich  konnte  der  A’erständigen  Familie  der  Kranken, 
welcher  auch  ein  Kollege  angehörte,  die  Sachlage  A'ollkommen  klar  machen  und 
die  Operation  winxle  als  remedium  ultimum,  A'alde  anceps  beschlossen. 

Operation.  Am  11.  Juni  eröffneteich  bei  der  durch  wenige  Tropfen  Chloro- 
form betäubten  Patientin  die  Bauchhöhle  durch  einen  Schnitt  am  äusseren  Rande 
des  r.  Rectus  abdominis,  vom  Rippenbogen  bis  unterhalb  des  Niveaus  des  Nabels. 

Die  Leber  ragt  drei  Finger  breit  über  den  Rand  des  Rippenbogens  heiwor ; sie 
ist  blauschwarz  gefärbt,  sehr  derb.  In  der  Einkerbung  zwischen  beiden  Leber- 
lappen ist  die  Kuppe  der  Gallenblase  eben  sichtbar;  das  Netz  ist  an  dieser  Stelle 
ädhärent,  das  Leberparenchym  etAvas  narbig  eingezogen.  Nach  Abbindung  und 
Trennung  der  Adhäsionen  jAräsentiert  sich  die  Gallenblase  als  ein  kaum  daumen- 
dicker, gelblicliAveisser,  scliAvieliger , fibröser  Körper,  der  anscheinend  gar  keine 
Höhle  enthält,  und  sich  in  einen  dicken,  fibrösen  Strang  fortsetzt,  in  dem  nirgends 
Steine  zu  fühlen  sind.  Am  Scheitel  der  Gallenblase  schimmert  ein  kleines  gelb- 
liches Konkrement  durch,  Avelches  gleichsam  in  die  Schleimhaut  eingebettet  zu 
sein  scheint.  Die  Gallenblase  AA'ird  mit  ihrer  Kuppe  A'on  der  Leber  losgelöst  und 
zunächst  an  die  Ränder  des  Peritoneums  parietale  der  A'orderen  Bauchwand  an- 
geheftet, dann  wird  die  Umgebung  mit  Gazestreifen  tamponiert  und  nun  die 


Zur  Chirurgie  der  Galleiiwege. 


493 


Blase  eröffnet.  Es  entleert  sich  zunächst  gar  keine  Flüssigkeit ; die  incidierte 
Wandung  ist  viel  dicker  als  der  Querdurchmesser  des  Lumen,  fibrös,  fast  sehnig. 
Eine  geschlossene  Pince  hemostatique  lässt  sich  gerade  in  das  enge  Cavum  ein- 
führon,  und  nachdem  dasselbe  durch  Entfernen  der  Branchen  voneinander  er- 
weitert worden  w^ar,  kommen  einige  kleine,  facettierte,  dunkelbraune  Steine  zum 
Vorschein,  alle  von  annähernd  gleichem  Volumen  wie  starke  Schrotkörner,  dann 
nach  Injektion  von  warmer  Kochsalzlösung  zeigt  sich  eine  dicke,  weissgrüne, 
schleimige,  fast  wie  Eiter  aussehende  Flüssigkeit,  dann  schwärzliche  Massen  von 
gallig  gefärbtem  Schleim  und  in  demselben  eingescldossen  eine  grosse  Zahl  (ül)er 
100)  kleiner,  facettierter,  auf  der  Kochsalzlösung  schwimmender  Steine,  von 
welchen  die  grössten  das  Volumen  einer  Kaffeebohne  erreichen,  während  die 
kleinsten  hanfkorngross  sind.  Alle  diese  Steine  steckten  nicht  in  der  Gallenblase, 
sondern  im  I).  cysticus  und  im  D.  choledochus,  vielleicht  auch  im  D.  hepatictis. 
Trotz  wiederholten,  länger  dauernden  Ausspülens  kommen  immer  wieder  neue 
Steine  zum  Vorschein  und  neben  denselben  schliesslich  auch  rötlich  gelbe,  klare 
Galle.  Nachdem  vorläufig  keine  Steine  mehr  durch  die  Injektion  herausgespült 
werden,  wird  die  Oeffnung  der  Gallenblase  ringsum  mit  dem  Peritoneum  parietale 
der  Bauchwunde  vernäht,  der  Rest  der  Laparotomie  wird  in  typischer  Weise 
durch  Etagennähte  geschlossen,  ein  Drain  in  die  Gallenblase  eingeführt,  welches 
durch  den  Verband  nach  aussen  geleitet  wird.  Rings  um  dasselbe  wird  der 
Raum  zwischen  den  nicht  vereinigten  Hauträndern  um  die  Fistet  mit  Gazestreifen 
tamponiert.  Durch  das  Drainrohr  fliesst  sofort  schleimige , gallig  gefärbte 
Flüssigkeit  aus.  — Die  Blutung  während  der  Operation  war  verhältnismässig 
bedeutend  gewiesen,  obwohl  kein  einziges  grösseres  Gefäss  gespritzt  hatte.  Der 
Verband  wurde  in  der  gewöhnlichen  Weise  angelegt : Krüllgaze,  dann  2 Kissen 

mit  getheertem  8ägemehl  gefüllt,  Brunssche  Watte,  das  Ganze  fixiert  und  kom- 
primiert durch  eine  Calicotbinde,  über  welche  noch  einige  Touren  einer  Organtin- 
(gestärkten  Gaze)-Binde  appliciert  wurden. 

Die  Patientin  fühlte  sich,  nachdem  sie  aus  der  Narkose  envacht  w'ar,  ziem- 
lich wohl,  sie  erbrach  einigemale  im  Laufe  des  Nachmittags  unter  bedeutenden 
Anstrengungen.  Abends  als  der  behandelnde  Arzt  sie  besuchte,  sah  er,  dass 
etwas  Blut  unter  dem  Verbände  hervorgesickert  war:  er  entfernte  denselben  so- 
foid  und  fand  das  Operationsgebiet  von  einem  grossen  Blutcoagulum  bedeckt. 
Nach  Wegräumung  desselben  zeigt  sich  eine  wdnzige  blutende  Arterie  des  Haut- 
randes an  der  Stelle  der  Gallenfistel,  welche  sicher  im  Momente,  als  der  ^^erband 
appliciert  wurde,  nicht  geblutet  hatte.  Das  Gefäss  wird  umstochen,  der  ^'erband 
erneuert.  Keine  febrile  Reaktion,  aus  dem  Drainrohr  ist  etwas  Galle  ausgeflossen. 

12.  Juni.  Subjektives  Befinden  erträglich,  kein  Fieber.  Patientin  hat  gegen 
Morgen  einer  schlaflosen  Nacht  abermals  mehrere  Male  mit  Anstrengung  er- 
brochen. Der  Verband  wird  entfernt,  es  ist  wieder  frisches,  geronnenes  Blut 
darunter  vorhanden.  Dieses  Mal  sickert  das  Blut  aus  einem  Nadelstiche  durch 
die  Flaut  hervor.  Applikation  von  trockener  Liquor  ferri -Baumwolle.  Die 
Blutung  hat  ganz  den  Charakter  der  Hämophilie,  sie  ist  offenbar  bedingt  durch 
den  cholämischen  Zustand  der  Patientin.  Die  Nahrungsaufnahme  per  os  ist 
schwierig  und  ganz  ungenügend,  daher  ernährende  Klystiere  mit  Alkohol.  Die 
Galle  fliesst  sehr  gut  durch  das  Drainrohr  ab,  beim  Auswaschen  der  Gallenblase 
wurden  noch  einige  kleine  Steine  entleert. 

Am  folgenden  Tage  wiederholte  sich  die  Blutung  noch  einmal  wieder  aus 
einem  kleinen  Gefäss  des  Hautrandes,  trotz  aller  Vorsichtsmassregeln  und  trotz- 
dem die  Patientin  nicht  mehr  erbrochen  hat;  sie  steht  jedoch  definitiv  nach 


494 


A.  von  Winiwarter. 


oberfiUchlidier  Verschorfung  der  ganzen,  sehr  kleineii  Wundfläche  durch  den 
Therinocauter.  An  demselben  Tage  erbrach  die  Patientin  schwärzliche  Massen, 
die  unzweifelhaft  Blut  sind,  und  am  darauffolgenden  Morgen  Avurden  auch  mit 
dem  Stuhle  ähnliche  Massen  entleert.  Dabei  besteht  keine  Keaktion,  weder  eine 
lokale  noch  eine  allgemeine,  die  Zunge  ist  belegt  Avie  Amr  der  Operation,  feucht; 
keine  Schmerzen,  AA'eder  spontan  noch  auf  Druck;  Bauch  Aveich,  nicht  ausgedehnt. 
Aber  der  SchAvächezustand  der  Frau  nimmt  in  bedenklicher  Weise  zu,  da  die 
Ernährung  fast  ausschliesslich  per  anum  A’orgenommen  Averden  muss.  Bis  jetzt 
AA’ar  keine  Galle  in  den  Faeces  nacliAveisbar. 

Am  14.  Juni  tritt  anscheinend  ohne  Veranlassung  ein  Anfall  auf , der 
ganz  den  Charakter  eines  eklamptischen  hat,  obschon  der  Harn  keine  Spur  Amu 
Albuinen  enthält,  aus  AA'elchem  die  Patientin  nur  durch  Aether-  und  Kampheröl- 
injektionen  u.  s.  w.  zu  sich  gebracht  AAÜrd.  Nach  demselben  grosse  Prostration, 
Bewusstsein  ungetrübt,  Temperatur  AA^echselnd  zwischen  37  und  37,6.  Beim  Ver- 
bandAA'echsel  kommen  noch  immer  Gallensteine  zum  Vorschein,  Ausfluss  der 
Galle  ungestört.  ( iperationsAVunde  in  A'ollkommen  gutem  Zustande. 

Am  15.  Juni  empfand  die  Patientin  Amrübergehend  Schmerzen  in  der  Leber- 
und Magengegend,  Avelche  nach  ihrer  Aussage  einem  geringfügigen  Kolikanfalle 
gleichen.  Das  Drainrohr  Avird  ganz  entfernt  und  die  Gallenblase  durch  einen 
Flüssigkeitsstrom  ausgespült,  wobei  wieder  einige  Steine  entleert  Averden.  Die  Gallen- 
flstel  Avird  durch  einen  Gazestreifen  locker  tamponiert  und  eine  feuchtAA^arme 
EiuAvickelung  appliciert. 

Unter  zunehmender  Sclnväche  stirbt  die  Patientin  bei  A'ollem  Bewusstsein, 
ohne  zu  leiden,  am  15.  Juni  Abends. 

Die  Sektion  konnte  nicht  gemacht  Averden. 

Der  Fall  ist  ein  trauriges  Beispiel  des  Verlaufes  einer  an  und  für  sich 
gutartigen  Erkrankung,  bei  Avelcher  die  einzig  und  allein  indicierte  operath'e 
Therapie  zu  spät  aufgenommen  worden  Avar.  Hätte  man  sich  sofort  zur  Operation 
entschlossen,  als  die  dauernde  Gallenretention  konstatiert  war,  bevor  sich  bei 
der  durch  das  Fieber  und  die  Schmerzen  erschöpften  Patientin  die  eitrige  Angio- 
cholitis  und  später  die  Cholämie  entwickelt  hatte,  also  zwei  iNIonate  früher,  so 
Aväre  der  Ausgang  höchst  Avahrscheinlich  ein  günstiger  geAvesen.  Der  operative 
Eingriff  hatte  Alles  bewirkt,  Avas  man  überhaupt  Amn  ihm  erAvarten  konnte ; das 
A'or  demselben  Amrhandene  hectische  Fieber  mit  den  abendlichen  Exacerbationen, 
Avelches  offenbar  ein  chronisch-pyohämisches  und  durch  die  Retention  des  eitrigen 
Sekretes  der  Gallenwege  bedingt  war,  hatte  unmittelbar  nach  der  Cholecystostomie 
aufgehört,  ebenso  Avaren  die  Schmerzanfälle  und  die  Galleiiretention  beseitigt 
Avorden.  Was  aber  nicht  zu  A^ermeiden  Avar,  das  Avar  die  dreimalige  AVieder- 
kehr  der  Blutungen  aus  der  AVunde  und  die  jMagenblutung,  Avelche,  Avenn  auch 
an  und  für  sich  nicht  gerade  bedenklich , für  die  gescliAvächte  Patientin  doch 
A'on  Bedeutung  sein  mussten.  Allein  diese  Blutungen  können  nicht  der  Ope- 
ration als  solcher  zur  J..ast  gelegt  werden ; sie  Avaren  vielmehr  die  Folge  des 
langen  unnötigen  Zmvartens,  respektiA'e  der  dadurch  erzeugten  Cholämie. 

5.  C h o 1 e 1 i t h i a s i s ohne  Icterus.  Cholecystostomie.  Heilung  ^). 

Frau  A'on  52  Jahren,  früher  stets  gesund,  hat  seit  etAva  einem  Jahre  an 
ziemlich  A^agen  Störungen  des  Allgemeinzustandes  gelitten ; sie  magerte  ab,  fühlte 

*)  Die  Patienten  Nr.  5,  6,  7 und  8 sind  in  den  Sitzungen  der  Lütticher 
ärztlichen  Gesellschaft  A'orgestellt  und  ihre  Krankengeschichten  in  den  »Annales 
de  la  Sociöt^  medico-chirurgicale  de  Liege.  1891«  kurz  citiert  worden. 


Zur  Chirurgie  der  Gallenwege. 


495 


sich  schwach,  empfand  von  Zeit  zu  Zeit  Völle  und  Druck  in  der  Leber-  und 
Magengegend,  ohne  eigentliche  Schmerzen,  und  häufige  Auftreibung  des  Bauches, 
doch  blieb  der  Appetit  gut,  die  Verdauung  war  sehr  träge,  Stuhlentleerungen 
unregelmässig.  Niemals  Icterus,  noch  Gallensteinkoliken.  Erst  seit  vierzehn 
Tagen  sind  sehr  lebhafte  Schmerzen  iiir  rechten  Hypochondrium  und  im  Rücken 
aufgetreten,  welche  die  Patientin  veranlassen,  sich  in  die  Klinik  aufnehmen  zu 
lassen. 

Grosse,  ahgemagerte,  etwas  blasse  Frau.  Abdomen  auf  getrieben,  Leber 
vergrössert,  ihr  unterer  Rand  mindestens  handbreit  zu  palpieren ; entsprechend 
der  Gegend  der  Gallenblase  fühlt  man  einen  rundlichen,  leicht  höckerigen,  scharf 
begrenzten,  harten  Tumor  vom  Volumen  eines  grossen  Apfels,  welcher  sich  bei 
der  Respiration  mitbewegt.  Druck  aut  denselben  sehr  schmerzhaft ; Haut  und 
Bauchdecken  darüber  verschiebbar,  nicht  verändert.  Keine  Spur  von  Icterus, 
Harn  von  normaler  Färbung. 

Die  Diagnose  wurde  auf  Steine  in  der  Gallenblase  gestellt ; allein 
nach  dem  lokalen  Befunde,  dem  früheren  Verlauf,  der  Abmagerung,  ohne  dass 
Gallenretention  vorhanden  war,  musste  ich  ausserdem  den  Verdacht  auf  ein  sich 
entwickelndes  Carcinom  der  Gallenblase  aussprechen.  Der  Patientin  wird  die 
Operation  vorgeschlagen,  welche  sie  sofort  acceptiert. 

Operation.  Nach  Entleerung  des  Darmes  wird  die  Operation  am  25.  No- 
vember 1890  vorgenommen.  Incision  längs  des  äusseren  Randes  des  r.  Rectus 
abdominis,  15  Centimeter  lang.  Peritoneum  parietale  verdickt,  aus  der  Peritoneal- 
höhle  entleert  sich  etwas  gelblich  klares  Serum.  Die  Leber  ragt  sehr  weit  nach 
abwärts,  sie  ist  weich,  blutreich,  von  normaler  Färbung.  Die  Gallenblase  ist 
vollständig  von  dem  fettreichen  Netze  bedeckt  und  mit  demselben  lose  verwachsen ; 
nach  Lösung  der  Adhäsionen  präsentiert  sich  eine  stark  gänseeigrosse,  mit  Flüssig- 
keit prall  gefüllte  Blase,  welche  sich  in  den  ebenfalls  mit  Flüssigkeit  gefüllten 
D.  cysticus  fortsetzt ; das  ganze  Gebilde  gleicht  auffallend  einer  Retorte  mit  ihrem 
leicht  winkelig  abgeknickten  Halse.  Man  fühlt  in  der  Blase  einen  grossen  Stein ; 
nirgends  ist  eine  Geschwulst  nachweisbar.  Es  gelingt  sehr  leiclit,  den  Leberrand 
und  den  Scheitel  der  ausgedehnten  Gallenblase  vor  die  Ränder  der  Bauchwunde 
zu  bringen. 

Die  Gallenblase  wird  eröffnet , ihre  Wandung  ist  verdickt  aber  nicht 
degeneriert.  Es  entleert  sich  eine  grosse  Menge  dunkelbraungrüner,  schleimiger 
Galle;  der  Stein  wird  leicht  extrahiert,  er  hat  die  Gestalt  einer  Gurke,  ist  grün- 
braun, an  der  Oberfläche  leicht  höckerig  und  wiegt  22  Gramm. 

Nachdem  die  Blase  ausgewaschen  worden  war,  entschloss  ich  midi,  da 
nirgends  mehr  ein  zweiter  Stein  konstatiert  werden  konnte  und  die  Kommunikation 
durch  den  I).  choledochus  jedenfalls  frei  war,  in  Anbetracht  der  ungewöhnlich 
günstigen  Verliältnisse,  die  Gallenblase  sofort  zu  vernähen.  Ich  trug  die  Schleim- 
hautränder jederseits  schräg  von  aussen  nach  innen  ab,  vereinigte  dann  durch 
eine  fortlaufende  Nalit  die  Schleimliaut,  ohne  sie  jedoch  ganz  zu  perforieren,  so 
dass  gar  kein  Teil  des  Fadens  innerhalb  des  Gallenblasenlumens  zu  liegen  kam, 
dann  applicierte  ich  einige  Knopfnähte  gerade  so  wie  bei  einer  L ein b er t scheu 
Itarmnaht,  endlich  vernähte  ich  noch  durch  eine  fortlaufende  Naht  die  ver- 
einigten Peritonealflächen.  Die  Leber  wurde  ziemlich  weit  nach  oVien  geschoben, 
mit  der  Gallenblase  reponiert,  dann  wurde  die  Bauchhöhle  mit  Kochsalzlösung 
(7  : KXX))  ausgewaschen.  Zum  Schlüsse  wurde  das  früher  abgelöste  Netz  Avieder 
über  die  Gallenblase  gebreitet  und  durch  ein  paar  Knopfnähte  fixiert.  Jetzt 
schritt  ich  zum  Verschluss  der  Bauchwunde  durch  Etagennähte.  I>ie  erste  fort- 


496 


A.  von  Willi warter. 


f 


laufende  Peritonealnaht  wurde  in  der  Weise  angelegt,  dass  die  Nahtlinie  der 
Gallenblase,  vom  Epiploon  bedeckt,  zwischen  die  Wundränder  des  Peritoneum 
parietale  zu  hegen  kam ; dann  folgten  die  isolierten  Nähte  der  Muskulatur  und 
der  Fascien  und  endlich  eine  fortlaufende  Naht  der  Haut  mit  interponierten  ganz 
oberflächlichen  Knopfnähten.  Alle  Nähte  wurden  wie  gewöhnlich  mit  Seiden- 
fäden angelegt.  Typischer  ^Tu•band  der  Laparotomiewunde. 

Der  Verlauf  nach  der  Operation  war  absolut  reaktionslos.  Die  Schmerzen 
verschwanden  von  dem  Momente  der  Operation  an  und  kehrten  nicht  wieder.  Nach 
14  Tagen  war  die  Patientin  geheilt. 

In  diesem  Falle  waren  die  Verhältnisse  so  ausserordentlich  günstig  für 
den  Verschluss  der  Gallenblase,  weil  die  Gallenblasenwand  verdickt  und  die 
Schleimhaut  vollkommen  intakt  war ; es  konnten  deshalb  ganz  so  wie  bei  einer 
Darmwunde  Etagennähte  angelegt  werden.  Ueberdies  konnte  ich  die  ganze 
Operation  ausserhalb  der  Bauchhöhle  durchführen  und  die  geringsten  Details  der- 
selben genau  übersehen. 

6.  Cholelithiasis  ohne  Icterus.  Cholecystostomie.  Heilung. 

Die  Sojährige  Patientin  hat  vor  9 Monaten  einen  ziemlich  schweren  Typhus 
ilurchgemacht.  In  der  ßekonvalescenz  empfand  sie  plötzlich  sehr  lebhafte 
Schmerzen  im  rechten  Hy^pochondrium,  welche  allerdings  bald  wieder  an  In- 
tensität abnahmen,  aber  seit  dieser  Zeit  nicht  mehr  ganz  verschwanden.  Auch 
bestanden  seit  der  Erkrankung  fortwährend  ^"erdauungsbeschwerden  und  Appetit- 
losigkeit; die  Patientin  mageide  ab.  Niemals  Icterus,  Faeces  niemals  entfärbt, 
kein  Fieber. 

Bei  der  schwächlichen,  blassen,  abgemagerten  Patientin  konstatiert  man 
in  der  Gegend  der  Gallenblase  unmittelbar  unter  dem  Rippenbogen  einen  grossen, 
rundlichen,  derb-elastischen  Tumor,  der  sich  mit  den  Respirationsbewegungen 
nach  auf-  und  abwärts  verscliiebt ; derselbe  ist  der  Sitz  fortdauernder,  spontaner 
Schmerzen  von  wechselnder  Intensität ; Druck  auf  denselben  steigert  die  Schmerz- 
empfindung. Bauchdecken  nicht  adhärent,  nicht  infiltriert.  Die  Diagnose  wird 
auf  Cholelithiasis  gestellt ; in  Anbetracht  der  fortdauernden  Schmerzen  ohne 
Gallenstauung  wird  eine  Entzündung  der  Gallenblase  als  wahrscheinlich  an- 
genommen, die  Oj^eration  sofort  beschlossen  und  von  der  Patientin  acceptiert. 

Operation  (9.  Dezember  1891).  Schnitt  längs  des  äusseren  Randes  des 
r.  Rectus  abdominis,  12  cm  lang.  Nach  Eröffnung  des  Peritoneum  fliesst  etwas 
klares  Serum  aus ; der  untere  Leberrand  ragt  kaum  über  den  Rii^penbogen  nach 
abwärts.  Unter  demselben  prominiert  die  Gallenblase  einige  Finger  breit.  Sie 
präsentiert  sich  als  eine  länglich  bimförmige  Geschwulst , etwa  von  der  Grösse 
eines  Gänseeies,  gerötet,  injiciert,  aber  nirgends  mit  der  Umgebung  verwachsen. 
Von  aussen  ist  in  derselben  kein  Stein  zu  fühlen.  Die  Blase  wird  mit  ihrem 
Scheitel  nach  aussen  gezogen , durch  eingestopfte  Gazekompressen  möglichst  von 
der  Peritonealhöhle  isoliert  und  dann  eröffnet.  Es  entleert  sich  eine  beträcht- 
liche Quantität  reinen , nicht  mit  Galle  gemengten , geruchlosen  Eiters ; die 
Wandung  ist  verdickt,  die  Schleimhautfläche  gleichmässig  dunkelrot.  Nach  Ent- 
leerung und  Ausspülung  <les  Cavums  mit  Kochsalzlösung  erscheint  dasselbe  leer, 
aber  der  eingeführte  Finger  fühlt  in  der  Tiefe  des  Sackes  einen  Stein , welcher 
den  Zugang  zum  I).  cysticus  vollkommen  verlegt.  Derselbe  kehrt  der  Gallenblase 
eine  concave  glatte  Fläche  zu , ganz  ähnlich  nach  Form  und  Grösse  der  becher- 
förmigen Hülle  einer  Eichel,  und  setzt  sich  dann,  sich  verjüngend  in  einen 
cydindrischen  Hals  fort,  der  den  erweiterten  D.  cysticus  ausfüllt.  Er  ist  so  glatt, 


Zur  Chirurgie  der  Gallenwege. 


497 


steckt  so  fest  und  liegt  der  Bchleinihaut  so  innig  an,  dass  es  nur  mit  grosser 
Mühe , durch  kombiniertes  Manipulieren  \mn  aussen  und  innen  gelingt , ihn  zu 
delogieren;  er  ist  ausserdem  ausserordentlich  brüchig,  kommt  daher  nur  in  Frag- 
menten zum  Vorschein,  die  eine  schöne,  gleichmässig  gelbe  Farbe  zeigen.  Mittels 
eines  kleinen  scharfen  Löffels,  wie  er  zur  Curetage  des  Uterus  gebraucht  wird, 
gelingt  es  allmählich,  so  viel  von  dem  Steine  zu  extrahieren,  dass  die  Bröckel 
zusammengenommen  etwa  dem  Volumen  einer  Haselnuss  entsprechen.  Trotzdem 
ist  in  der  Tiefe  noch  immer  ein  Teil  des  Konkrementes  zu  fühlen,  welches  trotz 
aller  Bemühungen  und  trotzdem  ich  von  aussen  entgegendrücke , nicht  heraus- 
zubringen ist,  weil  es  nach  unten  zu  ausweicht.  Es  wird  daher  beschlossen,  die 
Lösung  desselben  abzu warten,  da  es  ja  doch  unbedingt  indiciert  war,  eine  Gallen- 
blasenflstel  anzulegen. 

Bei  den  Extraktionsversuchen  hatte  sich  keine  Galle  gezeigt.  Nachdem 
die  Gallenblase  gereinigt  und  locker  mit  einem  Gazestreifen  tamponiert  war, 
wurden  die  isolierenden  Kompressen  entfernt,  das  Operationsfeld  mit  physio- 
logischer Kochsalzlösung  irrigiert,  dann  die  Wandung  der  Gallenblase  mit  dem 
Peritoneum  parietale  der  Bauchwunde  vereinigt  und  überdies  die  Ränder  der 
Incision  an  die  Hautränder  des  oberen  Wundwinkels  genäht,  um  jede  eventuelle 
Verunreinigung  mit  Eiter  zu  verhindern ; dann  wurde  der  Rest  der  Bauchwunde 
durch  Etagennähte  geschlossen.  Typischer  Verband.  Die  Patientin  verspürte 
nach  der  Operation  ziemlich  heftige  Schmerzen,  was  offenbar  den  lange  fort- 
gesetzten Extraktionsversuchen  zuzuschreiben  war,  aber  es  fehlte  jede  Allgemein- 
reaktion, die  Temperatur  überschritt  niemals  die  Norm.  Nach  zwei  Tagen  wurde 
der  Verband  gewechselt,  der  Tampon  aus  der  Gallenblase  entfernt.  Schleimiges 
Sekret,  mit  etwas  Eiter  gemengt,  aber  keine  Galle. 

Als  auch  nach  acht  Tagen  noch  keine  Galle  nach  aussen  abgeflossen  war, 
wurde  ein  neuer,  fruchtloser  Versuch  gemacht,  das  den  D.  cysticus  obturierende 
Fragment  zu  extrahieren.  ^Mittels  der  mit  dem  Resonator  armierten  Steinsonde 
konnte  man  dessen  Gegenwart  nachweisen , während  alle  anderen  Explorations- 
methoden ein  negatives  Resultat  ergeben  hatten.  Es  wurde  sofort  ein  dicker 
Laminariastift  in  den  D.  cysticus  eingeschoben  und  dadurch  am  folgenden  Tage 
eine  beträchtliche  Erweiterung  des  Ganges  erzielt.  Jetzt  gelingt  es,  den  Rest  des 
Konkrementes , welcher  übrigens  noch  immer  das  Volumen  einer  kleinen 
Haselnuss  hat  (also  ungefähr  so  gross  ist  als  der  früher  extrahierte  Teil) 
zu  entfernen.  Unglücklicher  Weise  zerbrach  der  Stein  beim  Herausziehen , und 
ein  kleines  Stück  davon  blieb  im  Gallengange  zurück  und  konnte  trotz  aller 
Bemühungen  nicht  aufgefunden  werden.  Die  Gallenblase  wurde  neuerdings  locker 
tamponiert;  am  folgenden  Tage  war  bereits  eine  geringe  Quantität  Galle  dem 
schleimigen  Sekrete  der  Blase  beigemengt.  Die  Eiterung  hat  vollkommen  aufgehört. 

Es  wurde  nach  einigen  Tagen  abermals  versucht , das  noch  vorhandene 
Fragment  zu  entfernen.  Es  ist  aber  Nichts  zu  fühlen,  auch  fliesst  etwas  Galle 
aus,  so  dass  der  D.  cysticus  keinesfalls  verlegt  sein  kann. 

Ich  hielt  die  äussere  Gallenfistel  bis  zum  31.  Dezember  offen,  die  Patientin 
war  bei  vollkommenem  Wohlbefinden  längst  ausser  Bett  und  wollte  nicht  länger 
im  Hospital  bleiben.  Sie  wurde  entlassen,  mit  dem  Bedeuten,  sich  sofort  vor- 
zustellen, wenn  sie  die  geringsten  Beschwerden  empfinden  sollte. 

Erst  nach  drei  jMonaten  kam  sie  wieder;  sie  sieht  blühend  aus,  hat  nie- 
mals Schmerzen  gehabt,  alle  Funktionen  regelmässig;  die  Gallenblasenfistel  hat 
sich  sehr  bald  nach  der  Entlassung  definitiv  geschlossen,.  Unter  der  Operations- 
narbe fühlt  man  in  der  Tiefe  noch  immer  eine  kleine  Anschwellung,  die  aber 

32 


498 


A.  von  Winiwarter. 


nicht  empfindlich  ist.  Wahrscheinlich  ist  es  die  etwas  verdickte  Gallenblase, 
welche  vielleicht  doch  durch  Sekret  etwas  ausgedehnt  ist.  Seitdem  habe  ich  die 
Frau  noch  einmal  wiedergesehen;  sie  ist  vollkommen  wohl,  der  lokale  Befund 
hat  sich  nicht  verändert. 

7.  Cholelithiasis  mit  Carcinom  der  Gallenblase  und  der  Leber. 

Exstirpation.  Temporäre  Heilung. 

Frau  von  50  Jahren,  wurde  vor  etwa  6 Monaten  ganz  plötzlich  und  an- 
scheinend ohne  Veranlassung  von  heftigen  Schmerzen  im  Epigastrium  befallen, 
welche  sich  gegen  den  Unterleib  und  die  Lendengegend  besonders  nach  rechts 
ausbreiteten,  jedoch  bereits  nach  einer  halben  Stunde  verschwanden.  Am  fol- 
genden Tage  traten  die  Schmerzen  wieder  auf,  jedoch  mit  geringerer  Intensität; 
dann  befand  die  Frau  sich  während  mehrerer  Monate  subjektiv  ziemlich  wohl ; 
doch  bestanden  von  Zeit  zu  Zeit  Verdauungsbeschwerden,  auch  soll  sie  etwas 
abgemagert  sein.  Seit  5 — G Wochen  sind  abermals  Schmerzanfälle  aufgetreten, 
wie  die  beiden,  mit  welchen  die  Erkrankung  begann;  sie  Aviederholten  sich  seit 
dieser  Zeit  4 — 5 mal  in  der  Woche,  dauerten  in  der  Regel  V2 — 1 Stunde  und 
erforderten  regelmässig  Morphiuminjektionen.  In  der  Zwischenzeit  empfand  die 
Patientin  nur  ein  Gefühl  der  Schwäche  und  der  Müdigkeit,  besonders  in  der 
Lumbargegend.  Die  Faeces  wurden  regelmässig  untersucht  und  durchgesiebt;  sie 
waren  niemals  entfärbt,  enthielten  aber  nach  den  Anfällen  wiederholt  kleine 
Gallensteine , bis  4 auf  einmal ; im  Ganzen  wurden  21  derartige  Konkremente 
gefunden,  welche  die  Patientin  vorweist.  Es  sind  glatte  Cholestearinsteine,  etwa 
von  der  Grösse  eines  Haferkornes.  In  der  letzten  Zeit  hat  sich  der  Allgemein- 
zustand fortdauernd  verschlechtert;  Verlust  des  Appetits,  träge  Verdauung  mit 
Aufstossen , Auftreibung  des  Magens , unregelmässige , mühsame  Stuhlentlee- 
rungen u.  s.  w.  In  der  Leber-  und  Magengegend  bestehen  kontinuierliche 
Schmei’zen,  welche  vorzugsweise  des  Nachts  intensiv  werden  und  der  Kranken 
den  Schlaf  rauben.  Icterus  soll  niemals  vorhanden  gewesen  sein. 

Status  praesens  (12.  November  1891).  Stark  abgemagerte,  anämische 
Frau;  Hautfarbe,  fahl  aber  nicht  eigentlich  icterisch;  an  den  Organen  der  Brust- 
höhle nichts  Abnormes  nachzuweisen.  Bauch  aufgetrieben,  Bauchdecken  schlaff, 
im  rechten  Hypochondrium  ist  der  Leberrand  nur  undeutlich  unterhalb  des 
Rippenbogens  zu  palpieren,  kein  Tumor  daselbst  nachweisbar.  Leber  scheint 
nicht  vergrössert;  Druck  auf  die  ganze  Partie  mässig  schmerzhaft.  Puls  regel- 
mässig, nicht  acceleriert,  schwach  und  depressibel. 

Ueber  die  Gegenwart  von  Gallensteinen  konnte  kein  Zweifel  bestehen,  es 
fragte  sich  nur,  ob  nicht  ausserdem  ein  Carcinom  der  Gallenblase  vorhanden  sei, 
denn  die  Abmagerung  und  die  schwere  Beeinträchtigung  des  Allgemeinzustandes 
konnte  durch  die  Cholelithiasis  allein  schAverlich  heiworgerufen  worden  sein,  da 
niemals  eine  eigentliche  Gallenstauung  mit  Icterus  u.  s.  w.  bestanden  hatte.  Ich 
stellte  deshalb  die  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  auf  Carcinom  der  Gallenblase  und 
entschloss  mich  auf  dringendes  Bitten  der  Patientin  zur  Operation,  da  es  ja  doch 
sehr  wahrscheinlich  Avar,  dass  durch  die  Entfernung  der  Gallensteine  und  die 
Anlegung  einer  äusseren  Gallenfistel , selbst  im  Falle  das  Carcinom  sich  als 
inoperabel  ei’Aveisen  sollte,  die  Leiden  zum  mindesten  erheblich  gelindert.  Adel- 
leicht Amllkommen  beseitigt  Averden  konnten. 

Ox>eration.  Am  17.  NoA’ember  AAird  nach  Entleerung  des  Darmes  in  der 
Narkose  die  Bauchhöhle  durch  einen  Längsschnitt  am  äusseren  Rande  des  Rectus 
eröffnet.  Die  Leber  ist  dunkelbraunrot,  von  normaler  Konsistenz;  über  ihrem 
unteren  Rand  ragt  die  Gallenblase  etAA'as  hervor ; dieselbe  hat  die  Gestalt  und 


Zur  Chinn-iiie  der  Gallemvege. 


499 


das  Volumen  einer  mittelgrossen  Birne,  sie  ist  allenthalben  mit  den  umliegenden 
Dilrmen  (Dünndarm  und  Colon  transversum)  verwachsen,  fühlt  sich  knorpelhart 
an;  im  Innern  scheinen  einzelne  noch  härtere  Partien  (Steine?)  zu  sein.  Die 
Adhäsionen  der  Gallenblase  werden  abgebunden  und  gelöst  und  ihre  Wandung 
freigelegt.  Sie  ist  weisslich  gefärbt,  schwielig;  diffus  von  einem  ungemein  harten 
Infiltrate  durchsetzt,  welches  sich  in  den  strangförmigen  D.  cysticus  fortsetzt. 
Der  Scheitel  der  Blase  wird  vorläufig  durch  Gazestreifen  von  der  Peritonealhöhle 
isoliert,  dann  eröffnet.  Die  Wandung  ist  daselbst  fast  centimeterdick,  weissgrau 
gefärbt,  carcinoniatös  degeneriert ; gegen  die  obere,  der  Leber  zugekehrte  Fläche 
verdickt  sie  sich  zu  einem  haselnussgrossen  Knoten.  In  dem  engen,  cylindrischen 
Cavum  der  Blase  findet  sich  sehr  wenig  flüssige  dunkelgrüne  Galle  und  über  ein 
Dutzend  kleine,  leichte,  facettierte  Steine,  alle  von  nahezu  derselben  Grösse  (etwa 
wie  ein  Citronenkern) , ganz  ähnlich  den  bereits  durch  den  Dann  entleerten; 
gegen  den  I).  cysticus  zu  konfundieren  sich  die  Steine  so  mit  dem  knotenför- 
migen carcinomatösen  Infiltrate,  dass  man  sie  durch  den  Tastsinn  allein  nicht 
unterscheiden  kann.  Die  carcinomatöse  Wandung  der  Gallenblase  ist  mit  dem 
Leberparenchym  fest  verwachsen ; am  Bande  findet  sich  in  der  Lebersubstanz 
selbst  ein  weisslicher  Carcinomknoten  von  der  Grösse  einer  Nuss  — ausserdem 
sind  in  dem  Organe  keine  Tumoren  zu  fühlen. 

Nachdem  die  Gallenblase  entleert,  ausgewaschen  und  vorläufig  mit  Gaze 
tamponiert  worden  war,  schritt  ich  zur  Ablösung  derselben  von  der  unteren 
Fläche  der  Leber.  Zu  diesem  Zwecke  wurde  die  Lebersubstanz  in  einiger  Ent- 
fernung von  der  Gallenblase  durch  eine  Anzahl  von  mit  Seidenfäden  armierten, 
langen  Nadeln  umstochen,  die  Fäden  vorsichtig  angezogen  und  geknüpft,  dann 
das  Leberparenchym  im  Gesunden  mittels  des  Thermocauters  durchtrennt,  was 
ohne  Blutung  bewerkstelligt  wurde ; dann  wurde  auch  der  nussgrosse  Knoten  am 
Leberrande  durch  fortlaufende  Schnürnähte  umstochen  und  ein  keilförmiges,  das 
Carcinom  enthaltendes  Stück  aus  der  ganzen  Dicke  desselben  ohne  Blutung 
reseciert.  Nun  drang  ich  gegen  den  D.  cysticus  zu  vor,  isolierte  denselben,  musste 
aber  bis  zum  Choledochus  gehen,  weil  daselbst  noch  ein  kleiner  Knoten  zu  fühlen 
war,  wobei  es  unmöglich  war  zu  unterscheiden,  ob  man  es  mit  einem  Stein  oder 
einem  carcinomatösen  Infiltrat  zu  thun  habe.  Ich  musste  nach  der  Ausdehnung 
der  carcinomatösen  Erkrankung  annehmen,  dass  noch  andere  disseminierte  Herde 
in  der  Umgebung  vorhanden  seien,  dass  deshalb  eine  radikale  Operation  an  und 
für  sich  höchst  unwahi-seheinlich  sei ; deshalb  vermied  ich  es , die  Patientin  der 
Gefahr  einer  Exstirpation  eines  grösseren  Abschnittes  des  D.  choledochus  aus- 
zusetzen , nach  welcher  unfehlbar  die  ^lündung  des  D.  hepaticus  in  der  Tiefe 
offen  geblieben  wäre.  Ich  legte  jenseits  des  fraglichen  Knotens  eine  jiroviso- 
rische  Ligatur  an  und  exstirpierte  nun  das  ganze  Paket  der  degenerierten  Gallen- 
blase sammt  D.  cysticus  und  den  Fragmenten  der  Leber.  Hierauf  wurde  der  Stiel 
so  gut  als  möglicb  hervorgezogen,  was  durch  die  Lücke  am  Leberrande  erleichtert 
war,  und  durch  Nähte  mit  dem  Peritoneum  parietale  der  Bauchwunde  vereinigt.  Der 
Stiel  enthielt  das  Anfangsstück  des  Choledochus  mit  der  Mündung  des  D.  hepa- 
ticus.  Kings  herum  wurde  der  Band  des  Netzes  so  an  den  Stiel  fixiert , dass 
dadurch  eine  Art  Trichters  zu  Stande  kam,  an  dessen  tiefstem  Punkte  der  Stumpf 
der  Gallengänge  sich  befand;  die  provisorische  Ligatur  wurde  gelöst,  jedoch  eine 
Fadcnschlinge  an  die  betreffende  Stelle  angelegt,  um  später,  wenn  es  notwendig 
sein  sollte,  die  Mündung  des  C'holedochus  finden  zu  können.  Dann  wurde  das 
Cavum  mit  Jodoformgaze  tamponiert  und  der  übrige  Teil  der  Bauchwunde  durch 
Etagennähte  geschlossen.  Tyjiischer  Verband.  Das  exstiri)ierte  Prä]iarat  zeigte 


500 


A.  von  Winiwarter. 


folgende  ^'erhältnisse;  Das  Lumen  der  Gallenljlase  ist  vollkommen  excentrisch 
nach  der  freien  (unteren)  Fläche  zu  gelagert;  die  Wandung  ist  dort,  wo  sie  mit 
den  Därmen  verwachsen  war,  etwa  auf  das  Dopjielte  ihres  gewöhnlichen  Durch- 
messers verdickt,  fibrös ; an  der  Seite,  welche  der  Leber  anliegt,  ist  sie  allein  so 
dick,  wie  das  Lumen  und  die  gegenüberliegende  Wandung  zusammengenommen, 
von  weissen,  ungemein  harten,  rundlichen  Knoten  bis  zu  Haselnussgrösse  durch- 
setzt, welche  die  Schleimhaut  substituiert  haben,  in  Form  von  Höckern  gegen 
die  Höhle  der  Gallenblase  hervorragen  und  dieselbe  verengern;  der  isolierte 
Knoten  in  der  Leber  zeigt  die  charakteristische  Struktur  des  Carcinoms. 

Nacli  der  Operation  dauerten  die  Schmerzen  noch  einige  Tage  an,  doch 
fehlte  jede  febrile  Keaktion.  Am  fünften  Tage  begann  etwas  Galle  aus  der 
Fistel  auszufiiessen , dann  nahm  die  Sekretion  allmählich  zu,  während  die  Wan- 
dungen des  Wnndtrichters  granulierten.  Die  Schmerzen  verschwanden  und  der 
Allgemeinzustand  besserte  sich  auffallend.  Nach  14  Tagen  zeigte  sich  in  der 
Tiefe  der  Fistel  eine  rundliche  Geschwulst  von  Haselnussgrösse,  Avelche  sich 
oäenbar  aus  dem  verdächtigen  Knoten  an  der  Schnittfläche  des  D,  choledochus 
entwickelt  hatte.  Das  I-iecidiv  hatte  sich  so  rasch  entwickelt  und  ausgehreitet, 
dass  ich  von  einem  ferneren  Versuche,  dasselbe  zu  exstirpieren,  abstehen  musste. 
Die  Galle  floss  vollständig  nach  aussen  durch  ein  Drainrohr  ab;  die  Patientin 
befand  sich  einige  Zeit  hindurch  relativ  wohl,  dann  aber  verlor  sie  den  Appetit 
vollständig,  magerte  immer  mehr  ah  und  starb  endlich  in  einem  Zustande  äusserster 
Schwäche,  etwas  über  sechs  Wochen  nach  der  Operation. 

Die  Sektion  ergab  zahlreiche  Carcinomknoten  in  der  Leber,  in  den  Lungen, 
den  Nieren  und  der  INIilz  und  ein  diffuses  carcinomatöses  Infiltrat  in  der  Um- 
gebung des  ursprünglichen  Operationsgebietes  innerhalb  der  Bauchöhle,  in  welchem 
der  D.  choledochus  vollständig  eingeschlossen  war.  Das  Carcinom  war  offenbar 
primär  von  der  Gallenblase  ausgegangen. 

8.  Erweiterung  und  Hype  r troiihie  der  Gallenblase  ohne  Icterus. 

Zwei  Divertikelsteine.  Cholecystenterostomie.  Heilung. 

Die  Patientin,  48  Jahre  alt,  hat  in  ihrem  17.  Lebensjahre  einen  acuten 
Gelenksrheumatismus  überstanden;  sie  leidet  seit  einem  Jahre  an  stechenden 
und  ziehenden  Schmerzen  in  beiden  Hypochondrien , welche  anfangs  täglich 
mehrere  Male  auftraten  und  allmählich  an  Intensität,  Dauer  und  Frequenz  Zu- 
nahmen. Der  Appetit  blieb  gut  bis  vor  etwa  drei  Monaten;  seit  dieser  Zeit  ist 
er  vollständig  verschwunden,  die  Patientin  isst  seitdem  fast  Nichts,  magerte  sein- 
stark  ab  und  litt  fortwährend  an  Magendrücken,  Ueblichkeiten , Brechreiz,  Kon- 
stijiation,  dann  an  häufigen  Anfällen  von  Herzklopfen  mit  Präcordialangst.  Vor 
zwei  Monaten  empfand  sie  während  zwei  Tagen  heftiges  Seitenstechen  rechts ; 
gleichzeitig  bestand  eine  allgemeine  Urticariaeruption.  Sie  hat  niemals  an  Gallen- 
steinkoliken noch  an  Icterus  gelitten.  Seit  drei  INIonaten  bemerkte  sie  die  Ent- 
wicklung einer  schmerzhaften  Geschwulst  im  Unterleibe,  in  der  Nabelgegend,  die 
sie  am  Arbeiten  hindert  und  schliesslich  zum  Eintritte  in  die  Klinik  veranlasst. 

Status  praesens  (28.  Mai  1891).  Ahgemagerte,  herabgekommene  Frau 
von  cachectischem  Aussehen,  tiefleidendem  Gesichtsausdruck.  Puls  unregel- 
mässig. Bauch  nicht  aufgetrieben , Bauchdecken  schlaff.  In  der  Höhe  des 
Nabels,  mehr  unter  als  über  demselben,  in  der  iNIedianlinie  des  Abdomen  fühlt 
man  einen  ganz  oberflächlich  gelegenen,  bei  Druck  sehr  schmerzhaften  derl)- 
elastischen,  nicht  fiuctuierenden  Tumor  von  der  Grösse  des  Kopfes  eines  Neu- 
geborenen. Derselbe  ist  an  seiner  Oberfläche  etwas  uneben,  höckerig,  ausser- 


Zur  Chirurgie  der  Gallenwege. 


501 


ordentlich  heweglich,  so  dass  er  sich  fast  bis  in  die  Beckenhöhle  hinunterschieben 
lässt ; die  Leber  reicht  sehr  wenig  über  den  Rippenbogen  nach  abwärts ; es  ist 
keinerlei  Zusammenhang  des  Tumors  mit  derselben  nachzuweisen.  Die  Diagnose 
des  Falles  war  zweifelhaft.  Ein  Tumor  der  Beckenorgane,  etwa  ein  langgestielter 
Ovarialtumor,  war  mit  Sicherheit  durch  die  Untersuchung  auszuschliessen.  Von 
der  Leber  schien  mir  der  Tumor  auch  nicht  ausgehen  zu  können,  da  er  viel  zu  tief  und 
zu  sehr  in  der  ^^ledianlinie  nach  abwärts  reichte,  auch  fehlten  alle  charakteri- 
stischen Symptome  einer  Erkrankung  der  Gallenwege.  Das  Wahrscheinlichste 
war  für  mich  die  Annahme  eines  Tumors  des  Netzes  oder  des  Darmes,  etwa  des 
Colon  transversum;  naeh  dem  Verlaufe  der  Erkrankung,  der  Abmagerung,  dem 
cachectischen  Aussehen  der  Patientin  konnte  ich  nur  an  einen  malignen  Tumor, 
ein  Carcinom  des  Netzes  oder  des  Daiunes,  denken.  Jedenfalls  schien  mir  bei 
der  Beweglichkeit  desselben  der  Versuch  einer  Exstirpation  berechtigt. 

Operation  (2.  Juni  1891).  Eröffnung  der  Bauchhöhle  durch  einen  Schnitt 
in  der  Linea  alba,  nach  abwärts  vom  Nabel.  Der  Tumor  tritt  sofort  zu  Tage : 
er  ist  dunkelblaurot  gefärbt,  von  erweiterten,  geschlängelten  Venen  überzogen, 
leicht  höckerig,  ein  fleischiges  oder  drüsiges  Gebilde,  von  welchem  ich  beim 
ersten  Anblicke  absolut  nicht  sagen  konnte,  was  es  sei.  Am  meisten  Aehnlich- 
keit  hatte  der  Tumor  mit  einer  abgelösten,  umgestülpten  Placenta.  Ich  führte 
die  Hand  in  die  Bauchliöhle  ein,  um  mich  über  seine  Lage  zu  orientieren,  und 
konstatierte  sofort,  dass  er  sich  nach  aufwärts  fortsetzte  und  schliesslich  innig 
mit  der  Leber  zusammenhing,  in  die  sein  oberer  Anteil  förmlich  implantirt  war. 
Nun  erst  klärte  sich  die  Hache  auf:  es  handelte  sich  um  die  stark  erweiterte, 
kolossal  hypertrophische  Gallenblase.  Dieselbe  wurde  nun  aus  der  Bauchhöhle 
hervorgezogen;  an  ihrer  hinteren  Fläche  fühlt  man  innerhall)  der  Wandung  zwei 
kleine,  harte  Erhabenheiten,  eine  am  unteren,  die  andere  am  oberen  Pole  der 
Geschwulst;  es  sind  zwei  Hteine  von  rundlicher  Form  und  Plaselnussgrösse,  sie 
lassen  sich  nicht  verschieben.  Die  Blase  wird  an  ihrem  tiefsten  Punkte  eröffnet, 
wobei  die  Incision  blutet,  als  ob  man  einen  Darm  durchschnitten  hätte;  es  ent- 
leert sich  eine  grauweisse,  schleimige,  dünnem  Htärkekleister  ähnliche  Flüssigkeit, 
mit  gelblichem  Satze,  aber  keine  Galle.  Die  AVandung  ist  mindestens  so  dick 
wie  die  des  Magens  in  kontrahiertem  Zustande,  die  Schleimhaut  hy))ertrophisch, 
gewulstet,  lebhaft  rot,  chagriniert.  Durch  den  eingeführten  Finger  konstatiert 
man,  dass  beide  früher  erwähnten  Steine  in  enghalsigen  Divertikeln  stecken, 
welche  sie  straff  umschliessen.  Der  Stein  am  unteren  Pole  lässt  sich  aus  dem 
Divertikel  herausbefördern,  bei  dem  oberen  muss  jedoch  der  Rand  des  Diver- 
tikels incidiert  werden,  bevor  dies  möglich  ist.  Beide  Steine  sind  hellgrüngelb, 
von  ganz  gleicher  Grösse  und  Form,  der  Teil,  welcher  der  Divertikelwand  anlag, 
ist  rund,  körnig,  während  der  Teil  der  Steine,  welcher  frei  nach  innen,  gegen  das 
Cavum  der  Blase  gekehrt  war.  Hach,  ganz  glatt,  wie  abgeschliff'en  ist.  Das  Diver- 
tikel mit  seinem  Stein  am  oberen  Pole  der  Gallenblase  lag  derart,  dass  dadurch 
der  Ductus  cysticus  vollständig  abgeknickt  und  komprimiert  worden  war.  Sowie 
ich  den  Stein  extrahiert  hatte,  trat  Galle  aus  dem  D.  cysticus  hervor. 

Ich  war  im  Zweifel,  was  nun  am  besten  mit  der  voluminösen,  hy])er- 
trophischen  Blase,  die  nach  der  Entleerung  gar  nicht  zusammengefallen  war,  an- 
zufangen sei.  An  eine  Exstirpation  derselben  dachte  ich  keinen  Augenl)lick,  sie 
war  ja  in  ihrem  ganzen  oberen  Anteil  tief  in  die  L('l)orsubstanz  eingebettet  und 
eine  Lösung  dieser  Partie  musste  bei  dem  grossen  Gefässreichtum  des  Gewebes 
und  der  Grösse  der  Wandfläche  eine  beträchtliche  Verletzung  bedingen.  Die 
Anlegung  einer  äusseren  Gallenblasenfistel  hätte  allerdings  die  Drainage  der  Blase 


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A.  von  Winiwarter. 


nach  aiiösen  und  die  allinähliche  Eetraktion  ihrer  Wandungen  ermöglicht,  allein 
die  Patientin  war  dadurch  zu  einer  lange  dauernden  Behandlung  verurteilt  und 
es  schien  mir  durchaus  nicht  sicher,  ob  dadurch  ihre  Beschwerden,  welche  offen. 
)>ar  nicht  durch  die  beiden  Divertikelsteine,  sondern  durch  den  voluminösen 
Tumor  bedingt  waren,  beseitigt  werden  würden.  Die  einfache  Naht  der  Gallen- 
Idase  bot  keinerlei  Sicherheit  für  die  Volumsabnahme  des  Organs.  Der  zweck- 
massigste  Eingriff,  welclier  die  Flüssigkeitsansammlung  am  sichersten  beheben, 
die  rascheste  Heilung  herbeiführen  und  die  Patientin  zugleich  von  den  Folgen 
einer  neuen  Gallensteinkrankheit  bewahren  musste,  war  die  Cholecystenterostomie ; 
die  Verhältnisse  lagen  ausserdem  für  die  Operation  so  ungemein  günstig,  die 
Wandung  der  Gallenblase  war  so  dick  und  fleischig,  dass  die  Vernähung  mit 
Leichtigkeit  durchführbar  erschien. 

Dementsprechend  suchte  ich  das  Dnodenum  auf,  wählte  eine  Dünndarm- 
schlinge so  nahe  als  möglich  an  demselben,  zog  dieselbe  durch  eine  stumpf  ge- 
machte Lücke  des  Netzes  durch  und  brachte  sie  ohne  jede  Zerrung  an  die 
hintere  Fläche  der  Gallenblase  heran.  Dann  machte  ich  die  seitliche  Ana.stomosen- 
bildung  in  der  Weise,  wie  ich  sie  auch  bei  Fnteroanastomosenbildung  und  als 
Ersatz  der  zirknlären  Darmnaht  bei  Darmresektion  zu  machen  pflege.  Nun  wurde 
der  Dünndarm  gegenüber  der  Gallenblasenincision  durch  einen  Längsschnitt  er- 
öffnet, wobei  sich  aus  dem  Darm  reine  Galle  entleerte,  zum  Beweis,  dass  die 
gewählte  Schlinge  ganz  nahe  an  der  Einmündung  des  D.  choledochus  in  das 
Dnodenum  liegen  musste.  Durch  eine  fordlaufende  Naht  wurden  die  Schleimhaut- 
ränder von  Gallenblase  und  Darm  vernäht,  dann  ein  Eing  eines  entkalkten, 
starken  Drainrohres  durch  die  Fistelöffnung  gesteckt  und  mit  einem  Catgutfaden 
so  befestigt,  dass  er  in  den  Darm  fallen  musste.  Endlich  wurden  die  vorderen 
Nähte  geschlossen  nnd  die  ganze  Anastomosenbildung  noch  durch  oberflächliche 
Peritonalknopfnähte  verstärkt.  Die  ganze  Operation  war  ausserhalb  der  Bauch- 
höhle vorgenommen  worden  und  hatte  nur  wenig  Zeit  in  Anspruch  genommen. 
Jetzt  Avurden  nach  Abspülung  des  OjAerationsfeldes  mit  physiologischer  Kochsalz- 
lösung Darm  und  Gallenblase  reponiert  und  die  Bauclnvunde  durch  Etagennähte 
geschlossen,  wobei  ich  noch  die  Vorsicht  brauchte,  die  Anastomosenstelle  in  die 
fortlaufende  Peritonealnaht  zu  fassen.  Typischer  Verband. 

Die  Patientin  war  sofort  nach  der  Operation  von  ihren  Schmerzen  befreit ; 
es  trat  keinerlei  Eeaktion,  weder  lokaler  noch  allgemeiner  Natur  auf,  die  Tem- 
peratur blieb  stets  normal.  Der  Puls  A'erlor  nach  wenigen  Tagen  seine  frühere 
Unregelmässigkeit;  am  3.  Tage  nach  der  Operation  erfolgte  der  erste  Stuhlgang, 
worauf  alle  Funktionen  regelrecht  ihren  Fortgang  nahmen.  Der  AjApetit  und  das 
Allgemeinbeflnden  hoben  sich  unerAvartet  rasch ; 14  Tage  nach  der  Operation 
verliess  die  Frau,  mit  einer  Leiblünde  A^ersehen,  das  Bett  und  gerade  3 Wochen 
nach  derselben  das  Krankenhaus.  ZAvei  IMonate  später  sah  ich  sie  noch  einmal ; sie 
Avar  nicht  Avieder  zu  erkennen,  hatte  an  Embonpoint  zugenommen,  sah  l)lühend  ans 
und  fühlte  sich  Avohler  als  je  zuvor.  Die  schmale  Narbe  der  Bauchdecken  Avar  voll- 
kommen verschiebbar,  die  Leber  nicht  vergrössert.  Von  der  Gallenblasengeschwulst 
Avar  auch  bei  der  genauesten  Palpation,  Avelcbe  durch  die  weichen  Bauchdecken 
erleichtert  Avurde,  keine  Spur  mehr  zu  entdecken.  Das  kleiire  Stück  entkalkten 
Drains,  welches  ich  l>ei  der  Anastomosenbildung  venvendet  hatte,  Avar  nicht  in 
den  Faeces  gefunden  Avorden ; es  ist  jedoch  sehr  möglich,  dass  es  trotzdem  nn- 
bemerkt  mit  dem  Stuhle  abging. 

Der  folgende  Fall  l)etrifft  eigentlich  keine  Fi’krankung  der  GalleiiAA'ege;  ich 
führe  ihn  jedoch  an,  weil  er  unter  der  Diagnose  einer  Gallenblasenaff'ektion  zur 


Zur  Chirurgie  der  Gallenwege. 


503 


Operation  kam  und  in  diö'erentialdiagnostisclier  Beziehung  wichtig  ist;  auch  wurde 
<lurch  den  operativen  Eingriff  Heilung  der  Beschwerden  erzielt. 

9.  Ectasie  der  Gallenblase.  Senkung  der  Leber. 

Die  34jährige  Patientin,  eine  starke  rüstige  Frau,  empfindet  seit  zwei 
Jahren  heftige  Schmerzen  in  der  Lebergegend,  die  in  der  letzten  Zeit  das  Arbeiten 
vollkommen  unmöglich  machten.  Es  bestanden  niemals  Gallensteinkoliken,  noch 
Icterus.  Bei  der  Untersuchung  konstatierte  ich  in  der  Rückenlage  den  unteren 
I.eberrand  handbreit  unter  dem  Rippenl)ogen,  in  aufrechter  Stellung  der  Patientin 
noch  tiefer  nach  al)wärts  reichend;  unter  demselben,  entsprechend  der  Lage  der 
Gallenblase,  füldte  man  durch  die  schlaffen  Bauchdecken  in  der  Tiefe  eine  stärkere 
Resistenz,  Avelche  den  Eindruck  machte,  als  ol>  sich  dasell)st  die  vergi-össerte 
und  härtere  Gallenl)lase  befinde.  Kein  Symptom  von  AVanderniere  nachweisbar. 
Uterus  und  Ovarien  in  normalem  Zustande.  Die  Schmerzen  im  rechten  Hypo- 
chondrium  existierten,  wenn  die  Frau  stand  oder  ging,  und  wurden  durch  jede 
Aluskelanstrenguug  gesteigert ; in  der  liorizontalen  Rückenlage,  im  Bette,  ver- 
schAvanden  sie  sehr  bald.  — ■ leb  glaul)te  nach  dem  Befunde  die  Diagnose  einer 
Cholelithiasis  ohne  Icterus  stellen  zu  können,  und  nachdem  Avährend  zAvei  Jahren 
alle  möglichen  Alittel,  n.  a.  auch  eine  Leil>binde  angeAvendet,  Avorden  Avaren,  ohne 
auch  nur  momentane  Erleichterung  zu  schaffen,  die  Patientin,  der  arbeitenden 
Klasse  angehörig,  aiReitsunfähig  AA'ar,  schien  mir  die  (Operation  sofort  indiciert. 

Operation.  Am  13.  Mai  1891  AA'urde  in  der  Narkose  die  Bauchhöhle  durch 
einen  Längsschnitt  am  äusseren  Rande  des  r.  Rectus  eröffnet.  Es  präsentiert  sich  die 
normal  gefärbte  Leber  mit  einem  grossen  Teil  ihrer  vorderen  Fläche,  der  untere  Rand 
des  Organs  ist  stark  nach  abAA'ärts  gesunken  und  nach  hinten  zugekehrt.  Dabei  lässt 
sich  das  Organ  mit  Leichtigkeit  nach  ol^en  schieben,  so  dass  es  ganz  unter  dem 
Rippenbogen  verschAA'indet ; die  lieber  scheint  überhaupt  gar  nicht  vergrössert 
zu  sein ; sie  ist  nur  so  beAveglich,  dass  sie  geAvissermassen  mit  ilirer  konvexen 
Fläche  nach  vorne  zu  fällt  und  sich  dabei  einigermassen  um  eine  liorizontale 
Achse  dreht,  so  dass  ihr  A'f)rderer  Rand  niclit  AAÜe  geAvölmlich  nach  A'orne  und 
unten,  sondern  nach  hinten  und  unten  gekehrt  ist.  An  der  unteren  Fläche  liegt 
die  Gallenblase;  sie  reicht  mit  ihrem  Scheitel  zAvei  Fingerbreit  über  den  Leber- 
rand hervor,  ist  stark  ausgedehnt,  enthält  al)er  keine  Steine,  Avas  man  durch  die 
dünne,  durchscheinende  AVandung  sehr  genau  konstatieren  kann,  sondern  nur 
dunkelgrüne  Galle.  Auch  im  D.  cysticus  und  im  D.  choledochus  ist  nirgends 
ein  harter  Körper  zu  fühlen.  Durch  Druck  auf  die  gefüllte  Blase  A'ermindert 
sich  ihr  Inhalt  sichtlich,  so  dass  sich  die  Galle  offenbar  gegen  den  Darm  zu  ent- 
leeren kann.  Die  rechte  Niere  findet  sich  an  ihrer  geAvölmlichen  Stelle;  sie  ist 
etAvas  A’erschiebbar,  mehr  als  im  Normalzustände,  Avas  man  jedoch  erst  jetzt  durch 
<lie  direkte  Palpation  des  Organs  konstatieren  kann.  Die  I>aparotomie  hatte  dem- 
nach in  Bezug  auf  eine  Erkrankung  der  Gallen aa  ege  ein  absolut  negatives  Resultat 
geliefert  und  man  musste  sich  fragen,  Avodurch  die  unleugbar  A'orhandenen  Be- 
scliAverdcn  bedingt  seien.  Die  Ausdehnung  der  Gallenldase  konnte  kaum  ver- 
antAvortlich  gemacht  AA'erden,  nachdem  die  abführenden  Gallemvege  fi-ei  und  das 
Seki'et  dersell)en  gar  nicht  A'erändert  AAar.  Auch  die  etAvas  laxe  Fixation  der 
r.  Niere  (A'on  einer  eigentlichen  AA^  a n d e r n i e r e konnte  man  nicht  sprechen) 
allein  Avar  sclnverlich  Schuld  an  den  Schmerzen  im  r.  Ilypochondrium.  AA'ohl 
aber  konnte  die  Leber  bei  der  Schlaffheit  der  Bauchdecken  durch  ihre 
abnorme  Verschiebbarkeit  und  dadurch,  dass  sie  gCAvissermassen  nach  vorne  zu 
um  ihre  horizontale  Achse  überschlug,  einerseits  Druck  auf  die  rechte  Niere,  anderer- 
seits Zerrung  des  ganzen  Befestigungsapparates  der  Leber,  besonders  des  Lig. 


504 


A.  von  Winiwarter. 

suspens.  liepatis  bewirken ; dies  musste  sieli  i^esonders  in  der  aufrechten  Stellung 
des  Körpers,  beim  Gehen  und  Arbeiten  bemerkbar  machen,  wahrend  in  der  hori- 
zontalen Kückenlage  die  Beschwerden  geringer  wurden  oder  ganz  verschwanden, 
ln  der  That  war  das  Lig.  Suspensorium  hejiatis  stark  verlängert  und  spannte 
sich  beim  Herabschieben  der  Leber  so  an,  dass  ein  Einreissen  desselben  durch 
das  Gewicht  des  Organes  nicht  undenkbar  schien.  Ich  erinnerte  mich  bei  dieser 
Gelegenheit  an  einen  Fall,  den  mir  Chrobak  seinerzeit  mitgeteilt  hatte : er  hatte 
eine  Frau  behandelt,  bei  welcher  eine  schmerzhafte,  strangförmige  Geschwulst 
zweifelhafter  Natur  in  der  r.  Oberbauchgegend  vorhanden  war,  die  alle  möglichen 
nervösen  Störungen  veranlasste : bei  der  Operation  stellte  es  sich  heraus,  dass 
man  es  mit  dem  stark  verdickten,  hyi^ertrophischen  Lig.  Suspensorium  liepatis 
zu  thun  hatte. 

In  dem  vorliegenden  Falle  handelte  es  sich  darum,  die  Leber  so  zu  fixieren, 
dass  sie  nicht  mehr  herabsinken  konnte : ich  schob  sie,  natürlich  mit  der  Gallen- 
blase, ganz  unter  den  Rippenbogen  hinauf,  fasste  dann  das  Peritoneum  i^arietale 
der  hinteren  Bauchwand  durch  tiefgreifende  starke  Seidensuturen  und  nähte  es 
nach  vorne,  indem  ich  die  Fäden  durch  die  Rippenknorpel  durchzog.  Hiedurch 
wurde  eine  Art  von  Diaphragma  gebildet,  welches  die  Leber  an  Ort  und  Stelle 
zurückhalten  musste.  Es  war  zu  hofi'en,  dass  die  Seidenfäden  lange  genug  halten 
würden,  um  eine  genügende  Fixierung  zu  Stande  kommen  zu  lassen.  Hierauf 
wurde  die  Bauchhöhle  in  der  geAVöhnlichen  Weise  durch  Etagennähte  geschlossen. 
Typischer  Verband  mit  Unterstützung  von  breiten  Heftijflasterstreifen.  Keine 
Reaktion  nach  der  Operation.  Heilung  per  primam.  Ich  liess  die  Patientin 
mehrere  Wochen  länger  zu  Bette  liegen  bleiben , als  ich  es  nach  gewöhnlichen 
Laparotomien  zu  thun  pfiege,  und  gab  ihr  eine  gut  passende  Bauchljinde,  mit 
Pelotte  an  der  rechten  Seite,  um  die  Leber  möglichst  zu  unterstützen. 

Der  Erfolg  der  Behandlung  schien  das  angewandte  Verfahren  zu  recht- 
fertigen  : als  die  Patientin  anfing  umherzugehen,  sjiürte  sie  keinen  Schmerz  mehr ; 
die  Leber  senkte  sich  nicht  mehr  und  dieser  Zustand  erhielt  sich  auch  dann, 
als  die  Frau  ihre  Arbeit  wieder  aufnahm.  Es  wurde  ihr  eingeschärft,  die  Leib- 
binde weiter  zu  tragen,  auf  regelmässigen  Stuhl  zu  achten,  täglich  kalte  Al)- 
reibungen  des  Unterleibes  mit  Salzwasser  vorzunehmen  und  sich  sofort  wieder 
vorzustellen,  wenn  Schmerzen  oder  sonst  irgend  welche  Symptome  auftreten 
sollten.  Ich  habe  sie  fünf  Monate  nach  der  Operation  zufällig  gesehen ; sie  be- 
fand sich  ganz  wohl. 


Als  Nachtrag  zu  der  angeführten  Kasuistik  möchte  ich  noch  in  ein  ijaar 
Worten  über  das  Schicksal  des  ersten  Patienten  berichten,  an  dem  ich  seinerzeit 
die  erste  Cholecystenterostomie  vorgenommen  habe  ü.  Es  handelte  sich  um  eine 
kolossale  Ausdehnung  der  Gallenblase  und  Retention  von  Galle  in  derselben, 
welche  durch  dauernde  Imi^ermeabilität  des  D.  choledochus  aus  unbekannter 
Ursache  bedingt  war.  Ich  hatte  damals  die  Operation  in  zwei  Zeiten  extraperi- 
toneal ausführen  wollen,  und  als  die  Eistelbildung  durch  Einlegen  eines  Trocarts 
nicht  gelungen  war,  die  Kommunikation  herzustellen  gesucht  von  der  Gallen- 
blase in  den  Darm  statt  umgekehrt  vom  Darm  in  die  Blase.  Durch  diesen  Miss- 
griff waren  die  Verhältnisse  äusserst  kompliziert  und  schwierig  geworden  und 
es  war  mir  erst  nach  mehreren  resultatlosen  Eingriffen  gelungen,  den  Abfluss 

L A.  von  Winiwarter.  Ein  Fall  von  Gallenretention  bedingt  durch 
Impermeabilität  des  Ductus  choledochus.  Anlegung  einer  Gallenblasendarmfistel. 
Heilung.  Prager  med.  Wochenschrift  1882.  Nr.  21  und  22. 


Zur  Chirurgie  der  Gallemvege. 


505 


der  Galle  in  den  Dann  herzustellen.  Ich  gehe  auf  die  Einzelheiten  nicht  näher 
ein,  da  sie  ja  doch  nur  für  mich  selbst  Interesse  haben.  Als  ich  den  Fall  publi- 
zierte, war  der  Patient  seit  mehreren  IMonaten  geheilt  gewesen;  die  Galle  ent- 
leerte sich  seit  dieser  Zeit  vollständig  in  den  Darm.  Einige  Zeit  darauf  stellte 
sich  der  INIann  wieder  vor,  weil  eine  der  früheren  Fistelöffnungen  anfgebrochen 
war  und  Eiter,  aber  keine  Galle  entleerte.  Die  Eiterung  hörte  l^ald  auf,  dann 
begann  sie  von  neuem,  bis  endlich  eine  Erweiterung  mittels  Laminaria  vor- 
genommen wurde ; mair  gelangte  dadurch  in  einen  Hohlraum  anscheinend  zwischen 
der  Muskulatur  der  Bairchwand  und  dem  verdickten  Peritoneum , aus  welchem 
ein  mehrere  Centimeter  langes  Stück  Kautschukdrain  extrahiert  wurde.  Wann 
und  auf  welche  Weise  dasselbe  in  den  Körper  geraten  war,  konnte  nicht  mehr 
eruiert  werden ; der  Patient  hatte  sich  monatelang  sozusagen  selbst  behandelt, 
als  die  äussere  Gallenfistel  noch  persistierte,  und  sich  in  dieselbe  Drains  ein- 
geführt. Wahrscheinlich  war  eines  derselben  in  die  Tiefe  geglitten  und  daselbst 
zurückgeblieben;  es  ist  auch  nicht  unwahrscheinlich,  dass  durch  den  Fremdkörper 
das  lange  Offenhleiben  der  äusseren  Gallenfistel  bewirkt  worden  war.  Nach  Ex- 
traktion des  Drains  blieb  die  Fistel  definitiv  geschlossen.  Der  IMann  befand  sich 
ganz  wohl,  er  war  arbeitsfähig;  von  Zeit  zu  Zeit  jedoch  traten  leichte  Anfälle 
von  Icterus,  ohne  Entfärbung  der  Faeces,  auf,  ohne  Schmerzen,  gewöhnlich  wenn 
er  vernachlässigt  hatte,  für  regelrechte  Stuhlentleerungen  Sorge  zu  tragen.  Ich 
schrieb  diese  Anfälle  einer  vorübergehenden  Verlegung  der  Gallenl^lasendarm- 
fistel  zu ; es  bedurfte  dann  nur  einer  Dosis  Karlsbadersalz  und  etwas  Massage 
der  Gallenblasengegend,  um  die  Gallencirkulation  wieder  in  Gang  zu  bringen. 
Etwa  zwei  Jahre  nach  der  Operation  hörten  auch  diese  IMahnungen  an  das  frühere 
Leiden  auf  und  ich  verlor  den  Mann  aus  dem  Gesichte.  Im  HeiLst  des  Jahres 
1887  erfuhr  ich,  dass  er  vor  2 Monaten  in  seiner  Heimat  angeblich  an  einer 
Apoplexie  (?)  gestorben  sei.  Die  Sektion  war  natürlich  nicht  gemaclit  worden;  der 
Arzt,  der  den  Kranken  behandelt  hatte,  war  ebenfalls  tot;  ich  kann  daher  Nichts 
weiter  über  den  schliesslichen  Ausgang  des  Falles  angeben,  als  dass  der  IMann 
mit  seiner  Gallenblasendarmfistel  mindestens  5 Jahre  nach  der  Operation  gelel)t  hat. 


Wenn  man  die  eben  angeführten  Fälle  überblickt,  so  sieht 
man,  dass  mit  Ausnahme  des  Falles  Nr.  9 und  des  zuletzt  citierten, 
schon  früher  publizierten  Falles  von  Cholecystenterostomie , der 
wegen  Verschluss  des  D.  choledochus  und  kolossaler  Ausdehnung 
der  Gallenblase  operiert  worden  war,  stets  Gallensteine  bei  meinen 
Operierten  gefunden  wurden.  Daraus  geht  hervor,  dass  die  Chole- 
lithiasis  weitaus  die  häufigste  Affektion  ist,  welche  Gelegenheit 
zu  Operationen  an  den  Gallen  wegen  giebt;  selbst  das  Carcinom 
der  Gallenblase  entwickelt  sich  wahrscheinlich  häufiger  in  einer 
steinhaltigen  als  in  einer  gesunden  Blase.  Wenn  aber  auch  in 
allen  meinen  Fällen  Gallensteine  gefunden  wurden,  so  kann  man 
doch  nicht  ohneweiters  sagen , dass  die  pathologischen  Symp- 
tome, welche  die  Kranken  veranlassten,  ärztliche  Hilfe  aufzusuchen, 
stets  die  gleichen,  ja  auch  nur  ähnliche  waren.  Im  Gegenteil, 
die  Krankheitsbilder  waren  sehr  verschieden  voneinander,  und  der 


506 


A.  ^■on  Winiwarter. 


Umstand,  dass  trotz  meines  an  Zahl  geringen  Materials,  welches 
sich  ja  nicht  im  Entferntesten  mit  dem  Riedels  z.  B.  messen 
kann,  so  ungleiche  Fälle  vorkamen,  beweist,  dass  nicht  das  Vor- 
handensein der  Gallensteine  allein,  sondern  vorzüglich  die  sekun- 
dären Veränderungen  des  Galle  secernierenden  und  abführenden 
Apparates  für  das  Handeln  des  Chirurgen  von  Bedeutung  sind. 

Man  kann,  ohne  Widerspruch  fürchten  zu  müssen,  sagen, 
dass  die  Cholelithiasis  an  und  für  sich  mehr  eine  zufällige  Anomalie 
als  eine  Krankheit  ist,  dass  sie  aber  in  jedem  Momente  zu  sehr 
ernsten  Erkrankungen  führen  kann  und  dass  mit  dem,  was  man 
gewöhnlich,  besonders  vom  Standpunkte  des  internen  Klinikers 
aus,  als  Gallensteinkrankheit  bezeichnet,  nämlich  die  Koliken  und 
den  Icterus,  die  Sache  keineswegs  erschöpft  ist. 

Wenn  man  die  Patienten  mustert,  welche  von  ihren  Gallen- 
steinen leiden,  so  kann  man  ungefähr  folgende  Typen  von  Fällen 
unterscheiden,  je  nach  dem  Symptome,  welches  in  den  Vorder- 
grund tritt:  1.  Die  Patienten  leiden  an  Anfällen  von  Gallen- 
Steinkolik,  mit  vorübergehendem  Icterus,  während  sie  in  der 
Zwischenzeit  relativ  wohl  sind.  Das  sind  jene  Fälle,  welche  wie 
viele  Arthritiker  \delleicht  bis  ans  Lebensende  vorzugsweise  den 
internen  Kliniker  und  den  Hausarzt  beschäftigen,  die,  wenn  sie 
vermögend  sind,  jedes  Jahr  ihre  Badekur  in  Karlsbad,  in  Vichy 
u.  s.  w.  durchmachen  und  die,  soferne  keine  ernsteren  Erschei- 
nungen auftreten,  dem  Chirurgen  nur  durch  Zufall  zu  Gesicht 
kommen.  2.  Die  Patienten  sind,  nachdem  vielleicht  zahlreiche 
Anfälle  von  Gallensteinkolik  anstandslos  vorübergegangen  waren, 
an  akuter  Angiocholitis  mit  circumscriiDter  Peritonitis  (Perichole- 
cystitis) erkrankt : es  h at  sich  ein  A b s c e s s um  die  G a 1 1 e n w e g e 
gebildet,  der  sich  selbst  überlassen  entweder  zum  Durchbruche 
nach  aussen  oder  in  den  Darm,  oder  im  ungünstigsten  Falle  zu 
einer  tödlichen  allgemeinen  Peritonitis  führt.  Der  Icterus  und  die 
Gallenstauung  sind  dabei  ganz  nebensächlich.  3.  Die  Patienten 
zeigen  die  Symptome  einer  vollkommenen  Galle nr et ention, 
die  vor  Kurzem  ganz  plötzlich  ohne  alle  Vorboten  bei  einem  an- 
scheinend gesunden  Individuum  oder  im  Gefolge  früherer  Anfälle 
von  Gallensteinkoliken  aufgetreten  ist.  Diese  Fälle  unterscheiden 
sich  von  denen  der  ersten  Kategorie  dadurch , dass  die  Gallen- 
retention in  der  Leber  eine  dauernde  wird  und  nicht  mehr  als 
concomitierender  katarrhalischer  Icterus  von  dem  Kolikanfalle  ab- 
hängt. Sehr  gewöhnlich  haben  die  Schmerzen,  wie  sonst  in  der  Regel, 
mit  dem  Anfall  aufgehört  und  sind  nicht  wiedergekehrt,  sodass 
der  Patient  sogar  gegen  Druck  kaum  empfindlich  ist.  Neben  dem 


Zur  Chirurgie  der  Gallenwege. 


507 


Icterus  und  der  Entfärbung  der  Faeces  sind  fortwährendes  Haut- 
jucken, Schlaflosigkeit,  ^^erdauungsstörungen,  dann  Vergrösserung 
der  Leber  die  wesentlichen  Krankheitserscheinungen.  4.  Es  haben 
sich,  nachdem  längere  Zeit  hindurch  absolute  Gallenretention  be- 
standen hatte,  die  sekundären  Veränderungen  des  cholämischen 
Marasmus  entwickelt.  In  diesen  Fällen  ist  wesentlich  der  All- 
gemeinzustand schwer  alteriert.  Dabei  kann  der  lokale  Befund 
der  Gallenwege  sehr  verschieden  sein,  wesentlich  ist  nur,  dass  die 
Galle  in  der  Leber  zurückgehalten  wird,  entweder  weil  der  D. 
choledochus  und  gleichzeitig  der  D.  cysticus  impermeabel  sind, 
oder  weil  bei  Impermeabilität  des  ersteren  die  Gallenblase  virtuell 
supprimiert  ist,  entweder  weil  sie  durch  einen  Stein  ausgefüllt, 
oder  weil  sie  vollkommen  geschrumpft  und  unausdehnbar  gewor- 
den ist.  Wenn  der  D.  choledochus  impermeabel,  die  Gallenblase 
aber  frei  und  nicht  degeneriert  ist,  dann  wird  zwar  ebenfalls  die 
Galle  vom  Darm  abgehalten,  aber  sie  sammelt  sich  dann  in  der 
Gallenblase  an  und  dehnt  dieselbe  aus;  die  Wirkung  der  Retention 
auf  die  Leber  ist  also  keine  so  direkte,  indem  die  Gallenblase  die 
Rolle  eines  Sicherheitsreservoirs  spielt.  Die  Leber  ist  nach  länger 
dauernder  Retention  gewöhnlich  nicht  vergrössert,  oder  sogar  ver- 
kleinert, atrophisch.  5.  Es  fehlen  die  Gallensteinkoliken,  es  be- 
steht weder  Icterus  noch  Entfärbung  der  Faeces,  die  Patienten 
leiden  an  den  vieldeutigen  Beschwerden,  welche  durch  die  Gegen- 
wart eines  irritierenden  Fremdkörpers  in  der  Gallenblase 
hervorgebracht  werden.  Je  nach  der  Intensität  dieser  Beschwer- 
den sind  die  Fälle  äusserst  verschieden,  indem  von  dem  Gefühl 
des  Druckes  und  der  Völle  angefangen  bis  zum  intensiven  Schmerz 
alle  Uebergangsstufen  Vorkommen.  Dieser  Schmerz  ist  aber  durch- 
aus verschieden  von  den  die  Gallensteinkoliken  begleitenden 
Schmerzanfällen.  In  diese  Kategorie  von  Fällen,  welche  die  am 
wenigsten  charakteristischen  Symptome  einer  Affektion  der  Gallen- 
wege darbieten,  gehören  wahrscheinlich  eine  Menge  von  Indivi- 
duen, die  unter  der  Diagnose  nervöser  Dyspepsie,  Gastralgie, 
chronischer  Gastritis,  Stauung  im  Pfortadersystem,  Neurasthenie 
u.  s.  w.  sich  selbst  und  den  Aerzten  zur  Qual  werden,  weil  die 
wahre  Natur  des  Leidens  sich  der  Diagnose  vollkommen  entzieht 
und  weil  man  gar  nicht  an  die  Existenz  von  Gallensteinen  denkt 
bei  Leuten,  die  nie  Icterus,  nie  Koliken  gehabt  haben,  keinen 
Gallenblasentumor  aufweisen  u.  s.  w.  Ich  gehe  nicht  näher  auf 
die  Besprechung  der  Diagnose  solcher  Fälle  ein,  weil  man  dieselbe 
in  der  Monographie  Riedel’s  auf  Grundlage  eines  bedeutenden 
Materials  abo-ehandelt  findet;  nur  möchte  icli  ausdrücklich  Riedel 


508 


A.  von  Winiwarter. 


beistimmen,  wenn  er  sagt,  dass  die  allgemein  angenommene  ab- 
solute Symptomlosigkeit  vieler  Gallensteine  denn  doch  mit  einiger 
Reserve  aufzufassen  sei.  Wir  dürfen  nicht  vergessen,  dass  die 
Sektionsbefunde , welche  uns  zu  Gebote  stehen,  im  Grossen  und 
Ganzen  ein  wesentlich  anderes  Materiale  betreffen  als  das,  nach 
welchem  wir  unsere  Beobachtungen  am  Lebenden  machen.  Es 
ist  richtig,  dass  man  bei  Sektionen  sehr  häufig  Gallensteine  vor- 
findet, ohne  dass  der  behandelnde  Arzt  eine  Ahnung  von  ihrer 
Existenz  hatte  und  ohne  dass  sich  der  Kranke  jemals  über  Schmer- 
zen u.  s.  w.  beklagt  hätte.  Ebenso  sicher  ist  es  andererseits,  dass 
die  grosse  Mehrzahl  jener  Patienten,  die  an  den  früher  erwähnten 
dunklen  Symptomen  nervöser  Dyspepsie,  Gastralgie  u.  s.  w.  leiden, 
nicht  zur  Sektion  kommen,  weil  sie  nicht  an  diesen  Affectionen  sterben. 
Solche  Beschwerden  beobachtet  man  ja  überhaupt  nur  an  jMenschen 
der  wohlhabenderen  Klassen,  die  das  Glück  oder  das  Unglück  haben, 
sich  um  dieselben  kümmern  zu  können.  Menschen,  die  fortwäh- 
rend arbeiten  müssen,  und  arme  Teufel,  die  nicht  die  Mittel  haben, 
eine  kostspielige  Behandlung  durchzuführen,  empfinden  sie  gewiss 
ebenfalls,  aber  für  dieselben  sind  sie  ein  Uebel,  welches  ohne  viel 
zu  reden  ertragen  werden  muss,  weil  es  nicht  zu  ändern  ist.  Un- 
sere Obduktionen  werden  fast  ausschliesslich  an  den  im  Kranken- 
hause Verstorbenen  gemacht,  an  den  Leichen  von  Individuen, 
welche  sicher  nicht  wegen  ihrer  nicht  diagnosticirten  Cholelithia- 
sis  das  Hospital  aufgesucht  haben:  es  ist  daher  ganz  begreiflich, 
dass  die  Aufmerksamkeit  der  behandelnden  Aerzte  und  der  Pa- 
tienten selbst  nicht  auf  die  etwa  vorhandenen  dunklen,  von  der 
tödlichen  Hauptkrankheit  ganz  in  den  Hintergrund  gedrängten 
Symptome  der  Cholelithiasis  gelenkt  wurde.  Wenn  dann  bei  der  Ob- 
duktion die  Gallensteine  gefunden  werden,  kann  man  freilich  den 
Kranken  nicht  mehr  fragen,  ob  er  nicht  doch  von  denselben  ge- 
litten hat.  6.  Die  Patienten  präsentieren  die  Symptome  eines 
Bauchtumors,  bedingt  durch  die  vergrösserte  Gallenblase.  Da- 
bei hängt  es  von  den  begleitenden  Lhnständen  ab,  ob  Icterus  vor- 
handen ist  oder  nicht ; notwendig  ist  er  keineswegs,  ebenso  wenig 
als  die  Gallensteine  notwendig  sind,  um  eine  V olumsvergrösserung 
der  Gallenblase  herbeizuführen.  Dieselbe  kann  nämlich  auch  be- 
dingt sein  durch  Impermeabilität  des  D.  cysticus  oder  des  D. 
choledochus,  infolge  von  Kompression  derselben,  durch  einen 
Tumor  der  Porta  hepatis,  des  Duodenum,  des  Pankreas  etc.,  durch 
peritoneale  Schwielen,  oder  in  Folge  von  Knickung,  Verwachsung 
u.  s.  w.  Dies  war  der  Fall  bei  meinem  ersten  Patienten,  an  dem 
ich  die  Cholecystenterostomie  vorgenommen  hatte,  und  bei  dem 


I 


Zur  Chirurgie  der  Gallenwege. 


509 


Patienten  Kappel  er ’s,  an  welchem  derselbe  die  erste  einzeitige 
Cliolecystenterostomie  ausführte  (Tumor  des  Pankreas  mit  Kom- 
pression oder  Durchwachsung  des  D.  choledochus  und  Icterus). 
Die  Gallenblase  enthält  in  diesen  Fällen  entweder  reine  Galle, 
wenn  die  Kommunikation  mit  der  Leber  erhalten  blieb,  oder  wenn  der 
D.  cysticus  aus  irgend  einem  Grunde  unwegsam  ist,  eine  schleimige 
oder  seröse  Flüssigkeit  von  wechselnder  Zusammensetzung,  in 
welcher  höchstens  noch  Spuren  von  Galle  oder  Reste  von  galligem 
Bodensätze  nachzuweisen  sind.  Unter  den  zuerst  angeführten  Um- 
ständen besteht  in  der  Regel  Icterus,  während  er  bei  Impermea- 
bilität des  D.  cysticus  vollkommen  fehlen  kann,  wie  es  z.  B.  bei 
der  früher  erwähnten  Patientin  Nr.  8 der  Fall  war.  Ausserdem 
beobachtet  man  die  Symptome,  welche  durch  das  Volumen  des 
Gallenblasentumors,  durch  sein  Gewicht,  durch  die  Kompression 
und  die  Zerrung  der  Nachbarorgane  bedingt  sind.  Dabei  ist  der 
Tumor  selbst  nicht  immer  deutlich  zu  fühlen,  da  er  durch  die 
vorgelagerte  Leber  und  auch  durch  das  Quercolon  verdeckt  sein 
kann ; in  den  charakteristischen  Fällen  palpiert  man  eine  im  Ganzen 
rundliche,  glatte  oder  leicht  höckerige  Geschwuslt,  unterhalb  der 
Leber  hervorragend,  sich  mit  derselben  confundierend  oder  mehr 
oder  weniger  von  derselben  entfernt.  Dabei  ist  es  wichtig  zu 
wissen,  dass  diese  Geschwulst  sehr  beweglich  sein  kann  (vergl.  den 
Fall  8) , sodass  sie  bis  weit  unter  den  Nabel  heruntersinken  und 
noch  tiefer,  fast  bis  in  das  Becken  verschoben  werden  kann.  Es 
existieren  in  Bezug  auf  die  Beweglichkeit  des  Gallenblasentumors 
überhaupt  sehr  grosse  Verschiedenheiten.  So  weit  ich  aus  eigener 
Erfahrung  urteilen  kann,  ist  die  vergrösserte  Gallenblase,  so  lange 
sie  kein  sehr  beträchtliches  Volumen  erreicht,  nur  wenig  beweg- 
lich; ebenso  ist  sie  bei  den  allerhöchsten  Graden  der  Ausdehnung 
nicht  verschiebbar,  weil  sich  das  Organ  dann  retroperitoneal  ent- 
wickelt und  wie  in  meinem  ersten  Falle  von  Colecystenterostomie 
die  ganze  rechte  Seite  des  Abdomen  bis  in  die  Fossa  iliaca  ein- 
nehmen kann,  das  Colon  ascendens  vollkommen  bis  zur  Median- 
linie und  darüber  hinaus  verdrängend  oder  vielmehr  abhebend. 
Die  Fälle  mit  scheinbar  sehr  beweglichem  Gallenblasentumor  liegen 
offenbar  in  der  Mitte  zwischen  beiden  Extremen;  es  ist  ja  auch 
bei  diesen  die  Beweglichkeit  nur  eine  scheinbare,  hervorgebracht 
dadurch,  dass  der  untere  freie  Teil  der  Blase  gewissermassen  pedi- 
culisiert  ist,  während  sich  der  obere  Teil  nach  aufwärts  unter  die 
Leber  fortsetzt  und  innig  mit  derselben  verschmolzen  ist. 

Die  Fälle  von  Carcinom  der  Gallenblase,  ob  mit  Cholelithiasis 
oder  ohne  dieselbe,  treten  nicht  immer  unter  den  Symptomen 


510 


A.  von  Winiwarter. 


eines  Abdominaltumors  auf,  d.  h.  es  ist  nicht  das  Volumen  der 
Geschwulst,  welches  die  Störungen  veranlasst,  sondern  es  ist  die 
Gallenstauung  in  der  Leber,  die  Verdauungsstörung,  der  Schmerz, 
der  im  Vordergründe  des  Krankheitsbildes  steht. 

Was  nun  die  Gallensteine  betrifft,  so  können  sie  auf  ver- 
schiedene Weise  zur  Vergrösserung  der  Gallenblase  Anlass  geben. 
Zunächst  natürlich  durch  ihr  Volumen:  es  können  so  grosse  oder 
so  zahlreiche  Konkremente  vorhanden  sein,  dass  die  Blase  einen 
wahrhaften  Steintumor  vorstellt ; damit  sich  derartige  Massen 
bilden  können,  muss  die  Galle  frei  in  die  Gallenblase  eintreten 
können ; man  findet  daher  bei  Sektionen  nicht  selten  gerade  recht 
grosse  Steine  ganz  mit  flüssiger  Galle  umgeben.  In  anderen  Fällen 
scheint  die  Gegenwart  selbst  eines  einzigen  Konkrementes  von 
mässigen  Dimensionen  auf  die  Wandungen  der  Gallenblase  einen 
Reiz  auszuüben,  durch  welchen  sich  eine  excentrische  Hypertrophie 
des  ganzen  Organes  entwickelt.  Die  höheren  Grade  von  Ver- 
grösserung desselben  kommen  jedoch  zu  Stande  entweder  durch 
Steine  im  Ductus  choledochus,  wobei  die  Galle  statt  in  den  Darm 
abzufliessen  sich  in  der  Gallenblase  anhäuft,  oder  durch  Verlegung 
des  D.  cysticus.  Letzteres  kann  geschehen  dadurch,  dass  sich 
ein  Stein  im  Ductus  cysticus  festsetzt,  oder  dass  derselbe,  wie  in 
meinem  Falle  Nr.  8 durch  einen  Divertikelstein  comprimiert  oder 
abgeknickt  wird.  Es  tritt  dann  zwar  keine  Galle  mehr  in  die 
Blase  ein,  aber  die  Schleimhaut  fährt  fort  zu  secernieren  und  es 
sammelt  sich,  wahrscheinlich  begünstigt  durch  den  Reiz  des  Steines, 
eine  immer  grössere  Quantität  Sekret  an,  während  die  Wandungen, 
die  Schleimhaut  sowohl,  wie  die  Muscularis,  sich  in  eben  demsel- 
ben Masse  verdicken,  als  sich  die  Höhlung  erweitert.  Damit  aber 
in  beiden  Fällen  eine  erhebliche  Ausdehnung  der  Gallenblase  er- 
folgen kann,  darf  deren  Wandung  nicht  früher  schon  geschrumpft 
und  narbig  verändert  und  die  Schleimhaut  atrophiert  sein,  sie 
muss  ihre  sekretorische  Thätigkeit  bewahrt  haben.  Ist  dies  nicht 
der  Fall,  so  tritt  keine  Flüssigkeitansammlung  auf,  sondern  sowie 
die  Kommunikation  mit  der  Leber  unterbrochen  ist,  wird  die  noch 
vorhandene  Galle  resorbiert  und  die  AVandung  der  Gallenblase 
retrahiert  sich ; wenn  ein  Stein  in  der  Blase  vorhanden  ist , so 
legt  sie  sich  demselben  an,  oder  wenn  sie  leer  ist,  entsteht  zu- 
nächst ein  Hydrops  vesicae  felleae  mässigen  Grades,  dann  wird 
auch  dieser  resorbiert  und  die  Blase  schrumpft  zusammen.  Bei- 
spiele für  das  Gesagte  finden  sich  in  den  Krankengeschichten 
Nr.  1 und  4. 

Aus  dem  Gesagten  ergiebt  sich,  wie  mannigfach  die  Symp- 


Zur  Chirurgie  der  Gallenwege. 


511 


tome  sind,  welche  durch  Gallensteinbildung  gegeben  sein  können, 
und  wie  schwer  es  ist,  die  Erkrankungen  der  Gallenwege,  welche 
nicht  durch  Steinbildung  compliciert  sind,  von  den  Formen,  unter 
denen  die  Cholelithiasis  auftritt,  zu  unterscheiden.  Wenn  aber 
auch  die  Differentialdiagnose  nicht  immer  gestellt  werden  kann, 
so  ist  das  für  die  Therapie  von  geringerer  Bedeutung;  \del  wich- 
tiger ist  es,  möglichst  frühzeitig  die  Diagnose  der  Gallenstein- 
krankheit zu  stellen,  denn  nach  meiner  Ansicht,  — ich  habe  das  seit 
Jahren  in  meiner  Khnik  gelehrt,  — ist  die  Existenz  von  Gallen- 
steinen, sobald  sie  überhaupt  Symptome  machen,  die  Indikation 
zu  ihrer  operativen  Entfernung.  Und  zwar  ist  es,  wie  ich  in 
vollster  Uebereinstimmung  mit  Riedel  erkläre,  von  der  grössten 
Bedeutung,  dass  die  Steine  entfernt  werden,  solange  sie  noch  in 
der  Gallenblase  sind  und  noch  keine  sekundären  Veränderungen 
hervorgerufen  haben ; die  Operation  soll  als  Normalmethode  der 
Behandlung  so  frühzeitig  als  möglich  ausgeführt  werden  und  niclit 
als  remedium  ultimum  gelten.  Denn,  wie  schon  früher  gesagt,  die 
Cholelithiasis  kann  in  jedem  Moment  ein  nicht  nur  die  Gesund- 
heit, sondern  das  Leben  bedrohender  Zustand  werden,  und  dieser 
Eventualität  soll  durch  die  Operation  vorgebeugt  werden.  Eine 
derartige  Anschauungsweise  erscheint  im  ersten  Moment  als  über- 
trieben und  ungerechtfertigt;  die  Nicht-Chirurgen  werden  auf  die 
günstigen  Wirkungen  hinweisen,  welche  man  durch  eine  rationelle 
medikamentöse  Therapie  bei  Gallensteinkranken  erzielt,  und  sich 
immer  wieder  darauf  stützen,  dass  verhältnismässig  grosse  Gallen- 
steine auf  natürlichem  Wege  abgehen  können  und  auch  wirklich 
abgehen.  Kann  aber  irgend  jemand,  auch  der  umsichtigste  Arzt, 
bei  einem  Kranken  mit  Gallensteinkoliken  garantieren,  wie  der 
Anfall,  der  in  der  gewöhnlichen  Weise  begonnen  hat,  ausgehen 
werde?  Das  Sprichwort  sagt:  der  Krug  geht  so  lange  zum  Brunnen, 
bis  er  bricht,  und  die  Gallensteinkoliken  können  wiederholt  ohne 
Unfall  ertragen  w^erden,  bis  zuletzt  doch  dauernde  Gallenretention 
eintritt,  oder  ‘eine  Perforation  der  Gallenwege  erfolgt.  Und  wenn 
Gallensteine  durch  den  Darm  abgegangen  sind,  sei  es  spontan, 
sei  es  nach  einer  Kur,  wer  kann  verbürgen,  dass  Nichts  mehr  in 
den  Gallenwegen  zurückgeblieben  ist  und  dass  das  Resultat  der 
Kur  etwas  anderes  als  einen  momentanen  Erfolg  bedeutet? 

Ich  will  hier  noch  einen  Fall  anführen,  der  zwar  nicht  direkt  mit  meinem 
Thema  zusammenhängt,  der  aber  einen  neuen  Beweis  dafür  liefert,  dass  selbst 
der  spontane  Abgang  von  Gallensteinen  durch  den  Darm  Gefahren  herbeiführen 
kann,  an  die  man  gar  nicht  denkt. 

Im  April  1888  wurde  ich  zu  einer  alten  Frau  gerufen,  die  vor  wenigen 
Tagen  unter  den  Symptomen  von  akutem  Ileus  erkrankt  war.  Trotz  aller  an- 


512 


A.  von  ^Vinivvarter. 


gewandten  Mittel  war  weder  Stuhlgang  erfolgt,  noch  hatten  sich  Gase  entleert 
lind  seit  24  Stunden  hatte  das  Erbrochene  entschieden  den  Charakter  von  Darm- 
inhalt angenommen.  Ich  fand  eine  fast  80jährige,  ungewöhnlich  grosse  und 
kräftige,  ausserordentlich  korpulente  Frau,  stocktaub;  mit  gelblicher  aber  nicht 
icterischer  Färbung  der  Haut,  unregelmässigem,  intermittierendem  Pulse,  ein- 
trocknender Zunge  und  fäkulentein  Foetor  ex  ore.  Anamnestisch  war  von  der 
Umgebung  der  Kranken  nur  soviel  zu  erfahren,  dass  sie  vor  Jahren  eine  »Peri- 
tonitis« überstanden  habe  und  stets  an  Konstipation  leide  — sie  habe  daher 
anfangs  die  Stuhlverhaltung  gar  nicht  weiter  beachtet,  bis  heftige  Schmerzen 
im  rechten  Hypogastrium  aufgetreten  seien,  welche  noch  jetzt  andauern.  Ausser- 
<lem  erklärte  man  mir  sofort,  dass  die  alte  Frau  gewohnt  war,  grosse  Mengen 
von  Spirituosen  (»Genievre«)  zu  sich  zu  nehmen,  dass  sie  sich  aber  seit  ihrer  Er- 
krankung hartnäckig  weigere,  irgend  etwas,  besonders  aber  Alkohol  zu  geniessen, 
und  deshalb  sehr  geschwächt  sei.  Die  Untersuchung  ergab  einen  bis  auf  die 
Mitte  der  Schenkel  herabreichenden  Hängehauch  mit  starker  meteoristischer  Auf- 
treibung und  Spannung  des  Unterleibes,  besonders  nach  der  Mitte  zu,  während 
die  Seitengegenden  weniger  stark  hervortraten.  Von  einem  Tumor  war  in  der 
Dauchhöhle  bei  dem  ausserordentlichen  Fettreichtum  der  Bauchdecken  und  der 
Distension  der  Därme  Nichts  nachzuweisen,  — unter  dem  rechten  Ligamentum 
Poupartii  besteht  eine  kleine,  von  schlaffer  Haut  bedeckte,  unverschiebbarej 
matten  Perkussionsschall  darbietende,  elastisch  derbe,  auf  Druck  schmerzhafte 
Geschwulst,  einer  Schenkelhernie  entsprechend,  welche  die  Patientin  seit  Jahren 
getragen  hat,  ohne  ein  Bruchband  zu  benützen,  und  die  stets  das  gegenwärtige 
Volumen  gezeigt  haben  soll.  Soviel  man  aus  der  vollkommen  tauben  und  nebst- 
bei etwas  schwachsinnigen  Person  herausbringen  kann,  ist  die  Hernie  niemals 
reponibel  gewesen  und  hat  sich  seit  dem  Auftreten  des  Ileus  nicht  verändert. 

Die  Diagnose  des  Falles  war  nicht  klar;  da  jedoch  unzweifelhaft  eine  Hernie 
vorhanden  war,  so  beschloss  ich  sofort,  dieselbe  frei  zu  legen,  obschon  keine 
lokalen  Einklemmungserscheinungen  an  derselben  zu  erkennen  waren.  Die  Opera- 
tion war  durch  das  kolossale  Fettpolster  erschwert:  nach  Sjialtung  des  Bruch- 
sackes, der  etwas  rötlich  trübe  Flüssigkeit  enthielt,  zeigte  sich  als  Hauptbestand- 
teil der  Hernie  das  mit  dem  Bruchsack  verwachsene  Netz;  ausserdem  aber  lag 
eine  ganz  leere  Dünndarmschlinge  vor,  welche  am  Bruchsackhalse  deutlich  eine 
Depression , — aber  keine  eigentlichen  Incarcerationssymptome  zeigte ; sie 
war  ebenfalls  mit  dem  Bruchsacke  verwachsen.  Nach  Lösung  der  Adhäsionen, 
Erweiterung  der  Bruchpforte,  Abbindung  und  Resektion  des  Netzes  entleerte 
sich  aus  der  Bauchhöhle  ziemlich  viel  rötlich -trübes,  klebriges  Serum.  Ich  zog 
die  Darmschlinge  etwas  hervor,  konnte  aber  nichts  Abnormes  wahrnehmen  — 
ich  war  einigermassen  im  Zweifel,  ob  die  Obstruktion  endgültig  belieben  sei, 
stand  jedoch  vorläufig  von  einem  weiteren  Eingriffe  ab,  um  das  Resultat  der 
Oiieration  abzuwarten.  Der  Darm  wurde  ringsum  mit  Jodoformgaze  umgelien, 
und  ein  mit  einem  Gazestreifen  umwickeltes  dickes  Drainrohr  durch  die  erweiterte 
Bruchpforte  einige  Centimeter  weit  in  die  Bauchhöhle  eingeschoben. 

Am  nächsten  Morgen  waren  die  Allgemeinsymptome  nicht  verändert,  ob- 
schon die  Patientin  weniger  Schmerzen  empfunden  hatte.  Ich  schritt  daher  so- 
fort zur  Eröffnung  der  Bauchhöhle.  Die  Patientin  hatte  als  einzige  bei  Druck 
schmerzhaftere  Stelle  die  Ileocoecalgegend  angegehen:  ich  erweiterte  daher  zu- 
nächst die  Herniotomiewunde  nach  aufwärts  durch  einen  Schnitt  parallel  zur 
Mittellinie.  Die  stark  ausgedehnten,  intensiv  roten  Dünndarmschlingen  prohibierten 
sofort  und  wurden,  in  Kompressen  eingeschlagen,  nach  rechts  gewälzt;  dann 


Zur  Chirurgie  der  Gallenwege. 


513 


suchte  ich  die  am  gestrigen  Tage  i'reigelegte  Dünndarnischlinge  auf;  sie  war 
noch  immer  leer,  ich  verfolgte  sie  nach  aufwärts  und  spürte  sofort  einen  volumi- 
nösen, harten  Körper  im  Innern  des  Darmes,  der  sich  als  ein  eiförmiger,  an  der 
Oberfläche  leicht  drüsiger,  das  Lumen  des  Darmes  vollständig  ausfüllender  Stein 
vom  Volumen  einer  grossen  Pflaume  herausstellte.  Er  steckte  ursprünglich  unmittel- 
bar oberhalb  der  an  der  Bruchpforte  angewachsenen  Stelle,  welche  deutlich  erkenn- 
bar war;  daselbst  bestand  eine  ringförmige  Druckmarke  mit  deutlicher  weisslicher 
Verfärbung,  in  welche  der  Stein  genau  hineinpasste;  die  Wandung  des  Darmes  lag 
dem  Fremdkörper  seinem  ganzen  Umfange  nach  innig  an.  Unterhalb  des  Steines 
war  der  Darm  zusammengezogen  und  leer , ebenso  das  Colon , während  ober- 
halb desselben  das  Ileum  stark  ausgedehnt  war.  Ich  schnitt  sofort  in  der 
Längsachse  des  Darmes  auf  ihn  ein  und  extrahierte  ihn;  es  war  ein  zrveifellos 
als  solcher  zu  erkennender  grosser  Gallenstein,  der  grösste  den  ich  je  extrahiert 
habe  (30  gr.  schwer  im  getrockneten  Zustande).  Der  ganze  Sachverhalt  klärte 
sich  durch  diesen  Befund  vollkommen  auf.  Die  Ileumschlinge,  welche  innerhalb 
der  Bruchpforte  fixiert  war,  war  permeabel  gewesen  für  den  Darminhalt  und  die 
Gase;  als  jedoch  der  Gallenstein  den  Bruch  passieren  sollte,  war  das  Miss- 
verhältnis zwischen  ihm  und  dem  etwas  verengerten  Darm  zu  gross  und  der  Stein 
blieb  oberhalb  der  Bruchpforte  stecken,  das  Darmlumen  wie  ein  solider  Pfropf 
verlegend.  Nachdem  ich  am  Tage  zuvor  die  Ilerniotomie  gemacht,  die  Bruch- 
pforte erweitert  und  den  Darm  gelöst  hatte , lag  allerdings  kein  absolutes 
Hindernis  mehr  für  seine  Passage  vor,  allein  der  Darm  war  in  diesem  Momente 
bereits  so  paralytisch,  dass  er  keiner  peristaltischen  Bewegungen  mehr  fähig 
war.  Nun  drängte  sich  noch  die  Frage  auf,  ob  der  Gallenstein  bereits  längere 
Zeit  innerhalb  des  Darmes  verweilt  habe,  ohne  Obstruktionserscheinungen  her- 
vorzurufen, oder  ob  er  erst  in  den  letzten  Tagen  aus  der  Gallenblase  ausgetreten 
sei.  Darüber  liess  sich  jedoch  keine  Sicherheit  gewinnen,  ebensowenig  über  den 
Weg,  den  der  Stein  genommen,  ob  er  den  D.  choledochus  passiert  oder  etwa 
eine  Verwachsung  des  Dünndamies  mit  der  Gallenblase  perforiert  habe.  Mit 
letzterer  Plypothese  wäre  vielleicht  die  angebliche  »Peritonitis« , an  welcher 
die  Kranke  in  früherer  Zeit  gelitten  haben  soll,  in  Verbindung  zu  bringen; 
absolut  undenkbar  ist  es  aber  nicht,  dass  der  Stein  auf  dem  natürlichen  Wege 
in  den  Darm  geraten  sei.  Rokitansky  giebt  an,  dass  der  Ductus  choledochus 
an  Weite  zuweilen  den  Dünndarm  übertrilft  und  es  existieren  bekanntlich  eine 
ganze  Anzahl  Beobachtungen  von  Gallensteinen,  welche  iricht  im  D.  choledochus, 
wohl  aber  innerhalb  des  normalen  Darnres,  nicht  wie  in  diesem  Falle  an  einer 
Bruchpforte,  aufgehalten  wurden  und  Obstruktion  desselben  herbeiführten. 

Nach  Extraktion  des  Steines  entleerte  ich  den  ausgedehnten  Darm  so\del 
als  möglich  von  seinem  dünnflüssigen  Inhalt  und  von  Gas,  dann  schloss  ich  die 
Incision  durch  einige  Nähte;  da  jedoch  die  Wandung  an  der  Druckstelle  sehr 
suspekt  aussah,  lagerte  ich  die  Darmschlinge  ausserhalb  der  Bauchhöhle,  fixierte 
sie,  um  ihr  Zurückgleiten  zu  verhindern,  wusch  die  Peritonealhöhle  mit  Koch- 
salzlösung aus,  drainierte  und  tamponierte  die  Bauchwunde.  Unmittelbar  nach 
der  Operation  hörte  das  Erbrechen  auf. 

Am  folgenden  Tage  grosse  subjektive  Erleichterung,  Bauch  weich,  nicht 
schmerzhaft,  eingefallen,  keine  Reaktion.  Beim  Verbandwechsel  zeigt  sich,  dass 
die  Nähte  halten,  der  Darm  hat  sich  an  der  Nahtstelle  erholt,  aber  an  der  ring- 
förmigen Druckmarke  bestehen  zwei  weissgraue  Punkte,  an  welchen  die  Darm- 
wand offenbar  gangränös  ist.  In  der  That  war  am  dritten  Tage  die  Perforation 
vorhanden;  da  jedoch  Alles  für  diese  Eventualität  vorbereitet  war,  so  wurde 

33 


514 


A.  von  'Winiwarter. 


dadurch  kein  Schaden  angericlitet.  — Trotz  des  reaktionslosen  \"erlaufes  konnte 
sich  die  lioch])etagte,  an  reiclilichen  Alkoholgenuss  gewöhnte  Patientin  nicht  er- 
holen; sie  verweigerte  starrsinnig  alle  Stiinulantien,  der  Alkohol  erregte  ihr  ge- 
radezu Ekel;  die  Schwäche  nahm  zu;  einige  Tage  nach  der  Operation  trat  ein 
exquisiter  Aufregungszustand  wie  bei  Potatoren  ein,  von  Delirien  begleitet,  dem 
die  Patientin  bald  erlag.  Keine  Sektion. 


Es  fragt  sich  nun,  welche  Operationsweise  die  rationellste  ist 
zur  Beseitigung  der  durch  Cholelithiasis  bedingten  Krankheits- 
zustände; denn  die  Beseitigung  der  Steine  ist  meines  Erachtens 
nur  ein  Teil  der  therapeutischen  Aufgabe,  die  wdr  zu  erfüllen 
haben.  Bei  einer  gewissen  Zahl  von  Fällen  ist  allerdings  damit 
der  Indikation  Genüge  geleistet  und  das  sind  gerade  jene,  bei 
welchen  die  Operation  frühzeitig  vorgenommen  wird,  d.  h.  zu 
einer  Zeit,  wenn  die  Steine  noch  in  der  normalen  Blase  stecken 
und  die  Gallenwege  noch  nicht  verändert  sind.  Dies  ist  eines  de]- 
wichtigsten  Argumente , welche  für  eine  frühzeitige  Operation 
sprechen.  Wir  können  mit  einiger  Berechtigung  annehmen,  dass 
bei  diesen  Fällen  nach  Entfernung  der  Steine  auch  die  Tendenz 
zu  neuer  Erkrankung  in  den  Gallenwegen  getilgt  ist  und  dass  kein 
Recidiv  der  Cholelithiasis  auftreten  wird.  Als  Typus  eines  derartigen 
Falles  kann  die  Patientin  Nr.  5 angesehen  werden,  und  zwar  sie  fast 
allein  unter  allen  meinen  Operierten:  es  besteht  keine  Gallen- 
stauung, kein  Icterus,  der  Stein  liegt  frei  in  der  nicht  ge- 
schrumpften Blase.  Auf  die  Diagnose  dieser  Fälle  vor  der 
OiDeration  will  ich  hier  nicht  näher  eingehen;  ich  verweise  auf 
das  früher  Gesagte  und  besonders  auf  die  reiche  Statistik  Riedel’s, 
der  das  Glück  hatte,  eine  ganze  Anzahl  derartiger  Patienten  zu 
operieren.  AVenn  man  durch  die  Bauchdecken  die  Steine  in  der 
Gallenblase  fühlt,  so  ist  die  Sache  ja  ganz  klar  — wenn  nicht, 
so  muss  die  Diagnose  per  exclusionem  gestellt  werden,  und  der 
Chirurg,  welcher  einige  derartige  Fälle  gesehen  hat,  wird  in  der 
Regel  durch  längere  Beobachtung  des  Patienten  zum  Ziele  kommen. 
Ich  will  jedoch  durchaus  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  zuweilen 
unter  solchen  Umständen  die  Operation  als  Exj)lorativlaparotomie 
begonnen  werden  muss  — dann  handelt  es  sich  aber  stets  um 
Patienten,  die  schwer  unter  ihrer  Affektion  leiden,  welche,  der 
arbeitenden  Klasse  angehörig,  durch  dieselbe  erwerbsunfähig 
gemacht  werden,  und  bei  denen  die  nicht  operative  Therapie 
fruchtlos  geblieben  war.  Man  hat  daher  nur  die  Wahl,  solche 
Patienten  ihrem  Schicksal  zu  überlassen,  bis  ein  neu  auftretendes 
Symptom,  z.  B.  Icterus,  die  Diagnose  erleichtert,  oder  sich  durch 
Eröffnung  der  Bauchhöhle  Klarheit  zu  verschaffen.  Finden  wird 


Zur  Chirurgie  der  Galleiiwege. 


515 


inan  unter  solclien  Umständen  gewiss  Etwas  und  in  der  Regel 
wiixl  man  auch  im  Stande  sein,  dem  Kranken  Hilfe  zu  bringen. 
So  war  es  z.  B.  bei  der  Patientin  Nr.  9,  bei  welcher  ich  Gallen- 
steine vermutete  und  eine  abnorme  Verschiebbarkeit  und  Senkung 
der  Leber  fand,  und  die  durch  den  operativen  Eingriff  dauernd 
geheilt  wurde.  Jedenfalls  würde  ich  die  Eröffnung  der  Bauch- 
höhle dem  extraperitonealen  Explorativschnitte  Barden  heuer ’s 
vorziehen,  einerseits  weil  ich,  wie  \dele  andere  Chirurgen,  die  Ab- 
lösung des  Peritoneum  für  eine  viel  eingreifendere  Verletzung 
halte,  als  die  Eröffnung,  anderseits,  weil  gerade  in  solchen 
dunklen  Fällen  Alles  darauf  ankommt,  Gewissheit  zu  haben.  Hat 
der  extraperitoneale  Explorativschnitt  ein  positives  Resultat  er- 
geben, so  muss  ja  doch  gewöhnlich  die  Laparotomie  nachfolgen 
— hat  man  aber  trotz  desselben  nichts  Pathologisches  gefunden, 
so  wäre  es  mh  wenigstens  schwer,  mir  einzureden,  dass  auch 
wirklich  Nichts  vorliegt,  und  die  Wunde  zu  schliessen;  ich  würde 
mir  stets  den  Vorwurf  machen,  dass  mir  durch  eine  unvollständige 
Untersuchung  das  Wesentlichste  der  Erkrankung  entgangen  sei. 

Ich  setze  also  voraus,  dass  man  nach  Eröffnung  der  Bauch- 
höhle in  der  Gallenblase  Steine  konstatiert  habe;  man  hat  in 
solchen  Fällen  die  verschiedenen  Modifikationen  der  Cholecvstostomie 
und  der  Cholecystektomie,  und  die  Exstirpation  der  Gallenblase 
vorgeschlagen  und  durchgeführt , und  bis  zum  heutigen  Tage 
besteht  noch  keine  vollkommene  Uebereinstimmung  der  Ansichten 
unter  den  Chirurgen  über  die  Wahl  der  Methode.  Vor  allem 
möchte  ich  die  Exstirpation  der  Gallenblase,  die  Cholecystectomie, 
gänzhch  aus  der  Reihe  der  in  Frage  kommenden  Verfahren  aus- 
schliessen  und  in  Uebereinstimmung  mit  Czerny  den  Satz  auf- 
stellen: die  Cholecystectomie  als  typische  Operation  ist  auf  die 
Fälle  von  schweren  entzündlichen  Veränderungen  und  von  malignen 
Tumoren  der  Gallenblase  (meistens  wird  es  sich  um  Carcinome 
handeln)  zu  beschränken.  Ich  habe  von  jeher  die  Exstirpation 
der  Gallenblase  zur  Beseitigung  der  Cholelithiasis  für  eine  nicht 
nur  überflüssige,  sondern  auch  gefährhche  Operation  gehalten; 
weil  ich,  wie  ich  wiederholt  erwähnt  habe,  nicht  die  Entfernung 
der  Gallensteine  allein,  sondern  die  Herstellung  der  günstigsten 
Verhältnisse  in  den  Gallenwegen  überhaupt  als  das  wichtigste 
Ziel  unseres  Handelns  betrachte.  Mit  der  Gallenblase  entfernt 
man  gewissermassen  das  Sicherheitsventil,  welches  bei  allen  Re- 
tentionen der  Galle  die  Leber  entlastet,  so  lange  eine  Kommuni- 
kation derselben  mit  der  Blase  besteht;  ist  aber  dieselbe  nicht 
mehr  vorhanden,  dann  hat  die  Entfernung  der  Blase  überhaupt 


516 


A.  von  Winiwarter. 


keinen  Einfluss  auf  die  Gallencirkulation.  Dass  sich  Gallensteine 
ausschliesslich  nur  in  der  Gallenblase  bilden  können,  ist  durch  eine 
ganze  Reihe  von  einwurfsfreien  Beobachtungen  widerlegt.  Ganz 
abgesehen  von  den  Fällen  von  Konkrementbildung  innerhalb  der 
intrahepatischen  Gallengänge  kann  man  bei  einzelnen  Operationen 
die  Entstehung  von  Steinen,  namentlich  an  der  Stelle,  wo  der  D. 
hepaticus  und  der  D,  cysticus  zusammenstossen,  um  den  D.  chole- 
dochus  zu  bilden,  direkt  nachweisen,  wenn  die  Gallenblase  z.  B, 
geschrumpft  und  vollkommen  um  einen  Stein  zusammengezogen  und 
frei  von  Galle  ist.  Ein  derartiger  typischer  Fall  ist  der  unter 
Nr.  3 angeführte;  der  Patient  hatte  niemals  Anfälle  von  Gallen- 
steinkolik gehabt  und  auch  nach  Eintritt  der  Gallenretention  keine 
besonderen  Schmerzen  empfunden;  auch  war  die  Gallenblase  so 
durch  den  grossen  Stein  ausgefüllt,  dass  von  der  Bildung  eines 
zweiten  Konkrementes  innerhalb  der  Blase  gar  keine  Rede  sein 
konnte.  Andererseits  war  der  Ductus  choledochus  sowohl  wie  der 
Ductus  hepaticus  weit,  ersterer  so,  dass  er  den  kleinen  Finger  auf- 
nehmen konnte,  und  trotzdem  niemals  früher  eine  Gallenstauung 
vorhanden  gewesen  war,  hatte  sich  ein  zweiter  Stein  gebildet  in 
einer  Nische,  deren  genauen  Abguss  er  darstellte.  Wenn  man 
aber  bei  einem  Kranken,  der  seit  längerer  Zeit  an  Gallenretention 
gelitten  hat,  die  Gallenblase  exstirpiert,  weil  sie  Steine  enthält,  so 
setzt  man  sich  der  Gefahr  aus,  das  eigentliche  Hindernis  gar  nicht 
berührt  zu  haben,  denn  es  kann,  wie  der  Fall  Nr.  1 beweist,  ein 
Stein  im  Choledochus  vorhanden  sein,  den  man  bei  der  Operation 
absolut  nicht  fühlt  und  der  trotzdem  den  Uebertritt  der  Galle  in 
den  Darm  verhindert.  — Von  den  Umständen,  welche  die  Opera- 
tion der  Cholecystectomie  zu  einem  wesentlich  schwereren  Eingriff 
gestalten,  wenn  z.  B.  die  Verwachsung  der  Gallenblasen  wand  mit 
der  Leber  eine  sehr  ausgedehnte  und  innige  ist,  will  ich  gar  nicht 
sprechen.  Das  Argument,  welches  man  zur  Verteidigung  der 
Cholecystectomie  herbeigezogen  hat,  dass  manche  Tiere  gar  keine 
Gallenblase  besitzen,  scheint  mir  für  die  Beurteilung  der  Verhält- 
nisse beim  Menschen  ziemlich  belanglos. 

Es  bleibt  demnach  für  die  einfachsten,  sozusagen  normalen 
Fälle  von  Cholelithiasis,  bei  welchen  die  Steine  in  der  Gallenblase 
liegen,  die  Cholecystostomie,  und  ich  bin  vollkommen  der  Ansicht 
Riedel’s,  dass  die  zweizeitige  Operation,  wie  er  sie  beschreibt, 
den  allergeringsten  Eingriff  darstellt  und  die  grösste  Sicherheit 
gegen  Komplikationen  darbietet.  Es  handelt  sich  dabei  nur  um  die 
Eröffnung  der  Bauchhöhle  durch  einen  entsprechend  langen  Schnitt, 
welcher  den  Scheitel  der  Gallenblase  unter  dem  Leberrand  frei- 


Zur  Chirurgie  der  Gallemvege. 


517 


legt;  dann  wird  derselbe  durch  Nähte  extraperitoneal  fixiert,  die 
Stelle,  wo  später  die  Gallenblase  eröffnet  werden  soll,  durch  einen 
Faden  markiert,  dann  die  Bauch  wunde  geschlossen,  mit  Ausnahme 
der  Partie,  wo  die  Blasenwand  freiliegt.  Daselbst  wird  mit  Gaze- 
streifen tamponiert.  Nach  10 — 12  Tagen  incidiert  man  die  Gallen- 
blasenwand, entleert  die  Steine  und  überlässt  die  äussere  Gallen- 
fistel der  spontanen  Vernarbung.  Ich  glaube,  dass  es  für  die 
Einbürgerung  der  frühzeitigen  operativen  Behandlung  der  Gallen- 
steine von  der  grössten  Wichtigkeit  ist,  eine  möglichst  einfache 
und  auch  dem  Nichtchirurgen  als  gefahrlos  einleuchtende  Oj^era- 
tionsmethode  zu  besitzen,  wenn  sie  auch  etwas  mehr  Zeit  in  An- 
spruch nimmt,  und  ich  zweifle  nicht,  dass  man  mit  der  zweizeitigen 
extraperitonealen  Cholecystostomie  in  vielen  Fällen  auskommen 
kann,  umso  wahrscheinlicher  je  früher  man  operiert. 

Es  giebt  jedoch  Fälle,  und  das  sind  die  komjDlizierteren,  wie 
fast  alle  von  mir  operierten,  wo  die  Sache  anders  steht,  Fälle,  bei 
denen  die  Steine  nicht  in  der  Blase,  oder  nicht  nur  in  der  Blase, 
sondern  in  den  Gallengängen  liegen,  oder  bei  denen  wichtige  secun- 
däre  XTränderungen  an  den  Gallenwegen  im  .Allgemeinen  zu  Stande 
gekommen  sind,  oder  die  von  anderweitigen  Anomalien  begleitet 
sind.  Zunächst  kann  von  der  eben  geschilderten  Operation  keine 
Rede  sein,  wenn  die  Gallenblase  so  klein  ist , dass  ihr  Scheitel  nicht 
an  das  Peritoneum  parietale  der  vorderen  Bauchwand  herangebracht 
werden  kann  (wie  in  meinen  Fällen  Nr.  1,  2,  4),  oder  wenn  ihre 
Wandungen  so  wenig  widerstandsfähig  oder  so  dünn  sind,  dass 
die  Fäden  ausreissen  (wie  in  dem  Falle  3).  Nicht  selten  werden 
beide  Hindernisse  gleichzeitig  vorhanden  sein.  Eine  zweite  Contra- 
indikation liegt  für  mich  im  Vorhandensein  eines  Icterus,  welcher 
durch  Undurchgängigkeit  eines  der  abführenden  Gallengänge, 
gleichviel  aus  welchem  Grunde,  bedingt  ist.  Fühlt  man  unter 
solchen  Umständen  auch  einen  Stein  innerhalb  der  Blase,  so  kann 
es  doch  zweifelhaft  sein,  ob  derselbe  allein  die  Ursache  der  Gallen- 
retention darstellt.  Es  ist  nämlich  ganz  gut  denkbar,  dass  ein 
Gallenstein,  ohne  geradezu  in  einem  Gallengange,  also  s.  B.  im 
1).  choledochus,  eingekeilt  zu  sein,  den  Abfluss  der  Galle  in 
den  Darm  verhindert,  dadurch,  dass  er  eine  permanente  Angio- 
cholitis  unterhält,  mit  Anschwellung  der  Schleimhaut.  In  einem 
solchen  Falle  brauchen  auch  keine  Symptome  von  Gallenstein- 
kolik vorausgegangen  zu  sein.  Unter  solchen  Verhältnissen,  welche 
sich  teilweise  erst  nach  Freilegung  der  Blase  überblicken  lassen, 
muss  meines  Erachtens  dieselbe  sofort  eröffnet  werden,  denn  an- 
genommen selbst,  dass  man  sie  in  nicht  entleertem  Zustande  mit 


518 


A.  von  Winiwarter. 


dem  Peritoneum  parietale  der  vorderen  Bauchwand  vernähen  und 
extraperitoneal  fixieren  könnte,  so  ist  es  fraglich,  ob  man  später, 
wenn  man  bei  geschlossener  Bauchhöhle  die  Blase  incidiert,  die 
Steine  extrahieren,  respective  die  Durchgängigkeit  des  Choledochus 
wiederherstellen  kann.  (Vergleiche  die  beiden  Fälle  Nr.  6 und 
besonders  Nr.  1.)  Die  Operation  ist  um  so  mühsamer,  je  weiter 
der  Scheitel  der  Gallenblase  vom  freien  Rande  der  Leber  absteht, 
je  kleiner  sie  ist;  ausserdem  bildet  das  Volumen  der  Leber,  ihre 
geringe  Verschiebbarkeit  und  die  tiefe  Lage  unter  dem  RijDpen- 
bogen  eine  weitere  Reihe  von  erschwerenden  Umständen. 

Bei  allen  komplizierten  Fällen  halte  ich  es  für  rationell,  die 
Extraktion  der  Steine  sofort  vorzunehmen,  respektive  die  Ursache 
der  Gallenretention,  welcher  Art  sie  auch  sei,  definitiv  zu  beseitigen. 
Unter  solchen  Verhältnissen  mache  man  die  Bauch wandincision 
etwas  länger;  dann  drängt  man  die  Leber  nach  aufwärts  und  wälzt 
sie  so  um  ihre  Achse,  dass  ihre  untere  Fläche  zugänglich  wird ; ein 
Assistent  fixiert  sie,  während  ein  anderer  die  Därme  nach  unten 
und  nach  links  zurückhält.  Etwa  vorhandene  Adhäsionen  mit 
denselben,  mit  dem  Netze  u.  s.  w.,  werden  getrennt.  Nun  werden 
die  Gallenblase  und  die  Gallengänge  sorgfältig  abgetastet,  um 
gleich  jetzt  zu  konstatieren,  ob  irgendwo  ein  Stein,  ein  Tumor,  eine 
peritonitische  Schwarte  zu  fühlen  ist.  Nach  dieser  vorläufigen 
Orientierung  tamponiert  man  rings  um  die  Gallenblase  Alles  mit 
Streifen  von  sterihsierter  Gaze  und  schreitet  sofort  zur  Eröffnung 
der  Blase  an  der  freien  Wand  ihrer  Kuppe.  Nicht  selten  muss 
dieselbe  aber  vorher  von  der  Leber  abpräj)ariert  werden,  damit 
man  genügend  Platz  gewinnt;  ich  pflege  das  mittels  des  Thermo- 
cauters  zu  thun  und  sehe  darauf,  die  Wandung  der  Blase  mög- 
lichst intakt  und  dick  zu  erhalten.  Zunächst  wird  die  Incision 
nur  so  lang  gemacht,  dass  man  sich  über  Inhalt,  Beschaffenheit 
der  Wandung  u.  s.  w.  orientieren  kann.  Ist  Flüssigkeit  in  der 
Gallenblase  vorhanden,  so  lässt  man  sofort  einen  kontinuierlichen 
Strom  von  warmer  7 pro  mille  Kochsalzlösung  in  dieselbe  ein- 
treten  und  das  Operationsfeld  überrieseln.  Dadurch,  sowie  durch 
che  Tamponade  ist  das  Peritoneum  genügend  geschützt;  ich  habe 
niemals  den  geringsten  Nachteil  von  dieser  Procedur  gesehen. 
Erst  wenn  die  Lösung  klar  abfliesst,  wird  das  Operationsfeld  aus- 
getrocknet und  nun  folgt  die  Extraktion  der  Konkremente  aus  der 
Blase.  Man  bedient  sich  dazu  am  besten  irgend  eines  löffel- 
förmigen Instrumentes  (Riedel  bildet  ein  solches  ab,  welches  un- 
gefähr der  Curette  Recamier’s  gleicht).  Diese  Extraktionsmanöver 
müssen  mit  Zartheit  vorgenommen  werden  und  ich  halte  es  für 


Zur  Chirurgie  der  Galleuwege. 


519 


einen  grossen,  nicht  zu  unterschätzenden  Vorteil  der  uns  be- 
schäftigenden Operation,  dass  man,  während  man  das  Instrument 
zwisclien  Blasenwand  und  Stein  vorschiebt  und  letzteren  durch 
liebelnde  Bewegungen  zu  delogieren  trachtet,  mit  den  Fingern  der 
anderen  Hand  von  aussen  die  Gallenblase  fixieren,  das  Instrument 
kontrollieren  und  den  Stein  am  Ausgleiten  nach  der  Tiefe  zu  ver- 
hindern kann.  Gewöhnlich  kommt  man  mit  der  Entfernung  der 
Steine  aus  der  Blase  selbst  bald  zum  Ziele,  wenn  dieselben  auch 
zuweilen  stückweise  extrahiert,  oder  wenn  sie  weich  sind,  förmlich 
ausgestochen,  oder  aber,  wenn  sie  der  Wandung  fest  adhärieren,  von 
derselben  abgeschabt  werden  müssen.  Grösser  sind  die  Schwierig- 
keiten, wenn  ein  Stein  im  I).  cysticus  oder  nocli  tiefer  in  den 
abführenden  Gallenwegen  steckt;  nachdem  die  Gallenblase  geleert 
und  gereinigt  ist,  wird  sie  provisorisch  mit  einem  Gazestreifen 
tamponiert;  dann  entfernt  man,  soweit  es  notwendig  ist,  die  Gaze- 
streifen aus  der  Bauchhöhle,  um  das  Terrain  in  der  Tiefe  zugäng- 
lich zu  machen  und  die  Steine  in  den  Gallengängen  von  aussen 
erreichen  zu  können.  Wenn  irgend  möglich  soll  die  Extraktion 
durch  die  Gallenblasenwunde  geschehen,  das  Konkrement  soll  also 
in  dieselbe  zurückgeschoben  werden.  Nicht  selten  ist  das  Lumen 
des  Choledochus  und  des  Cysticus  so  weit , dass  man  durch 
streifende  Bewegungen  mit  den  Fingern  dasselbe  allmählich  in 
den  Bereich  eines  durch  die  Gallenblase  eingeführten  Instrumentes 
(eines  Löffels  oder  einer  Klennnzange)  bringen  und  extrahieren 
kann.  In  andern  Fällen  ist  der  Stein  so  weich,  dass  er  bei  den 
Extraktionsmanövern  in  Stücke  zerbricht  oder  zerdrückt  wird.  Es 
liegt  daher  sehr  nahe,  ihn  absichtlich  durch  Kompression  durch 
die  Wandung  des  Gallenganges  hindurch  zu  verkleinern  und  dann 
die  Fragmente  entweder  mittels  eines  Instrumentes,  oder  durch 
einen  Flüssigkeitsstrahl  herauszubefördern.  Doch  hat  dieses  Manöver, 
die  sog.  Cholelithothripsie,  zuweilen  den  Effekt,  dass  ein  Teil  des 
zerquetschten  Steines  nach  der  Tiefe  zu,  gegen  den  Darm  hin 
entweicht  und  dann  mit  dem  besten  Willen  nicht  mehr  aufgefunden 
werden  kann.  Um  Steine  eventuell  im  I).  choledochus  zu  fühlen, 
benützt  man  eine  mit  dem  Resonator  armierte  Steinsonde.  Ueber 
die  Anwendbarkeit  des  Catheteiismus  der  Gallengänge  habe  ich 
bereits  früher  meine  Meinung  ausgesprochen ; von  manchen 
Chirurgen  (vergl.  Terrier  1.  c.)  wird  demselben  allerdings  mehr 
Wert  beigelegt:  alle  drei  Untersuchungsniethoden,  die  Palpation, 
die  Exploration  mit  der  Steinsonde  und  der  Catheterismus  zu- 
sammengenommen, gestatten  meiner  Ansicht  nach  nicht,  ein  absolut 
sicheres  Urteil  über  die  Durchgängigkeit  des  D.  choledochus  abzugeben. 


520 


A.  von  Winiwarter. 


Die  direkte  Incision  auf  einen  Stein  im  Choledoclius  (die 
sog.  Choledochotomie) , oder  an  ii’gend  einer  anderen  zugängiiclien 
Stelle  der  Gallengänge  ist  erforderlich,  wenn  derselbe  nicht  durch 
die  Oeffnung  der  Gallenblase  entfernbar  ist,  weil  er  weder  ver- 
schoben noch  zerdrückt  werden  kann ; es  handelt  sich  dabei  wohl 
stets  um  Steine  von  relativ  beträchtlichem  Volumen,  welche  in 
einer  ampullenartigen  Erweiterung  stecken,  während  diesseits  und 
jenseits  der  Gallengang  verengert  ist.  Deshalb  ist  es  auch  nicht 
sehr  schwierig,  die  incidierte  Wandung  sofort  zu  vernähen. 

Wenn  die  Extraktion  der  Gallensteine  vollendet  ist,  so  folgt 
der  2.  Teil  der  Operation,  die  Anlegung  einer  äusseren  oder 
einer  inneren,  d.  h.  nach  dem  Darme  zu  mündenden 
Gallen  blase  11  fisteh  Ich  gestehe,  dass  ich  in  der  letzten  Zeit 
mehr  und  mehr  zu  der  Anschauung  gekommen  bin,  dass  die 
idealste  Behandlung  der  Cholehthiasis,  wenn  sie  einmal  Verände- 
rungen an  den  Gallenwegen  hervorgerufen  hat  — oder  besser  ge- 
sagt, aller  durch  Impermeabihtät  der  Gallenwege  bedingter  Affek- 
tionen, auch  solcher,  die  durch  Cholehthiasis  kompliciert  sind,  die 
C h 0 1 e c y s t e n t e r 0 s 1 0 m i e ist.  Diese  Anschauung  wurde  vorbereitet 
durch  den  Eindruck,  den  mir  der  traurige  Ausgang  des  Falles  Nr.  1 
gemacht  hatte,  und  mehr  und  mehr  bestärkt,  seitdem  ich  die 
technische  Seite  der  Ojieration,  die  Anastomosenbildung  durch 
laterale  Apposition  nach  der  Methode  von  Halsted  am  Magen- 
und  Darmkanal  experimentell  und  am  Kranken  häufiger  geübt 
und  mich  durch  den  Fall  Nr.  8 von  ihren  Vorzügen  auch  bei  der 
Cholecystenterostomie  überzeugt  hatte.  Vorher  hatte  ich  dem 
allgemeinen  Usus  gemäss  in  der  Regel  die  Anlegung  einer  äusseren 
Gallenblasenfistel  angestrebt,  mit  Ausnahme  der  Fälle  Nr.  3 u.  5, 
bei  welchen  die  Gallenblasennaht  angelegt,  die  Nahtlinie  aber 
extraperitoneal  gelagert  worden  war. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  die  durch  längerdauernde 
Cholehthiasis , besonders  wenn  sie  mit  Icterus  verbunden  war, 
hervorgerufenen  Alterationen  in  den  Gallenwegen  und  in  der  Leber 
nicht  sofort  nach  der  Extraktion  der  Steine  verschwinden.  Der 
beste  Beweis  dafür  ist  der  Umstand,  dass  nach  Extraktion  der 
Steine  und  Anlegung  einer  äusseren  Gallenblasenfistel  oft  viele 
Wochen,  ja  Monate  vergehen,  bevor  die  Galle  in  den  Darm  Über- 
tritt, respective  bevor  der  Choledoclius  permeabel  wird.  Es  hegt 
dies  zum  Teil  an  der  andauernden  Anschwellung  der  Schleimhaut, 
zum  Teil  aber  wohl  auch  an  der  Kontraktion  der  Wandungen  des 
D.  choledoclius  infolge  der  aufgehobenen  Funktion,  ebenso  wie  der 
Darm  unterhalb  eines  Anus  präternaturahs  in  einen  Zustand  von 


Zur  Chirurgie  der  Gallenwege. 


521 


dauernder  Verengerung  verfällt.  Der  Verschluss  der  Blase  un- 
mittelbar nach  der  Operation  eines  Gallensteines  mit  Stauungs- 
icterus  ist  daher  irrationell:  das  Sekret,  welches  nicht  in  den 
Darm  übertreten  kann,  wird  sich  in  den  intrahepatischen  Gallen- 
gängen und  in  der  Gallenblase  ansammeln  und  der  Icterus  dauert 
weiter,  oder  was  wahrscheinlicher  ist,  die  Naht  wird  insufficient 
werden  und  die  Galle  wird,  je  nachdem  die  vernähte  Gallenblase 
versenkt  oder  die  Nahtstelle  extraperitoneal  gelagert  war,  in  die 
Bauchhöhle  oder  nach  aussen  durchbrechen.  Die  Ueberzeugung, 
dass  ein  derartiges  Ereignis  möglich  ist,  scheint  mir  ein  genügender 
Grund  zum  mindesten  gegen  die  intraperitoneale  einzeitige 
sog.  ideale  Cholecystotomie.  Ich  stimme  mit  Riedel  überein, 
wenn  er  sagt,  dass  eine  länger  dauernde  Drainage  der  Gallen wege, 
die  möglichste  Erleichterung  des  Sekretabflusses,  ein  Hauptvorzug 
der  Anlegung  einer  äusseren  Gallenfistel  sei,  aber  währenddem  die 
gesammte  Galle  nach  aussen  zu  abfliesst,  leidet  der  Patient  zwar 
nicht  an  Gallenretention,  allein  sein  Verdauungskanal  ent- 
behrt die  Galle  und  diese  Entziehung  ist  bei  dem  schwer  ge- 
schädigten Ernährungszustände  solcher  Individuen  nicht  zu  unter- 
schätzen, besonders  da  sie,  wie  schon  erwähnt,  viele  Wochen 
lang  andauern  kann.  Ich  habe  mich  bei  meinem  ersten  Patienten 
mit  Cholecystenterostomie , welcher  lange  Zeit  hindurch  eine 
äussere  Gallenfistel  hatte,  davon  überzeugt : der  Mann  blieb  schwach 
und  elend,  solange  die  Galle  nicht  in  den  Darm  floss , trotzdem 
er  grosse  Mengen  Nahrung  zu  sich  nahm.  Durch  die  Cholecysten- 
terostomie wird  die  Drainage  der  Gallenwege  möglich  gemacht, 
gerade  so  wie  durch  eine  äussere  Gallenfistel,  und  es  wird  gleich- 
zeitig sofort  nach  der  Operation  die  Galle  in  den  Darm  über- 
geleitet. Dass  dadurch  dem  Patienten  auch  die  Beschwerden 
einer  lange  dauernden  äussern  Gallenfistel  erspart  werden,  erscheint 
mir  von  secundärer  Bedeutung;  ebenso,  dass  der  ganze  Eingriff 
durch  eine  einzige  Operation  beendet  ist. 

Das  Hauptargument  aber,  welches  mir  für  die  Berechtigung 
der  Cholecystenterostomie  zu  sprechen  scheint,  ist,  dass  durch 
diese  Operation  den  Recidiven  einer  Gallensteinbildung  und  einer 
Gallenretention  entgegengetreten  wird.  Die  Statistik  der  End- 
resultate der  Gallensteinoperationen,  was  die  Heilung  der  Gallen- 
steinkrankheit anbelangt,  fehlt  uns  bis  jetzt;  es  ist  jedoch 
a priori  wahrscheinlich,  dass  bei  IndiHduen  , welche  einmal  an 
Gallensteinen  gelitten  haben,  namentlich  wenn  die  Schleimhaut 
der  Gallenwege  alteriert  ist,  die  Tendenz  zur  Steinbildung  durch 
die  Entfernung  der  Gallensteine  nicht  definitiv  getilgt  ist;  ferner 


A.  von  AMniAvarter. 


*) 

(lass  bei  Verdickung  und  Schrumpfung  der  Gallenblasenwand, 
wodurch  die  Blase  gewissermassen  in  ein  starres  Reservoir  um- 
gewandelt wird,  die  Galle  sich  schwerer  auf  natürlichem  Wege 
entleeren  wird.  Andererseits  lehrt  die  Erfahrung,  dass  die  Stag- 
nation der  Galle,  wie  z.  B.  in  Divertikeln  der  Gallenblase  (vergl. 
Fall  8)  zur  Konkrenientbildung  disponiert,  ferner  dass  ein  regel- 
mässiger Abfluss  der  Galle  das  beste  prophylactische  Mittel  ist, 
um  dieselbe  zu  verhüten  — die  medikamentösen  und  Mineral- 
wasserkuren beruhen  ja  grösstenteils  auf  diesem  Prinzipe.  Aus 
dem  Gesagten  kann  wohl  der  Schluss  gezogen  werden,  dass  die 
Etablierung  einer  permanenten  Drainage  der  Gallenblase  in  den 
Darm  an  der  tiefsten  Stelle  derselben  das  sicherste  Mittel  ist,  die 
Recidive  der  Cholelithiasis  zu  verhindern.  Sollte  sich  aber  in 
einem  Falle  von  länger  dauernder  Gallenstauung  der  Choledochus 
als  impermeabel  heraussteilen,  was  ganz  bestimmt  möglich  ist, 
ohne  dass  wir  die  Impermeabilität  während  der  Operation  nach- 
weisen  können,  dann  ist  durch  die  Cholecystenterostomie  der  Indi- 
catio  causalis  am  besten  Genüge  geleistet. 

Es  fragt  sich  nun,  und  das  ist  gewiss  ein  sehr  wichtiger 
Punkt:  kann  die  Operation  der  Cholecystenterostomie  mit  der 
nötigen  Sicherheit  ausgeführt  werden?  Darauf  antworte  ich  nach 
meinen  eigenen  Erfahrungen  Folgendes : In  allen  Fällen,  in  welchen 
die  Ränder  der  Gallenblasenincision  nach  der  Entleerung  des 
Cavum  mit  den  Rändern  des  Peritoneum  vernäht  werden  können, 
um  eine  äussere  Gallenblasenfistel  anzulegen,  ist  auch  die  Ver- 
einigung mit  dem  Darme  ausführbar,  ohne  beträchtlich  grössere 
Schwierigkeiten  zu  machen,  wenn  auch  die  Operation  etwas  mehr 
Zeit  in  Anspruch  nimmt.  Für  die  Fälle  aber,  bei  welchen  die 
Gallenblase  aus  irgend  einem  Grunde,  z.  B.  weil  sie  vollkommen 
geschrumpft  ist,  oder  weil  sie  exstirpiert  werden  musste,  nicht 
mit  dem  Darme  vereinigt  werden  kann,  ist  auch  die  Vernähung 
derselben  mit  den  Rändern  der  Bauchwunde  unausführbar  und  es 
muss  ein  anderes  Verfahren  eingeschlagen  werden,  von  welchem 
später  die  Rede  sein  soll. 

Ich  habe  in  der  Publikation  über  meinen  ersten  Fall  von 
Cholecystenterostomie  geschildert,  auf  welche  Weise  ich  endlich 
dazu  gekommen  bin,  den  Abfluss  der  Galle  in  den  Dann  herbei- 
zuführen, habe  jedoch  ausdrücklich  hervorgehoben,  dass  die  ganze 
damals  vorgenommene  Reihe  von  Operationen  durch  einen  funda- 
mentalen Missgriff  im  Beginne  notwendig  geworden  waren,  welcher 
darin  bestand,  dass  ich  aus  übergrosser  Vorsicht  die  Fistelbildung 
durch  Einlegen  eines  Trocarts  von  der  erweiterten  Gallenblase 


Zur  Chirurgie  der  Gallemvege. 


523 


aus  vornelimen  wollte.  Ich  habe  auch  nicht  einen  Augenblick 
daran  gedaclit,  den  ganzen  Fall  als  einen  typischen  anzusehen  — 
er  wäre  ja  vielmehr  geeignet  gewesen,  jeden  Chirurgen,  mich 
selbst  nicht  ausgeschlossen,  von  der  Inangriffnahme  einer  der- 
artigen Operation  abzuschrecken;  allein  ich  war  gerade  nach  den 
Erfahrungen,  welche  ich,  freilich  auf  Kosten  des  Patienten,  in 
diesem  Falle  gesammelt  hatte,  der  festen  Ueberzeugung,  dass  die 
Cholecystenterostomie  als  typische  Operation  mit  Sicherheit  ausführ- 
bar sei,  und  ich  habe  zum  Schlüsse  meiner  Arbeit  den  Operationsplan 
angegeben,  nach  welchem  ich  in  einem  künftigen  Falle  vergehen 
würde.  Terrier  hat  ganz  Recht,  wenn  er  sagt,  dass  die  kompli- 
zierte Operation  (oder  vielmehr  die  Reihe  von  Operationen)  die 
ich  ausführen  musste,  in  keiner  Weise  dem  Wesen  der  modernen 
Cholecystenterostomie  entspiicht  — er  sagt  aber  kein  AVort  über 
das  Verfahren,  welches  ich  in  meiner  Arbeit  vorschlug,  und  das 
nach  dem  damaligen  Stande  der  Abdominalchirurgie  (im  Jahre 
1882)  berechtigt  war,  nämlich  die  zw  eizeitige  extraperitoneale 
Cholecystenterostomie  vom  Darm  aus.  Es  fällt  mir  nicht  ein, 
eine  Priorität  in  Anspruch  nehmen  zu  wollen  für  eine  Operation, 
deren  Idee  durch  v.  N us  s b a u m bereits  formuliert  war,  und  die  ganz 
gewiss  (wie  ich  in  meiner  Publikation  sagte)  bei  Gallenretention 
durch  Verschluss  des  Choledochus  sich  jedem  Chirurgen  gleichsam 
mit  Notwendigkeit  aufdrängen  musste.  Die  einzeitige  Cholecysten- 
terostomie, wie  sie  zuerst  durch  Kappe  1er  ausgeführt  wurde  (im 
Jahre  1887),  bedeutet  einen  grossen  Fortschritt  in  der  Methode, 
der  nach  der  ausserordentlichen  Entwicklung  der  Abdominal- 
chirurgie zu  dieser  Zeit  vollkommen  gerechtfertigt  war.  Allein  ich 
halte  noch  jetzt  dafür,  dass  die  zweizeitige  extraperitoneale  Chole- 
cystenterostomie ein  rationelles  Verfahren  darstellt,  welches  unter 
gewissen  Umständen  (wie  z.  B.  in  dem  neuestens  publizierten, 
interessanten  Falle  von  Lambotte)^)  indiciert  sein  kann. 

In  den  früher  erwähnten  Fällen,  bei  welchen  die  Gallenblase 
nach  aussen  genäht  werden  könnte,  ist  auch  die  ein  zeitige 
Cholecystenterostomie  ausführbar.  Ich  verfahre  dabei  ganz  auf 
dieselbe  Weise,  wie  bei  der  lateralen  xAnastomosenbildung  zwischen 
zwei  mit  Peritoneum  überzogenen  Hohlorganen  überhaupt , im 
Grossen  und  Ganzen  nach  der  Methode  von  Halsted,  über  welche 
ich  auf  dem  Chirurgenkongresse  des  Jahres  1891  einige  Worte 
gesagt  habe^).  Da  jedoch,  wie  ich  nach  persönlichen  Mitteilungen 
von  Kollegen  zu  entnehmen  glaube,  das  Verfahren  nicht  sehr 

9 E.  Laml)otte,  Un  cas  de  clioloeystenterostoinie.  Bruxelles,  1802. 

■■)  Verhaudl.  d.  D.  G.  f.  Chirur^de.  XXI.  Kohku'Css  1801. 


524 


A.  von  Winiwarter. 


bekannt  geworden  ist,  so  will  ich  an  dieser  Stelle  die  Ausführung 
der  ganzen  Operation  kurz  angeben. 

Ich  nehme  die  Beschreibung  an  dem  Zeitpunkte  auf,  wo  die 
Extraktion  der  Gallensteine  vollendet  ist.  Zunächst  handelt  es  sich 
um  die  Wahl  einer  geeigneten  Darmschlinge.  Zu  diesem  Zwecke 
sucht  man  in  der  bekannten  Weise  das  Duodenum  auf  und  folgt 
demselben  nach  abwärts  bis  zu  einer  Schlinge  des  Dünndarms, 
welche,  so  nahe  als  möglich  in  der  Fortsetzung  des  Duodenum 
gelegen,  sich  ohne  jede  Zerrung  oder  Drehung  mit  der  Gallenblase 
in  Kontakt  bringen  lässt.  Es  ist  darauf  zu  sehen,  dass  die  Ana- 
stomosenbildung  an  der  der  Mesenterialinsertion  gegenüberliegen- 
den Wand  des  Darmes  zu  liegen  komme.  Ist  das  grosse  Netz  im 
Wege,  so  wird  es  durchlöchert  und  durch  ein  paar  feine  Nähte 
derart  fixiert,  dass  es  den  Darm  nicht  komprimieren  kann.  Ich 
glaube  nicht,  dass  der  Eintritt  der  Galle  an  einer  vom  Duodenum 
etwas  weiter  abliegenden  Stelle  des  Darmes  irgend  einen  Nachteil 
bringen  kann;  deshalb  braucht  man  auch  nicht  in  der  Wahl  der 
Darnischlinge  gar  zu  ängstlich  zu  sein;  das  Wichtigste  ist,  dass 
sich  dieselbe  gut  an  die  Gallenblase  adaptiert.  Man  streift  vorerst 
die  Darmschlinge  zwischen  den  Fingern  aus  und  lässt  sie  diesseits 
und  jenseits  der  gewählten  Stelle  durch  zwei  Baumwollendochte 
leicht  komprimieren,  was  vollkommen  genügt.  Nun  schreitet  man 
zur  Vereinigung  der  peritonealen  Flächen  des  Darmes  und  der 
Gallenblase  und  zwar  so,  dass  die  Incision  der  letzteren  in  die 
Längsrichtung  des  Darmes  zu  liegen  kommt.  Ich  verwende 
zur  Naht  ausschliesslich  Seidenfäden  und  gewöhnhche,  gerade, 
cylindrisch-konische (nicht  chirurgische)  Nähnadeln  (nach  Halsted’s 
Vorgang),  die  mit  den  Fingern  allein,  ohne  Nadelhalter,  geführt 
werden.  Ich  kann  dieselben  für  diesen  Zwmck  sehr  empfehlen. 
Jeder  Faden  ist  an  beiden  Enden  mit  einer  Nadel  armiert.  Die 
Kontaktfläche  zwischen  Gallenblase  und  Darm,  welche  durch  die 
Nähte  umschrieben  werden  soll,  hat  ungefähr  die  Gestalt  eines 
mit  seinen  langen  Seiten  der  Längenachse  des  Darmes  parallel  ge- 
stellten Rechteckes , an  dessen  kurze  Querseiten  je  ein  gleich- 
schenkeliges  Dreieck  stösst,  so  dass  die  ganze  Figur  einem  Sechsecke 
mit  zwei  parallelen  gleich  langen  Längsseiten  und  vier  gleich  langen 
kurzen  Seiten  gleicht,  in  dessen  Mitte,  ebenfalls  parallel  zur  Längs- 
achse, die  Incision  der  Gallenblase  zu  liegen  kommt.  Die  Nähte  sind 
quergestellte  L e mb  er  t sehe  Darmnähte,  welche  jedoch  nicht  die  ganze 
Dicke  der  Wandung  fassen,  sondern  nur  bis  in  das  submucöse  Gewebe 
Vordringen  (Halsted),  so  dass  kein  Faden  frei  im  Innern  des  Darmes 
oder  der  Gallenblase  liegt.  Die  Anlegung  der  Suturen  beginnt  an 


Zur  Chirurgie  der  Gallenwege. 


525 


dem  einem  Pole  des  Sechseckes:  man  sticht  eine  Nadel  in  querer 
Richtung  auf  den  Darm  durch  das  Peritoneum  ein,  führt  sie  bis 
an  das  submucöse  Gewebe  durch,  wobei  man,  da  man  die  Nadel 
niit  den  Fingern  führt,  einen  ganz  charakteristischen  Widerstand 
spürt,  und  sticht  sie,  ohne  die  Schleimhaut  zu  perforieren,  in  der 
Entfernung  von  etwa  5 Millimetern  wieder  durch  das  Peritoneum 
aus,  — dann  führt  man  dieselbe  Nadel  in  ganz  gleicher  Weise  an 
dem  gegenüberliegenden  Punkte  der  Gallenblase  durch  und  entfernt 
die  Nadel.  Nun  fasst  man  die  Nadel,  mit  welcher  das  andere  Ende 
des  Fadens  armiert  ist,  sticht  sie  in  der  Entfernung  von  einem 
Centimeter  von  der  ersten  und  parallel  zu  ihr  ebenfalls  zuerst  durch 
den  Darm,  dann  durch  die  Gallenblase,  so  dass  der  Faden  genau 
denselben  Weg  beschreibt,  wie  der  erste,  nur  in  einem  Abstande  von 
einem  Centimeter  unter  ihm.  Wird  jetzt  auch  die  zweite  Nadel 
entfernt,  so  ist  der  Faden  so  appliziert,  dass  sein  schlingenförmiges 
Mittelstück  in  der  Länge  von  einem  Centimeter  parallel  zur 
Längsachse  des  Darmes  auf  dem  Peritoneum  liegt,  während  seine 
beiden  Enden  zwei  parallele  Lembert’sche  Nähte  darstellen. 
Vorläufig  wird  der  Faden  nicht  geknotet,  sondern  man  fährt  fort, 
die  eine  Hälfte  der  sechseckigen  Figur  durch  eine  Reihe  von  Nähten 
derselben  Art  zu  umstechen.  Vom  oberen  Pole  angefangen  kommen 
weitere  zwei  Nähte  zu  liegen,  entsprechend  der  kurzen  Seite  des 
Sechseckes,  alle  quer  auf  die  Längsachse  gestellt  und  1 — 1 V2  Centi- 
meter voneinander  entfernt,  dann  folgen  etwa  drei  bis  vier  Nähte 
entsprechend  einer  der  parallelen  langen  Seiten  des  Sechseckes 
und  dann  abermals  zwei  Nähte,  einer  kurzen  Seite  entsprechend, 
und  die  dritte,  welche  den  unteren  Pol  markiert;  eine  durch  die 
beiden  Punkte  gezogene  imaginäre  Linie  würde  parallel  zur  Längsachse 
des  Darmes  fallen  und  in  derselben  imaginären  Linie  verläuft  die 
Incision  der  Gallenblase.  Jetzt  werden  die  beiden  Organe,  Darm 
und  Gallenblase,  in  Kontakt  gebracht,  die  Fäden  an  ihren  auf 
derselben  Seite  liegenden  Enden  angezogen  und  geknüpft;  die 
Suturen,  lege  artis  angelegt,  halten  ausserordentlich  fest  und  die 
Berührung  zwischen  den  beiden  Peritonealflächen  ist  eine  so  exakte, 
dass  man  kaum  jemals  genötigt  ist,  nachträglich  noch  Zwischen- 
nähte anzulegen.  Die  Knoten  liegen  alle  auf  einer  Seite,  und  zwar 
nach  aussen  von  den  Berührungsflächen  von  Darm  und  Gallen- 
blase. Mit  der  geschilderten  Reihe  von  Nähten,  deren  Anlegung 
aber  kaum  so  viel  Zeit  erfordert  als  ihre  Beschreibung,  ist  die 
hintere  Seite  der  Appositionsfläche  umschrieben : Darm  und  Gallen- 
blase liegen  jetzt  aneinander  wie  ein  aufgeschlagenes  Buch.  Bevor 
man  sie  zusammenklappt,  werden  die  Nähte  an  der  vorderen  Seite 


526 


A.  von  Winiwarter. 


1 


der  Appositionsfläclie  angelegt.  Dieselben  entsiDreclien  selbst- 
verständlich ebenfalls  zwei  kurzen  Schrägseiten  und  einer  Längsseite 
des  Sechseckes,  die  beiden  Nähte  am  oberen  und  am  unteren 
Pole  abgerechnet,  welche  ja  unjDaar  sind.  Die  Fäden  werden  in 
der  früher  beschriebenen  Weise  durch  Darm  und  Gallenblasen- 
wand geführt,  aber  vorläufig  nicht  angezogen,  so  dass  sie  die 
Appositionsfläche  nicht  verdecken,  denn  jetzt  folgt  die  Eröffnung 
des  Darmlumens.  Ich  pflege  zu  diesem  Zwecke  zunächst  die  Darm- 
wand mittels  des  Thermocauters  vorsichtig  so  weit  zu  durch- 
trennen, dass  nur  mehr  die  Schleimhaut  übrig  bleibt.  Es  geschieht 
dies  in  der  Längsrichtung  des  Darmes,  genau  in  der  Mittellinie 
der  Appositionsfläche  und  in  der  Länge  von  etwa  zwei  Centimetern. 

Die  durchtrennten  Schichten  des  Darmes  ziehen  sich  sofort  zurück, 
so  dass  die  äussere  Fläche  der  Schleimhaut  in  Gestalt  eines  läng-  . 
liehen  Sj^altes  sichtbar  wird.  Um  nun  die  Anastomosenbildung  j 
genau  zu  umschreiben,  lege  ich  eine  fortlaufende  Naht  mit  einer  | 
gekrümmten  chirurgischen  Nadel  durch  die  ganze  Dicke  der  i 
Darmwandung,  entsprechend  dem  hinteren  Rande  des  länglichen 
Spaltes,  und  dem  ihm  entsprechenden  Rande  der  Gallenblasen-  ^ 
incision  an.  Jetzt  ist  also  bereits  die  Umrandung  der  künftigen 
Anastomose  zur  Hälfte  fixiert  und  es  bedarf  nur  der  Durchtrennung 
der  dünnen  Schleimhautschicht  des  Darmes,  um  dessen  Lumen 
zu  eröffnen.  Ich  mache  die  Durchtrennung  ebenfalls  mit  dem  • 
Thermokauter  und  vollende  sofort  die  Umstechung  der  Schleim- 
haut des  Darmes  und  der  Gallenblasse  entsprechend  der  vorderen 
Hälfte  der  Umrandung,  so  dass  die  Anastomose  gebildet  mrd  durch 
die  direkt  miteinander  vereinigten  Schleimhautränder  von  Darm 
und  Gallenblase  und  nirgends  eine  wunde  Fläche  zu  Tage  liegt. 
Wenn  man  noch  mehr  Sicherheit  haben  will  dafür,  dass  die 
Anastomose  sofort  klaffend  bleibt,  so  kann  man,  wie  ich  es  in 
Fall  8 gethan  habe,  ein  Stück  decalcinierten  Drainrohres  in  die 
Anastomose  einschieben  und  es  mit  zwei  Catgutnähten  an  die 
Darmschleimhaut  befestigen.  Jetzt  werden  erst  die  früher  ange- 
legten Nähte  des  vorderen  Teiles  der  Appositionsfläche  angezogen 
und  geknotet,  was  in  wenigen  Minuten  geschehen  ist.  Die  Ver- 
unreinigung mit  Darminhalt  ist  bei  dieser  ganzen  Manipulation 
sehr  leicht  zu  vermeiden ; jedenfalls  aber  kann , bevor  die  letzten  | 
Nähte , welche  den  Kontakt  zwischen  Gallenblase  und  Darm  j 

vollenden,  geknüpft  werden,  das  ganze  Operationsfeld  auf  das 
skrupulöseste  gereinigt  werden. 

Die  Peritonealflächen  von  Darm  und  Gallenblase  liegen  breit 
und  genau  aneinander;  sollte  aber  trotzdem  noch  eine  weitere 


527 


Zur  Chirurgie  der  Gallemvege. 

Sicherung  erwünscht  scheinen,  so  lege  man  ein  paar  Knopfnähte 
von  aussen  an  oder  man  bedecke,  nach  dem  Beispiele  Senn’s, 
die  Nahtlinie  mit  einem  kleinen  Netzlappen. 

Die  Operation  ist  jetzt  beendet;  die  in  die  Bauchhöhle  ein- 
geführten Gazekompressen  werden  entfernt,  Darm  und  Gallenblase 
werden  reponiert  und  die  Bauchwunde  in  typischer  Weise  durch 
Etagennähte  geschlossen. 

Das  eben  beschriebene  Verfahren  scheint  viel  komjolizierter 
als  es  in  Wirklichkeit  ist.  Für  denjenigen,  der  überhaupt  gewohnt 
ist,  Operationen  am  Darm  auszuführen,  wird  es  keine  Schwierig- 
keiten darbieten  und  es  giebt  andererseits  eine  Sicherheit,  wie 
meines  Wissens  keine  andere  Art  der  Anastomosenbildung,  weil 
man  jede  Naht  genau  kontrollieren  kann  und  einem  nirgends  eine 
Lücke  oder  ein  Ausreissen  der  Fäden  entgeht.  Es  giebt  ja  eigent- 
lich kein  schöneres  und  günstigeres  Objekt  für  die  Vereinigung 
als  das  gesunde  Peritoneum,  und  was  die  Gefahren  der  nachträg- 
lichen Perforation  anbelangt,  so  sind  sie  meines  Erachtens  durch 
die  exakte  Nahtanlegung  gerade  so  sicher  zu  vermeiden , als  bei  der 
Anlegung  einer  äusseren  Gallenfistel.  Im  Gegenteil,  die  Fäden 
können  bei  der  letzteren  Operation,  wenn  die  Spannung  stark  war 
und  der  Patient  Erbrechen  hat,  viel  eher  ausreissen  und  einen 
Austritt  der  Galle  gestatten  als  hier,  wo  gar  keine  Zerrung  statt- 
findet. Die  grösste  Gefahr  bei  den  Anastomosenbildungen 
zwischen  Darm  und  Darm  liegt  in  pathologischen  Zuständen  des 
Darmes,  und  zwar  nicht  so  sehr  seiner  Erkrankung  überhaupt, 
sondern  in  der  gestörten  Zirkulation  desselben.  Gerade  damit 
aber  haben  wir  es  ja  bei  der  Cholecystenterostomie  nicht  zu  thun. 

Wie  schon  erwähnt,  kommen  hier  und  da  Fälle  vor,  bei 
welchen  die  Vereinigung  der  Gallenwege  weder  mit  dem  Peritoneum 
parietale,  noch  mit  dem  Darme  zu  Stande  zu  bringen  ist.  In  erster 
Linie  gehören  hierher  die  Fälle  von  Carcinom  der  Gallenblase, 
wenn  sie  überhaupt  operabel  sind ; dann  die  Fälle  von  beträcht- 
licher Schrumpfung  und  Verödung  der  Gallenblase,  mit  Konkrementen 
oder  ohne  dieselben,  wobei  die  Gallenblase  in  einen  fibrösen 
Strang  verwandelt  ist,  u.  s,  w.  Die  Fälle  von  Empyem  der  Gallen- 
blase mit  Durchbruch  nach  aussen,  oder  auch  mit  Perforation  des 
Darmes  kompliziert,  sind  ganz  anderer  Natur  und  verlangen  eine 
besondere  Behandlung,  auf  die  ich  hier  gar  nicht  weiter  eingehe, 
denn  sie  dürfte  wohl  kaum  ein  Gegenstand  der  Diskussion  sein. 
Für  die  Fälle  der  ersteren  Kategorie  aber  ist,  wenn  die  von 
Sprengel  vorgenommene Choledochoenterostomie  nicht  praktikabel 
sein  sollte,  nur  die  Tamponade  der  Wimdböhle  angezeigt.  Ich 


528 


A.  von  Winiwarter. 


halte  die  Naht  der  resecierten  Gallenblase,  selbst  bei  extraperitonea- 
ler Lagerung  der  Vereinigungslinie,  wie  ich  sie  in  dem  Falle  3 
ausgeführt  habe,  für  einen  Fehler  und  würde  sie  heute  nicht  mehr 
vornehmen,  warum,  das  habe  ich  bereits  früher  erörtert.  Die 
Operation  würde  sich  demnach,  wie  Riedel  für  derartige  Fälle 
empfiehlt,  in  folgender  Weise  gestalten:  nach  Eröfinung,  Resektion 
oder  Exstirpation  der  Gallenblase,  oder  überdies  eines  Teiles  der 
abführenden  Gallengänge  wird  der  provisorisch  abgebundene 
Stumpf  so  gut  als  möglich  dem  Peritoneum  parietale  der  vorderen 
Bauchwand  genähert  und  durch  einige  Nähte  an  demselben  fixiert, 
wenn  auch  die  beiden  Teile  weit  voneinander  abstehen  sollten; 
hierauf  trachtet  man  die  benachbarten  Organe  der  Bauchhöhle,  das 
Netz,  das  Mesenterium,  die  Därme  und  die  Leber  durch  entsprechende 
Lagerung  und  Fixierung  durch  Nähte  so  mit  dem  Peritoneum 
parietale  der  vorderen  Bauchwand  zu  verbinden,  dass  ein  gegen 
die  übrigen  Teile  der  Bauchhöhle  möglichst  abgeschlossener,  von 
Peritoneum  ausgekleideter  Trichter  zu  Stande  kommt,  der  nach 
aussen  zu  offen  ist.  Besonders  eignet  sich  das  grosse  Netz 
zu  derartigen  peritonealen  Plastiken,  wenn  man  sie  so  nennen  darf. 
Nun  wird  ein  dicker  sterilisierter  Jodoformdocht  durch  die  Bauch- 
wunde bis  in  die  Tiefe  an  die  Stelle,  wo  die  Gallenwege  provisorisch 
unterbunden  sind,  eingeführt ; ich  pflege  einen  derartigen  Tampon 
ausserdem  noch  in  die  Tiefe  durch  ein  paar  Peritonealnähte  fest- 
zuhalten, damit  er  sich  während  der  ersten  24  Stunden  nicht 
verschiebt.  Der  Jodoformdocht  wird,  nachdem  er  die  ganze  Höhle 
tamponiert  hat,  nach  aussen  geleitet  und  die  Bauchwunde  bis  auf 
die  Drainagelücke  geschlossen.  Die  provisorische  Ligatur  kann 
vorläufig  belassen  werden,  sie  sichert  gegen  unmittelbaren  Ausfluss 
der  Galle  — wenn  sie  nach  2 — 3 Tagen  nicht  ohnedies  durch- 
geschnitten hat,  so  löst  man  sie.  Zu  dieser  Zeit  haben  sich  rings 
um  den  Jodoformdocht  peritoneale  Verklebungen  gebildet,  die  ihn 
vollständig  von  der  Bauchhöhle  abschliessen,  und  damit  ist  auch 
der  Kanal  hergestellt,  durch  welchen  die  Galle  nach  aussen 
fliessen  kann.  Sollte  schon  früher  Sekretaustritt  erfolgen,  so  unter- 
hält der  Jodoformdocht  eine  so  vortreffliche  kapillare  Drainage, 
dass  man  keine  Retention  und  keinen  Flüssigkeitsaustritt  in  die 
Peritonalhöhle  zu  besorgen  hat.  Der  Verband  wird  je  nach  den 
Umständen  gewechselt.  So  lange  der  Jodoformdocht  trocken  ist 
und  den  Wandflächen  fest  anhaftet,  lässt  man  ihn  ruhig  an  Ort 
und  Stelle;  wenn  er  aber  von  Sekret  durchtränkt  und  gelockert 
ist,  so  kann  man  ihn  ganz  leicht  entfernen,  selbst  wenn  er  an- 
genäht sein  sollte:  man  braucht  dann  nur  die  einzelnen  Fäden 


529 


Zur  Chirurgie  der  (Tallenwege. 

ausziiziehen.  Die  fernere  Behandlung  der  äusseren  Gallenfistel  ist 
die  gewöhnliche. 

Die  Galle  wird  nach  derartigen  Operationen , wenn  nur  der 
Ductus  choledochus  frei  ist,  ihren  Weg  allmählich  in  den  Darm 
nehmen  und  die  äussere  Gallenfistel  wird  sich  endlich  spontan 
schliessen.  Ist  aber  die  Kommunikation  mit  dem  Darm  dauernd 
gestört,  dann  helfen  alle  Behandlungsmethoden  nicht,  die  Fistel 
wird  immer  wieder  aufbrechen  und  das  ist  ja  schliesslich  auch 
füi*  den  Patienten  ein  Glück,  denn  sonst  würde  er  der  Gallen- 
retention verfallen.  Wenn  es  sich  aber  darum  handelt,  eine  der- 
artige äussere  Gallenfistel,  die  durch  Impermeabilität  des  D.  chole- 
dochus unterhalten  wird,  zum  Verschluss  zu  bringen,  was  gewiss 
keine  leichte  Aufgabe  ist,  dann  bliebe  nichts  anderes  übrig  als  die 
iVnastomosenbildung  mit  dem  Darme.  (Vergl.  den  früher  citierten 
Fall  Lanib  otte’s.) 

Es  versteht  sich  wohl  von  selbst,  dass  die  Operationen  an 
den  Gallenorganen  nur  dann  Erfolg  haben  können,  wenn  die  be- 
treffenden Patienten  noch  nicht  durch  die  Cholämie  allzusehr 
heruntergekommen  sind;  alle  anderen  Folgen  der  Erkrankung, 
die  Verdauungsstörungen,  die  Abmagerung,  das  marastische  Aus- 
sehen sind  von  minderem  Belange;  der  Ernährungszustand  und 
das  Allgemeinbefinden  können  sich  nach  der  Operation  erstaunlich 
rasch  bessern.  Wenn  aber  einmal  schwere  cholämische  Alteratio- 
nen vorhanden  sind,  dann  bedingt  die  unbedeutendste  Operation 
die  Gefahr  der  Blutung,  wie  sie  in  meinem  Falle  Nr.  4 auftrat. 
Solche  Fälle  stehen  eben  überhaupt  an  der  Grenze,  wo  man  sich 
fragt,  soll  man  überhaupt  noch  operieren  oder  den  Kranken  sterben 
lassen,  und  gerade  diese  Fälle  sind  sicher  nicht  die  einfachsten, 
bei  welchen  man  durch  die  zweizeitige  Cholecystostomie  ohne 
Weiteres  zum  Ziele  kommt.  Unter  solchen  Umständen  muss  die 
persönliche  Erfahrung  des  Chirurgen  entscheiden ; der  eine  wird 
operieren,  der  andere  nicht  und  beide  können  von  ihrem  Stand- 
punkte aus  Recht  haben.  Bei  allen  anderen  Fällen  von  Cholo- 
lithiasis  aber,  ohne  oder  mit  Icterus,  soll  die  geeignete  Operation 
vorgenommen  werden  und  die  internen  Praktiker  sollen  sich  nicht 
scheuen,  ihre  Patienten  mit  Gallensteinen  dem  Chirurgen  zu  über- 
weisen : es  giebt  ja  nichts  Traurigeres  für  einen  Arzt,  als  sich  ein- 
gestehen müssen,  dass  man  einem  quälenden  Leiden  machtlos 
gegenübersteht. 


34 


Ueber  Darmausschaltung 

von 

Dr.  Fritz  A.  Salzer, 

Professor  der  Chirurgie  in  Utrecht. 


Unter  lokaler  Darmausschaltung  verstehe  ich  die  Ausschnei- 
dung eines  mehrere  Centimeter  langen  Stückes  Darmrohr  aus  dem 
übrigen  Darmkanal  mit  Schonung  des  zugehörigen  Mesenterial- 
ansatzes, derart,  dass  das  ausgeschnittene  Darmstück,  an  seinen 
Enden  zugenäht  oder  mit  denselben  in  die  ßauchwunde  implan- 
tiert, im  wesentlichen  in  der  natürlichen  oder  früheren  Lage  ver- 
weilt. — Vereinigung  der  Enden  des  funktionierenden  Darmes  ist 
selbstredend  ein  zweiter  wichtiger  Akt  der  Operation. 

Wenn  ich  im  Folgenden  den  Ausdruck  Darmausschaltung 
kurzweg  gebrauche,  so  verstehe  ich  darunter  immer  die  oben  defi- 
nierte lokale,  vollständige  Ausschaltung  zum  Unterschiede  von  den 
blindsackähnlichen,  unvollständigen  Ausschaltungen  der  verschie- 
denen Arten  von  Enteroanastomose  und  von  distaler  Implantation 
eines  proximal  durchschnittenen  Darmteiles. 

Indem  bei  einzelnen  lokalen  mit  Stenose  oder  Fistelbildung 
einhergehenden  Darmprozessen  weder  Darmresektion  noch  andere 
erprobte  Therapie  anwendbar  sind  oder  befriedigende  Resultate 
liefern,  lag  es  nahe,  Darmausschaltung,  ein  Verfahren,  welches  be- 
sonders von  Seiten  der  Physiologen  zum  Studium  der  Darmsekretion, 
und  zwar  in  verschiedener  Art,  zur  Anwendung  kam,  chirurgisch 
zu  erproben  und  zu  verwerten. 

Als  ich  auf  dem  XX.  Kongress  der  deutschen  Gesellschaft 
für  Chirurgie  Darmausschaltung  auf  Grund  klinischer  Beobach- 
tungen vorschlug  und  den  V orschlag  wieder  auf  Grund  von  Tier- 

b F.  Salzer:  Ein  Vorschlag  zur  Modifikation  der  Enteroanastomose  durch 
völlige  Ausschaltung  des  kranken  Darmteiles.  Centralblatt  für  Chirurgie  1891 
Nr.  26.  Beilage. 


Ueher  Darmausschaltung. 


531 


experimenten  einigermassen , was  die  Methodik  anlangt,  genauer 
zu  fassen  versuchte,  war  ich  nicht  in  der  Lage,  das  experimentelle 
und  klinische  Beobachtungsmateriale  ausführlich  darzulegen.  — 

Was  zunächst  meine  Tierexperimente  betrifft,  so  muss  ich 
vorausschicken,  dass  ich  nur  die  a priori  am  gefährlichsten  und 
daher  unzweckmässigsten  erscheinende  totale  Verschliessung  eines 
Darmstückes  erprobte,  da  ja  andere  Arten  der  Darmausschaltung 
mit  Anlegung  von  persistierenden  Oeffnungen  an  die  Hautober- 
fläche (Thiry,  Vella)  oder  in  den  übrigen  Darmtrakt  (Senn)  beim 
heutigen  Stand  der  Chirurgie  zweifellos  durchführbar  erscheinen 
mussten.  - — 

Das  Schicksal  der  Tiere,  bei  welchen  ich  im  Jahre  1890  Darm- 
ausschaltung gemacht  hatte,  war,  dass  die  Mehrzahl  derselben  an 
akuten  peritonitischen  Erscheinungen,  wahrscheinlich  ausgehend 
vom  ausgeschalteten  wurstähnlichen  Darmstück,  zu  Grunde  gingen. 

Nur  zwei  Hunde  waren  ein  und  zwei  Monate  am  Leben  ge- 
blieben. Bei  dem  einen  (D),  bei  welchem  das  Coecum  vollständig  aus- 
geschaltet und  danach  laterale  Apposition  der  funktionierenden 
Darmenden  nach  Senn’s  Vorschrift  ausgeführt  worden  war,  dürfte 
höchst  wahrscheinlich  Ptomainintoxikation,  zunächst  bedingt  durch 
Kotstauung  im  Ileum,  Todesursache  gewesen  sein.  In  dem  Blind- 
sacke des  lateral  apponierten  Ileum  war  nämlich  ausser  Faeces  auch 
ein  Stück  Leder  aufgefahren,  welches  hier  als  Klappenventil  wir- 
kend den  freien  Abfluss  des  Darmiiihaltes  durch  die  weite  Konnnuni- 
kationsöffnung  zum  Colon  ascendens  behinderte.  — Bei  dem  an- 
dern Tiere  (J),  welches  zwei  Monate  p.  o^d.  gelebt  hatte  und  dann 
ziemlich  rasch  unter  allgemeinen  Krankheitserscheinungen  zu  Grunde 
gegangen  war,  zeigte  sich  bei  der  Autopsie  folgender  Befund : Das 
ausgeschaltete  Colon  ascendens-Stück,  gegen  die  Mittellinie  gezogen, 
prall  ausgedehnt  als  eine  20  cm  lange,  14  cm  Circumferenz  auf- 
weisende Wurst.  — Die  Darmwandschichten  waren  dick,  die  Serosa 
durch  Netz  Verwachsungen  verändert.  — Die  Mucosa  des  aufge- 
schnittenen Darmstückes  enthielt  multiple  bis  linsengrosse,  loch- 
förmige (folliculäre)  Geschwüre  und  einige  unregelmässige,  etwas 
grössere , unterminierte  (peptische)  Geschwüre.  Es  fanden  sich 
keine  Zeichen  einer  vorausgegangenen  oder  recenten  diffusen  Peri- 
tonitis. — Von  den  übrigen  Organen  waren  im  Herzen  deuthche 
pathologische  Veränderungen  nachweisbar : Endocarditis  bacteritica 
(Coccen).  Der  Inhalt  des  ausgeschalteten  Darmstückes,  welches 
ich  wie  bei  allen  anderen  Versuchen  absichtlich  intra  Operationen! 
nicht  vom  Inhalt  gereinigt  hatte,  war  eine  braungraue,  gleich- 
mässig  breiige  Masse. 


532 


Fritz  A.  Salzer. 


Diese  Erfahrungen  am  Versuchstiere  bestärkten  meine  Ver- 
mutung, dass  vollständige  Occlusion  des  ausgeschalteten  Darni- 
stückes  gefahrbringend  sei,  zumal  mir  mittlerweile  auch  die 
Voraussetzungen  und  Erfahrungen  Hermanns^)  bezüglich  ringför- 
miger Dünndarmausschaltimg  bekannt  geworden  waren.  N.  Senn’s  -) 
lehrreiche  Experimente  der  sogen,  »physiological  exclusion«  be- 
ziehen sich  nicht  und  antworten  daher  auch  nicht  auf  die  Frage, 
welche  uns  speziell  hier  interessiert. 

Meine  pessimistische  Voraussage  bezüglich  des  Schicksales 
der  Versuchstiere  mit  lokaler  Ausschaltung  und  totaler  Occlusion 
wurde  aber  späterhin  abgeändert  durch  die  Beobachtung  zweier 
Tiere,  welche  im  Februar  1891  operiert  worden  waren. 

Beide  Hunde  blieben  andauernd  gesund  und  als  schliesslich 
der  eine  nach  9 und  der  andere  nach  10  Monaten  zur  Konsta- 
tierung des  Lokalbefundes  getödtet  wurden,  fanden  sich  bei  ihnen 
keinerlei  Anzeichen,  welche  auf  Kranksein  der  Tiere  hindeuteten, 
oder  die  Wahrscheinlichkeit  eines  endlichen  ungünstigen  Ausganges 
nahelegten. 

Bei  dem  einen  nach  9 Monaten  getöteten  mittelgrossen  Hunde 
(F),  bei  welchem  ein  26  cm  langes  Ileumstück  wurstförmig  aus- 
geschaltet worden  war,  zeigte  sich  dieses  Darmstück,  obwohl  es 
— wie  für  alle  Experimente  erwähnt  — nicht  gereinigt  worden 
war,  ad  maximum  kontrahiert,  sodass  am  Querschnitt  kein  Lumen 
existierte.  Die  Zottenspitzen  berührten  einander  im  Centrum,  wenn 
wir  von  Einlagerung  einer  minimalen  Menge  eines  im  Spiritus- 
präparate weissen  krümmeligen  Detritus  (welcher  der  Hauptinenge 
nach  aus  Epithelzellen  bestand)  abseh en.  Die  Wand  des  Darmes 
war  gesund , weder  makroskopisch  noch  mikroskopisch  konnte 
Atrophie  oder  Hypertrophie  nachgewiesen  wwden.  — Der  Kadaver 
war  fettreich. 

Bei  dem  zweiten  nach  lOMonaten  getöteten  sehr  grossenHunde(G) 
war  Coecum  und  mit  demselben  kleine  Stücke  des  Ileum  und  Colon 
ascendens,  im  Ganzen  40  cm  Darmrohr,  u.  z.  ringförmig  ausgeschaltet 
worden.  Auch  in  diesem  Tiere  fanden  sich  keine  Anzeichen  voraus- 
gegangener Peritonitis.  Der  ausgeschaltete  Darm  war  jedoch  aus- 
gedehnt, eine  prall  gefüllte  Geschwulst  mit  gleichmässig  dicken 
Wandungen,  bei  deren  Eröffnung  die  Füllung  als  eine  grosse  Menge 

')  L.  Hermann:  Ein  Versuch  zur  Physiologie  des  Darmkanales.  Pflügers 
Archiv  für  Physiologie  B.  46. 

N.  Senn:  An  experimental  contribution  to  intestinal  surgery,  with 
special  reference  to  the  treatement  of  intestinal  obstruction.  Annals  of  surgery. 
vol.  VH. 


Ueber  Darmausschaltung. 


533 


gleichmässig  grauen,  glaserkittähnlichen  Inhaltes  zum  Vorschein 
kam.  Die  Darmwand  bot  makroskopisch,  sowie  mikroskopisch 
weder  auf  dem  Querschnitt  noch  von  der  Mucosa  aus  betrachtet 
einen  besonders  bemerkenswerten  Befund.  — Die  zwei  Versuchs- 
ausgänge lehren,  dass  lokale  Darmausschaltung,  mit  totaler  Occlusion, 
ausgeführt  im  untern  Ileum  oder  im  Bereiche  des  Coecum  unter 
günstigen  äusseren  Lebensbedingungen der  Tiere  ohne  jegliche 
Krankheitserscheinung  günstig  verlaufen  kann.  Es  geht  daraus 
vor  allem  hervor,  dass  die  Darmsekretion,  wie  dies  anders  aus  den 
\ ersuchen  Thirys  und  Hermanns  heraus  gelesen  werden  könnte, 
bei  Ausschaltung  nicht  eine  so  kontinuierliche  ist,  dass  man  ein 
Platzen  des  Darmes  zu  befürchten  hätte.  Die  Quantität  der 
Füllung  des  Darmstückes  scheint  mir  von  dem  Zeitpunkt  ab,  zu 
welchem  die  Darmwunden  solide  verheilt  sind  — also  von  der 
3. — 4.  Woche  ab  — keine  grosse  Gefahr  in  sich  zu  bergen.  Bei 
dem  Tier  F scheint  die  Resorption  die  Sekretion  an  Intensität 
übertroffen  zu  haben ; und  bei  Hund  G barg  das  ausgeschaltete 
Stück  — es  sei  mir  wegen  der  merkwürdigen  Beschaffenheit  des 
Inhaltes  der  Vergleich  gestattet  — noch  jene  Gefahr,  welche  auch 
die  Dermoidcyste  in  abdomine  darbietet,  eine  Gefahr,  welche  mit 
dem  Blick  auf  die  Indikation  zum  operativen  Eingriff  relativ  sehr 
klein  erscheint,  eine  Gefahr,  der  wir  schliesslich  nicht  maclitlos 
gegenüber  stehen. 

Weiters  ergiebt  sich,  dass  der  Darm  oder  genauer  die  Darm- 
schleimhaut bei  Occlusion,  bei  Vorhandensein  von  zweifellos  Fäul- 
niskeime enthaltendem  Inhalt,  nicht  notwendigerweise  erkrankt. 
Die  Fäulnis  dürfte  mitunter  nicht  nur  nicht  progressiv  sein,  son- 
dern sogar  völlig  sistieren,  worauf  der  Mangel  üblen  Geruches  des 
Darminhaltes  in  dem  am  längsten  beobachteten  Fall  G hinweist. 
Die  Hauptgefahr  der  Occlusion  schien  mir  ja  in  der  langdauernden 
Einwirkung  der  stagnierenden  und  sich  unter  Bakterien einfluss 
zersetzenden  Faeces  auf  Mucosa  und  das  kreisende  Blut  zu  liegen. 
Dass  Fäkalbrei,  welcher  schon  zur  Zeit  der  Operation  viel  Fäul- 
nisprodukte oder  besonders  toxisch  wirkende  Keime  enthält,  der 
für  den  Endausgang  wichtigste  Faktor  ist,  beweist  mir  besonders 
der  Verlauf  bei  Hund  J.  Es  liegt  nahe,  anzunehmen,  dass  durch 

*)  Beim  Mangel  eigener  Arbeitsräuine  ermöglichte  mir  nur.  das  Entgegen- 
kommen der  Abteilungschefs  der  Rijksveeartsenyschool  zu  Utrecht,  ganz  be 
sonders  die  Bereitwilligkeit  des  Pathologisch-Anatomen  Dr.  Hamburger  die  Aus- 
führung der  letzten  Experimente , wofür  ich  den  Kollegen  meinen  besten  Dank 
ausspreclie.  — Die  Lebensbedingungen  und  die  Verpflegung  der  Versuchstiere 
in  diesem  Institute  sind  vorzügliche. 


534 


Fritz  A.  Salzer. 


zweckmässige  medikamentöse  Vorbereitung  des  Darmtraktes  und 
besonders  aber  Auswahl  der  Nahrung  zur  Zeit  der  Operation  der 
Verlauf  beeinflusst  werden  kann.  Bei  den  günstig  verlaufenen 
Versuchen  war  auf  die  Ernährung  Sorgfalt  verwendet  worden. 

Geht  aus  den  Tierexperimenten  hervor,  dass  die  Darmaus- 
schaltung bei  einem  gesunden  und  gut  gepflegtem  Tiere  sogar  bei 
Kotfüllung  des  vollständig  zugenähten  ausgeschalteten  Darmstückes 
nicht  absolut  gefahrbringend  ist,  während  wir  andererseits  wissen, 
dass  die  Anlegung  Thiry’scher  oder  Vella’scher  Fisteln  ungefährlich 
ist,  so  ergab  sich  daraus  die  Berechtigung,  im  Notfälle  ähnliche 
Operationen  am  Menschen  auszuführen.  — Die  Frage : in  welchen 
Fällen  ? beantwortete  die  Klinik,  oder  besser : Mannigfache  klinische 
Beobachtungen  haben  den  Op erations Vorschlag  gezeitigt. 

Ein  grosser  Teil  meines  Beobachtungsmateriales  ist  in  der 
Kasuistik  der  Coecumoperation  der  Klinik  Billroth  zu  finden. 
Ich  verweise  auf  diesen  Aufsatz,  weil  rückblickend  auf  mehrere 
da  beschriebene  Fälle  (2,  5,  10,  13,  23,  24)  die  Indikation  zu  lokaler 
Darmausschaltung  zu  deduzieren  ist. 

Ausser  jenen  Fällen  von  exulceriertem  Carcinom  des  Coecum, 
von  chronischen  Geschwüren  tuberkulöser  oder  anderer  Natur  mit 
ausgedehnter  Verwachsung  zwischen  Goecum  und  Bauch  wand  oder 
Fistelbildung  in  der  Nachbarschaft,  waren  es  aber  besonders  noch 
zwei  ältere  Beobachtungen,  welche  mich  seinerzeit  zum  Suchen 
nach  einer  anderen  Behandlungsart,  als  dies  Resectio  intestini  und 
Enteranastomosis  sind,  antrieben. 

Dieselben  mögen  das  Wünschenswerte  einer  Abhilfe  bei  ge- 
wissen vereinzelten  Fällen  illustrieren.  Die  eine  Beobachtung 
bezieht  sich  auf  einen  50jährigen  Mann,  welcher  unter  Verdau- 
ungsbeschwerden an  einer  Geschwulst  der  Milzgegend  erkrankt 
war.  — Nach  einiger  Zeit  zeigte  es  sich,  dass  es  sich  um  einen 
Kotabscess  im  linken  Hypochondrium  handle.  — Als  am  Tage  der 
Spitalsaufnahme  bei  dem  sehr  heruntergekommenen  Kranken  In- 
cision  der  Bauchwand  gemacht  wurde,  gelangte  man  in  der  Gegend 
der  linken  Flexura  colli  in  ein  grosses,  Kot,  Eiter  und  gangränöses 
Gewebe  enthaltendes  Cavum.  Durch  die  resultierende  Fistel  ent- 
leerten sich  zuweilen  reichliche  Mengen  von  Darminhalt.  — Nach 
einiger  Zeit  wurde  die  kranke  Region  durch  Rippenresektion  noch 
weiter  offen  gelegt  und  da  konnte  man  sehen,  dass  der  ganze 
Wundraum  nur  durch  gangränös-eitrigen  Zerfall  einer  carcinoma- 
tösen  Neubildung  zu  stände  gekommen  war,  in  welche  die  Darm- 

0 F.  Salzer : Beiträge  zur  Pathologie  und  chirurgischen  Therapie  chronischer 
Coecumerkrankungen.  — v.  Langenheck’s  Archiv  Bd.  43. 


Ueber  Dannau sschaltung. 

wand  des  Colon  descendens  überging.  Der  Leidende  war  während 
der  vielen  Monate  bis  zum  exitus  letalis  in  sehr  bedauernswerter 
Lage  und  zugleich  eine  grosse  Last  für  die  pflegenden  Angehörigen. 
— Dies  ist  ein  Fall,  welcher  mir  Laparotomie  und  Ausschaltung 
der  pathologisch  veränderten  Colonpartie  durch  quere  proximale 
und  distale  Durchschneidung  des  Darmstückes  mit  Zunähung  der 
Enden  — hier  wegen  der  grossen  bestehenden  Fistel  ohne  An- 
legung einer  neuen  Fistel  — indiziert  erscheinen  lässt. 

Ein  anderer  hierher  gehöriger  Fall  bot  das  Bild  einer  alten 
Schussverletzung : Bauchschuss  in  der  rechten  Inguinalgegend,  Darm- 
fistel, sekundäre  Osteomyelitis  chronica  ossis  ilei  dextri  (wahrschein- 
lich tuberkulöser  Natur  nach  Infektion  vom  Darmtrakt  aus),  Conge- 
stionsabscess  des  rechten  Femur.  Die  Ausschneidung  des  Projektiles 
nach  Spaltung  des  Abscesses,  die  ausgedehnten  Hautplastiken  auf 
die  Darmfistel,  der  Versuch  der  Freilegung  des  pathologisch  ver- 
änderten Intestinum  inmitten  des  Schwielengewebes  — alles  war 
erfolglos.  Der  Kranke  musste  nach  Monaten  aus  der  Spitalspflege 
entlassen  werden,  um  ungeheilt  nach  Hause  zu  gehen. 

Wer  Kranke  mit  Darmfisteln  lange  Zeit  unter  den  Augen 
hatte,  weiss,  wie  sehr  solche  Individuen  manchmal  herunterkom- 
men, meist  durch  Komplikation  der  Fisteleiterung  und  des  Ver- 
lustes von  Darmsaft  mit  katarrhalischen  Prozessen  im  Innern  des 
Darmes.  — Die  Beobachtungen  von  komplizierten  Darmfisteln  und 
zugleich  ausgedehnten  intra- abdominellen  Abscessen  nach  Incar- 
ceration,  beispielsweise  einer  interstitiellen  Leistenhernie,  von  Darm- 
fisteln bei  ausgedehnter  Serosatuberkulose  jugendlicher  Individuen, 
Beobachtungen  ähnlicher  desparater  Fälle,  erhärten  mir  weiters 
das  Bestehen  der  Anzeige  zur  lokalen  Dannausschaltung.  Ich  will 
aber  nicht  durch  breite  Darlegung  solcher  Krankheitsbilder,  bei 
welchen  guter  Rat  und  LIilfe  teuer  sind,  die  Fachkollegen  ermüden, 
es  genüge,  einige  Erinnerungsbilder  wachzurufen,  um  die  Aufmerk- 
samkeit auf  Mängel  unseres  Könnens  zu  lenken.  — 

Zum  Glück  versagt  chirurgische  Hilfe  immer  seltener ; darum 
wird  sich  auch  die  Indikation  für  Darmausschaltung  beim  Menschen, 
freihch  relativ  sehr  selten,  ergeben.  — Wir  haben  für  die  grosse 
Mehrzahl  lokaler,  sowohl  akuter  wie  chronischer  Darmprozesse, 
soweit  sie  überhaupt  der  Hand  zugänglich  sind,  in  der  Resectio 
intestini  und  in  der  Enterostomie  längst  erprobte  Verfahren, 
während  gewisse  durch  von  Hacker  dargelegte  Kom- 

*)  V.  von  Hacker:  Heber  die  Bedeutung  der  Auastomoseubilduug  am 
Darm.  Wiener  klinische  Wochenschrift  1888,  Xr.  17. 

V.  von  Hacker;  Zur  Operation  der  Darmanastomose.  Wiener  klinische 
Wochenschrift  1892,  Nr.  1. 


536 


Fritz  A.  Salzer. 


plikationen  die  Enteroanastomose  als  zweckmässige,  sichere  Me- 
thode angezeigt  erscheinen  lassen;  eine  Methode,  welche  überdies 
die  Anlegung  des  Anus  artificialis  wahrscheinlich  vielfach  wird 
vermeiden  lassen.  Für  lokale  Darmausschaltung  scheinen  mir  als 
indizierende  Krankheitsprozesse  übrig  zu  bleiben  einzelne  Fälle  von : 
komplizierten  Kot-Eiterfisteln  nach  Schussverletzung, 

,,  ,,  ,,  nach  Incarceration, 

,,  ,,  „ bei  Typhlitis  u.  Perityphlitis  chronica, 

bedingt  durch  Fremdkörperulcera- 
tion  oder  Kotgeschwüre, 

„ „ ,,  bei  Coecumtuberkulose, 

,,  ,,  ,,  nach  Krankheitsprozessen  anderer 

Darmteile,  welche  den  erwähnten 
Coecumerkrankungen  analog  sind, 
Darmfistel  nach  Durchbruch  inoperabler  Geschwülste, 

,,  nach  Arrosion  des  Darmes  infolge  eines  tiefen  Eiterungs- 
prozesses im  Bauchraume, 

Unheilbarer  Kommunikation  zwischen  Blase  und  Darm  (beispiels- 
weise bei  Carcinoma  vesicae,  wenn  Kot-  und  Gasansamm- 
lung in  der  Blase), 

Stenosis  intestini  ohne  Fistel,  wenn  die  Ausdehnung  des  ursäch- 
lichen Lokalprozesses  die  Exstirpation  des  Darmteiles 
unmöglich  oder  allzu  gefährlich  erscheinen  lässt,  wenn 
es  aber  andererseits  leicht  möglich  ist,  gesunde  Darm- 
enden nach  Ausschaltung  zirkulär  zu  vernähen  und  so 
die  Anlegung  eines  Anus  artificialis  zu  vermeiden, 
Tumor  malignus  intestini  auch  wenn  keine  Stenosen-Erscheinungen 
bestehen,  im  Falle  als  derselbe  in  einem  nicht  cachec- 
tischen  Individuum  inoperabel  ist. 

Lokalen  Darmprozessen  chronischer  Natur,  ohne  Fistelbildung  und 
ohne  Stenose,  welche  zwar  inoperabel,  jedoch  einer 
medikamentösen  Lokalbehandlung  zugänglich  erscheinen 
(Actinomycose). 

Dass  ich  bei  stenosis  intestini  und  bei  tumor  malignus  die 
Darmausschaltung  auch  gegenüber  der  seitlichen  Enteroanastomose 
erwähnte,  hat  den  theoretischen  Grund,  dass  bei  Ausschaltung  die 
weitere  schädliche  Einwirkung  nachrückender  Faeces  auf  den 
stenosierenden  Geschwürsprozess  oder  die  maligne  Bildung  ver- 
mieden würde  und  überdies  die  Möglichkeit  lokaler  Koprostase, 
welche  beispielsweise  im  Coecum  auch  sonst  den  Menschen  krank 
macht,  wegfällt.  Wenn  von  einer  Seite  auf  das  Ausbleiben  von 
Folgeerkrankungen  im  Bereiche  der  einfachen  Anastomosen-Bildung 


üel)er  Darniaussclialtung. 


537 


zwischen  Magen  und  Jejunum  hingewiesen  wurde,  so  kann 
ich  das  nicht  als  beweisend  für  die  Ungefährlichkeit  von  Kot- 
stagnation im  Colon  ansehen.  — Wenn  wir  auch  von  der  Ungleich- 
heit der  mechanischen  Verhältnisse  ganz  absehen  wollen,  so  ist 
doch  nicht  zu  vergessen,  dass  der  Inhalt  und  die  j)hysiologischen 
Eigenschaften  der  unteren  Darmpartien  in  Vergleich  zum  Inhalt 
und  der  Funktion  des  Duodenum  soweit  andere  sind,  dass  die 
Analogie  der  Technik  zwischen  Gastroenterostomie  und  Enteroana- 
stomose  noch  nicht  die  therapeutische  Gleichwertigkeit  dieser  beiden 
Operationen  beweist.  — Wie  schwerwiegend  der  Einfluss  des  Dick- 
darminhaltes auf  den  Verlauf,  beispielsweise  der  Carcinome,  ge- 
schätzt wird,  ergab  sich  bei  der  Diskussion  über  Methodik  der 
Colotomie  im  Anschluss  an  den  Vortrag,  welchen  König  auf  dem 
Chirurgenkongresse  des  Jahres  1888  hielt.  Dass  übrigens  bei  Ste- 
nosen, welche  nicht  mit  Geschwürsprozessen  der  Mucosa  kombiniert 
sind , zumal  in  sehr  heruntergekommenen  Individuen , welchen 
schon  eine  längere  Operationsdauer  gefährlich  werden  kann,  En- 
teroanastomose  als  das  einfachere  Verfahren  den  Vorzug  verdient, 
steht  ausser  Frage;  besonders  da-  diese  Operation  einigemal  sogar 
bei  ulcerösen  Prozessen  guten  Dauererfolg  hatte.  Ich  glaube  daher, 
dass  die  Stellung  einer  bestimmten  Indikation  zur  lokalen  Aus- 
schaltung gegenüber  der  der  Enteroanastomose  bei  den  zuletzt 
erwähnten  »Stenosen  ohne  Koteiterfistel«  jedenfalls  schwierig  sein 
wird.  Es  will  mich  überhaupt  dünken,  dass  ein  weitgehendes 
Schematisieren  der  Indikation  zu  operativer  Methodik  bei  kompli- 
zierten seltenen  Krankheitsprozessen  weniger  direkten  praktischen 
Wert  hat,  als  vielmehr  durch  Wachrufen  einer  Diskussion  zur 
Abklärung  des  Urteils  über  die  Therapie  solcher  Prozesse  bei- 
trägt. 

Als  einen,  wie  mir  scheint,  nicht  zu  verkennenden  ^’^orteil 
der  Darmausschaltung,  gegenüber  der  Enteroanastomose  und 
»physiological  exclusion«,  will  ich  aber  hervorheben,  dass  erstere 
Operation  allein  die  Anwendung  medikamentöser  und  mechanischer 
Lokaltherapie  in  dem  kranken  Darmstück  während  des  weiteren 
Verlaufes  des  pathologischen  Prozesses  ermöghcht. 

Den  einfachen  anus  praeternaturalis  habe  ich  als  Indikation 
zur  Ausschaltung  nicht  erwähnt,  weil  sich  zur  Heilung  auch  schwie- 
riger derartiger  Fälle  die  verschiedenen  Resektionsverfahren  even- 
tuell Trendelenburgs  Methode  vorzüglich  eignen.  Wäre  der  Anus 
präternaturalis  durch  ausgedehnte  schwielige  Verwachsungen,  Ste- 
nosen und  Abscesse  kompliziert,  so  wmrden  selbstredend  die  letz- 
tem Erkrankungen  Darmausschaltung  indizieren. 


538 


Fritz  A.  Salzer. 


Als  ein  einfaches  Verfahren  bezeichnete  ich  Enteroanastoinose 
gegenüber  der  Darinausschaltimg,  nicht  nur  wegen  der  einfacheren 
Nahtlinien  und  wegen  des  Hinwegfallens  der  Verschlussnaht  der 
Darmenden,  sondern  besonders  deswegen,  weil  ich  bei  einem  Falle, 
bei  welchem  nicht  schon  von  vornherein  eine  genügend  weite 
Darmfistel  besteht,  an  meinem  ursprünglichen  Vorschlag  der 
Anlegung  einer  distalen  Darmfistel  festhalten  möchte,  um  für 
die  Lokalbehandlung  des  Darminnern  Zugang  zu  haben.  Darm- 
ausschaltung mit  totaler  Occlusion  wird  sich  eben  nur  bei  ander- 
weitiger Kommunikationsöffnung  zwischen  Darm  und  der  Haut- 
oberfläche oder  der  Blase  oder  einer  Abscesshöhle  eignen.  — Im 
andern  Falle  bei  einfachen  stenosierenden  oder  tumorartigen  Er- 
krankungen wird  eine  vollständige  Occlusion  trotz  einiger  günstig 
verlaufener  Tierexperimente  immerhin  gewagt  erscheinen  müssen. 
Mit  dem  Rückblicke  auf  die  verschiedensten  Tier-Experimente 
kann  schliesslich  der  Frage  nach  Grösse  und  Art  der  anzulegen- 
den Darmöffnung  keine  besonders  grosse  Bedeutung  beigemessen 
werden.  — 


Was  die  Anwendung  des  Vorschlages  der  Darmausschaltung 
am  Krankenbette  anlangt,  so  hatte  ich  bisher  noch  keine  Gelegen- 
heit, eigene  Erfahrung  zu  sammeln. 

Dozent  Dr.  J.  Hochenegg*)  kam  jedoch  bald  in  die  Lage, 
meinen  Vorschlag  benützen  zu  können.  Er  führte  bei  einem 
Kranken  der  Klinik  Albert,  welcher  Erscheinungen  chronischer 
Perityphlitis  darbot  und  bei  welchem  Carcinom  vermutet  wurde, 
lokale  Darmausschaltung  aus. 

Auch  Dr.  Rudolf  Frank fand  einige  Monate  später  Ge- 
legenheit, eine  derartige  Operation  auszuführen  u.  zw.  bei  einem 
Fall  chronischer  Entzündung  in  weitem  Umkreise  des  Ileum  und 
Coecum  mit  multiplen  Stenosen  des  Darmes.  Nach  langwieriger, 
schwierigster  Präparation  musste  sich  Frank  schliesslich  zur  Aus- 
schaltung von  1 m Darm  entschliessen. 

Indikation  in  beiden  Fällen  war  demnach:  chronische  Er- 
krankung des  Coecum;  eine  Indikation,  welche,  wie  ich  vermute 


b J.  Hochenegg:  Ein  Beitrag  zur  Coecalchirurgie  und  zur  Ileocolostouiie. 
Wiener  klinisclie  Wochenschrift  1891,  Nr.  53. 

R.  Frank : Einige  Darmoperationen  mit  Bemerkungen  über  die  Darm- 
naht. Wiener  klinische  Woclienschrift  1892,  Nr.  27. 


Ueber  Darmausschaltung. 


539 


und  wiederholt  hervorhob,  wohl  die  vornehmste  Anzeige  für  Darm- 
ausschaltung  darstellen  wird. 

Was  die  Technik  der  Operation  betrifft,  so  haben  Hochenegg 
und  Frank,  wahrscheinhch  veranlasst  durch  den  ersten  ungün- 
stigen Bericht  über  meine  Tierexperimente,  in  noch  vorsichtigerer 
Weise,  als  ich  es  bereits  angeraten  hatte,  statt  eines  beide  Enden 
des  ausgeschalteten  Darmstückes  offen  in  der  Bauchwunde  einge- 
näht; mit  gutem  Erfolg,  — so  dass  ich  die  Berechtigung  des  Vor- 
schlages der  Darmausschaltung  für  bewiesen  halte. 

Welche  Modifikation  der  Operation  die  zweckmässigste  sein 
wird,  lässt  sich  wohl  vorläufig  nicht  entscheiden.  Von  den  vier 
Möglichkeiten  der  Technik  vollständiger  lokaler  Darmausschaltung: 

1.  totale  Occlussion, 

2.  Anlegung  einer  distalen  Fistel, 

3.  Anlegung  einer  proximalen  Fistel, 

4.  Anlegung  zweier,  einer  distalen  und  proximalen  Fistel, 
hatte  ich  mich  deshalb  für  die  zw^eite  ausgesprochen,  weil  mir  die 
erste  zu  gefahrvoll,  die  dritte  als  methodisches  Vorgehen  zu  un- 
logisch und  die  vierte  als  eine  zumeist  unnötige  Komplikation  er- 
schien. 

In  dem  von  R.  Frank  operierten  Falle  hat  sich  zum  min- 
desten nicht  die  Notwendigkeit  des  Offenliegens  der  proximalen 
Darmöffnung  herausgestellt.  So  dass  ich  auch  jetzt  glaube,  dass 
für  alle  Fälle,  in  denen  nicht  geradezu  Jauchung  im  Darminnern 
besteht,  und  so  ein  sehr  weites  oder  doppeltes  Offenlegen  indiciert, 
die  Anlegung  einer  Fistel  zum  Zwecke  lokaler  Behandlung  ge- 
nügen wird.  Denkt  man  gar  an  spätere  Exstirpation  des  ausge- 
schalteten Darmes,  wie  dies  bei  temporärer  Inoperabilität  wegen 
des  schlechten  Allgemeinzustandes  des  Patienten  oder  wegen  lokaler 
Entzündung  immerhin  in  Frage  kommen  kann,  so  würde  eine 
solche  Nachoperation  durch  vorangegangenes  Versenken  eines 
Darmendes  selbstverständlich  sogar  vereinfacht  werden. 

Den  Ausdruck  »Fistel«  habe  ich  nach  Analogie  der  » Blasen - 
fi.stel«  für  eine  behebig  grosse  Oeffnung  des  Darmsackes  angewen- 
det; absichtlich  nicht  »Enterostomie«  oder  »Anus  artificialis«,  weil 
die  Einnähung  der  ganzen  Circumferenz  des  Darmrohres  meist 
entbehrlich  sein  wird,  indem  eine  etwa  fingerdicke  Oeffnung  am 
distalen  Ende  als  — sit  venia  verbo  — Sicherheitsventil,  oder  zur 
Vornahme  von  Ausspülungen  genügen  düi’fte. 

Was  das  Anlegen  einer  proximalen  Fistel  betrifft,  so  scheint 
mir  dies  nur  in  dem  Falle  indiciert,  wenn  nämlich  bei  Ausschal- 
tung eines  langen  Darmstückes  die  Verhältnisse  es  wollen,  dass 


540 


Fntz  A.  Salzer. 


der  einer  Lokalbehandlung  bedürftige  Darmabschnitt  dem  proxi- 
malen Querschnitte  ungleich  näher  ist  als  dem  distalen.  Bei  Dünn- 
darm-Ausschaltung dürfte  es  übrigens  mitunter  schwer  halten,  das 
proximale  oder  distale  Ende  zu  unterscheiden,  so  dass  ein  beliebiges 
Verfahren  ab  und  zu  gerechtfertigt  erscheinen  mag.  Man  wird 
nur  nicht  prinzipiell,  bei  freier  Wahl,  die  proximale  der  distalen 
Oeffnung  vorziehen. 

Was  die  totale  Occlusion  anlangt,  so  halte  ich  dieselbe  wie 
bereits  gesagt,  beim  Bestehen  sehr  weiter  Kotfisteln  zweifellos  für 
gestattet.  Bei  engen  Fisteln  und  bei  völliger  Abwesenheit  solcher 
ist  es  jedoch  zum  mindesten  gewagt  zu  nennen.  Nur  bei  ganz 
zwingenden  Verhältnissen,  am  ehesten  noch  am  Dünndarm, 
— denken  wir  an  ein  in  ein  retroperitoneal  entspringendes  Lympho- 
sarcom  eingebackenes  leeres  Ileumstück  — mag  ein  solches  Wag- 
stück zu  entschuldigen  sein.  Und  auch  dann  wird  es  wünschens- 
wert sein,  eines  der  Darmenden  an  der  Bauch  wunde  zu  fixieren 
(oder  eventuell  die  Bauch  wunde  mit  Jodoformgaze  zu  tamponieren), 
um  bei  beunruhigenden  Symptomen  öffnen  zu  können. 

Eine  Regel  für  die  Länge  des  auszuschaltenden  Darmstückes 
auszusprechen,  scheint  mir  völlig  unthunlich.  Wir  können  unter 
Umständen  gezwungen  sein,  einen  ganz  bedeutenden  Bruchteil  des 
Darmrohres  ausser  F unktion  zu  setzen,  und  wir  wissen  aus  Mitteilungen 
über  Darm-Resektionen  und  Enteroanastomosen  beim  Menschen 
und  aus  den  sehr  bemerkenswerten  Versuchen  über  physiological 
exclusion  von  N.  Senn^),  dass  in  dieser  Richtung  sehr  viel  ver- 
tragen werden  kann.  Selbstredend  wird  aber  zunehmende  Länge 
des  ausgeschalteten  Stückes  eine  zunehmende  Gefahr  bedeuten, 
so  dass  uns  stets  die  Pflicht  obliegt,  möglichst  wenig  zu  resecieren 
d.  h.  nur  gerade  soviel,  dass  die  Ausschaltung  des  kranken  Teiles 
des  Darmes  eine  vollständige  sei,  und  dennoch  so  \iel,  dass  bei 
Notwendigkeit  der  Anlegung  einer  Fistel  das  distale  Ende  des 
Ausgeschalteten  ohne  Spannung  in  die  Bauchwunde  eingenäht 
werden  kann. 

Obgleich  ich  so  scheinbar  der  Ansicht  zuneige,  dass  das  Aty- 
pische der  indicierenden  Erkrankungen  dem  individualisierenden 
Arzte  jede  Methodik  der  Operationstechnik  über  den  Haufen  zu 
werfen  droht,  so  glaube  ich  doch  berechtigt  zu  sein,  ganz  allge- 
mein als  Methodik  der  lokalen  Darmausschaltung:  distale  Fistel- 
bildung — und  bedingungsweise  totale  Occlusion  — zu  empfehlen ; 
Vorschläge,  die  in  dem  Bestreben  wurzeln,  den  Sonderzustand 


b 1.  c. 


l T eher  Dannausschaltung. 


541 


solcher  Operierter  möglichst  wenig  gefahrvoll , unnatürlich  und 
lästig  zu  gestalten,  und  welche  zugleich  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
unschwer  durchführbar  sein  werden. 

Indem  ich  im  Vorliegenden  das  Thema  allein  vom  chirur- 
gischen Standpunkte  aus  besprechen  wollte,  behalte  ich  mh  vor, 
auf  die  Historie  der  physiologischen  Experimente  und  die  Einzeln- 
heiten  meiner  Untersuchungen  an  anderem  Orte  einzugehen. 


[Nachtrag  während  des  Druckes] : Dank  der  freundlichen  Mit- 
teilung des  Kollegen  Dr.  A.  Freiherrn  von  Eiseisberg  kann  ich 
die  kleine  Kasuistik  der  Darmausschaltung  durch  die  Angabe  er- 
gänzen, dass  E.  an  der  Klinik  Billroth  zu  Anfang  September  d.  J. 
einen  Fall  von  Kotfistel  des  Coecum  operierte.  Es  handelte  sich 
um  ein  graciles,  äusserst  heruntergekommenes,  15  jähriges  Mädchen, 
welches  nach  einer  vor  einem  halben  Jahre  überstandenen  schweren 
Perityphlitis  an  Koteiterfisteln  litt.  — Die  Verwachsungen  im  Bauch- 
raum waren  ausgedehnt  und  innig.  Die  Darmausschaltung  wurde 
hier  in  der  Weise  ausgeführt,  dass  beide  Darm  enden  voll- 
ständig zugenäht  wurden,  — deshalb  weil  die  bestehende 
Kotfistel  sehr  weit  war.  Der  Verlauf  ist  ein  vorzüglicher. 


Das  neue  Billroth’sche  Verfahren  zur  Be- 
handlung intraperitonealer  Echinococcen 

von 

Dr.  F erdiuaiid  Scliüssler, 

ehemaligem  Assistenten  der  Klinik  Billroth. 

Die  Echinococcenchirurgie  liat  bereits  eine  interessante  Ge- 
schichte hinter  sich;  vielfältig  waren  die  Versuche  der  Chirurgen, 
deren  Scharfsinn  und  Kühnheit  dieser  Parasit  seit  langem  heraus- 
gefordert hat.  Die  Echinococcenlitteratur  ist  heutzutage  gewaltig 
angewachsen ; doch  seine  Therapie  ist  noch  keineswegs  abgeschlossen. 
Bezeichnend  ist  schon  der  Umstand,  dass  sich  seit  einer  langen 
Reihe  von  Jahren  die  zwei  gegenwärtig  herrschenden  Methoden, 
nämlich  die  einzeitige  und  die  zweizeitige  Schnittmethode,  unver- 
mittelt gegenüberstehen,  ohne  dass  eine  der  andern  den  Vorrang 
abgerungen  hätte.  Nach  dem  heutigen  Stande  der  Frage  hängt  es 
nicht  von  der  IndiUdualität  des  Falles,  sondern  von  der  des  Ope- 
rateurs ab,  welches  Verfahren  zur  Anwendung  gelangt. 

Der  nächstliegende  Gedanke  wäre,  auf  dem  Wege  der  Stati- 
stik eine  Entscheidung  herbeizuführen.  Unter  den  mir  zugäng- 
lichen 168  Incisionen  waren  116  einzeitig,  52  zweizeitig  ausgeführt. 
Von  den  116  einzeitig  operierten  Fällen  waren  99  geheilt,  17  gestorben, 
„ „ 52  zweizeitig  „ „ „ 43  „ 9 

Diese  Bilanz  spricht  also  etwas  mehr  zu  Gunsten  der  einzeitigen 
Methode. 

Nachdem  aber  eine  Statistik,  die  nur  auf  dem  Materiale  der 
Kliniken  und  grösseren  Spitäler  fusste,  an  denen  der  einzelne 
Chirurg  Gelegenheit  hatte,  eine  grössere  Reihe  von  Fällen  operativ 
zu  behandeln,  ungleich  höheren  Wert  haben  musste,  stellte  ich 
weiters  nur  die  klinischen  Fälle  zusammen  und  erhielt  nun  fol- 
gendes Resultat: 


Pas  neue  Billroth’sclie  Verfahren  z.  Behandlung  intrai)eritonealerEchinococcen.  543 

110  Incisioneii  (76  einzeitig,  34  zweizeitig). 

Von  den  76  einzeitigen  65  geheilt,  11  gestorben, 

„ „ 34  zweizeitigen  31  ,,  3 „ 

Auf  die  einzelnen  Kliniken  verteilen  sich  die  Fälle  folgendermassen : 

tteheilt : Gestorben : 


Albert  . . . 

5 

Fälle 

zweizeitig  . 

. 5 

— 

Billroth . . . 

12 

11  einzeitig 

. 8 

3 

1 zweizeitig 

. 1 

— 

Helferich  . . 

7 

n 

einzeitig  . 

. 7 

— 

König 

13 

) 

11  einzeitig 

. 8 

3 

2 zweizeitig 

. 2 

— 

Küster  . . . 

14 

3 7 

8 einzeitig 

. 6 

2 

6 zweizeitig 

. 4 

2 

Landau  . . . 

5 

77 

einzeitig  . 

. 5 

— 

Lawson  Tait  . 

13 

77 

einzeitig  . 

. 13 

— 

Langenbuch  . 

3 

7 

zweizeitig  . 

. 3 

— 

Segond  . . . 

6 

77 

einzeitig  . 

. 5 

1 

Trendelenburg 

5 

77 

einzeitig  . 

. 5 

— 

Volkmann. 

15 

73 

zweizeitig  . 

. 14 

1 

Bei  diesem  Resultat 

gewinnt  wieder  die 

zweizeitige 

Incision 

einen  Vorsprung.  Nun  sind  aber  diese  nackten  Zahlen  für  unsern 
Zweck  sehr  wenig  massgebend ; bei  den  letal  verlaufenden  Fällen 
ist  ja  zum  grösseren  Teile  die  Todesursache  nicht  dem  Operations- 
akte beizumessen,  sondern  der  Erschöpfung  durch  anderweitige, 
multipel  auftretende  Echinococcen  oder  durch  k'olgekrankheiten 
nach  langwieriger,  profuser  Sekretion  aus  dem  eingenähten  Sack 
oder  endlich  durch  intercurrente  Krankheiten;  nur  zum  geringen 
Teile  erfolgte  der  ungünstige  Ausgang  durch  septische  Peritonitis 
oder  durch  Collaps,  also  im  direkten  Anschluss  an  die  OjDeration ; 
nicht  immer  ist  dies  übrigens  aus  den  betreffenden  Kranken- 
geschichten genug  klar  ersichtlich.  Von  diesem  Gesichtspunkte 
aus  betrachtet,  neigt  die  Wagschale  der  Statistik  wieder  etwas 
zu  Gunsten  des  zweizeitigen  V erfahrens , doch  ist  der  Ausschlag 
nicht  gross  genug,  um  Entscheidendes  daraus  ableiten  zu  können. 

Wir  wären  demnach  wieder  auf  theoretische  Erwägungen  an- 
gewiesen. Eine  Gefahr  aus  dem  Operationsakte  kann  durch  zwei 
Momente  erwachsen: 

1)  durch  Uebertritt  von  Cysteninhalt  in  die  freie  Bauchhöhle, 
sei  derselbe  nun  bereits  septisch  oder  auch  nicht,  im  letz- 
teren Falle  käme  dann  nur  der  Austritt  von  Echinococcus- 
keimen in  Betracht; 

2)  durch  die  Schwere  des  Eingriffes,  also  längere  Dauer  der 


544 


Ferdinand  SchüBsler. 


Operation  (Narkose),  eventuell  septische  Infektion  durch 
Fehler  gegen  die  Aseptik. 

Das  erste  Moment  wird  gewöhnlich  von  den  Anhängern  des 
zweizeitigen  Verfahrens  sehr  in  den  Vordergrund  gestellt,  doch 
kommt  man  bei  genauer  Durchsicht  der  Kasuistik  zur  Ueberzeu- 
gung,  dass  sich  auch  bei  der  zweizeitigen  Methode  die  Adhäsionen 
manchmal  nicht  so  sicher  bilden,  dass  hie  und  da  Netz  und  Darm 
vorfällt,  ja,  dass  es  auch  passieren  kann,  dass  gar  nicht  die  ge- 
wünschte Stelle  in  der  Bauchdeckenwunde  verklebt  (siehe  Fall 
Grossich*),  der  letal  ausging).  Es  ist  richtig,  dass  für  die  ein- 
zeitige Methode  eine  bessere  Assistenz  notwendig  ist,  aber  das 
Einfliessen  von  Cysteninhalt  kann  vermieden  werden , am  besten 
in  der  Weise,  dass  die  vorliegende  Cystenwand  zunächst  punktiert 
wird,  worauf  man  den  Sack  möglichst  entleert,  dann  einstweilen 
provisorisch  verschliesst  und  hervorzieht  und  hierauf  erst  die  Punk- 
tionsöffnung ausgiebig  durch  Incision  erweitert  und  nun  den  Endakt 
anschliesst.  Zwischen  den  Rändern  der  Bauchdeckenwunde  und 
der  Cystenwand  sind  ringsum  Gazestreifen  gelegt,  welche  etwa 
doch  aussickernde  Flüssigkeit  aufnehmen. 

Was  das  zweite  Moment  anbetrifft,  so  ist  zuzugestehen,  dass 
beim  einzeitigen  Verfahren  der  OjDerationsakt  ein  längerer  und 
daher  auch  eingreifender  ist ; ferner  ist  dadurch  eine  grössere  Mög- 
lichkeit für  eine  septische  Infektion  während  der  Operation  ge- 
geben. Nun  soll  aber  diese  Operation  eben  nur  unter  Verhält- 
nissen gemacht  werden,  wo  man  der  Asepsis  sicher  ist,  und  weiter 
bleibt  auch  die  einzeitige  Incision  noch  immer  ein  relativ  geringer 
Eingriff,  der  nur  bei  sehr  heruntergekommenen  Individuen  ins 
Gewicht  fallen  würde,  bei  denen  aber  ein  längeres  Zuwarten,  wie 
es  die  zweizeitige  Methode  erfordert,  wohl  auch  gewagt  ist.  Uebri- 
gens  kann  dieses  Zuwarten  auch  bei  kräftigen  Patienten  gefährlich 
werden,  wenn  der  Cysteninhalt  bereits  in  eitriger  oder  jauchiger 
Zersetzung  begriffen  ist. 

Das  Schwergewicht  der  Frage  lege  ich  aber  auf  einen  an- 
deren Punkt,  der  auch  auf  unserer  Klinik  der  Beweggrund  war, 
dass  dem  einzeitigen  Verfahren  der  Vorzug  gegeben  wurde:  dass 
es  uns  nämlich  in  den  Stand  setzt,  viel  klarer  zu  handeln.  Wir 
vermögen  die  Verhältnisse  in  der  Bauchhöhle  viel  besser  zu  über- 
sehen, besonders  nach  Entleerung  der  Cyste,  und  können  danach 
unser  weiteres  Handeln  einrichten.  Aus  diesem  Grunde  ist  auch 
jene  Modifikation  des  einzeitigen  Verfahrens,  bei  welchem  die 


*)  Fester  Presse,  1888,  Nr.  28. 


Das  neue  Billroth’sche  Verfahren /.Behandlung  intraperitonealer  Echinococcen.  545 

Sackwand  vor  der  Eröffnung  durch  Nähte  an  die  Bauchdecken- 
wunde fixiert  wird  (Sänger),  nicht  zu  empfehlen,  da  wir  uns  eben 
dadurch  der  Vorteile  der  einzeitigen  Incision  gegenüber  der  zwei- 
zeitigen begeben. 

Infolge  der  grösseren  Klarheit  und  Uebersichtlichkeit  des 
Handelns  war  eine  weitere  Ausbildung  der  Echinococcenchirurgie 
durch  die  einzeitige  Methode  viel  eher  zu  erhoffen. 

So  grosse  Fortschritte  nämlich  die  beiden  genannten  Methoden 
auch  den  früheren  gegenüber  bedeuten,  so  leistet  doch  keine  von 
ihnen  Vollkommenes ; beiden  gemeinsam  haften  zwei  grosse  Nach- 
teile an:  die  lange  Heilungsdauer  und  das  Auftreten  von  Bauch- 
hernien in  der  Narbe. 

In  einzelnen  Fällen  ist  die  eitrige  (resp.  gallige)  Sekretion 
aus  der  Sackhöhle  so  bedeutend,  dass  sie  bei  den  ohnehin  herunter- 
gekommenen Individuen  zu  schweren  Folgekrankheiten  führt,  die 
hie  und  da  auch  das  letale  Ende  herbeiführen.  In  den  günstig 
verlaufenden  Fällen  bleibt  eine  Fistel  zurück,  deren  vollständige 
Ausheilung  Monate,  manchmal  auch  ein  Jahr  und  darüber  in 
Anspruch  nimmt.  Fälle,  bei  denen  die  Heilung  in  einem  Monate 
vollständig  abgeschlossen  ist,  gehören  zu  den  Ausnahmen. 

Der  zweite  Uebelstand  ist  das  Entstehen  einer  mitunter  an- 
sehnlichen Bauchhernie  an  der  Stelle  der  Narbe,  mit  welcher  der 
Sack  in  die  Bauchdecken  eingehüllt  ist.  Wenn  man  Gelegenheit 
hat,  Fälle  mit  gelungener  Echinococcenoperation  nach  Jahren 
zu  untersuchen,  ist  dieser  Befund  ein  fast  regelmässiger. 

Schon  seit  längerer  Zeit  wurden  Versuche  gemacht,  diesen 
Nachteilen,  insbesondere  ersteren,  zu  begegnen:  zunächst  durch 
Resektion  des  Sackes,  indem  man  so  viel  von  der  Sackwand  weg- 
schnitt, dass  man  noch  ohne  Zerrung  den  Rest  des  Sackes  mit 
den  Rändern  der  Bauchdeckenwunde  vereinigen  konnte.  Radikal 
wurden  nur  jene  seltenen  Fälle  behandelt,  bei  denen  eine  Enu- 
cleation  möglich  war,  also  bei  Echinococcen,  welche  sich  im  Netz, 
Mesenterium  oder  in  der  freien  Bauchhöhle  entwickelt  hatten. 
Nur  selten  sind  Leberechinococcen,  wenn  sie  von  der  unteren 
Fläche  des  Organs  ausgehen,  so  gestielt,  dass  die  Exstirpation  des 
Sackes  ohne  Verletzung  des  Leberparenchyms  ausführbar  ist.  In 
neuerer  Zeit  sind  zwar  Fälle  veröffentlicht,  bei  denen  die  Cysten- 
säcke mit  einem  grösseren  Anteile  des  betreffenden  Leberlappens 
entfernt  wurden  (Loreta,  Langenbuch),  doch  sind  diese  Eingriffe 
nicht  als  das  Zukunftsideal  der  Echinococcenoperation  zu  be- 
trachten. 

Prof.  Billroth  behandelte  nun  die  letzten  Fälle  an  der 

35 


546 


¥ evdinand  Schüssler. 


Klinik  mit  einem  neuen  Verfahren,  das  nicht  eingreifender  ist,  als 
die  Incisionsmethode  mit  Herausnähen  des  Sackes  und  nach  den 
bisherigen  Erfolgen  auch  nicht  mehr  Gefahr  zu  bieten  scheint. 
Er  goss  nämlich  den  incidierten  Sack  nach  sorgfältiger 
Reinigung  desselben  mit  Jodoformemulsion  (1  : 10  Gl}^- 
cerin)  aus,  verschloss  ihn  hierauf  durch  fortlaufende 
Naht  und  versenkte  ihn  in  die  Bauchhöhle,  worauf  die- 
selbe durch  die  typische  Etagennaht  abgeschlossen  wurde. 

Die  folgenden  fünf  Krankengeschichten  werden  das  Verfahren 
am  besten  illustrieren: 

1.  Irma  B.,  9 Jahre  alt,  aus  ftt.  Georgen  in  Ungarn  (vom  14.  1.  I)is  4.  ‘2.  90. 
in  klinischer  Behandlung).  — 

Echinococcus  im  linken  Leherlappen.  — Einzeitige  Incision,  Eingiessen 
von  Jodoformglycerin  nach  der  Entleerung  der  Blase  und  Ver- 
nähen des  Sackes.  — Leichte  Fieberhewegungen  in  den  ersten  Tagen, 

dann  glatter  Verlauf. 

Vor  einigen  Tagen  bemerkte  die  Mutter  zufällig  eine  Anschwellung  am 
linken  Ripijenbogen.  Die  Mutter  erinnert  sich  noch  ferner,  dass  das  Kind  seit 
ca.  2 Jahren  manchmal  über  Seitenstechen  klagte. 

Stat.  präs.;  Dem  Alter  entsprechend  entwickeltes  Mädchen.  Unter  dem 
linken  Rippenbogen  wölbt  sich  eine  mit  ihrem  Längsdurchmesser  parallel  zur 
Köi’perachse  stehende  Geschwulst  vor.  Dieselbe  überschreitet  etwas  die  IMittel- 
linie  nach  rechts,  reicht  nach  abwärts  bis  3 Querfinger  oberhalb  der  Nabelhöhe 
und  baucht  den  Rij)penbogen  selbst  stark  aus.  Bei  stai’ker  Inspiration  steigt  die 
Geschwulst  bis  zur  Nabellinie  herab,  bei  der  Exspiration  schlüpft  der  Tumor  unter 
den  Rippenbogen.  Halbmondförmiger  Raum  gedämpft. 

16.  1.  0 Iteration;  Schnitt  längs  des  äusseren  Randes  des  linken  Rectus 
abdominis  8 cm  lang  vom  Rippenbogen  nach  abwärts.  In  die  Wunde  stellt  sich 
die  vordere  Fläche  des  linken  Leberlapi:>ens  ein,  der  unten  noch  von  normalem 
Aussehen  ist,  aber  ca.  3 Querfinger  oberhalb  des  Randes  Aveissglänzend  erscheint. 
Nun  wird  in  den  unteren  Wundwinkel  Jodoformgaze  eingelegt  und  mit  einem 
dicken  Troicart  punktiert.  Es  strömt  Av^asserklare  Flüssigkeit  aus,  welche  zum 
Teil  auch  neben  der  Jodoformgaze  in  die  Bauchhöhle  rinnt.  Die  Ränder  der 
Einstichwunde  wurden  mit  Llakenschiebern  gefasst,  der  Sack  an  diesen  etwas 
vorgezogen  und  weiter  incidiert.  Einkämmeriger  Echinococcus  ohne  Tochter- 
blasen, Eingiessen  von  ungefähr  einem  Esslöffel  voll  Jodoformglycerinemulsion 
(1 : 10).  Darauf  wird  der  Sack  sorgfältig  mittels  Seidenknopfnähten  geschlossen. 
Etagennaht  der  Bauchwunde. 

In  den  ersten  Tagen  Puls  über  140  und  leichte  Temperatursteigerungen 
(Maxim.  38,4).  Vom  21.  1.  ab  normale  Temperaturen,  auch  sonst  glatter  Verlauf. 

Pat.  stellt  sich  im  Januar  1892  Avieder  Amr.  Man  fühlt  nur  undeutlich 
einen  scliAvachen  Strang  in  der  Gegend  der  früheren  Cyste. 

2.  Adolf  D.,  21  Jahre  alt,  aus  CzernoAvitz  in  der  BukoAvina  (Amm  3.  7.  bis 
31.  7.  90.  in  Spitalsbehandlung).  — 

Milzechinococcus  (Acephalocyste).  — Einzeitige  Incision  mit  nach- 
folgendem Eingiessen  von  Jodoformglycerineniulsion  und  Vernähung 
des  Sackes.  — Reaktionslose  Heilung. 

Pat.  verspürte  am  11.  6.  90  plötzlich  ohne  bekannte  Ursache  heftiges 
Stechen  in  der  Milzgegend,  Avelches  sich  in  der  nächsten  Zeit  A^erschlimmerte. 


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Das  neue  Billroth’sche  Verfahren  z.  BehandlungintraperitonealerEehinococccn. 


Zu  gleicher  Zeit  bemerkte  Pat.  damals  zum  erstenmale  unter  dem  linken  Kii)i)en- 
bogen  eine  kugelige  Geschwulst.  Am  17.  G.  wurde  eine  Probejjunktion  aus- 
geführt, welche  klare  Flüssigkeit  ergeben  haben  soll  und  von  Erbrechen  und 
Kopfschmerz  gefolgt  war. 

Stat.  präs. : Pat.  schwächlich  gebaut  und  schlecht  ernährt.  Herz  und 

Lunge  bieten  nichts  besonderes.  Die  linke  Eegio  epigastrica  ist  vorgewöllü.  Die 
]\Iilzdämpfung  erstreckt  sich  nach  unten  eine  Handbreite  über  den  Rippenrand, 
nach  vorn  bis  in  die  Mamillarlinie,  nach  oben  bis  zur  6.  Rippe.  Die  Leber- 
dämpfung ist  unbedeutend  vergrössert,  lässt  sich  von  der  IMilzdännjfung  nicht 
deutlich  abgrenzen. 

7.  7.  Operation:  4 Querfinger  entfernt  vom  linken  Rippenbogen  wird 
demselben  parallel  ein  bogenförmiger  Schnitt  geführt,  der  am  äusseren  Rectus- 
rande  beginnt  und  sich  14  cm  weit  erstreckt.  Nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle 
stösst  man  auf  einen  grossen,  prall  gespannten  Sack,  der  sich  gegen  die  Milz 
hin  ausdehnt.  Durcji  Punktion  mittels  eines  gewöhnlichen  Troicarts  werden 
etwa  2 Liter  einer  klaren  Flüssigkeit  entleert.  Gegen  etwaiges  Eindringen  von 
Cysteninhalt  in  die  Peritonealhöhle  war  dadurch  vorgesorgt  worden,  dass  aus 
weisser  Gaze  genähte  Kompressen  zwischen  die  Ränder  der  Bauchdeckenwunde 
und  die  Cystenwand  hineingeschoben  wurden.  Hierauf  wird  der  Sack  incidiert 
und  die  Echinococcusblase  (Acephalocyste)  herausgeholt.  Genaue  Riünigung  und 
Austrocknung  des  Sackes,  Eingiessen  von  ca.  200  Gramm  Jodoformglycerin- 
emulsion.  Der  Sack  wird  sorgfältig  mit  Seidenknopfnähten  geschlossen  und 
wieder  versenkt.  Es  hatte  sich  gezeigt,  dass  der  Sack  ])reit  in  das  Parenchym 
der  Milz  überging.  Etagennaht  der  Bauchdecken. 

Verlauf  vollkommen  reaktionslos.  Pat.  verlässt  am  Gl.  7.  das  Spital. - 

o.  Alexander  W.,  28  Jahre  alt,  aus  Sebes  in  Ungarn  (vom  8.  Juli  bis  zum 
1.  August  1800  in  Spitalsbehandhmg).  — 

Grosser  Echinococcus  des  rechten  Leberlappens.  — Einzeitige  In- 
cision,  parti eile  Resektion  und  Vernähen  des  Sackes  nach  Eingiessen 

von  Jodoformglycerinemulsion.  — Reaktionsloser  Verlauf. 

Vor  acht  Jahren  l>emerkte  Pat.  das  Auftreten  einer  Geschwulst  im  rechten 
Hypochondrium,  die  stetig  zunahm.  Keine  Beschwerden,  ausgenommen  geringes 
Seitenstechen. 

Stat.  präs.:  Gracil  gebauter,  mässig  genährter  IMann  von  blassem  Aus- 

sehen. Herz  und  Lunge  normal.  Der  Bauch  ist  namentlich  in  seinen  oberen 
Partien  stark  ausgedehnt  durch  eine  im  Ej)igastrium  die  stärkste  Vorwölhung 
zeigende  Geschwulst;  Umfang  des  Bauches  über  der  Glitte  zwischen  Nabel  und 
Proc.  xyphoides  gemessen,  der  gi-össten  Prominenz  entsprechend,  02  cm;  die 
Entfernung  zwischen  Nabel  und  Schwertfortsatz,  der  nach  aussen  gekrempt  ist, 
22  cm,  zwischen  Nabel  und  Symphyse  16  cm.  Die  der  Geschwulst  entsprechende 
Dämpfungstigur  reicht  nach  oben  rechts  in  der  Axillarlinie  bis  zum  untern  Rand 
der  7.,  in  der  iMammillarlinie  bis  zum  untern  Rand  der  5.  Rippe,  geht  von  hier 
in  die  Herzdämpfung  über;  die  Milzdämpfung  ist  durch  eine  tympanitische 
Zone  abgegi-enzt;  hinten  normale  Perkussionsverhältnisse.  Die  untere  Grenze 
zieht  vom  linken  Rippenbogen,  entsprechend  der  vorderen  Axillarlinie,  schief 
nach  abwärts  bis  3 (^lertinger  ober  der  Symphyse,  von  da  in  nach  unten  leicht 
konvexem  Bogen  in  die  rechte  Nierengegend.  Die  Geschwulst  hat  eine  glatte 
Oberfläche,  an  ihrer  unteren  Grenze  einen  scharf  begrenzten  Rand,  bewegt  sich 
bei  den  xVtembewegungen  deutlich  mit,  fühlt  sich  prall  elastisch  an.  Bei  tiefen 


548 


Ferdinand  Schüssler. 


Atembewegungen  fühlt  man  ein  deutliches  Eeiben  über  dem  Tumor.  Hydatiden- 
schwirren  nicht  nachweisbar. 

10.  7.  Operation:  Schnitt  in  der  Medianlinie  zwei  Querfinger  unterhalb 
des  Schwertfortsatzes  beginnend  bis  nahe  zur  Symphyse  reichend.  Der  Tumor 
präsentiert  sich  mit  weisslicher  Oberfläche.  Mittels  des  Troicarts  von  Spencer- 
Wehs  werden  ca.  G Liter  einer  klaren,  lichtgelben  Flüssigkeit  entleert.  Nach 
Erweiterung  der  Punktionsöffnung  und  Entleerung  einiger  Echinococcusmem- 
branen Avird  versucht,  die  Sackwandung,  die  soAvohl  mit  dem  Netze  als  dem 
Darme  verAA'achsen  ist,  etwas  freizumachen,  um  einen  Teil  zu  resecieren,  was 
auch  in  Form  eines  eliptischen  Stückes  aus  dem  vordem  Anteile  des  Sackes 
geschieht.  Der  Sack  scheint  dem  rechten  Leberlappen  anzugehören,  nach  oben 
legt  sich  über  ihn  der  linke  Leberlappen,  hinten,  seitlich  und  unten  sind  Ver- 
Avachsungen  mit  den  Eingeweiden.  Nach  Eingiessen  von  250  Gramm  Jodoform- 
glycerinemulsion Avird  der  Sack  durch  eine  fortlaufende  Catgutnaht  geschlossen. 
Etagennaht  der  Bauchdecken. 

Reaktionsloser  Verlauf. 

Bei  der  Entlassung  am  1.  8.  ist  in  der  Unterbauchgegend  in  der  Höhe 
des  Nabels  etAvas  rechts  Amn  der  Mittellinie  bis  nahe  an  die  Crista  heranreichend 
der  geschrumpfte  Sack  in  Form  eines  Avurstförmigen  Stranges  fühlbar. 

4.  Hieronynms  G.,  28  Jahre  alt,  aus  Galatz  in  Rumänien  (vom  15.  2.  bis 
13.  3.  91  in  klinischer  Behandlung).  — 

Echinococcus  an  der  Basis  des  rechten  Leberlappens  (uniloculäre 
Cy'ste).  — Einzeitige  Incision,  Eingiessen  A'on  Jodoformglycerin, 
Versenken  des  Sackes.  — Reaktionsloser  Verlauf. 

Pat.  bemerkte  vor  drei  Monaten  zufällig  das  Vorhandensein  einer  Ge- 
scliAVulst  unterhalb  der  Leber.  Vor  etAva  A'ierzehn  Tagen  wurde  eine  Probe- 
punktion vorgenommen,  die  Avasserhelle  Flüssigkeit  ergab  und  durch  mehrere 
Tage  hindurch  A'on  einem  juckenden  Ausschlag  an  verschiedenen  Körperstellen 
gefolgt  war. 

Stat.  präs.;  Patient  kräftig  gebaut,  gut  ernährt.  Brustorgane  normal. 
Unterhalb  des  rechten  Rippenbogens  ist  ein  handtellergrosser,  leicht  vorgCAVölbter 
Tumor  palpabel,  der  sich  an  den  untern  Leberrand  anschliesst.  Deutliche 
Fluctuation. 

20.  2.  Operation:  In  der  Mamillarlinie  Avurde  Amm  Rippenbogen  nach 
abAvärts  eine  etwa  15  cm  lange  Wunde  angelegt.  Ueber  der  Cyste  war  das  an 
deren  Wand  locker  adhärente  Netz  gelagert,  Avelches  nun  durchtrennt  Avurde. 
Der  strausseneigrosse  Sack  wird  hierauf  punktiert,  wobei  sich  eine  fast  A'ollkom- 
men  klare  Flüssigkeit  entleert.  Der  Sack  Avird  dann  in  grosser  Ausdehnung 
gespalten,  und  der  einkämmerige  Echinococcus  entleert.  Es  Avird  eine  geringe 
Quantität  (etwa  40  Gramm)  Jodoformglycerin  eingegossen  und  dann  der  Sack 
mit  Catgut  genau  vernäht.  Etagennaht  der  Bauchdecken. 

Reaktionsloser  Verlauf.  Heilung  jAer  primam. 

5.  Max  L.,  38  Jahre  alt,  aus  Trebitsch  in  Mähren  (a’Oiu  16.  2.  bis  31.  3.  91 
in  Spitalsbehandlung).  — 

Teilweise  abgestorbener  Leberechinococcus.  — Einzeitige  Incision, 
Eingiessen  von  Jodoformglycerin  und  Vernähen  des  Sackes  nach 
partieller  Resektion.  — Perforation  des  Sackes  in  die  Bauchwunde. 

Ausheilung  mit  Fistel. 

Pat.  litt  seit  Ende  November  1890  häufig  an  stechenden  Schmerzen  in  der 
linken  Nierengegend.  Da  dieselben  nicht  nachliessen,  suchte  Pat.  A’or  16  Tagen 


Das  neue  Billroth’sche  Verfahren  z.  Behandlungintraperitonealer  Echinococcen.  549 

einen  Arzt  auf,  der  eine  Geschwulst  in  der  obern  Bauchgegend  konstatierte  und 
ihn  deshalb  an  unsere  Klinik  wies. 

Stat.  präs. : Mittehnässiger  Ernährungszustand.  Herz-  und  Lungenbefund 
normal.  — Die  Gegend  zwischen  Pchwertfortsatz  und  Nabel  ist  stark  vorgewölbt, 
und  zwar  liegt  der  Tumor  etwas  rechts  von  der  Mittellinie,  ist  von  kugeliger 
Form  und  reicht  nach  unten  noch  3 — 4 cm  über  den  Nabel.  Keine  deutliche 
Fluktuation.  Mitbewegung  mit  der  Respiration. 

Eine  Punktion  mittels  eines  dünnen  Troicarts  ergiebt  Echinococcushaken. 

23.  2.  Operation:  Schnitt  durch  die  Bauchdecken  über  die  höchste  Pro- 
minenz durch  den  rechten  Muse,  rectus,  vom  Rippenbogen  angefangen  12  cm 
lang  nach  unten.  Nachdem  der  verdickte  Cystenbalg  blosslag,  wurde  in  den- 
selben ein  dicker  Troicart  eingestossen ; es  entleeide  sich  nur  langsam  eine  dicke, 
breiige,  missfärbige  Masse.  Damit  vom  Cysteninhalt  nichts  in  die  Bauchhöhle 
fliesse,  wird  unterhalb  der  Punktionsstelle  Jodoformgaze  zwischen  Bauchdecken 
und  Cystenwand  gelegt  und  dann  mit  dem  Knopfmesser  breit  incidiert:  den 
Inhalt  bildete  ungefähr  ein  Liter  einer  schmierigen  Masse,  in  der  sehr  viele 
Tochterblasen  enthalten  waren,  welche  zum  Teil  vollständig  erhalten  waren,  mit 
ganz  klarer  Flüssigkeit  gefüllt  und  daher  diaphan  erschienen,  zum  Teil  aber 
kollabiert  und  in  einen  schmierigen,  käsigen  Brei  umgewandelt  waren.  Auch  die 
Innenwand  der  Cyste  sah  zum  Teil  missfärbig  aus.  Nach  gründlicher  Reinigung 
mit  Schwämmen  und  Irrigation  mit  Salicylsäurelösung  (2  : lÜOO)  wurden  ungefähr 
40  Gramm  Jodoformglycerin  eingegossen.  Nachdem  dann  noch  ein  Teil  der 
Cystenwand  reseciert  worden  war,  wurden  die  Ränder  mit  Catgut  vereinigt.  Ge- 
wöhnliche Etagennaht. 

In  den  nächsten  Tagen  leichter  IMeteorismus.  Am  1.  3.  (sechs  Tage  nach 
der  Operation)  39®  und  Auftreten  einer  Urticaria  am  Stamm  und  an  den  Extre- 
mitäten. Puls  120.  — 

2.  3.  Temj^eratur  38.  Puls  noch  über  100. 

4.  3.  Temperatur  und  Puls  normal. 

G.  3.  Beim  Verbandwechsel  zeigt  sich  zwei  Nähten  entsprechend  Eiterung. 
Nach  Oeffnung  der  Wunde  daselbst  quillt  sehr  dicker,  mehr  bröckliger  Eiter 
liervor;  auf  Druck  entleeren  sich  etwa  150  Gramm. 

10.  3.  Reichliche  Sekretion.  Seit  gestern  deutliche  Beimengung  von  Galle. 

In  der  nächsten  Zeit  besteht  nun  starke  Sekretion,  dabei  entleeren  sich 
auch  hie  und  da  Echinococcusblasen  und  klare  schleimige  Massen,  wie  auch  miss- 
färbige Fetzen.  — Ende  IMärz  sind  die  Wundränder  fest  miteinander  verklebt, 
so  dass  sich  auch  auf  Druck  nichts  entleeren  lässt;  Pat.  lässt  sich  daher  amlm- 
latorisch  weiter  behandeln.  Da  IMitte  April  sich  die  Fistel  aufs  neue  öffnet,  um 
wieder  Blasen  und  Eiter  zu  entleeren,  wird  ein  dickes  Drain  für  einige  Wochen 
eingeführt.  Die  Sekretion  wird  hierauf  gering,  es  bleibt  jedoch  eine  kleine  Fistel 
bestehen.  — Pat.  hat  sich  das  letzte  Mal  Anfangs  Dezember  91  auf  der  Klinik 
vorgestellt:  es  bestand  damals  noch  immer  eine  sehr  kleine  Fistel,  welche  nach 
der  Angabe  des  Pat.  wohl  für  einige  Wochen  hie  und  da  zuheilt,  dann  aber 
doch  wieder  einige  Tropfen  Sekret  entleert.  Sonst  vollkommenes  Wohlbefinden. 


Beim  Durchmustern  der  Litteratur  fand  sich,  dass  zweimal 
eine  ähnliche  Operation  anderwärts  ausgeführt  wurde,  auch  dort 
mit  günstigem  Ausgange: 

Knowsley  Thornton,  Med.  Times  and  Gazette  1883,  pag.  89;  ausführ- 


550 


Ferdinand  Schttssler. 


licher : Brit.  ined.  Journal  13.  XI.  1886,  ^Meeting  of  the  Britisli  ]\Ied.  Association 
in  Brighton  (August  1886). 

Diagnose : sehr  grosser  Ovarialtumor.  Bei  der  Operation  zeigt  sich , dass 
es  sich  um  einen  enormen,  einkämmerigen  Leberechinococcus  handelt,  der  bis 
in’s  kleine  Becken  hinahreicht  und  daselbst  mit  dem  Uterus  und  dessen  Adnexen 
verwachsen  ist.  — Breite  Incision  und  vollständige  Ausräumung  des  Sackes.  — 
Das  Innere  desselben  wird  nun  sehr  sorgfältig  mit  reiner  Jodtinktur  ausgewischt 
und  darauf  vollkommen  abgetrocknet.  Endlich  Verschluss  des  Sackes  in  der 
Weise,  dass  die  Nähte  sowohl  die  Bauchdecken,  als  auch  zugleich  die  AVand  des 
Sackes  mitfassen.  — Guter  Verlauf. 

Soweit  bekannt  ist,  hat  der  englische  Chirurg  diese  Operation 
nicht  wiederholt  und  zu  einer  Methode  ausgebildet;  doch  ist  aus 
den  Bemerkungen,  die  er  der  Mitteilung  seines  Falles  anfügt,  zu 
schliessen,  dass  der  Plan  zu  seinem  Verfahren  von  vornherein  ge- 
fasst war. 

Anders  verhält  es  sich  bei  dem  zweiten  Falle  aus  der 
Göttinger  Klinik.  Hier  war  es  ein  Akt  der  Not , indem  der  in 
der  Tiefe  des  kleinen  Beckens  sitzende  Sack  weder  exstirpiert, 
noch  wegen  zu  starker  Zerrung  zu  den  Rändern  der  Laparotomie- 
wunde herausgenäht  werden  konnte. 

F.  König  (Arzt  aus  Flairau).  Der  cystische  Echinococcus  der  Bauchhöhle 
und  seine  Eigentümlichkeiten  vor,  bei  und  nach  der  Operation.  Aus  der  chir. 
Klinik  in  Göttingen. 

(Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie  XXXI.).  Pag.  36.  Fall  15.  Wilhel- 
mine Böncke,  42  J. 

Diagnose  schwankt  zwischen  Myom  des  Uterus  und  Cystovarium.  25.  IX.  89. 
Operation:  Medianschnitt.  Echinococcus  des  Beckenbindegewebes.  Ovarien  und 
Uterus  intakt.  Nach  völliger  Entfernung  der  Blase  wird  der  Sack  desinficiert 
und  die  Oeffnung  mit  fortlaufender  Catgutnaht  geschlossen.  Schluss  der  Bauch- 
wunde durch  tiefe  Nähte.  — Glatter  Verlauf. 

In  unseren  Fällen  wurde  die  Jodoformemulsion  in  der  Ab- 
sicht eingegossen,  durch  die  antibacterielle  Wirksamkeit  des  Jodo- 
forms die  Heilung  ohne  Eiterung  im  Sacklumen  zu  sichern.  Ob 
dieses  Antisepticum  auch  im  Stande  ist,  Echinococcenkeime , welche 
trotz  sorgfältiger  Reinigung  des  Sackes  in  dessen  oft  weitläufigen 
Buchten  und  Winkeln  hie  und  da  Zurückbleiben  mögen,  unschäd- 
lich zu  machen,  bleibt  einstweilen  dahingestellt.  Ebenso  giebt 
uns  über  die  Frage,  wie  sich  das  Jodoform  Säcken  mit  abge- 
storbenem Inhalt  gegenüber  verhält,  der  zuletzt  operierte  Fall  zu 
wenig  Aufschluss. 

Eitriger  Cysteninhalt  dürfte  wohl  eine  Contraindikation  gegen 
die  neue  Methode  ergeben,  da  in  solchen  Fällen  auch  das  Jodo- 
form einen  weiteren  aseptischen  Verlauf  nicht  garantieren  wird. 
Es  wird  sich  hier  auch  in  Zukunft  empfehlen,  den  in  der  Bauch- 


Das  neueBillroth’scheVerfalirenz.  Behandlung  intraperitonealer  Echinococceii.  551 

wand  fixierten  Sack  offen  zu  erlialten  und  ihn  etwa  täglich  mit 
Jodofonneinulsion  auszugiessen,  vielleicht  secundär  zu  vereinigen. 

Jodoformintoxikation  durch  Resorption  scheint  nicht  zu  be- 
fürchten zu  sein.  Dennoch  könnte  man  daran  denken,  die  Jodo- 
formemulsion wegzulassen;  bei  frischem,  unzersetztem  Inhalt  der 
Tierblase  und  wohl  auch  bei  schon  abgestorbenem,  doch  noch 
mikrobenfreiem  wäre  doch  auch  bei  reiner  Asepsis  ein  reaktions- 
loser Verlauf  zu  erhoffen.  Der  oben  citierte  von  König  operierte 
Fall  würde  dafür  sprechen;  doch  fehlt  die  Bestätigung  durch 
weitere  klinische  Erfahrungen. 

Das  Vernähen  des  Sackes  vor  dem  Versenken  ist  wohl  nicht 
zu  umgehen,  da  sich  sonst  leicht  Blut  und  vor  allem  Galle  aus  der 
Sackwand  in  die  Bauchhöhle  ergiessen  könnte. 

Um  für  den  misslichen  Fall,  dass  in  dem  vernähten  Sack 
der  nachträglich  secernierte  Inhalt  doch  nicht  aseptisch  bliebe  und 
zu  einem  Durchbruche  führte,  denselben  nicht  in  die  freie  Bauch- 
höhle, sondern  durch  die  Bauchdeekenwunde  nach  aussen  erfolgen  zu 
lassen,  brauchte  man  den  Sack  nicht  ohne  weiteres  zu  versenken, 
sondern  bei  der  Naht  des  Sackes  auch  das  Peritoneum  parietale 
mitzufassen,  ein  Verfahren,  welches  Czerny  für  die  ideale  Chole- 
cystotomie  empfohlen  hat.  Wahrscheinlich  sind  aber  hiebei  die 
Chancen  für  die  primäre  Verklebung  des  Sackes  geringer;  in 
unserem  letzten  Falle  erfolgte  übrigens  der  Durchbruch  auch  ohne 
diese  Vorsichtsmassregel  nach  aussen,  da  sich  der  Sack  mit  seiner 
Nahtstelle  nicht  weit  von  der  Bauchwunde  entfernt  hatte. 

Für  diejenigen  Chirurgen,  welche  trotz  unserer  guten  Erfolge 
die  zweizeitige  Methode  beibehalten  wollten,  bliebe  noch  immer 
der  Ausweg,  diese  Methode  mit  der  neuen  zu  kombinieren,  näm- 
lich nach  dem  zweiten  Akte  die  Mutterblase  zu  entleeren,  den 
Sack  mit  Jodoformemulsion  auszugiessen  und  nun  die  Bauch- 
deckenwunde durch  eine  Sekundärnaht  zu  schliessen;  doch  wird 
die  Verklebung  wohl  nicht  immer  prompt  erfolgen. 

Das  neue  Verfahren  wäre  übrigens  auch  für  Nierenechino- 
coccen  anzuwenden,  die  dui’ch  einen  extraperitonealen  Schnitt 
zugänglich  gemacht  werden.  Sicherlich  würde  für  solche  Fälle 
die  Nierenexstirpation  überflüssig. 

Schliesslich  möchte  ich  darauf  hinweisen , dass  auch  bei 
anderen  intraperitonealen,  unexstirpablen  Cysten,  z.  B.  den  Pankreas- 
cysten, die  Anwendung  der  neuen  Methode  zu  versuchen  wäre. 


Zur  Radikaloperation  des  freien  Leisten- 

bruches 

von 

Dr.  A.  Wölfler, 

Professor  der  Chirurgie  in  Graz. 

Mit  11  Holzschnitten. 

Hoch  verehrter  Lehrer! 

Fünfzehn  Jahre  sind  es  gerade  her,  dass  einer  Ihrer  ersten 
und  besten  Schüler,  V.  Czerny,  im  Gefühle  seiner  Dankbarkeit 
für  die  Lehren,  welche  er  von  Ihnen  empfangen,  zur  Feier  Ihrer 
25jährigen  ärztlichen  Thätigkeit  eine  Festschrift  herausgab,  in 
welcher  er  die  von  ihm  ausgebildete  Methode  der  Radikaloperation 
des  Leistenbruches  — seither  wohl  bekannt  als  das  Czerny’ sehe 
Verfahren  — besprach. 

Es  war  dies  eine  würdige,  vom  Geiste  echten  Fortschritts  ge- 
tragene Arbeit. 

War  es  doch  Czerny,  welcher  durch  diese  Vorschläge  das 
unsichere  Invaginationsverfahren  für  immer  verdrängte  und  durch 
seine  Methode  es  ermöglichte,  dass  man  alle  irreduktiblen  Brüche 
einer  dauernden  Heilung  zuführen  konnte.  Es  war  ein  rettender 
Gedanke,  die  Errungenschaften  der  Antisepsis  rasch  und  gründlich 
auf  die  Radikaloperation  des  Bruches  in  einer  geeigneten  Weise 
zu  übertragen,  und  wie  aus  den  später  erschienenen  Mitteilungen 
hervorgeht,  wurden  dadurch  sicherlich  Tausende  von  Menschen  von 
ihrem  physischen  Leiden  befreit. 

Allein  wir  wären  nicht  wert  jener  Zeit  medizinischer  Forschung, 
in  welcher  die  Besten  das  Beste  anstreben,  wenn  wh  uns  nicht 
bemühen  würden,  die  Nachteile,  welche  einer  IMethode  anhängen, 
aufzudecken  und  zu  beseitigen.  Es  ist  nur  der  Ausdruck  der 


Zur  Radikaloperation  des  freien  Leistenbruches. 


553 


ernsten  Bestrebungen,  welche  wir  durch  Sie,  hochverehrter  Meister, 
kennen  gelernt  haben,  wenn  es  Czerny  selbst  war,  der  mich  schon 
vor  mehr  als  einem  Dezennium,  als  er  mir  in  Heidelberg  eine  ganze 
Reihe  von  nach  seiner  Methode  ausgeführten  Radikaloperationen 
vorstellte,  auf  die  Nachteile  seines  Verfahrens  selber  aufmerksam 
machte  und  mir  zeigte,  dass  bei  manchen  Kranken  oberhalb  der 
verschlossenen  Bruchpforte  eine  neue  hernienartige  Hervorwölbung 
entstehe.  Später  wurde  es  mir  klar,  dass  daran  der  unverschlossene 
Musculus  obliquus  internus  Schuld  tragen  müsse.  Seitdem  wm’de 
es  von  vielen  Forschern  festgestellt,  dass  wir  mittels  des  Czerny’- 
schen  Verfahrens  durchschnittlich  60 — 70  ^/o  definitiver  Heilung 
erzielen  können,  aber  nicht  mehr,  und  die  aus  Ihrer  eigenen  Klinik 
durch  Haidenthaler  unternommenen  Nachforschungen  ergaben 
ebenfalls,  dass  die  Mittelzahl  der  Recidiven  67  “/o  ausmache. 

Als  ich  später  meine  selbständige  Thätigkeit  begann  und  im 
Czerny’ sehen  Sinne  die  Radikaloperation  ausführte,  passierte  es  mir 
einmal,  dass  ich  nach  einer  äusserst  schwierigen  Ablösung  eines  alten 
Bruchsackes  und  des  mit  dem  Bruchsacke  verwachsenen  Darmes  einen 
Kranken  verlor.  Es  war  dies  am  28.  Februar  1888;  ich  sagte  mir, 
dass  ein  solcher  Todesfall  nicht  eintreten  dürfe,  und  ich  sann 
darüber  nach,  ob  wir  nicht  mit  geringerer  Lebensgefahr  und  dazu 
noch  mit  grösserer  Sicherheit  — was  die  Recidiven  anbelangt  — 
die  Czerny’sche  Methode  verbessern  könnten.  Vor  allem  war  mir 
klar,  dass  wir,  wenn  es  irgendwie  möglich  wäre,  von  der  Ablösung 
des  Bruchsackes  absehen  sollten,  denn  gerade  dieser  Eingriff  stei- 
gert die  unmittelbare  Gefahr  der  Operation. 

Da  kam  Mac  Ewen  mit  seiner  Operationsmethode;  durch  die 
Verstopfung  des  Leistenkanals  mittels  des  abgelösten  Bruchsackes 
erneuerte  er  die  alte  Lehre  der  Obturation  des  Leistenkanales  durch 
die  Invagination,  ohne  jedoch  dadurch  die  Gefahr  der  Operation  zu 
verringern,  denn  das  Mac  Ewen’sche  Verfahren  verlangt,  wie  ich  mich 
selbst  durch  Nachahmung  dieses  Verfahrens  überzeugte,  eine  noch  er- 
höhte Geschicklichkeit  in  der  Ablösung  des  Bruchsackes,  was  uns 
heute  ebensowenig  ausnahmslos  gelingt,  wie  vor  einem  Dezennium, 
als  man,  um  die  Auslösung  des  Bruchsackes  zu  umgehen,  neuer- 
dings die  Kastration  vorgeschlagen  hatte. 

Die  Bedeutung  und  der  Wert  des  Mac  Ewen’schen  Ver- 
fahrens mit  Rücksicht  auf  die  geringe  Zahl  der  Recidiven  seinen 
mir  jedoch  in  der  gründlichen  Vereinigung  des  Bruchkanales 
zu  liegen.  Mac  Ewen  nähte  mittels  eines  Fadens  in  einer  etwas 
komplizierten  Weise  die  Leistenpfeiler  und  darin  schien  mir  der 
Fortschritt  des  Mac  Ewen’schen  Verfahrens  gelegen  zu  sein;  man 


A.  Wölfler. 


musste  sich  bei  dieser  Gelegenlieit  fragen,  ob  es  nicht  in  einer 
einfacheren  Weise  gelänge,  die  Leistenpfeiler  zur  Vereinigung  zu 
bringen  und  gleichzeitig  den  Bruchsack  zu  verschliessen. 

Auf  Grund  dieser  Vorstellung  begann  ich  im  Mai  1888  j 
mein  neues  Verfahren  zu  üben,  zu  einer  Zeit,  zu  welcher  ich  die 
Bassini’sche  Methode  nicht  kannte,  zu  welcher  aber,  wie  ich  s]3äter 
sah,  Bassini  schon  eine  grosse  Zahl  ähnlicher  Operationen  ge- 
macht hatte;  doch  unterscheidet  sich  die  Ausführung  in  manchen 
Punkten  von  der  von  mir  geübten.  Dass  ich  erst  heute  eine  aus- 
führliche Mitteilung  darüber  Ihnen,  hochverehrter  Lehrer,  vorlege, 
lag  in  dem  Umstande,  dass  ich  erst  mehrere  Jahre  vorübergehen 
lassen  wollte,  um  zu  sehen,  ob  sich  mittels  dieser  iMethode  definitiv 
günstige  Resultate  erzielen  lassen. 

Indem  ich  mir  erlaube,  diese  Resultate  Ihrer  für  uns  Alle  ‘ 

V 

so  massgebenden  Beurteilung  zu  unterbreiten,  glaubte  ich  als 
Ihr  Ihnen  ergebener  Schtiler  Ihrem  Ausspruch : »Nunquam 

retrorsum«  gerecht  zu  werden ; gleichzeitig  aber  blicke  ich  mit  , 
Dank  auf  die  bahnbrechende  ursprüngliche  iMethode  Czernys 
zurück,  wohl  wissend,  dass  nur  jenem  Gedanken  der  Preis  der  " 
Unsterblichkeit  zukommt,  welchem  die  hohe  Ehre  zufällt,  neuen 
Gedanken  eine  unerschütterliche  Basis  und  weiteren  Fortschritten 
eine  neue  und  zielbewusste  Richtung  gegeben  zu  haben. 

Am  Grundlsee,  1.  September  1892. 


I.  Kurze  Uebersicht  der  bisherigen  Bestrebungen. 

»Ich  bin  im  Bewusstsein,  dass  von  nun  an  die  Radikal- 
»Operation  dem  Namen,  den  sie  trägt,  entspricht,  und  wünsche,  !. 
»dass  sie  in  der  Folge  einer  noch  höheren  Ausbildung  zugeführt  f 
»werde.«  So  schrieb  Rothmund  vor  nunmehr  vier  Dezennien  ^ 
auf  Grund  seiner  reichen  Erfahrungen  über  das  in  mehr  als  140 
Fällen  erprobte  Wutzer’sche  Invaginations verfahren,  nach  welchem  '■ 
ihm  kaum  ein  einziger  Kranker  zu  Grunde  ging.  Und  heute  — 
denkt  niemand  mehr  an  dieses  Verfahren,  noch  weniger  übt  jemand 
diese  Methode  aus.  Wer  es  bei  der  Beurteilung  solcher  Erlebnisse  f 
wagt,  anderen  ein  neues  Verfahren  zu  empfehlen,  den  muss  die 
Sorge  beschleichen , dass  es  ihm  nicht  besser  ergehen  wird , als  ' ' 
Rothmund  und  allen  seinen  Vorgängern  und  Nachfolgern. 

Die  Geschichte  der  Radikaloperation  des  Leistenbruches  ist 


I 

I 


Zur  Eadikaloperation  des  freien  Leistenl^ruehes. 


555 


offenbar  ein  Bild  für  die  Geschichte  der  meisten  unserer  thera- 
peutischen Pläne.  Seit  den  ältesten  Zeiten  verdrängt  eine  5Iethode 
die  andere  und  die  letzte  hat  bloss  den  Vorzug,  dass  von  ihr  die 
Gegenwart  eine  Zeitlang  glaubt,  dass  sie  dennoch  die  beste  sei. 
Aber  sie  bleibt  gleich  den  übrigen  zumeist  eine  Eintagsfliege  in 
sturmbewegten  Zeiten. 

Czerny  hatte  im  Jahre  1877,  als  er  sein  neues  Verfahren 
empfahl,  wohl  die  gleiche  Sorge  beschlichen,  da  er  darüber  fol- 
j gendermassen  sich  äussert:  »Wenn  man  die  zahlreichen  Versuche 
überblickt,  welche  seit  dem  grauen  Altertume  bis  in  die  neue  Zeit 
gemacht  und  wieder  verlassen  worden  sind,  um  die  Radikalkur 
der  Hernien  zu  erzielen,  so  gehört  dazu  einiger  Mut,  in  die  Dis- 
kussion dieser  Frage  einzutreten.«  (Czerny,  Studien  zur  Radikal- 
behandlung der  Hernien.  Wr.  med.  Wochenschr.  Nr.  21 — 24,  1877.) 

Denkt  man  daran,  dass  Billroth  schon  im  Jahre  1871  den 
berühmten  Satz  aufstellte,  dass  das  Geheimnis  der  Radikalheilung 
der  Plernien  erst  dann  gefunden  werden  könnte,  wenn  wir  Gewebe 
von  der  Festigkeit  und  Derbheit  der  Fascien  und  Sehnen  künstlich 
erzeugen  könnten,  dass  v.  Langenbeck  nicht  lange  nach  der 
Czerny 'sehen  Publikation  die  betrübende  Ansicht  zum  Ausdruck 
brachte,  dass  niemals  eine  sichere  Methode  der  Radikalheiiung  ge- 
funden werden  könne,  da  alle  unsere  Operationsmethoden  bloss 
ein  Narbengewebe  schaffen,  das  mit  der  Zeit  wieder  aufgelöst  wird 
oder  durch  Dehnung  verschwindet;  erwägt  man  weiter,  dass  die 
späteren  praktischen  Erfahrungen  über  die  Endresultate  die  obigen 
theoretischen  Auseinandersetzungen  insoferne  sanktionierten , als 
Braun  die  Recidive  der  Radikaloperation  als  Regel  auf  stellte,  dass 
nach  So  ein  nur  bei  jungen  Leuten  eine  bleibende  Heilung  bei 
Anwendung  des  Czerny 'sehen  Verfahrens  zu  erwarten  sei,  dass 
nach  den  Untersuchungen  der  verschiedensten  Autoren  30,  40  bis 
50  ®/o  Recidiven  konstatiert  wurden,  so  entnehmen  wir  daraus, 
wie  berechtigt  die  Besorgnisse  Czerny 's  waren  und  mit  welch' 
gerechtfertigtem  Zweifel  man  neuen  einschlägigen  Operations- 
methoden begegnen  muss,  welche  den  mehr  als  1000  Jahre  alten 
Wünschen  und  Hoffnungen  entsprechen  sollen.  Und  dennoch 
muss  es,  wie  für  alle  Krankheiten,  neue  Mittel  und  Wege  geben, 
mittels  derer  man  die  Nachteile  der  alten  Methoden  erkennen  und 
an  ihre  Stelle  bessere  setzen  kann. 

Die  Geschichte  muss  deshalb  allen  jenen,  welche  trotz  der 
vielen  Vorschläge  und  Enttäuschungen  den  Mut  besitzen,  ihr  neues 
Verfahren  der  öffentlichen  Kritik  anlieimzustellen,  nur  Dank  wissen, 
da  die  Be-  und  Verurteilung  einer  Methode  durch  die  Gesamtheit 


556 


A.  Wölfler. 


fast  immer  neue  Fortschritte  gezeitigt  hat,  denn  eine  Methode  ver- 
mag doch  nur  dann  in  AVirklichkeit  verdrängt  zu  werden,  wenn  sie 
durch  ein  neues  Verfahren  ersetzt  wird,  das  den  meisten  Forschern 
mit  Rücksicht  auf  die  Sicherheit  des  Lebens,  auf  die  Gründlich- 
keit des  A’’erfahrens  und  die  Sicherheit  des  Erfolges  besser  erscheint 
als  das  vorausgehende. 

Auch  lehrt  uns  die  alltägliche  Erfahrung,  dass  unsere  kritische 
und  kritisierende  Zeit  wirkliche  Rückschritte  für  die  Dauer  nicht 
erduldet,  und  wir  sehen  auch  bei  unserer  in  Rede  stehenden  Ope- 
ration, dass  im  Laufe  der  letzten  Dezennien  sowohl  mit  Rücksicht 
auf  die  Erkenntnis  der  Fehler  als  der  Vorteile  der  verscliiedenen 
Operationsmethoden  höchst  bedeutsame  Fortschritte  in  kurzer  Zeit 
gewonnen  wurden;  trotzdem  der  Gedankengang  hiebei  manchmal 
in  schwere  Rückfälle  geriet,  während  welcher  Zeit  nicht  bloss  alte 
Methoden,  sondern  auch  scheinbar  längst  überwundene  Fehler  des 
grauen  Altertums  von  neuem  entdeckt  und  wieder  beseitigt  werden 
mussten.  Wer  deshalb  mit  übertriebener  Zähigkeit  und  ohne  jede 
Gewährung  von  Einschränkungen  oder  Alodifikationen  an  seinem 
eigenen  Operationsverfahren  festhält,  der  schädigt  den  Fortschritt 
der  Zeit,  die  ohnedies  von  jeder  Methode  das  Beste  in  sich  auf- 
ninimt  und  weiter  verbreitet. 

Sämtliche  therapeutischen  Bestrebungen,  die  von  jeher  bis 
heute  zur  Beseitigung  des  Leistenbruches  in  Anwendung  kamen, 
lassen  sich  nach  der  anatomischen  Konstruktion  des  Leistenbruches 
in  mehrere  Methoden  einteilen: 

1.  Man  trachtete  in  irgend  einer  AVeise  den  Bruchsack  zu 
zerstören  oder  zur  Obliteration  zu  bringen. 

2.  Alan  trachtete  die  äussere  Bruchpforte  zu  verschliessen. 

3.  Man  trachtete  den  Leistenkanal  oder  selbst  die  innere 
Bruchpforte  zu  obliterieren. 

Die  A^ollkommenheit  unserer  heutigen  Alethoden  besteht  — 
abgesehen  von  der  Sicherheit  des  unmittelbaren  Erfolges  — be- 
sonders darin,  dass  wir  die  oben  angegebenen  Bestrebungen  in 
zweckmässiger  AVeise  kombinierten. 

Es  ist  in  der  Natur  der  Entwickelung  unserer  Operations- 
methoden gelegen,  die  sich  vorerst  mit  der  Beseitigung  der  äusseren 
Erscheinungen  zu  beschäftigen  pflegen,  dass  die  älteste  Behand- 
lungsmethode mit  der  Verengerung  der  äusseren  Bruchpforte 
und  mit  der  Zerstörung  des  Bruchsackes  sich  beschäftigte  (Celsus 
— Paul  von  Aegina  ■ — Fabricius  ab  Aquapendente  — A.  Pare  — 
Schmucker).  Alerkwürdig  genug,  man  steuerte  auch  in  der  antisepti- 
schen Aera,  natürlich  unter  geänderten  A^erhältnissen,  zunächst  diesen 


Zur  Radikaloperation  des  freien  Leistenbruches. 


557 


beiden  Zielen  zu.  In  alter  Zeit  kauterisierte  man  die  Bruchpforte 
— diese  Methode  erhielt  sich  bis  in  das  18.  Jahrhundert  — und 
in  neuester  Zeit  empfahl  Nussbaum  neuerdings  dieses  Verfahren. 
In  alter  Zeit  unterband  man  den  Bruchsack  anfangs  subkutan  und 
unterband  dabei  für  gewöhnlich  den  Samenstrang,  ja,  man  ka- 
strierte mit  Absicht,  so  lange,  bis  selbst  durch  die  Laienwelt  ein 
Schrei  der  Entrüstung  ging  (Rothmund).  Dann  ging  man  zur 
offenen  Unterbindung  oder  Naht  des  Bruchsackes  über.  Auch  in 
j der  antiseptischen  Aera  ging  man  von  der  unsicheren  Methode 
der  subkutanen  Umschnürung  der  Bruchpforte  (W  o o d)  zur  offenen 
Unterbindung  oder  Naht  des  Bruchsackes  über  und  auch  in  der 
antiseptischen  Aera  schlug  man  wie  vor  vielen  hundert  Jahren 
noch  einmal  wenigstens  für  gewisse  Fälle  die  Kastration  vor,  und 
es  bedurfte  neuerdings  einer  ernsten  Mahnung  (Albert),  eine  so 
entstellende  Operation  nicht  zur  Methode  zu  erheben.  Wie  oft 
schon  in  alter  und  ältester,  und  in  neuer  und  neuester  Zeit  selbst 
unabsichtlich  dadurch  kastriert  wurde,  dass  der  Samenstrang 
zerrissen  wurde,  darüber  berichten  wohl  einige  wenige  ernste  und 
wahrheitsgetreue  Aerzte,  aber  die  Mehrzahl  dieser  Fälle  ist  uns 
sicherlich  unbekannt  geblieben. 

Als  die  anatomischen  Kenntnisse  über  den  Begriff  der  Bruch- 
pforte und  das,  wns  vor  derselben  liegt,  hinausgingen,  und  sich 
auch  auf  die  Beschaffenheit  des  Leistenkanales  ausdehnten,  war 
die  operative  Behandlung  des  Leisten-Bruches  auch  auf  die  Ver- 
engerung oder  Verstopfung  des  Leistenkanales  gerichtet.  Die  In- 
vaginationsmethoden  — von  Gerdy  angefangen  — führen  diesen 
Gedanken  in  verschiedenster  Weise  aus;  desgleichen  die  verschie- 
denen Methoden,  den  Leistenkanal  mittels  organischen  Materials 
zu  verstopfen,  sei  es  durch  Granulationen  (offene  Behandlung  des 
Bruchsackes  im  17.  und  18.  Jahrhunderte)  sei  es,  durch  Trans- 
plantation eines  Hautlappens  (D  z o n d i) , sei  es  durch  den  Hoden 
selbst  (Hammel),  sei  es  durch  Einführung  eines  Gallertcylinders 
der  mit  Hausenblase  überzogen  wurde  (Belmas).  Und  als  in 
neuerer  Zeit  die  Methode  des  Verschlusses  der  Pforte  und  der 
Obliteration  des  Bruchsackes  nicht  zum  Ziele  führten,  richtete  man 
neuerdings  die  Aufmerksamkeit  auf  die  Verengerung  des  Leisten- 
kanales. Die  neueren  Bestrebungen  gleichen  sogar  den  alten  darin, 
dass  von  mancher  Seite  ebenfalls  die  Verstopfung  des  Leisten- 
kanales mit  verschiedenen  organischen  Stoffen  (durch  Granulation, 
bei  offener  Behandlung  des  Bruchsackes  nach  Schede,  Ver- 
stopfung mittels  des  Hodens  nach  Lauen  stein,  mittels  Knochen- 
stücken nach  Trendelen  bürg  und  Weir,  mittels  des  Bruch- 


558 


A.  Wölfler. 


sackes  nach  Mac  E w e n)  ausgeführt  wurde , unterscheiden  sich 
aber  von  jenen  der  alten  Zeit  darin,  dass  ausserdem  der  Leisten- 
kanal auch  durch  die  Naht  zur  Verengerung  gebracht  wurde. 

Selbst  die  auf  den  Verschluss  der  inneren  Bruch- 
pforte gerichteten  Bestrebungen  (ad  3.)  gehören  nicht  der  neuen 
Zeit  allein  an. 

Schon  Gar  enge  ot  war  der  Meinung,  dass  das  Verfahren 
J.  L.  Petits,  beim  incarcerirten  Bruche  den  Bruchsack  samt 
Inhalt  durch  den  Leistenring  hindurchzuschieben,  auch  beim  nicht 
eingeklemmten  Bruche  Anwendung  finden  könne,  damit  der  Bruch- 
sack ein  Hindernis  für  den  Vorfall  der  Eingeweide  abgebe. 

Auf  die  neueren  diesbezüglichen  Vorschläge,  die  von  v.  Nuss- 
baum,  Risel  und  Annandale  ausgingen  und  ebenfalls  den 
Zweck  hatten,  die  innere  Bruchpforte  zu  verschliessen,  kommen 
wir  noch  zurück. 

So  leicht  es  demnach  an  der  Hand  der  Geschichte  gelingt, 
zu  zeigen,  dass  fast  alle  neueren  Gedanken  auf  dem  in  Rede 
stehenden  Gebiete  Wiederholungen  alter  Versuche  darstellen  und 
manche  neuere  Methode  nur  im  Lichte  der  besseren  Wundbehand- 
lung eine  glänzendere  Austattung  erhalten  und  dadurch  eine 
bessere  Empfehlung  erfahren  hat,  so  lässt  sich  doch  andererseits 
zur  Beruhigung  und  Aufmunterung  aller  leicht  erweisen,  dass  im 
grossen  und  ganzen  trotz  der  Rückfälle  eine  jede  neue  Methode  fast 
immer  einen  gewissen  Fortschritt  mit  sich  brachte  und  zurückliess. 


Denn  es  lässt  sich  nicht  leugnen , 


die  rohe  Zerstörung  der 


den  Bruchring  bildenden  Weichteile  mit  Aetzmitteln  und  ferrum 
candens,  sowie  die  rücksichtslose  Unterbindung  der  Samengefässe 
und  die  soweit  verbreitete  Kastration  war  doch  weit  schlechter  als 
die  königliche  Naht  des  Bruchsackes  mit  Schonung  der  Samen- 
gefässe nach  Fabricius  ab  Aquapen deute;  die  Gerdy’sche 
Invagination  bedeutet  ein  wesentlich  schonenderes  und  ungefähr- 
licheres Verfahren  als  die  vorausgegangenen  V ersuche,  den  Bruchsack 
durch  die  Naht,  durch  Fremdkörper  verschiedenster  Art  zur  Ob- 
literation  zu  bringen,  und  das  Verfahren  Wood’s,  die  Leisten- 
pfeiler subkutan  zu  vereinigen,  bedeutete  entschieden  einen  Fort- 
schritt gegenüber  der  gefährlichen  und  so  sehr  verbreiteten  Methode 
Wutzers,  mittels  Invagination  Gangrän  aller  Weichteile  hervor- 
zurufen ; welche  Fortschritte  die  neueren  Methoden  gegenüber  dem 
unsicheren  Verfahren  der  subkutanen  Einführung  von  Seidenfäden 
oder  Silberdrähten  bedeuten,  ist  sattsam  bekannt  und  dürfte  im 
folgenden  noch  weiter  erörtert  werden. 


7aiv  Kadikaloperation  des  freien  Leistenbruches. 


55  9 

Mit  der  Mitte  der  70  er  Jahre  war  die  Zeit  für  die  subkutanen 
Operationen  — wohl  für  immer  — zu  Ende  gegangen  ! »Sicherheit, 
Zuverlässigkeit,  und  Genauigkeit  sind  die  Vorteile  der  blutigen 
operativen  Behandlung  gegenüber  der  unblutigen  Behandlung« 
(Stöcker  C.  f.  Ch.  1888,  S.  641). 

Wenngleich  Gross  schon  im  Jahre  1858  die  Naht  der  Bruch- 
pforte wieder  aufnahm,  Steele  im  Jahre  1874  die  freigelegten 
und  angefrischten  Pfeiler  der  Leistenöffnung  nähte,  v.  Nussbaum 
und  Risel  in  den  Jahren  1876  und  1877  die  Unterbindung  des 
Bruchsackes  ausführten  und  empfahlen , so  erhielt  die  Badikal- 
operation  des  Bruches  mit  Rücksicht  auf  die  Operations-Technik 
dennoch  erst  eine  gewisse  Vollendung  durch  die  Methode  Czerny’s, 
der  in  wohl  überlegter  Weise  sowohl  die  Obhteration  des  Bruch- 
sackes, als  den  Verschluss  der  Bruchpforte  herbeiführte.  In  der 
kombinierten  Anwendung  dieser  beiden  Operationsakte  lag  im  Ver- 
gleiche mit  den  alten  Methoden  der  Fortschritt  des  Verfahrens 
Czerny’s.  Erst  durch  die  vollkommene  Freilegung  sämtlicher 
Gebilde  war  es  möglich  geworden,  auch  die  irreduktible  Hernie 
zu  beseitigen. 

Hätte  die  Methode  Czerny’s , die  zweifellos  die  Grundlage 
für  alle  weiteren  Veränderungen  auf  dem  Gebiete  der  Radikal- 
operation bildete,  keine  weiteren  Erfolge  für  sich  gehabt, 
das  Verdienst  bleibt  ihr  unter  allen  Verhältnissen, 
dass  sie  bei  irreponiblen  Hernien  das  Tragen  eines 
Bruchbandes  ermöglichte.  W ährend  bis  Czerny  fast  immer 
nur  reduktible  Hernien  operiert  worden  waren,  gelang  es  mittelst 
seines  Verfahrens  »die  irreponiblen  Brüche  zu  mobilen  zu  gestalten 
und  ihre  Träger  aus  Invaliden  zu  arbeitsfähigen  Menschen  zu 
machen;  das  aber  ist  ein  Fortschritt,  den  wir  nicht  hoch  genug 
schätzen  können«  (Leisrink).  Gerade  jetzt,  da  die  Czerny’sche 
Methode  in  ihrer  Originalität  durch  andere  Methoden  verdrängt 
wird,  geziemt  es  sich,  darauf  hinzuweisen,  dass  keine  einzige  der 
neuen  Methoden  das  Prinzip  Czerny’s  verlassen  hat,  nämlich  die 
Obliteration  des  Bruchsackes  und  die  gleichzeitige  Verengerung 
der  Bruchpforte. 

Anmerkung.  Ich  hebe  diesen  Umstand  Ijesonders  hervor,  weil  es  in 
neuerer  Zeit  nicht  selten  üblich  ist,  einen  Autor,  der  eine  originelle  Idee  brachte, 
baldigst  zu  ül)ergehen,  wenn  ein  anderer  daran  eine  oft  geringfügige  ^Modifikation 
angebracht  hat. 

Allein  die  mangelhaften  Endresultate  erschütterten  auch 
das  Ansehen  der  Czerny’schen  Methode,  denn  die  Zahl  der  Re- 
cidiven  war  im  ersten  Dezenium  kaum  geringer  als  nach  der 
Wood’schen  oder  gar  dem  alten  Wutzer’schen  Verfahren  der  In- 


560 


A.  AVölfler. 


vagination  (Rot  hm  und).  Ja  selbst  der  unmittelbare  Ausgang  der 
beiden  letztgenannten  und  wohl  allgemein  aufgegebenen  Methoden 
ergab  nach  den  Mitteilungen  Woods  und  Roth  m und ’s  keines- 
wegs eine  grössere  Mortalität  als  die  neueren  Bruchoperationen. 

Von  nun  an  trachtete  man  durch  immer  neue  und  allerdings 
recht  unwesentliche  Modifikationen  das  Czerny’ sehe  Verfahren 
zu  verbessern,  und  als  gar  eine  prinzipiell  verschiedene  Methode 
mit  vorzüglichen  Endresultaten  von  Mac  Ewen  ersonnen  und 
geübt  wurde,  stürzte  man  sich  mit  einem  wahren  Heisshunger 
auf  dieselbe,  um  sie  auszuführen  und  zu  erproben.  Lauenstein 
(19.  Kongress  der  deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie)  reprodu- 
zierte dieselbe  noch  einmal  in  deutscher  Sprache  und  empfahl  sie 
auf  das  wärmste. 

Diejenigen,  welche  einer  soliden  Obliteration  des  Bruch- 
sackes grosse  Bedeutung  zumessen,  haben  auf  die  Zusammen- 
schiebung des  Bruchsackes  und  Lagerung  desselben  vor  die 
innere  Bruchpforte  (Mac  Ewen)  einen  grossen  Wert  gelegt; 
obgleich  schon  Garengeot  (siehe  bei  Rothmund)  diese  Methode 
empfohlen  hat,  so  fand  dieselbe  doch  erst  durch  die  Bemühungen 
Mac  E w e n ’s  allseitige  Anerkennung.  Thatsächlich  stellt  diese 
Methode  nichts  anderes  dar,  als  die  Invagination  des  abge- 
lösten Bruchsackes  und  Vereinigung  der  Leistenpfeiler  in  dem- 
selben Sinne,  in  welchem  Wood  diese  Operation  in  subkutaner 
Weise  ausführte.  Ein  allgemeines  Urteil  über  dieselbe  auszu- 
sprechen, wird  erst  dann  möglich  sein,  wenn  wir  über  eine  grössere 
Zahl  von  unmittelbaren  und  Endresultaten  verfügen. 

Meine  persönliche  Meinung  geht  dahin,  dass  in  der  Zu- 
sammenschiebung des  Bruchsackes  nicht  der  Vorteil  der  Mac 
Ewen’schen  Operation  gelegen  sein  kann;  denn  die  Ver- 
stopfung des  Leistenkanals  oder  der  Apertura  cannalis  inguinalis 
interna  durch  ein  organisches  Material  hat  sich  — so  oft  diese 
Methode  immer  wieder  aufgenommen  wurde  — nicht  bewährt, 
weil  durch  die  narbige  Schrumpfung  und  eintretende  Atrophie 
dieses  Materiales  neue  Gelegenheit  für  die  Entstehung  der  Recidive 
gegeben  ist;  ausserdem  finde  ich  in  der  vollkommenen  Ablösung 
des  Bruchsackes  eine  nicht  selten  zu  Komplikationen  führende 
Schwierigkeit  und  auch  eine  nicht  immer  streng  erfüllbare 
Forderung. 

Was  aber  als  ein  Fortschritt  angesehen  werden  muss, 
und  auch  den  Wert  des  Wood’schen  Verfahrens  bedingte,  das 
scheint  mir  darin  gelegen  zu  sein,  dass  Mac  Ewen  als  der  erste 
in  der  antiseptischen  Aera  mittels  einer  allerdings  etwas  kom- 


Zur  Radikaloperation  des  freien  Leistenbruches. 


561 


plizierten  Naht  die  offene  Vereinigung  sämtlicher  Schich- 
ten des  Leisten  kanales  anstrebte  und  auch  herbeiführte. 
Diese  Uebeiiegung  war  es  auch,  welche  mich  unmittelbar  nach 
der  Publikation  Mac  Ewen’s  dazu  anregte,  diese  Operation  zu 
prüfen.  Ich  musste  mich  jedoch  in  dem  von  mir  operierten  Falle 
überzeugen,  dass  die  Zusammenschiebung  des  Bruchsackes,  wenn 
er  mit  der  Umgebung  verwachsen  war,  sich  nicht  oder  nur  schwierig 
oder  unvollkommen  ausführen  Hesse  und  dass  die  Naht  der  den 
Leistenkanal  konstituirenden  Schichten  in  einer  weit  einfacheren 
Weise  sich  ausführen  lasse.  Diese  Ueberlegung  gab  mir  den  Anstoss 
zur  Entwicklung  der  von  mir  seitdem  geübten  Operationsmethode, 
welche  ich  später  besprechen  will  und  die  ich  zum  erstenmale 
im  Mai  des  Jahres  1888  ausführte.  Wohl  hatte  ich  schon 
früher  nach  Spaltung  des  M.  obliquus  externus  die  Schichtennaht 
gemacht,  allein  zu  einer  methodischen  Entwicklung  gelangte  das 
Verfahren  erst  in  den  im  Jahre  1888  operierten  Fällen. 

Unterdessen  wurde  durch  Bas  sin  i ein  Verfahren  vorbereitet, 
welches  mir  zu  der  Zeit,  als  ich  die  ersten  Operationen  nach 
meinem  eigenen  Verfahren  übte,  noch  nicht  bekannt  sein  konnte, 
da  ich  dasselbe  erst  durch  das  Archiv  der  klin.  Chirurgie,  Band  40, 
kennen  lernte,  das  aber  dennoch  schon  weit  früher  von  Bassini 
geübt  wurde,  als  mein  Verfahren  von  mir.  Es  war  für  mich  eine 
erfreuliche  Ueberraschung,  dass  Bassini  in  manchen  Punkten  mit 
dem  von  mir  geübten  und  bis  dahin  noch  nirgends  veröffentlichten 
Verfahren  so  vollkommen  übereinstimmte,  als  ob  wir  uns  gegen- 
seitig darüber  besprochen  hätten ; dies  gilt  ganz  besonders  von  dem 
Kardinalpunkte  unseres  neuen  Verfahrens,  der  gründlichen  Vereini- 
gung der  den  Bruchkanal  bildenden  Schichten  der  Bruchdecken. 

Für  mich,  der  ich  mein  Verfahren  selbst  ersonnen  hatte, 
war  die  Bassini’sche  Operation  eine  Bestätigung  des  Wertes  meines 
eigenen  Verfahrens,  für  andere,  welche  die  Bassini’sche  Methode 
früher  als  mein  Verfahren  kennen  gelernt  haben,  mögen  meine 
Erfahrungen  die  Bassini’sche  Methode  bestätigen.  Es  liegt  aber 
in  der  Natur  der  Sache,  dass  beide  Methoden,  da  sie  unabhängig 
voneinander  entstanden  waren,  gewisse  Verschiedenheiten  zeigen, 
auf  die  ich  später  noch  zurückkommen  werde. 

Da  Bassini  sein  Operationsverfahren  in  ausserordentlich 
vielen  Fällen  (216  Radikaloperationen  freier  Hernien)  erprobte,  die 
um  so  verschiedener  sein  müssen,  je  zahlreicher  sie  sind,  und  da 
nicht  bloss  die  unmittelbaren  Heilerfolge  (auf  216  Operationen  kein 
mit  der  Operation  zusammenhängender  Todesfall !)  glänzend  sind, 
sondern  auch  die  definitiven  Resultate  besser  sind  als  bei  irgend 

3G 


562 


A.  Wölfler. 


einer  der  bisher  geübten  Methoden,  indem  derselbe  bei  262  Radikal- 
operationen  239  Heilerfolge  verzeichnet,  so  stellt  dieses  Verfahren 
ohne  Zweifel  einen  gewaltigen  Fortschritt  gegenüber  den  früheren 
Methoden  dar;  erreicht  wurde  derselbe  meiner  Meinung  nach  durch 
die  Ausführung  der  exakten  Naht  der  Bauchwandschichten.  Was 
die  Obliteration  des  Bruchsackes  anbelangt  und  die  Zerstörung 
desselben,  so  unterscheidet  sich  dieses  Verfahren  nicht  wesentlich 
von  den  früher  geübten  Operationsmethoden ; dagegen  unterscheidet 
sich  das  Bassini’sche  Verfahren  noch  darin  von  den  früheren  Me- 
thoden, dass  dasselbe  den  Samenstrang  bei  der  inneren  Bruch- 
pforte herausleitete,  um  den  M.  obliquus  internus  ungestört  an 
das  Poupart’sche  Band  annähen  zu  können.  Da  der  Samenstrang 
hierauf  dennoch  zwischen  Obliquus  internus  und  externus,  also 
zwischen  den  beiden  Columnae  der  äusseren  Bruchpforte  herausgeleitet 
wurde,  so  war  es  Bassini  ebensowenig  wie  seinen  Vorgängern  möglich, 
den  kompleten  Verschluss  der  äusseren  Bruchpforte  vorzunehmen. 

Wenn  also  durch  Bassini  eine  Verbesserung  der  bis- 
herigen Methoden  dadurch  erzielt  wurde,  dass  der  Bruchkanal 
in  gefahrloser  Weise  und  unter  allen  Verhältnissen  verengert 
wurde,  so  konnte  ich  dennoch  weder  in  der  Isolierung  des  Bruch- 
sackes einen  ganz  ungefährlichen  noch  in  der  Herausleitung  des 
Samenstranges  einen  ganz  zweckentsj)rechenden  Eingriff  ersehen. 

Es  erschien  deshalb  zeitgemäss,  dass  auch  in  dieser  Hinsicht 
neue  Verbesserungen  vorgenommen  wurden;  der  Zufall  wollte  es, 
dass  Frank  und  ich  fast  gleichzeitig  gelegentlich  unserer  Radikal- 
operationen zwei  verschiedene  Methoden  von  Dislokation  des 
Samenstranges  Vornahmen  — ein  Beweis,  dass  von  verschiedener 
Seite  es  als  notwendig  erachtet  wurde,  auch  noch  in  dieser  Hin- 
sicht die  Radikaloperationen  zu  verbessern,  ohne  deshalb  die 
durch  Bassini  und  mich  geschaffenen  Modifikationen  zu  ver- 
lassen. Frank  (Wien.  khn.  Wochenschrift,  21.  Juli  1892)  lagerte 
in  2 Fällen  und  zwar  am  16.  und  17.  Juni  1892  den  Samenstrang 
insofern  tiefer,  als  er  in  dem  horizontalen  Schambeinast  eine 
Knochenrinne  ausmeisselte  und  in  diese  Rinne  den  Samenstrang 
legte ; dadurch  war  es  möglich,  auch  die  dem  M.  obliquus  externus 
angehörigen  Leistenpfeiler  miteinander  gründlichst  zu  vereinigen. 

Als  ich  Gelegenheit  nahm,  die  nach  meiner  Methode  operierten 
Bruchkranken  nachzuuntersuchen,  fiel  es  mir  auf,  dass  trotz  des  Aus- 
bleibens einer  Recidi  ve  dennoch  hie  und  da  ein  Klaffen  der  Leistenpfeiler 
wahrzunehmen  war;  da  schöpfte  ich  aus  eigener  Erfahrung  die  schon 
von  Anderen  constatirte  Wahrnehmung,  dass  das  Belassen  des  Samen- 
stranges an  seinem  ursprünglichen  Orte  die  Sicherheit  der  Radikal- 


Zur  Radikaloperation  des  freien  Leistenijruches. 


563 


lieilung  zu  beeinträchtigen  vermag  und  beschloss,  in  den  nächsten  mir 
unterkommenden  Fällen  den  Samenstrang  zu  dislocieren,  ohne 
dass  mir  das  Verfahren  Franks  bekannt  geworden  wäre;  derselbe 
veröffentlichte  sein  Verfahren  am  21.  Juli  1892.  Der  Zufall  wollte 
es,  dass  ich  am  10.  und  16.  Juli  meine  Methode  versuchte;  sie 
bestand  in  beiden  Fällen  darin,  dass  ich  den  Hoden  an  seinem 
am  Scrotum  fixierten  Gubernaculum  ablöste , ihn  samt  dem 
Samenstrange  hinter  den  rechten  beziehungsweise  linken  M.  rectus 
abdominis  schob,  im  Spalte  zwischen  die  beiden  Mm.  recti  heraus 
und  wieder  in  sein  ursprüngliches  Bett  im  Scrotum  herableitete. 
Dadurch  wurde  der  Samenstrang  aus  dem  Leistenkanale  entfernt 
und  zum  Teile  hinter  den  einen  M.  rectus  und  zum  Teile  auf  den 
medialen  Leistenpfeiler  gelegt.  Nach  dieser  Dislokation  war  selbst- 
verständlich nicht  bloss  eine  genaue  Vereinigung  des  M.  obliquus, 
sondern  auch  eine  bis  zum  Knochen  herabreichende  Naht  der 
Apertura  externa  möglich. 

Dies  sind  die  bis  zum  heutigen  Tage  mir  bekannt  gewordenen 
Bestrebungen  auf  dem  Gebiete  der  Radikalheilung  der  Leistenbrüche. 

II.  Beschreibung  meiner  Methode. 

Die  Operation,  welche  ich  jetzt  seit  mehr  als  4 Jahren  übe, 
lässt  sich  ohne  Zwang  in  mehrere  Akte  einteilen  und  zwar: 

1.  Blosslegung  der  äusseren  Bruchpforte; 

2.  Blosslegung  des  Leistenkanales,  des  Samenstranges,  des 
Bruchsackes  und  der  inneren  Bruchpforte; 

3.  Verschluss  des  Bruchsackhalses  und  Zerstörung  der  inneren 
Fläche  des  Bruchsackes; 

4.  Dislokation  des  Samenstranges  (erst  in  der  letzten  Zeit  durch 
mich  und  meinen  Assistenten  Dr.  v.  Frey  in  vier  Fällen  ausgeführt); 

5.  Verengerung , beziehungsweise  Beseitigung  des  Bruch- 
kanales (Naht  der  Muskelschichten). 

ad.  1.  Zur  Blosslegung  der  äusseren  Bruchpforte  wird  ein 
7 — 10  cm  langer  Hautschnitt  gemacht,  der  daumenbreit  unterhalb 
der  äusseren  Bruchpforte  beginnt  und  entsprechend  der  Lage  des 
Leistenkanales  in  schiefer  Richtung  nach  aussen  zieht,  doch  so, 
dass  der  Schnitt  mehr  medialwärts  als  lateralwärts  gerichtet  ist; 
nach  Durchtrennung  der  oberflächlichen  Fascie  auf  der  Hohlsonde 
und  der  auf  der  Bruchgeschwulst  ziehenden  Fascia  Cooperi  ist  es 
meist  leicht,  mittels  einiger  Züge  mit  der  Sonde  oder  der  ana- 
tomischen Pincette  die  Leistenpfeiler  vollkommen  blosszulegen  bis 
zu  ihrer  Insertion  am  Schambein.  (Fig.  1.) 

ad.  2.  Sodann  wird  unter  der  Aponeurose  des  M.  obliquus 


564 


A.  Wölfler. 


externus  und  zwar  in  dem  oberen  Winkel,  welcher  durch  das 
Zusammentreffen  der  beiden  Leistenpfeiler  entsteht,  eine  Hohl- 
sonde eingeführt  und  zwar  in  einer  Länge  von  ungefähr  5 — 6 cm. 
Durch  diesen  Schnitt  muss  der  obere  Winkel  des  an  der  Aussenseite 
des  M.  obhquus  internus  gelegenen  Spaltes  freigelegt  werden.  (Fig.  2.) 


Fig.  1.  Hautschnitt  und  Blosslegung  des  äusseren  Leistenringes. 

Anmerkung.  Sämtliche  Figuren  sind  in  sorgfältigster  Weise  durch  einen  meiner  Hilfs- 
ärzte, Herrn  Dr.  Markovinovitsch,  nach  den  bei  den  Operationen  gewonnenen  Bildern  dargestellt; 
ich  sage  ihm  für  seine  Bemühungen  auch  an  dieser  Stelle  meinen  besten  Dank. 

Dieser  Spalt  wird  gebildet  entweder  durch  die  Fasern  des 
M.  obliquus  internus,  oder  er  liegt  zwischen  den  äussern  Fasern 
des  M.  obliquus  internus  und  dem  Poupart’schen  Bande.  Manch- 
mal sieht  man  im  oberen  Winkel  quer  herüber  ziehen  die  Fasern 


Zur  Radikaloperation  des  freien  Leistenbruclxes. 


565 


des  M.  transversus.  Ist  der  oberste  Teil  des  Spaltes  blossgelegt, 
so  werden  in  der  Gegend  des  Halses  des  Bruchsackes  nahe  an 
der  Bmchpforte  die  auf  ihn  sich  fortsetzenden  fascienartigen 
Schichten  der  3 Muskeln  (M.  obliquus  externus,  internus  und 
transversus)  auf  der  Hohlsonde  so  durchtrennt,  dass  der  Bruch- 
sack daselbst  soweit  freiliegt,  um  ihn  spalten  zu  können.  (Fig.  2.) 


Fig.  2.  Nach  ausgeführtem  Schnitte  durch  die  Aponeurose  d.  m.  obliqu.  extern. 

ad.  3.  In  den  Bruchsack  wii’d  hierauf  mit  der  Hohlsonde 
eine  kleine  Oeffnung  gemacht,  von  da  aus  eine  Hohlsonde  in  den- 
selben und  unter  dessen  vordere  Wand  geführt  und  hiebei  be- 
achtet, dass  bei  der  Durchtrennung  der  Bruchsackwand  aussen 
der  Samenstrang  und  innen  etwa  adhärente  Darmpartien  nicht 


566 


A.  Wölfler. 


durchtrennt  werden.  Das  erstere  kann  man  dadurch  verhüten, 
dass  man  die  Hohlsonde  an  einer  Stelle  in  den  Bruchsack  führt, 
wo  der  Samenstrang  nicht  hegt,  das  zweite  dadurch,  dass  man 
alsbald,  nachdem  man  eine  mehr  als  daumenbreite  Oeffnung  in 
den  Bruchsack  gemacht  hat,  nachsieht,  ob  Netz  oder  Darm  vor- 


Fig.  3.  Spaltung  ii.  innere  Naht  d.  Bruchsackhalses, 


liegt  und  eventuell,  wo  diese  Teile  mit  dem  Bruchsack  verwachsen 
sind.  Auch  überzeugt  man  sich  bei  dieser  Inspektion  gleichzeitig, 
ob  der  Bruch  ein  congenitaler  ist  oder  nicht;  ist  ersteres  der  Fall, 
so  bleibt  der  untere  Teil  des  Bruchsackes  ungespalten,  um  ihn 
zur  Abschliessung  des  Hodens  nach  oben  zu  verwenden. 


Zur  Eadikalopeiation  des  freien  Leistenbruches. 


567 


Ist  der  Bruchsack  an  der  rechten  Stelle  und  in  seiner  ganzen 
Länge  gespalten,  so  werden  die  Spaltränder  mit  Pinces  gefasst 
(Fig.  3),  wodurch  der  ganze  Bruchsack  gut  ausgebreitet  vor  uns 
liegt;  die  sich  vordrängenden  Intestina  werden  durch  einen  Jodo- 
foringazepfropf,  der  durch  den  Bruchsackhals  eingeführt  wird  und 


Fig.  4.  Verschorfung  d.  inneren  Fläche  d.  Brnchsackes  mit  d.  Thermokauter. 

jenseits  der  inneren  Bruchpforte  zu  liegen  kommt,  zurückgehalten, 
Netz  wird  in  der  Regel  abgetragen  und  eventuell  adhärente  In- 
testina werden  entweder  stumpf  abgelöst,  wenn  dies  sehr  leicht 
geht,  oder  es  wird  an  der  Peripherie  der  adhärenten  Stelle  die 
Innenfläche  des  Peritoneums  eingeschnitten,  von  der  Umgebung 
losgelöst  und  sodann  die  Reposition  der  Därme  samt  dem  ihnen 
anhaftenden  Peritoneum  des  Bruchsackes  vorgenommen. 


568 


A.  Wölfler. 


Nun  wird  der  Gazetampon  bei  Hochlagerung  des 
Beckens  entfernt,  so  dass  die  Intestina  keine  Tendenz  zum  Vor- 
fälle haben,  der  Bruchsackhals  von  innen  her  gut  mit  Seide  zu- 
sammengenäht entweder  mittels  einer  fortlaufenden  Tabaksbeutel- 
naht oder  mittels  Knopfnaht ; hierauf  Verschorfung  der  Innen- 
fläche des  Bruchsackes  mittels  des  Thermokauters  (siehe  Fig.  3 u.  4). 


Fig.  5.  Vereinigung  des  verschorften  Bruchsackes  durch  die  äussere  Naht. 


Man  beachte  vor  Anlegung  der  Naht  die  Lage  der  Art.  iliaca 
externa,  damit  diese  nicht  zufällig  durch  die  Nadel  angestochen 
werde.  Ist  die  Naht  am  Bruchsackhalse  angelegt,  so  überzeugt 
man  sich  beim  Anfassen  der  Pinces,  ob  die  Blätter  des  aufge- 
schnittenen Bruchsackes  sich  sehr  leicht  ablösen  lassen;  meist  ist 
dies  in  einem  grösseren  oder  geringeren  Umfange  möglich;  dann 


Zur  Radikaloperation  des  freien  Leisteiibruches. 


569 


kann  man  einen  Teil  des  abgelösten  Bmclisackes  mit  der  Schere 
abtragen.  Was  vom  Bruclisacke  noch  zurückbleib tf  wird  mit  dem 
Thermokauter  gut  verschorft.  Ist  der  Bruch  angeboren,  so  wird 
die  untere  Partie  des  Bruchsackes,  der  der  Kode  anliegt,  nicht 
verschorft,  sondern  von  den  oberen  Teilen  des  Bruchsackes  mittels 
eines  Querschnittes  abgetrennt  und  ül^er  dem  Hoden  vereinigt. 


Fig.  G.  Ansicht  des  Spaltes  zwischen  IM.  obl.  inter.  u.  Poup.  Bande  nach 
dem  Versenken  des  Bruchsackes  in  die  Bauchhöhle. 


Nur  wenn  der  Bruchsack  ausserordentlich  leicht  und  wie  von 
selbst  sich  ablöst,  wird  ein  Teil  oder  der  ganze  vor  der  Sutur  ab- 
geschnitten; gelingt  die  Ablösung  nicht  sehr  leicht,  wie  z.  B. 
bei  grösseren  und  älteren  Brüchen,  so  wird  der  verschorfte  Bruch- 


570 


A.  WölHer. 


sack  zugenäht  und  in  seiner  Lage  belassen;  meistens  ist  es  mög- 
lich, den  verschorften  und  genähten  Bruchsack  zu  heben  und  ihn 
in  die  Gegend  der  inneren  Bruchpforte  zu  verdrängen  (Fig.  6.); 
nur  ausnahmsweise  war  dies  nicht  möglich,  so  dass  der  verschorfte 
Bruchsack  noch  in  das  Scrotum  herabzog.  In  solchen  Fällen*ist 


Fig.  7.  Dislocierung  d.  Samenstranges  hinter  dem  M.  rectus  abdom.  n.  zurück 

in  sein  nrsprüngl.  Bett  im  Hodensack. 

es  dann  geraten,  den  Bruchsack  in  der  Gegend  der  äusseren 
Bruchpforte  von  innen  her  mit  dem  Messer  oder  dem  Thermo- 
kauter quer  zu  durchtrennen,  so  dass  der  dem  Scrotum  angehörige 
Teil  des  Bruchsackes  dort  verbleibt,  während  der  dem  Bruchkanal 


Zur  Radikaloperation  des  freien  Leistenbruches.  571 

angehörige  Teil  gegen  die  innere  Bruchpforte  hin  verschoben 
wird. 

ad.  4.  Diesem  Akte  habe  ich  in  den  letzten  vier  an  meiner 
Klinik  operierten  Fällen  die  Dislokation  des  Samenstranges 
in  nachfolgender  Weise  angeschlossen.  (Fig.  7.) 

Es  wird  der  Kode  aus  dem  Scrotum  herausgezogen;  mittels 
des  Gubernaculum  Hunteri  ist  er  am  Hodensacke  fixiert,  daher 
wird  dieses  mit  der  Schere  durchschnitten  und  ein  Faden  durch 
den  am  Scrotum  zurückbleibenden  Stumpf  des  Gubernaculums 
durchgeführt,  um  dasselbe  nach  geschehener  Dislokation  wieder 
leicht  zu  finden  und  den  Hoden  wiederum  daran  zu  befestigen. 
Hierauf  wird  am  äusseren  Rande  des  M.  rectus  die  an  seine  Fascie 
sich  anschmiegende  Fascia  transversa  mit  dem  Messer  durchtrennt, 
um  hinter  dem  Musculus  rectus  zwischen  diesem  und  dem  lockeren 
subserösen  Zellgewebe  mit  dem  Finger  einzudringen  und  die  Ver- 
bindung desselben  mit  dem  anderen  M.  rectus  auf  Hodenlänge 
oder  noch  etwas  darüber  zu  lösen. 

Sodann  wird  der  M.  rectus  mit  einem  oder  zwei  stumpfen 
Hacken  von  einem  Assistenten  emporgehoben  und  der  Hode  samt 
Samenstrang  hinter  dem  M.  rectus  vorbei  durch  den  Spalt  zwischen 
den  beiden  M.  recti  herausgezogen  und  über  der  vorderen  Fläche 
des  M.  rectus  und  dem  inneren  Leistenpfeiler  der  äusseren  Bruch- 
pforte herab  in  den  Hodensack  geführt,  wo  der  Hode  wieder  an 
sein  Gubernaculum  angenäht  wird.  Der  Samenstrang  liegt  dann 
nicht  mehr  im  Leistenkanale,  sondern  zum  Teile  hinter,  zum  Teile 
auf  dem  M.  rectus  und  dem  inneren  Leistenpfeiler,  an  dessen 
medialer  Seite  er  in  den  Hodensack  wieder  herabsteigt.  (Fig.  7.) 

ad  5.  Nach  vollendeter  Dislokation  whd  an  die  vollkommene 
Beseitigung  des  Bruchkanales  geschritten;  während  man  bisher 
bloss  von  einer  Verengerung  des  Leisten-  oder  Bruchkanales  sprechen 
konnte,  kann  nach  Beseitigung  des  Samenstranges  von  einer  Auf- 
hebung des  Leisten-  oder  Bruchkanales  die  Rede  sein. 

Zu  diesem  Zwecke  ist  es  notwendig,  daran  zu  erinnern,  dass 
durch  die  Spaltung  des  Muskels  und  der  Aponeurose  des  M.  obli- 
quus  externus  ein  innerer  und  ein  äusserer  Lappen  entstanden  ist. 
Es  ist  früher  hervorgehoben  worden,  dass  die  Sonde  bei  Spaltung 
der  Aponeurose  sich  mehr  medial  halten  soll;  dieser  Vorgang  hat 
den  Zweck,  den  äusseren  Lappen  der  Aponeurose  etwas  breiter  zu 
gestalten,  damit  man  nicht  bloss  an  das  Poupart’sche  Band,  son- 
dern auch  an  die  innere  Fläche  dieses  äusseren  Lappens  den  M. 
obliquus  internus  samt  transversus  und  auch  den  M.  rectus  an- 
nähen kann.  Zu  diesem  Behufe  wird  nämlich  diesser  äussere 


572 


A.  Wölfler. 


Lappen  mittels  einer  Pince  so  umgeschlagen,  dass  man  seine  an 
das  Poupart’sclie  Band  fixierte  Innenfläche  sieht,  und  an  diese 
wird  mittels  einer  ganzen  Reihe  von  Knopfnähten  — die  Zahl  hängt 
von  der  Länge  und  Breite  des  Leistenkanales  ab  — angenäht: 
a)  der  äussere  Rand  des  M.  obliquus  internus  samt  dem  da- 
runter liegenden  M.  transversus  (Fig.  8).  Die  exakte  Naht  dieser 


Fig.  8.  Fixation  des  M.  obliq.  intern,  u.  Mnsc.  transversus  an  das  Lig.  Poupartii 

durch  die  Naht. 

Muskeln  ist  von  der  grössten  Wichtigkeit.  Liegt  der  Leistenkanal 
in  seiner  oberen  Partie  zwischen  den  Fasern  des  M.  obliquus 
internus  — wie  dies  nicht  selten  der  Fall  ist  — so  werden  natür- 


Zur  Radikaloperation  des  freien  Leistenbruches. 


573 


lieh  die  Fasern  des  M.  obliqims  internus  zusammengenäht;  in  den 
unteren  Partien  des  M.  obliquus  internus  ist  es  aber  dennoch 
meist  notwendig,  seinen  äusseren  Rand  an  das  Poupart’sche  Band 
oder  an  die  Innenfläche  des  äusseren  Lappens  der  Aponeurose  des 
M.  obliquus  externus  zu  befestigen. 


Fig.  9.  Vollendete  Naht  d.  M.  obl.  inter.  Spaltung  der  Reotusscheide. 

Anmerkung.  Dieses  Bild  ändert  sich  mit  Rücksicht  auf  die  Apert.  externa  und  den  Samen- 
strang, wenn  derselbe  dislocirt  wird. 

b)  Sodann  wird  der  äussere  Rand  des  M.  rectus  herüberge- 
zogen gegen  das  Poupart’sche  Band  und  daselbst  angenäht,  was 
manchmal  sehr  leicht,  manchmal  etwas  schwieriger  geht;  im  letz- 
teren Falle  wird  die  Fascie  des  M.  rectus  vorerst  gespalten  (Fig.  9). 
Sodann  wird  die  hintere  Fascie  des  M.  rectus  und  der  Muskel- 


bauch  selbst  an  die  innere  Fläche  des  vorhin  genannten,  ai^oneuro- 
tischen,  äusseren  Blattes  des  M.  obliquus  externus  angenäht  oder 
direkt  an  das  Poupart’sche  Band  (Fig.  10).  Wurde  die  Fascie  des 
M.  rectus  gespalten,  so  wird  dann  auch  das  vordere  Blatt  der 
Fascie  an  dieselben  Punkte  angenäht;  doch  wurde  in  der  Regel 
gleichzeitig  auch  mitgenommen  das  durch  Spaltung  erhaltene 


Fig.  10.  Fixation  des  M.  rect.  abdoiu.  an  das  Lig.  Poupart.  durch  die  Naht. 

mediale  Blatt  der  A2Doneurose  des  M.  obliquus  externus,  welches 
mit  dem  freien  Rande  des  äusseren  Blattes  der  AjDoneurose  des 
M.  obliquus  externus  vereinigt  wird  (Fig.  11)  und  zwar  soweit 
herab,  dass  auch  die  von  der  Aj^oneurose  des  M.  obliquus  externus 


Zur  Radikaloperatioii  des  freien  Leistenbruches. 


575 


gebildeten  Leistenpfeiler  auf  das  innigste  und  sorgfältigste  mitein- 
ander bis  zum  Knochen  (beziehungsweise  bis  zum  Samenstrange) 
vereinigt  werden;  damit  ist  dann  auch  die  äussere  Bruchpforte 
vollständig  beseitigt. 


sc. m.obl. extern 


\ rn.rectus  abdoni 


\ fascia  m.  oblirfu . intern 
\ funicul.  spermat. 


Fig.  11.  Naht  der  Fascia  m.  ol)l.  externi. 

Hierauf  Naht  der  Haut,  unter  dieselbe  kommt  ein  kleines 
Drain;  zwischen  die  Muskelschichten  oder  in  den  Bruchsack  wird 
kein  Drain,  oder  nur  ausnahmsweise,  eingeführt. 

Inwieweit  ich  Veranlassung  hatte,  von  diesem  geschilderten 
Verfahren  abzuweichen,  werden  im  Nachfolgenden  die  einzelnen 
Krankheitsgeschichten  zeigen. 


576 


A.  Wölfler. 


Ili.  Krankheitsfälle. 

1.  8.  Eduard,  15  Jahre  alt;  Hernia  inguin.  sin.  libera,  angeblicli  im  Juni 
1885  beim  Turnen  entstanden ; Patient  trug  darauf  2 Monate  lang  ein  Bruch- 
band. Die  Hernie  war  apfelgross,  reponierbar.  Operiert  am  29.  XI.  1886.  Hernia 
congenita.  Operation  nach  Czerny.  Ligatur  des  Bruchsackhalses,  Verschluss  der 
Bruchpforte  durch  die  Naht,  Abschluss  der  Tunica  vaginalis  gegen  den  Hoden 
hin  durch  die  Naht.  Im  Verlaufe  stieg  die  Temperatur  zeitweise  auf  38,4. 
Schmerzen  in  der  Wunde,  Oedem  am  Scrotum.  Hautwunde  entsprechend  zwei 
Nahtstellen  auseinandergeAvichen.  Wurde  am  11.  I.  1887  geheilt  mit  Bruchband 
entlassen. 

2.  S.  Johann,  34  J.  alt,  Taglöhner.  Hernia  inguinalis  irreponib.  (rechts). 
Die  Operation  A\mrde  am  26.  Juni  1887  nach  Czerny  gemacht,  Exstirpation  des 
Bruchsackes.  Heilung  erfolgte  unter  Fiebererscheinungen,  starkes  Infiltrat,  reich- 
liche Sekretion.  Wurde  am  20.  VH.  1887  geheilt  entlassen. 

3.  K.  August,  2 J.  alt,  Hernia  ingu.  bilat.  cong.  Der  linke  machte  mehr 
Beschwerden,  beide  Avaren  reponibel.  Operation  am  11. V.  1887  nach  Czerny. 
Exstirpation  des  linken  Bruchsackes  nach  Spaltung  desselben  und  Naht  der 
äusseren  Pforte.  Glatter  Verlauf,  Heilung  per  primam  intentionera ; am  11.  V. 
1887  geheilt  entlassen. 

4.  AV.  Sylvester,  42  J.  alt,  Magazineur.  Hernia  inguinalis  libera  dextra, 
durch  Sturz  von  einem  EisenbahnAvaggon  entstanden,  hühnereigross,  reponibel. 
Operation  am  21.  XH.  1887  nach  Czerny.  Ligatur  des  Bruchsackes  und  Ex- 
stirpation desselben;  Pfortennaht.  Verlauf  vollkommen  glatt.  Am  3.  I.  1888  ge- 
heilt entlassen. 

5.  S.  Karl,  38  J.  alt,  Hutmacher ; Herniae  inguinales  bilaterales,  im  neunten 
Lebensjahre  nach  dem  Heben  einer  sclnveren  Last  acquiriert;  beide  sind  Scrotal- 
hernien,  linkerseits  reponil)el,  rechterseits  nicht.  Operation  der  linken  Hernie 
am  17. 1.  1888.  — Vielfache  strangförmige  Adhäsionen  nach  Eröffnung  des  Bruch- 
sackes ; beim  Ablösen  desselben  wurde  der  Darm  eingerissen ; 10  Catgutnähte 
am  Darme ; Keposition  der  Därme,  in  die  Bruchpforte  ein  mit  Jodoformgaze  ein- 
gehüllter SchAvamm,  daneben  Drain,  keine  Naht.  Am  21.  I.  Entfernung  des 
Schwammes ; am  28. 1. : granuliex’t  die  Wunde  schön,  am  5.  H.  SalbenA'erband. 

6.  Operation  der  rechtsseitigen  Hernie  am  23.  H.  Schräger  Hautschnitt,  Er- 
öffnung des  Bruchsackes ; Dannschlingen  unter  sich  A'ollkommen  verAvachsen, 
schwierige  Lösung,  Bruchsack  wird  abgebunden,  der  Rest  abgetragen,  Bruch- 
pforte weit  und  gegen  10  cm  lang.  Die  einzelnen  Muskelstrata  schichtAveise  ge- 
näht. Am  24.  II.  AA"ar  Patient  stark  kollabiert.  Temperatur  38 ",  Puls  116,  Er- 
brechen. — Am  25,  H.  Puls  138,  Meteorismus.  Erbrechen,  Entfernung  des  Jodo- 
formstreifens , 2 Stuhlentleerungen.  Am  28.  II.  Koterbrechen.  In  Narkose 
Eröffnung  der  Wunde  und  der  Bauchhöhle,  keine  Abknickung  des  Darmes  zu 
finden ; Exitus  letalis  am  29.  H.  Bei  der  Sektion  findet  man  eine  hochgradige 
ErAA^eiterung  des  Jejunums,  Avelche  dadurch  bedingt  ist,  dass  mehrere  Schlingen 
des  Dünndarmes  zu  einem  faustgrossen  KoiiA'olut  miteinander  A^erschmolzen 
sind ; es  dürfte  dieses  Kon  Amlut  im  linken  Bruchsacke  gelegen  gewesen  sein. 
Oberhalb  der  rechtsseitigen  Bruchpforte  ein  zweites,  schwer  entwirrbares  Darm- 
konvolut, welches  dem  unteren  Ileum  angehört;  die  zuführende  Schlinge  dieses 
Konvolutes  war  gedreht  und  Avar  die  Ursache  des  Ileus.  Es  wurden  die  Darm- 
schlingen, welche  im  rechtsseitigen  Bnichsacke  gelegen  waren,  offenbar  bei  der 
Reposition  oder  bald  danach  so  gedreht,  dass  dadurch  ein  DarmAmrschluss  zu- 
stande kam. 


Zur  Radikaloperation  des  freien  Leistenbruches. 


577 


7.  B.  Johann,  37  Jahre  alt,  Taglöhner;  Hernia  dextra  libera,  angeblich 

congenital.  Am  5.  1885  wurde  ihm  wegen  Incarceration  die  Herniotomie 

gemacht;  Scrotalhernie  (faustgross)  leicht  zu  reponiei'en.  Operation  am  17.11.  1888 
nach  Mac  Ewen.  Besonderer  Verschluss  der  inneren  und  der  äusseren  Bruch- 
Pforte.  Im  Verlaufe  keine  Eiterung.  Als  besondere  Schwierigkeiten  ergaben 
sich  bei  der  Operation ; 

1.  Es  war  schwierig,  die  Schnürnaht  bloss  unter  Leitung  des  in  den  Leisten- 
kanal eingeführten  Fingers  exakt  an  den  typischen  Stellen  ohne  Verletzung  des 
Samenstranges  durchzuführen. 

2.  Der  Bruchsack  verschliesst  in  Wirklichkeit  nicht  ganz  den  inneren 
Leistenring,  es  bleibt  neben  dem  Samenstrange  noch  eine  Oeffnung. 

3.  Die  Spannung  der  Schnürnaht  in  den  Weichteilen  ist  eine  grosse,  die 
Entfernung  des  Seidenfadens  war  eine  schwierige. 

Patient  wurde  am  13.  III.  1888  geheilt  mit  Bruchband  entlassen. 

8.  II.  Heinrich  18  J.  alt,  Schmied.  Hernia  ing.  libera  dextra,  seit  einem 
Jahre  bestehend,  leicht  reponibel.  Operation  am  9.  V.  1888.  Es  wird  der  IM. 
obliquus  externus  gespalten,  um  die  Ausdehnung  des  Leistenkanals  genau  zu 
übersehen.  Da  ein  Bruchsack  nicht  gefunden  werden  konnte,  wurden  die  Bauch- 
decken weit  gespalten  und  die  einzelnen  Schichten  stramm  an  das  Poupart- 
sche  Band  genäht,  schliesslich  die  Pfeiler  des  Leistenringes  separat  vereinigt. 
Verband.  Verlauf  reaktionslos,  keine  Eiterung;  am  30. V.  1888  geheilt  mit  Bruch- 
band entlassen. 

9.  II.  Johann,  10  Jahre  alt,  Hernia  inguinal,  dextra  libera  cong.  Scrotal- 
hernie,  leicht  reponibel.  Operation  am  17.  VH.  1888.  Hautschnitt  in  der  Länge 
und  Richtung  des  Leistenkanales,  Durcbtrenuung  des  M.  obliquus  externus  in 
gleicher  Länge,  Loslösung  des  Samenstranges  am  Bruclisaekhalse,  Durehtrennung 
des  Bruchsackes ; sein  peripherer  Teil  wird  ligiert  und  in  die  Bruchhöhle  re- 
poniert , Muskelschichtennaht;  genaue  Vereinigung  der  Crura.  Verlauf 
reaktionslos,  was  die  Wunde  betrifft.  Scrotum  schmerzhaft  und  inflltriert.  Die 
Infiltration  noch  bei  der  Entlassung  des  Patienten  vorhanden,  keine  Eiterung. 
Pat.  wurde  am  22.VHI.  mit  Suspensorium  geheilt  entlassen. 

10.  G.  Franz,  16  Jahre  alt,  Knecht.  Hernia  inguin.  libera  sinistra  wurde 
von  den  Eltern  liemerkt,  als  Pat.  6 Wochen  alt  war;  faustgross,  irreponibel. 
Operation  am  5.  XII.  1888.  Schnitt  von  der  Apertura  externa  nach  aulu'ärts; 
versuchte  Isolierung  des  Samenstranges  vom  Bruchsacke  schwierig,  Verwachsung 
des  Darmes  mit  dem  Bruchsacke ; Bruchsack  sehr  dünn,  zerreisst,  Dickdarm  wird 
sichtbar;  das  Mesenterium  des  Dickdarmes  wurde  bei  der  Ablösung  verletzt,  es 
blutet  aus  demselben;  schwierige  Ablösung  des  Darmes.  Ablösung  des  Samen- 
stranges ganz  unmöglich.  Innere  Naht  des  Bruchsackhalses.  Von  der 
Naht  des  IM.  obliquus  internus  muss  wegen  Collaps  des  Kranken  abgesehen 
werden;  ausgedehnte  Naht  der  Aponeurose  des  IM.  obliquus  externus.  Verlauf 
ohne  Eiterung,  doch  bleibt  längs  des  Samenstranges  ein  bis  zum  Hoden  ziehendes 
Infiltrat.  Am  7.  I.  1889  geheilt  entlassen. 

11.  M.  Johann,  16  J.  alt,  Bäckerlehrling.  Hernia  ing.  lib.  dextra  seit  einem 
Jahre,  nach  einem  Trauma  auf  die  rechte  Inguinalgegend  entstanden,  reponibel. 
Operation  am  16.1.  1889  nach  eigener  IMethode.  12  cm  langer  Schnitt,  Er- 
öffnung des  Bruchsackes,  Aetzung  des  inneren  Blattes  des  Bruchsackes  mit  dem 
Thermokauter.  Innere  Naht  des  Bruchsackes  an  dessen  Halse;  I ernähung  des 
IM.  obliquus  und  transversus  mit  8,  des  M.  rectus  mit  9 und  des  IM.  obliquus 
externus  mit  12  Nähten.  Pat.  wurde  am  19.11.  1889  geheilt  entlassen  mit  einem 

37 


nur  wenig  drückenden  Bruchkande.  Im  Juni  1892  wurde  Brief  lieh  festgestellt, 
dass  Patient  keine  llecidive  hat  und  vollkommen  zufrieden  ist. 

12.  S.  Andreas,  24  J.  alt,  Taglöliner ; seit  3 Jahren  Hernia  ing.  lib.  sin., 
seit  2V‘2  Jahren  auch  dextra;  linker  Bruch  gänseeigross,  Pat.  hat  seit  einem 
Monat  stärkere  Beschwerden.  Operation  am  7.  III.  1889  nach  eigener  Methode. 
Schnitt  7 cm  lang,  legt  die  dehiscirenden  Fasern  des  M.  obliquus  externus  bloss, 
Durchtrennung  der  Aponeurose  des  M.  obliquus  externus,  Spaltung  des  Obliquus 
internus,  um  den  Rand  des  INI.  transversus,  der  in  diesem  Falle  besonders  ver- 
dickt ist,  l)losszulegen ; der  laterale  Teil  des  M.  transversus  liegt  gerade  über 
der  Art.  iliaca  externa,  daher  vorsichtige  stumpfe  Ablösung.  Spaltung  des  Bruch- 
sackes, Verschorfung  dessen  Innenfläche  und  Anlegung  einer  inneren  Schnür- 
naht;  bei  Anlegung  dieser  Naht  stärkere  arterielle  Blutung  (Ai't.  iliaca  externa?). 
Tamponade,  Blutung  steht  nach  10  Minuten.  Hierauf  wird  Samenstrang  und 
Bruchsack  in  die  Peritonealhöhle  hiueingedrängt  und  darüber  der  M.  transversus 
mit  5 Nähten,  ]\I.  obliquus  internus,  M.  rectus  an  das  Poupartsche  Band  und  so- 
dann noch  M.  obliquus  externus  genäht.  Dauer  der  Operation  ®/4  Stunden. 
Verlauf  vollständig  reaktionslos,  Heilung  per  primam  intentionem.  Pat.  wurde 
am  3. IV.  geheilt  mit  einem  Bruchbande  entlassen.  Im  August  1892,  also  nach 
SVi  Jahren  stellte  sich  Pat.  wieder  vor.  In  den  Leistenring  dringt 
bloss  die  Fingerkuppe  ein;  beim  Husten  drängt  sich  vor  den  Leisten- 
ring eine  geringe  haselnussgrose  Partie  vor.  Patient  ist  zufrieden, 
geht  als  Taglöhner  seiner  Beschäftigung  ungestört  nach  und  trägt  seit 
3 Jahren  kein  Bruchband  mehr;  leichte  Verdickung  des  Samenstranges. 

13.  K.  Vinzenz,  7 J.  alt,  Taglöhnerssohn,  Hernia  ing.  lib.  sinistra,  seit 
5 Jahren  bestehend,  hühnereigross,  leicht  reponibel.  Leistenring  für  den  Mittel- 
finger durchgängig.  Die  Eltern  wünschen  die  Operation.  Zeitweises  Erbrechen. 
Operation  am  15.  V.  1889  nach  eigener  Methode.  10  cm  langer  Schnitt,  Bloss- 
legung des  Obliqu.  internus  und  des  Bruchsackes,  Erölfnung  desselben;  Hode 
liegt  ausserhalb  des  Bruchsackes.  Kauterisation  der  Innenfläche  des  Bruchsackes, 
Naht  des  M.  transversus  und  M.  obliquus  internus,  Naht  des  M.  rectus  an  das 
Poupartsche  Band,  Vereinigung  der  Aponeurose  des  M.  obliquus  externus.  Dauer 
der  Operation  eine  Stunde.  Nach  14  Tagen  Entfernung  des  Streifens  aus  dem 
Bruchsacke.  Heilung  per  prim,  intent.  Narbe  fest  und  hart,  Hoden  und  Samen- 
strang entzündlich  infiltriert,  wahrscheinlich  deshalb,  weil  die  Naht  am  ]M.  obliquus 
internus  und  externus  zu  weit  nach  unten  (i.  e.  bis  zum  Knochen)  geführt  und 
der  Samenstrang  etwas  eingeklemmt  wurde.  Pat.  wurde  am  11.  VI.  1889  geheilt 
mit  Bruchband  entlassen. 

14.  T.  Anton,  23  J.  alt.  Herniae  ing.  lib.  bilater.,  vor  2 Jahren  diu’ch 
schweres  Arbeiten  entstanden.  Operation  am  27.  V.  nach  eigener  IMethode. 
Schnitt  vom  äusseren  Leistenring  beginnend  in  schiefer  Richtung  nach  aussen, 
Spaltung  der  Fascie  des  M.  obliquus  externus,  Spaltung  des  Bruchsackhalses, 
innere  Schnürnaht  oberhalb  der  inneren  Bruchpforte,  A’erschorfung  der  Innen- 
fläche des  Bruchsackes  mit  dem  Glüheisen,  Naht  des  M.  obliquus  int.,  Verziehung 
des  M.  rectus  und  Naht  desselben  an  das  Poupartsche  Band,  Wiedervereinigung 
des  M.  obliquus  ext.  In  den  peripheren  Teil  des  Bruchsackes  wird  vor  dem 
Schlüsse  ein  Jodoformstreifen  eingeführt.  Am  30.  V.:  Scrotalgegend  und  Um- 
gebung der  Wunde  blutig  suffundiert.  Am  l.VI.  Entfernung  der  Blutcoagula 
aus  der  Wunde,  Drainage.  Am  5.  VI. : Oberflächliche  Fascie  ist  teilweise  ne- 
krotisch, Infiltration  und  Eiterretention.  Am  Scrotum  Incision  und  Drainage. 
Entfernung  des  Drains  am  28.  VI.  Pat.  wurde  am  5.  VHI.  geheilt  mit  Bruchband 


Zur  Radikaloperatioii  des  freien  Leistenbruches. 


579 


entlassen.  Stellte  sich  im  .luni  1892  vor:  Die  Brnclipforte  ist  für  die 

Fingerkuppe  durchgängig,  bei  Husten  und  Pressen  drängt  sich  nichts 
vor;  im  Bereiche  der  Narbe  ist  eine  geringe  Vorwölbung  der  Bauch- 
decken bemerkbar.  Subjektives  Befinden  des  Pat.  ist  befriedigend; 
er  ist  mit  seinem  Zustande  zufrieden. 

15.  S.  Andreas,  23  .1.  alt,  Bauerssolm.  llernia  ing.  lib.  sin.  reponilj.,  seit 
2 Jahren  bestehend,  kleinfaustgross.  Operation  am  Ö.  VI.  1889  nach  eigener 
^lethode:  10  cm  langer  Schnitt  dringt  durch  Haut  und  Fascie  des  31.  ol)liqiius 
externus,  der  freie  Band  des  31.  obliquus  int.  wird  mit  stumpfen  Hacken  hinauf- 
gezogen. Spaltung  des  Bruclisackes  und  Verschorfung  seiner  Innenfläclie.  Innere 
Bruchsacknaht,  Naht  der  31uskelschichten ; Einlegung  eines  Jodoformstreifens  in 
den  Bruchsack.  Am  25.  VI.  ist  die  Wunde  l)is  auf  die  Drainstelle  vollkommen 
verheilt.  Pat.  wurde  am  5.  \'H.  1889  geheilt  mit  Bruchband  entlassen. 

IG.  R.  Josef,  20  Jahre  alt,  Knecht,  llernia  ing.  lib.  sin.,  seit  der  Geburt 
bestehend;  keine  Beschwerden,  leicht  repouibel.  Operation  am  ll.VIU.  in 
typischer  3Veise.  Am  11.  VIII. : Die  Wundränder  sind  etwas  angeschwollen, 
schmerzhaft,  nicht  gerötet,  Sekretion  gering.  Oedem  am  Penis  und  Scrotum. 

Am  12.  VIII.  Entfernung  des  Jodoformstreifens;  nachmittags  etwas  blutiges 
Sputum;  18.  VUI. : Entfernung  des  Drains  und  der  Nähte;  21.  VIII:  Der  ver- 
schorfte  Bruchsack  hat  sich  auf  */s  seines  früheren  Volumens  zurückgebildet, 
die  3Vunde  an  der  Drainstelle  granulierend,  im  übrigen  verheilt.  *\jn  5.  IX.  ist 
der  verschorfte  Bruchsack  nur  mehr  1 cm  lang,  während  er  früher  G cm  lang 
war.  Pat.  wurde  am  5.  IX.  mit  einem  gut  federnden  Bruchbande  entlassen. 

17.  S.  3Iarcus,  37  J.  alt,  Schmied.  llernia  ing.  dextra  lib.  reponib.  Seit 
5 3Ionaten  bestand  eine  Anschwellung  in  der  rechten  Leiste,  welche  stets  grösser 
wurde  und  beim  Arbeiten  Schmerzen  machte.  Operation  am  2.  XU.  1889  in  ty- 
pischer 3Veise.  — NB.  Es  braucht  während  der  ganzen  Operation  keine  Ligatur 
angelegt  zu  werden.  — Verlauf  vollkommen  reaktionslos.  Pat.  wurde  geheilt  mit 
Bruchband  entlassen  am  23.  XU.  1889. 

18.  .1.  Johann,  21  J.  alt,  Taglöhner.  llernia  ing.  lib.  sin.  reponib.;  durch 
Heben  schwerer  Lasten  im  Jahre  1889  entstanden;  tritt  bei  schwerer  Arbeit  her- 
vor und  macht  Schmerzen.  Operation  am  4.  XII.  1889  in  typischer  Weise ; Ein- 
legung eines  Jodoformstreifens  in  den  Bruchsack.  Am  Operationstage  abends 
leichte  Temperatursteigerung ; es  wird  auch  in  den  oberen  Wundwinkel  ein  Drain 
eingelegt.  Am  9.  XH.  war  die  3Vunde  reaktionslos,  Entfernung  des  Streifens  aus 
dem  Bruchsacke.  Am  11.  XII.  Retentio  urinae  und  brennende  Schmerzen  in  der 
Urethra.  Pat  muss  durch  2 Tage  katheterisicrt  werden.  Am  17.  XH.  Entfernung 
der  Nähte;  am  2G.XH. : vollkommene  Heilung  per  primam  int.  Wurde  am 
9.  I.  1890  geheilt  mit  Bruchl)and  entlassen.  Pat.  stellte  sich  am  28.  IV.  1890  vor; 
hat  keinerlei  Beschwerden;  beim  Husten  drängt  sich  weder  an  der 
Narbe,  noch  sonst  wo  eine  Geschwulst  hervor. 

19.  K.  Josef,  39  .1.  alt,  Taglöhner.  llernia  ing.  lib.  dextra,  seit  G IVochen 
bestehend,  durch  Heben  schwerer  Lasten  entstanden.  Operation  am  4.  H.  1890 
in  typischer  Weise;  <ler  Brucksack  wird  Jiicht  eröffnet,  sondern  bloss  reponiert. 
Verlauf  reaktionslos;  am  7. II.  Entfernung  des  Jodoformstreifens;  am  10. H.  Ent- 
fernung des  Drains;  am  12.11.  Entfernung  der  Nähte:  Wunde  bis  auf  die  Drain- 
stelle geheilt.  Pat.  wurde  am  8.  HI.  1890  geheilt  mit  einem  Bruchbande  entlassen. 

20.  8.  David,  15  .1.  alt,  Bauerssohn.  llernia  scrotalis  lib.  dextra,  leicht 
repouibel,  seit  G Jahren  bestehend,  angeblich  beim  Springen  entstanden.  Opera- 
tion am  G.  II.  1890  in  typischer  Weise.  Verlauf  reaktionslos.  Entfernung  des 


580 


A.  Wölfler. 


Jodoforinstreifens  am  lO.II. ; am  20.11.  Entfernung  der  Nähte;  Wunde  geschlossen. 
2.  III.  Entfernung  des  Drains.  Geheilt  mit  Bruchhand  entlassen  am  21.  III.  1890. 

21.  G.  Vinzenz,  20  J.  alt,  Grund1)esitzerssohn.  Hernia  ing.  lib.  dextra 
reponib. ; seit  einem  halben  Jahre  bestehend,  angeblich  seit  einer  Darmentzündung. 
Operation  am  30.111.  1890  in  typischer  Weise.  Am  3.  I^^  Entfernunng  des  Jodoform- 
streifens, am  G.IV.  Entfernung  der  Nähte.  Wunde  per  primam  int.  geheilt.  Geheilt 
mit  Bruchband  entlassen  am  18.  IV.  1890.  Bat.  stellt  sich  Ende  August  1892 
•wieder  vor.  Narbe  vollkommen  fest;  äusserer  Leistenring  für  dieKupi)e 
des  kleinen  Fingers  passierbar.  Bei  Husten  und  Pressen  keinen  An- 
prall zti  fühlen  und  keine  Vor wö Ihung  si chthar.  Pat.  h at  keinerlei  Be- 
scliAverden  und  ist  mit  dem  Operationserfolge  vollkommen  zufrieden. 

22.  S.  Franz,  25  J.  alt,  Posamentierergehilfe.  Ilernia  ing.  lib.  dextra,  leicht 
reponierbar,  vor  4 Jahren  durch  Heben  einer  schweren  Last  entstanden,  gänse- 
eigross. Operation  am  24.  IV.  1890  in  typischer  Weise.  Am  26.  IV.  Entfernung 
des  Jodoformstreifens,  am  30.  IV.  Entfernung  der  Drains  und  teilweise  auch  der 
Nähte.  Schmerzen  in  der  Lehergegend;  am  3.V.  Entfernung  aller  Nähte,  am 
6.  'S".  Temperatur  38,5  ° ; Wunde  3 cm  weit  aufgebrochen , starke  Sekretion. 
8.  V.  Drainage;  täglich  Verbandwechsel,  Sekretion  nimmt  langsam  ab,  Heilung 
der  aufgebrochenen  Stelle  per  granulationem.  Geheilt  mit  Bruchband  am  26.  VI. 
1890  entlassen.  Patient  stellte  sich  am  27.  VI.  1892  vor:  Mit  dem  Mittelfinger 
kann  man  in  die  apertura  externa  eindringen,  wahrscheinlich  weil  die  Faser- 
hündel  des  Obliqiuis  externus  (Fascie  desselben)  etwas  auseinander  gewichen 
sind;  es  ist  jedoch  nicht  möglich,  den  Finger  tiefer  einzuführen.  Auf  Husten 
und  Pressen  fühlt  man  keinen  Anprall  der  Intestina,  nur  im  obersten  Narben- 
anteile findet  eine  unbedeutende  Vorwölbung  statt,  wo  aber  die  Narbe  an  und 
für  sich  eine  Prominenz  bildet.  Pat.  hat  das  Bruchband  3 Wochen  nach  Aus- 
tritt aus  dem  Krankenhause  abgelegt  und  ist  mit  dem  Eesultate  der  Operation 
ausserordentlich  zufrieden. 

23.  8.  Josef,  43  J.  alt,  Bäckergehilfe.  Hernia  ing.  lib.  sin.  reponib.,  seit 
der  Lehrlingszeit  des  Pat.  bestehend , wird  oft  hühnereigross.  Operation  am 
27.  IV.  1890.  Bruchsack  sehr  weit.  In  demselben  Adhäsionen  des  Dickdarmes, 
so  dass  erst  unterhalb  desselben  die  Schnürnaht  gemacht  werden  kann.  Der 
Bruchsack  wird  samt  dem  adhärenten  Dickdarme  in  die  Bauchhöhle  geschoben. 
Der  M.  obliquus  internus  besitzt  einen  bogenförmigen  Rand,  seine  Ränder  werden 
miteinander  vereinigt,  die  Rektusscheiden  und  der  Muskel  wie  sonst  nach  aussen 
gezogen.  Entfernung  des  Jodoformstreifens  und  des  Drains  am  1.  V. ; vollkommen 
afehriler  Verlauf.  Entfernung  der  Nähte  am  5.  A'.  Geheilt  entlassen  mit  Bruch- 
band am  22.  V.  1890. 

24.  K.  Alois,  18  J.  alt,  Bäckergehilfe.  Hernia  ing.  lib.  sin.  reponib.,  an- 
geblich seit  2 Jahren  bestehend.  Operation  am  17.  V.  1890  in  tvqjischer  Weise. 
Bruchsack  weit,  mit  taschenförmigen  Ausbuchtungen,  welche  A'erschorft  werden. 
Verlauf  reaktionslos ; am  27.  V.  Entfernung  der  Nähte.  Geheilt  mit  Bruchband 
entlassen  am  6.  VI.  1890.  Pat.  stellte  sich  am  10.  VH.  1892  vor:  Narbe  fest, 
keine  Recidive.  Die  Oeffnung  für  den  Samenstrang  für  die  Finger- 
kuppedurchgängig, sonst  keine  Diastase;  Pat.  ist  sehr  zufrieden  und 
will  sich  auch  auf  der  rechten  Seite  operieren  lassen. 

25.  W.  Franz,  5 J.  alt,  Taglöhnerskind.  Hernia  ing.  lib.  sinistra,  leicht 
reponibel,  seit  Gehurt  bestehend,  tauheneigross.  Operation  am  20. V.  1890  in 
typischer  Weise.  Processus  vaginalis  offen;  Verschorfung  des  oberen  Teiles  und 
Vernähung  des  unteren  Teiles  zum  Abschlüsse  gegen  den  Hoden.  Wunde  am 


Zur  Radikalopcration  des  freien  Leistenbruches. 


581 


27.  V.  reaktionslos.  Entfernung  des  Jodoformstreifens  und  des  Drains.  Geheilt 
entlassen  am  10.  VI.  1890.  Pat.  bekommt  kein  Bruchband,  da  die  Narbe  sehr 
fest  ist  und  Pat.  für  ein  Bruchband  zu  unruhig  ist. 

26.  Z.  jMichael,  27  J.  alt,  Hausknecht.  H.  ing.  lib.  dextra  reponib.;  durch 
Heben  einer  schweren  Last  unter  plötzlichen  Schmerzen  entstanden,  vor  14  Tagen. 
Operation  am  23. Y.  1890.  Bruchsack  sehr  klein,  handschuhtingerförmig  mit 
einem  kleinen  seitlichen  Divertikel;  keine  innere  Schnürnaht,  sondern  um  den 
Bruchsack  eine  Ligatur  gelegt  und  der  periphere  Teil  abgetragen.  Im  übrigen 
wie  gewöhnlich.  Verlauf  ganz  reaktionslos.  Geheilt  mit  Bruchband  am  9.  VI.  1890 
entlassen.  Pat.  stellt  sich  am  20.  X.  1890  wieder  vor.  Narbe  fest.  Beim 
Umhergehen,  Husten,  Pressen  tritt  kein  Eingeweide  vor,  auch  wölben 
sich  die  Bauchdecken  der  Narbe  dabei  nicht  vor.  Pat.  will  nach  einem 
Vierteljahr  das  Bruchband  weglassen. 

27.  G.  Ap.,  40  J.  alt.  II.  irreponib.,  seit  mehreren  Jahren  bestehend,  so 
gross  wie  eine  Faust.  Pat.  lässt  sich  operieren,  um  militärdiensttauglich  zu 
werden.  Operation  am  27.  V.  1890.  Nach  Eröffnung  des  Bruchsackes  Exstirpa- 
tion des  adhärenten  Netzes  in  der  Grösse  eines  Gänseeies;  sonst  in  typischer 
Weise;  Verlauf  ganz  reaktionslos,  afebril,  keine  Eiterung.  Geheilt  entlassen  am 
15.VI.  1890.  Pat.  stellt  sich  nach  2 Jahren  vor,  Narbe  ganz  fest,  keine 
Recidive.  Pat.  versieht  seinen  Dienst  bei  der  Kavallerie  seit  2 Jabren 
ohne  Störung  und  ohne  Beschwerden. 

28.  B.  Josef,  48  J.  alt,  Maschinenschlosser.  Hernia  ing.  lib.  dextra,  re- 
ponibel,  hühnereigross,  seit  8 Jahren  bestehend.  Operation  am  29.  V.  1890  in 
typischer  Weise.  In  den  Bruchsack  kommt  kein  Jodoformgazestreifen.  Verlauf 
i'eaktionslos ; am  26.  VI.  1890  mit  Bruchband  entlassen. 

29.  D.  Carl,  32  J.  alt,  Kaufmann.  Hernia  ing.  libera  sinistra,  reponibel, 

seit  10  Jahren  bestehend,  hühnereigross.  Operation  am  14.  VI.  1890  in  typischer 
Weise.  Da  der  Bruchsack  sehr  klein  ist,  wird  derselbe  excidiert.  Die  .Schenkel 
des  M.  obliquus  internus  werden  untei'einander  vereinigt.  Verlauf  reaktionslos, 
Heilung  per  primam  intent.  Am  13.  VH.  1890  mit  Bruchband  entlassen.  Feste 
Narbe;  mit  dem  Finger  gelangt  man  zu  einer  dreieckigen,  fast  kreuzergrossen 
Oeffnung  gegen  die  Bauchhöhle;  die  Basis  dieses  Dreieckes  bildet  das  Lignit. 
Poupartii.  Stellte  sich  im  Februar  1892  vor:  Lineare  Narbe,  welche 

sich  bei  Pressen  und  Husten  durcliaus  nicht  hervorwölbt  und  längs 
welcher  keine  Diastase  in  den  Bauchdecken  zu  fühlen  ist.  Die  Oeffnung  für  den 
Samenstrang  ist  so  klein , dass  man  nicht  einmal  die  Kleinfingerkuppe  hinein- 
legen kann.  Auch  ist  keine  Varicocale  vorhanden.  Pat.  hat  keinerlei  Be- 
schwerden; er  trug  ein  Jahr  lang  das  Bruchband,  liess  es  dann  auf  Rat  seines 
Arztes  weg  und  befindet  sich  dabei  sehr  wohl. 

30.  M.  Aloisia,  35  J.  alt,  iMagd.  Hernia  ing.  lib.  sin.,  leicht  reponibel ; vor 
3 Jahren  bei  einem  schweren  Partus  entstanden;  das  Bruchband  hindert  sie  beim 
Arbeiten.  Bruch  hühnereigross,  Bruchpforte  für  einen  Finger  leicht  durchgängig. 
Operation  am  15.  VI.  1890  in  tyjfischer  Weise.  Bruchsack  ohne  Einlegung  eines 
.Streifens  vereinigt.  Die  Schenkel  des  M.  obliquus  internus  werden  untereinander 
vereinigt.  Heilungohne  Störung  per  iirimam  int.  Geheilt  mit  Bruchl^and  entlassen  am 
3.  VH.  1890.  Narbe  fest.  Patientin  stellt  sich  V2  Jahr  später  behufs  Opera- 
tion der  rechtsseitigen  Hernie  vor  und  ist  von  der  lin  ksseit  igen  geheilt. 

31.  P.  Maria,  14  J.  alt,  Schülerin.  Hernia  ing.  lib.  dextra,  nussgross,  re- 
ponibel. Operation  am  5.  VH.  1890  in  typischer  Weise ; in  den  BruchsaiL  kein 
Jodoform.streifen ; Heilung  per  primam  int.  Geheilt  entlas.sen  am  17.  VH.  1890. 


582 


A.  olfler. 


32.  L.  Anna,  48  J.  alt,  Bedienerin.  Plernia  ing.  lib.  dextra,  reponibel,  seit 
3 Jahren  bestehend.  Operation  am  b.  YII.  1890  in  typischer  Weise.  Heilung  per 
priniam  int. ; entlassen  am  22.  AHI.  1890. 

33.  G.  Josef,  19  J.  alt,  Commis.  Hernia  ing.  lib.  dextra,  reponibel,  seit 
Kindheit  bestehend.  Operation  am  IG.  VII.  1889  in  typischer  Weise.  Bruchsack 
sehr  verdickt.  Statt  der  ge-wöhnlichen  Schnürnaht  wird  eine  innere  Quernaht 
angelegt.  Einlegung  eines  Jodoformstreifens  in  den  Bruchsack.  Heilung  per 
primam  int.  Pat.  leidet  nach  der  Operation  an  einer  leichten  Bronchitis,  die  ihn 
häufig  zum  Husten  reizt.  Geheilt  mit  Bruchband  entlassen  am  17.  VHI.  1889. 
Stellte  sich  am  30.  VI.  1892  vor:  Bei  Hustenstössen  drängt  sich  eine 
taubeneigrosse  Geschwulst  vor;  auch  die  linke  nicht  operierte  Aper- 
tura  externa  ist  für  den  Finger  durchgängig. 

34.  1).  Wilhelm,  5 J.  alt,  Arbeiterskind.  Hernia  ing.  lib.  dextra,  reponibel. 
seit  Geburt  bestehend.  Operation  am  23.  VII.  1890  in  typischer  Weise.  Heilung 
per  primam  int.,  ausser  an  der  Stelle,  avo  das  Drain  lag,  von  avo  man  bis  zum 
15.  VHI.  mit  der  Sonde  noch  AA'eit  unter  die  Haut  kommt  und  gelbliche  seröse 
Flüssigkeit  entleert  A\ird.  Pat.  Avurde  am  25.  VIII.  1890  geheilt  mit  Bruchband 
entlassen.  Stellte  sich  am  28.  VI.  1892  geheilt  vor.  Der  kleine  Finger 
lässt  sich  in  die  Ai)ertura  externa  einführen;  einen  Anprall  der  In- 
testina fühlt  man  nicht,  keine  Vorwölbung.  Pat.  batte  bisher  ein 
Bruchband  getragen,  das  er  jetzt  ablegt. 

35.  P.  Carl,  10  J.  alt,  Schmiedssohn.  Hernia  ing.  lib.  dextra,  seit  Geburt 
bestehend.  OiAeration  am  19.  IX.  1790  in  tyi^ischer  Weise.  Heilung  per  pidmam 
int. ; Fntfernung  der  Nähte  am  27.  IX.  Geheilt  entlassen  mit  Bruchband  am 
13.x.  1890. 

3G.  G.  Simon,  18  J.  alt,  Bäckorgehilfe.  Hernia  ing.  lib.  dextra,  seit  14  Tagen 
bestehend,  taubeneigross,  leicht  reponibel,  tritt  in  liegender  Stellung  gar  nicht 
heraus.  Oiieration  am  18.  XI.  1890.  Die  Fasern  des  M.  obliquus  internus  bilden 
keinen  Bogen,  sondern  laufen  parallel  dem  Poupartschen  Bande.  Da  der  Bruchsack 
gar  nicht  aus  dem  äusseren  Leistenring  hervorragt,  wird  er  gar  nicht  eröfinet,  son- 
dern bis  hinter  den  inneren  Leistenring  zurückgeschoben  und  gleich  die  Ver- 
einigung der  Schichten  Amrgenommen.  Heilung  per  primam  intent.  Am  2G.XI. 
AA'urden  die  Nähte  entfernt.  Geheilt  mit  Bruchband  entlassen  am  14.  XII.  1890. 

37.  F.  Johann,  27.  J.  alt,  Winzer.  Hernia  ing.  lih.  dextra,  nicht  reponibel, 
seit  4 Jahren  bestehend,  macht  wenig  Besch Averden , AA'ird  aber  immer  grösser. 
0])eration  am  23.  XI.  1890.  Die  Kectusscheide  Avird  nicht  eröffnet  und  der  Kectus 
nicht  in  die  Naht  eingebogen.  Am  4.  XII.  1890:  INIehrere  Nähte  haben  durch- 
geschnitten, serös-eitrige  Sekretion,  Abstossung  einiger  Nähte  und  Ligaturen  mit 
reichlicher  Sekretion.  Geheilt  mit  Bruchband  entlassen  am  2.  II.  1890. 

38.  K.  LudAAÜg,  5 J.  alt.  Hernia  ing.  lib.  dextra,  reponibel.  In  den  ersten 
Lebensmonaten,  angeblich  durch  Schreien  entstanden,  macht  beim  Gehen 
Schmerzen  ; hühnereigross.  Operation  am  30.  XI.  1890  in  typischer  Weise.  Bruch- 
sack klein,  Bruchpforte  für  einen  Finger  durchgängig.  Heilung  per  i5rim.  int. 
Am  9.  XII.  Fntfernung  der  Nähte.  Geheilt  mit  Bruchband,  am  25.  XI.  1890  ent- 
lassen. 

39.  B.  Johann,  IG  J.  alt,  Arbeiter.  Hernia  ingu.  libera  dextra,  leicht 
reponibel,  seit  drei  Monaten  lAestehend,  taubeneigross,  hinderlich  beim  Arbeiten. 
Operation  am  l.XII.  1890  nach  eigener  Methode;  Dauer:  35  JNIinuten.  Im  Ver- 
laufe anfangs  etAA'as  Nahteiterung , am  10.  XII.  Entfernung  der  Nähte.  Geheilt 
mit  Bruchband,  am  20.  XII.  1890  entlassen. 


Zur  Radikaloperation  des  freien  Leistenbruclies, 


583 


40.  B.  Mathias , 42  J.  alt , Taglöliner.  Hernia  ingu.  lib.  dext. , reponibel, 
seit  7 Jahren  bestehend;  in  letzter  Zeit  durch  ein  Bruchband  nicht  mehr  zurück- 
zuhalten, kindskopfgross.  Operation  am  3.  XII.  1890  nach  eigener  INIethode.  Darm 
an  die  Sackwand  teilweise  fixiert,  wird  daher  abgelöst.  Schnürnalit;  ein  Teil 
des  Bruchsackes  excidiert,  ein  Teil  verschorft.  Rectus  kann  nicht  herübergezogen 
werden,  da  alle  Muskelnähte  durchschneiden.  In  der  ersten  Woche  reichliche 
Sekretion  aus  dem  Drain,  sonst  ungestörter  ^\n•lauf.  Geheilt  entlassen  mit  Bruch- 
band am  13. 1.  1891. 

41.  M.  Aloisia,  35  J.  alt,  Magd.  Hernia  ing.  lib.  dextra , reponibel,  seit 
5 Jahren  bestehend,  hühnereigross.  Die  linke  Hernie  wurde  am  15.  VI.  1890 
radikal  operiert  (Fall  30).  Operation  am  11. 1.  1891  in  typischer  Weise.  Heilung 
per  primam,  am  15. 1.  l^ntfernung  von  Drain  und  Streifen,  Entfernung  der  Nähte 
am  18.  I.  Geheilt  entlassen  mit  Bruchl)and  am  29. 1.  1891. 

42.  II.  Anton,  50  J.  alt,  Taglöhner.  Herniae  ing.  lib.  bilat.  seit  18  J. 
bestehend , wird  beim  Pressen  mannskopfgross.  Operation  rechterseits  am 
12.  HI.  1890  in  typischer  Weise.  Am  zweiten  und  dritten  Tage  nach  der  Ope- 
ration Temperatur  bis  38,1®;  am  (5.  IV.  Entfernung  des  Jodoform-Streifens,  9.  IV. 
reichliche  Sekretion.  11.  IV.  die  untersten  zwei  Nähte  haben  durchgerissen,  der 
untere  Teil  der  Wundränder  und  Umgebung  gereizt,  Drain  entfernt.  14.  4.  Scrotum 
etwas  angeschwollen  und  schmerzhaft,  24.  IV.  oberer  Teil  der  Wunde  vollkommen 
geschlossen,  unterer  stellt  eine  granulierende  Fläche  dar,  30.  IV.  Wunde  ganz 
benarbt.  Geheilt  mit  Bruchband  entlassen  am  3.  V.  1891.  Der  Leistenkanal  gibt 
nicht  einmal  für  die  Fingerkuppen  Raum  zum  Eindringen.  Beim  Husten  kein 
Anschlag,  Narbe  fest,  wölbt  sich  beim  Husten  nicht  vor.  Stellte  sich  am 
3.  VII.  1892  vor.  Im  oberen  Bereiche  der  Narbe  wölben  sich  die  Bauchdecken 
ein  wenig  vor,  sonst  ist  die  Narbe  fest,  absolut  kein  Recidiv.  Rat.  ist 
zufrieden  und  arbeitsfähig,  hat  ZAvei  IMonate  nach  der  Operation 
ein  Bruchband  getragen  und  es  dann  abgelegt. 

44.  T.  Johann,  23  J.  alt,  Mediziner;  II.  ing.  lib.  sin.,  leicht  reponibel,  seit 
Geburt  bestehend,  bis  zum  achten  Jahre  Bruchband  geü’agen , dann  scheinbare 
Heilung.  Vor  sechs  Jahren  beim  Heben  einer  schweren  Last  kam  Bruch  wieder 
vor;  seitdem  wieder  Bruchband.  Hernie  hühnereigross.  Operation  am  15.  IV.  1891 
in  typischer  Weise.  20.  IV.  Entfernung  des  Drains,  23.  IV.  Entfernung  der  meisten 
Nähte,  25.  IV.  Entfernung  aller  Nähte.  Pat.  kann  noch  nicht  spontan  urinieren, 
Harn  trübe,  Blasenausspülung.  Die  ganze  Wunde  geschlossen,  nur  an  der  Drain- 
stelle gi’anulierend.  Geheilt  mit  Bruchl)and  entlassen  am  2.  V.  1891.  Wird  wegen 
cystitischer  Erscheinungen  ambulatorisch  weiter  behandelt.  Stellte  sich  im 
Juli  1892  vor.  Keine  Recidive,  Pat.  ist  vollkommen  zufrieden.  Die 
Apertura  ext.  ist  für  die  Kuppe  des  kleinen  Fingers  durchgängig. 

45.  K.  Andreas,  45  J.  alt,  Bäckergehilfe.  Herniae  ing.  bilat.,  beide  reponibel; 
seit  18  Jahren  bestehend,  rechts  faustgross,  links  nussgross,  machen  keine  Be- 
schwei’den.  Operation  der  rechten  Hernie  am  13. 1.  1891  in  typischer  Weise. 
Die  Wunde  war  bis  zum  11.11.  geheilt.  Vom  (5.11.  an  Entwicklung  eines  Erisy- 
pelas  faOei.  20.  II.  hat  Pat.  abgefiebert.  27.  II.  Entstehung  eines  Furunkels  am 
Bauche,  Spaltung  desselben.  4.  HI.  Vollkommene  Heilung.  INIit  Bruchband  ent- 
lassen am  31.  HL  1891. 

4(5.  O.  Helene,  43  J.  alt,  Arl)eitersgattin;  Hernia  ing.  sin.  lib.,  seit  Geburt 
bestehend,  aber  klein,  seit  dem  letzten  Partus  vor  zwei  Jahren  zweifaustgi-oss, 
lässt  sich  dui’ch  das  Bruchband  nicht  zurückhalten.  Operation  am  1.  II.  1891  in 
typischer  Weise.  Der  Bruchsack  Avird  gar  nicht  eröffnet,  sondern  samt  dem 


584 


A.  Wölfler. 


Inhalte  in  die  Bauchhöhle  zurückgeschoben,  darüber  Verziehung  der  Bauchdecken 
in  gewohnter  Weise.  In  der  ersten  Woche  febrile  AbendtemiDeraturen , Kaht- 
eiterung;  am  9.  II.  die  untere  Hälfte  der  Hautnähte  hat  durchgeschnitten;  15.11. 
erst  Entfernung  des  Drains ; 22.  H.  Abstossung  einiger  nekrotischer  Gewebspar- 
tien  aus  der  granulierenden  Wunde.  28.  II.  Wunde  gereinigt , 7.  HI.  Wunde  ge- 
schlossen; unterer  Teil  der  Narbe  breit  und  derb,  oberer  zart.  Geheilt  entlassen  mit 
Bruchband  am  8.  IH.  1891.  Stellte  sich  im  Winter  1892  vor;  feste,  unnach- 
giebige Narbe,  keine  Recidive.  Pat.  ist  vollkommen  zufrieden. 

47.  L.  Georg,  12  J.  alt,  Schüler;  Hernia  ing.  lib.  dextra,  reponibel;  vor 
zwei  Jahren  beim  Turnen  entstanden;  nussgross.  Operation  am  8.  HI.  1891  in 
typischer  Weise.  Heilung  per  primam  int.  15.  IH.  Streifen  und  Drains  entfernt, 
17.  in.  Nähte  entfernt.  Geheilt  entlassen  mit  Bruchband  am  3.  IV.  1891. 

48.  B.  Mathäus,  26  J.  alt,  Knecht.  Hernia  ing.  dextra,  irreponibel ; seit 
sieben  Jahren  bestehend,  durch  Heben  einer  schweren  Last  entstanden,  beim 
Arbeiten  Beschw'erden  machend.  Operation  am  11.  X.  1891  in  tyiüscher  Weise. 
Am  14.x.  Streifen  entfernt;  17.  X.  Entfernung  der  Nähte.  22.  X.  In  der  Mitte 
haben  drei  Nähte  durchgeschnitten ; es  werden  drei  neue  angelegt,  welche  wieder 
am  26.x.  durchgeschnitten  haben.  30. X.  Wunde  granulierend,  17.  XI.  Abstos- 
sung der  Ligaturen.  Geheilt  mit  Bruchband  entlassen  am  13.  I.  1892.  Es  wurde 
brieflich  im  Juni  1892  festgestellt,  dass  keine  Recidive  vorhanden  sei. 

49.  H.  Josef,  23  J.  alt,  Taglöhner;  Herniae  ing.  bilaterales,  seit  zwei  Jahren, 
durch  Heben  schwerer  Lasten  entstanden,  reponibel.  Operation  am  9.  IX.  1891 
in  typischer  Weise.  10.  IX.  Pat.  sehr  unruhig,  hustet  stark,  11.  IX.  Husten  an- 
dauernd, 12.  IX.  Wunde  reaktionslos,  massige  Sekretion,  Streifen  entfernt ; 13.  IX. 
Husten  geringer.  14.  IX.  Infiltration  der  Wundränder,  Oedem  des  linken  Hodens. 

16.  IX.  Beides  nachgelassen.  17.  IX.  Entfernung  der  Nähte  und  des  Drains. 
l.X.  Wunde  vollständig  geschlossen.  Geheilt  entlassen  am  3.  X.  1891. 

50.  B.  Thomas,  17  J.  alt,  Tischler.  Hernia  ing.  sinistra;  seit  drei  Jahren 
bestehend;  in  letzter  Zeit  beim  Arbeiten  viel  Schmerzen  machend.  Der  linke 
Hode  soll  erst  vor  einem  Jahre  ganz  in  das  Scrotum  hinabgestiegen  sein ; Hernie 
kleineigross,  beim  Pressen  bis  zum  Lloden  herunter.  Operation  am  17.  VI.  1891. 
Bruchsack  hat  in  der  Nähe  des  äusseren  Leistenringes  nach  aussen  ein  hand- 
schuhfingerförmiges Divertikel.  Nach  Schnürnaht  wird  dieses  samt  dem  peri- 
pheren Teil  des  Bruchsackes  excidiert;  weiterer  Vorgang  bei  der  Operation  wie 
gewöhnlich.  20.  VI.  Entfernung  des  Jodoformstreifens,  ziemlich  reichliche  Sekretion, 
Wundränder  gereizt.  24.  VI.  Reizung  abgenommen,  wenig  Sekretion,  Drain  ent- 
fernt. 25.  VI.  Entfernung  der  Nähte.  5.  VH.  An  der  Drainstelle  hat  sich  eine 
Ligaüir  abgestossen.  10.  VH.  Abstossung  einer  zweiten  Ligatur.  Geheilt  entlassen 
am  14.  VH.  1891. 

51.  M.  Ferdinand,  Mediziner,  21  J.  alt.  Hern.  ing.  lib.  dextra,  seit  zwei 
Jahren  bestehend,  seit  einem  Jahr  grösser,  jetzt  kleinmannsfaustgi'oss,  nicht  ganz 
reponibel,  macht  ausser  Druckgefühl  keine  Beschwerden.  Operation  am  10.  VII. 
1891.  Neben  Darm  auch  Netz  und  zwar  teilweise  adhärent;  das  Netz  wird  ab- 
gebunden und  abgetragen.  14.  VII.  Entfernung  des  Streifens,  Wunde  reaktionslos. 
15.  VH.  Wunde  gereizt,  Eingebung  geschwellt,  druckempfindlich,  Temperatur  38,5 

17.  VH.  Schwellung  und  Rötung  viel  grösser,  auch  das  Scrotum  stark  geschwellt, 

Temperatur  39,0  °.  19.  VH.  Aus  der  AVunde  entleert  sich  auf  Druck  Eiter,  Drai- 

nage. 25.  VH.  Schwellung  zurückgegangen , reichliche  eitrige  Sekretion.  Die  Nähte 
haben  nicht  durchgeschnitten.  6.  VIH.  Scrotum  noch  immer  stark  geschwellt,  Cystitis. 
Am  14.  VIII.  1891  geheilt  entlassen  mit  Bruchband;  der  untere  Teil  der  AVunde 


Zur  Radikaloperation  des  freien  Leistenbruches. 


585 


noch  granulierend.  Stellte  sich  im  Früh j ahre  1 892  vor:  Lineare,  finger- 

dicke Narbe,  die  sich  beim  Husten  und  Pressen  nicht  vorwölbt.  In 
die  Oeffnung  für  den  Samenstrang  lässt  sich  die  Kuppe  des  kleinen 
Fingers  einführen.  Pat.  ist  mit  der  Heilung  vollkommen  zufrieden. 

52.  D.  Franz,  G J.  alt,  Zimmermannskind;  Hernia  ing.  dextra;  seit  Geburt 
bestehend,  keine  Beschwerden  machend,  nur  bei  Anstrengung  der  Bauchpresse 
heraustretend ; kleineigross , leicht  reponibel.  Operation  am  27.  VHI.  1891  in 
tj'pischer  Weise.  30.  VHI.  Streifen  entfernt.  1.  IX.  Drain  entfernt,  reaktionslos. 
3.  IX.  Nähte  entfernt.  7.  IX.  Am  oberen  Wundrande  etabliert  sich  eine  Fistel, 
aus  der  sich  am  11.  IX.  nekrotische  Fascienpartien  abstossen.  19.  IX.  Abstossung 
von  Ligaturen.  3.  XI.  Vollständiger  Verschluss  der  Wunde.  Geheilt  mit  Bruch- 
band entlassen  am  4.  XI.  1891. 

53.  M.  Johann,  24  J.  alt,  Grundbesitzerssohn.  Heimia  ing.  lib.  sin.,  seit 
einem  Jahre  bestehend,  hühnereigross,  leicht  reponierbar.  Operation  am  7.  XI. 
1891  in  typischer  Weise.  Verlauf  gestört  durch  partielle  Nekrose  der  Fascie. 
Geheilt  entlassen  am  13.1.  1892. 

54.  H.  Anton,  51  J.  alt,  Taglöhner.  Hernia  ing.  lib.  sin.  Seit  20  Jahren 
beiderseits;  rechts  im  Februar  1891  operiert,  keine  Recidive.  Links  Skrotalhernie, 
leicht  zu  reponieren.  Operation  am  5.  HI.  1892  in  typischer  Weise ; Dauer  1 Stunde. 
Verlauf  bis  13.  HI.  ungestört;  an  diesem  Tage  im  obersten  Teile  der  Wunde 
Sekretstauung;  18. IH.  Entfernung  einiger  Nähte,  3.  I^^  Wunde  vollkommen  ge- 
schlossen. Am  11.  IV.  geheilt  entlassen. 

55.  K.  Ferdinand,  21  J.  alt,  Grundbesitzerssohn.  Hernia  ing.  lib.  sin.,  seit 
5 Jahi’en  gänseeigross,  leicht  reponibel.  Operation  am  24.  lA'.  in  typischer  Weise. 
Am  l.V.  wird  die  Naht  wegeir  Stichkanaleiterung  geöffnet;  13.  \'.  Anlegung  der 
Sekundäi'naht ; 22.  V.  neuerliche  Sekundärnaht;  30. VI.  Wunde  vollständig  ge- 
schlossen. Geheilt  entlassen  am  4.  ^Tt.  1892. 

56.  M.  Franz,  18  J.  alt,  Knecht.  Hernia  ing.  lib.  bilater.;  seit  seiner 
Kindheit  bestehend,  hühnereigross,  reponibel.  Operation  am  6. \T.  1892  in  ty- 
pischer Weise.  Dauer  der  Operation  V4  Stunden.  11.  VI.  Entfernung  des  Strei- 
fens, 13.  VI.  Entfernung  des  Drains ; 14.  VI.  Anlegung  einer  Knopfnaht  in  der  ]\Iitte 
der  Nahtlinie,  weil  die  Wunde  zu  klaffen  droht.  Am  14.  ^'H.  1892  geheilt  entlassen. 

57.  N.  Franz,  38  J.  alt.  Hernia  ing.  sin.  incarcerata.  Pat.  leidet  seit 
5 Jahren  an  einer  Heniie,  entstanden  durch  Heben  einer  Last.  Am  30.  Juni 
Incarcerationserscheinungen,  Reposition  des  Bruches.  Operation  am  10.  ^H.  1892 
in  typischer  Weise  ausgeführt;  nach  Kauterisation  des  Bruchsackes  und  ^'er- 
schluss  derselben  wird  der  Hode  an  seinem  Gubernaculum  vom  Scrotum  gelöst 
und  dasselbe  samt  dem  Samenstrange  hinter  den  linken  M.  rectus  und  sodann 
swischen  die  beiden  Recti  hindurch  wieder  in  das  Scrotum  herabgeleitet  und 
dort  wieder  an  das  Gubernaculum  angenäht.  Verlauf  normal  bis  auf  eine  ge- 
ringe Nekrose  im  oberen  Wundwinkel.  Pat.  wird  am  12.  August  mit  leicht 
federndem  Bruchbande  entlassen. 

58.  G.  Josef,  22  J.  alt,  Commis.  Hernia  ing.  lib.  dextra,  taubeneigrosse 
RecicKve  an  Stelle  der  Apertura  ing.  externa.  Die  Operation  wird  am  16.  V.  1892 
typisch  ausgeführt;  nun  wird,  wie  im  vorhergehenden  Falle,  der  Hoden  und 
Samenstrang  zwischen  die  Recti  durchgeleitet,  so  dass  der  letztere  zum  Teile 
hinter  dem  ^Sl.  rectus,  zum  Teile  auf  dem  inneren  Pfeiler  der  äusseren  Bruch- 
pforte zu  liegen  kommt.  Der  Verlauf  ist  normal,  ohne  jede  Störung.  Pat.  wurde 
am  8.  August  1892  mit  leichtfederndem  Bruchbande  entlassen.  Seitdem  wurden  von 
meinem  Assistenten  Dr.  v.  Frey  zwei  weitere  Fälle  nach  derselben  Methode  operirt. 


586 


A.  Wölfler, 


iV.  Vergleich  meiner  Operation  mit  den  übrigen  Methoden  und 
Besprechung  der  einzelnen  Operationsakte. 

Das  von  mir  eiiigeschlagene  Verfahren  gleiclit  in  einem 
und  zwar  im  wesentlichsten  Punkte  der  Methode  Bassini’s 
insofern,  als  nicht  bloss  die  Aj)ertura  externa,  sondern  auch  der 
ganze  Leistenkanal  dadurch  verengert  wird,  dass  die  den 
Leistenkanal  konstituierenden  Gewebe  an  das  Poupart’sche  Band 
und  miteinander  auf  das  innigste  vereinigt  werden.  Ein  Unter- 
schied in  diesem  Verfahren  muss  jedoch  darin  gefunden  werden, 
dass  ich  fast  jede  Schichte  für  sich  an  das  Poupart’sche  Band, 
beziehungsweise  die  Fascie  des  M.  obliquus  externus  annähte,  so  dass 
mindestens  3 Schichten  übereinander  liegen  (die  des  M.  obliquus 
internus  und  transversus,  die  des  M.  rectus  und  die  der  Aponeurose 
des  M.  obliquus  externus),  während  Bassini  sämtliche  Schichten  in 
eine  gemeinsame  Naht  fasste  und  an  das  Poupart’sche  Band  fixierte. 

Ich  halte  den  von  mir  beobachteten  Vorgang  für  zweck- 
mässiger, weil  man  auf  diese  Weise  jede  Muskelschichte  so  lagert, 
als  es  deren  Spannung  verträgt,  zumal  ja  doch  der  M.  rectus  in 
einer  anderen  Ebene  und  weiter  entfernt  vom  Poupart’schen  Bande 
liegt,  als  der  M.  obliquus  internus ; der  M.  rectus  muss  also  weit 
mehr  herangezogen  werden  als  der  M.  obliquus  internus.  Ausser- 
dem erscheint  mir  die  schichtweise  Annähung  der  einzelnen  Mus- 
kel schon  deshalb  angezeigt,  weil  durch  das  Nachlassen  einer  oder 
der  anderen  Naht  die  Lagerung  der  anderen  Muskelschichten  noch 
nicht  alteriert  wird ; ausserdem  wissen  wir  ja  von  den  Laparotomie- 
Narben  her,  dass  der  Entstehung  der  Bauchhernie  erst  dadurch 
vorgebeugt  wurde,  oder  eine  bereits  bestehende  Bauchhernie  da- 
durch zur  festen  Vernarbung  gebracht  wurde,  dass  man  die  ein- 
zelnen Schichten  der  Bauchwand  miteinander  vereinigte. 

Ausserdem  hat  Bassini  eine  solch  ausgiebige  Dislokation  und 
isolierte  Fixation  des  M.  rectus  nicht  vorgenommen,  da  er  nur 
davon  spricht,  dass  die  zwei  ersten  knapjD  am  Schambeine  ange- 
legten Nähte  auch  den  äusseren  Rand  des  M.  rectus  abdominis 
umfassen. 

Die  Bemühungen,  das  Vordringen  des  Bruches  durch  Ver- 
schluss des  Leistenkanales  zu  verhindern,  lassen  sich  füglich  in 
zwei  Methoden  teilen,  in  jene,  bei  welcher  man  eine  Verstopfung 
des  Leistenkanales  herbeiführte,  sei  es  durch  den  Hoden  oder  den 
invaginierten  Bruchsack  (Gerdy,  Mac- E wen),  oder  durch  Granu- 
lations- oder  Narbengewebe  (Schede),  oder  durch  Fremdkörper 
wie  Knochenstücke  (Trendelenburg  und  Weir)  oder  Periost- 


Zur  Kadikaloperation  des  freien  Leistenbruclies.  587 

Lappen,  und  2.  in  jene  Methode,  nach  der  der  Bruchkanal  durch 
die  Naht  verengert  wird  und  welche  prinzipiell  für  alle  Fälle  von 
Hernien  zuerst  von  Bassini  und  mir  zur  Anwendung  gebracht 
wurde;  doch  zeigt  es  sich,  dass  auch  dieser  Gedanke  schon  früher 
von  anderen  angeregt  wurde  oder  zur  Durchführung  kam.  So  ist 
es  bekannt,  dass  schon  Risel  im  Jahre  1877  die  Spaltung  des 
ganzen  Leistenkanales  empfahl  und  von  den  Wandungen  des 
Leistenkanales  soviel  Abtragungen  vornahm,  damit  derselbe  den 
Samenstrang  innig  umschliesse,  und  Leisrink  empfahl  ebenfalls 
die  Spaltung  des  Leistenkanales  als  einen  für  den  Erfolg  der  Ope- 
ration wichtigen  Eingriff.  Auch  Wolter  ist  in  seiner  wertvollen 
Arbeit  der  Meinung,  dass  das  Ri  sei’ sehe  Verfahren  mitunter  von 
Bedeutung  sein  könne,  z.  B.  dann,  wenn  nach  einer  Radikalopera- 
tion der  äussere  Leistenring  verschlossen  bleibt,  aber  eine  flache 
Vorwölbung  der  vorderen  Wand  sich  entwickelt,  die  beim  Husten 
und  Pressen  grösser  wird.  In  der  That  beweisen  gerade  diese 
Fälle,  von  denen  mir  Czerny  schon  im  Jahre  1878  einige  zu  zeigen 
die  Güte  hatte,  wie  wichtig  es  sei,  den  ganzen  Bruchkanal  zu 
verengern,  und  dass  die  Verschliessung  der  Apertura  externa 
nicht  genügt,  weil  der  vom  Poupart’schen  Bande  abgedrängte 
M.  obliquus  internus  keinen  Widerstand  zu  leisten  vermag  und 
deshalb  wieder  an  das  Poupart’sche  Band  gebracht  werden  muss. 
Die  Erinnerung  an  diese  Arten  von  Recidiven  waren  für  mich  mit 
ein  Grund  für  die  Ausbildung  der  Muskelschichtennaht. 

Auch  von  französischen  Aerzten  wurde  schon  vor  mehreren 
Jahren  auf  diesen  Punkt  aufmerksam  gemacht.  So  hebt  Richelot 
im  Jahre  1887  hervor,  dass  nicht  bloss  die  Naht  der  Pfeiler,  son- 
dern auch  der  Wände  des  Leistenkanales  gemacht  werden  soll, 
um  eine  solide  Narbe  herzustellen.  Auch  in  England  war  man 
schon  lange  darauf  bedacht,  nicht  bloss  die  Apertura  externa  zu 
schliessen;  es  beweisen  dies  die  Operationsmethoden  von  Wood 
und  Mac-Ewen,  die  ja  ebenfalls  schon  sämtliche  den  Bruchkanal 
begrenzenden  Schichten  mit  in  die  Naht  nahmen,  und  es  beweisen 
dies  auch  die  Bemerkungen  von  Bull  (C.  f.  Ch.  Nr.  52,  1890),  der 
in  einer  Reihe  von  Fällen  die  tiefe  Muskel-  und  oberflächliche 
Fascien-Naht  ausführte.  Es  ist  demnach  diese  Ueberzeugung  schon 
seit  vielen  Jahren  sowohl  in  England  als  in  Deutschland,  in  Frank- 
reich und  Italien  zum  Ausdruck  gekommen,  wenngleich  sie  erst 
in  letzter  Zeit  in  ausgedehntem  Masse  und  systematisch  durchge- 
führt wurde. 


588 


A.  Wölfler. 


Meiner  Ueberzeugung  nach  wird  es  in  unseren  weiteren  Be- 
strebungen liegen  müssen,  in  dieser  Hinsicht  noch  einen  Schritt 
weiter  zu  gehen,  nämlich  bei  solchen  Individuen,  welche  eine  Dis- 
position zur  Bruchbildung  zeigen,  nicht  bloss  die  physiologi- 
schen Verhältnisse  wiederherzustellen,  sondern  auch  da- 
für zu  sorgen,  dass  die  Bauchdecken  an  der  Stelle  des 
Bruchkanales  nicht  mehr  vom  Samenstrange  perforiert 
werden  und  zwar  aus  zwei  Gründen: 

1)  Verhindert  der  im  Bruchkanal  zurückgelassene  Samenstrang 
eine  vollkommene  Vereinigung  der  Leistenpfeiler,  worauf  schon 
Socin,  V.  Bergmann  und  in  jüngster  Zeit  Frank  aufmerksam 
gemacht  haben.  Dies  ist  sicherlich  von  Bedeutung  für  die  Beci- 
divebildung.  Nicht  selten  sieht  man  bei  den  nachuntersuchten 
Fällen  das  Auseinanderklaffen  der  Leistenpfeiler,  das  gewiss  in 
manchen  Fällen  den  Anstoss  zur  Entwicklung  von  Recidiven  selbst 
dann  geben  mag,  wenn  eine  Muskelschichtnaht  gemacht  worden 
ist,  um  wie  viel  mehr,  wenn  diese  unterlassen  wurde. 

Bei  allen  bisher  durchgeführten  Methoden,  die  Bassini’sche  mit 
einbegriffen,  passierte  der  Samenstrang  die  Apertura  externa,  weshalb 
sie  nicht  vollkommen  geschlossen  werden  konnte.  Frank  und  ich 
versuchten  auf  zweierlei  Wegen,  diesem  Uebelstande  zu  begegnen. 

2)  Kann  es  auch  deshalb  nich  gleichgültig  sein  für  die  Ent- 
stehung einer  Recidive,  dass  der  Samenstrang  an  seiner  Stelle 
bleiben  wird,  weil  zwischen  Samenstrang  und  Apertm'a  interna 
immer  noch  ein  Raum  übrig  bleibt,  durch  den  sich  das  Bauchfell 
wieder  vorstülpen  und  längs  des  Samenstranges,  der  gewisser- 
massen  die  Führungslinie  abgiebt,  durch  die  Eingeweide  vorge- 
drängt werden  kann.  Bassini  schaltete  den  Samenstrang  zwar 
aus  seinem  Bette  im  Bereiche  des  Leisten  kanales  aus,  beliess 
ihn  aber  immer  noch  an  der  Apertura  interna,  während  durch 
meine  Methode  vollkommene  Verlegung  des  Samenstranges  aus 
dem  Bereiche  des  ganzen  Bruchkanales  stattfindet.  Ob  Frank’s 
Methode  oder  mein  Verfahren  der  Dislokation  des  Samenstranges 
vorzuziehen  sein  wird,  darüber  werden  erst  weitere  Erfahrungen 
die  Entscheidung  bringen. 

Gegen  mein  Verfahren  kann  man  den  Einwand  erheben,  dass 
der  Samenstrang  infolge  seiner  spiralig  gewundenen  Lage  am 
medialen  Rande  des  M.  rectus  eine  Abknickung  erfahren  kann, 
welche  sowohl  die  Entleerung  des  Samens  als  die  Ernährung  des 
Hodens  beeinträchtigen  könnte.  Dagegen  möchte  ich  hervorheben, 
dass  bei  den  vier  zuletzt  operierten  Kranken  weder  eine  Schwel- 
lung des  Hodens  noch  sonstige  Störungen  eingetreten  sind  und 


Zur  Kadikaloperation  des  freien  Leistenljruclies. 


589 


dass  diese  neue  spiralige  Lage  des  Sainenstranges  meiner  Ansicht 
nach  nur  eine  scheinbare  ist ; denn  man  muss  nur  bedenken,  dass 
unter  normalen  Verhältnissen  das  Vas  deferens  und  die  Gefässe 
des  Samenstranges  von  der  Mitte  nach  aussen  gegen  die  Apertura 
interna  hinziehen;  wird  der  Samenstrang  von  der  Apertura  interna 
angefangen  mehr  gegen  die  Mitte  hin  dislociert,  so  wird  auch  die 
Eintrittsstelle  desselben  an  der  Apertura  interna  bei  der  Weite 
des  Bruchkanales  mehr  gegen  die  Mitte  hin  gezogen,  so  dass  seine 
neue  Lagerungsrichtung  mit  derjenigen  zusammenfällt,  welche  die 
Gefässe  und  das  Vas  deferens  haben,  bevor  sie  zur  Apertura  in- 
terna hinziehen ; wird  der  Samenstrang  also  zwischen  die  beiden 
]\L  recti  hinausgeführt,  so  nimmt  der  ganze  Samenstrang  wieder 
eine  mehr  mediale  Lage  ein  und  er  zieht  nicht  von  aussen  nach 
innen  und  von  innen  nach  aussen,  sondern  von  innen  nach  aussen. 
Die  Abknickungsstelle  in  der  Fig.  7 ist  deshalb  zu  scharf  ge- 
zeichnet. Doch  ich  will  es  gerne  den  weiteren  praktischen  Er- 
fahrungen anheimstellen,  ob  diese  neue  Lage  dem  Samenstrange 
irgendwie  schadet ; sollte  ich  selbst  eine  solche  Erfahrung  machen, 
so  werde  ich  nicht  anstehen,  sie  sofort  bekannt  zu  geben. 

Da  ich  den  Samenstrang  vom  Bruchsacke  nicht  ablöse,  so 
wird  bei  starken  Verwachsungen  desselben  mit  dem  Bruchsacke 
auch  eine  Dislokation  des  letzteren  gegen  die  Medianlinie  hin  statt- 
finden, doch  dürfte  dies  der  IVIethode  keinen  weiteren  mir  bewuss- 
ten Eintrag  thun.  Was  sowohl  den  Frank 'sehen,  als  meinem 
Verfahren  als  Nachteil  unbedingt  entgegengehalten  werden  muss, 
ist  der  Umstand,  dass  dadurch  die  Dauer  der  ohnedies  aus  vielen 
Akten  bestehenden  Operation  noch  mehr  verlängert  wird.  Ich 
hebe  als  Milderungsgrund  hervor,  dass  ich  andererseits  wieder  in 
anderer  Weise  bestrebt  bin,  die  Operation  dadurch  zu  verkürzen, 
dass  ich  die  Exstirpation  des  Bauchsackes  vermeide,  ein  Opera- 
tionsakt, der  unter  allen  wohl  die  meisten  Schwierigkeiten  bereitet. 
Dadurch  war  ich  imstande,  die  Operation  dennoch  in  der  Regel 
in  einer  Stunde  zu  vollenden,  wenn  keine  Verwachsungen  des 
Darmes  mit  dem  Bruchsacke  vorhanden  waren. 

Von  jelier  bildete  der  Samenstrang  ein  Hindernis  bei  der  Bruchoperation: 
ich  brauche  nur  daran  zu  erinnern,  dass  schon  Paul  von  Aegina  mit  dem 
Bruchsacke  den  Samenstrang  unterband,  um  die  äussere  Apertur  vollständig  zur 
Ubliteration  zu  bringen,  und  dass  sich  das  Verfahren  der  Kastration  bis  in  das 
18.  Jahrhundert  erhielt  und  später  noch  einmal  vorübergehend  zur  Anwendung 
kam.  Andere  Aerzte  schoben  den  Hoden  in  die  Bauchhöhle  zurück,  ein  Verfahren, 
welches  später  wieder  Hamei  in  einem  Falle  ausführte  und  Lauenstein  für 
den  angeborenen  Bruch  neuerdings  empfahl. 


590 


A.  ^Völfler. 


Icli  komme  nunmehr  zur  Behandlung  des  Bruch- 
sackes. In  dieser  Hinsicht  weicht  meine  Methode  am  meisten 
von  der  Bassini’s  und  der  meisten  anderen  ah;  ich  j>erhorresziere 
prinzipiell  die  Exstirpation  des  Bruchsackes  und  setze  an 
Stelle  derselben  die  Eröffnung  desselben,  die  Anlegung  der  inneren  Naht 
und  die  Verschorfung  seiner  Innenfläche.  Der  wesentlichste  Grund 
liegt  darin,  dass  die  Ablösung  des  Bruchsackes  vom  Samenstrange 
entweder  ganz  unmöglich  oder  sehr  schwierig  ist,  so  dass  dadurch 
ungünstige  Wund  Verhältnisse  geschaffen  werden. 

Ich  bestreite  damit  keineswegs,  dass  sie  mitunter,  besonders  bei 
jugendlichen  Individuen,  eine  Spielerei  sei  und  wie  von  selbst  vor  sich 
geht;  in  diesem  Falle  acceptiere  auch  ich  gerne  das  Verfahren;  in  allen 
anderen  Fällen  aber  Iialte  ich  es  für  zweckmässiger,  die  Ablösung 
des  Bruchsackes  vom  Samenstrange  ein  für  allemal  aufzugeben. 

Ich  selbst  habe  die  Ablösung  des  Bruchsackes  vom  Samenstrange 
schon  seit  dem  Jahre  1888  nicht  mehr  gemacht,  als  ich  in  zwei 
Fällen  sah,  wie  das  Gewebe  zerrissen  wird,  so  dass  das  Eintreten 
einer  günstigen  Wundheilung  nur  als  glücklicher  Zufall  angesehen 
werden  muss.  Bei  einem  Kranken,  bei  dem  iui  Jahre  1887  die 
Exstirpation  des  Bruchsackes  mit  Mühe  vorgenommen  wurde,  über- 
zeugten wir  uns  bei  der  Sektion  — der  einzigen  die  ich  erlebte  — 
der  Mann  starb  an  Darm- Abknickung  — , dass  trotz  aller  Vor- 
sicht das  Vas  deferens  gerissen  war,  ohne  dass  ich  es  ge- 
merkt hatte.  Ich  habe  die  Ueberzeugung,  dass  dies  schon 
manchem  passiert  ist  und  derselbe  nur  deshalb  nicht  zur  Kennt- 
nis dieses  unliebsamen  Vorfalles  kam,  weil  Heilung  eintrat;  denn 
es  ist  noch  keineswegs  sichergestellt,  dass  die  Verletzung  der  Ge- 
fässe  und  des  Vas  deferens  augenblicklich  irgendwelche  Störungen 
hervorruft;  wie  oft  aber  später  Atrophie  des  Hodens  eingetreten 
ist,  darauf  ist  meines  Wissens  bisher  noch  nicht  geachtet  worden. 

Selbst  Bassini,  der  sicherlich  die  Technik  der  Ablösung  voll- 
kommen beherrscht,  passierte  es  5 mal,  dass  er  bewussterweise  bei 
Ablösung  des  Bruchsackes  das  Vas  deferens  zerriss;  in  4 Fällen 
wurden  die  beiden  Enden  wieder  miteinander  vereinigt,  in  einem 
Falle  konnte  der  jDeriphere  Stumpf  nicht  aufgefunden  werden. 

Ob  durch  die  Nähte  der  durchtrennten  Enden  des  Vas  deferens 
dasselbe  wieder  funktionsfähig  wird,  mag  immer  noch  dahingestellt 
bleiben,  da  bei  der  Naht  so  enger  Röhren  trotz  einer  primären 
Heilung  nur  zu  leicht  eine  Striktur  Zurückbleiben  kann.  Lauen- 
stein erwähnt  auch  eines  Falles,  in  welchem  er  nach  Naht  eines 
Vas  deferens  mehrere  Monate  später  eine  deutliche  Atrophie  des 
betreffenden  Hodens  wahrnehmen  konnte.  Auch  Hahn  und 


Zur  Kadikaloperation  des  freien  Leisteni^ruehes. 


591 


E scher  mussten  wegen  Zerreissung  des  Vas  deferens  der  Ablösung 
des  Bruchsackes  die  Semikastration  anfügen. 

Dass  die  Exstirpation  des  Bruchsackes  mitunter  äusserst  schwierig 
sei,  wird  wohl  von  allen,  die  viele  Radikaloperationen  ausgeführt 
haben,  zugegeben.  Schon  Czerny  hat  auf  Grund  dieser  schlim- 
men Erfahrungen  an  Stelle  der  Exstirpation  die  innere  Naht  des 
Bruchsackhalses  für  gewiss  schwere  Fälle  empfohlen,  Bracier 
hält  die  Exstirpation  für  nicht  angezeigt  bei  sehr  schwachen  Pa- 
tienten, bei  starken  Verwachsungen  und  bei  grossen  Brüchen.  Bei 
letzteren  stellt  die  Exstirpation,  des  Bruchsackes  einen  ganz  be- 
deutenden Eingriff  dar.  Auch  König  hebt  hervor,  dass  die  Ex- 
stirpation des  Bruchsackes  die  Entstehung  von  Phlegnomen  be- 
günstige und  Plaidenthaler  (Klinik  Billroth)  erwähnt,  dass  bei 
Brustsack-Exstirpation  weit  seltener  als  sonst  Heilung  per  primam 
intentionem  eingetreten  sei,  dass  bei  partieller  Exstirpation  immer 
Nekrose  beobachtet  wurde,  und  dass  in  jenen  Fällen,  in  welchen 
die  Ablösung  des  Bruchsackes  schwer  erscheint,  von  derselben  ab- 
gesehen werden  möge. 

Ich  kann  mich  auf  Grund  dieser  Erfahrungen  deshalb  nicht  der 
Meinung  anderer  anschliessen,  dass  durch  die  Exstirpation  des  Bruch- 
sackes die  Wundverhältnisse  einfacher  und  günstiger  sich  gestalten 
und  dass  durch  das  Zurücklassen  des  Bruchsackes  eine  ungünstige 
Gestaltung  der  Wund  Verhältnisse  herbeigeführt  werde;  ich  glaube, 
diese  Erfahrung  bezieht  sich  nur  auf  jene  Fälle,  in  welchen  man 
zuvor  vergebliche  Versuche  gemacht  hat,  den  Bruchsack 
vom  Samenstrange  zu  isolieren  und  dann  entweder  den  Bruch- 
sack oder  zerrissene  Teile  desselben  unfreiwillig  zurücklassen  musste; 
dann  ist  es  aber  nicht  der  zurückgelassene  Bruchsack  als  solcher, 
sondern  die  Quetschung  und  Zerreissung  der  Weichteile,  welche 
zur  Nekrose  oder  zu  anderen  Wundkomplikationen  geführt  hat. 
Der  nicht  abgelöste  Bruchsack  ruft  sicherlich  keine  weitere  Wund- 
komplikation hervor. 

Man  hat  fernerhin  gegen  das  Zurücklassen  des  Bruchsackes 
eingewendet,  dass  er  die  Entstehung  der  Recidive  begünstige.  Dies 
wird  man  selbsU^’^rständlich  für  alle  jene  Fälle  zugeben  müssen, 
in  welchen  man  mit  dem  Bruchsacke  sonst  nichts  weiter  vornimmt, 
oder  ihn  nur  durch  Granulation  und  Narbenbildung  schrumpfen 
lässt.  Für  diese  Verhältnisse  gilt  wohl  auch  die  Bemerkung 
V.  Lange nbecks  und  v.  Nussbaums,  dass  der  zurückgelassene 
Bruchsack  für  einen  neu  entstehenden  Bruch  das  fertige  Bett  ab- 
geben könnte.  Wenn  aber,  wie  bei  der  Ausführung  einer  exakten 
inneren  Naht  des  Bruchsackhalses,  ein  Verschluss  daselbst  zu  dem 


592 


A.  Wölfler. 


Zwecke  ausgef  ülirt  wird,  damit  die  Peritonealflächen  mit  einander  ver- 
wachsen und  gleichzeitig  die  Innenflächen  des  Bruchsackes  so  fest  ver- 
schorft  werden,  dass  an  Stelle  desselben  nur  ein  bindegewebigerStrang 
zurückbleibt,  so  existiert  dann  bei  dieser  äusserst  schonenden  Methode 
ebensowenig  ein  Bruchsack,  wie  bei  der  Exstirpation  desselben. 

Es  hat  übrigens  schon  Wolter  mit  einigen  gründlichen 
Argumenten  hervorgehoben,  dass  der  Exstirj^ation  des  Bruch- 
sackes eine  prinzipielle  Bedeutung  nicht  beizulegen  sei,  in- 
dem er  hervorhebt,  dass  erstens  der  zurückbleibende  Bruchsack 
sehr  bald  schrumpfen  und  veröden  muss  und  dass  andererseits 
auch  die  Exstirpation  des  Bruchsackes  mit  Sicherheit  die  Ent- 
stehung eines  neuen  Bruches  nicht  verhindern  könne,  weil  einer- 
seits der  neue  Bruch  neben  dem  exstirpierten , beziehungsweise 
abgebundenen  entstehen  könne  (Schede)  und  weil  Recidiven  be- 
obachtet wurden,  bei  welchen  kein  Bruchsack  vorhanden  war,  in- 
dem der  Darm  die  Narbe  selbst  ausgedehnt  hatte  (Wolter). 

Ich  muss  dem  hinzufügen,  dass  mir  das  Zurücklassen  des  Samen- 
stranges für  die  Entstehung  der  Recidive  als  ein  weit  wichtigerer  F aktor 
erscheint  als  die  Frage,  ob  die  Verwachsung  im  Bauchsackhalse 
durch  Abbindung  desselben  oder  durch  Drehung  und  Abbindung 
oder  äussere  Naht  oder  innere  Naht  angestrebt  werden  soll  — 
denn  darauf  spitzt  sich  die  ganze  Frage  der  Behandlung  des 
Brucksackes  zu,  weil  doch  vor  allem  die  Narbe  am  Bruchsackhalse 
ein  nochmaliges  Heraustreten  des  Darmes  verhindern  soll;  ist  diese 
überwunden,  so  wird  sich  der  Bruch  vordrängen,  ob  unterhalb 
derselben  noch  Reste  des  Bruchsackes  sind  oder  nicht;  denn  unter 
allen  Verhältnissen  muss  in  der  Nähe  der  inneren  Bruchpforte 
am  Peritoneum  eine  Narbe  Zurückbleiben. 

Mit  dieser  Bemerkung  glaube  ich  nicht  bloss  die  Einwände 
gegen  das  Zurücklassen  des  Bruchsackes  überhaupt,  sondern  auch 
gegen  die  Art  und  Weise  der  Behandlung  des  zurückgelassenen 
Bruchsackes  entkräftet  zu  haben.  Ich  habe  dieses  Verfahren  gewählt, 
weil  ich  dabei  den  Samenstrang  gar  nicht  zu  berühren  brauche. 

Will  jemand  an  Stelle  dieses  Verfahrens  am  Bruchsack- 
halse den  Samenstrang  nur  so  weit  ablösen,  dass  dann  um  den 
Bruchsack  eine  Ligatur  gelegt  werden  kann  und  den  vor  der 
Ligatur  gelegenen  Bruchsack  nun  an  seiner  Innenfläche  durch  den 
Thermokauter  zerstören,  so  sehe  ich  darin  keine  prinzipielle 
Aenderung.  Dagegen  erscheint  es  wohl  von  der  grössten  Wichtig- 
keit, dass  der  Bruchsackhals  möglichst  tief  gegen  das  Becken  hin 
abgebunden  oder  gedreht  oder  zugenäht  wird,  also  jenseits  der 
Gegend  der  inneren  Bruchpforte,  wie  dies  Banks  und  Bassini 


Zur  Radikaloperation  des  freien  Leistenbruches. 


593 


empfohlen  haben,  damit  die  Neigung  des  Peritoneum  parietale 
zur  Trichterbildung  an  der  inneren  Bruchpforte  beseitigt  wird; 
ist  dann  der  vor  der  Sutur  gelegene  Teil  des  verschorften  Bruch- 
sackes leicht  beweglich,  so  mag  er  samt  dem  Bruchsackhals  zurück- 
geschoben werden;  gelingt  dies  aber  nicht,  so  mag  der  verschorfte 
Bruchsack  an  seinem  Orte  verbleiben ; dann  bildet  er  mit  der  Zeit 
von  der  Stelle  der  Naht  an  bis  gegen  den  Hodensack  hin  einen 
narbigen  Strang. 

Schon  Fahricius  ah  Aquapendente  hat  meines  Wissens  zuerst  nach  Iso- 
lierung des  Bruchsackes  vom  Samenstrange  den  Erucksack  eröffnet,  um  dessen 
Wände  sehr  nahe  miteinander  zusammenzunähen  (königliche  Naht),  in  neuer 
Zeit  nähte  noch  Nusshaum  von  aussen,  während  Czerny  die  innere  Naht 
des  Bruchsackes  empfahl. 


So  sehr  wir  mit  allen  diesen  Fortschritten  zufrieden  sein 
können,  so  wäre  es  immerhin  noch  von  der  grössten  Wichtigkeit, 
über  eine  noch  sicherere  Methode  des  Verschlusses  des  Bruchsack- 
halses zu  verfügen,  bisher  scheint  jene  die  beste  zu  sein,  bei  welcher 
die  Peritonealflächen  miteinander  ohne  Eiterung  verwachsen.  Gegen 
die  Methode  Mac-Ewen’s,  den  zusammengeschobenen  Bruchsack 
vor  die  innere  Bruchpforte  zu  legen,  muss  ich  demnach  mich  schon 
deshalb  aussprechen,  weil  ich  ein  Gegner  der  Ablösung  des  Bruch- 
sackes bin;  für  den  Fall  von  leichter  Ablösung  desselben  mag 
dieses  Verfahren  immerhin  mit  der  isoherten  Muskelnaht  kom- 
biniert werden.  Ich  verlange  nicht,  dass  man  meine  Me- 
thode bis  auf  die  kleinsten  Einzelheiten  nachahmt,  wie 
dies  jetzt  so  häufig  verlangt  wird;  eine  Methode  muss,  wenn  sie 
prinzipiell  gut  ist,  kleine  Abweichungen  in  der  Art  der  Durch- 
führung vertragen  können,  ohne  deshalb  an  Wert  zu  ver- 
lieren. 

Man  hat  auch  in  neuerer  Zeit  noch  viel  darüber  diskutiert, 
was  von  grösserer  prinzipieller  Bedeutung  sei,  der  Verschluss  der 
Bruchpforte  oder  dje  Obliteration  des  Bruchsackes.  Ich  halte  dies 
für  einen  ganz  müssigen  Streit;  da  durch  den  Bruch  das  Perito- 
neum zu  einem  Sacke  ausgedehnt  und  der  Leistenkanal  mächtig 
erweitert  wird,  so  ist  es  doch  unbedingt  nötig,  beide  Uebelstände 
zu  sanieren , und  weder  das  eine  noch  das  andere  zu  vernach- 
lässigen. Es  ist  bekannt,  dass  man  eine  Zeitlang  auf  die  Obli- 
teration des  Bruchsackes  einen  grösseren  Wert  legte  und  dass  man 
in  neuerer  Zeit  eine  grössere  Aufmerksamkeit  nicht  bloss  auf  die 
Verengerung  der  Bruchpforte,  sondern  des  ganzen  Bruchkanals 


594 


A.  Wölflei-. 


verwendet  hat;  nichtsdestoweniger  muss  auch  eine  sichere  Oblite- 
ration des  Bruchsackes  angestrebt  werden. 

Auf  den  Verschluss  der  äusseren  Leistenpfeiler  zu  verzichten, 
wie  dies  erst  jüngst  Karewski  bei  Kindern  empfohlen  hat,  mag 
für  Kinder  gestattet  sein,  bei  Erwachsenen  ist  es  sicherlich  nicht 
zulässig;  ich  habe  die  Leistenpfeiler  auch  bei  Kindern  stets  durch 
die  Naht  einander  genähert.  Da  wir  uns  heutzutage  nicht  bloss 
mit  der  Naht  der  äusseren  Leistenpfeiler  begnügen,  so  geht  schon 
daraus  hervor,  welchen  Wert  wir  auf  die  Verengerung  des  ganzen 
Bruchkanals,  vom  Anfänge  bis  zum  Schambeine  hin,  legen.  Wenn 
man  bisher  bei  Recidiven  häufig  ein  Klaffen  der  Leistenpfeiler 
beobachtet  hat,  so  lag  der  Grund  doch  darin,  dass  der  Samenstrang 
eine  exakte  Vereinigung  liisher  nicht  gestattete,  und  es  folgt  daraus, 
dass  wir  dies  besser  machen  müssen,  nicht  aber,  dass  wir  auf 
diesen  Vorteil  verzichten  sollen.  Es  ist  im  Gegenteile  noch  weiter 
anzustreben,  wie  am  besten  in  einem  Falle,  in  welchem  die  äusseren 
Leistenpfeiler  stark  divergieren,  dieselben  einander  ohne  Spannung 
genähert  werden  können;  ich  verweise  in  dieser  Hinsicht  auf  die 
Vorschläge  Landerer’s  und  Reverdin’s,  welche  die  Leistenpfeiler 
durch  seitliche  Incisionen  (Reverdin),  beziehungsweise  Ablösung 
des  äusseren  (Länderer)  einander  zu  nähern  empfahlen.  Ko  lisch  er 
gab  an,  den  M.  pyramidalis  über  die  äussere  Bruchpforte  zu  trans- 
plantieren. Jedenfalls  verdienen  alle  diese  Vorschläge  bei  grossen 
Brüchen  und  grossen  äusseren  Bruchpforten  noch  weitere  Beach- 
tung, da  gerade  bei  diesen  nur  zu  leicht  Recidiven  eintreten. 


V.  Unmittelbare  und  definitive  Resultate. 

Aus  den  mitgeteilten  Krankengeschichten  geht  hervor,  dass 
in  meiner  Klinik  und  Abteilung  in  der  Zeit  vom  Dezember  1886 
bis  zum  Juli  1892  58  Radikaloperationen  bei  nicht  eingeklemmten 
Leistenbrüchen  zur  operativen  Behandlung  kamen.  Diese  Ope- 
rationen wurden  ausgeführt  von  mir  und  meinen  jeweiligen  Assi- 
stenten: Dr.  V.  Rosthorn  (jetzt  Professor  in  Prag),  Dr.  E.  Reg- 
nier,  Dr.  E.  Slajmer  (jetzt  Primararzt  in  Laibach),  Dr.  v.  Frey 
und  Dr.  Gold.  Die  Radikaloperationen,  welche  bei  inkarcerierten 
Brüchen  ausgeführt  wurden,  habe  ich  nicht  weiter  berücksichtigt, 
erstens,  weil  wegen  der  verschiedenen,  hiebei  auftretenden  Kom- 
plikationen der  Wert  der  Methode  der  Radikaloperation  viel  schwie- 
riger zu  beurteilen  ist  als  beim  freien  und  nicht  entzündeten  Bruche 
und  zweitens  weil  die  exakte  Muskelscliichtennaht  wegen  des  Col- 
lapses  der  Kranken  nicht  immer  ausgeführt  wurde. 


Zur  Kadikaloperation  des  freien  Leistenbruclies. 


595 


Die  58  Operationen  wurden  bei  54  Individuen  ausgeführt  und  zwar 
bei  51  männlichen  und  3 weiblichen.  Von  diesem  standen  im  Alter 
zwischen  1 und  10  Jahren  8 Individuen, 

10  „ 20  „ 15 

20  „ 50  „ 29 

über  50  Jahre  2. 

Von  diesen  Brüchen  waren  8 irreponibel,  während  50  in  die  Bauch- 
höhle zurückgebracht  werden  konnten,  doch  waren  von  letzteren 
viele  durch  ein  Bruchband  schwer  oder  nicht  zurückzuhalten.  Der 
letztere  Umstand  hängt  von  so  vielen  Aeusserlichkeiten  ab,  dass 
es  keinen  besonderen  Wert  hat,  diese  Eigenschaft  in  bestimmten 
Zahlen  auszudrücken ; vor  allem  kommt  es  auf  die  Lage  der  Bruch- 
pforte an,  sodann  ob  das  Bruchband  seinem  Zwecke  entspricht 
oder  nicht,  also  auch  von  der  Tüchtigkeit  des  Bandagisten,  ferner 
ob  es  sich  der  Kranke  richtig  anlegt,  ob  er  empfindlich  ist  oder 
nicht  etc.  Dies  alles  an  der  Klinik  zu  versuchen  und  erst  davon 
den  operativen  Eingriff  abhängig  zu  machen,  war  aus  verschiedenen 
Gründen  nicht  möglich. 

Aus  den  oben  angeführten  Zahlen  geht  zunächst  hervor,  dass 
an  meiner  Klinik,  häufiger  \ielleicht  als  anderswo,  bei  Kindern  im 
frühen  Lebensalter  und  bei  Jünglingen  operiert  wurde  und  dass 
ausserdem  die  Zahl  der  Operationen  bei  reponiblen  Hernien  eine 
weitaus  grössere  war,  als  bei  irreponiblen  Brüchen.  Ich  stehe  damit 
im  Gegensätze  zu  manchen  deutschen  und  englischen  Aerzten,  vor 
allem  aber  zu  den  französischen  Autoren,  von  denen  F.  Berger 
der  Meinung  ist,  dass  vor  dem  16.  Jahre  keine  Hernie  operiert 
werden  sollte,  und  Trelat  nur  jene  Hernien  als  für  die  Radikal- 
operation geeignet  hält,  welche  nicht  vollständig  dauernd  und 
leicht  durch  ein  Bruchband  zurückgehalten  werden  können. 

P.  Berger  hält  vor  dem  15.  Lebensjahr  die  Vornahme  einer 
Operation  besonders  deshalb  für  unzweckmässig,  weil  die  Mortalität 
nach  Ratlikaloperationen  immer  noch  mindestens  3*^/0  beträgt,  wäh- 
rend die  nach  Einklemmung  nur  ^2^/0  ausmacht.  Diese  Begrün- 
dung enthält  insoferne  einen  irrtümlichen  Schluss,  als  die  Mortalität 
bei  Kindern  sicherlich  eine  geringere  ist.  Ebenso  dürfte  auf  Grund 
der  neueren  statistischen  Mitteilungen  die  Mortalität  bei  einfachen 
reponiblen  Hernien  weniger  als  3 % ausmachen,  wenn  man  z.  B. 
berücksichtigt,  dass  Bassini  auf  216  Hernien  keinen  Todesfall  oder 
höchstens  einen  hatte  und  ich  bei  meinen  50  reponiblen  Hernien 
ebenfalls  keinen  Kranken  an  der  OpejL’ation  verlor.  Dies  ist  aber  von 
besonderer  Bedeutung,  denn  je  ungefährliclier  eine  Operation,  um 
desto  leichter  dürfte  man  sich  zu  derselben  entschliessen. 


596 


A.  Wölfler. 


Die  Radikaloperation  bei  Kindern  und  mobilen  Brüchen 
kann  also  als  nahezu  ungefährlich  angesehen  werden;  man  hat 
jedoch  als  wichtigsten  Grund  gegen  die  Radikaloperation  angegeben, 
dass  bei  Kindern  bis  zu  10  Jahren  durch  das  Tragen  des  Bruch- 
bandes allein  gewöhnlich  Spontanheilung  eintritt.  Daraufhin 
hat  schon  Wolter  mit  Recht  eingewendet,  dass  diese  Heilung 
sich  doch  insoferne  nicht  mit  dem  Resultate  der  Radikaloperation 
vergleichen  lässt,  als  diese  Individuen  noch  viele  Jahre  lang  zur 
Verhütung  der  Entstehung  eines  Bruches  Bruchbänder  tragen 
müssen ; ausserdem  ist  es  ja  allgemein  anerkannt,  dass  gerade  bei 
Kindern  sich  die  besten  Dauerresultate  erzielen  lassen  (Socin, 
Cuenod)  und  zwar  aus  folgenden  Gründen:  1.  Wegen  geringer 

Weite  des  Bruchkanals,  2)  wegen  des  Fehlens  schwerer  körper- 
licher Anstrengung,  3)  durch  den  kräftigen  Turgor  des  Gewebes. 
Endlich  erscheinen  nach  Wolter  auch  soziale  Nachteile  mass- 
gebend, welche  bei  jugendlichen  Individuen  mit  dem  Bestehen  des 
Bruches  verbunden  sind. 

Ich  knüpfe  gerade  an  diesen  Punkt  an,  um  zu  erklären, 
warum  unter  meinen  54  Kranken  23  im  Alter  zwischen  1 und  20 
Jahren  standen.  In  manchen  Fällen  war  es  den  Eltern  darum  zu 
thun,  dass  ihre  Söhne  in  eine  Militärschule  aufgenommen  werden, 
in  anderen  wollten  die  Söhne  ihre  zu  einem  anstrengenden  Berufe 
führende  Laufbahn  nicht  mehr  ändern  (so  z.  B.  Mediziner)  und 
dennoch  von  dem  Tragen  eines  Bruchbandes  befreit  sein. 

An  der  chirurgischen  Klinik  zu  Graz  kamen  noch  andere 
wichtige  Erwägungen  von  lokaler  Bedeutung  in  Betracht,  die  wahr- 
scheinlich auch  an  anderen  Orten  zum  Ausdrucke  kommen  dürften. 
Die  Kranken  des  Grazer  Landeskrankenhauses  rekrutieren  sich 
zum  grossen  Teile  aus  der  Gebirgsbevölkerung ; diese  besteht  aber 
viel  häufiger  als  die  städtische  auf  der  Ausführung  der  Radikal- 
operation. Der  Landmann  kann  einen  Arbeiter,  der  immer  ein 
Bruchband  tragen  muss,  nicht  ordentlich  zum  schweren  Arbeiten 
verwenden  und  verlangt  radikale  Abhilfe  für  seinen  Sohn  oder 
für  seinen  Knecht.  Der  Kranke  selbst  verlangt  dauernd  von  seinem 
Bruche  befreit  zu  werden,  auch  wenn  er  ihn  durch  ein  Bruchband 
zurückhalten  könnte,  schon  deshalb,  weil  er  nicht  immer  in  der 
Lage  ist,  ein-  bis  zweimal  oder  noch  häufiger  im  Jahre  in  die 
Stadt  zu  gehen  und  an  seinem  Bruchbande  Reparaturen  vornehmen 
zu  lassen,  oder  gar  ein  neues  sich  anzuschaffen ; das  ist  kostspielig, 
umständlich  und  zeitraubend.  Dazu  kommt  noch , dass  solche 
Leute  aus  Billigkeitsgründen  sich  recht  häufig  an  eine  falsche 
Adresse  wenden  und  beim  Handschuhmacher  irgend  ein  billiges 


Zur  Radikalojjeratiou  des  freien  Leistenbruches. 


597 


Bruchband  kaufen,  von  dem  sie  sich  bald  überzeugen  müssen, 
dass  es  seinen  Zweck  nicht  erfüllt.  Müde  aller  dieser  Versuche 
kommen  sie  an  die  Klinik  mit  der  bestimmten  Forderung,  dass 
man  an  ihnen  jene  Operation  vornehme,  welche  bei  anderen  zur 
Heilung  geführt  hat,  ohne  dass  diese  ein  Bruchband  tragen 
mussten,  und  ebenso  schicken  Eltern  ihre  Kinder  an  die  Klinik 
mit  der  bestimmten  Weisung,  dass  man  ihnen  kein  Bruchband 
anmessen , sondern  gleich  die  Operation  vornehmen  möge.  Ich 
nahm  im  Anfänge  Anstand,  diesem  Begehren  nachzugeben,  seitdem 
mir  aber  von  verschiedener  Seite  die  oben  angeführten  Gründe 
auseinandergesetzt  wurden,  komme  ich  sowohl  bei  mobilen  Brüchen, 
als  auch  bei  Kindern  diesem  Ansinnen  nach.  Ich  bekenne  aber 
gerne,  dass  ich  nur  deshalb  die  Indikation  für  die  Radikaloperation 
auch  auf  Kinder  und  alle  mobilen  Brüche,  in  welchen  der  Kranke 
das  Tragen  eines  Bruchbandes  perhorresciert,  ausgedehnt  habe,  weil 
bisher  der  Wund  verlauf  und  der  unmittelbare  Ausgang  nichts  zu 
wäinschen  übrig  liessen. 

Unter  den  58  Operierten  wurden  die  6 ersten  nach  Czerny 
•operiert,  ein  Fall  nach  Mac  Ewen,  51  Fälle  nach  meiner  Methode. 
Unter  den  ersten  6 Operierten  verlor  ich  einen  Kranken  (Operation 
Nr.  6)  durch  Abknickung  einer  vom  Bruchsack  abgelösteii  und 
in  die  Bauchhöhle  reponirten  Darmschlinge.  Der  Patient  hatte  sieben 
Tage  früher  die  Operation  der  linksseitigen  Hernie  trotz  Darmnaht 
glücklich  überstanden;  bei  der  rechtsseitigen  mussten  abermals 
schwierige  Darmablösungen  im  Bruchsacke  vorgenommen  werden, 
worauf  während  des  Wundverlaufes  eine  Abknickung  eines  Darm- 
konvolutes zum  Tode  führte. 

Bei  den  51  nach  meiner  Methode  operierten  Kranken  ergaben 
sich  während  der  Operation  keine  nennenswerten  technischen 
Schwierigkeiten.  Einzelne  Abweichungen  in  der  Technik  der 
Operation  von  den  früher  angegebenen  Regeln  können  aus  den 
Krankengeschichten  leicht  ersehen  werden. 

Was  den  Wundverlauf  bei  den  nach  meiner  Methode  operierten 
Kranken  anbelangt , so  muss  derselbe  als  ein  sehr  günstiger  be- 
izeichnet werden:  unter  51  Operationen  trat  44 mal  vollkommene 
Heilung  per  primam  intentionem  ein  ohne  jede  Eiterung,  7 mal 
war  Eiterung  eingetreten,  zumeist  eine  sehr  geringe,  5 mal  war 
gleichzeitig  eine  geringe  Nekrose  der  Fascien  zu  beobachten.  Be- 
rücksichtigt man,  dass  diese  Operationen  an  meiner  Klinik  auch 
von  minder  geübten  Aerzten  ausgeführt  wurden,  so  muss  die  in 
86®/o  der  Fälle  eingetretene  Heilung  per  primam  int.  als  ein  gün- 
stiger Verlauf  ange.sehen  werden.  Aus  diesem  Grunde  war  auch 


598 


A.  AVölfler. 


die  Wundheilung  in  der  Regel  in  12  bis  35  Tagen  vollendet,  d.  h. 
an  diesen  Tagen  verliessen  die  Kranken  bereits  die  Anstalt.  Da 
dieselben  jedoch  fast  allemal  mit  einem  Bruchbande  entlassen 
wurden,  so  ist  ein  um  acht  bis  zehn  Tage  verlängerter  Aufenthalt 
meist  auf  die  verspätete  Lieferung  eines  passenden  Bruchbandes 
zu  beziehen.  Der  Zeitpunkt  der  Heilung  erfolgte  eben  häufig 
früher  als  die  Entlassung.  In  den  fünf  Fällen  von  Fascien-Nekrose 
dehnte  sich  die  Heilungsdauer  auf  mehr  als  zwei  Monate  aus.  In 
keinem  der  51  operierten  Fälle  war  eine  Phlegmone  oder  irgend 
eine  andere  Art  schwerer  Wundinfektion  zu  beobachten. 

Die  Mortalität  betrug  O^o. 

Wie  verhielt  es  sich  nun  bei  den  nachuntersuchten  Fällen 
mit  der  Recidive? 

Es  war  uns  leider  nur  bei  19  Kranken  möglich,  die  definitiven 
Resultate  nach  3^2  Jahren  bis  4 Monaten  festzustellen.  Bei  dieser 
Untersuchung  ergab  sich,  dass  nur  bei  einem  ganz  indolenten 
Patienten,  welcher  ein  fest  drückendes  Bruchband  drei  Jahre  lang 
nach  der  Operation  kontinuierlich  getragen  hatte,  und  infolge- 
dessen eine  Atrophie  aller  Weichteile  an  Stelle  der  Pelotte  ein- 
getreten war,  eine  wenn  auch  geringe,  aber  dennoch  sichtbare 
Recidive  in  Form  einer  handschuhfingerförmigen  V orwölbung  beim 
Husten  sich  nachweisen  liess;  und  dass  bei  einem  anderen  Kranken 
gegen  die  in  die  Apertura  externa  eingeführte  Fingerkuppe  eine 
nussgrosse  Vorwölbung  beim  Husten  sich  vordrängt;  doch  kann 
man  letztere  Erscheinung  noch  nicht  als  Recidive  bezeichnen.  E s 
blieben  demnach  unter  19  untersuchten  Kranken  18  re- 
cidivefrei.  Sonach  trat  eine  Recidive  in  ungefähr  5®/o  der  unter- 
suchten Fälle  ein.  Unter  diesen  18  befanden  sich: 

3 welche  nach  3 7s  Jahren, 

1 welcher  ,,  3 ,, 


1 

4 
3 
2 

5 


welche 


„ 2V2  „ 

2 ,, 

,,  20,  15  und  14  Monaten, 

„ 1 Jahre, 

,,  nach  weniger  als  1 Jahre  (10 — 4 Monaten) 
untersucht  worden  sind. 

Dazu  ist  noch  zu  bemerken,  dass  nicht  bei  allen  18  recidiv- 
freien  Fällen  der  Wundverlauf  so  vollkommen  war,  dass  eine 
exakte  Heilung  per  primam  int.  eingetreten  wäre ; es  sind  mehrere 
Fälle  darunter,  in  welchen  eine  geringe  Eiterung  den  Wundver- 
lauf  komplizierte  und  die  Narbe  dennoch  fest  und  widerstands- 
fähig geblieben  ist. 


Zur  Kadikaloperation  des  freien  Leistenbruches. 


599 


Ausserdem  muss  noch  hinzugefügt  werden,  dass  die  Apertura 
externa  sich  nicht  immer  als  vollkommen  verschlossen  zeigte, 
sondern  dass  man  nicht  selten  mit  der  Fingerkuppe  in  dieselbe 
ein  dringen  konnte,  ohne  jedoch  weiter  Vordringen  zu  können,  oder  etwa 
den  Anprall  der  Intestina  zu  fühlen  — ein  Beweis,  dass  die  Technik 
der  Vereinigung  der  Leistenpfeiler  einer  weiteren  Verbesserung 
bedarf  und  die  Dislokation  des  Samenstranges  ebenfalls  noch 
weiter  ausgebildet  werden  muss. 

Da  von  den  18  Geheilten  nur  13  nach  längerer  Zeit  als  einem 
Jahre  nach  der  Operation  und  5 schon  nach  kürzerer  Zeit  unter- 
sucht wurden,  so  bedarf  es  jedenfalls  noch  weiterer  und  in  späterer 
Zeit  zu  erfolgender  Untersuchungen,  um  diesbezügliche  reelle  An- 
gaben machen  zu  können. 

Vergleichen  wir  nunmehr  die  unmittelbaren  Erfolge, 
die  von  verschiedenen  Seiten  erzielt  wurden,  untereinander,  so 
lässt  sich  darin  mit  aller  Gewissheit  ein  höchst  erfreulicher  Fort- 
schritt wahrnehmen. 

Schon  die  subkutanen  Methoden  hatten  höchst  bemerkens- 
werte Resultate,  ja  sie  wiesen  Erfolge  auf,  wie  sie  in  späterer  Zeit 
in  den  70  er  Jahren  und  bis  zur  Mitte  der  80  er  Jahre  durch  die 
antiseptischen  Methoden  nicht  erreicht  wurden;  so  erlebte  Roth- 
mund  bei  seinem  Invaginationsverfahren  nur  1 Todesfall  und 
W o o d auf  337  Fälle  nur  7 Todesfälle,  hatte  also  etwas  über  2 
Mortalität.  Warum  unsere  Resultate  hinter  jene  von  Rothmund 
und  Wood  erreichten  Erfolge  zu  stehen  kommen,  liegt 

1.  darin,  dass  diese  grosse  Zahl  von  Fällen,  wie  sie  unserer 
Beurteilung  dm’ch  Wood  zur  Verfügung  stehen,  durch  Operationen 
erreicht  wurden,  welche  durch  einen  einzigen  Operateur  zur  Aus- 
führung kamen.  Es  ist  bekannt,  dass  die  von  Fall  zu  Fall  sich 
ausbildende  Technik  in  der  Hand  eines  geschickten  Meisters 
einen  grossen  verbessernden  Einfluss  hat  auf  die  von  Jahr  zu  Jahr 
gewonnenen  Resultate.  Ich  bin  überzeugt,  dass  andere,  die  nur 
wenige  Operationen  nach  Wood  ausführten,  schlechtere  Resultate 
als  Wood  erzielt  haben  dürften.  Dasselbe  bezieht  sich  auch  auf 
die  Bassini’sche  Operation ; ich  habe  schon  jetzt  nach  schriftlichen 
und  mündlichen  Berichten  die  Ueberzeugung  gewonnen , dass 
andere,  welche  die  Bassini’sche  Operation  wiederholt  haben,  nicht 
gleich  gute  Resultate  wie  dieser  selbst  erreichten ; 

2.  hatte  Rothmund  und  Wood  nur  reponible  Brüche 
operiert,  während  man  in  Deutschland  seit  Czerny  gerade  mit 
den  irreductiblen  Brüchen  begann.  Die  Lebensgefahr  steigert  sich 
aber  beträchtlich  bei  den  irreductiblen  Brüchen. 


600 


A.  Wölfler. 


Man  hatte  sich  also  in  der  antiseptischen  Aera  weit  höhere 
Aufgaben  gestellt  und  weit  kompliziertere  Verhältnisse  geschaffen, 
die  es  verschuldeten,  dass  anfangs  die  Mortalität  doch  mindestens 
10  7o  betrug  (Tilanus  1879:  11 Reverdin  10  7o,  Leisruck  1883: 
10,8  ”/o,  Le’goud  auf  219  Fälle  20  Todesfälle,  also  über  97o  Morta- 
lität), Das  sind  Resultate  aus  dem  ersten  Decennium,  also  bis 
etwa  1885.  Die  Operationen,  die  später  von  Socin  (3,6 %), 
Schede  (5,2 ^/o),  Billroth  (6,2 7o)  und  Hahn  (ungefähr  2®/o)  ^;US- 
geführt  wurden,  führten  bereits  zu  besseren  Resultaten.  Ja, 
Svens  so  11  und  Erd  mann  hatten  bereits  im  Jahre  1887  Erfolge 
(0®/o  Mortalität),  wie  sie  erst  mehrere  Jahre  später  durch  Andere 
erreicht  wurden.  Es  erscheint  deshalb  sehr  fraglich,  ob  die  in 
neuerer  Zeit  durch  andere  Methoden  erzielten,  günstigen  Erfolge 
auf  die  Methode  allein  zu  beziehen  sind;  es  lässt  sich  vielmehr 
annehmen , dass  die  beständig  sich  verbessernde  Technik  der 
Wundbehandlung  einen  grossen  und  stetigen  Einfluss  auf  die 
Verbesserung  der  gewonnenen  Resultate  nimmt. 

Wenn  man  schon  die  von  Mac  Ewen  erreichten  Erfolge 

o 

mit  Rücksicht  auf  die  Schwierigkeit  seines  Verfahrens  als  glänzend 
bezeichnen  musste  (auf  98  Fälle  nur  1 Todesfall),  so  wurden  sie 
in  einer  bisher  unerreichten  Weise  von  jenen  Bassini’s  über- 
troffen, der  bei  216  Operationen  der  freien  Leistenhernie  216 
Heilungen  erzielte.  Diese  Resultate  lassen  — abgesehen  von  der 
vollendeten  Technik  — auf  sehr  günstige  Wundverhältnisse  seiner 
Klinik  schhessen;  sie  werden  erreicht,  aber  kaum  übertroffen 
werden,  es  sei  denn,  dass  jemand  in  der  Lage  ist,  eine  noch 
grössere  Zahl  von  Operationen  ebenso  gefahrlos  auszuführen,  als 
dies  Bassini  beschieden  war. 

Aus  diesen  Betrachtungen  geht  hervor,  dass  wir  in  den 
letzten  Jahren  bei  der  Radikal -Operation  der  freien  Hernien  so 
glänzende,  unmittelbare  Erfolge  erzielt  haben,  wie  etwa  bei  den 
Amputationen  oder  anderen  einfachen  Operationen,  so  dass  ein 
weiterer  Fortschritt  weder  möglich  noch  notwendig  ist,  und  wir 
nur  zu  wünschen  haben,  es  mögen  diese  günstigen  Resultate  auch 
in  den  künftigen  Decennien  sich  erhalten  und  zwar  nicht  bloss  an  der 
Hand  eines  oder  einiger  Spezialisten,  sondern  auch  an  der  Hand  eines 
jeden  Praktikers!  Alle  unsere  Bemühungen  werden  sich  demnach 
in  Zukunft  darauf  koncentrieren  müssen,  auch  die  definitiven 
Resultate  günstiger  zu  gestalten,  als  dies  bisher  möglich  war.  Es 
wird  von  allen  zugegeben,  dass  wir  in  dieser  Hinsicht  vor  manches 
unüberwindliche  Hindernis  gestellt  werden,  die  vor  allem  in  der 
Disposition  der  Individuen  zur  Hernienbildung  zu  suchen  sind. 


Zur  Eadikaloperation  des  freien  Leistenbruches. 


601 


und  es  ist  wohl  kaum  zu  erwarten,  wenn  auch  anzustreben,  dass 
irgend  jemand  einmal  bei  einer  grossen  Reihe  von  Operationen, 
welche  der  Zahl  100  sich  nähert,  auch  100  definitive  Heilungen 
wird  aufweisen  können.  Dennoch  lässt  sich  auch  in  dieser  Hin- 
sicht in  der  letzten  Zeit  eine  erfreuliche  Besserung  wahrnehmen. 
Je  vollendeter  die  Technik  nach  der  Czerny 'sehen  Methode  wurde, 
um  desto  geringer  wurde  die  Zahl  der  Recidiven.  Zu  Ende 
der  fOer  und  am  Anfänge  der  80  er  Jahre  sprach  man  noch 
von  öO'^/q  (Braun,  Andersen).  Später  giebt  P.  Berger  auf  Grund 
einer  auf  grossen  Zahlen  beruhenden  Berechnung  an,  dass  die 
Zahl  der  Recidiven  noch  30%  betrage,  doch  zeigen  schon  mehrere 
in  Deutschland  gemachten  Beobachtungen,  dass  die  Zahl  der 
Recidiven  zwischen  17%  (R.  Wolf,  Czerny)  und  25 7o  (Schede) 
schwankte.  In  neuester  Zeit  stehen  die  von  Bassini  gemachten 
Wahrnehmungen,  der  auf  239  untersuchte  Fälle  bloss  7 Recidiven 
(also  nicht  ganz  3°/o)  beobachtete,  unübertroffen  da.  Auch  bei 
meiner  geringen  Zahl  von  nachuntersuchten  Kranken  konnte  ich 
bisher  nur  in  5%  der  Fälle  Recidiven  wahrnehmen.  Auch  diese 
Zahlen  werden  wir  nach  meiner  Auffassung  als  die  besten  anzu- 
sehen haben,  welche  unter  allen  Umständen  zu  erreichen  sind,  ja 
es  ist  sogar  möglich  und  wahrscheinlich,  dass  nach  den  Erfahrungen 
Haidenthalers  aus  der  Billrothschen  Klinik  die  Zahl  der  Reci- 
diven eine  noch  grössere  sein  wird,  wenn  man  Gelegenlieit  nehmen 
wird,  die  operierten  Fälle  viele  Jahre  nach  ausgeführter  Operation 
neuerdings  zu  untersuchen,  und  wir  werden  es  schon  als  einen 
grossen  Fortschritt  zu  verzeichnen  haben,  wenn  dann  die  Reci- 
diven im  allgemeinen  die  Zahl  von  10®/o  nicht  übersteigen  werden. 
Nach  den  neueren  Erfahrungen  Eschers,  welcher  die  Bassini’sche 
Methode  bereits  übte,  fanden  sich  auf  30  Fälle  3 Recidiven,  also 
ebenfalls  10  Oo.  Was  aber  von  allen  Beobachtern  hervorgehoben 
wird,  ist  der  sicherlich  wichtige  Umstand,  dass  die  Art  der  Reci- 
diven eine  so  wenig  belastende  und  meist  geringfügige  ist,  dass 
dieselbe  in  keinem  Verhältnisse  zu  den  Beschwerden  der  ursprüng- 
lichen Hernienbildung  steht.  Auch  dürfte  es  höchst  selten  Vor- 
kommen, dass  solche  Recidive-Hernien  incarceriert  werden. 

Die  Gründe,  warum  nicht  alleHeilungen  definitive  bleiben  können, 
hat  erst  unlängst  Wolter  in  einer  gründlichen  Weise  erörtert. 

In  1.  Linie  kommt  in  Betracht : die  individuelle  Disposition 
zur  Hernienbildung,  die  mit  und  durch  die  Operation  noch  nicht 
erlischt,  sowie  der  Umstand,  dass  nach  der  Operation  manche  an- 
strengende Gewerbe  z.  B.  Heben  schwerer  Lasten  etc.  nicht  auf- 
gegeben werden. 


602 


A.  Wölfler. 


2.  Wird  bei  sehr  weiten  Bruehpforten , atrophischer  Musku- 
latur und  ausgedehnten  Fascien  der  verringerte  Widerstand  oft 
auch  nach  der  Operation  nicht  beseitigt. 

3.  Kommt  noch  der  wichtige  Umstand  in  Betracht,  dass  der 
neben  dem  obliterierten  Bruchsack  befindliche  Samenstrang  nicht 
vollkommen  eliminiert  werden  kann. 

Dass  4.  die  Art  der  operativen  Technik  von  grosser  Bedeu- 
tung sei,  wurde  schon  früher  an  verschiedenen  Stellen  hervor- 
gehoben. Ob  dagegen  eine  während  der  Heilung  bestehende,  ge- 
ringe Eiterung  die  Recidive-Fähigkeit  zu  erhöhen  im  stände  sei, 
habe  ich  meinen  eigenen  Beobachtungen  nicht  entnehmen  können, 
ich  glaube  vielmehr,  dass  ein  geringer  Grad  von  Entzündung  die 
Widerstandskraft  der  Narbe  erhöht.  Auch  Es  eher  hat  die  Er- 
fahrung gemacht,  dass  sich  die  Zahl  seiner  Heilungen  sowohl  auf 
die  per  primam  intentionem,  als  die  durch  Eiterung  geheilten 
Fälle  bezog. 

5.  Scheint  auch  nach  meinen  Erfahrungen  die  von  So  ein 
hervorgehobene  Thatsache,  dass  das  Tragen  des  Bruchbandes  die 
Narbe  zur  Atrophie  bringe  und  dadurch  die  Recidive-Fähigkeit 
erhöhe,  von  Bedeutung  zu  sein. 

In  neuerer  Zeit  haben  wohl  viele  Autoren  darauf  gedrungen, 
dass  von  einem  Tragen  des  Bruchbandes  einige  Monate  nach  der 
Operation  abzusehen  sei,  allein  es  wurde  dennoch  wieder  von  an- 
derer Seite  hervorgehoben , dass  das  Tragen  des  Bruchbandes 
durchaus  unschädlich,  eher  nützlich  sei.  Während  Riedel  zeigte, 
dass  von  54  Kranken,  welche  kontinuierlich  ein  Bruchband  trugen, 
88°/o  recidivefrei  blieben  und  von  20  Operierten,  die  kein  Bruch- 
band getragen  haben,  nur  55®/o  recidivefrei  blieben,  zeigte  An- 
deregg, dass  von  jenen  Operierten  der  Socin’schen  Klinik,  welche 
kein  Bruchband  trugen,  24®/o  Recidiven  bekamen,  während  von 
jenen,  welche  ein  Bruchband  trugen,  54 '^/o  recidi vierten.  Lucas- 
Championniere  hält  ebenfalls  den  Druck  der  Pelotte  auf  die 
Narbe  nachteilig;  derselbe  scheint  mir  das  Richtigste  über  das 
Tragen  des  Bruchbandes  gesagt  zu  haben:  die  Bruchbänder  sollen 
die  Narbe  bloss  schützen  und  nicht  drücken,  deshalb  erscheint  es 
am  zweckmässigsten , das  Bruchband  bloss  kurze  Zeit  nach  der 
Operation,  solange  die  Narbe  noch  zart  ist,  tragen  zu  lassen  und 
es  dann  wegzulassen.  Auch  Mac  Ewen  lässt  in  den  wenigsten 
Fällen  (Lauen  st  ein)  und  Bassini  in  keinem  Falle  nach  der 
Operation  ein  Bruchband  tragen.  Ich  glaube,  für  uns  alle  sollten 
diese  günstigen  ohne  Bruchband  erzielten  Resultate  genug  mass- 
gebend sein,  um  auf  das  spätere  Tragen  des  Bruchbandes  zu  ver- 


Zur  Radikaloperation  des  freien  Leistenbruches. 


603 


zichten.  Ich  hatte  den  meisten  meiner  Patienten  ebenfalls  den  Rat 
erteilt,  in  den  ersten  2 bis  3 Monaten  ein  leicht  federndes 
Bruchband  anzulegen  und  sodann  dasselbe  wegzulassen ; dieser  Rat 
wurde  auch  von  mehreren  ohne  weiteren  Schaden  befolgt;  bei 
einem  Kranken,  der  gegen  meinen  Rat  ein  sehr  stark  federndes 
Bruchband  beständig  getragen  hatte,  hatte  sich  eine  Recidive  ein- 
gestellt. Die  Bauchdecken  waren  an  Stelle  des  Bruchbandes  fast 
vollkommen  atrophiert  und  es  war  bei  diesem  Kranken  entschieden 
ein  durch  das  Tragen  des  Bruchbandes  entstandener  Nachteil  nach- 
zuweisen. 

8iegmuntl  (siehe  bei  Rothmund  Seite  144),  ein  Gegner  der  Bruchopera- 
tionen, machte  übrigens  schon  vor  einem  halben  Jahrhunderte  auf  die  Gefahren 
aufmerksam,  welche  für  einen  Operierten  daraus  entspringen,  dass  er  ein  Bruch 
band  trägt ; er  hebt  hervor,  dass  durch  die  Pelotte  die  exsudierten  Massen  leicht 
zur  Resorption  gebracht  werden  können. 

Vielleicht  lässt  sich  eine  weitere  Verringerung  der  Recidiven 
dann  erwarten,  wenn  wir  späterhin  Fälle  untersuchen  werden  können, 
in  welchen  der  Samenstrang  aus  dem  Bruchkanal  und  der  äusseren 
Bruchpforte  vollständig  oder  fast  vollständig  eliminiert  ist.  Man 
gebe  sich  aber  auch  für  diese  Fälle  keiner  allzugrossen  sanguini- 
schen Hoffnung  hin,  denn  wenn  es  auch  dann  bei  solider  und 
widerstandsfähiger  Narbe  im  Verlaufe  des  Leistenkanales  und  der 
äusseren  Bruchpforte  gelingen  wird,  dass  der  Bruch  nicht  mehr 
an  der  äusseren  Bruchpforte  Vordringen  wird,  so  wird  es  sicherlich 
dennoch  wieder  Fälle  geben,  in  welchen  die  ganze  Gegend  der 
Narbe  entsprechend  dem  Verlaufe  des  Leistenkanales,  mitunter 
infolge  individueller  Disposition  eine  gewisse  Vorwölbung  er- 
leiden wird. 

Ich  bin  am  Schlüsse  meiner  Betrachtungen;  mögen  sie  den 
Beweis  erbracht  haben,  dass  wir  vieles  auf  dem  Wege,  den  wir  in 
gemeinsamer  internationaler  Arbeit  gegangen  sind,  erzielt  haben, 
dass  aber  noch  manches  erstrebt  und  verbessert  werden  muss,  nicht 
bloss  durch  Darstellung  unserer  im  raschen  Fortschritte  ge- 
wonnenen Erfolge,  sondern  auch  durch  Klarlegung  der  oft  erst 
nach  Jahren  zu  Tage  tretenden  Uebelstände,  Misserfolge  und  ihrer 
wahrscheinlichen  Ursachen. 


Bericht  über  die  an  der  Klinik  Billroth 
seit  dem  Jahre  1884  operierten  Hydro- 

celen 

von 

ür.  Alfred  Gleich, 

Operateur  der  Klinik. 


Die  Behandlung  der  Hydrocelen  hat  durch  die  Einführung 
der  modernen  Wundbehandlung  insoferne  eine  Aenderung  erfahren, 
als  sich  die  operative  Methode  mit  dem  Schnitte  und  partieller 
Exstirpation  der  Tunica  vaginahs  immer  mehr  Bahn  brach. 

Die  von  Velpe  au  ersonnene  Radikaloperation  durch  Punktion 
und  nachherige  Injektion  von  Jodtinktur  wurde  von  manchem 
Chirurgen  verworfen,  weil  nach  ihr  — wie  Tillmanns  sagt  — Reci- 
diven  ziemlich  häufig  sind. 

0.  V.  Weiss^)  stellte  im  Jahre  1884  die  Enderfolge  der 
Injektionsbehandlung  an  der  Klinik  Billroth  zusammen,  mit  dem 
Resultate,  dass  diese  Methode  15,5  “/o  Recidiven  ergiebt. 

Wenngleich  der  Prozentsatz  etwas  hoch  erscheint,  konnte 
sich  Prof.  Billroth  nicht  entschliessen , von  dieser  Methode  Ab- 
stand zu  nehmen,  denn  sie  bietet  folgende  Vorteile:  sie  hilft  in 
den  meisten  Fällen,  kann  bei  Recidiven  leicht  wiederholt  werden, 
erfordert  dabei  den  kürzesten  Spitalsaufenthalt  und  schadet  nie. 
Prof.  Billroth  vertritt  demnach  den  Standpunkt,  dass  bei  der 
geringen  funktionellen  Störung,  die  das  Uebel  verursacht,  diejenige 
Behandlungsweise  gewählt  werden  müsse,  welche  die  kürzeste  Er- 
werbsunfähigkeit und  die  geringste  Gefahr  einer  accidentellen  Er- 
krankung bietet. 


b Wr.  med.  Wochenschrift  1 — 4 1884. 


Bericlit  üb.  die  an  der  Klin.  Billroth  seit  dem  Jahre  1884  operiert.  Hydrocelen.  605 

Seit  Abschluss  der  von  v.  Weiss  gegebenen  Statistik  kamen 
bis  Ende  1891  100  Patienten  unter  der  Diagnose  »Hydrocele« 
zur  klinischen  Behandlung,  darunter  1 Spermatocele , 6 Fälle  von 
Hydrocele  testis  et  funiculi  spermatici,  3 Hämatocelen,  2 vereiterte 
Hydrocelen,  88  Hydrocelen  der  tunica  vaginalis  testis. 

Die  Hälfte  der  Patienten  stand  zwischen  dem  30.  und  60. 
Lebensjahre,  29  waren  jünger,  die  übrigen  hatten  das  60.  Jahr 
überschritten. 

In  8 Fällen  wurde  die  Erkrankung  beiderseits  beobachtet, 
in  50  rechterseits,  in  42  linkerseits,  so  dass  ein  Ueberwiegen  des 
Erkrankungsprozesses  auf  der  rechten  Seite  resultiert,  wie  auch 
V.  W e iss  beobachtet  hatte,  woran  vielleicht  der  grössere  mechanische 
Insult  dieser  Seite  durch  die  Bekleidung,  respektive  die  gegen 
Traumen  etwas  exponiertere  Lage  derselben  Schuld  trägt. 

An  ätiologischen  Momenten  konnte  ausser  den  bekannten 
(Traumen,  Tripper  und  dergl.)  nichts  Neues  gefunden  werden;  bei 
einigen  jugendlichen  Individuen  war  das  Leiden  angeboren,  bei 
Männern  jenseits  der  30  er  Jahre  häufig  ohne  eruierbare  Veran- 
lassung entstanden,  bei  jungen  vorwiegend  traumatischen  Ursprungs ; 
13 mal  war  überstandene  Gonorrhoe  angegeben,  doch  betrug  der 
Zeitraum  von  der  Infektion  bis  zum  Vermerk  der  Hydrocele  öfters 
viele  Jahre,  in  einem  Falle  34  Jahre,  so  dass  das  »propter  hoc« 
nicht  dm’chwegs  annehmbar  erscheint.  Ein  Patient  gab  an,  dass 
seine  früher  lange  Zeit  nur  gänseeigrosse  Hydrocele  im  Verlaufe 
einer  Gonorrhoe  rasch  zu  Kindskopf grösse  angewachsen  war. 

Wiederholte,  bakteriologische  Untersuchungen  des  centrifu- 
gierten  Hydroceleninhaltes  ergaben  keine  Anhaltspunkte  für  die 
Aetiologie  des  Leidens. 

Von  Kombinationen  der  Hydrocele  mit  anderen  Abnormitäten 
wären  mehrere  Fälle  zu  erwähnen,  in  welchen  nebenbei  eine 
Hernie  oder  Varicocele  bestand,  sowie  ein  Fall  mit  Kryptorchismus 
der  anderen  Seite. 

Die  Beschwerden  der  Patienten  waren  geringe:  Gefühl  der 
Schwere  bei  grossen  Hydrocelen,  seltener  Schmerzen,  auch  kleinerer, 
bei  der  Arbeit;  viele  Patienten  trieb  wohl  nur  der  Umstand  zur 
Operation,  dass  sie  das  Leiden  als  Ursache  der  sinkenden  Potenz 
betrachteten,  junge  Leute  zumeist  die  Eitelkeit. 

Als  Operationsmethode  stand  fast  auschliesslidi  die  Punktion 
und  nachfolgende  Injektion  einer  Lösung  von  zwei  Teilen  Tinctura 
jodi  officinal.  und  einem  Teile  destillierten  Wassers  in  Verwendung. 
Die  Injektionsflüssigkeit  wurde  nach  10  Minuten  wieder  entleert. 


606 


Alfred  Gleich. 


die  Troicartwunde  mit  Jodoformgaze  bedeckt  und  mit  Heftpflaster 
verschlossen. 

In  einem  Falle  wurde  10”/o  Jodoformglycerinemulsion  injiciert 
und  belassen,  ein  Verfahren,  welches  bekanntlich  seit  Jahren  an  der 
Klinik  Billroth  bei  kalten  Abscessen,  neuerdings  auch  für  Ecchino- 
coccensäcke  mit  gutem  Erfolge  in  Verwendung  steht.  Auch  dieser 
Fall  kam  zur  Heilung,  es  trat  Schrumpfung  des  Sackes  ein;  der 
Patient  ist  nunmehr  seit  zwei  Jahren  geheilt.  — Einmal  wurde 
Tinct.  jod.  fort.  (20  gr.)  injiciert,  worauf  eine  ziemlich  starke  Re- 
aktion eintrat,  welche  dadurch  leicht  zu  erklären  ist,  dass  die  In- 
jektionsflüssigkeit nur  teilweise  entleert  wm’de;  auch  dieser  Fall 
— er  entspricht  der  von  König  beschriebenen  Applikationsweise 
der  Jodtinktur  — blieb  ohne  Recidiv. 

In  der  Mehrzahl  der  Fälle  war  die  Injektionsflüssigkeit  mit 
30  gr  dosiert,  bei  Recidiven  mit  grösseren  Höhlen  wurde  bis  60  gr 
gestiegen,  bei  jungen  Leuten  und  Kindern  die  Dosis  auf  wenige 
Gramm  herabgesetzt. 

Die  Injektion  wurde  jedoch  in  jenen  Fällen  unterlassen,  in 
denen  die  Punktionsflüssigkeit  stark  hämorrhagische  Färbung 
hatte,  ferner  wo  bei  der  Punktion  Flüssigkeitsaustritt  ins  Zell- 
gewebe erfolgte,  so  dass  angenommen  werden  konnte,  die  Troicart- 
kanüle  habe  den  Hydrocelensack  verlassen. 

Diesen  leicht  und  ohne  Narkose  ausführbaren  Eingriff  ver- 
tragen Männer  in  mittleren  Jahren,  ja  auch  Greise,  gut,  es  stellen 
sich  meist  nur  geringe  Schmerzen  ein,  unbedeutende  Schwellung 
des  Scrotums.  Die  Patienten  können  nach  4 — 6 Tagen  das  Spital 
verlassen  und  mit  einem  Suspensorium  meist  unbehindert  ihrer 
Arbeit  nachgehen.  Die  Schrumpfung  des  Hydrocelensackes  geht 
langsam  vor  sich  und  ist  oft  erst  nach  einem  Jahre  abgeschlossen. 

Eine  Ausnahme  in  dem  Verlaufe  kommt  dadurch  zustande, 
dass  die  Injektionsflüssigkeit  mangelhaft  oder  gar  nicht  abläuft ; 
es  treten  dann  oft  intensive  Schmerzen,  Schwellung,  Rötung  und 
Oedem  des  Scrotums  auf.  Ebenso  ruft  ^''erstärkung  der  Dosis 
über  30  gr  bei  Recidiven,  oder  bei  gleichzeitiger  Injektion  von  je 
20 — 30  gr  in  beide  Säcke  bei  bilateraler  Hydrocele,  stärkere  Re- 
aktionserscheinungen hervor.  Bei  Recidiven  kann  es  auch  bei 
Ausfluss  der  Injektionsflüssigkeit  wegen  Starrheit  der  verdickten 
Wandung  leicht  zu  Lufteintritt  in  die  Höhle,  oder  Entwicklung 
von  Joddämpfen  in  derselben  kommen,  ein  unangenehmer  Zufall, 
welcher  in  zwei  der  Fälle  die  Ursache  heftiger  Schmerzen,  beträcht- 
licher Schwellung  und  einer  Temperatursteigerung  bis  über  40^ 
wurde. 


Bericht  üb.  die  an  der  Klin.  Billroth  seit  dem  Jahre  1884  oi:>eriert.  Hydrocelen.  607 

Wesentlich  anders  gestaltet  sich  der  Verlauf  nach  der  an- 
gegebenen Operationsmethode  bei  jugendlichen  Individuen;  die- 
selben reagieren  meist  mit  quälenden,  ins  Abdomen  ausstrahlenden 
Schmerzen,  welche  gewöhnlich,  wie  das  sie  begleitende  Fieber,  mehrere 
Tage  andauern;  zudem  gehören  Schwellung  und  Rötung  des  Scro- 
tums  zu  den  constanten  Folgen,  Oft  stellt  sich  auch  Harnver- 
haltung ein,  welche  freilich  häufig  durch  das  Eintauchen  der  Hand 
in  heisses  Wasser  — ein  altes  Volksmittel  — behoben  wird,  oder 
zum  Katheterismus  Anlass  giebt.  — Die  Dauer  der  Spitalbehand- 
lung ist  in  diesen  Fällen  10—11  Tage, 

Um  über  den  Wert  der  geübten  Operationsmethode  Aufschluss 
zu  erhalten,  wurden  Erkundigungen  nach  dem  Befinden  aller  Pa- 
tienten eingeleitet.  Nur  von  52  trafen  Nachrichten  ein;  ein  kleiner 
Teil  stellte  sich  zur  Untersuchung  persönlich  vor,  ln  10  Fällen 
war  Recidive  eingetreten  und  zwar  bei  einem  72jährigen  Greise, 
bei  4 Männern  in  mittleren  Jahren,  deren  einer  an  Tuberkulose 
litt  und  bei  5 jungen  Leuten, 

Beachtet  man  nun,  dass  von  diesen  Operierten  nur  16  unter 
30  Jahren  waren,  so  stellt  sich  das  Verhältnis  der  Recidive  bei 
Männern  über  30  Jahren  auf  ^ji , bei  jüngeren  hingegen  auf  fast 
Vs  der  Fälle, 

V.  Weiss  hatte  in  seiner  Statistik  die  Trennung  nach  dem 
Alter  nicht  durchgeführt.  Doch  scheint  dieselbe  für  die  Wahl 
der  Therapie  von  Einfluss,  umsomehr  als  die  Erfolge  der  Incisions- 
behandlung  mit  den  geringen  Recidiven  (z,  B,  Volkmann  von 
163—1,  Juillard  54—0,  Bardeleben  46—2)  zur  selben  ungemein 
ermutigen. 

Für  Leute  in  mittlerem  Alter  stellt  sich  die  Statistik  der 
letzten  Jahre  besser  als  der  Durchschnittsprozentsatz,  den  v.  W eiss 
gefunden ; für  diese  Fälle  hat  die  Injektionsmethode  sich  bewährt ; 
es  ist  kein  Grund,  von  ihr  zu  lassen. 

Bei  jugendlichen  Individuen  hingegen  drängt  sich  der  Gedanke 
auf,  der  Incision  den  Vorzug  zu  geben,  die  bei  Beherrschung  der 
Asepsis  viel  sicherer  und  in  derselben  Zeit  zum  Ziele  führt.  Den 
gleichen  Schluss  müssten  wir  für  Hydrocelen  funiculi  spermatici 
ziehen , von  welchen  6 in  Behandlung  waren , 2 recidivierten, 
1 kam  als  Recidive  in  Behandlung , es  war  also  nur  die  Hälfte 
Heilungen  erzielt.  Doch  auch  für  diese  Fälle  kann  die  Injektions- 
methode beibehalten  werden,  um  bei  der  Recidive  dann  der  In- 
cision das  Feld  zu  räumen. 

Vielleicht  sind  auch  nach  Incision  die  Recidiven  bei  jugend- 
lichen Individuen  mit  meist  angeborenen  oder  traumatischen  Hydro- 


608 


Alfred  Gleich. 


celen  nicht  so  selten.  Die  Reaktionserscheinungen  der  Injektions- 
behandlung recidivierter  Hydrocelen  waren  bei  jungen  Leuten  nie 
mehr  stürmisch,  falls  nicht  besondere  Zufälle  wie  Steigerung  der 
Dosis,  Flüssigkeitsverhaltung  oder  Lufteintritt  selbe  bedingten. 
Fünf  Fälle  kamen  zur  Incision,  zwei  derselben  waren  Hämatocelen; 
die  eine  erheischte  die  Incision,  da  wenige  Tage  nach  der  Punk- 
tion und  teilweiser  Entleerung  sich  starke  Entzündungserschei- 
nungen einstellten , die  andere  wurde  sofort  nach  der  durch 
Punktion  sichergestellten  Diagnose  incidiert.  Beidemale  erforderte 
die  Heilung  einen  Spitalaufenthalt  von  über  20  Tagen.  In  zwei 
weiteren  Fällen  musste  wegen  Eiterung  im  Hydrocelensacke  nach 
(auswärts)  ausgeführten  Punktionen  die  Incision  gemacht  werden. 
— Ein  Fall  von  Incisionsbehandlung  (ohne  vorherige  Punktion), 
infolge  Zweifels  in  der  Diagnose,  ob  es  sich  um  einen  Tumor  oder 
eine  dickwandige  Hydrocele  handle,  gehört  noch  hieher.  Es  war 
eine  der  dickwandigen  Hydrocelen,  die  nach  Prof.  Billroth’s  Grund- 
satz der  Incisionsbehandlung  zuzuführen  sind.  — Der  Hydrocelen- 
sack  wurde  verkleinert,  die  Innenwand  mit  Jodtinktur  bepinselt, 
drainiert  und  vernäht,  die  Hautwunde  darüber  vereinigt.  Die  Dauer 
des  Spitalaufenthaltes  betrug  12  Tage. 

Wenn  es  gestattet  ist,  aus  dieser  verhältnismässig  geringen 
Anzahl  von  Fällen  Schlüsse  über  die  Verwertbarkeit  des  ange- 
führten Verfahrens  zu  ziehen,  würden  dieselben  folgendermassen 
zu  formulieren  sein: 

1)  Die  Radikaloperation  durch  Punktion  und  Injektion  von 
Jodtinktur  2 : 1 für  Hydrocelen  ergiebt  die  besten  Resultate  bei 
Männern  in  den  mittleren  Jahren,  giebt  jedoch  bei  jungen  Leuten 
wesentlich  schlechtere  Erfolge. 

2)  Hämatocelen,  sowie  selbstverständlich  auch  suppurative 
Formen  eignen  sich  für  die  Punktionsbehandlung  nicht. 

3)  Bei  zweifelhafter  Diagnose  und  Verdacht  auf  Hodentumoren 
ist  das  Verfahren  auszuschliessen. 

4)  Recidiven  bei  starren  verdickten  Wandungen  erheischen  aus 
dem  Grunde  eine  andere  Behandlungsweise,  weil  der  Schrumpfungs- 
prozess der  Höhle  nicht  zu  erwarten  steht,  die  Folgeerscheinungen 
manchmal  ziemlich  bedrohlich  sind. 

Die  Misserfolge  der  Injektionsbehandlung  gerade  bei  jungen 
Leuten  mögen  es  wohl  gewesen  sein,  welche  viele  deutsche  Chirurgen 
(v.  Bergmann,  Bardeleben,  v.  Braman,  Tillmanns)  bewogen, 
der  von V olkmann ’schen Incisionsbehandlung  denV orzug  einzuräumen 
und  dieselbe,  wie  dies  v,  Bergmann  that,  auf  Grund  der  Asepsis 


Bericht  üb.  die  an  der  Klin.  Billroth  seit  dein  Jahre  1884  operiert.  Hydrocelen.  609 

vollkommener  auszubauen ; trotzdem  verdient  doch  die  Injektions- 
methode nicht  ganz  verdrängt  zu  werden. 

Kocher  und  König  stimmen  darin  überein,  dass  ein  Ver- 
fahren, das  ohne  jeghche  Gefahr,  ohne  Anwendung  der  Narkose 
und  ohne  Aufbringung  eines  besonderen,  antiseptischen  Apparates 
so  viele  Heilungen  erzielt,  als  das  Normal  verfahren  angenommen 
werden  müsse  — eine  Ansicht,  welche  Prof.  Billroth  stets  ver- 
treten hat. 


lieber  eine  eigenartige  symmetrische  Er- 
krankung der  Thränen-undMundspeichel- 

drüsen 


von 

Prof.  Dr.  Johann  Mikulicz, 

Direktor  der  chirurgischen  Klinik  in  Breslau. 

Mit  Tafel  IX  und  5 Holzschnitten. 

In  der  Sitzung  vom  23.  Januar  1888  stellte  ich  im  Verein  für 
wissenschaftliche  Heilkunde  zu  Königsberg  einen  Fall  vor,  der 
ein  eigentümliches,  mir  bis  dahin  unbekanntes  Krankeitsbild  dar- 
bot. Beide  Thränendrüsen  und  sämmtliche  Mundspeicheldrüsen 
waren  in  symmetrischer  Weise  zu  Geschwülsten  umgewandelt,  die 
sich  aus  dem  normalen  Lager  dieser  Organe  stark  hervordrängten 
und  dadurch  das  Gesicht  des  Kranken  in  auffallender  Weise  ent- 
stellten. Die  Geschwülste  waren  allmählich  entstanden;  sie  waren 
zur  Zeit  der  Untersuchung  von  derber  Konsistenz,  schmerzlos,, 
ohne  Spur  von  entzündlichen  Erscheinungen.  Im  übrigen  waren 
an  dem  Träger  dieser  Tumoren  keine  krankhaften  Veränderungen 
nachzuweisen. 

Die  Deutung  dieses  Krankheitsfalles  setzte  mich  in  die  grösste 
Verlegenheit,  denn  er  passte  nirgends  in  den  Rahmen  der  bisher 
bekannten  und  benannten  Krankheiten.  Auch  fand  ich  in  der 
Litteratur  nicht  eine  einzige  der  meinigen  analoge  Beobachtung 
verzeichnet.  Ich  hatte  die  Hoffnung,  dass  mir  der  Zufall  einen  zweiten, 
ähnhchen  Fall  in  die  Hände  spielen  und  dadurch  die  Auffassung  des 
Krankheitsbildes  erleichtern  werde.  Indessen  scheint  die  betreffende 
Affektion  sehr  selten  zu  sein,  so  dass  ich  diese  Hoffnung  wohl 
aufgeben  muss.  Ueberdies  sind  in  der  Zwischenzeit  von  anderen 


b Berliner  klin.  Wochenschrift  1888,  759. 


Ueb.  eineeigenartigesymmet.ErkrankuiigdcrThränen-  u.  ^MuiKlsjieiclieldrüsen.  bl  1 

Beobachtern  mehrere  Fälle  mitgeteilt  worden,  die  dem  meinigen 
entweder  völhg  gleichen  oder  doch  so  ähnlich  sind,  dass  sie  zur 
Beurteilung  des  vorliegenden  Krankheitsprozesses  herangezogen 
werden  dürfen. 

Aus  diesem  Grunde  habe  ich  mich  entschlossen,  meinen  Fall 
schon  heute  ausführlich  mitzuteilen. 

Krankengeschichte. 

Der  42  jährige,  verheiratete  Eigenkäthner  (kleiner  Bauer) 
Christof  Kalweit  aus  Marien  wähle  in  Ostpreussen  hat  vor  20  Jahren 
eine  Lungenentzündung  durchgemacht;  sonst  will  er  stets  gesund 
gewesen  sein.  Vor  7 Monaten,  im  .Juni  1887,  bemerkte  er,  dass 
beide  obere  Augenlider  zu  schwellen  begannen;  er  hatte  dabei 
weder  Schmerzen  noch  sonstige  Beschwerden,  nur  wurde  mit  zu- 
nehmender Schwellung  das  Oeffnen  der  Lider  erschwert.  Später 
verengte  sich  die  Lidspalte  derart,  dass  er  im  Sehen  behindert 
wurde.  Bald  darauf  entwickelte  sich  unter  beiden  Kieferwinkeln 
eine  ebenfalls  schmerzlose  Geschwulst,  die  im  weiteren  Verlaufe 
beim  Essen  und  Sprechen  hinderlich  wurde.  Ueber  die  Zeit  der 
Entwicklung  der  anderen  Anschwellungen  vermag  Patient  nichts 
anzugeben,  jedenfalls  zeigten  sie  sich  erst  später.  Nur  die  Beeinträch- 
tigung im  Gebrauch  der  Augen  beunruhigte  den  Kranken  und 
führte  ihn  zu  einem  Arzte,  der  ihm  eine  innere  Medizin  ver- 
schrieb. Als  dies  erfolglos  blieb,  suchte  er  in  der  chirurgischen 
Klinik  in  Königsberg  Hilfe. 

Befund  am  13.  Januar  1888.  Kräftig  gebauter,  gut  ge- 
nährter Mann  von  sonst  gesundem  Aussehen.  In  den  inneren  Or- 
ganen keine  Abweichungen  nachweisbar.  Insbesondere  zeigen 
Leber,  Milz  und  Nieren  keine  Veränderungen;  Urin  eiweissfrei. 
Pankreas  nicht  zu  palpieren.  Prostata  nicht  vergrössert.  Nirgends 
nachweisbare  Lymphdrüsenschwellungen.  Im  Blut  keine  auffallen- 
den Veränderungen,  insbesondere  keine  Leukocythose.  Sehnen-  und 
Hautreflexe  normal.  Temperatur  und  Puls  normal. 

In  auffallender  Weise  erscheint  das  Gesicht  durch  symmetrische 
Anschwellungen  im  Bereich  der  oberen  Augenlider,  der  Parotis 
und  der  Submaxillargegend  verändert.  (Siehe  beistehende  Ab- 
bildung Fig.  A.) 

Die  oberen  Augenlider  hängen,  besonders  in  ihrer  lateralen 
Hälfte,  so  weit  herunter,  dass  die  Lidspalte  auf  einen  schmalen, 
dreieckigen  Raum  reduziert  erscheint,  dessen  Basis  die  zwei  inneren 
Drittel  des  unteren  Lidrandes  bilden.  Im  äusseren  Drittel  berühren 
sich  die  beiden  Lidränder  vollständig.  Pat.  vermag  selbst  unter 


612 


Johann  Mikulicz. 


die  Puj3Ülen  in  den  relativ  weiteren  medialen  Teil  der  Lidspalte 
eingestellt  werden. 

Die  äusseren  zwei  Drittel  der  oberen  Augenlider  sind 
ausserdem  halbkugelig  nach  vorn  und  aussen  gewölbt,  so  dass 
hier  die  mittlere  Lidfalte  fast  verstrichen  erscheint.  Bei  der  Palpation 
findet  man  hier  unter  der  Lidhaut  einen  kleinhöckerigen,  derben 
Tumor  von  quer  ovaler  Gestalt,  der  sich  bis  an  den  Orbitalrand 
verfolgen  lässt.  Der  Tumor  selbst  ist  wenig  beweglich,  die  leicht 
ödematöse  Lidhaut  über  demselben  dagegen  leicht  verschiebbar. 


starker  Anstrengung  das  obere  Lid  nicht  merklich  höher  zu  heben. 
Infolgedessen  bleibt  dauernd  das  grössere,  obere  äussere  Segment 
der  Iris  und  Pupille  vom  oberen  Lid  verdeckt.  Wohl  infolge- 
dessen hat  sich  ein  Strabismus  convergens  entwickelt,  durch  welchen 


Fig. 


Ueb.  eine  eigenartige  symmct. Erkrankung  der  Thräneai-n. Mundspeicheldrüsen.  613 

Wird  das  obere  Aug'enlid  mit  dem  Finger  stark  in  die  Höhe  ge- 
zogen, so  erscheint  die  äussere  Hälfte  der  Uebergangsfalte  durch 
den  beschriebenen  Tumor  so  weit  hervorgedrängt,  dass  sie  bis  nahe  an 
den  Cornealrand  reiclit.  (Vergl.  nebenstehende  Abbildung  Fig.  B.) 


Fig.  B. 


Conjunctiva  selbst  leicht  gerötet  und  etwas  verdickt.  Die  Bulbi 
etwas  nach  innen  und  vorn  dislociert,  im  übrigen  keine  krankhaften 
Veränderungen  an  ihnen  nachweisbar.  Sehvermögen  ungestört. 

Die  Parotisgegend  beiderseits  von  einer  flach  gewölbten, 
einheitlichen  Geschwulst  eingenommen,  welche  ihrem  Sitze  nach 
genau  der  Lage  der  Ohrspeicheldrüse  entspricht;  sie  dehnt  sich 
nach  vorn  bis  in  die  Mitte  der  Wange  aus,  lässt  sich  in  die  Nische 
zwischen  Kieferast  und  Warzenfortsatz  verfolgen  und  hebt  das 
Ohrläppchen  deutlich  ab.  Konsistenz  derb  elastisch.  Ihre  Ober- 
fläche ist  scheinbar  glatt,  die  Haut  darüber  wenig  verschiebbar. 

Unter  jedem  Kieferwinkel  ragt  eine  circa  hühnereigrosse, 
von  normaler,  verschiebbarer  Haut  bedeckte  Geschwulst  hervor. 
Sie  ist  etwas  verschiebbar,  von  derber  Konsistenz ; ihre  Oberfläche 
lässt  stellenweise  flache  Höcker  erkennen.  Die  beiden  Tumoren 
stossen  in  der  Mittellinie  fast  zusammen. 

Oefinet  Pat.  den  Mund,  so  fallen  zunächst  zwei  den  Sub- 
lingualdrüsen entsprechende  Tumoren  auf.  Sie  präsen- 
tieren sich  als  zwei  längliche  Geschwülste,  welche,  in  Form  und 
Grösse  einer  auf  die  Kante  gestellten  Mandel , den  Boden  der 
Mundhöhle  zu  beiden  Seiten  des  Frenulum  linguae  einnehmen. 
(Siehe  Fig.  A a-a.)  Sie  reichen  bis  in  die  Höhe  der  Zahnkronen 
und  lagern  sich  so  zwischen  die  Spitze  der  ruhenden  Zunge  und 
• die  Zahnreihe.  Die  Schleimhaut  über  den  Tumoren  leicht  ge- 
schwollen. 


614 


Jolumn  Mikulicz. 


Eine  kolossale  Vergrösserung  weisen  die  Gaumendrüsen  auf. 
(Siehe  Fig.  0.) 


Fig.  c. 


Der  Gaumen  ist  beiderseits  bis  über  die  Grenze  des  weichen 
Gaumens  hinaus  von  je  einer  fast  kastaniengrossen,  scharf  be- 
grenzten Geschwulst  eingenommen.  Beide  Geschwülste  reichen  bis 
an  den  Alveolarrand , lassen  aber  in  der  Mittellinie  eine  cm 
breite,  nach  vorn  allmählich  breiter  werdende  Furche  von  normalem 
Aussehen  frei.  Nach  vorn  reichen  sie  bis  an  den  I.  Prämolaris. 
Die  Oberfläche  der  Anschwellungen  erscheint  glatt,  die  Schleim- 
haut darüber  unverändert,  die  Konsistenz  j)rall  elastisch. 

Unter  der  Wangenschleimhaut  finden  sich  beiderseits  vor 
dem  Ausführungsgange  des  Ductus  Stenonianus  etwa  erbsengrosse, 
bewegliche  Knoten  (accessorische  Drüsen).  Ausserdem  liegen  noch 
weiter  vorn,  gegen  das  Vestibulum  oris  zu,  mehrere  bis  erbsen- 
grosse, bewegliche  Knötchen  unter  der  Wangenschleimhaut. 

Während  der  Untersuchung  findet  reichlich  Speichelabson- 
derung statt,  doch  sind  sonst  keine  Erscheinungen  von  Speichel- 
fluss vorhanden.  An  der  Mundschleimhaut  keine  auffällige  Ver- 
änderung. Mehrere  Zähne  fehlen,  einzelne  sind  cariös. 


Da  nur  die  Anschwellung  der  Thränendrüsen  dem  Kranken 
hinderlich  war,  wurde  zunächst  eine  partielle  Entfernung  der- 
selben, soweit  sie  das  Oeffnen  der  Lidspalte  erschwerten,  vor- 


Ueb.  eine  eigenartige  symniet.  Erkrankung  der  Tliränen-  inMundspeicheldrüsen.  615 

genommen  (1.  Februar  1888).  Circa  l^j->  cm  langer,  horizontaler 
Schnitt  in  der  Verlängerung  der  Lidspalte,  Spaltung  der  Kon- 
junktiva  über  dem  am  meisten  vorspringenden  Teil  des  Tumors. 
Die  Drüse  wurde  nun  stumpf  bis  unter  den  Orbitalrand  freiprä- 
pariert und  der  entblösste  Teil  mit  der  Schere  abgetragen.  Naht 
der  Hautwunde.  Es  wurde  auf  jeder  Seite  eine  etwa  2*/^  cm  lange, 
1 — IV2  cm  im  Durchmesser  haltende  Masse  der  Geschwulst,  nach 
meiner  Schätzung  ungefähr  -/s  des  ganzen  Tumors  entfernt.  Es  folgte 
glatte  Heilung.  Schon  nach  wenigen  Tagen  war  der  funktionelle  Er- 
folg ein  so  evidenter,  dass  Pat.  befriedigt  die  Klinik  verlassen  konnte. 

Die  Besserung  des  Zustandes  hielt  jedoch  nicht  lange  an. 
Bald  kamen  die  Geschwülste  an  den  Augenlidern  wieder  zum  Vor- 
schein und  verengerten  die  Lidspalten  fast  in  demselben  Masse  als 
vor  der  Operation.  Auch  vergrösserten  sich  die  Tumoren  an  den 
Kiefer  winkeln  zusehends.  Aus  diesem  Grunde  kam  Pat.  Ende 
März  abermals  in  die  Klinik.  Sämmtliche  Tumoren  schienen  um 
Geringes  an  Umfang  zugenommen  zu  haben.  Die  Anschwellung 
der  Thränendrüsen  hat  fast  den  alten  Umfang  wieder  erreicht.  — 
Es  wird  ein  Versuch  mit  Pilokarpininjektionen  gemacht,  in  der 
Hoffnung,  durch  vermehrte  Sekretion  eine  Volumsabnahme  der 
vergrösserten  Drüsen  zu  erzielen.  Trotz  reichlicher  Salivation  ist 
ein  Erfolg  nicht  zu  konstatieren ; deshalb  wird  nach  18  Tagen  die 
Kur  abgebrochen  und  auf  dringendes  Verlangen  des  Kranken 
abermals  zum  Messer  gegriffen.  Am  19.  April  wird  unter  gleicher 
Schnittführung  wie  das  erste  Mal  die  ganze  Thränendrüse  rechter- 
seits  exstirpiert.  Die  letzten  tief  gelegenen  Reste  werden  mit  dem 
scharfen  Löffel  hervorgeholt.  Glatte  Heilung.  Am  1.  Mai  wird 
in  gleicher  Weise  die  Thränendrüse  entfernt.  Gleichzeitig  werden 
auch  beiderseits  die  vergrösserten  Submaxillardrüsen  exstirpiert. 
Sie  liegen  ebenso  locker,  wie  die  normale  Drüse,  in  ihrem  Lager, 
und  lassen  sich  mühelos  und  unter  geringfügiger  Blutung  aus- 
schälen. Glatte  Heilung  per  primam  inteiitionem.  Nach  10  Tagen 
wird  Pat.  entlassen. 

Ueber  das  weitere  Schicksal  des  Kranken  liegen  nur  brief- 
liche Berichte  vor.  Am  12.  Juli,  also  2 Monate  nach  seiner  Ent- 
lassung, schrieb  er  mir  selbst,  er  sei  mit  seinem  Zustande  sehr 
zufrieden.  Die  Anschwellung  der  Ohrspeicheldrüsen  scheine  aller- 
dings noch  zuzunehmen,  sie  behindere  ihn  aber  nicht.  Er  sei  im 
Gebrauche  der  Augen  gar  nicht  behindert,  obwohl  er  den  ganzen 
Tag  in  der  Sonnenhitze  auf  dem  Felde  arbeiten  müsse.  Die  An- 
schwellungen am  Halse  (Submaxillardrüsen)  seien  nicht  wieder  ge- 
kommen. Er  fühle  sich  auch  sonst  ganz  gesund. 


616 


Johann  Mikulicz, 


Am  25.  Juli  erkrankte  er  plötzlich  unter  den  Erscheinungen 
einer  Peritonitis  (Perityphlitis?),  nachdem  er  noch  Tags  vorher 
seiner  Arbeit  nachgegangen  war.  Er  erlag  der  Krankheit  am 
9.  Tage.  Die  Geschwülste  in  der  Parotisgegend  und  im  Munde 
sollen  sich  während  dieser  Erkrankung  binnen  wenigen  Tagen 
rapid  zurückgebildet  haben,  so  dass  sie  vor  dem  Tode  fast 
verschwunden  waren. 


lieber  die  anatomische  Untersuchung  der  exstirpierten 
Teile  kann  ich  folgendes  berichten.  Am  meisten  Beachtung  ver- 
dient die  Untersuchung  der  Submaxillardrüsen,  welche  in  toto  ent- 
fernt worden  sind.  Zunächst  muss  hervorgehoben  werden,  dass  jede 
der  auf  Kinderfaustgrösse  angeschwollenen  Drüsen  in  Bezug  auf  Form 
und  Gliederung  in  Lappen  und  Läppchen  genau  den  Verhältnissen 
der  normalen  Drüse  entsprach.  Die  Totalansicht  und  der  Quer- 
schnitt des  Tumors,  auf  Taf.  IX  Fig.  1 und  2 dargestellt,  geben 
ein  treues  Bild  davon.  Der  Tumor  zeigte  in  den  gröberen  makro- 
skopischen Einzelheiten  den  normalen  Bau  der  Drüse,  nur  in’s  Mass- 
lose  vergrössert.  Ein  wesentlicher  Unterschied  fand  sich  jedoch 
auf  dem  frischen  Querschnitt  schon  für  das  blosse  Auge  in  der 
Farbe  und  im  feineren  Gefüge  der  die  einzelnen  Lä|3pchen  bilden- 
den Drüsenmasse.  An  Stelle  des  feinkörnigen,  graurötlichen  Gefüges 
der  normalen  Drüsensubstanz  sehen  wir  eine  mehr  homogene,  blass- 
rötlichgelbe, speckige  Masse  von  leichter  Transparenz.  Die  Konsi- 
stenz ist  vermindert,  speckig.  Die  Zahl  der  Blutgefässe  scheint 
nur  in  den  Septis,  der  Grössenzunahme  des  Organs  entsprechend, 
vermehrt  zu  sein ; die  Drüsensubstanz  selbst  erscheint  auffallend 
gefässarm. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab,  dass  die  Hauptmasse 
des  Tumors  aus  einem  ziemlich  gleichmässig  angeordneten  Gewebe 
kleiner  Rundzellen  bestand.  (Siehe  Tafel  IX,  Fig.  3.)  Die  Zellen 
liegen  stellenweise  dichter  beisammen ; an  anderen  Stellen  ist 
zwischen  ihnen  ein  feines  Retikulum  zu  erkennen.  Vereinzelte, 
grössere  Zellen  lassen  deutlich  Kernteilungsfiguren  erkennen.  In 
diese  kleinzelhge  Hauptmasse  eingebettet  erscheinen,  teils  einzeln, 
teils  gruppenweise,  die  anscheinend  unveränderten  Acini  der  Speichel- 
drüse. Sie  sind  durch  das  Rundzellengewebe  gewissermassen  aus- 
einander gedrängt,  auseinander  geworfen. 

Aehnliche  Verhältnisse  boten  sich  bei  der  mikroskopischen 
Untersuchung  der  Thränendrüse  dar;  nur  dass  hier  die  Acini  weit 
seltener  anzutreffen  waren  und,  wie  es  scheint,  in  den  am  meisten 
nach  aussen  gedrängten  Partieen  der  Geschwulst  ganz  fehlten. 


Ueb.  eine  eigenartige  symmet.ErkrankungderTliränen- 11. Miiiidspeicheldrüsen.  ^17 

\ ersuchen  wir  den  hescliriebenen  Fall  zu  deuten,  so  stossen 
wir  auf  mannigfache  Schwierigkeiten.  Der  Krankheitsprozess  stellt 
sich  klinisch  als  eine  langsam  entstehende,  kolossale  Vergrösserung 
sämtlicher  Speichel-  und  Thränendrüsen  dar,  ohne  entzündliche 
Erscheinungen,  ohne  nachweisbare  Mitbeteiligung  des  Gesamt- 
organismus. Der  Prozess  bleibt  auf  das  Gebiet  dieser  Drüsen 
scharf  beschränkt,  er  zieht  weder  die  Nachbarschaft,  noch  andere 
Organe  und  Gewebe  in  Mitleidenschaft.  Die  mikroskopische  Unter- 
suchung ergiebt,  dass  das  eigentliche  Drüsenparenchym  dabei  eine 
ganz  passive  Rolle  spielt.  Die  Grössenzunahme  ist  lediglich  durch 
eine  massenhafte,  kleinzellige  Infiltration  des  interstitiellen  Binde- 
gewebes bedingt. 

Es  ist  klar,  dass  der  mikroskopische  Befund  allein  hier  den 
Prozess  nicht  erklären  kann.  Wäre  eine  einzige  Drüse  in  der  ge- 
schilderten Weise  verändert,  so  würden  wir  nicht  anstehen,  an  eine 
echte  Geschwulst  zu  denken.  Wissen  wir  doch,  dass  gerade  in 
den  Speicheldrüsen,  vom  interstitiellen  Bindegewebe  ausgehend, 
die  mannigfachsten  Geschwülste  aus  der  Bindegewebsreihe,  zumal 
auch  Rundzellensarkome,  Vorkommen.  Einem  typischen  Rundzellen- 
sarkom entspricht  aber  hier  schon  der  histologische  Befund  nicht ; 
ausserdem  widerspricht  das  makroskopische  und  noch  mehr  das 
klinische  Verhalten  dem  Bilde  des  echten  Sarkoms.  Ich  meine  die 
strenge  Respektierung  der  Grenzen  der  Drüse  und  ganz  besonders 
der  grösseren  und  kleineren  Septa  zwischen  den  Drüsenläppchen. 
Die  histologische  Beschaffenheit  der  kleinzelligen  Infiltration  ent- 
spricht am  ehesten  dem  Verhalten  lymphadenoiden  Gewebes. 
Demnach  könnte  man  histologisch  an  ein  Lymphom  oder  Lympho- 
sarkom denken  ‘).  Hiermit  begeben  wir  uns  aber  auf  einen  un- 
sicheren Boden,  auf  ein  Gebiet,  in  welchem  klinische  Beobachtung 
und  histologische  Forschung  noch  nicht  völlig  in  Einklang  gebracht 
sind  und  auf  welchem  die  Nomenclatur  noch  recht  unklar  und 
zweideutig  ist.  Wir  könnten  zunächst  an  jene  Formen  von  Ge- 
schwülsten denken,  welche  primär  von  Lymphdrüsen  oder  von  prä- 
formiertem  lymphadenoiden  Gewebe  ausgehen  und  als  maligne 
Lymphome  (Pseudoleukaemie)  bezeichnet  werden.  Heidenhain-) 
hat  im  interstitiellen  Bindegewebe  der  Speicheldrüsen,  namentlich 
in  der  Sublingualis  lymphatisches  Gewebe  nachgewiesen ; gegen  die 
Annahme  einer  primären  Lymphombildung  in  der  Speicheldrüse 

')  Icli  habe  nach  der  ersten  mikroskopischen  üntersuchnng  den  Prozess 
in  der  Tliat  als  Lymphosarkom  aufgefasst  und  in  diesem  Sinne  auch  Herrn 
Prof.  Fuchs  in  Wien  von  dem  Falle  Mitteilung  gemacht. 

‘0  Studien  des  physiologischen  Institutes  zu  Breslau  18dS,  4.  Heft,  S.  11(5. 


618 


Johann  Mikulicz. 


ist  daher  a priori  nichts  einzuwendeii.  Das  vollständige  Fehlen 
einer  Mitbeteiligung  der  Lymphdrüsen  und  der  Milz  — wie  sie 
z.  B.  auch  die  sog.  Pseudoleukämie  der  Haut  begleitet  — spricht 
jedoch  gegen  den  Charakter  maligner  Lymphome. 

Aber  auch  die  Annahme  eines  Lymphosarkoms,  wie  es  ausser 
den  Lymphdrüsen  gelegentlich  im  Hoden  und  in  anderen  Organen 
vorkommt,  ist  nach  meiner  Meinung  nicht  zulässig.  So  weit  mir 
die  Fälle  dieser  Art  bekannt  sind,  handelt  es  sich  immer  um  ma- 
ligne Neubildungen,  die  früher  oder  später  Metastasen  machen. 
Der  klinische  Verlauf  entspricht  dem  des  typischen  Sarkoms.  In 
unserem  Falle  war  der  klinische  Verlauf  während  der  14  monat- 
lichen Beobachtung  trotz  des  Recidivs  von  Seiten  der  Thränendrüsen 
kein  maligner;  in  den  letzten  Lebenstagen  des  Kranken  bildeten 
sich  die  nicht  operierten  Tumoren  rapid  zurück.  Ueberlegen  wir 
ferner,  dass  das  fast  gleichzeitige  Auftreten  zahlreicher  Erkrankungs- 
herde an  örtlich  völlig  getrennten  Stellen  unseren  Erfahrungen 
über  bösartige  Geschwülste  direkt  widerspricht,  so  müssen  wir  die 
Annahme  einer  solchen  in  unserem  Falle  entschieden  zurück- 
weisen. 

Das  Resultat  unserer  Betrachtung  ist  somit  ein  rein  negatives. 
Ueber  die  Bedeutung  des  Prozesses  kann  ich  nur  Vermutungen 
aussprechen.  Bevor  ich  aber  die  Gedanken  ausspreche,  die  ich 
mir  in  der  Richtung  gemacht  habe,  möchte  ich  die  Fälle  anderer 
Beobachter  anführen,  soweit  sie  zu  dem  meinigen  in  Beziehung 
zu  bringen  sind. 

Die  meiste  Aehnlichkeit  mit  meinem  Falle  hat  ein  vor  kurzem 
von  Fuchs  mitgeteilter,  in  welchem  beiderseits  die  Thränen- 
drüsen und  Parotiden  erkrankt  waren.  F erner  ein  vor  3 Jahren 
mitgeteilter  F all  von  Haltenhoff mit  gleichzeitiger  Anschwellung 
der  Thränendrüsen,  der  Parotiden  und  Submaxillar- 
drüsen  beider  Seiten. 

Der  Fall  von  Fuchs  ist  folgender: 

61  jähriger,  kräftiger  Mann,  von  Beruf  Glaser.  Er  bemerkte  vor  5 Monaten 
eine  Anschwellung  der  oberen  Augenlider,  vor  4 Wochen  die  Geschwulst  in  der 
Parotisgegend.  ’\’’orstellung  in  der  Klinik  des  Prof.  Fuchs  in  Wien  im  März  1890. 
Die  l^eiden  oberen  Augenlider  in  ihrer  äusseren  Hälfte  durch  eine  Geschwulst  vor- 
getrieben, die  im  äusseren  oberen  Teil  der  Orl)ita  lag.  Der  vordere  Rand  der 
Geschwulst  fühlte  sich  hart  und  höckerig  an ; die  Lider  selbst  waren  darüber 
verschieblich.  Wurde  das  Lid  stark  in  die  Höhe  gezogen,  so  erschien  die  Ueber- 

')  Gleichzeitige  Erkrankung  der  Thränendrüseir  und  der  Parotiden.  Bei- 
träge zur  Augenheilkunde.  Heft  HI,  1891. 

'0  Hyperplasie  lymphatique  des  glandes  lacrymales  et  salivaires.  Annales 
d’oculistique  1889. 


619 


Ueb.  eine  eigenartige  syininet.  Erkrankung  der  Thränen-  u.^Iiindspeicheldrüsen. 

gangsfalte  in  ihrer  äusseren  Hälfte  dm’cli  eine  braunrote  Geschwulst  vorgewölbt. 
Die  Bulbi  etwas  vorgetrieben,  im  übrigen  intakt.  Sehvermögen  ungestört.  — 
Anschwellung  beider  Ohrspeicheldrüsen ; sie  stellte  sich  als  eine  abgeplattete 
Geschwulst  von  4 5 cm  Durchmesser  dar,  die  auf  dem  aufsteigenden  Unterkiefer- 
aste lag  und  sich  so  weit  nach  hinten  erstreckte,  dass  das  Ohrläppchen  abgezogen 
erschien.  Konsistenz  hart,  Oberfläche  leicht  höckerig.  Die- übrigen  Speicheldrüsen, 
sowie  die  Lymphdrüsen  waren  intakt,  ebenso  die  Hoden.  Innere  Organe  und 
Blut  normal.  Syphilis  nicht  vorhanden. 

Bat.  bekam  in  täglich  steigender  Dosis  Solutio  arsenicalis  Fowleri.  Er 
kam  aber  nur  bis  14  Tropfen,  weil  er  einen  akuten  Ausschlag  bekam.  Nach 
2 Monaten  war  die  Thränendrüsengeschwulst  der  rechten  Seite  deutlich  verkleinert, 
während  sie  auf  der  linken  unverändert  blieb.  Auch  die  Parotisgeschwülste, 
namentlich  die  rechte,  waren  erhelilich  kleiner  geworden.  Ein  zweiter  l'ersuch 
der  Arsenikkur  musste  abermals  abgebrochen  werden,  weil  Pat.  unter  Schüttel- 
frost einen  Ausschlag  bekam  und  abmagerte.  Im  Mai  1891,  also  14  Monate  nach 
der  ersten  ^'orstellung,  konstatierte  Fuchs  ungefähr  denselben  Befund  wie  das 
erste  Mal.  Sämtliche  Anschwellungen  waren  wieder  ungefähr  zur  ursprünglichen 
Grösse  herangewachsen.  Sie  waren  aber  auch  Jetzt  indolent,  hart,  nirgends  mit 
der  Umgebung  verwachsen,  so  dass  sie  ganz  frei  beweglich  erschienen.  Das 
Allgemeinbefinden  war  gut.  — Bei  der  ersten  Vorstellung  des  Kranken  excidierte 
Fuchs  ein  kleines  Stückchen  von  demjenigen  Teil  der  Thränendrüse,  der  sich  am 
meisten  unter  der  oberen  Uebergangsfalte  hervordrängte.  Bei  der  Untersuchung 
dieses  Stückchens  fanden  sich,  in  das  kaum  veränderte  sulmmköse  Gewelje  der 
oberen  Uebergangsfalte  eingebettet,  grössere  und  kleinere  Knoten,  welche  den 
Bau  von  Lymphomen  zeigten.  Die  meisten  waren  gegen  das  umgel)ende  Gewebe 
scharf  abgegrenzt ; sie  bestanden  aus  dicht  godrilngten,  einkernigen  Zellen,  deren 
Kerne  rund  oder  ein  wenig  oval,  stark  granuliert  und  mit  den  angewendeten 
Färbemitteln  intensiv  gefärbt  waren.  An  manchen  Kernen  erkannte  man  das 
sehr  spärliche,  siegelringartig  ahgeordnete  Zelli)rotoplasma;  an  den  meisten  Kernen 
Avar  aber  eine  deutliche  Protoplasmahülle  nicht  zu  erkennen.  Zwisclien  den  zelligen 
Elementen  befand  sich  kein  deutliches  Eeticulum,  sondern  eine  fast  homogene 
ZAvischensul)stanz.  Einzelne  dünnwandige  Blutgefässe  fanden  sich  im  Inneren 
der  Knoten : nirgends  eine  Spur  von  Zerfall,  noch  von  epitheloi'den  oder  Kiesen- 
zellen. Elemente  der  Drüse  wurden  nicht  gefunden. 

Die  Krankengeschichte  des  Falles  von  Halten  ho  ff  ist  in 
Kürze  folgende. 

12jähriges  iMädehen,  früher  wegen  phlyktenulärer  Conjunctivitis  in  der 
Augenklinik  ])ehandelt.  Vor  4 Monaten  entwickelte  sich  allmählieh , ohne  be- 
kannte Ursache,  ohne  Fieber,  ohne  Beschwerden  eine  Anschwellung  der  oberen 
Augenlider,  vor  den  Ohren  und  unter  den  Kieferwinkeln,  u.  z.  zuerst  am  rechten, 
dann  am  linken  Auge  und  dann  an  den  anderen  Stellen.  Gut  entwickeltes 
Kind,  von  etAvas  blassem  Aussehen,  sonst  gesund.  Symmetrische  ^ orwölbung 
der  äusseren  Hälfte  der  oberen  Augenlider  durch  eine  unter  der  Lidhaut  sitzende, 
unbeAA'egliche  GescliAA'ulst ; keine  Kötung,  kein  Oedem,  keine  Gefäss-Lktasieen. 
Die  Haut  über  dem  Tumor  verschiebbar;  der  Tumor  selbst  glatt,  hart,  völlig 
schmerzlos;  er  entspricht  der  Lage  nach  der  riiräncndrüse.  V ird  das  obere 
Augenlid  umgestülpt,  so  erscheint  die  Lebergangsfalte  durch  einen  lötlichen 
Tumor  hervorgedrängt.  Conjunctiva  am  Bulbus  im  ül)rigcn  intakt.  Beide  I aro- 
tiden  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  zu  indolenten,  fast  bretthaiten  Tumoien  an- 


620 


Johann  Mikulicz. 


geschwollen,  die  dein  Kinde  ein,  dem  Bilde  des  ^luini^s  ähnliches,  Aussehen  geben. 
Auch  die  Snbmaxillardrüsen  sind  in  symmetrische  Geschwülste  von  ähnlicher 
Beschaffenheit  umgewandelt.  An  den  iSuhlingnaldrüsen  keine  Veränderung  nach- 
Aveisbar.  Keinerlei  LymphdrüsenschAvelhingen.  Innere  Organe  gesund.  Mandeln 
etwas  vergrössert,  die  Pharynxschleimhant  etwas  gescliAVollen.  Die  Zähne  intakt, 
die  Gingiva  und  Mundschleimhaut  von  normalem  Aussehen.  Nach  Angabe  der 
INIutter  soll  das  Kind  öfter  husten  und  sich  schnäuzen;  der  Nasenschleim  sei 
öfter  übelriechend.  Zur  Zeit  besteht  ein  geringfügiges  Eczem  am  Naseneingang. 
— Speichel-  und  Thränenahsonderung  nicht  vermehrt.  Hämoglobingehalt  des 
Blutes  (nach  GoAvers)  85  “/o.  Her  Patientin  Avird  ausser  roborierender  Diät  und 
Bewegung  in  frischer  Luft  Jodeisensyrup  verordnet.  Schon  nach  14  Tagen  ist 
eine  Vohunsabnahme  an  den  Geschwülsten  bemerkbar.  Nach  mehr  als  einem 
Jahre  Avar  das  IMäilchen  A^on  blühendem  Aussehen.  Die  Submaxillardi’üsen  sind 
nicht  mehr  zu  fühlen,  dagegen  erscheinen  die  Parotiden  noch  etAvas  stärker  als 
normal.  Die  Thränendrüsen  fühlt  man  gerade  noch  dicht  am  Orbitalrand. 

Ich  habe  die  zwei  Fälle  von  Fuchs  und  Halten  hoff  aus- 
führlicher wiedergegeben,  weil  sie  für  die  Charakteristik  des  vor- 
liegenden Krankheitsprozesses  von  Bedeutung  sind.  Wenn  auch 
im  Fall  von  Halten  hoff  kein  histologischer  Befund  vorliegt,  so 
stimmt  er  doch  klinisch  mit  den  anderen  zweien  so  völlig  überein, 
dass  wir  annehmen  dürfen,  es  handle  sich  in  allen  drei  Fällen  um 
denselben  Prozess.  Der  Fall  von  Haltenhoff  ist  insofern  beson- 
ders wichtig,  weil  hier  innerhalb  Jahresfrist  die  fast  vollständige 
Rückbildung  der  Geschwülste  konstatiert  wurde. 

Ausser  den  angeführten  finde  ich  noch  zwei  Fälle  in  der 
Litteratur,  die  höchst  wahrscheinlich  auch  hierher  gehören  ^).  Den 
einen  Fall  von  R e y m o n d kenne  ich  nur  nach  einem  Referat : 

Bei  einem  57jährigen  Mann  bestand  seit  2 — 3 Jahren  beiderseits 
eine  Anschwellung  an  den  oberen  Augenlidern,  in  der  Parotis- 
gegend  und  an  den  Achseldrüsen.  Die  Geschwulst  der  Orbita 
wurde  exstirj)iert ; die  mikroskopische  Untersuchung  erwies  lym- 
phoides  Gewebe,  das  an  einzelnen  Stellen  Zeichen  amyloider  De- 
generation erkennen  liess.  Der  zweite  Fall  wurde  als  Sarkom  der 
Thränendrüsen  im  Jahre  1889  von  Adler  in  der  Gesellschaft  der 
Aerzte  zu  Wien  vorgestellt  ^). 

Ich  teile  die  Krankengeschichte  im  Auszug  mit. 

TO  jähriger  Maun,  hat  ausser  Pueumonie  und  Dysenterie  keine  Krankheiten 
durchgemacht,  Avar  auch  nicht  syphilitisch.  Vor  einem  Jahre  bemerkte  er  beider- 

b Nachträglich  teilt  mir  Herr  Professor  Fuchs  mit,  dass  er  in  der  letzten 
Zeit  noch  ZAvei  andere  dem  ersten  analoge  Fälle , nur  leichterer  Art  beobachtet 
habe.  Die  Anschwellungen  nahmen  nach  Monaten  unter  Arsen- 
gebrauch  ab.  Leukämie  war  in  keinem  der  Fälle  A'erbanden. 

‘b  Arch.  d’ophthalmologie  VI,  23. 

Sitzung  A'om  17.  Mai  1889.  Siehe  Wiener  klinische  "Wochenschrift  1889, 


S.  422. 


Ueb.  eine  eigenartige  symmet.  ErkrankungderTliränen-u.iNIundspeicheldrüsen.  6^1 


seits  in  der  Gegend  der  Thränendrüse  das  Auftreten  von  Geschwülsten,  die  all- 
mählich bis  zur  jetzigen  Grösse  wuchsen.  Befund  am  3.  April  1889 : Am  oberen 
äusseren  Rande  beider  Augenhöhlen  ziemlich  symmetrisch  stehen  circa  3b'2  cm  lange, 
16  mm  breite  Geschwülste;  der  rechtsseitigen  sitzt  noch  ein  erbsengrosser  Höcker 
auf.  Der  Rand  der  Geschwulst  setzt  sich  mehr  nach  aussen  und  abwärts  ins 
Lid  fort.  Die  Geschwülste  sind  knorpelhart,  von  höckeriger  Oberfläche,  nicht 
schmerzhaft;  sie  lasseiv  sich  unter  der  Lidhaut,  jedoch  nicht  gegen  den  Orbital- 
rand verschieben  und  sitzen  an  der  Orbitalwand  fest.  Die  Lidspalten  in  allen 
Dimensionen  verengert,  von  Seckiger  Form  mit  der  Spitze  nach  oben.  Im  äusseren 
Abschnitt  des  linken  oberen  Augenlides  Ektropium.  Beim  Umstülpen  des  Ober- 
lides bemerkt  man,  dass  die  Conjunctiva  im  Bereich  der  Uebergangsfalte  degeneriert 
und  teils  von  Wucherungen  in  der  Grösse  von  Trachomkörnern,  teils  von  hahnen- 
kammartigen Excrescenzen  besetzt  ist.  Conjunctiva  bulbi  et  tarsi  normal.  Seit 

3 Monaten  bemerkt  Pat.  ausserdem  verschiedene  Drüsenanschwellungen.  Zur 
Zeit  sind  zu  harten  Knollen  angesclnvollen  die  Cervical-,  Praeauricular-  und  Sub- 
maxillardrüsen.  Seit  6 Wochen  Heiserkeit,  seit  3 Wochen  eine  >Hervorragung< 
am  harten  und  weichen  Gaumen.  Im  Rachenraume  eine  so  bedeutende  Schwellung, 
dass  die  laryngoskopische  Untersuchung  unmöglich  ist.  Die  Untersuchung  eines 
exstirpierten  Teiles  der  Conjunctiva  ergab  ein  »kleinzelliges  Sarkom*.  Es  wurde 
angenommen,  dass  ein  primäres  Sarkom  der  Thränendrüsen  vorliege  mit  all- 
gemeiner Sarkomatose.  Aus  diesem  (-rrunde  wurde  von  jedem  operativen  Eingrifl;' 
abgesehen  und  eine  Arsenkur  eingeleitet  (Tinct.  Fowleri  bis  10  Tropfen  täglich). 
Nach  6 Wochen  trat  eine  sichtliche  Besserung  ein.  Die  Heiserkeit  verschwand, 
die  Schwellung  am  Gaumen  nahm  ab,  die  Geschwülste  der  Thränendrüsen  ver- 
kleinerten sich  zusehends,  so  dass  sie  nur  mehr  2 cm  lang  und  11  mm  breit 
waren.  Die  mikroskopische  Untersuchung  eines  abermals  excidierten  Stückchens 
der  erkrankten  Conjunctiva  bestätigte  die  frühere  histologische  Diagnose;  es 
wurde  aber  nun,  mit  Rücksicht  auf  den  Erfolg  der  Arsenbehandlung,  ein  Lymi)ho- 
sarkom  resp.  malignes  Lymphom  angenommen.  Mitte  September  1892,  also  fast 

4 V'2  Jahre  nach  Beginn  der  Erkrankung,  ist  der  Kranke  einer  brieflichen  Mitteilung 
des  Herrn  Primararzt  Dr.  Adler  zufolge  vollkommen  geheilt.  Er  nimmt  noch  Arsen. 


Die  beiden  Fälle  von  Reymond  und  Adler  unterscheiden 
sich  von  den  früheren  wesentlich  durch  die  Mitbeteiligung  der 
Ly inphdrüsen.  Es  kann  daher  die  Frage  entstehen,  ob  diese 
Fälle  überhaupt  hierher  gehören;  ein  Zweifel  in  dieser  Richtung 
scheint  um  so  eher  berechtigt,  als  die  Erkrankung  der  Speichel- 
drüsen bei  Reyinond  und  Adler  ganz  in  den  Hintergrund  tritt. 
Fuchs  zweifelt  überhaupt  daran,  dass  iin  Falle  von  Re3'inond 
die  Parotiden  miterkrankt  gewesen  seien;  er  glaubt,  dass  die 
Lymphdrüsen  der  Präauriculargegend  einen  Parotistumor  vor- 
getäuscht hätten.  In  dem  Falle  von  Adler  ward  der  Speichel- 
drüsen gar  nicht  Erwähnung  gethan;  gleichwohl  können  mässige 
Anschwellungen  unter  den  intumescierten  Präauricular-  und  Sub- 
maxillardrüsen  der  Beobachtung  entgangen  sein.  Ich  möchte  an 
diese  Möglichkeit  denken,  weil  im  Adler  sehen  Falle  eine  Gruppe 
von  Drüsen,  die  zum  Typus  der  Speicheldrüsen  gehören,  sicher 


(322 


Joliann  Mikulicz. 


intumesciert  waren.  Ich  meine  die  Gaumendrüsen.  Die  am 
harten  und  weichen  Gaumen  bestehende  »Hervorragung«  kann 
ich  wenigstens  nur  so  deuten;  sie  entspricht  auch  dem  Verhalten 
der  Gaumendrüsen  in  meinem  Falle. 

Eine  auffallende  Aehnlichkeit  mit  den  früheren  haben  die 
zwei  Fälle  in  Betreff  der  Erkrankung  der  Thränendrüsen.  Der 
klinische  Verlauf,  namentlich  die  Gutartigkeit  des  Prozesses,  die 
symmetrische  Entwicklung  stimmen  völlig  überein.  Auch  der 
histologische  Befund  widerspricht  nicht  der  Annahme  eines  gleich- 
artigen Prozesses. 

Die  Erkrankung  der  Thränendrüsen  ist  in  unseren  Fällen 
nicht  nur  die  konstanteste  Erscheinung;  sie  ist  auch  diejenige, 
welche  zuerst  auftritt.  Wir  finden  in  den  Krankengeschichten  die 
zweifellose  Angabe,  dass  zuerst  die  Thränendrüsen  anschwollen 
und  später  erst  in  wechselnder  Reihenfolge  die  anderen  Anschwel- 
lungen auftraten.  Es  scheint  also,  dass  die  Thränendrüsen  den 
ersten  und  vornehmlichsten  Angriffspunkt  des  Krankheitserregers 
abgeben.  Es  wäre  daher  a priori  auch  die  Möglichkeit  einer 
isolierten  Erkrankung  der  Thränendrüsen  zuzugeben.  Wir  finden 
nun  in  der  Litteratur  in  der  That  mehrere  Fälle  von  Erkrankung 
der  Thänendrüsen  allein  verzeichnet,  welche  nach  meiner 
Meinung  hierherzuzählen  sind.  Ich  sehe  von  den  in  den  Lehr- 
büchern häufig  wiederkehrenden  Angaben  von  »Hypertrophieen« 
der  Thränendrüsen  ab ; ebenso  von  mehrfachen  kasuistischen  Mit- 
teilungen, die  nur  eine  unsichere  Deutung  zulassen.  Von  den  mir 
zugänglichen  Fällen  möchte  ich  nur  drei  anführen.  Vor  allem 
den  genau  beobachteten  Fall  von  Arnold  und  Becker^)  aus  dem 
Jahre  1872. 

33jähriger  Müller,  hereditär  nicht  belastet,  bis  zum  19.  Lebensjahre  gesund. 
Im  20.  Lebensjahre  wurde  er  von  einer  Entzündung  beider  Augen  befallen,  die 
er  auf  die  Einwirkung  des  Staubes  in  der  Mühle  zurückführt.  Die  Augenentzündung 
hielt  bis  zum  heutigen  Tage  in  wechselnder  Intensität  an  und  veranlasste  ihn 
wiederholt,  ärztliche  Hilfe  zu  suchen.  Seit  dem  30.  Lebensjahr  soll  der  Exophthal- 
mus bestehen.  1.  Februar  1871  Aufnahme  in  die  Heidelberger  Augenklinik. 
Beide  Augen  waren  stark  aus  der  Orbita  hervorgetrieben,  ihre  Achsen  conver- 
gierten  nach  unten,  ihre  Beweglichkeit  jedoch  nach  keiner  Seite  ganz  aufgehoben. 
Das  obere  Augenlid  war  an  beiden  Augen  stark  ausgedehnt  und  konnte  so  gut 
wie  gar  nicht  gehoben  werden.  Conjunctiva  in  der  ganzen  Ausdehnung  gleich- 
mässig  gerötet,  stark  secernierend ; am  unteren  Rande  der  rechten  Cornea  Ge- 
fässentwicklung.  Starke  Lichtscheu.  Beträchtliche  spontane  Schmerzen  waren 
nicht  vorhanden.  Als  Grund  des  Exophthalmus  liess  sich  in  beiden  Augenhöhlen 
eine  im  oberen  äusseren  Winkel  derselben  gelegene,  rundliche,  mehr  als  tauben- 

Doppelseitiges,  symmetrisch  gelegenes,  Lymphadenom  der  Orbita,  Gräfe’s 
Archiv.  XVIII,  2.  Abt.  56. 


U eb.  eine  eigenartige  symmet.  Erkrankung<lerTbranen-u.^Iundspeicheldrüsen.  623 

eigrosse,  derbe,  nicht  pulsierende  und  bei  Druck  nicht  schmerzhafte  Geschwulst 
mit  glatter  Oberfläche  erkennen.  Die  Geschwulst  hinter  dem  rechten  Auge  W'ar 
beträchtlich  gi’össer  als  die  linke.  Ein  Zusammenhang  mit  dem  Bulbus  bestand 
nicht.  — Es  wurde  eine  Hypertrophie  der  Thränendrüsen  angenommen  und  die 
Exstirpation  beider  Tumoren  durch  einen  parallel  mit  dem  oberen  Orbitalrande 
geführten  Schnitt  ausgeführt.  Anfangs  Juni  1872  haben  beide  Bulbi  normale 
Lage  und  Beweglichkeit.  Der  Tumor  ist  nicht  recidiviert.  Die  Conjunctiva  an 
beiden  Augen  ist  sammetartig  aufgelockert  und  leicht  injiciert,  die  Conjunctiva 
bulbi  netzförmig  injiciert.  Keine  Spur  von  Trachomkörnern.  Vermehrte  Sekretion. 
Sehschärfe  nornial.  — Am  i).  November  1872,  also  P/4  Jahre  nach  der  Operation, 
sind  die  Tumoren  nicht  recidiviert. 

Die  von  Prof.  Arnold  vorgenommene  Untersuchung  ergiebt, 
dass  sich  der  Tumor  im  wesentlichen  aus  lymphatischem  Ge- 
webe zusammensetzt.  Dichte  Anhäufungen  lymphoider  Elemente, 
welche  in  ein  zartes  Reticulum  eingebettet  und  gegen  die  Nach- 
barschaft scharf  abgegrenzt  erscheinen,  ahmen  vollständig  den 
Typus  von  Lymphfollikeln  nach.  Sie  liegen  in  einem  mehr  gleich- 
artig angeordneten,  diffusen  lymphatischen  Gewebe.  Stellenweise 
finden  sich  stärkere  Bindegewebszüge.  Arnold  nimmt  keinen 
Anstand,  die  Geschwülste  als  eingentliche  Lymphadenome,  d.  i. 
Neubildung  lymphatischen  Gewebes,  zu  deuten.  In  Bezug  auf  den 
Ausgangspunkt  derselben  spricht  er  nur  Vermutungen  aus.  Zur 
Annahme  einer  echten  Heteroplosie,  der  Entwicklung  lymphatischen 
Gewebes  aus  dem  Bindegewebe  der  Orbita,  kann  er  sich  nur  schwer 
entschliessen.  Viel  wahrscheinhcher  erscheint  es  ihm,  dass  an 
der  betreffenden  Stelle  im  Bindegewebe  der  Orbita  normalerweise 
oder  bei  einzelnen  Individuen  präformiertes,  lymphatisches  Gewebe 
liege,  das  hier  den  Ausgangspunkt  der  Geschwulst  abgegeben 
habe.  Dies  sei  aber  nur  Hypothese,  da  der  thatsächliche  Nach- 
weis eines  derartigen  präformierten  Gewebes  zur  Zeit  fehle. 

Nur  sehr  spärliche  Aufzeichnungen  konnte  ich  leider  über 
die  anderen  zwei  Fälle  finden.  Der  eine  wurde  mit  wenigen 
Zeilen  von  Korn^)  im  Jahre  1869  mitgeteilt,  und  zwar  unter 
Bezugnahme  auf  einen  von  Horner  publicierten  Fall  von  beider- 
seitiger, akuter  Thränendrüsenentzündung.  Der  Fall  betrifft  eine 
Cigarrenarbeiterin,  die  seit  4 Monaten  an  einer  Anschwellung  der 
Thränendrüsen  litt.  Aus  der  der  Mitteilung  beigegebenen  Abbil- 
dung geht  hervor,  dass  es  sich  um  eine  symmetrische,  in  der 
Thränendrüsengegend  gelegene  Geschwulst  handelte,  welche  genau 
so,  wie  in  den  anderen  Fällen,  die  äussere  Hälfte  der  Uebergangs- 
falte  weit  nach  unten  drängte. 

Den  anderen  Fall  von  Power-)  kenne  ich  nur  aus  Referaten. 

1)  Klinische  Monatsblätter  für  Augenheilkunde.  18fi8.  VII,  181. 

Transaction  of  the  ophthahn.  1887,  p.  109. 


624 


Johann  Mikulicz. 


Ein  14jähriger,  im  übrigen  gesunder  Knabe  litt  seit  einem  halben 
Jahre  an  einer  Anschwellung  beider  Thränendrüsen,  Nachdem 
Medikamente  erfolglos  blieben,  wurde  die  linke  Thränendrüse  ex- 
stirpiert.  Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab  eine  Hyper- 
trophie des  interstitiellen  Gewebes,  während  sich  an  der  Drüsen- 
substanz keine  auffälhgen  Veränderungen  fanden. 

Die  mangelhaften  Daten  über  die  zwei  zuletzt  angeführten  Fälle 
gestatten  sicher  nicht,  dieselben  ohne  Weiteres  mit  dem  Beck  er- 
sehen in  eine  Parallele  zu  stellen  und  damit  unseren  früheren 
Fällen  anzureihen.  Immerhin  gehören  sie  insofern  hierher,  als  es 
sich  um  eine  chronische,  symmetrisch  auftretende  Geschwulstbil- 
dung im  Bereich  der  Thränendrüsen  mit  gutartigem  Charakter 
handelt.  Dagegen  stehe  ich  nicht  an,  den  Becker 'sehen  Fall 
trotz  der  isolierten  Erkrankung  der  Thränendrüsen  den  früheren 
direkt  an  die  Seite  zu  stellen. 

Während  wir  demnach  Beobachtungen  über  eine  isolierte 
Erkrankung  der  Thränendrüsen  nach  dem  beschriebenen  Typus 
verzeichnet  finden,  suchen  wir  vergebens  nach  ähnlichen  Beob- 
achtungen, die  sich  auf  die  Speicheldrüsen  allein  unter  Ausschluss 
der  Thränendrüsen  beziehen.  Weder  in  den  Lehrbüchern,  noch 
in  den  einschlägigen  Monographieen  finden  wir  diese  Affektion 
angedeutet.  Die  grundlegende  Arbeit  von  Billroth^)  über  die 
Speicheldrüsengeschwülste,  die  spätere  ausgezeichnete  Arbeit  von 
Kaufmann-)  über  die  Parotis-Sarkome  und  eine  jüngst  erschienene 
Arbeit  von  Nasse^)  enthalten  keine  einzige  Beobachtung,  welche 
hieher  zu  beziehen  wäre.  Es  muss  auch  auffallen,  dass  mit  Aus- 
nahme meines  Falles  alle  hier  angeführten  Beobachtungen  von 
Ophthalmologen  herrühren. 

Ich  möchte  es  nicht  unterlassen,  hier  auch  noch  einige  andere 
Beobachtungen  anzuführen,  welche  sich  auf  die  gleichzeitigen  Er- 
krankungen der  Thränen-  und  Speicheldrüsen  resp.  Lymphdrüsen 
beziehen,  aber  ausser  dieser  einen  Aehnlichkeit  mit  unseren  Fällen 
wenig  gemein  haben.  Zunächst  ein  von  Gordon  Norrie^)  mit- 
geteilter Fall  von  akuter  Entzündung  beider  Thränendrüsen 
im  Gefolge  einer  epidemischen  Parotitis  bei  einem  11jährigen 
Mädchen,  den  der  Autor  wohl  mit  Recht  als  echten  Mumps  der 

P Beobachtungen  über  Geschwülste  der  Speicheldrüsen.  Virchow’s  Archiv 
XVII,  357. 

Das  Parotis-Sarkom.  Arch.  f.  klin.  Chir.  XXVI,  672. 

Die  Geschwülste  der  Speicheldrüsen  und  verwandte  Tumoren  des  Kopfes. 
Arch.  f.  klin.  Chir.  XXXXIV,  233. 

h Centralblatt  f.  Augenheilk.  1890,  223. 


Ueb.  eine  eigenartige  synimet.  Erkrankung  der  Thränen.u.]\lundspeiclieldrüsen.  625 

Thräneiidrüse  auffasst.  Dann  berichtet  Galezowski’)  über  einen 
b all  von  akuter  Entzündung  der  Thränendrüsen , welchen  er  bei 
einer  40jährigeh  Frau  beobachtete;  die  Erkrankung  war  von  einer 
Schwellung  der  Präauricular-  und  Submaxillar-Lymphdrüsen  be- 
gleitet. Ferner  teilt  Scheffels^)  einen  Fall  von  doppelseitiger, 
nicht  eitriger,  fieberlos  verlaufender  Dakryoadenitis  mit.  Die  Affektion 
war  nicht  schmerzhaft.  Gleichzeitig  waren  auch  die  submaxillaren 
Speichel-  und  Lymphdrüsen  zu  kinderfaustgrossen  Tumoren  an- 
geschwollen ; ausserdem  fanden  sich  noch  anderwärts  Lymph- 
drüsensch Wellungen  und  eine  Vergrösserung  der  Milz.  Parotis 
und  Präauriculardrüsen  waren  unverändert.  Binnen  13  Tagen 
gingen  die  Anschwellungen  nach  Jodkaliumgebrauch  zurück. 
Einen  Fall  von  akuter,  indolenter  und  ohne  Fieber  verlaufender 
Anschwellung  beider  Thränendrüsen  teilt  auch  Horner®)  mit. 
Auch  hier  ging  nach  Jodkaliumgebrauch  bmnen  3 Wochen  die 
Anschwellung  zurück.  Doch  fehlten  begleitende  Erscheinungen 
von  seiten  der  Speichel-  und  Lymphdrüsen. 

Von  chronischen  Prozessen , welche  mit  der  uns  beschäf- 
tigenden Affektion  eine  gewisse  Aehnlichkeit  haben,  kommen 
meines  Wissens  nur  die  leukämische  Anschwellung  und  die 
Tuberkulose  der  Thränendrüse  in  Begleitung  der  gleichnamigen 
Affektion  der  Lymphdrüsen  vor. 

Einen  Fall  von  Leukämie  dieser  Art  hat  Gallasch ■*)  be- 
schrieben. Er  betrifft  ein  4^2 jähriges  Mädchen,  das  an  typischer 
Leukämie  litt  und  diesem  Leiden  auch  erlag.  Ausser  der  An- 
schwellung der  Milz,  Leber  und  der  Lymphdrüsen  verschiedener 
Regionen  waren  auch  die  Thränendrüsen,  die  Parotiden  und  die 
Sublingualdrüsen  intumesciert.  Gallasch  fand  die  Thränendrüsen 
in  gleicher  Weise  wie  die  anderen  erkrankten,  drüsigen  Organe 
in  einem  leukämischen  Tumor  aufgegangen. 

Fälle  dieser  Art  scheinen  sehr  selten  zu  sein,  wenigstens  finde 
ich  keine  anderweitige  Beobachtung  in  der  Litteratur.  Gewiss 
ebenso  selten  dürfte  eine  tuberkulöse  Infiltration  der  Thränen- 
drüsen sein.  Ich  habe  einen  charakteristischen  Fall  dieser  Art 
in  Königsberg  beobachtet.  Die  Erkrankung  beider  Thränen- 
drüsen schloss  sich  an  die  Entwicklung  zahlreicher  tu- 
berkulöser Lymphome  der  Parotis-  und  Submaxillar- 

Recueil  d’ophthalmologie  1886,  415. 

2)  Centralbl.  f.  Augenheilk.  1890,  136. 

Klinische  Moiiatsblätter  1866,  I\  , 25  <. 

♦)  Beiderseitige  leukämische  Intiltration  der  Thränendrüse.  Jahrb.  für 
Kinderheilkunde.  1874,  VII  1,  Seite  82. 


40 


626 


Joliann  ]\Iikulicz. 


gegend  an.  Ich  teile  den  Fall  seiner  Seltenheit  wegen  ausführ- 
lich mit. 

Eduard  Stein,  20  Jahre  alt,  Müller  aus  Eogelmen  in  Ostpreussen.  Der 
Vater  ist  lungenleidend,  die  Mutter  und  3 Brüder  gesund.  Der  bis  dahin  stets 
gesunde,  junge  Mann  bemerkte  vor  einem  Jahre  das  Auftreten  eines  etwa  hasel- 
nussgrossen Knotens  unter  dem  Kinn.  Bald  kamen  neue  Knoten  in  der  Nach- 
barschaft hinzu ; sie  wuchsen  innerhalb  weniger  Wochen  verhältnismässig  rasch, 
nahmen  aber  dann  nur  ganz  unmerklich  an  Umfang  zu.  So  entwickelten  sich 
im  V^erlaufe  von  8 — 10  Monaten  nach  und  nach  die  jetzt  vorhandenen  An- 
schwellungen am  Gesicht  und  Hals.  Erst  vor  4 Wochen  bemerkte  Pat.  die  Ent- 
wicklung der  Geschwulst  im  linken  oberen  Augenlid.  Beschwerden  hatte  er  nie 


Fig.  D. 


davon.  — Seit  einiger  Zeit  leidet  er  an  Husten.  — Befund  am  2.  Mai  1889. 
Kräftig  gebauter,  gut  genährter  3Iann  von  sonst  gesundem  Aussehen.  Beide 
Submaxillarregionen  sind  von  zusammenhängenden  Paketen  höhnen-  bis  über 
haselnussgrosser  Drüsen  eingenommen.  (Siehe  heistehende  Figur  D.)  Die  einzelnen 


Ueb.  eine  eigenartige  syiniiiet.  Erkrankung  dev Thränen-u.Mulidspeicheldrüsen.  ^27 


Drüsen  sind  glatt,  von  derber  Konsistenz ; sie  lassen  sich  sowohl  gegen  einander, 
als  auch  in  toto  auf  der  Unterlage  in  massigen  Grenzen  verschieben.  Die  Haut 
darüber  unverändert,  verschiebbar.  Das  linksseitige  Drüsenpaket  ist  umfang- 
reicher als  das  rechte  und  geht  ohne  Unterbrechung  in  eine  zweite  Gruppe  teils 
zusammenhängender,  teils  isolierter  Drüsen  in  der  Masseter-  und  Parotisgegend 
über.  Die  höhnen-  bis  kirschgrossen  Drüsen  reichen  bis  an  den  Processus 
zygomaticus  und  liegen  vorwiegend  auf  der  Fascia  parotideo-masseterica.  Die 
Praeauriculardrüsen  sind  auf  Bohnengrösse  geschwollen.  Eine  kleinere  Gruppe 
von  Drüsen  ündet  sich  in  der  rechten  Parotisgegend.  Ein  weiterer,  zusammen- 
hängender Zug  von  ebenso  grossen  Drüsen  geht  längs  des  vorderen  und  hinteren 
Randes  des  Kopfnickers  der  linken  Seite  bis  an  die  Clavicula  herunter.  Die  ein- 
zelnen Drüsen  haben  hier  überall  dieselbe  Beschaffenheit,  wie  die  zuerst  be- 
schriebenen. Ferner  finden  sich  in  mässigem  Grade  geschwollen  und  verhärtet 
die  Submental-,  Cervical-,  Axillar-,  Cubital-  und  Inguinakh'üsen.  — 

Die  äusseren  2 Drittel  des  lixiken  oberen  Augenlides  sind  stark  vorgewölbt 
und  verbreitert.  Dem  entsprechend  erscheint  der  betreffende  Abschnitt  des  Lid- 
randes tiefer  gestellt,  die  Lidsjialte  verengex't.  Der  tastende  Finger  findet  unter 
der  sonst  unveränderten  Lidhaut  eine  circa  2 cm  lange,  walzenförmige  Geschwulst 
von  glatter  Oberfläche  und  prall  elastischer  Konsistenz.  Die  Geschwulst  lässt 
sich  allenthalben  bis  an  den  Orbitalrand  verfolgen  und  scheint  der  oberen  Orbital- 
wand fest  aufzusitzen.  An  Conjunctiva  und  Bulbus  keine  nachweisbaren  Ver- 
änderungen. Durch  Palpation  kann  man  auch  au  der  analogen  Stelle  des  rechten 
oberen  Orbitalrandes  eine  flache,  derbe,  der  Orbitalwand  aufsitzende  Geschwulst 
nachweisen,  die  mit  ihrer  vorderen  Kante  gerade  den  Orbitalrand  erreicht.  — 
Milzdämpfung  etwas  vergrössert,  doch  ist  die  Milz  nicht  zu  tasten.  Im  ül)rigen 
in  den  inneren  Organen  keine  nachweisbaren  Veränderungen.  Keine  Vermehrung 
der  Leukocyten.  — 

Es  wird  zunächst  in  der  Annahme,  dass  maligne  Lymphome  vorliegen, 
ein  Versuch  mit  der  Arseniktherapie  (innerlich)  gemacht.  Da  Pat.  trotz  ganz 
allmählicher  Steigerung  grössere  Dosen  nicht  verträgt,  wird  seinem  Wunsche  ge- 
mäss nur  die  Geschwulst  am  linken  Auge  entfei'nt.  1 cm  langer  Horizontal- 
schnitt  in  der  Verlängerung  der  Lidspalte,  Durchtreimung  der  Conjunctiva  über 
dem  Tumor,  Ausschälung  der  ganzen  Thränendrüse  mit  Pincette  und  Schere. 
Naht  bis  auf  den  äussersten  Wundwinkel,  durch  welchen  ein  schmaler  Jodoformgaze- 
streifen in  die  ’Wundhöhle  gelegt  wird.  Heilung  unter  geringfügiger  Eiterung.  — 

Die  Hauptmasse  der  wohl  auf  das  10  fache  vergrösserten  Thränendrüse 
besteht  aus  Granulationsgewebe;  in  diesen  finden  sich  zahlreich  typische 
Tuberkel  mit  L a n g h a n s’s  c h e n R i e s e n z e 1 1 e n. 

Vielleicht  ist  auch  ein  von  Frost  i)  mitgeteilter  Fall  als 
Tuberkulose  der  Thränendrüse  aufzufassen.  Die  Anschwellung 
derselben  war  im  Verlaufe  von  9 ^lonaten  zu  Stande  gekommen. 
Die  mikroskopische  Untersuchung  der  exstirpierten  Drüse  ergab, 
dass  die  Geschwulst  im  wesentlichen  aus  einem  granulationsähn- 
lichen, kleinzelligen  Gewebe  bestand,  das  die  eigentliche  Drüsensub- 
stanz grösstenteils  zum  Schwund  gebracht  hatte.  An  einzelnen  Stellen 
fanden  sich  regressive  Veränderungen,  an  zwei  Stellen  Verkäsung. 


b Transaction  of  the  ophthahn.  1887,  109. 


628 


Johann  IMikulicz. 


Die  zuletzt  angefülirteii  Fälle  von  akuten  und  chronisclien 
Erkrankungen  der  Thränendrüsen  sind  für  uns  deshalb  wichtig, 
weil  sie  darthun,  dass  1)  eine  beiderseitige  Beteiligung  der  Thränen- 
drüsen bei  verschiedenartigen  Affektionen  vorkommt,  somit  für 
die  uns  interessierende  Krankheit  allein  nicht  charakteristisch  ist, 
2)  dass  auch  bei  anderen  akuten  und  chronischen  Erkrankungen 
eine  gewisse  Wechselbeziehung  sowohl  zwischen  Thränen-  und 
Speicheldrüsen,  als  auch  zwischen  den  Thränen-  und  den  benach- 
barten Lymphdrüsen  besteht.  Wodurch  diese  Wechselbeziehungen 
begründet  sind,  darüber  kann  man  nur  Vermutungen  aussprechen. 
Vielleicht  sind  sie  dadurch  gegeben,  dass  sowohl  in  der  Thränendrüse 
als  auch  in  der  Speicheldrüse,  d.  i.  in  dem  sie  umgebenden  und 
durchsetzenden  Bindegewebe,  normalerweise  kleinste,  lymphatische 
Elemente  Vorkommen.  Damit  ist  die  Bildung  pathologischen, 
lymphoiden  Gewebes  in  diesen  Organen  einfach  erklärt;  ebenso 
die  gelegentlich  vorkommende  Beteiligung  dieser  Drüsen  bei 
Leukämie  und  Tuberkulose  der  Lymphdrüsen.  Mir  scheint  aber 
mit  dieser  Annahme  für  die  uns  beschäftigende  Krankheit  noch 
nicht  Alles  erklärt. 

Kehren  wir  zu  den  zuerst  beschriebenen  Fällen  zurück,  so 
müssen  wir  daran  festhalten,  dass  es  sich  um  eine  chronisch  ver- 
laufende Erkrankung  handelt,  welche  — soweit  die  bisherigen 
Beobachtungen  lehren,  — in  den  Thränendrüsen  ihren  Anfang 
nimmt  und  unter  Umständen  auf  diese  allein  beschränkt  bleibt. 
Die  weitere  Verbreitung  des  Prozesses  erfolgt  vorwiegend  auf  die 
Speicheldrüsen ; die  Beteiligung  der  Lymphdrüsen  ist  nur  in 
den  Fällen  von  Reymond  und  Adler  beobachtet  worden,  falls 
wir  diese  Fälle  überhaupt  hierher  rechnen.  Nun  gebe  ich  gern  zu, 
dass  die  histologische  Beschaffenheit  der  Intumescenzen  und  bis 
zu  einem  gewissen  Grade  auch  der  klinische  Verlauf  zu  einem 
Vergleich  mit  den  echten  malignen  Lymphomen  nötigt ; besonders 
auch  der  Umstand,  dass  in  einzelnen  Fällen  nach  Arsengebrauch 
ein  zweifelloser  Rückgang  der  Anschwellungen  beobachtet  worden 
ist.  Es  bestehen  aber  doch  wesentliche  Unterschiede  zwischen  den 
zwei  Prozessen.  Vor  allem  ist  bisher  in  keinem  der  Fälle  ein  maligner 
Verlauf  konstatiert  worden.  Wenn  auch  in  dem  Falle  von  Adler 
lange  Zeit  hindurch  Arsen  genommen  wurde  und  somit  der  gutartige 
Verlauf  auf  das  Medikament  bezogen  werden  könnte,  so  wurde  in 
meinem  und  dem  F alle  von  Becker  gar  keine  medikamentöse  Be- 
handlung eingeleitet,  im  Falle  von  Halten  hoff  wurde  nur  Jodeisen- 
syrup  verordnet  und  im  Falle  von  Fuchs  musste  die  2 mal  eingeleitete 
Arsentherapie  nach  kurzer  Zeit  abgebrochen  werden.  Trotzdem 


Ueb.  eine  eigenartige  symmet.  ErkranknngderThränen-u.Mundspeicheldrüsen. 


629 


trat  im  Falle  von  Halten  hoff  vollständige  Heilung  ein,  im  Falle 
von  Fuchs  keine  Progredienz  des  Prozesses,  in  meinem  und  dem 
von  Becker  nach  der  vollständigen  Exsthpation  kein  Recidiv. 
Es  ist  mir  nicht  bekannt,  dass  maligne  Lymphome  auf  Jodeisen 
so  prompt  reagieren;  auch  recidivieren  nach  meiner  Erfahrung 
maligne  Lymphome  nach  der  Operation  in  kurzer  Zeit. 

Nach  meiner  Ueberzeugung  handelt  es  sich  hier  um  einen 
infektiösen  oder  parasitären  Prozess  im  weitesten 
Sinne  des  Wortes.  Man  ist  ja  heute  vielfach  geneigt,  auch  in 
der  Leukämie  und  Pseudoleukämie  (maligne  Lymphome)  eine 
parasitäre  Krankheit  zu  suchen;  eine  ähnliche  Auffassung  dürfte 
für  unseren  Krankheitsprozess  ebenso  berechtigt  sein.  Bei 
der  Frage,  ob  wir  uns  den  Krankheitserreger  als  einen  hämato- 
genen oder  einen  von  aussen  in  die  Drüse  eindringenden  zu  denken 
haben,  möchte  ich  mich  für  die  letztere  Annahme  aussprechen*). 
Dafür  spricht  die  Lokalisierung  der  Krankheit  auf  die  Drüsen  der 
Gesichtsregion,  sowie  das  Fehlen  einer  Miterkrankung  des  ganzen 
Organismus.  Die  Verbreitung  des  Prozesses  auf  scheinbar  völhg 
getrennte  Organe  spricht  nicht  dagegen,  wenn  wir  uns  vorstellen, 
dass  als  Eingangspforten  für  den  Krankheitserreger  die  Ausmün- 
dungskanäle der  Thränen-  und  Speicheldrüsen  in  den  Conjunctival- 
sack  und  die  Mundhöhle  dienen  und  dass  der  Conjunctivalsack 
durch  Vermittlung  des  Thränennasenkanals  und  der  Nasenrachen- 
schleimhaut mit  der  Mundschleimhaut  ein  Continuum  bildet.  Die 
Beobachtung,  dass  zuerst  die  Thränendrüsen  und  dann  erst  die 
tiefer  gelegenen  Speicheldrüsen  erkranken,  Hesse  sich  dann  so  er- 
klären, dass  der  Conjunctivalsack  die  eigentliche  Eingangspforte 
abgiebt,  während  die  Mundhöhle  erst  sekundär  von  hier  aus  infi- 
ziert wird.  Die  Miterkrankung  von  Lymphdrüsen  wäre  dann  auf 
dem  Wege  der  Lymphbahnen  nicht  schwer  zu  erklären.  Tn  den 
Thränen-  und  Speicheldrüsen  hätten  wir  uns  den  Prozess  als  einen 
ascendierenden  nach  Analogie  der  Entzündungsvorgänge  in  der 
Mamma,  den  Nieren,  den  Speicheldrüsen  vorzustellen.  Dem  ent- 
sprechend müssten  sich  im  ersten  Anfang  vielleicht  auch  krank- 
hafte Veränderungen  in  der  Conjunctival-  und  Mundschleimhaut 
finden,  die  durch  denselben  Krankheitserreger  bedingt  sind.  Wenn 
wir  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  die  mitgeteilten  Kranken- 
geschichten durchsehen,  so  finden  wir  mehrere  Angaben,  dass  die 
betreffenden  Schleimhautal)schnitte  erkrankt  waren,  so  in  meinem 

1)  Vielleicht  werden  in  künftigen  Fällen  die  neuen  Färhungsinethoden  von 
Ehrlich,  Biondi  und  Heidenhain  sowohl  über  den  Charakter  der  Geschwülste 
als  auch  über  etwaige  Veränderungen  im  Blut  Aufschluss  geben. 


630 


Johann  Mikulicz. 


Falle  und  in  den  Fällen  von  Becker  und  Adler  die  Conjunctiva, 
im  Fall  von  Haltenhoff  die  Nasen-  und  Rachenschleimhaut. 

Gegen  die  Auffassung  eines  ascendierenden  Prozesses  Hesse 
sich  einwenden,  dass  dann  vorwiegend  das  eigentliche  Drüsen- 
gewebe und  nicht  das  interstitielle  Gewebe  beteiligt  sein  müsste. 
Wir  wissen  aber,  dass  das  Drüsengewebe  der  Speicheldrüsen  bei 
den  verschiedenartigsten  Prozessen,  sowohl  bei  Neubildungen  als 
auch  bei  entzündlichen  Veränderungen  sich  in  der  Regel  ganz 
passiv  verhält  oder  erst  sekundär  in  Mitleidenschaft  gezogen  whd. 
Sehr  lehrreich  ist  für  unsere  Frage  eine  Arbeit  von  A.  Hanau  ^). 
Dieser  Forscher  weist  zunächst  nach,  dass  die  eitrige  Parotitis  auch 
bei  akuten  Infektionskrankheiten  nicht  hämatogenen  Ursprungs  ist, 
sondern  als  ascendierender  Prozess  aufzufassen  ist,  der  sich  von  der 
Schleimhaut  der  Mundhöhle  den  Ausführungsgang  entlang  in  die 
Drüse  fortsetzt.  Interessant  ist  es  nun,  dass  die  Entzündungs- 
erreger bald  die  Wand  des  Ausführungskanals  durchdringen,  die 
Bahn  des  Ganglumens  gewissermassen  auf  halbem  Wege  verlassen 
und  nun  im  lymphgefässhaltigen,  den  Kanal  umgebenden  Binde- 
gewebe in  das  interstitielle  Gewebe  der  Drüse  Vordringen.  Die 
Drüsenacini  selbst  sind  am  Prozess  relativ  wenig  beteiligt.  — 


Doch  genug  der  Hypothesen.  Ich  weiss  wohl,  dass  den  von 
mir  ausgesprochenen  Anschauungen  sich  leicht  mit  mannigfachen 
Argumenten  begegnen  lässt.  Es  wäre  vielleicht  einfacher  und  be- 
quemer gewesen,  sich  auf  die  Mitteilung  der  Thatsachen  zu  be- 
schränken. Wenn  ich  darüber  hinausgegangen  bin,  so  habe  ich 
es  nur  in  der  Absicht  gethan,  die  Gesichtspunkte  anzudeuten, 
welche  bei  der  Beobachtung  künftiger  Fälle  ins  Auge  zu  fassen 
sind.  Hoffentlich  gelingt  es  künftigen  Beobachtern,  die  Rätsel  zu 
lösen,  die  uns  diese  merkwürdige  Krankheit  stellt.  — 

b lieber  die  Entstehung  der  eitrigen  Entzündung  der  Speicheldrüsen. 
Beiträge  zur  path.  Anat.  von  Ziegler  und  Nauwerck  1889.  , 487. 


Die  Arbeiten  der  Klinik  Billroth 

in  den  Jahren  1867 — 1892. 

Zusammengestellt 

von 

Dr.  Guido  von  Török 

in  Wien. 

Ausgehend  von  dem  Wunsche  in  vorliegender  Zusammen- 
stellung ein  möglichst  getreues  Bild  über  die  Arbeiten  der 
»Klinik  Billroth«  in  den  Jahren  1867  bis  1892  zu  liefern,  er- 
scheinen in  den  folgenden  Tabellen  sämmtliche  Arbeiten  Hofrath 
Billroth’s  während  seiner  25  jährigen  Lehrthätigkeit  als  ordenthcher 
Professor  der  Chirurgie  und  Vorstand  der  Universitätsklinik  in 
Wien,  sowie  auch  jene  Arbeiten  seiner  Schüler  verzeichnet,  welche 
während  ihrer  Lehrzeit  an  der  Klinik  verfertigt  wurden,  oder 
nach  dieser  Zeit  dem  Materiale  der  Mutterklinik,  sowie  der  dhekten 
Anregung  Billroth’s  ihr  Entstehen  verdanken. 

Bei  Durchsicht  der  Tabellen  wird  man  vorerst  bemerken,  dass 
alle  Zw’eige  unseres  chirurgischen  und  — zumal  allgemeinen  — medi- 
zinischen Wissens  in  den  verschiedensten  Arbeiten  vertreten  er- 
scheinen, getreu  den  Intentionen  des  klinischen  Lehrers,  dessen 
Bemühungen  stets  dahin  gerichtet  waren,  seine  Schüler  nicht  zu 
empirischen  Fachwundärzten  im  Sinne  der  alten  Zeit  heranwachsen 
zu  lassen,  sondern  dieselben  auf  jenen  Weg  zu  weisen,  welcher 
die  Ausbildung  des  naturwissenschaftlich  gebildeten  Arztes  er- 
möglicht. Dass  auf  diesem  Wege  auch  die  chirurgischen  Fach- 
kenntnisse im  engeren  Sinne  nicht  zu  kurz  kommen,  ward  den 
Schülern  bei  den  Unterweisungen  ihres  Lehrers  vollkommen  klar. 

Allein,  wenn  auch  im  allgemeinen  der  Inhalt  der  Arbeiten 
in  allen  Jahrgängen  dem  chirurgischen  und  universellen  medi- 
zinischen Forschen  nach  allen  Pdchtungen  hin  entspricht,  so  giebt 
es  doch  Zeitabschnitte,  in  welchen  neue  Errungenschaften  von  so 


632 


Guido  von  Török. 


epochaler  Bedeutung  verzeichnet  erscheinen,  dass  unser  chirur- 
gisches Können  an  ihnen  einen  Wendepunkt  erreicht  hat,  welcher 
naturgemäss  auch  die  Publikationen  jener  Periode  in  grösserem 
Masse  beeinflusst. 

Die  grösste  dieser  Errungenschaften  war  die  Einführung  der 
antiseptischen  AVundbehandlung,  welche  auf  der  Klinik  Billroth 
im  Studienjahre  1877 — 78  erfolgte,  und  demnach  beiläufig  mit  der 
Publikation  von  Billroth’ s grossem  Bericht  über  die  chirurgischen 
Kliniken  in  Zürich  und  Wien  1860 — 1876  zusammenfällt. 

Man  könnte  daher  die  Arbeiten  der  Klinik  sichten  in  jene 
der  vorantiseptischen  Zeit  und  die  nach  Einführung  der  antisep- 
tischen Wundbehandlung  publicierten. 

In  der  vorantiseptischen  Zeit  mögen  zunächst  die  Arbeiten 
aus  den  ersten  Jahren  der  Lehrthätigkeit  Billroth ’s  in 
Wien  nähere  Erwähnung  finden. 

Nach  der  am  11.  Oktober  1867  mit  einer  Einleitung 
in  die  allgemeine  Chirurgie  erfolgten  Eröffnung  der  Vor- 
träge hat  Billroth  im  selben  Jahre  eine  Reihe  von  klinischen 
Besprechungen  in  der  Wiener  medizinischen  Wochenschrift  ver- 
öffentlicht, darunter  besonders  eine  Abhandlung  über  Impfungen 
mit  Geschwulst-Elementen.  — 1867  erschienen  auch  Billroth’s 
Arbeiten  über  Verbrennungen,  Erfrierungen,  Quetsch-  und  Riss- 
wunden, sowie  ferner  über  allgemeine  chirurgische  Instrumenten- 
und  Operationslehre  im  chirurgischen  Handbuche  von  Pitha- 
Billroth. 

1868  folgte  im  selben  Handbuche  aus  Billroth’s  Feder  der 
Band  über  Scrophulose  und  Tuberkulose,  sowie  bei  G.  Reimer  in 
Berlin  die  3.  Auflage  der  allgemeinen  chirurgischen  Pathologie 
und  Therapie  in  50  Vorlesungen. 

Ausserdem  brachte  Langenbeck’s  Archiv  (IX.  Band)  Bill- 
roth’s B e ob achtungs Studien  über  Wundfieber  und  accid en- 
teile Wundkrankheiten.  (Dritte  Abtheilung,  Schluss.) 

In  das  Jahr  1868  fallen  auch  Billroth- Janny-Menzel’s 
osteoplastische  Versuche  über  Regeneration  und  Transplan- 
tation von  Knochen,  durch  welche  die  Regenerations-Fähigkeit 
bei  jungen  Thieren  erwiesen  wird  (Wiener  med.  Wochenschrift), 
sowie  Billroth’s  Bericht  über  den  ersten  Fall  von  Ghloroformtod 
auf  der  Klinik  (ibid). 

Im  Jahre  1869  erschienen  Billroth’s  chirurgische  Erfahrungen 
in  Zürich  1860 — 67,  sowie  seine  und  Czerny’s  Beiträge  zur  Ge- 
schwulstlehre (Plexiforme  Geschwülste;  alveolare  Sarcome). 

Weiters  sind  1869  besonders  hervorzuheben:  Czerny’s  Arbeit 


Die  Arbeiten  der  Klinik  Billrotli  in  den  Jahren  18G7 — 1892. 


633 


über  die  Extension  mit  Gewichten  und  Menzel’s  Publikationen: 
»lieber  die  septischen  Eigenschaften  des  frischen  Wundserunis« ; 
»lieber  die  Einwirkung  des  Urins  auf  das  Zellgewebe«  und:  »Ueberdie 
Resorption  von  Nahrungsmitteln  vom  Unterhautzellgewebe  aus« 
(Wien.  med.  Wochenschrift  1869).  — Bei  letzteren  Versuchen  ge- 
lang es  Fette,  Milch,  Zucker  und  Eiweiss  in  entsprechender  Form 
vollkommen  zur  Resorption  zu  bringen. 

Billroth’s  4.  Auflage  der  allgemeinen  Chirurgie,  sowie  die 
Abhandlung : »Mancherlei  über  Entzündung«  (Wien.  med.  Jahrbücher) 
fallen  gleichfalls  in  das  Jahr  1869. 

Aus  dem  Jahre  1870  stammen  Czerny’ s Versuche  über  Kehl- 
kopf-Exstirpation (Wien.  med.  Wochenschrift),  sowie  A.  Mally’s 
und  A.  Menzel’s  experimentelle  Studien  über  Tuberkulose,  ferner 
Czerny ’s  Arbeit  über  die  Reverdin’sche  Methode  (Centralblatt  für 
mediz.  Wissenschaften).  In  diesem  Jahre  erschienen  aus  Bill- 
roth’s Feder:  »Der  erste  Bericht  über  die  chirurgische  Klinik  in 
Wien  1868«,  sowie  die  Abhandlungen:  »Ueber  die  Beziehung  der 
Rachendiphtherie  zur  Septhämie«  ; »Ueber  die  Verbreitungswege  der 
entzündlichen  Prozesse«  (Volkmanns  Sammlung  klinischer  Vorträge), 
und:  »Ueber  die  Verwendung  des  Bildhauermeisseis  bei  Osteoto- 
mien« (Wien.  med.  Wochenschrift). 

Der  grosse  Krieg  von  1870  gab  zur  Publikation  einer  Reihe 
von  kriegschirurgischen  Berichten  den  Anlass,  so  von  Czerny: 
»Aus  den  Kriegslazarethen  anno  1870«  und  »Bericht  über  die  im 
College  Stanislaus  behandelten  Verwundeten«  (Wien.  med.  Wochen- 
schrift 1870). 

An  hervorragender  Stelle  mögen  hier  verzeichnet 
werden  Billroth’s  (erst  1872  bei  Hirsch  wähl  in  Berlin  erschienene) 
chirurgische  Briefe  aus  den  Kriegslazarethen  in  Weissen- 
burg  und  Mannheim  1870. 

Im  folgenden  Jahre  erschienen  Billroth-Menzel-Perco’s 
Arbeiten  über  die  Häufigkeit  der  Caries  in  verschiedenen  Knochen 
(Langenbecks  Archiv,  Band  XII,  1871),  R.  Gersuny’s  und  W. 
Gjorgjevic’s  Beiträge  zur  kaustischen  Wundbehandlung,  sowie 
Menzels  experimentelle  Studie  über  die  Erkrankung  der  Gelenke 
bei  dauernder  Ruhe  derselben  (Arch.  für  klin.  Chir.  XII.). 

In  besonderem  Grade  anregend  wirken  Billrotli  s chirurgische 
Remniscenzen  aus  dem  Sommersemester  1871  (Wien.  med.  Wochen- 
schrift), in  welchen  zum  erstenmale  die  Behandlung  der  malignen 
Lymphome  mit  Arsenik  erwähnt  erscheint  und  zugleich  ein  Belicht 
über  die  ersten  von  Billrotli  ausgeführten  Ovariotomien  erstattet 
wird. 


634 


Guido  A'on  Török. 


Bei  der  Reichlialtigkeit  der  nun  in  den  nächsten  Jahren 
folgenden  Publikationen  erscheint  es  im  engen  Rahmen  dieser  ein- 
leitenden Besprechung  geradezu  undurchführbar,  alle  hervorragenden 
Arbeiten  zu  erwähnen  und  muss  sich  die  Mittheilung  derselben  auf 
jene  beschränken,  deren  Entstehen  eine  neue  Phase  in  der  Ge- 
schichte der  klinischen  Thätigkeit  bekundet.  Zu  diesen  Arbeiten 
gehören  zumal  jene,  welche  das  Wesen  der  Wundinfektion  er- 
forschen und  der  kommenden  antisejDtischen  Zeit  die  Wege  bahnen, 
sowie  andere , die  durch  Erfindung  neuer  Operationen  und  OjDera- 
tionsmethoden  das  klinische  Handeln  beeinflussen. 

In  der  ersten  Gruppe  finden  wir  Billroth’s  neue  Be- 
obachtungsstudien über  Wundfieber  (Langenbeck’s  Archiv 
1872)  und  Ludwig  Pfleger’s  Beobachtungen  über  die  Verbreitungs- 
weise des  Erysipelas  migrans  (ibid). 

Allen  Arbeiten  voranleuchtend,  erschienen  1874  Bill- 
roth’s Untersuchungen  über  Coccobacteria  septica  (Bill- 
roth  1874  bei  G.  Reimer,  Berlin,  und  Billroth  - Ehrlich  1877, 
Langenbeck’s  Archiv),  welche  den  Grundpfeiler  unserer  Erkenntnis 
der  Wundinfektion  gebildet  haben.  Anschliessend  sind  zu  er- 
wähnen die  experimentellen  Studien  von  A.  v.  Frisch  über  die 
Verbreitung  der  Fäulnis-Organismen ' in  den  Geweben  (Erlangen, 
F.  Enke  1874)  und  seine  Arbeit  über  die  Milzbrandbacterien  und 
ihre  Vegetationen  in  der  lebenden  Hornhaut  (Wien  1876),  sowie 
die  Abhandlung  von  J.  Mikulicz:  »Ueber  die  Beziehungen  des 
Glycerin  zur  Coccobacteria  septica  und  zur  septischen  Infektion« 
(Langenbeck’s  Archiv  XXII,  1877). 

Zur  zweiten  Gruppe  gehören  vorerst  Billroth’s  Versuche 
überdieResektiondesOesophagus  beiHunden  (Langenbeck’s 
Archiv  XHI,  1872),  der  Bericht  über  seine  Ovariotomien 
(10. — 13.  Fall,  Wien.  med.  Wochenschr.  1873),  sowie  über  seine 
Erfahrungen  über  Esmarch’s  Methode  der  Bluterspa- 
rung bei  Operationen  an  den  Extremitäten  (ibid.).  Es 
mag  interessant  sein,  Billroth’s  vor  nahezu  zwanzig  Jahren  über 
diese  wichtige  Bereicherung  unseres  chirurgischen  Wissens  ge- 
sprochenes Urtheil  hier  wörtlich  zu  citieren,  um  daran  die  Freude 
des  klinischen  Lehrers  an  dieser  neuen  Errungenschaft  zu  erkennen. 
Billroth  sagt:  »Ich  habe  auf  Esmarch’s  Empfehlung  im  Laufe 
des  eben  beendigten  Semesters  (Sommer-Semester  1873)  eine  An- 
zahl von  Operationen  nach  seiner  Methode  ausgeführt,  und  wenn 
ich  auch  nie  an  der  Richtigkeit  von  Es  mar  ch’ s Beobachtung  ge- 
zweifelt  habe,  so  habe  ich  mir  doch  nach  seinem  so  äusserst  be- 
scheidenen kurzen  Vortrag  über  diesen  Gegenstand  (Chirurgen- 


Die  Ai’beiten  der  Klinik  Billroth  in  den  Jahi’en  1867 — 1892. 


635 


Kongress  Berlin  1873)  den  Effekt  der  Methode,  nämlich  die  lokale 
Anämie  bei  weitem  nicht  so  vollständig,  so  erstaunlich,  ja  ich 
möchte  sagen  so  erschreckend  vollständig  vorgestellt,  wie  er  in 
der  That  ist.  Ich  bin  überzeugt,  dass  die  vielen  Echos,  welche 
die  Worte  Esmarch’s  hervorrufen  werden,  bald  einen  volltönen- 
den Chorus  bilden  werden.« 

Zu  den  weiteren  Arbeiten  dieser  zweiten  Gruppe  sind  zu 
rechnen:  F.  Steiner’s  Abhandlung  über  die  operative  Behandlung 
der  Epispadiasis  (Arch.  f.  klin.  Chirurgie  XV,  1873),  Billroth’s 
Methode  der  Exstirpation  ausgedehnter  Zungencarcinome  von  der 
Regio  suprahyoidea  aus  (ibid.  XVI,  1874)  und  besonders  C.  Gussen- 
bauer’s  Publikation  über  die  erste,  durch  Th.  Billroth 
am  Menschen  ausgeführte  Kehlkopf-Exstirpation  und 
die  Anwendung  eines  künstlichen  Kehlkopfes  (ibid.  XVII,  1874). 
Ueber  die  in  späteren  .fahren  auf  der  Klinik  ausgeführten  Kehl- 
kopf-Exstirpationen hat  F.  Salzer  (Larynxoperationen  von  1870 
bis  1884,  Langeiib.  Arch.  XXX,  und:  »Zur  Kasuistik  d.  Kehlkopf- 
operationen« ibid.  XXXIX)  erschöpfenden  Bericht  erstattet. 

Ferner  müssen  hier  noch  auf  gezählt  werden  die  Arbeiten  von 
C.  Gussenbauer:  »Ueber  die  Methoden  der  künstlichen  Knochen- 
trennung« (Langenbecks  Archiv' 1875),  von  Alex.  v.  Winiwarter: 
»Behandlung  der  malignen  Lymphome«  (ibid.)  und  von  Billroth: 
»Ueber  Bluttransfusion,  Elektrolyse  und  Massage«  (Wien.  med. 
Wochenschrift  1875),  sowie  über  Laparo-Hysterotomie  (ibid.  1876) 
und  über  Splenotomie  (ibid.  1877). 

Einen  besonderen  Platz  in  unserer  Besprechung 
beansprucht  die  experimentelle  Studie  von  C.  Gussen- 
bauer und  A.  V.  Winiwarter  über  die  partielle  Magen- 
resektion, nebst  einer  Statistik  der  von  1817 — 1875  im  Wiener 
pathologischen  Institute  beobachteten  Magen carcinome  (Langenbecks 
Archiv  XIX,  1876).  Die  beiden  Autoren  haben  die  Ausführbarkeit 
dieser  Operation  bei  Thieren  erwiesen  und  empfehlen  die  Vor- 
nahme derselben  am  Menschen.  Nicht  lange  sollte  es  dauern, 
dass  Billroth  auch  thatsächlich  eine  Operation  am  Magen 
ausführte  und  eine  hartnäckige  Magenbauchwandfistel,  welche 
allen  anderen  Operationsmethoden  trotzte,  durch  Abpräparierung 
und  Vernähung  des  Magens  zum  dauernden  \ erschluss  brachte. 
(Billroth:  »Gastroraphie«,  Wr.  med.  Wochenschr.  1877  und  A. 
Wölf  1er:  »Die  Magenbauch  wandfistel  und  ihre  Heilung  nach  Prof. 
Billroth’s  Methode«,  Langenb.  Arch.  1876,  sowie:  »Die  Magenbauch- 
wandfistel und  ihre  operative  Heilung«  187/,  Arch.  f.  klin.  Chir.  XX). 

Wir  können  die  Besprechung  der  Arbeiten  aus  der  Zeit  vor 


636 


Guido  von  Török. 


Einführung  der  strengen  antiseptischen  Wundbehandlung  nicht 
schliessen,  ohne  einiger  Publikationen  zu  gedenken,  welche  ein 
besonderes  Interesse  beanspruchen.  So  die  Monographie  H. 
Sattler’s:  »Ueber  die  Cylindrome«  (Berlin,  Reimer  1874),  die  Ab- 
handlung Billroth’s  »Kurzer  Rückblick  auf  die  neueren  Phasen 
der  Lehre  von  der  Entzündung  und  der  Regeneration  der  Gewebe« 
(Wr.  med.  Wochenschr.  1874),  dann  zumal  die  Abhandlung  R.  Ger- 
suny’s;  »Ueber  polypöse  Neubildungen  der  Harnblase«  (Langenbeck’s 
Arch.  XIII  1872);  die  Arbeit  C.  Gussenbauer’s  über  die  Knochen- 
entzündung der  Perlmutterdrechsler  (Langenbeck’s  Arch.  XVIII, 

1875) ,  ferner  die  Publikationen  von  A.  W ö If  1 er : »Zur  chirurgischen 
Pathologie  der  Nieren«  (Wr.  med.  Wochenschrift  1878)  und  von  J. 
Mik  ulicz:  »Ueber  das  Rhinosclerom  (Hebra)«,  (Langenb.  Arch.  XX, 

1876) .  Später  haben  über ‘denselben  Gegenstand  A.  v.  Frisch,  dann 
A.Freih.  V.  Eiseisberg  undR.  Paltauf  eingehende  Untersuchungen 
veröffentlicht  (Zur  Aetiologie  des  Rhinoscleroms.  Fortschritte  d.  Me- 
dizin. 1886.  Nr.  19).  Interessant  sind  ferner  die  Arbeiten  von  M. 
Nedopil  über  Psoriasis  und  Tuberculosis  linguae,  sowie  A. 
V.  Winiwarter’s:  »Beiträge  zur  Statistik  des  Carcinoms«  (Stuttgart 
1878).  Letztere  Arbeit  bildet  eine  Ergänzung  zu  Billroth’s 
grossem  Bericht:  »Chirurgische  Klinik  in  Wien  1871 — 76 
nebst  einer  Gesamtübersicht  über  die  chirurgischen  Kli- 
niken in  Zürich  und  Wien  1860 — -1876.  Erfahrungen  auf 
dem  Gebiete  der  praktischen  Chirurgie«  (Berlin  bei  August 
Hirschwald  1879).  Dieses  einzig  in  seiner  Art  dastehende 
Buch  enthält  die  Erfahrungen  des  über  ein  grosses  klinisches 
Material  verfügenden  Lehrers  während  eines  Ibjährigen  Zeitab- 
schnittes, kritisch  gesichtet  und  mit  der  strengsten  Objek- 
tivität wiedergegeben.  Billroth  selbst  sagt  darüber,  er  habe 
den  Bericht  in  grosser  Ausführlichkeit  erstattet,  um  dem  lesenden 
Publikum  vollständig  die  Kontrolle  in  die  Hände  zu  geben,  und 
weil  er  es  vermeiden  wollte,  dass  man  glauben  könne,  er  hätte 
»doch  nicht  alles  mitgetheilt«.  In  diesem  Buche  bespricht  Bill- 
roth die  schon  1875  begonnenen,  ersten  Versuche  mit  dem 
Lister’schen  Wundverbande,  welchem  gegenüber  er  sich,  bei  den 
Vorzügen  der  bis  dahin  geübten  offenen  Wundbehandlung,  sehr 
zurückhaltend  äussert:  »Da  ich  die  Fundamente  von  List  er’ s 
Theorie  nicht  als  Naturgesetze,  sondern  nur  als  häufig  zutreffende 
Fälle  kannte,  so  wartete  ich  erst  die  praktischen  Resultate  ab, 
bevor  ich  diejenigen  Methoden,  welche  ich  übte,  und  die  sich 
unter  meinen  Händen  auch  fortwährend  verbesserten,  aufgab.« 
Billroth  verlangt  entschieden  die  Erforschung  einer  auf 


w 


Die  Arbeiten  der  Klinik  Billrotli  in  den  Jahren  1867 — 1892. 

sicherer  naturwisseiiscliaftliclier  Basis  ruhenden  Theorie, 
»dann  hätten  wir  nicht  ein  Chaos  von  Listerverbänden, 
sondern  jeder  wüsste  ganz  genau,  worauf  es  dabei  einzig 
und  allein  ankommt,  und  was  nebensächlich  ist.«  Und, 
gleichsam  über  ein  Dezennium  vorausblickend  in  die 
aseptischen  Bestrebungen  unserer  Tage,  frägt  der  klinische 
Lehrer:  »Sollte  (statt  der  Carbol-  und  Thymollösungeii)  reines 
Wasser  allein  nicht  dieselben  Dienste  thun?« 

Nach  mehrjährigen  Versuchen  erklärt  dann  Billrotli  die  anti- 
septische Wundbehandlungsmethode  als  eine  praktisch  sehr  brauch- 
bare, er  hält  jedoch  die  richtige  Handhabung  mit  Occlusionsver- 
bänden  als  eine  sehr  schwierige;  dies  sollte  ihn  nicht  hindern, 
die  Vervollkommnung  der  neuen  Methode  eitrigst  weiter  zu  er- 
streben ! 

Die  strenge  antiseptische  Wundbehandlung  wurde  Anfang 
1878  in  die  Klinik  eingeführt  und  es  erfolgten  dann  die  Publika- 
tionen von  A.  Wölfl  er’ s Reise-Erinnerungen  (Wr.  med.  Wochen- 
schrift 1878),  sowie  der  Arbeiten  A.  von  Frisch’s:  »Ueber  Des- 
infektion der  Seide  und  Schwämme  zu  chirurgischen  Zwecken« 
(Langenbeck’s  Arch.  1879).  Ueber  Wundbehandlung  und  Verband- 
stoffe sind  in  den  folgenden  Jahren  noch  eine  Reihe  von  Abhand- 
lungen veröffentlicht  worden,  so  von: 

J.  Mikulicz:  »Die  antiseptische  Wundbehandlung«  (Ver.  d.  Aerzte 
in  N.-Oe.  1879), 

von  demselben:  »Zur  Sprayfrage«  (Langenbeck’s  Arch.  1880), 

von  A.  Wölfl  er:  »Die  Anwendung  des  Jodoforms  in  der  Mund- 
höhle« (Centralbl.  1881), 

von  J.  Mikulicz:  »Anwendung  der  Antiseptik  bei  Laparotomien« 
(Langenbeck’s  Arch.  1881), 

von  demselben:  »Ueber  die  Verwendung  des  Jodoforms  bei  der 
Wundbehandlung  und  dessen  Einfluss  auf  fungöse  Prozesse« 
(Langenbeck’s  Arch.  1881), 

von  A.  Wölf  1er:  »Chirurgische  Briefe  über  Amputationen«  (Wr. 
med.  Wochenschrift  1881), 

von  V.  V.  Hacker:  »Anleitung  zur  antiseptischen  Wundbehand- 
lung« (Wien  1883), 

sowie  die  Untersuchungen  von  A.  Ereih.  v.  Eiseisberg:  »Ueber 
den  Nachweis  von  Erysipelcoccen  in  der  Luft  chirurgischer 
Krankenzimmer«  und:  »Ueber  den  Keimgehalt  von  Seifen 
und  Verbandmaterialien«  (Wr.  med.  Wochenschr.  1887), 

endlich  von  A.  Gleich:  »Ueber  Sterilisation  von  Verbandstoffen« 
(Wr.  klin.  Wochenschrift  1891). 


638 


Guido  von  Török. 


Seit  Einführung  der  antiseptischen  Wundbehandlung  an  der 
Klinik  kam  eine  ganze  Reihe  von  neuen  Operationen  und  Ope- 
rationsmethoden zur  Ausbildung  und  Ausführung,  welche  hier  in 
chronologischer  Folge  kurz  verzeichnet  werden  mögen: 

Vorerst  waren  es  die  Osteotomien  bei  Genu  valgum, 
bezüglich  welcher  J.  Mikulicz  seine  Arbeit;  »Ueber  die  seit- 
lichen Verkrümmungen  am  Knie  und  deren  Heilungsmethoden« 
(Langenbeck’s  Arch.  1878)  veröffentlichte. 

Dann  kamen  die  Kropf  Operationen,  zumal  die  Exstir- 
pation von  Strumen,  an  die  Reihe,  über  welchen  Gegen- 
stand A.  Wölf  1er  langjährige  und  eingehende  Unter- 
suchungen ausführte.  Seine  Publikationen  sind: 

»Die  Aortendrüse  und  der  Aortenkropf«  (Wr.  med.  Woch.  1879). 

»Zur  chirurgischen  Behandlung  des  Kropfes«  (Langenbeck’s  Arch. 
1879). 

»Weitere  Beiträge  zur  chirurgischen  Behandlung  des  Kropfes« 
(Wr.  med.  Wochenschrift  1879). 

»Entwicklung  und  Bau  der  Schilddrüse«  (Berlin  1880). 

»Die  Kropfexstirpationen  an  Hofrath  Billroth’s Klinik  1877 — 1881« 
(Wr.  med.  Wochschr.  1882). 

»Zur  Kenntnis  und  Eintheilung  der  verschiedenen  Formen  des 
gutartigen  Kropfes«  (Wr.  med.  Wochenschr.  1883). 

»Entwickelung  und  Bau  des  Kropfes«  (Berlin  1883). 
und : 

»Die  chirurgische  Behandlung  des  Kropfes«  (Berlin,  bei  A.  Hirch- 
wald  I.,  II.  und  III.  Theil,  1887—1890—1891). 

In  den  folgenden  Jahren  haben  auf  der  Klinik  über  Struma- 
operationen geschrieben : 

Billroth:  »Ueber  die  Ligatur  der  Schilddrüsenarterien«  und: 
»Ueber  Scirrhus  giandulae  thyreoideae«  (Wr.  klinische 
Wochenschrift  1888). 

F.  Salzer:  »Eine  Trachealkanüle  für  Strumapatienten«  (ibid.). 

H.  Hinters toisser:  »Beiträge  zur  Lehre  vom  Nebenkropf«  (ibid.). 

und  A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  »Ueber  Tetanie  im  Anschluss  an 
Kropf  Operationen«  (Hölder,  Wien  1890)  und  »Ueber  erfolg- 
reiche Einheilung  der  Katzenschilddrüse  in  die  Bauchdecke 
und  Auftreten  von  Tetanie  nach  deren  Exstirpation«  (Wr.  klin. 
Wochenschr.  1892).  — 

Ferner  ist  zu  erwähnen  die  Ausführung  der  Enteroraphie, 
mit  den  Publikationen  von  Billroth:  »Ueber  Enteroraphie«; 
von  R.  Wittelshöf  er : »Anus  praeternaturalis,  Enteroraphie, 

Heilung«  (Langenbeck’s  Arch.  XXIX  1879)  und  von  E.  Hauer: 


Die  Arbeiten  der  Klinik  Billroth  in  den  Jahren  18(17—1892.  639 

»Darmresektionen  und  Enteroraphien  1878—1883«  (Zeitschrift  für 
Heilkunde,  Prag  1884). 

Die  Enter oraphie  und  die  schon  früher  besprochene 
Gastroraphie  waren  die  Vorläufer  zu  der  1881  zuerst  mit 
Erfolg  aus  geführten  Resektion  des  Magens,  über  welche 
Operationsmethode  eine  grosse  Reihe  von  Arbeiten  zur  Veröffent- 
lichung gelangt  ist.  Hier  sind  vorerst  zu  erwähnen : 

Billroth  s »Offener  Brief  an  Dr.  L.  Wittelshöfer  über  eine 
am  29.  Januar  1881  ausgeführte  Resektion  des  Magens« 
(Wr.  med.  Woch.  1881  Nr.  6); 

sowie  ferner  die  Abhandlungen  über  Resectio  pylori,  Gastro- 
Enterostomie  und  Darm-Anastomosen  von: 

Billroth:  »Zur  Resektion  des  carcinomatösen  Magens«  (Wr.  med. 
Woch.  1881). 

Wölfler:  »Zur  Resektion  des  carcinomatösen  Pylorus«  (ibid.). 

Wölfler:  »Fall  von  gelungener  Resektion  des  carcinomatösen 
Pylorus«  (ibid.). 

Wölfler:  »Ueber  die  von  Herrn  Prof.  Billroth  ausgeführten  Re- 
sektionen des  carcinomatösen  Pylorus«  (Wien  1881). 

Wölfler:  »Gastro-Enterostomie«  (Centralblatt  für  Chirurgie  1881, 
Nr.  45). 

V.  V.  Hacker:  »Ein  neuer  Fall  von  geheilter  Magenresektion« 
(Wr.  med.  Wochenschr.  1883). 

V.  V.  Hacker:  »Ueber  einen  neuen  Fall  von  gelungener  Pylorus- 
Resektion«  (ibid.  1884). 

V.  V.  Placker:  »Zur  Casuistik  und  Statistik  der  Ma2:enresektionen 
und  Gastro-Enterostomien«  (Langenbecks  Arch.  XXXIL),  in 
welcher  Arbeit  die  Gastro-Enterostomie  durch  das  Mesocolon 
transversum  als  neue  Methode  v.  Hacker’s  beschrieben  wird. 

V.  V.  Hacker:  »Die  Magenoperationen  an  Prof.  Billroth’s  Klinik 
1881—1885«  (Wien  1886). 

V.  V.  Hacker:  »Ueber  Verengerungen  des  Magens  durch  Knickung 
infolge  des  Zuges  von  Adhäsionssträngen«  (Wr.  med.  Wochen- 
schrift 1887). 

V.  V.  Hacker:  »Ueber  die  Bedeutung  der  Anastomosenbildung 
am  Darme«  (Wr.  klin.  Wochenschr.  1888). 

F.  Salzer:  »Tabellarische  Uebersicht  über  die  im  Jahre  1887 
an  der  Klinik  Billroth  ausgeführten  Magenresektionen«  (ibid. 
1888). 

H.  Hinterstoisser:  »Sarcom  der  Magenwand.  Resectio  partis 
pyloricae  ventric.«  (ibid.  1888). 


640 


Guido  von  Török. 


und  von  A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  »lieber  die  Magenresektionen  und 

Gastro-Enterostomien  an  Prof.  Billroth’s  Klinik  1885 — 1889« 

(Langenbeck’s  Archiv  XXXIX,  4). 

Einen  besonderen  Platz  beansprucht  als  Abschluss 
aller  dieser  Arbeiten  Billroth’s  Bericht:  »lieber  124  vom 
November  1878  bis  Juni  1890  in  meiner  Klinik  und  Pri- 
vatpraxis ausgeführte  Resektionen  am  Magen-  und  Darm- 
kanal, Gastro-Enterostomien  und  Narbenlösungen  wegen 
chronischer  Krankheitsprocesse«  (Verhandlungen  des  X.  inter- 
nationalen Medizinischen  Kongresses  in  Berlin,  Band  III  Abthei- 
lung VII,  und  Wr.  klinische  Wochenschrift  1891,  Nr.  34).  Es  ist 
von  höchstem  Interesse,  Billroth’s  Schlussbemerkungen 
zu  diesem  Berichte  kennen  zu  lernen,  und  mag  es  daher  ge- 
stattet sein,  an  diesem  Orte  die  Worte  des  grossen  klinischen 
Lehrers  zu  wiederholen. 

Billroth  sagt:  »Wenn  nun  über  die  segensreiche  Wirkung 
dieser  Operationen  bei  Individuen,  welche  an  Narbenstenosen  des 
Darmes  und  des  Pylorus  oder  an  unheilbaren  Darmfisteln  leiden, 
nicht  zu  zweifeln  ist,  so  ist  doch  wiederholt  gegen  diese  Opera- 
tionen wegen  Carcinom  geltend  gemacht,  dass  bisher  noch  kein 
Fall  von  radikaler  Heilung  eines  Magen-  oder  Darmkrebses  durch 
die  Resektion  vorliege  (nur  eine  Frau  überlebte  die  Pylorusresek- 
tion  5 Jahre),  und  dass  der  Werth  solcher  Operationen  beim 
Carcinom  daher  sehr  jiroblematisch  sei;  dass  auch  in  den  meisten 
Fällen  die  Diagnose  erst  dann  sicher  zu  stellen  sei,  wenn  der  Fall 
nicht  mehr  mit  Aussicht  auf  Erfolg  operiert  werden  könne.  Ich 
kann  darauf  nur  erwidern,  dass  die  Radikalheilungen  von  Carci- 
nomen  durch  die  Ojieration  auch  an  anderen  Körpertheilen  recht 
selten  sind,  und  dass  sich  in  Betreff  der  Schnelligkeit  der  Recidive 
und  Metastasen  die  Darmcarcinome  nicht  anders  verhalten,  wie 
andere  Schleimhaut-  und  Hautkrebse.  Die  langsam  entstandenen, 
mehr  scirrhösen  Formen  sind  auch  langsamer  in  ihren  Recidiven, 
während  die  Cylinderepithel-  und  Gallertkrebse  rasch  wachsen,  rasch 
in  die  Lymphdrüsen  eindringen,  rasch  Recidive  und  ]\Ietastasen 
machen.  Wer  aber  das  Aufblühen  solcher  Kranken  nach  Be- 
seitigung der  Pylorus-  oder  Darmstenosen  durch  Carcinom 
erlebt  hat,  wird  nicht  daran  zweifeln,  dass  diese  Patienten 
deiiTheil  desLebens,  welcher  ihnen  überhaupt  noch  vom  Fa- 
tum bestimmt  ist,  in  weit  angenehmerem,  erträglicherem 
Zustande  verleben,  als  wenn  sie  nicht  operiert  wären. 
Auch  in  dieser  Beziehung  nehmen  also  diese  Carcinomoperationen 
keine  Sonderstellung  ein.  Der  Unterschied  liegt  bisher  nur  in  der 


Die  Arbeiten  der  Klinik  Billroth  in  den  Jahren  18G7 — 1892. 


641 


Schwierigkeit  der  frühen  Diagnose  und  in  der  Gefahr 
des  operativen  Eingriffes.« 

»Ich  hoffe,  dass  beide  Momente  keine  unheilbaren 
Gebrechen  unserer  Kunst  bleiben  werden.  Ich  zweifle 
nicht  daran,  dass  bei  fortgesetztem  eifrigem  Studium 
eine  frühere  Präzisierung  der  Diagnose  möglich  werden 
wird,  und  dass  wir  die  Gefahren  dieser  Operation  durch 
Vervollkommnung  der  Methoden  und  der  Technik  noch 
um  ein  Bedeutendes  zu  verringern  imstande  sein  werden. 
Wenn  wir  dennoch  vielleicht  nicht  so  schnell  — wie  wir 
wünschen  — zur  höchsten  Höhe  unserer  Bestrebungen 
gelangen,  so  rufe  ich  Ihnen  doch  Allen  den  Wahlspruch 
meines  grossen  Meisters  B.  von  Langenbeck  zu:  Nunquam 
retrorsum!« 

Wir  sind  nun  am  Schlüsse  der  Publikationen  über  Osteo- 
tomien, Strumaoperationen  und  Magen-Darmresektionen  angelangt, 
und  wenn  es  auch  heutzutage  kaum  einen  Chirurgen  geben 
wird,  der  diese  Themen  klinisch  bespricht,  ohne  der  Arbeiten 
Billroths  und  seiner  Schüler  zu  gedenken,  so  ist  doch  da- 
mit der  Antheil  derselben  an  der  Fortentwicklung  und  Vervoll- 
kommnung anderweitiger  neuer  Operationen  und  Operationsmethoden 
lange  nicht  erschöpft.  So  finden  wir  noch  die  Arbeiten  von: 

R.  Gersuny:  »Fortschritte  in  der  Behandlung  der  Aneurysmen« 
(iVrch.  f.  klin.  Chh.  XXIV  1879). 

J.  Mikulicz:  »lieber  Totalexstirpation  des  Uterus«  (Wr.  med. 

Wochenschr.  1880  u.  81),  welche  Operation  auf  der  Klinik 
nach  den  unbefriedigenden  Versuchen  mit  der  Freund’schen 
Methode,  nur  mehr  nach  den  Vorschlägen  von  Czerny  und 
Billroth  per  vaginam  zur  Ausführung  kam. 

J.  Mikulicz  und  N.  Weiss:  »Ueber  Nervendehnungen«  (ibid.). 
J.  Mikulicz:  »Osteoplast.  Fussresektion«  (Langenb.  Arch.  1881). 
J.  Rosmanit:  »Ueber  operative  Behandlung  der  Hüftgelenk- 

contracturen«  (Langenb.  Arch,  1882). 

Ferner  hat  Billroth  seine  Methode  der  Behandlung 
kalter  Abscesse  und  tuberkulöser  Caries  mit  Jo  de- 
form emulsion  weiter  ausgebildet  (Wr.  klin.  Wochenschr.  1890), 
nachdem  1884  Alex.  Fränkel  die  ersten  Operationen  dieser  Art 
auf  der  Klinik  beschrieben  hatte  (Wr,  med.  Wochenschr.). 

Noch  sind  zu  erwähnen  die  Arbeiten  von: 

A.  Wölf  1er:  »Zur  Suspension  des  Uterusstumpfes  nach  supra- 
vaginaler  Amputation«  (Wr.  med.  Wochenschi.), 


41 


642 


Guido  von  Török. 


A.  Wölfl  er:  »Zur  Technik  der  supra  vaginalen  Amputatio  uteri« 
(Wr.  nied.  Woctiensclir.  1885),  und 

V.  V.  Hacker  über  denselben  Gegenstand  (ibid,). 

Weiter  müssen  verzeichnet  werden  die  Publikationen  von: 

V.  V.  Hacker:  »Heber  die  Verwendung  des  M.  rect.  abdom. 
zum  Verschluss  der  künstlichen  Magenfisteh<  (Wiener  med. 
Wochenschr.  1886). 

und  von  F.  Salzer:  »Heber  die  Resektion  des  3.  Trigeminus- 
astes am  Foramen  ovale«  (Wr.  med.  Wochenschr.  1887). 
Ganz  besondere  Erwähnung  erheischt  die.bedeu- 
tende  Arbeit  von  Fr.  Salzer:  »Zur  Therapie  der  Narben- 
contractur  der  Hand«  (ibid.),  welche  neuere  Operationsmethoden 
zur  Behebung  dieses  Leidens  inaugurierte.  Durch  diese  Arbeit  an- 
geregt, erfolgten  dann  weitere  Publikationen:  »Heber  den  plastischen 
Ersatz  von  grösseren  Hautdefekten  durch  entfernten  Körpertheilen 
entnommene  Lappen«  von  V.  v.  Hacker  (Langenbecks  Arch. 
XXXVII.  und  Wr.  klin.  Wochenschr.  1889),  sowie  von  A.  Freih. 
V.  Eiseisberg:  Autoplastik.  (Wr.  klin.  Wochenschr.  1889). 
Anschliessend  sei  auch  des  letzteren  Aufsatz:  »Heber  Hautver- 
pflanzung nach  Thiers ch«  (ibid.)  verzeichnet. 

Ferner  mögen  hier  noch  hervorgehoben  werden  die  Ar- 
beiten von: 

V.  V.  Hacker:  »Heber  Verätzungsstricturen  des  Oesophagus« 
(Wien,  Hölder  1889),  nebst  Angabe  seiner  neuen  Methoden 
der  Oesophagoplastik. 

F.  Salzer:  »ZurTechnik  der  Trepanation«  (Wr.klin.  Wochenschr. 
1889). 

A.  Freih.  v.  Eis  eis  b erg:  Vorstellung  von  zwei  geheilten  Fällen 
von  Celluloid-Implantation  in  Schädel-Defekte  (Gesellschaft 
d.  Aerzte,  Wien  1891). 

J.  Haidenthaller : »Die  Radikaloperationen  der  Hernien  1877 
bis  1889«  (Langenbecks  Arch.  1890).  und  von 

F.  Schüssler:  »Sehnennähte  an  der  Klinik  Billroth  1886 — 1889« 
(Hölders  Sammlung  klin.  Schriften  1890). 

1889  hat  Billroth  seine  Modifikation  der  Langenbeck’schen 
Hranoplastik  durch  Abmeiss elung  der  medialen  Platte 
des  Proc.  pteryg.  ossis  sphenoidis  beschrieben  (Wr.  klin. 
Wochenschr.  1889  Nr.  12),  worauf  F.  Salzer  über  denselben  Gegen- 
stand nach  15  erfolgreich  operierten  Fällen  im  Centralblatt  für 
Chirurgie  1890  Nr.  13  Bericht  erstattet  hat. 

Wir  können  die  Besprechung  der  Arbeitsverzeichnisse  nicht 
beenden,  ohne  vorher  einiger  Publikationen  noch  zu  gedenken. 


Die  Arbeiten  der  Klinik  Billroth  in  den  Jahren  1867 — 1892. 


643 


welche,  wenngleich  sie  mit  der  Entwicklung  neuerer  Operations- 
methoden nicht  direkt  im  Zusammenhänge  stehen,  dennoch  durch 
ihre  besondere  Bedeutung  eine  Erwähnung  erfordern: 

In  erster  Linie  gehören  hierher  Billroth’s  Werk:  Die  Krank- 
heiten der  Brustdrüsen  (Deutsche  Chirurgie  1879),  sowie 
die  neunte  Auflage  seiner  allgemeinen  Chirurgie 
(1880),  welche  von  nun  ab  in  der  Bearbeitung  von  Alex, 
von  Winiwarter  weiter  erschienen  ist. 

Desgleichen  müssen  erwähnt  werden  die  Abhandlungen  von 
H,  Klotz:  »lieber  einige  seltene  Erkrankungen  der  weiblichen 
Brustdrüse«  (Arch.  f.  klin.  Chir.  XXV  1880). 

V.  V.  Hacker:  »Vorkommen  von  Knorpel  und  Knochen  in  einer 
Geschwulst  der  Mamma«  (Langenbeck’s  Arch.  1882). 

F.  Raab:  »lieber  die  Entwicklung  der  Narbe  im  Blutgefäss« 
(ibid.  1878). 

F.  V.  Winiwarter : »lieber  eine  eigenthümliche  Form  von  End- 
arteriitis«  (ibid.  1878). 

J.  Mikulicz:  »lieber  Gastroskopie  und  Oesophagoskopie«  (Wr. 
med.  Presse  1881). 

A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  »Zur  Lehre  von  den  Mikroorganis- 
men im  Blute  fiebernder  Verletzter«  (W.  med.  Wochenschr.  1886). 
Alex.  Brenner:  »Die  Blasennaht«  (Langenbecks  Arch.  XXXV. 
1887). 

A.  V.  R o s t h 0 r n : »Die  Sehnenscheiden  der  Hohlhand«  (ibid.  1887). 
endlich  die  Arbeiten  A.  Freih.  v.  Eiselsberg’s: 

Experimentelle  Beiträge  zur  Aetiologie  des  Wundstarrkrampfes 
1888. 

Nachweis  von  Eitercoccen  im  Blute  als  diagnostisches  Hilfsmittel 
1890. 

lieber  einen  Fall  von  erfolgreicher  Transplantation  eines  Fibro- 
sarcoms  bei  Ratten  (1890  Wr.  klin.  Wochenschr.) 

Nachweis  von  Eitercoccen  im  Schweisse  eines  Pj^aemischen 
(Berlin,  klin.  Wochenschr.  1891),  sowie 
die  Monographie  F.  Salz  er ’s:  lieber  die  Einheilung  von  Fremd- 
körpern (Hölders  Samml.  klin.  Schriften  1890)  und  dei  \ oitiag 
Billroth’s:  Koch’sche  Injectionen  bei  Aktinomykose  (Wr.  klin. 
Wochenschr.  1891). 

Hiermit  sei  die  Besprechung  der  Arbeits- Verzeichnisse  in 
Rücksicht  auf  den  knappen  Raum  der  vorliegenden  Abhandlung 
geschlossen  und  bezügüch  des  genauen  Details  auf  die  nach- 
folgenden Tabellen  verwiesen. 

Wenn  nach  einem  produzierten  so  kolossalen  Arbeiten- 


Guido  von  Török. 


()44 

Materiale  der  Klinik  Billroth  unser  verehrter  Lehrer  selbst  in  den 
allerletzten  Jahren  wiederholt  und  mit  alter  Energie  zur  Feder  griff, 
um  Themen  der  verschiedensten  Art  (Krankenpflege, Einwirkung 
lebender  Pflanzen- und  Thierzellen  aufeinander,  Bau  der 
neuen  Kliniken,  etc.)  in  gewohnter  kritischer  und  anregender 
Weise  zu  besprechen,  so  können  wir  an  unserem  Altmeister 
mit  innerer  Befriedigung  die  Wahrnehmung  machen, 
sein  Leben  sei  köstlich,  denn  es  ist  noch  immer  in 
ungeschwächtem  Masse  Mühe  und  Arbeitl 


Verzeichnis  der  Arbeiten  der  Klinik  Billroth  von  1867 — 1892 

nach  Jahren  geordnet. 

1867. 

Billroth:  Erste  Vorlesung  in  Wien  am  11.  Oktober  1867. 
Einleitung  in  die  allgemeine  Chirurgie  (Wr.  med.  Wochenschr. 

1867) . 

Billroth:  Handbuch  der  Chirurgie  von  Pitha  und  Billroth, 

a.  Verbrennungen,  Erfrierungen,  Quetsch-,  Schnitt-  und  Biss- 
wunden 1867. 

b.  Allgemeine  Instrumenten-  und  Operationslehre  1867. 
Billroth:  Aus  klinischen  Vorträgen  (Wr.  med.  Wochenschr.  1867). 

1.  lieber  Duodenalgeschwüre  bei  Septhämie  Nr.  45. 

2.  lieber  metastatische  Thrombosen.  Nr.  52. 

3.  Phlegmone  der  Kopfschwarte  nach  Verletzung.  Venen- 
thrombose — Meningitis,  akute  Hornhautvereiterung  Nr  58. 

4.  Bösartige  Phlegmone  mit  septischer  Intoxication  ausserhalb 
des  Spitales  nach  kleinen  Verletzungen  Nr.  66. 

5.  lieber  Paralyse  des  Nervus  radialis  nach  Krückendruck 
Nr.  69. 

6.  lieber  Impfungen  mit  Geschwulstelementen  Nr.  72. 

1868. 

Billroth:  Beobachtungsstudien  über  Wundfieber  und  acciden- 
telle  Wundkrankheiten  (Dritte  Abth.  Schluss.)  (Langenbecks 
Arch.  für  klin.  Chirurgie,  Band  IX  1868). 

Billroth:  Nekrolog  über  Carl  Otto  Weber  (Langenbecks  Arch. 

1868) . 

Billroth:  lieber  Acupressur  (Wr.  med.  Wochenschr.  1868). 
Billroth:  Feuilleton:  An  meine  Schüler  (Wr.  med.  Wochenschr. 
1868). 


Die  Arbeiten  der  Klinik  Billroth  in  den  Jahren  1867—1892.  645 

Billrotli:  Tod  durch  Chloroform  (Wr.  med  Wochenschr.  1868). 
Billroth,  J a n n y u.  Menzel:  Osteoplastische  Versuche  (Ueber 
Regeneration  und  Transplantation  von  Knochen  (Wr.  med. 
Wochenschr.  1868). 

Billroth:  Chirurg.  Handbuch  von  Pitha  und  Billroth  (Enke, 
Stuttgart). 

Skrophulose  und  Tuberkulose.  1868. 

Billroth:  Allgem.  chirurg.  Pathologie  und  Therapie  in  50  Vor- 
lesungen. Berlin,  G.  Reimer,  3.  Auflage  1868. 

F.  Steiner:  Casuistische  Mittheilungen  aus  der  Klinik  Billroth 

1.  Bruch  des  Kehlkopfes, 

2.  Zellgewebsvereiterung  um  den  Kehlkopf, 

3.  Bildung  eines  Blasensteines  um  ein  Papierröllchen, 

4.  Lithotripsie.  (Wr.  med.  Wochenschr.  1868.) 

A.  Menzel:  Billroths  klinischer  Vortrag  über  Chloroformwdr- 
kung  und  Chloroformtod  (Wr.  med.  Wochenschr.  1868). 
Agular:  Casuistische  Mittheilungen  aus  der  Klinik  Billroth  (Wr. 
med.  Wochenschr.  1868). 


1869. 

Billroth:  Chirurgische  Erfahrungen.  Zürich  1860 — 1867.  (Arch. 
f.  klin.  Chirurgie,  Band  X,  1869,  und  Berlin  bei  Hirsch- 
wald 1869.) 

Billroth  und  Czerny:  Beiträge  zur  Geschwulstlehre  (Plexiforme 
Geschwülste.  — Alveolare  Sarcome.)  (Arch.  f.  klin.  Chirurgie, 
Band  XI,  1869.) 

Billroth:  Ueber  akute  Meningitis  serosa  und  akutes  Hirnoedem 
nach  Chirurg.  Operationen.  (Wr.  med.  Wochenschr.  1869.) 

Billroth:  Allgem.  chirurgische  Pathologie  und  Therapie  in  50 
Vorlesungen.  Berlin,  G.  Reimer,  4.  Aufl.  1869. 

Billroth:  Mancherlei  über  Entzündung.  (Wr.  med.  Jahrbücher 
1869.) 

Vincenz  Czerny:  Beiträge  zur  Geschwulstlehre.  (Arch.  f.  klin. 
Chirurgie.  Band  X,  1869.) 

V.  Czerny:  Ueber  Extension  mit  Gewichten.  (Wr.  med.  Wochen- 
schr. 1869.) 

Kattinger:  Ueber  Dilatation  der  Harnröhrenstricturen  mittels 
des  Thompson’schen  Instrumentes.  (Wr.  med.  Wochenschrift 
1869.) 

A.  Menzel  und  Herrn.  Perco.  Ueber  Resorption  von  Nah- 
rungsmitteln vom  Unterhautzellgewebe  aus  (Fette,  Milch, 
Zucker,  Eiweiss).  (Wr.  med.  Wochenschr.  1869.) 


646 


Guido  von  Török. 


A.  Menzel:  Chirurg.  Mittheilungen  aus  Italien  (Bottini,  Rizzoli). 
(Wr.  med.  Wochenschr.  1869.) 

A.  Menzel:  Ueber  die  septischen  Eigenschaften  des  frischen 
Wundsermus  (Wr.  med.  Woch.  1869). 

A.  Menzel:  Ueber  die  Einwirkung  des  Urins  auf  das  Zellgewebe 
(Wr.  med.  Wochenschr.  1869). 

F.  Steiner:  Casuistische  Mittheilungen  aus  der  Klinik  Billroth 
(Wien.  med.  Wochenschr.  1869). 

V.  Czerny:  Ueber  Silberzeichnungen  an  den  Drüsen  der  Cutis 
(Centralbl.  d.  med.  Wissensch.  1869,  Nr.  29). 

Menzel:  La  resezione  della  articulatione  del  ginocchio  (Gaz.  med. 
ital.  Milano  1869). 

Menzel:  Sülle  genesi  et  Therapia  dell  Epispadiasi  (Milano  1869). 

Menzel:  Tre  Ovariotomie  (Milano  1869). 

A.  Menzel:  Un  caso  di  Aneurysma  traumatico  dell  arteria  femor. 
sin.  (Milano  1869). 

A.  Menzel:  Sulla  sviluppo  della  facia  (Milano  1869). 

1870. 

Billroth:  Ueber  die  Beziehung  der  Rachendiphtherie  zur  Sept- 
haemie  und  Pyohaemie  (Wien.  med.  Wochenschr.  1870). 

Billroth:  Ueber  die  Verwendung  des  Bildhauermeisseis  bei 
Osteotomien  (Wien.  med.  Wochenschr.  1870). 

Billroth:  Briefe  aus  Mannheim  an  den  österr.  patriotischen 
Hilfsverein  29.  Sept.  1870;  dann  Wien  11.  Okt.  1870  (Wien, 
med.  Wochenschr.  1870). 

Billroth:  Klinisch-chhurgische  Berichte  Wien  1868,  (Berlin  bei 
A.  Hirschwald  1870). 

Billroth:  Ueber  die  Verbreitungswege  der  entzündlichen  Pro- 
zesse (Samml.  klin.  Vorträge  von  R.  Volkmann  1870). 

V.  Czerny:  Versuche  über  Kehlkopfexstirpation  (Wien.  med. 
Wochenschr.  1870). 

V.  Czerny:  Aus  den  Kriegslazarethen  anno  1870  (Wien.  med. 
Wochenschr.  1870). 

V.  Czerny:  Bericht  über  die  im  College  Stanislaus  behandelten 
Verwundeten  (Wien.  med.  Wochenschr.  1870). 

A.  Mally  und  A.  Menzel:  Experimentelle  Studien  über  Tuber- 
kulose (Wien.  med.  Wochenschr.  1870). 

A.  Menzel:  Chirurgische  Mittheilungen  aus  Italien  (Gritti)  (Wien, 
med.  Wochenschr.  1870). 


Die  Arbeiten  der  Klinik  Billroth  in  den  Jaliren  1867 — 1892. 


(347 


A.  Menzel:  lieber  die  Behandlung  ulcerierter  Neoplasmen  mit 
Hundemagensaft  (Wien.  med.  Wochenschr.  1870;  dasselbe 
italienisch  Milano  1870). 

A.  Menzel:  Zwei  Oesophagotomien  (Wien.  med.  Wochenschr.  1870). 
F’.  Steiner:  Casuistische  Mittheilungen  aus  Prof.  Billröths  Privat- 
praxis — Hydrops  antri  Highmori  (Wien.  med.  Wochenschr. 

1870) . 

F.  Steiner:  Aether  oder  Chloroform  — ein  kurzer  historischer 
Rückblick  (Wien.  med.  Wochenschr.  1870). 

F.  Steiner:  lieber  die  Organisation  der  freiwilligen  Kranken- 
pflege im  Kriege  (Wien.  med.  Wochenschr.  1870). 

V.  Czerny:  Die  Reverdin’sche  Methode  (Centralblatt  f.  med. 
Wissensch.  1870). 

V.  Czerny:  Eine  Zungenexstirpation  nach  einer  neuen  Methode 
(med. -Chirurg.  Rundschau  1870). 

V.  Czerny:  Zwei  schwere  Gelenksverletzungen,  geheilt  bei  offener 
Wundbehandlung,  August  1870  (med.  Chirurg.  Rundschau). 
A.  Menzel:  Sulla  Frequenza  delle  carie  nelle  varie  ossa.  Milano 

1870  (Gaz.  med.  ital.) 

A.  Menzel:  Sulla  tuberculosi  (Gaz.  med.  ital.  Milano  1870). 

1871. 

Billroth-Menzel  und  Perco.  Heber  die  Häufigkeit  der  Caries 
in  verschiedenen  Knochen  (Arch.  f.  klin.  Chir.,  Band  XII, 

1871) . 

Billroth,  Heber  die  Endresultate  der  Gelenksresektionen  (Wien, 
med.  Wochenschr.  1871,  Nr.  1 — 7). 

Billroth:  Chirurgische  Reminiszenzen  aus  dem  Sommer-Semester 

1871  (Wien.  med.  Wochenschr.  1871). 

I.  Aetzung  der  Hämorrhoidalknoten  mit  acid.  nitric.  fumans, 
Nr.  35. 

II.  Staphyloraphien  bei  Kindern,  Nr.  38. 

HI.  Behandlungsweisen  der  Aneurysmen,  Nr.  40. 

IV.  Heber  Acupressur  und  Torsion  der  Arterien  zumal  bei 
Amputationen,  Nr.  43. 

V.  Heber  multiple  Lymphome  und  deren  Behandlung  mit 
Arsenik,  Nr.  44. 

VI.  Ovariotomien  (Wien.  med.  Wochenschr.  1871),  Nr.  45 
und  46. 

Billroth,  Die  allgem.  Chirurg.  Pathologie  u.  Therapie  in  50  Vor- 
lesungen. Berlin,  G.  Reimer,  5.  Auflage,  1871. 


648 


Guido  von  Török. 


W.  Gior2:ievic:  lieber  Lymphorrhoe  und  Lvmphaimom  (Arch. 
f.  klin.  Chir.,  Band  XII,  1871). 

F.  Steiner:  lieber  die  Elektropunktur  des  Herzens  als  Wieder- 
belebungsmittel in  der  Chloroformsynkope.  Zugleich  eine 
Studie  über  Stichwunden  des  Herzens  (Arch.  f.  klin.  Chir., 
Band  XII,  1871). 

C.  Gussenbauer:  lieber  die  Heilung  per  primam  intentionem 
(Arch.  f.  klin.  Chir.,  B.  XII,  1871). 

R.  Gersuny  und  W.  Gjorgjevic:  Beiträge  zur  kaustischen 
Wundbehandlung  nebst  Versuchen  über  das  Verhalten  bloss- 
gelegter Venen  gegen  Aetzmittel  (Carbol.  Liquor  ferri)  (Arch. 
f.  klin.  Chir.  1871,  Bd.  XII). 

A.  Menzel:  lieber  die  Erkrankung  der  Gelenke  bei  dauernder 
Ruhe  derselben.  — Eine  experimentelle  Studie  (Arch.  f.  klin. 
Chirurgie,  Bd.  XII,  1871). 

C.  Gussenbauer:  lieber  die  Veränderungen  des  quergestreiften 
Muskelgewebes  bei  der  traumatischen  Entzündung  (Arch.  f. 
klin.  Chirurgie,  XII,  1871). 

V.  Czerny:  Schlussbemerkungen  zu  dem  Berichte  über  die  Ver- 
wundeten in  Weissenburg  (Wr.  med.  Wochenschr.  1871). 

A.  Menzel:  Ein  Fall  von  Rippenchondrom  (Wr.  med.  Wochen- 
schrift 1871). 

F.  Steiner:  Beitrag  zur  Casuistik  der  Hämatometra  (Wr.  med. 
Wochenschr.  1871). 

V.  Czerny:  lieber  Pfropfung  von  Schleimhautepithel  auf  granu- 
lierende Wundflächen  (Centralbl.  f.  med.  Wissenschaften  1871). 

V.  Czerny:  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des  subjektiven  Hörens 
wirklicher  musikalischer  Töne  (Virch.  Archiv,  41.  B.,  p.  229). 

A.  Menzel:  Sullo  Shok.  Gaz.  univ.  ital.  Milano  1871). 

A.  Lobmayer:  Einiges  über  den  Aspirateur  pneumatic  souscutane 
von  Dieulafoy.  Wien  1871). 

1872. 

Billroth:  lieber  die  Resektion  des  Oesophagus  (Arch.  f.  klin. 
Chirurgie,  XHI,  1872). 

Billroth:  Casuistische  Mittheilungen. 

1.  Geschichte  eines  Falles  von  epileptischen  Anfällen  nach 
Quetschung  des  Nervus  ischiadicus.  Operation,  Heilung. 
Partielle  Recidive,  Operation.  Pleilung.  (Arch.  f.  klin.  Chir. 
XHI,  1872). 


Die  Arbeiten  der  Klinik  Billrotli  in  den  Jahren  1867—1892. 


649 


2.  Einseitige  Pseudohypertrophie  einiger  Oberschenkelmuskeln, 
einen  Tumor  vortäuschend.  Operation,  Tod,  (Arch.  für  klin. 
Chirurgie,  Band  XIII,  1872.) 

Billroth:  Neue  Beobachtungsstudien  über  Wundfieber  (Arch  f. 
f.  klin.  Chir.,  XIH,  1872). 

Billroth:  Klinisch-chirurgische  Berichte.  Wien,  1869 — 70  (Berlin 
bei  Hirschwald,  1872), 

Billroth:  Chirurgische  Briefe  aus  den  Kriegslazarethen  in 
Weissenburg  und  Mannheim,  1870.  Berlin  bei  A.  Hirschwald, 
1872  (schon  früher  in  der  Berliner  klin.  Wochenschrift  er- 
schienen) . 

Billroth:  Die  allgemeine  chirurg,  Pathologie  und  Therapie  in 
50  Vorlesungen.  Berlin  bei  G,  Reimer.  6.  Aufl.  1872. 

R.  Gersuny:  Ueber  polypöse,  nicht  carcinomatöse  Neubildungen 
der  Harnblase  (Arch.  f.  klin.  Chir.,  XIII,  1872). 

F.  Steiner:  Ueber  die  Entwicklung  der  Stirnhöhlen  und  deren 
krankhafte  Erweiterung  durch  Ansammlung  von  Flüssigkeiten 
(Arch.  f.  klin.  Chir.,  XIII,  1872). 

A.  Menzel:  Ein  Fall  von  Osteofibrom  des  Unterkiefers  (Arch. 
f.  klin.  Chir.  1872,  XIII.  Bd.). 

V,  Czerny:  Beschreibung  eines  neugebildeten  Gelenkes  nach 
totaler  Resektion  im  Ellbogengelenke  wegen  Anchylose  (Arch. 
f.  klin.  Chir.,  XHI,  1872). 

A.  Menzel:  Die  Resektion  des  Unterkiefernerven  vom  Munde 
aus  (Arch.  f.  klin.  Chir.,  XHI,  1872). 

A.  Menzel:  Casuistische  Mittheilungen  aus  der  Klinik  des  Prof. 
Billroth  in  Wien. 

1.  Zwei  Fälle  von  fremden  Körpern  in  Oesophagusstrikturen, 
Oesophagotomie. 

2.  Fibröser  Polyp  der  Schädelbasis  — Exstirpation  mit  Resektion 
des  Oberkiefers.  Heilung  (Arch.  f.  klin.  Chirurgie,  1872). 

Ludwig  Pfleger:  Beobachtungsstudien  über  die  Verbreitungs- 
weise des  Erysipelas  migrans  (Arch.  f.  klin.  Chir.,  XIV,  18 r 2). 
C.  Glissen bauer:  Ein  Beitrag  zur  Lehre  der  Verbreitung  des 
Epithelialkrebses  auf  Lymphdrüsen.  Entwicklung  des  Epi- 
thelialkrebses in  einer  Bronchialdrüse  nach  einem  Oesophagus- 
krebse  (Arch.  f.  klin.  Chir.,  XIV,  1872). 

C.  Gussenbauer:  Mittheilungen  aus  der  chirurg.  Klinik  des 
Prof,  Billroth. 

1.  Aneurysma  der  ab.steigenden  Aorta.  — rracheotomie.  Tod. 

2.  (Rücken-)  Lipom  von  ungewöhnlicher  Grösse.  Exstirp. 
Heilung.  (Wr.  med.  Wochenschr.  1872). 


650 


Guido  von  Török. 


A.  Menzel:  Kleine  Beiträge  zur  Hauttransplantation  (Wr.  med. 
Wochenschr,  1872). 

F.  Steiner:  Ueber  die  Behandlung  der  Wunden  mit  Karbolsäure 
(Wr.  med.  Wochenschr.  1872). 

1873. 

Billroth : Erfahrungen  über  Esmarchs  Methode  der  Blutersparung 
bei  Operationen  an  den  Extremitäten.  (Wr.  med.  Wochen- 
schrift 1873). 

Billroth:  Ovariotomien  (10 — 13.  Fall)  (Wr.  med.  AVochenschr. 
1873,  Nr.  1). 

Billroth:  Ueber  Aetzung  der  Knochen  (Vortrag  auf  dem  Chir. 
Kongress  1873). 

Billroth:  Ueber  die  Bildung  langer  Lappen  bei  j)lastischen 
Operationen  (Chir.  Kongress  1873). 

F.  Steiner:  Ueber  die  operative  Behandlung  der  Epispadiasis 
und  der  angeborenen  Blasenspalte  (Arch.  f.  klin.  Chirurgie, 

XV.  Bd.,  1873). 

Gussenbauer:  Fibrom  der  Bauchwand,  Exsthpation , Hei- 
lung (Wr.  med.  Wochenschr.  1873). 

E.  Pernitza:  Beitrag  zur  Therapie  des  Noma  (Wr.  med.  Wochen- 
schrift 1873). 

F.  Steiner:  Mittheilungen  aus  der  Klinik  des  Prof.  Billroth. 

1.  Zur  Behandlung  der  Knochenbrüche  an  den  Extremitäten 
mit  Gewichtsextension. 

2.  Lähmung  der  linken  ob.  Extremität  nach  Fall  auf  die 
Innenseite  des  Oberarmes  (Wr.  med.  Wochenschr.  1873). 

C.  AVeil:  Beiträge  zur  Kenntnis  des  Muskelkrebses  (AVr.  medic. 
Jahrbücher  1873). 

1874. 

Billroth:  Untersuchungen  über  die  Vegetationsformen  von 
Coccobacteria  septica  und  den  Antheil,  welchen  sie  an  der 
Entstehung  und  A^erbreitung  der  accidentellen  AVundkrank- 
heiten  haben.  Versuch  einer  wissenschafthchen  Kritik  der 
verschiedenen  Methoden  der  antiseptischen  AVundbehandlung. 
Berlin,  G.  Reimer,  1874. 

Billroth:  Ueber  die  Exstirpation  ausgedehnter  Zungencarcinome 
von  der  Regio  suprahyoidea  aus.  (Arch.  f.  klinische  Chii’., 

XVI.  Band,  1874). 

Billroth:  Kurzer  Rückblick  auf  die  neueren  Phasen  der  Lehre 
von  der  Entzündung  und  der  Regeneration  der  Gewebe  (Wr. 
med.  AA^ochenschr.  1874). 


Die  Arbeiten  der  Klinik  Billroth  in  den  Jahren  1867—1892. 


651 


Billroth  und  Mundy:  üeber  den  Transport  der  im  Felde  Ver- 
wundeten und  Kranken  auf  Eisenbahnen  (Wien,  C.  Gerold 
und  Sohn,  1874). 

H.  Sattler:  üeber  die  sog.  Cylindroine  und  deren  Stellung  im 
onkologischen  System.  Berlin,  G.  Reimer,  1874. 

F.  Steiner:  Untersuchungen  über  die  feineren  anatomischen 
Vorgänge  bei  einigen  Formen  von  Geschwulstbildung  im 
menschlichen  Hoden  (Entzündung,  Tuberkulose)  (Arch.  für 
klin.  Chir.,  XVI.  Bd.,  1874). 

C.  Gusse nbauer:  üeber  eine  lipomatöse  Muskel-  und  Nerven- 
degeneration und  ihre  Beziehung  zu  diffuser  Sarcombildung 
(Arch.  f.  klin.  Chir.,  XVI.  Band,  1874). 

A.  V.  Winiwarter:  Ein  Fall  von  angeborener  Makroglossie, 
combiniert  mit  Hygroma  cystic.  colli  congenit.  (Arch.  f.  klin. 
Chir.,  XVI.  Bd.  1874). 

A.  Menzel:  Spontane  Dactylolyse,  eine  eigenthümliche  Erkran- 
kung der  Finger  (Arch.  f.  klin.  Chir.,  XVI.  Bd.,  1874). 

C.  Gussenbauer:  üeber  die  erste  durch  Th.  Billroth  am 

Menschen  ausgeführte  Kehlkopf-Exstirpation  und  die  Anwen- 
dung eines  künstlichen  Kehlkopfes  (Arch.  f.  klin.  Chirurgie, 
XVII.  Band,  1874). 

R.  Gersuny:  Aus  der  Privatpraxis  Prof.  Billroths.  Grosses 
in  die  Bauchhöhle  hineinragendes  Fibrom  der  vorderen  Bauch- 
wand. Operation,  Heilung  (Wr.  med.  Wochenschr.  1874). 

C.  Gussenbauer:  Eine  neue  Extensionsmaschine  für  den  Ober-  . 
arm  (Wr.  med.  Wochenschr.  1874). 

F.  Steiner:  Aus  den  Erinnerungen  meiner  Wanderzeit  (Wr. 
med.  Wochenschr.  1874). 

F.  Steiner:  üeber  den  gegenwärtigen  Stand  der  Transfusions- 
frage (Wr.  med.  Wochenschr.  1874). 

F.  Steiner:  Zwei  Thierblut-Transfusionen  nach  einer  Amputatio 
femoris.  Tod  (Wr.  med.  Wochenschr.  1874). 

C.  Weil:  üeber  das  entzündliche  Hautpapillom  (Vierteljahrsschr. 
f.  Dermatologie  (1874). 

A.  V.  Frisch:  Experimentelle  Studien  über  die  Verbreitung  der 
Fäidnis-Orgaihsmen  in  den  Geweben  und  die  dm-ch  Impfung 
der  Cornea  mit  pilzhaltigen  Flüssigkeiten  hervorgerufenen 
Entzündungserscheinungn.  Erlangen,  Ferd.  Enke,  1874. 

1875. 

Billroth:  Die  allgem.  Chirurg.  Pathologie  und  Therapie  in  50 
Vorlesungen.  Berlin  bei  G.  Reimer,  7.  Aufl.  1875. 


652 


Guido  von  Török. 


Billroth:  Zur' Diskussion  über  einige  Zeit-  und  Tagesfragen. 

I.  lieber  Bluttransfusion. 

II.  ,,  Elektrolyse. 

III.  ,,  Massage  (Wr.  med.  Wochenschr.  1875). 

V.  Czerny:  Erinnerungen  aus  meinen  Lehrjahren  an  der  Bill- 

roth’sehen  Klinik. 

1.  Phosphornekrose,  subperiostale  Resektion  beider  Oberkiefer 
und  Jochbeine  vom  Munde  aus. 

2.  Exstirpation  eines  kopfgrossen  subpleuralen  Lipoms,  Tod 
durch  septische  Pleuritis  (Wr.  med.  Wochenschr.  1875). 

C.  Gussenbauer:  Die  Methoden  der  künstlichen  Knochentren- 
nung und  ihre  Verwendung  in  der  Orthopädie  (Arch.  f.  klin. 
Chir.,  XVIII.  Bd.,  1875). 

A.  V.  Winiwarter:  lieber  das  maligne  Lymphom  und  Lympho- 
sarcom  mit  besonderer  Rücksicht  auf  ihre  Behandlung  (Arch. 
f.  klin.  Chir.,  XVIII,  1875). 

C.  Gussenbauer:  Casuistische  Mittheilungaus  der  Klinik  des 
Prof.  Billroth. 

Exstirpation  eines  Harnblasenmyoms  nach  vorausgehendem 
tiefen  und  hohen  Blasenschnitt.  Heilung  (Arch.  f.  klinische 
Chir.,  XVIII,  1875). 

C.  Gussenbauer:  Die  Knochenentzündungen  der  Perhnutter- 
drechsler  (Arch.  f.  klin.  Chir.,  XVIII,  1875). 

C.  Gussenbauer:  Zur  Casuistik  plastischer  Operationen  an 
den  Extremitäten  (Deutsche  med.  Wochenschr.  1875,  p.  168). 
M.  Gross  mann:  lieber  die  Behandlung  der  Larynxstenose  (Ber- 
lin. klin.  Wochenschr.  1873). 

1876. 

Billroth:  Die  allgem.  chir.  Pathologie  und  Therapie  in  50  Vor- 
lesungen. Berlin  bei  G.  Reimer.  8.  Aufl.  1876. 

Billroth:  lieber  das  Lehren  und  Lernen  in  den  med.  Wissen- 
schaften. Wien,  Gerold  1876. 

Billroth:  Zur  Diskussion  über  einige  Chirurg.  Zeit-  und  Tages- 
fragen. IV.  Laparo-Hysterotomie  (Wr.  med.  Wochenschr.  1876). 
Billroth:  Worte  der  Erinnerung  an  Franz  Freih.  von  Pitha 
(Wr.  med.  Wochenschr.  1876). 

Billroth:  Worte  der  Erinnerung  an  M.  J.  Chehus,  L.  Stro- 
mayer  und  G.  Simon  (Wr.  med.  Wochenschr.  1876). 

C.  Gussenbauer:  Casuitische  Mittheilungen.  Extraktion  eines 
grossen  Taschenmessers  aus  dem  Oesophagus  mittels  Oeso- 
phagotomie.  Tod  infolge  akuter  Erweichung  ausgedehnter 


Die  Arbeiten  der  Klinik  Billrotli  in  den  Jahren  1867 — 1892. 


653 


chronischer  infiltrierter  Lungentuberkulose  (Deutsche  med. 
Wochenschr.  Nr.  2 u.  3 1876). 

Langstein:  Ueber  einen  seltenen  Fall  von  Erstickungstod 

(Wr.  med.  Wochenschr.  1876). 

C.  Gussenbauer:  Ueber  die  Piginentbildung  in  melanotischen 
Sarcomen  und  einfachen  Melanomen  der  Haut  (Virchows 
Archiv  Band  LXIII.  p.  322). 

C.  Gussenbauer  und  A.  v.  Winiwarter:  Die  partielle  Magen- 
resektion, eine  experimentelle  operative  Studie.  Nebst  einer 
Zusammenstellung  der  im  pathologisch-anatomischen  Institute 
in  Wien  in  dem  Zeiträume  von  1817  — 1875  beobachteten 
Magencarcinome  (Arch.  f.  klin.  Chir.  XIX.  1876). 

A.  V.  Winiwarter:  Plexiformes  Fibroneurom  der  Armnerven 
mit  circumscripter  Haut-Hypertrophie  und  Sarcomentwicklung. 
Ein  Beitrag  zur  Geschwulstlehre  (Arch.  f.  klin.  Chir.  XIX. 
Band  1876). 

F.  Steiner:  Aus  dem  Tagebuche  eines  deutschen  Arztes  während 
des  Krieges  im  Orient  1876  (Belgrad)  (Wr.  med.  Wochen- 
schrift 1876). 

A.  V.  Winiwarter:  Croupöse  Laryngitis  bei  einem  10  Monate 
alten  Kinde,  Tracheotomie,  Heilung  (Jahrbuch  f.  Kinderheil- 
kunde X.  Band  1876). 

A.  V.  Frisch:  Die  Milzbrandbakterien  und  ihre  Vegetationen 
in  der  lebenden  Hornhaut.  (Sitzungsberichte  der  kaiserlichen 
Akademie  der  Wissenschaften  1876.) 

A.  Wölfler:  Zur  Chirurg.  Pathologie,  der  Nieren  (Wr,  med. 
Wochenschr.  1876). 

A,  Wölfler:  Die  Magenbauchwandfistel  und  ihre  operative  Hei- 
lung nach  Prof.  Billroths  Methode  (Arch.  f.  klin.  Chir.  1876). 

J.  Mikulicz:  Ueber  das  Rhinosclerom  (Hebra)  (Arch,  f.  klin. 
Chir.  XX.  1876). 

J.  Mikulicz:  Beitrag  zur  Genese  der  Dermoide  am  Kopfe  (Wr. 
med.  Wochenschr.  1876). 

F.  Raab:  Congenitale Enkephalokele(Wr. med.  Wochenschr.  1876). 

1877. 

Th.  Billroth  und  F.  Ehrlich:  Untersuchungen  über  Cocco- 
bacteria  septica.  Mitgetheilt  von  Th.  Billroth  (Langenbecks 
Arch.  f.  klin.  Chir.  XX.  1877). 

Billroth:  Zur  Diskussion  über  einige  chir.  Zeit-  und  Tagesfragen. 
V.  Zur  Splenotomie  (Wr.  med.  Wochenschr.  1877). 


654 


Guido  von  Török. 


VI.  Ein  Beitrag  zu  den  Operationen  am  Magen,  Gasteroraphie 
(Nr.  38.  Wr.  med.  Wochenschr.  1877). 

A.  V.  Winiwarter:  Neue  Beobachtungen  und  Erfahrungen  über 
die  Arsenikmedikation  bei  Lymphdrüsengeschwülsten  (Wr.  med. 
Jahrbücher  1877). 

M.  Nedopil:  Ueber  Psoriasis  linguae  (Arch.  f.  klin.  Chir.  XX.  1877). 

M.  Nedopil:  Ueber  Tuberkulose  der  Zunge  (Arch.  f.  klin. 

Chir.  XX.  1877). 

A.  V.  Frisch:  Ueber  den  Einfluss  niederer  Temperaturen  auf 
die  Lebensfähigkeit  der  Bakterien.  (Sitzungsberichte  d.  kais. 
Akad.  d.  Wissensch.  1877.) 

B.  Glattauer:  Ein  Beitrag  zu  den  pulsierenden  Blutcysten  am 
Kopfe  (Wr.  med.  Wochenschr.  1877). 

E.  Fuchs:  Ueber  die  traumatische  Keratitis  (Virchows  Arch,, 
66.  Band). 

A.  Wölfler:  Ein  Fall  von  Laparo- Hysterotomie  sammt  Exstir- 
pation beider  Ovarien  (Arch.  f,  klin.  Chir.  1877,  XXL). 

J.  Mikulicz:  Ueber  die  Beziehungen  des  Glycerins  zur  Cocco- 
bacteria  septica  und  zur  septischen  Infektion  (Ai’ch.  f.  klin. 
Chir.  XXII.  1877). 

A.  Wölfler:  Neue  Beiträge  zur  chirurg.  Pathologie  der  Nieren 
(Arch.  f.  klin.  Chir.  1877,  XXI). 

F.  Freih.  v.  Buschmann:  Casuistische  Beiträge  zur  Therapie 
des  malignen  Lymphoms  (Wr.  med.  Wochenschr.  1877). 

F.  Freih.  v.  Buschmann:  Weitere  Mittheilungen  aus  der  Privat- 
heilanstalt von  Dr.  Eder.  (Aus  Billroths  Privatpraxis.) 

Grosser  Blasenstein  ) ,,,  mr-r- 

^ J Wr.  med.  Wochenschr.  187g 

Grosses  1 ibroma  uteri ) 

A.  V.  Frisch:  Ueber  eigenthümliche  Produkte  mykotischer  Kera- 
titis (Sitzungsber.  der  kaiseii.  Akad.  d,  Wissensch.  1877). 

A.  Wölfler:  Incarceration  einer  Abdominalcyste  im  rechten 
Leistenkanale,  Operation,  Heilung  (Arch.  für  klin.  Chirurgie 
XXI.  1877). 

A.  Wölfler:  Die  Magenbauch  wandfistel  und  ihre  operative  Hei- 
lung (Arch.  f,  klin.  Chir.  XX.  1877). 

1878. 

Billroth:  Carl  von  Heine.  Nekrolog  (Arch.  f,  kl.  Chir.  XXII.  1878). 

R.  Gersuny:  Aneurysma  beider  Arteriae  popliteae  von  unge- 
wöhnlicher Grösse  (Arch.  f.  klin.  Chir.  XXI.). 

R.  Gersuny:  Ueber  die  Verwendbarkeit  des  Thomas’schen 
Lagerungs-Apparates  bei  Wirbelcaries  (Wr.  med.  Wochen- 
schrift 1878). 


Die  Arbeiten  der  Klinik  Billroth  in  den  Jahren  1867—1892. 


655 


R.  Gersuny:  Ein  dauernd  geheilter  Fall  von  Carcinoma  recti 
(Wr.  ined.  Wochenschr.  1878). 

R.  Gersuny:  Zur  Kluinpfussbehandlung  bei  Erwachsenen  (Wr. 
med.  Wochenschr.  1878). 

M.  Nedopil:  Schusswunden  des  Thorax  (Wr.  med.  AVochen- 
schrift  1878). 

M.  Nedopil:  Humerus-Exstirpation  ] Langenbeck’s  Archiv  für 
Scapula-Resektion  i klin.  Chir.  XXII.  1878. 

A.  V.  Winiwarter:  Ueber  das  Zungencarcinom  (Habilitations- 
Vortrag  1878). 

A.  V.  Winiwarter:  Beiträge  zur  Statistik  des  Carcinoms  (Stutt- 
gart 1878). 

Felix  V.  Winiwarter:  Ueber  eine  eigenthümliche  Form  von 
Endarteriitis  und  Endophlebitis  mit  Gangrän  des  Fusses 
(Langenbecks  Arch.  f.  klin.  Chir.  XXIII.  1878). 

A.  Wölfler:  Reise-Erinnerungen  (Wr.  med.  Wochenschr.  1878). 

A.  AVölfler:  Ein  Lipom  von  seltener  Grösse,  Exstirpation,  Hei- 
lung (Wr.  med.  Wochenschr.  1878). 

F.  Raab:  Aneurysma  d.  Art.  poplitea  (Wr.  med.  Wochen- 
schrift 1878). 

F.  Raab:  Ueber  die  Entwicklung  der  Narbe  im  Blutgefäss 

(Arch.  f.  klin.  Chir.  1878). 

J.  Mikulicz:  Ueber  individuelle  Formdifferenzen  am  Femur  und 
an  der  Tibia  des  Menschen  (Arch.  f.  Anatomie  und  Physio- 
logie 1878). 

J.  Mikulicz:  Die  seitlichen  Verkrümmungen  am  Knie  und  deren 
Heilungsmethoden  (Arch.  f.  klin.  Clih.  XXIII.  1878). 

M.  Nedopil:  Das  Ambulatorium  der  Klinik  Billroth  1871 — 77 
(Wiener  med.  Wochenschr.  Nr.  15  u.  16,  1878). 

A.  V.  Frisch:  Ueber  die  sog.  Hadernkrankheit  (Kais.  Acad.  d. 
Wissensch.  1878). 

A.  V.  Frisch:  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  sog. 

Hadernkrankheit  (Wr.  med.  Wochenschr.  1878). 

1879. 

Billroth:  Ueber  Enteroraphie  (Wr.  med.  AVochenschr.  1879). 

Billroth:  Chirurgische  Klinik  AVien  1871 — 76. 

Nebst  einem  Gesammtbericht  über  die  Chirurg.  Kliniken  in 
Zürich  und  AVien  während  der  Jahre  1860  — 1876.  Erfah- 
rungen auf  dem  Gebiete  der  praktischen  Chirurgie.  Mit  12 
lithogr.  Tafeln  und  7 Holzschnitten.  Berlin  bei  A.  Hirsch - 
wald  1879. 


656 


Guido  von  Török. 


Billroth-Lücke:  Deutsche  Chirurgie.  Stuttgart,  F,  Enke  1879. 
(Billroth:  Krankheiten  der  Brustdrüsen.) 

R.  Gersuny:  Ueber  die  jüngsten  Fortschritte  in  der  unblutigen 
Behandlung  der  Aneurysmen  (Arch.  f.  klin.  Chir.  XXIV.  1879). 

R.  Gersuny:  Ein  Handgriff  zur  Beckenfixierung  bei  Hüftkon- 
traktur  (Centralblatt  f.  Chir.  1879). 

M.  Nedopil:  Symmetrische  Gangrän  der  Extremitäten  (Wr.  med. 
Wochenschr.  1879). 

M.  Nedopil:  Symmetrische  Spontan-Fraktur  (Wr.  med.  Wochen- 
schrift 1879). 

M.  Nedopil:  Schwund  des  Radius  (Wr.  med.  Wochenschr.  1879). 

M.  Nedopil:  Laparo-Splenotomie  (Wr.  med.  Wochenschr.  1879). 

A.  V.  Winiwarter:  Ueber  die  Verwerthung  der  Massage  bei 
chronischen  Erki'ankungen  innerer  Organe  (Wiener  med. 
Blätter  1879). 

C.  Fürst:  Casuistische  Mittheilungen  aus  der  Chirurg.  Universi- 
tätsklinik des  Hofraths  Prof.  Dr.  Th.  Billroth  in  Wien.  Er- 
stickungstod, veranlasst  durch  das  Eindringen  eines  Ascaris 
lumbricoides  in  die  oberen  Luftwege  (Wr.  med.  Wochenschr. 
1879,  Nr.  3,  5 und  6). 

A.  V.  Frisch:  Ueber  das  Verhalten  der  Milzbrandbakterien  gegen 
extrem  niedere  Temperatm’en  (Sitzungsberichte  der  kaiserl. 
Akad.  d.  Wissensch.  1879). 

A.  V.  Frisch:  Ueber  Desinfektion  der  Seide  und  Schwämme 
zu  Chirurg.  Zwecken  (Arch.  für  klin.  Chir.  1879). 

A.  AVölfler:  Die  Aortendrüse  und  der  Aortenkropf  (Wien.  med. 
Wochenschr.  1879). 

A.  Wölfl  er:  Zur  chirurg.  Behandlung  des  Kropfes  (Langenbeck’s 
Arch.,  XXIV,  1879). 

A.  Wölf  1er:  Weitere  Beiträge  zur  chirurg.  Behandlung  des 
Kropfes  (AVien.  med.  AVochenschr.  1879). 

A.  AVölfler:  Zur  operativen  Heilung  der  äusseren  Magenfistel 
(Wien.  med.  AVochenschr.  1879). 

A AVölfler:  Zur  Geschichte  und  operativen  Behandlung  des 
Zungenkrebses  (Arch.  f.  klin.  Chir.,  XXA^I,  1879). 

F.  Raab:  Neue  Beiträge  zur  Kenntnis  der  anat.  Vorgänge  nach 
Unterbindung  der  Blutgefässe  beim  Menschen  (Virchows 
Archiv  75,  Band  1879). 

Herrn.  Klotz:  Gynäkologische  Studien  über  die  pathologischen 
Veränderungen  an  der  Portio  vaginalis  uteri  mit  besonderer 
Berücksichtigung  des  Normalbaues  (Wien  bei  Seydl,  1879). 


Die  Arbeiten  der  Klinik  Billroth  in  den  Jahren  18(57 — 1892. 


657 


H erm.  Klotz:  Extrabdominale  Hystero-Cystovariotomie  bei 

einem  wahren  Hermaphroditen  (Langenbecks  Arch.,  XXIV, 
1879). 

R.  Wittelshöf  er:  lieber  angeborenen  Riesenwuchs  der  oberen 
und  unteren  Extremitäten  (Arch.  f.  klin.  Chir.  1879). 

R.  Wittelshöf  er : Casuistische  Mittheilungen  aus  der  Klinik 
des  Prof.  Billroth  in  Wien. 

Anus  präternaturalis  — Enterorrhapie , Heilung  (Arch.  f. 
klin.  Chir.,  XXIV,  1879). 

R.  Wittelshofer:  Casuistische  Mittheilungen  aus  der  Klinik 
des  Prof.  Billroth  in  Wien. 

Schussverletzung  an  der  Aussenseite  des  linken  Ober- 
schenkels, Entfernung  des  Projektils  4 Monate  später 
aus  der  Harnblase  (Wien.  med.  Wochenschr.  1879). 

J.  Mikulicz:  Exstirpation  solider  Geschwülste  des  Uterus  (Wien, 
med.  Wochenschr.  1879). 

J.  Mikulicz:  Subperiostale  Exsthpation  der  Scapula.  Voll- 
ständige Regeneration  (Arch.  f.  klin.  Chir.,  XXIV,  1879). 

J.  Mikulicz:  Die  antiseptische  Wundbehandlung.  (Mittheilungen 
des  Vereins  der  Aerzte  in  N.-Oe.  1879). 

J.  Mikulicz:  Eine  neue  Methode  der  Aufrichtung  eingesunkener 
Nasen  (Wien.  med.  Wochenschr.  1879). 

1880. 

Billroth  und  Winiwarter:  Die  allgem.  Chirurgische  Patho- 
logie und  Therapie  in  50  Vorlesungen.  9.  Autl.,  bearbeitet 
von  A.  V.  Winiwarter  1880.  Berlin.  G.  Reimer. 

Billroth:  Ueber  Lithotripsie  und  Vergiftung  durch  chlorsaures 
Kali  (Wien.  med.  Wochenschr.  1880  Nr.  44). 

C.  Fürst:  Ueber  partielle  Facialislähmungen  nach  Exstirpation 
sub-  und  retromaxillarer  Lymphome  (Arch.  f.  klin.  Chir., 
XXV,  1880). 

A.  Wölfler:  Entwicklung  und  Bau  der  Schilddrüse.  Berlin  1880. 

Herrn.  Klotz:  Ueber  eine  neue  Art  von  operativem  Verfahren 
und  Stumpfbehandlung  bei  der  Exstirpation  grosser  Gebär- 
mutter-Myome (Wien.  med.  Wochenschr.  1880). 

Herrn.  Klotz:  Ueber  einige  seltene  Erkrankungen  der  weib- 
lichen Brustdrüse  (Arch.  f.  klin.  Chir.,  XX\ , 1880). 

F.  Freih.  v.  Buschmann:  Exstirpation  eines  sehr  grossen,  retro- 
peritonealen  Fibroms  und  der  damit  verwachsenen,  im  Becken 
<releo-enen  Niere  (Wien.  med.  Wochenschr.  1880). 


42 


658 


Guido  von  Török. 


G,  V.  Török  und  K.  Wittelshöf  er:  Zur  Statistik  des  Mamma- 
Carcinoms  (Arcli.  f.  kliii.  Chir.  1880,  XXV.  4.). 

R.  Wittelsliöfer : Die  Behandlung  von  Verkrümmungen  der 
Wirbelsäule  mittels  starrer  Verbände  (aus  Billroths  Klinik) 
(Wien.  med.  Wochenschr,  1880). 

J.  Mikulicz:  Zur  Sprayfrage  (Arch.  f.  klin.  Chir.,  XXV,  1880). 
J.  Mikulicz:  Ueber  Totalexstirpation  des  Uterus  (Wien.  med. 
Wochenschr.  1880). 


1881. 

Billroth:  Die  Krankenpflege  im  Hause  und  im  Hospitale, 
1.  Auf!.,  Wien,  Gerold  1881. 

Billroth:  Zur  Resektion  des  carcinomatösen  Magens  (Wien, 
med.  Wochenschr.  1881,  Nr.  22). 

Billroth:  Oflener  Brief  an  Dr.  L.  Wittelsliöfer  über  eine  am 
29.  Januar  1881  ausgeführte  Resektion  des  Magens  (Wien, 
med.  Wochenschr.  1881,  Nr.  6). 

M.  Nedopil,  Ueber  tuberkulöse  Erkrankungen  der  Zunge 
(Wiener  Klinik  1881). 

A.  Wölf  1er:  Ueber  den  Einfluss  der  Esmarch’schen  Blutleere 
auf  die  Resorption  flüssiger  Stoffe  (Arch.  f.  klin.  Chhurgie, 
XXVHI,  1881). 

A.  Wölfler:  Ueber  die  Anwendung  des  Jodoforms  in  der 

Mundhöhle  (Centralblatt  f.  Chirurgie  1881). 

A.  Wölfler;  Ueber  die  von  Herrn  Prof.  Billroth  ausgeführten 
Resektionen  des  carcinomatösen  Pylorus,  Wien  1881. 

A.  Wölfler:  Fall  von  gelungener  Resektion  des  carcinomatösen 
Pylorus  (Wien.  med.  Wochenschr.  1881). 

A.  Wölfler:  Ueber  einen  Fall  von  Sclerodermie  und  Onycho- 
gryphosis  (Zeitschrift  f.  Heilkunde,  II,  1881). 

A.  Wölfler:  Gastro-Enterostomie  (Centralblatt  für  Chirurgie  1881, 
Nr.  45). 

A.  Wölfler:  Zur  Resektion  des  carcinomatösen  Pylorus  (Wien, 
med.  Wochenschr.,  14,  1881). 

A.  Wölfler:  Chirurgische  Briefe  über  Amputationen  (Wien.  med. 
Wochenschr.  1881). 

R.  Wittelsliöfer:  Ein  Instrument  zur  Operation  der  Phimose 
(Centralblatt  f.  Chirurgie  1881). 

R.  Wittelsliöfer:  Die  Operationen  am  Darm.  Casuistische 
Beiträge  aus  der  Klinik  des  Prof.  Billroth  (Wien.  med. 
Wochenschr.  1881). 


Die  Arl)eitou  der  Klinik  Billroth  in  den  Jahren  1)S<57— 1892. 


J.  Mikulicz:  Ueber  die  Anwendung  der  Antiseptik  bei  Laparo- 
tomien, mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Drainage  der  Bauch- 
höhle (Arch.  f.  klin.  Chir.,  XXVI,  1881). 

J.  Mikulicz:  Ueber  Totalexstirpation  des  Uterus  (Wien.  med. 
Wochenschr.  1881). 

J.  Mikulicz:  Eine  neue  osteoplastische  Resektionsmethode  am 
Fusse  (Arch.  f.  klin.  Chir.  1881). 

J.  Mikulicz  und  A.  Felsenreich:  Ueber  puerperale  R^'ohämie 
(Zeitschrift  für  Heilkunde,  II,  1881). 

J.  Mikulicz:  Ueber  die  Verwendung  des  Jodoforms  bei  der 
Wundbehandlung  und  dessen  Einfluss  auf  fungöse  und  ver- 
wandte Prozesse  (Arch.  für  klin.  Chir.,  XXVII,  1881). 

J.  Mikulicz:  Weitere  Erfahrungen  über  die  Anwendung  des 
Jodoforms  in  der  Chirurgie  (Berlin,  klin.  Wmchenschr.  1881). 

J.  Mikulicz:  Ueber  Gastroscopie  und  Oesophagoscopie  (Whener 
med.  Presse  1881). 

J.  Mikulicz  und  N.  W^eiss:  Ueber  Nervendehnung  bei  Er- 
krankungen des  Rückenmarkes  (Wien.  med.  AVocheiischr.  1881 ). 

E.  Ehrendorf  er:  Mittheilungen  über  Keilexscision  aus  verschie- 
denen Knochen  (Wien.  med.  Wochenschr.  1881). 

E.  Ehrendorfer:  Zur  Casuistik  seltener  Geschwulstformen  im 
Larynx  und  Pharynx  (Arch.  f.  klin.  Chir.,  XXVI,  1881). 

E.  Ehrendorf  er:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Hodengeschwülste 
(Arch.  f.  klin.  Chir.,  XXVl,  1881). 

E.  Trnka:  Ein  Fall  von  ungewöhnlich  grossem,  centralen  Osteo- 
sarcom  des  Oberkiefers.  Exstirpation,  Heilung  (Zeitschrift 
für  Heilkunde  1881,  Band  I,  Prag,  F.  Temsky). 

1882. 

Billroth  und  WTniwarter:  Die  allgemeine  Chirurg.  Pathologie 
und  Therapie  in  50  Vorlesungen.  10.  Aufl.,  bearbeitet  von 
A.  V.  Winiwarter  1882.  Berlin.  G.  Reimer. 

A.  WWlfler:  Die  Kropfexstirpationen  an  Hofrath  Billroths  Klinik 
1877 — 1881  (Wien.  med.  AVochenschr.  Nr.  1,  1882). 

A.  AVölfler:  Die  Amputationen  an  Hofrath  Billroths  Klinik  1877 
bis  1880.  — Wien  1882. 

J.  Mikulicz:  Die  Anwendung  des  Jodoformes  in  der  Chhurgie. 
(Wiener  Klinik  1882.) 

J.  Mikuli  cz  und  N.  W'eiss:  Ueber  Nervendehnung  bei  Er- 
krankungen des  Rückenmarkes  (Fortsetzung)  (Wien.  med. 
\Vochenschr.  1882). 


660 


Guido  von  Török. 


V.  V.  Hacker:  lieber  das  Vorkommen  von  Knorpel  und  Knochen 
in  einer  Geschwulst  der  weiblichen  Brustdrüse  (Langenbecks 
Arch.  f.  klin.  Chir,  XXVII,  1882). 

J.  Paneth  und  J.  Rosanes:  Die  accidentellen  Wundkrankheiten 
an  der  Klinik  des  Prof.  Dr.  Th.  Billroth  in  den  Jahren  1877 
bis  1881  (Wien.  med.  Wochenschr.  1882). 

A.  Pränkel:  lieber  die  Endresultate  der  Empyemoperationen 
(Wien.  med.  Wochenschr.  1882). 

G.  Usiglio:  Litotrissia  e Litolapassia.  Triest  1882. 

J.  Paneth:  Ueber  einen  Fall  von  melanotischem  Sarcom  des 
Rectums  (Arch.  f.  klin.  Chir.,  XXVIII.). 

J.  Rosmanit:  Zur  operativen  Behandlung  der  schweren  Formen 
von  Contracturen  und  Anchylosen  im  Hüftgelenke  (Arch.  f. 
klin.  Chir.,  XXVHL). 

A.  V.  Frisch:  Zur  Aetiologie  des  Rhinoscleroms  (Wr.  med. 
Wochenschr.  1882). 

1883. *) 

A.  Wölfler:  Zur  Kenntnis  und  Eintheilung  der  verschiedenen 
Formen  des  gutartigen  Kropfes  (Wr.  med.  Wochenschr.  1883). 

A.  Wölfler:  Entwicklung  und  Bau  des  Krojofes  (Berlin  1883). 

V.  V.  Hacker;  Infusion  einer  Kochsalzlösung  beim  Menschen 
wegen  hochgradiger  Magenblutung  (Wr.  med.  Wochenschr. 
1883,  Nr.  37). 

V.  V.  Hacker:  Ein  neuer  Fall  von  geheilter  Magenresektion 
(Wien.  med.  Wochenschr.  1883,  Nr.  11). 

V.  V.  Hacker:  Anleitung  zur  antiseptischen  Wundbehandlung 
nach  der  an  Prof.  Billroths  Klinik  gebräuchlichen  Methode. 
Wien,  Toeplitz  u.  Deuticke  1883,  1.  Aufl. 

M.  Schustler:  Carcinom  beider  Ovarien,  doppelseitige  Ovario- 
tomie,  Darm-  und  Blasenresektion,  Heilung  (Wr.  med.  Wochen- 
schrift 1883,  Nr.  2 und  3). 

A.  Frankel:  Ueber  Dermoidcysten  der  Ovarien  und  gleichzeitige 
Dermoide  (mit  Haaren)  im  Peritoneum  (Wien.  med.  Wochenschr. 
1883),  Nr.  28—30. 

1884. 

Billroth:  Wilhelm  Baum.  Nekrolog  (Arch.  f.  klin.  Chir.  XXX). 

Billroth:  Eine  wissenschaftliche  und  humanitäre  Bitte  an  die 
Kollegen  (betreffend  die  Sammlung  von  Erfahrungsmaterial 
über  Amputations-Neurome  (Centralbl.  f.  Chir.  1884). 


*)  Billroth- Wini warte r.  Allg.  Chirurg.  11.  Aufl.  Berlin.  G. Reimer  1883. 


Die  Arbeiten  der  Klinik  ßillrotli  in  den  Jahren  1867 — 1S92. 


661 


A.  Wölf  1er;  Bericht  über  die  mit  der  chir.  Klinik  des  Hofrathes 
Prof.  Dr.  Th.  Billroth  verbundene  Poliklinik  d.  Jahres  1883 
(Wien.  med.  Wochenschr.  1884). 

V.  V.  Hacker:  Sarcom  der  Milz,  von  Prof.  Billroth  mit  glück- 
lichem Erfolge  durch  Laparotomie  entfernt  (Vortrag  am  13. 
Chirurg.  Kongress  in  Berlin,  Centralbl.  f.  Chir.  1884,  Beilage). 

V.  V.  Hacker:  Ueber  einen  neuen  Fall  von  gelungener  Pylorus- 
resektion  (Wien.  med.  Wochenschr.  1884,  29). 

O.  V.  Weiss:  Ueber  die  Enderfolge  der  Radikaloperation  der 
Hydrocele  (Wien.  med.  Wochenschr.  1884,  Nr.  1 — 4). 

E.  Hauer:  Darmresektionen  und  Enteroraphien  1878—1883,  aus 
der  Chirurg.  Klinik  des  Hofr.  Prof.  Dr.  Th.  Billroth  in  Wien. 
(Zeitschrift  f.  Heilkunde.  Prag  1884,  Band  V). 

A.  Eränkel:  Ueber  Behandlung  kalter  Absce.sse  mit  Injektionen 
von  Jodoformemulsion  (Wien.  med.  Wochenschr.  1884,  Nr.  26). 

F.  Salzer:  Zerreissung  der  Arteria  poplitea  und  consecutive 
Gangrän  der  Extremität  infolge  gewaltsamer  Streckung  der 
Kniegelenks-Contractur  (Wien.  med.  Woch.  1884,  Nr.  8 u.  9). 

F.  Salzer:  Die  Larynxoperationen  in  der  Klinik  Billroth  1870 
bis  1884  (Arch.  f.  klin.  Chir.  XXX). 

1885.-^) 

Billroth:  Zwei  verschluckte  Gebisse.  Oesophagotomie,  Gastro- 
tomie  (demonstriert  in  der  Sitzung  der  k.  k.  Gesellschaft  d. 
Aerzte  am  20.  Februar  1885),  Wien.  med.  Wochenschr.  1885. 

A.  Wölf  1er:  Zur  Technik  der  supravaginalen  Amputatio  uteri 
(Wien.  med.  Wochenschr.  1885). 

A.  Wölf  1er:  Ueber  die  anaesthesierende  Wirkung  der  subcutanen 
Cocain-Injektionen  (Wien.  med.  Wochenschr.  1885). 

A.  Wölf  1er:  Zur  Suspension  des  Uterus-Stumpfes  nach  supra- 
vaginaler Amputation  (Wien.  med.  Wochenschr.  1885). 

Alex.  Brenner:  Beitrag  zur  Casuistik  der  Nephrektomien  (Wien, 
med.  Wochenschr.  1885). 

V.  V.  Hacker:  Zur  Technik  der  supravaginalen  Amputatio  uteri 
(Wien.  med.  Wochenschr.  1885,  Nr.  48). 

V.  V.  Hacker:  Zur  Casuistik  und  Statistik  der  Magenresektionen 
und  Gastroenterostomien.  Vortrag  am  XI\  . Chir.  Kongress 
in  Berlin  (Arch.  f.  klin.  Chir.  XXXII,  3). 

0.  V.  Weiss:  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Perlmutterdrechsler- 
Ostitis  (Wien.  med.  Wochenschr.  1885). 


*)  Billroth-AViui  warter.  All,<r.  Cliirurg.  12.  Aufl.  Berlin.  G.  Reimer  1885. 


662 


(.Ttuido  von  Török. 


A.  Fränkel:  Zur  Histologie,  Aetiologie  und  Therapie  der  Lym- 
phomata  colli  (Zeitsclir.  f.  Heilkunde,  Prag  1885,  VI.  Band), 

1886. 

Billroth:  Aphorismen  über  das  Lehren  und  Lernen  d.  medizin. 
Wissenschaften  (Wien  1886). 

F.  Schwarz:  Beitrag  zur  Verwendung  des  plastischen  Filzes  in 
der  Chirurgie  (Wien.  ined.  Wochenschr.  1886,  Nr.  37). 

V.  V.  Hacker:  Operative  Fixierung  eines  beweglichen,  abge- 
schnürten Leberlappens  und  Bemerkungen  über  operative 
Eingriffe  am  Leberparenchyni  (Wien.  med.  Wochenschr.  1886). 

V.  V.  Hacker:  Die  Magenoperationen  an  Prof.  Billroths  Klinik 
1881  bis  März  1885.  AVien,  Töplitz  u.  Deuticke  1886. 

V.  V.  Hacker:  lieber  die  Verwendung  des  Musculus  rectus 

abdominis  zum  Verschluss  der  künstlichen  Alagenfistel  (Wien, 
med.  Wochenschr.  1886). 

A.  Fränkel:  Die  Gipspanzerbehandluug  der  Scoliose  (Wien.  med. 
Wochenschr.  1886,  Nr.  19). 

K.  Lacker:  Die  Bestimmung  des  Hämoglobingehaltes  im  Blute 
mittels  des  v.  Fleischl’schen  Hämometers  (Wien.  med.  AVochen- 
schrift  1886). 

F.  Salzer:  Zur  Diagnose  der  Pankreascysten  (Zeitschrift  f.  Heil- 
kunde, Band  VII,  Prag  1886), 

F.  Salzer:  Zur  Casuistik  der  Geschwülste  am  Kopfe  (Arch.  f. 
klin.  Chir.  XXXIII,  1,  1888). 

A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  Beiträge  zur  Lehre  von  den  Alikro- 
organismen  im  Blute  fiebernder  Verletzter  und  in  geschlossenen 
Körperhöhlen  (Wien,  med.  AVochenschr.  5 — 8,  1886). 

A.  Freih.  v.  Eiseisberg  und  R.  Paltauf:  Zur  Aetiologie  des 
Rhinoscleroms  (Fortschritte  der  Medizin  1886,  Nr.  19). 

1887. 

Billroth-AViniwarter:  Die  allgemeine  chirurgische  Pathologie 
und  Therapie  in  50  A^oiiesungen,  bearbeitet  von  Prof.  Alex. 
V.  AViniwarter.  13.  Aufl.,  Berlin,  G.  Reimer  1887. 

V.  V.  Hacker:  lieber  eine  Vorrichtung  zum  Spannen  der  Durch- 
züge am  Krankenbette  (AATen.  med.  AVochenschr.  1887). 

Ab  V.  Hacker:  lieber  A^erengerungen  des  Magens  durch  Knickung 
infolge  des  Zuges  von  Adhäsionssträngen  (AVien.  med.  AVochen- 
schrift,  Nr.  37  u.  38). 

V.  V.  Hacker:  lieber  den  Einfluss  der  Krümmungen  der  AATrbel- 
säule  auf  die  AVeite  und  den  A’^erlauf  d.  Oesophagus  (AATen. 
med.  AVochenscli]-.  1887). 


663 


J)ie  Arbeiten  der  Klinik  Billrotli  in  den  Jahren  18G7— 1892. 


Alex.  Brenner:  Die  Blasennaht.  Eine  experimentelle  Studie 
(Arch.  f.  klin.  Cliir.  XXXV). 

A.  V.  Rosthorn:  Die  Synovialsäcke  und  Sehnenscheiden  in  der 
Hohlhand  (Arch.  f.  klin.  Chir.  XXXIV). 
t . Salzer:  Zur  riierapie  der  Narbencontractur  der  Hand 

(Wien.  nied.  Wochenschr.,  Nr.  15,  1887). 

1.  Salzer:  Die  Resektion  des  3.  Trigeminusa.stes  am  Foramen 
ovale  (Wien.  med.  Wochenschr.  1887). 

Freih.  v.  Ei  sei  sh  erg:  Nachweis  von  Erysipelcoccen  in  der 
Luft  chirurgischer  Krankenzimmer  (Arch.  f.  klin.  Chir.  XXXV). 
t reih.  v.  Eiseisberg:  Ueber  den  Keimgehalt  von  Seifen  und 
\ erbandmaterialien  (Wien.  med.  Wochenschr.  1887). 

1 reih.  v.  Eiseisberg:  Beiträge  zur  Impftuberkulose  beim 
Menschen  (Wien.  med.  Wochenschr.  1887,  Nr.  53). 

Wölfl  er:  Die  chirurgische  Behandlung  des  Kropfes,  1.  Theil 
(Berlin  bei  A.  Hirschwald  1887). 


A 


A 


A. 


1888. 

Billroth:  Ueber  die  Ligatur  der  Schilddrüsen-Arterien  behufs 
Einleitung  der  Atrophie  von  Kröpfen  (Wr.  klin.  Wochenschr. 
1888,  Nr.  1). 

Billroth:  Ueber  Scirrhus  glandulae  tli3’reoideae  (Wr.  klinische 
Wochenschr.  1888,  Nr.  20). 

Billroth:  Wünsche  und  Hoffnungen  für  unsei’e  medizinische 
Fakultät  (Wr.  klin.  Wochenschr.  1888,  Nr.  36). 

V.  V.  Hacker:  Ueber  den  plastischen  Ersatz  grösserer  Haut- 
defekte durch  ein-  und  doppelstielige , entfernteren  Körper- 
theilen  entnommene  Lappen  (Arch.  f.  klin.  Chir.,  XXXVII). 

V.  V.  Hacker:  Zur  Wangenbildung  bei  grösseren,  penetrierenden 
Defekten  (Zeitschrift  für  Heilkunde,  9.  Band). 

V.  V.  Hacker:  Ueber  die  Verwendung  eines  eine  Periostknochen- 
spange enthaltenden  Stirnlappens  zur  Rhinoplastik  (Wr.  klin. 
Wochenschr.  1888). 

V.  V.  Hacker:  Ueber  die  Bedeutung  der  Anastoniosenbildung 
am  Darm  für  die  operative  Behandlung  der  \’’erengerungen 
desselben  (Wr.  klin.  Wochenschr.  1888). 

M.  Scheimpflug:  Ueber  eine  neue  Ballonkanüle  für  künst- 
liche Magenfisteln  (Wr.  klin.  Wochenschr.  1888). 

F.  Salzer:  Phne  Trachealkanüle  für  Strumapatienten  (Wr.  klin. 
Wochenschr,  29,  1888). 

F.  Salzer:  Ein  Fall  von  Myxoma  lipomatodes  capsulae  adi- 
posae  renis  (Wr.  klin.  Wochenschr.  8 — 10,  1>^88). 


664 


Guido  von  Török. 


F,  Salzer:  Tabellarische  Uebersiclit  über  die  im  Jahre  1887 
an  der  Klinik  Billroth  ausgeführten  Magenresektionen  (Wr. 
klin.  Wochenschr.  1888.  Nr,  2). 

A.  Freih,  v.  Eiseisberg:  Experimentelle  Beiträge  zur  Aetio- 
logie  des  Wundstarrkrampfes  (Wr.  klin.  Wochenschr.  9 — 13, 
1888). 

H.  Ilinterstoisser : Cystisch  erweichtes  Sarcom  der  Magen  wand. 
Resectio  partis  pyloricae  ventriculi.  Heilung  (Wr,  medizin. 
Wochenschr.  1888,  4 und  5). 

11.  Hint  erstoisser:  Ein  Fall  von  Hydrocele  cystica  beim  Weibe 
(Wr.  klin.  Wochenschr.  1888). 

H.  Ilinterstoisser:  Beitrag  zur  Casuistik  der  cavernösen  An- 
gionie  (Wr.  klin.  Wochenschr.  1888,  Nr.  18). 

11.  Hinterstoisser : Beiträge  zur  Lehre  vom  Nebenkropf  (Wr. 
klin.  Wochenschr,  1888). 


1889. 

Billroth- Winiwarter:  Allgem.  chirurg.  Pathologie  und  The- 
rapie in  50  Vorlesungen,  bearbeitet  von  Prof.  A.  v.  Wini- 
warter. 14.  Aufl.  Berlin,  G.  Reimer,  1889, 

Billroth:  Die  Krankenpflege  im  Hause  und  im  Hospitale.  3,  Aufl. 
Wien,  Gerold,  1889  (bearbeitet  von  R.  Gersuny). 

Billroth:  Ueber  Uranoplastik  (Sitzungsbericht  der  k.  k.  Gesell- 
schaft der  Aerzte  in  der  Wr.  klin.  Wochenschr.  1888,  Nr.  12). 

Billroth:  Wie  sollen  die  Unterrichtsräume  einer  chirurg.  Klinik 
in  Wien  beschaffen  sein  und  wie  können  die  in  Aussicht 
genommenen  neuen  Kliniken  in  den  Rahmen  des  k.  k.  all- 
gemeinen Krankenhauses  eingefügt  werden  (Wr.  klin.  Wochen- 
schrift, 1889,  Nr.  1). 

Billroth:  Zur  Eröffnung  der  Klinik  am  7.  Oktober  1889  (Wr. 
klin.  Wochenschr.  1889,  Nr.  41). 

V.  V,  Hacker:  Ein  Extensionsapparat  zur  Anlegung  von  Gips- 
hosen (Wr.  klin.  Wochenschr.  1889,  Nr.  14). 

V.  V.  Hacker:  Ueber  die  chirurg.  Behandlung  der  Narbencon- 
trakturen  der  Haut  (Wr.  klin.  Wochenschr.  1889,  Nr.  18). 

V.  V.  Hacker:  Ueber  die  nach  Verätzungen  entstehenden  Speise- 
röhrenverengungen. Wien  bei  Alfred  Hölder  1889. 

F.  Salzer:  Zur  Casuistik  der  Kehlkoi^foperationen  (Archiv  für 
klin.  Chir.,  XXXIX,  2). 

F.  Salzer:  Resektion  des  3.  Trigeminusastes  am  Foramen 

ovale  (Arch.  f.  klin.  Chir.,  XXXIX,  3), 


Die  Arbeiten  der  Klinik  Billroth  in  den  Jahren  1867 — 1892. 


665 


F.  Salzer:  lieber  die  Behandlung  verschluckter  Fremdkörper 
(Sitzungsber.  d.  Gesellsch.  d.  Aerzte,  Wr.  klin.  Wochenschr. 
1889,  Nr.  3). 

F.  Salzer:  lieber  einen  Fall  von  traumatischer  Epilepsie  (Wr. 
klin.  Wochenschr.  1889,  Nr.  5 und  6). 

F.  Salzer:  Zur  Technik  der  Trepanation  (Wr.  klin.  Wochen- 
schrift 49,  1889). 

A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  Beiträge  zur  Autoplastik  mittels  frischer 
gestielter  Lappen  (Wr.  klin.  Wochenschr.  1889,  Nr.  4). 

A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  lieber  eine  osteoplastische  Amputation 
des  Fusses  (Wr.  klin.  Wochenschr.  19,  1889). 

A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  lieber  Hautverpflanzung  nach  Thiersch. 
(Wr.  klin.  Wochenschr.  1889). 

A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  lieber  die  Magenresektionen  und 

Gastroenterostomien  an  Prof.  Billroths  Klinik  von  März  1885 
bis  Oktober  1889  (Arch.  f.  klin.  Chir.  XXXIX,  4). 

E.  Pilz:  Mittheilungen  aus  der  Klinik  des  Prof.  Dr.  Billroth. 

I.  Angeborene  Wangenspalte  1 Wr.  klin.  Wochenschr. 

II.  Ein  Tumor  der  Brustwarze  | 1889,  Nr.  26. 

1890. 

Billroth:  lieber  die  Einwirkung  lebender  Pflanzen-  und 

Thierzellen  aufeinander  (Hölders  Sammlg.  klin.  Schriften, 
Nr.  10). 

Billroth:  lieber  die  Behandlung  kalter  Abscesse  und  tuberku- 
löser Caries  mit  .Jodoformemulsion  (Wr.  klin.  Wochenschr., 
1890,  Nr.  11—12). 

Billroth:  Humanität,  Wissenschaft  und  Staat  (Feuilleton,  Wr. 
klin.  Wochenschr.  1890,  Nr.  1). 

Billroth:  lieber  den  Einfluss  der  Antiseptik  auf  Operations- 
methoden , chirurgischen  Unterricht  und  Krankenhausbau 
(Vortrag , gehalten  in  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  am 
21.  März  1890,  Wr.  klin.  Wochenschr.  1890,  Nr.  13). 

F.  Salzer:  Zur  operativen  Behandlung  der  Sinus-Thrombose 
(Wr.  klin.  Wochenschr.  1890,  Nr.  34). 

F.  Salzer,  Ueber  die  Einheihmg  von  Fremdkörpern  (Hölders 
Sammlung  med.  Schriften,  Nr.  8,  1890). 

A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  Ueber  Tetanie  im  Anschluss  an  Kropf- 
operationen (Hölders  Sammlung  med.  Schiiften,  1890). 

A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  Nachweis  von  Eitercoccen  im  Blute 

^ als  diagnostisches  Hilfsmittel  (Wr.  klin.  Wochenschr.  1890). 


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Guido  von  Török. 

A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  lieber  einen  Fall  von  erfolgreicher 
Transplantation  eines  Fibrosarcoms  bei  Ratten  (Wr.  klin. 
Wocliensclir.  1890). 

F.  Salzer;  Prof.  Billroths  Modifikation  der  v.  Langenbeck’schen 
Methode  der  Urano-Staphyloplastik  (Centralblatt  f.  Chirurgie, 
Nr.  13,  1890). 

J.  Winter:  Zur  Operations-Statistik  des  Pleura-Empyems  (Wr. 
klin.  Woehenschr.  1890). 

J.  Winter:  Ein  Apparat  zur  Narkose  bei  eröffneten  Luftwegen 
(Wr.  klin.  Woehenschr.  1890).  • 

J.  Haidenthaller : Die  Radikaloperationen  der  Hernien  ander 
Klinik  des  llofrathes  Prof.  Dr.  Th.  Billroth,  1877—1889  (Arch. 
f.  klin.  Chir.,  XL  3,  1890). 

L.  V.  Dittel  jun.:  Casuistische  Mittheilungen  aus  der  Klinik 
Billroth. 

I.  Carcinom  in  einer  Brandnarbe, 

II.  Carcinom  nach  Ulcus  durum  (Wr.  klin.  Wochenschrift 
1890). 

F.  Schüssler:  Die  Sehnennähte  an  der  Klinik  Billroth,  1886 
bis  1889  (Wien  1890,  Hölders  Sammlung  klin.  Schriften,  Bd.  9). 

A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  Zwei  Fälle  von  akutem  inneren  Darm - 
Verschluss  und  zwei  Fälle  von  Entfernung  der  einen  Hälfte 
des  Schultergürtels  (Wr.  klin.  Woehenschr.  1890,  Nr.  12 — 13). 

A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  Fibrolipom  der  Nierenfettkapsel  (aus 
Billroths  Klinik,  Wr.  klin.  Woehenschr.  1890,  Nr.  23). 

L.  V.  Dittel  jun. : Versuche  über  die  therapeutische  Verwendung 
von  Wasserstoffsuperoxydlösung  (Wr.  klin.  AVochenschr.  1890). 

A.  Wölfler:  Die  chirurgische  Behandlung  des  Kropfes,  II.  Theil 
(Berlin  bei  A.  Hirsch wald,  1890). 

1891. 

Billroth:  Koch’sche  Injektionen  bei  Aktinomykose  (Protokoll 
der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte,  AVr.  klin.  AA^ochenschrift 
1891,  Nr.  10). 

Billroth:  Ueber  124  vom  November  1878  bis  Juni  1890  in 
meiner  Klinik  und  Privatpraxis  ausgeführte  Resektionen  am 
Alagen-  und  Darmkanal,  Gastro-Enterostomien  und  Narben- 
lösungen  wegen  chronischer  Krankheitsprozesse.  (Verhand- 
lungen des  X.  internationalen  medizin.  Kongresses,  Berlin, 
Bd.  HI,  Abth.  ATI  und  AVr.  klin.  AVochenschr.  1891,  Nr.  34). 

A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  Ueber  einen  Fall  von  Aneurysma 
trauniaticum  der  Carotis  externa  (AVr.  klin.  AVochenschr.  1891). 


Die  Arbeiten  der  Klinik  Billroth  in  den  Jahren  1867 — 1892. 


667 


A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  Nachweis  von  Eitercoccen  im  Schweisse 
eines  Pyämischen  (Berlin,  klin.  Wochenschr.  1891,  Nr.  23). 

A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  Vorstellung  A"on  zwei  geheilten  Fällen 
von  Celluloiclimplantation  in  Schädeldefekte  (k.  k.  Gesell- 
schaft der  Aerzte  in  Wien,  Wr.  klin.  AVochenschr.  1891,  Nr.  24, 
und  internat.  klin.  Rundschau  Nr.  24,  1891). 

A.  Gleich:  Ueber  Sterilisierung  von  Verbandstoffen  (aus  Bill- 
roths  Klinik,  Wr.  klin.  Wochenschr.  1891,  Nr.  5). 

A.  Gleich:  Ueber  Bromäthyl-Narcosen  (Wr.  klin.  Wochenschr. 
1891,  Nr.  53). 

A.  Wölfl  er:  Die  chirurgische  Behandlung  des  Kropfes,  III.  Theil 
(Berlin  bei  A.  Hirschwald,  1891). 

1892. 

Billroth:  Die  Krankenpflege  im  Flause  und  im  Hospitale  (be- 
arbeitet von  R.  Gersuny,  4.  Aufl.  Wien,  Gerold,  1892). 

F.  Salzer:  Beiträge  zur  Pathologie  und  chirurg.  Therapie  chro- 
nischer Coecmnerkrankungen  (Arch.  f.  klin.Chir.,  XLIH,  1892). 

A.  Freih.  v.  Eiseisberg:  Ueber  erfolgreiche  Einheilung  der 
Katzenschilddrüse  in  die  Bauchdecke  und  Auftreten  von  Tetanie 
nach  deren  Exstirpation  (Wr.  klin.  Wochenschr.  1892,  Nr  5). 

F.  Schüssler:  Ueber  Hypertrophie  der  weiblichen  Brustdrüse 
(v.  Langenbecks  Archiv,  Bd.  XLIII,  2). 

Büdinger:  Ueber  die  relative  Virulenz  der  pyogenen  Mikro- 
organismen in  per  primam  geheilten  Wunden  (Wr.  klin. 
Wochenschr.  1892). 

A.  Gleich:  Ein  Todesfall  in  Bromäthylnarcose  (Wr.  klin. 
Wochenschrift  1892,  Nr.  30). 


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Erklärung  der  Abbildungen 

auf  Tafel  I — II. 

(Zu  dem  Aufsatz:  Prof.  Dr.  Wyss,  lieber  Hernia  ventralis  lateralis  congenita  und 

ihre  Beziehungen  zur  Hernia  lumbalis.) 


Fig.  I.  Reproduktion  einer  photographischen  Aufnahme  des  kleinen 
Patienten  mit  der  Hernie.  Die  letztere  ist  in  der  rechten  Seiten- 
gegend zwischen  hinterer  Thoraxapertur  und  Becken  deutlich  sichtbar. 

Fig.  H.  S k i z z e der  R ü c k e n m u s k u 1 a t u r nach  Entfernung  der  Haut, 
Die  eigentümliche  winklige  Scoliose  ist  aus  der  Lage  der  Processus 
spinosi  ersichtlich. 

L.  d.  = Muse,  latissimus  dorsi. 

Ld.  p.  i.  = musculi  latiss.  dors.  portio  iliaca  (nur  links  vorhanden;  rechts  fehlt 
dieselbe). 

O.  a.  e.  = Muse,  obliquus  ext. 

E.  t.  = Muse,  erector  trunci  s.  M.  opisthotenar  s.  sacrospinalis. 
p.  sp.  = processus  sjiinosi. 

Q.  1.  ■ Muse,  quadratus  lumbor. 

G.  = Muse,  glutaei. 

C.  0.  i.  = Crista  ossis  ilei. 

Sp.  a.  s.  o.  i.  = Spina  anter.  sup.  ossis  ilei. 

O.  a.  e.  p.  p.  = Muscul.  obliqui  ext.  port.  post,  (rechterseits.) 

O.  a.  e.  p.  a.  = Muse,  obliqui  ext.  port.  ant.  (rechterseits.) 

T.  a.  = Muse,  transversus  abdominis.  (rechts.) 

H.  ■•=  Hernia  d.  h.  Bruehpforte  derselben.  Dieselbe  ist  von  Blutgefässen  überbrückt, 
s.  = Sichelförmige  Sehne. 

Fig.  HI.  Seitliche  Ansicht  der  Bauchmuskeln  von  der  rechten 
Seite. 

P.  8.  = Processus  spinosi  vertebr. 
s.  = Sichelförmige  Sehne. 

E.  t.  = Muse.  Erector  trunci  s.  Opisthotenar  s.  sacrospinalis. 

Q.  1.  = Muse,  quadratus  lumborum. 

0.  a.  e.  p.  p.  = Muse,  obliqui  abdominis  externi  portio  posterior. 

C.  o.  i.  = Crista  ossis  ilei. 

0.  a.  e.  p.  a.  = Muse,  obliqui  abdomin.  externi  port.  anterior. 

Sp.  a.  s.  = Spina  anterior  superior  ossis  ilei. 

R.  a.  = iMuscuhis  rectus  abdominis. 

0.  a.  i.  = Muse,  obliquus  abdomin.  intern. 

T.  a.  = Muse,  transversus  abdom. 

O.  a.  e.  = Muse,  obliq.  abdom.  extern. 


ErkUirmig  der  Abbildungen. 


II.  = Hernia  d.  b.  Brucbpforte  mit  sie  überbrückenden  Gefässen  (art.  et  ven. 
intercost.). 

L.  d.  = Muse,  latissimus  dorsi. 

Cc.  = Muse.  Cucullaris. 

Fig.  IV.  Bauch  ni  u s k u 1 a t u r von  I n n e n. 

C.  "Sb  = Corpus  vertebrae. 

L.  I.  = Ligamentum  intervertebrale. 

C.  = Costa. 

S.  = Sehne,  (wie  in  Fig.  I.  u.  II.) 

T.  a.  p.  s.  = Muscul.  transvers.  abdom.  dextri  pars  superior. 

T.  a.  p.  i.  = Musculi  transversi  abdom.  dext.  pars  inferior. 

R.  a.  = Muscul.  rectus  abdominis. 

Ps.  = Muse,  psoas. 

T.  a.  = Muse,  transvers.  abdomin. 

I.  = Muse,  iliaeus. 

Q.  1.  = Muse,  quadratus  luniborum. 

L.  d.  = Muse,  latissimus  dorsi  (von  innen  ges.)  linkerseits. 

J.  i.  = Mm.  intercostales  interni. 

Fig.  V.  Seitliche  Ansicht  der  Bauchmuskeln  der  linken  Seite. 

L.  d.  = Muscul.  latissim.  dorsi. 
c.  = Costa. 

R.  a.  = Muse,  rectus  abdominis. 

0.  a.  i.  = Muse,  obliquus  abdominis  int. 
sp.  a.  s.  = Spina  aut  sup.  oss.  il. 

O.  a.  e.  = Muse,  obliquus  abdomin.  ext. 

O.  a.  i.  — Muse,  obliquus  abdomin.  int. 

Q.  lu.  = Muse,  quadratus  lumborum. 

Er.  tr.  = Muse,  ereetor  trunci  s.  M.  saerospinalis. 
p.  s.  — Processus  si^inos.  vertebrar. 


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Erklärung  der  Abbildungen 

auf  Tafel  III— 


(Zu  dem  Aufsatz . I lof.  I)i.  tTUsseuljauer,  Tiu  Beitrag  zur  Keuutuis  der  braueliiogeiien 

Geschwülste.) 


Fig.  1:  .Seriensclmitt  durch  die  ganze  Dicke  der  Haut,  des  suhcutanen 
Gewebes  und  der  Gewebsschichten  bis  in  die  grosse  Cystenhöhle.  1.  Epi- 
dermis, 2.  Haar-  und  Drüsenschicht,  3.  quergestreifte  Muskelfasern,  4.  Lymph- 
drüsen  mit  Kapsel,  deutlichen  corticalen  Follikeln,  Trabekeln.  Lymphsinusen. 
5.  Cysten  im  Bindegewebe  von  Epithel  ausgekleidet,  ihre  Wandungen  von  lyniph- 
adenoldem  Gewebe  gebildet  und  umgeben.  (1.  Der  grosse  Cystenraum  mit 
mehrschichtigem  Plattenepithel  ausgekleidet,  stellenweise  mit  papillenartigen 
Erhebungen  des  bindegewebigen  Stromas  überkleidet  mit  einer  basalen  Cylinder- 
zellenschicht.  Doppeltinktion  Haematoxylin-Alauncochenille.  I\Iit  Obj.  a Oc.  3 
Zeiss  gezeichnet. 

Fig.  2:  Ein  Follikel  der  Lymphdrüse  aus  Fig.  1 bei  a stärker  vergrössert. 
Im  Centrum  des  Follikels  blassgelbrötlichtingierte  ei^ithelol'de  Zellen.  Oc.  3 Obj. 
8 a Reichert. 

Fig.  3:  Aus  Figur  2 das  mit  a bezeichnete  Viereck  mit  Ilomogen-Inunersion. 
Oc.  Apochromat.  8 Reichert  gezeichnet.  Die  central  gelegenen  Zellen  zeigen  den 
Habitus  von  Epithelzellen. 

Fig  4:  Die  in  Fig.  1 mit  b bezeichnete  Stelle  mit  Compensations-Oc.  4. 
Obj.  8 Reichert  dai'gestellt.  INIitten  in  einem  nicht  scharf  abgegrenzten  l>ymph- 
follikel  ähnlichen  Gebilde  konzentrisch  geschichtete  Zellen,  zum  Teil  in  Tinktion 
und  Aussehen  den  Epithelien  ähnlich. 

Fig  5:  Aus  Fig  1 mit  c bezeichnete  Stelle  der  Cystenwaml.  iMan  sieht 
den  allmählichen  Uebergang  der  epithelialen  Auskleidung  der  Cyste  in  das 
lymi:>hatische  Gewebe. 

Fig.  G:  Serienschnitt  von  einer  anderen  Stelle  der  grossen  Cystenwand. 
Bei  1 Beginn  der  grossen  Cyste.  Die  Cy.ste  ausgekleidet  mit  mehrschichtigem 
Plattenepithel,  in  der  Wand  lymphatisches  Gewebe  mit  einem  im  Centrinn  analog 
Fig  2,  3,  4 veränderten  Follikel.  Bei  2 kleinere  Cyste  durch  ein  bindegewebiges 
Septum  getrennt.  Bei  3 Fettgewebe.  Bei  4 Fettgewebe  mit  adenoiden  Zell- 
anhäufungen.  5.  Lymphdrüse  mit  Kapsel  und  Follikel  und  analogen  \ eränderungen 
wie  in  Fig.  1,  4.  Loupenvergrösserung  (achtmal  linear). 

Fig.  7:  Serienschnitt  aus  einer  anderen  Partie  der  grossen  Cyste,  welche 
die  zottigen  von  Epithel  überkleideten  Protuberanzen  des  lymphatischen  Gewebes 
in  der  Cystenwand  zur  Anschauung  bringt.  Gleiche  Doppeltinktion  und  Loupen- 
vergrösserung. 

Fig.  8:  Die  in  Fig.  7 mit  b bezeichnete  Stelle  mit  Oc.  3 Obj.  4 Reichert 
dargestellt  zeigt  das  mehrschichtige  Plattenepithel. 


pyrklärnng  der  Abbildungen. 


Fig.  9:  Die  in  Fig.  7 mit  a Ijezei ebnete  Stelle  mit  Oc.  3 Obj.  4 Eeiciiert 
dargestellt  zeigt  die  Epithelschicht  mit  den  papillenartigen  Excrescenzen. 

Fig.  10:  Aus  Fig.  7 die  mit  c bezeichnete  Stelle  mit  Oc.  3 Obj.  8 Reichert 
dargestellt  zeigt  epitheloide  Zellen  in  dem  lymphatischen  Gewebe. 

Fig.  11 : Längsscbnitt  eines  Blutgefässes  aus  Fig.  7 mit  Homog.-Immers. 
Oc.  apochr.  8 Reicbert. 

Fig.  12:  Querscbnitt  eines  Blutgefässes  aus  Fig.  7 mit  Homog.-Immers. 
Oc.  apocbr.  8 Reichert. 

Fig.  13  (xius  Fig.  1 mit  Oc.  3 Obj.  4.  Reichert):  zeigt  die  in  den  Saft- 
lücken und  Spalträumen  des  Bindegewebes  netzförmig  sich  ausbreitenden  Zellen- 
anhäufungen. 

Fig.  14;  Aus  Fig.  13  die  mit  a bezeichnete  Stelle  mit  Homog.-Immers.  Oc. 
apochr  8.  Reichert  dargestellt. 


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Erklärung-  der  Abbildungen 

Hilf  Tafel  ATI. 


(/u  (leiu  Aufsatz:  1 lof.  II.  Sattler,  Leber  die  eigeiitliehen  »Selinerveutuiuoren  und 

ihre  chirurgische  Behandlung.) 


Fig.  1.  Erste  Sehnervengesclnvulst.  Natürliche  Grösse,  a)  vorderes, 
h)  hinteres  Ende. 

Fig.  2.  Längsschnitt  in  horizontaler  Lichtung  durch  die  Gesclnvulst.  Na- 
türliche Grösse,  a und  h uie  in  Fig.  1. 

lig.  d.  Querschnitt  durch  die  Gesclnvulst  in  der  Höhe  der  Tdnie  de  <ler 

Fig.  2. 

Fig.  4.  a)  Faserzelle  mit  feinen,  h)  mit  gröhercui  Ausläufern. 

c)  Teil  einer  Faser  mit  kleinen  varikös('u  Anschwellungen. 

d)  Faser  mit  hyaliner  Einlagerung,  a-  d aus  dem  Nerventeil  der  ersten 
Sehnervengesclnvulst. 

e)  Sternförmige  Zelle  mit  mehrfachen,  feineren  und  gröberen  Ausläufern. 
Aus  dem  Scheideuteil  der  ersten  Sehnervengesclnvulst. 

f)  Zc'lle  mit  rundlichem  Kern  und  grohkcirnigeTii  Ih'otoplasma  aus  einem 
myxomatösen  Herde  des  Scheidenteils  der  erstem  Scdmervengeschu  ulst. 

g)  Breite  Faser  mit  hyalinen  Einlagerungen  aus  dem  Nerventeil  der  zweiten 
Sehiu'rvengesclnvulst. 

h)  Külhig  angeschwollene,  hyalin  degenerierte  Faser.  Die  Fort.setzung  der 
Faser  am  uutereu  Ende  wahrscheinlich  ahgehrochen.  Aus  dem  Scheidc'uteil  des 
zweiten  Sehnerveutumors. 

i)  Zelle  mit  mehrfachen,  verschieden  langen  und  feiium  Ausläufern  aus 
dem  Scheideuteile  des  dritteu  Sehuerventumors.  Zeiss,  Ai)ochromat.  Ohj.  4 mm 
und  (’()m])ensations-Ocular  4. 

Fig.  ö.  Horizontaler  liängsschnitt  durch  den  vorderen  Teil  der  dritten 
Sehnervengeschwulst,  a)  Sidmerventeil,  h)  Sclu'ident<‘ii  der  Ch'schwulst.  Natür- 
liche Grösse. 

Fig.  (j.  Senkrechter  (hiersclmitt  zwischen  <lem  vonleren  und  mittleren 
Drittel  derselben  Geschwulst.  Natürliche  Grösse. 

Fig.  7.  lutraorhitaler  und  intracrauieller  Selmerventumor  beiden-  Augen. 
Natürliche  Grösse. 

Fig.  S.  IGidotheliom  mit  Sandkönu'rn  im  Zwisclienscheidenraum  des  Seh- 
Achtfache  Vergrösserung. 


nerven. 


Erklärung  der  Abbildungen 

auf  Tafel  VIII. 

(Zu  dem  Aufsatz:  Prof.  Dr.  v.  Kosthoru,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Tu))o-Ovarial- 

Cysten.) 


Fig.  1.  C ü r p u s 1 u t e u in  c y s t e.  Beschrieben  als  Fall  Xr.  5.  Auf- 
geschnitten  zur  Demonstration  der  Einmündung  des  abdominalen  Eileiterendes 
in  dieselbe.  Tuboovarialcj'ste.  ta  = abdominales  Eileiterende,  cw  = die  dicke 
Cystemvand.  oo  = Ovarium  Stroma  mit  den  Ililusgefässen.  ab  = Uebergangs- 
stelle  an  dem  aufgeschnittenen  Eileiter,  dessen  geschwellte  Schleimhaut  zeigend, 
f = Fransen  des  Pavillons,  fo  = Follikel,  hc  = hämorrhagische  Cyste. 

Fig.  2.  Schnitt  durch  eine  kleine  C or  p u slu  t e um  cy  s t e.  — Loupen- 
vergrösserung.  c = Cystenraum,  i = Innere  bindegewebige  Schichte  ohne 
Epithelsaum,  a = äussere  Schichte.  Charakteristische  Zeichnung  des  Corpus 
luteum.  Colloides  Bindegewebe  mit  Spindelzellen  und  Bindegewebsfasern,  o = 
wohlerhaltenes , normales  Eierstocksgewebe.  F = Follikel  verschiedener  Grösse. 
In  einzelnen  fehlt  der  Epithelsaum , in  anderen  liegt  er  frei  und  losgerissen, 
g --  geschlängelte  Gefässe.  n = Corpora  fibrosa. 

Fig.  o.  Der  unter  Nr.  6 beschriebene,  eigentümliche  Fall.  Die  grosse 
( )varialcyste  ist  aufgeschnitten  znr  Darstellnng  der  komplizierten  Verhältnisse. 

CiCi  = Wandung  der  grossen  Cyste  von  innen. 

CiiC“  = die  in  ersterer  susi)endierte  kleinere  Cyste  aufgeschnitten.  KR  = 
jene  einem  Bruchsackringe  ähnliche  Partie  der  Cystenwandung,  r = diese  eine 
Strecke  weit  eröffnet,  um  zu  zeigen,  dass  dieselbe  hohl  ist  und  in  derselben  Ge- 
])ilde  verlaufen,  welche  zweifellos  ausgezogene  Fimbrien  sind.  Tr  — Trichter, 
förmige  Vertiefung  an  der  Oberfläche  der  grossen  Cyste,  in  welcher  der  Pavillon 
des  akut  entzündeten  Eileiters  angelötet  war  nnd  wosell)st  durch  eine  kleine 
Spalte  eine  erbsengrosse  Cyste  (Cni)  hervorragte.  Fo  — die  punktierte  Linie 
stellt  einen  in  der  Cystenwand  (Ci)  verlaufenden,  feinen  Hohlgang  dar,  in  welchen 
hinein  vom  Pavillon  aus  die  langausgezogene  Fiml)ria  ovarica  zu  verfolgen  ist. 
St  = feine  Sonde,  dnrch  welche  die  Verbindung  zwischen  Cm  und  dem  ring- 
förmigen Hohlraume  mit  der  Fiml)rie,  Sn  = eine  zweite  Sonde,  durch  die  eine 
Kommunikation  zwischen  Cm  und  Ci  nachgewiesen  werden  soll,  g = gefaltetes, 
runzeliges  Gewelje,  welches  der  Aussenfläche  eines  gekerbten  Eierstockes  ähnelt 
und  dementsprechende  Gewebe  aufweist. 


TafVlll. 


A £risf^n  hth  Av\'t  SniUff'vt. 


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A.  Erh-u-in.  h'th./hist  Stuftfj'ul- 


Erklärung  der  Abbildungen 

auf  Tafel  IX. 

(Zu  dem  Aufsatz:  Prof.  Dr.  J.  Mikulicz,  Ueber  eine  eigenartige  symmetrische 
Erkrankung  der  Thränen-  und  Mundspeicheldrüsen.) 


Fig.  1.  Frisches  Präparat  der  linken  Submaxillar-Speiclieldrüse.  Natür- 
liche Grösse. 

Fig.  2.  Dieselbe  Drüse  auf  dem  Querschnitt. 

Fig.  3.  Mikroskopisches  Präi)arat  von  derselben  Drüse.  Hartnack  Ohj.  7. 


(Härtung  in  Flemming’scher  Lösung,  Färbung  mit  Saffranin.) 


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gemeine : genuine. 

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112, 

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24 

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Hypei'glos.sus  : 11  y p o g 1 o s s u s. 

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38 

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55 

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Kampf:  Krampf. 

55 

55 

llö. 

55 

14 

55 

55 

55 

55 

■weniger:  'U’enigen. 

■ 55 

55 

118, 

55 

26 

55 

55 

55 

55 

Krankbeitsstand : Krankheit  s- 

• 

h erd. 

55 

55 

120, 

55 

28 

55 

55 

55 

55 

Einteilung : E i n b e i 1 u n g. 

55 

55 

160, 

55 

16 

55 

unten 

55 

55 

aus  diesem : dieses. 

55 

55 

185, 

55 

30 

55 

oben 

bleibt : nicht  weg. 

55 

55 

230, 

55 

9 

55 

unten 

55 

55 

werden:  wird. 

'5 

55 

265, 

55 

12 

55 

55 

55 

55 

Mundhöhle : AV  u n d höhl  e. 

55 

55 

279, 

55 

22 

55 

oben 

55 

55 

Alundwinkel : AV  u n d w i n k e 1. 

55 

55 

308, 

55 

11 

55 

unten 

55 

55 

angeführt : a u s g e f tt  h r t. 

55 

55 

309, 

55 

22 

55 

oben 

55 

55 

ein  einem : in  de m. 

55 

55 

389, 

55 

9 

55 

unten 

55 

55 

Tetanie  : T u b e r k u 1 o s e. 

— 'OEXSO—